Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 28. März 2018 - Au 6 K 17.1167

bei uns veröffentlicht am28.03.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die 1971 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige und wendet sich gegen die mit Bescheid des Beklagten vom 10. Juli 2017 vorgenommene nachträgliche Befristung der ihr zum Zweck der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen Ehegatten erteilten Aufenthaltserlaubnis sowie die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung und Befristung der Wirkungen einer Abschiebung.

Die Klägerin reiste erstmals am 17. September 2016 aufgrund ihrer Eheschließung am 22. April 2015 mit einem gültigen Visum zum Ehegattennachzug in das Bundesgebiet ein. Im Rahmen des vorhergehenden Beteiligungsverfahrens wurden u.a. ein Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit (vom 15.1.2015) und des Jobcenters ... (vom 9.2.2016) für den Ehegatten der Klägerin über Arbeitslosengeld bzw. Leistungen nach dem SGB II (Bl. 34 und 52 der Behördenakte) sowie ein medizinisches Gutachten des türkischen Gesundheitsministeriums zur Behinderung der Klägerin (erwerbsunfähig trotz Behandlung wegen einer psychotischen Störung, Berichtsdatum: 24.6.2015, Bl. 41 f. der Behördenakte) vorgelegt; das Landratsamt forderte zunächst die Vorlage des Sprachzertifikats A1, stimmte dann aber dem Visumantrag ohne Deutschkenntnisse Niveau A1 zu (Bl. 32, 45, 50, 57 der Behördenakte).

Der Ehegatte der Klägerin teilte der Ausländerbehörde am 12. Oktober 2016 telefonisch mit, die Ehe sei gescheitert, bestätigte dies mit Schreiben vom 19. Oktober 2016 und führte aus, seine Frau und deren Familie drohten ihm (Bl. 59 ff. der Behördenakte). Nachdem die Klägerin und ihr Ehegatte am 17. November 2016 zur Niederschrift erklärten, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen und ihr Ehegatte vorab mitgeteilt habe, sich mit seiner Ehefrau wieder versöhnt zu haben, wurde ihr eine bis zum 21. September 2017 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Der Beklagte verpflichtete die Klägerin mit Bescheid vom 30. November 2016 zur Teilnahme an einem Integrationskurs; nach der vorgelegten fachärztlichen Bescheinigung (vom 20.3.2017) besteht bei der Klägerin eine schwere psychische Erkrankung, derzeit erscheine sie außer Stande, an einem Deutsch- oder Integrationskurs teilzunehmen (Bl. 76, 91 der Behördenakte).

Am 12. Juni 2017 erklärte der Ehegatte der Klägerin gegenüber der Ausländerbehörde, die eheliche Lebensgemeinschaft bestehe nicht mehr, seine Ehefrau habe die gemeinsame Wohnung verlassen. Das Landratsamt gab der Klägerin mit Schreiben vom 13. Juni 2017 die Möglichkeit, sich (bis 7.7.2017) zur beabsichtigten Verkürzung der Befristung der Aufenthaltserlaubnis zu äußern. Mit Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin (vom 10.7.2017, Eingang 11.7.2017) wurde ausgeführt, es liege eine besondere Härte vor. Im Übrigen werde beantragt, die Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 und 2 AufenthG zu verlängern. Es liege Gewalt vor, weshalb die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Klägerin nicht mehr zuzumuten gewesen sei. Das Ermittlungsverfahren sei bei der Polizei ... anhängig.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2017 befristete der Beklagte die der Klägerin am 22. September 2016 bis zum 21. September 2017 erteilte Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den 17. Juli 2017 (Nr. 1), forderte sie zur Ausreise aus dem Bundesgebiet innerhalb einer Woche nach Bestandskraft des Bescheides auf und drohte ihr für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in die Türkei oder jeden anderen Staat, der die Einreise erlaube oder zur Rückübernahme verpflichtet sei, an (Nr. 2). Die Wirkungen der Abschiebung wurden auf ein Jahr nach Ausreise aus dem Bundesgebiet befristet (Nr. 3). Zur Begründung wurde ausgeführt, die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer stütze sich auf § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Eine auf Dauer angelegte eheliche Lebensgemeinschaft bestehe nicht mehr; die Ehegatten lebten seit Anfang Juni 2017 dauernd getrennt. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des materiell-rechtswidrig gewordenen Aufenthalts überwiege das Interesse der Klägerin, bis zum Ablauf der bis zum 21. September 2017 befristeten Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu verbleiben. Ein eigenständiges vom Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft unabhängiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 2 AufenthG habe die Klägerin nicht erlangt. Eine besondere Härte nach § 31 Abs. 2 AufenthG liege nicht vor. Ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei besitze die Klägerin nicht. Sie habe seit ihrer Einreise am 17. September 2016 keine Beschäftigung ausgeübt. Sie halte sich weder die erforderliche Dauer von mindestens drei bis fünf Jahren im Bundesgebiet auf, noch sei sie Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehörenden türkischen Arbeitsnehmers. Sie habe weder als Kind türkischer Arbeitnehmer im Bundesgebiet eine Berufsausbildung abgeschlossen, noch sei ein Elternteil im Bundesgebiet mindestens drei Jahre ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung seien die Wirkungen der Abschiebung auf ein Jahr ab der Ausreise zu befristen.

Die Klägerin beantragt,

Der Bescheid des Beklagten vom 10. Juli 2017 wird aufgehoben, hilfsweise der Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 und 2 AufenthG zu erteilen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen am 10. August 1999 geborenen Sohn, der zusammen mit ihr eingereist und im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, gültig wohl bis August 2017, sei. Die Klägerin und ihr Sohn lebten seit 20. Juni 2017 in Ehingen, dies sei dem Beklagten mit Schreiben vom 10. Juli 2017 mitgeteilt und der Befristung entgegengetreten worden, weil eine besondere Härte vorliege. Im Übrigen sei eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 und 2 AufenthG beantragt worden. Die Klage sei daher begründet. Der Beklagte sei nach § 5 Abs. 1 der Zuständigkeitsverordnung nicht mehr zuständig. Der Bescheid sei im Übrigen ermessensfehlerhaft, weil nicht berücksichtigt worden sei, dass die Klägerin im Bundesgebiet einen Sohn habe, dessen Aufenthalt nicht befristet worden sei.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Anhörung sei mit dem streitgegenständlichen Bescheid die erteilte Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den 17. Juli 2017 verkürzt worden. Erst mit einem am 11. Juli 2017 beim Landratsamt eingegangenen Schreiben habe der Bevollmächtigte mitgeteilt, dass sich die Klägerin zum 20. Juni 2017 nach ... (...) umgemeldet habe. Mit Schreiben vom 11. September 2017 habe die nunmehr zuständige Ausländerbehörde der Fortführung des Verfahrens durch das Landratsamt gemäß Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG (bzw. der entsprechenden baden-württembergischen Vorschrift) zugestimmt. Das Vorliegen einer besonderen Härte i.S.d. § 31 Abs. 2 AufenthG werde bislang nur behauptet. Nach § 82 Abs. 1 AufenthG obliege es jedoch dem Ausländer, alle für ihn günstigen Umstände soweit sie nicht offenkundig seien, nachprüfbar geltend zu machen. Es sei nicht erforderlich, dass die Zustimmung der nunmehr zuständigen Ausländerbehörde noch vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides erfolgt sei; vielmehr sei eine solche gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 2 BayVwVfG noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren möglich. Der am 10. August 1999 geborene Sohn der Klägerin habe mittlerweile das 18. Lebensjahr vollendet; es werde nicht dargelegt, dass dieser auf die Unterstützung der Mutter weiter angewiesen sei, vielmehr habe sich dieser bereits am 14. Juni 2017 nach ... (...) mit alleiniger Wohnung (...) umgemeldet.

Ergänzend wurde ausgeführt, eine besondere Härte liege nicht vor, hierzu werde auf ein Schreiben der Polizeistation ... vom 20. September 2017 verwiesen (Bl. 17 f. der Gerichtsakte); danach habe die Klägerin (am 17.6.2017) gegen ihren Ehegatten einen Strafantrag wegen Körperverletzung gestellt, dieser habe die Vorwürfe bestritten und geäußert, dass seine Ehefrau ihn ständig gedrängt habe, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu ermöglichen. Zwei Zeuginnen hätten bestätigt, dass die Klägerin ohne äußerliche Einwirkung zusammengebrochen sei. Die eheliche Lebensgemeinschaft bestehe weiterhin nicht, es werde auf ein Schreiben des Ehemanns der Klägerin vom 12. November 2017 verwiesen. Auf ein Schreiben der nunmehr zuständigen Ausländerbehörde vom 11. Januar 2018 wurde Bezug genommen, danach sei der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Sohnes der Klägerin abgelehnt und er unter Abschiebungsandrohung zur Ausreise aufgefordert worden; ein Rechtsmittel sei nicht eingelegt worden. Zudem wurde auf ein am 1. Februar 2018 eingegangenes Schreiben des Ehemanns der Klägerin verwiesen.

Mit Beschluss vom 26. Februar 2018 wurde der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abgelehnt.

Mit Schreiben vom 26. März 2018 übermittelte die Staatsanwaltschaft ... auf gerichtliche Nachfrage die Abschlussverfügung vom 17. Oktober 2017 (Az. 237 Js 17572/17). Danach wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Ehemann der Klägerin wegen Körperverletzung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da ein Tatnachweis nicht mit der für eine Anklageerhebung notwendigen Wahrscheinlichkeit geführt werden könne; an der Richtigkeit der Aussage der Geschädigten bestünden erhebliche Zweifel. Aus den vorgelegten ärztlichen Attesten würden sich ebenfalls keine Anhaltspunkte ergeben, welche deren Version stützen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Klägerin verhandelt und entschieden werden, da sie in der Ladung darauf hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft ist nicht rechtswidrig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 des angegriffenen Bescheides verfügte Verkürzung der Geltungsdauer der – zunächst bis 21. September 2017 erteilten –Aufenthaltserlaubnis der Klägerin auf den 17. Juli 2017 ist § 7 Abs. 2 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Dieser Zeitpunkt ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2013 – 1 B 25/12 – BayVBl 2014, 56 Ls. 2).

§ 7 Abs. 2 Satz 1 AufenthG regelt, dass die Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen ist. Nach Satz 2 der Vorschrift kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden, wenn eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen ist. Demnach steht es im Ermessen der Ausländerbehörde, ob sie von der Möglichkeit der Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis Gebrauch macht. Für die Rechtmäßigkeit der damit verbundenen Ermessensentscheidung ist es unerheblich, ob ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage besteht (sog. Trennungsprinzip, vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11/08 – BVerwGE 134, 124; Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, AufenthG, § 7 Rn. 54; Maor in Kluth/Heusch, Beck´scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand: 1.2.2018, AufenthG, § 7 Rn. 17).

a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verkürzung bestehen – insbesondere auch hinsichtlich der Zuständigkeit der Ausländerbehörde – keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Für die Ermittlung der örtlich zuständigen Behörde ist vorliegend zunächst festzustellen, welches Bundesland die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung besitzt. Diese Frage ist – wenn keine speziellen koordinierten landesrechtlichen Kompetenzregelungen vorliegen – durch entsprechende Anwendung der mit § 3 VwVfG übereinstimmenden Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder zu beantworten (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 5/11 – BVerwGE 142, 195). Führen die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, wie das beim Vollzug des Aufenthaltsgesetzes der Fall ist, so regeln sie gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich die Einrichtung der Behörden, d.h. den Ländern in ihrer Gesamtheit obliegt die Bestimmung der Verbandskompetenz und dem einzelnen Bundesland im Rahmen seiner Kompetenz die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit. Fehlen – wie hier – spezielle koordinierte landesrechtliche Zuweisungsregelungen zur Verwaltungskompetenz, ergibt sich ein aufeinander abgestimmtes System im Wege der entsprechenden Anwendung der zur örtlichen Zuständigkeit getroffenen Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder, die insoweit inhaltsgleich sind und mit § 3 VwVfG übereinstimmen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. a VwVfG – und dem insoweit wortlautidentischen Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. a BayVwVfG – ist damit für die Entscheidung über die nachträgliche Verkürzung, die die Klägerin als natürliche Person betrifft, grundsätzlich die Behörde zuständig, in deren Bezirk sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies ist zwar vorliegend nach dem Umzug der Klägerin nach der Anhörung zur beabsichtigten nachträglichen Verkürzung der Befristung der Aufenthaltsdauer, demnach nach Einleitung und vor Abschluss des laufenden Verwaltungsverfahrens (s. Bl. 102 der Behördenakte), nach Baden-Württemberg die dortige zuständige Ausländerbehörde. Diese stimmte jedoch mit Schreiben vom 11. September 2017 (Bl. 122 der Behördenakte) der Fortführung des laufenden gegenständlichen Verfahrens durch die Ausländerbehörde der Beklagten zu (vgl. § 3 Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für Baden-Württemberg und die insoweit wortlautidentischen Regelungen in Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG bzw. § 3 Abs. 3 VwVfG). Danach kann die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt. Es war nicht erforderlich, dass die Zustimmung noch vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides erfolgte; denn eine solche Zustimmung ist gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m Abs. 2 BayVwVfG auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren möglich (vgl. BayVGH B.v. 22.2.2012 – 10 ZB 11.969 – juris Rn. 19 m.w.N.). Gründe dafür, dass die Fortführung des Verfahrens durch die Ausländerbehörde des Beklagten nicht der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens diente und die Interessen der Klägerin nicht gewahrt wurden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein die theoretische Möglichkeit, dass die nunmehr zuständige Behörde die Verkürzung nicht verfügt hätte, genügt insoweit nicht, eine Rechtsverletzung der Klägerin zu begründen.

b) Die streitgegenständliche Verkürzung ist auch materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sind vorliegend gegeben. Für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft, die aufenthaltsrechtlichen Schutz nach Art. 6 GG genießt, kommt es auf den nachweisbar betätigten Willen beider Eheleute an, ein gemeinsames Leben zu führen. Bei der im jeweiligen Einzelfall vorzunehmenden Bewertung, ob eine aufenthaltsrechtlich beachtliche tatsächliche Lebensgemeinschaft vorliegt oder lediglich eine Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, verbietet sich eine schematisierende Betrachtung (BVerwG, B.v. 22.05.2013 – 1 B 25.12 – BayVBl 2014, 56, Ls. 1). Eine eheliche Lebensgemeinschaft, die sich nach außen im Regelfall in einer gemeinsamen Lebensführung, also in dem erkennbaren Bemühen dokumentiert, die alltäglichen Dinge des Lebens miteinander in organisatorischer, emotionaler und geistiger Verbundenheit zu bewältigen, dreht sich im Idealfall um einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt und wird daher regelmäßig in einer von den Eheleuten gemeinsam bewohnten Wohnung gelebt (HessVGH, B.v. 9.8.2004 – 9 TG 1179/04 – FamRZ 2005, 982). Eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht indes nicht mehr, wenn die persönlichen Beziehungen erkennbar und ohne Aussicht auf Versöhnung beendet werden (Müller in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 27 AufenthG Rn. 23). Vorliegend bestand die eheliche Lebensgemeinschaft der Klägerin jedenfalls seit 20. Juni 2017 nicht mehr, da sie seit diesem Zeitpunkt auf Dauer von ihrem Ehemann getrennt lebt. Dies ist hier auch seitens der Klägerin nicht bestritten worden; sie teilte vielmehr sowohl der Ausländerbehörde – unter Vorlage einer Meldebestätigung (Bl. 102 der Behördenakte beinhaltet E. als alleinige Wohnung) – als auch im Rahmen der Klagebegründung mit, dass sie seit diesem Zeitpunkt bei ihrem Sohn lebe und umgezogen sei. Trotz des formellen Bestehens einer Ehe ist die eheliche Lebensgemeinschaft beendet, wenn sich die Eheleute endgültig getrennt haben; die tatsächliche Trennung besteht in der Regel in der Aufgabe der häuslichen Gemeinschaft (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2007 – 24 CS 07.2053 – juris); dies ist vorliegend erfolgt. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für die zum Zweck der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 27 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entfallen.

Die getroffene Ermessensentscheidung des Beklagten ist im gerichtlichen Verfahren nicht zu beanstanden. Die gerichtliche Prüfungsdichte bemisst sich nach der Regelung des § 114 VwGO, was im Wesentlichen zur Folge hat, dass die Entscheidung lediglich daraufhin zu überprüfen ist, ob überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen wurde, ob in diese Ermessensentscheidung alle maßgeblichen und keine unzulässigen Erwägungen Eingang gefunden haben und ob einzelne Belange entgegen ihrer objektiven Wertigkeit in die Abwägung eingestellt worden sind.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe erweist sich die Ermessensentscheidung des Beklagten als ermessensfehlerfrei und angemessen. Das Vertrauen auf den Fortbestand einer Aufenthaltserlaubnis ist bei einem Fortfall einer wesentlichen Voraussetzung (grundsätzlich) nicht geschützt (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/ Dienelt, Ausländerrecht, AufenthG, § 7 Rn. 61). Im Rahmen der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer war (lediglich) das Interesse der Klägerin, bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der Beendigung eines materiell rechtswidrig gewordenen Aufenthalts gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11/08 – BVerwGE 134, 124). Enge persönliche, insbesondere verwandtschaftliche Bindungen, sind gemäß Art. 8 EMRK insoweit zu berücksichtigen, wenn sie den Aufenthalt des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland gerade in der Zeit bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis erfordern, z.B. weil Unterstützungsleistungen durch ihn oder für ihn nötig sind (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, AufenthG, § 7 Rn. 59). Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid eine umfassende Abwägung vorgenommen und dargelegt, dass auch keine schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen überwiegenden Belange der Klägerin vorliegen. Diese hat seit ihrer erstmaligen Einreise in die Bundesrepublik am 17. September 2016 keine Beschäftigung ausgeübt; sie besitzt im Übrigen nach den zutreffenden Darlegungen des Beklagten auch kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei. Zu den öffentlichen Interessen zählt auch das Interesse an der Einhaltung des Aufenthaltsrechts, um dem Hineinwachsen in einen vom Gesetz verwehrten Daueraufenthalt vorzubeugen. Ein Ermessensfehler liegt auch nicht im Hinblick auf den nunmehr geltend gemachten Aufenthalt des (inzwischen volljährigen) Sohnes der Klägerin im Bundesgebiet vor. Die ergänzende Erwägung des Beklagten (§ 114 Satz 2 VwGO), es sei nicht dargelegt, dass der Sohn der Klägerin auf deren Unterstützung angewiesen sei, ist vorliegend nicht zu beanstanden. Zunächst bestand bereits keine familiäre Lebensgemeinschaft, da der (am 10.8.1999 geborene) Sohn der Klägerin im Zeitpunkt deren Zuzugs weiterhin in der Türkei lebte (s. Bl. 64 der Behördenakte) und die Klägerin nach ihren Darlegungen erst seit 20. Juni 2017 mit ihrem Sohn, demnach wenige Wochen vor dessen Volljährigkeit, in E. lebt. Der Aufenthalt der Klägerin ist insbesondere nicht nach der Wertung des Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK erforderlich, da Unterstützungsleistungen durch oder für die Klägerin hinsichtlich des Sohnes weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Besondere Gründe für die Notwendigkeit eines weiteren, zeitlich beschränkten Verbleibs der Klägerin in Deutschland bis zum 21. September 2017, dem Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere reicht allein der Umstand, dass das Scheidungsverfahren möglicherweise noch anhängig ist, hierfür nicht aus (vgl. dazu BayVGH, B.v. 21.6.2010 – 10 ZB 09.2959 – juris).

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine von der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft unabhängige Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG. Maßgeblich ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Ein entsprechender Antrag auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis ist in der vorgenannten Stellungnahme der Klägerin vom 10. Juli 2017 gegenüber dem Landratsamt im Rahmen der Anhörung zu sehen (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11/08 – BVerwGE 134, 124/129).

a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neuerteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren im Bundesgebiet bestanden hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin hat zwar am 22. April 2015 mit ihrem Ehemann die Ehe geschlossen, reiste jedoch erstmal am 17. September 2016 in das Bundesgebiet ein. Jedenfalls am 20. Juni 2017 zog sie aus der gemeinsamen Ehewohnung aus (s.o. Nr. 1 a). Damit ist die erforderliche dreijährige Ehebestandszeit im Bundesgebiet nicht erfüllt.

b) Ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ergibt sich auch nicht aus § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.

Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet ist gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ab-zusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist. Eine besondere Härte liegt nach § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist (§ 31 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz AufenthG). Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren, unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. Tewocht in Kluth/Heusch, Beck´scher Online Kommentar, AuslR, AufenthG, § 31 Rn. 19; VG München, U.v. 21.2.2013 – M 12 K 12.4701 – juris Rn. 33).

aa) Eine besondere Härte i.S. des § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG ist nicht gegeben. Von dieser Regelung sind nur ehebezogene Nachteile erfasst, also Beeinträchtigungen, die mit der ehelichen Lebensgemeinschaft oder ihrer Auflösung zumindest in mittelbarem Zusammenhang stehen, nicht aber sämtliche sonstigen, unabhängig davon bestehenden Rückkehrgefahren (s. dazu ausführlich BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11/08 – NVwZ 2009, 1432).

Derartige ehebezogene Nachteile hat die Klägerin bei einer Rückkehr in die Türkei nicht zu befürchten. Diese ergeben sich insbesondere nicht allein daraus, dass der Betroffene im Fall des Abbruchs des Aufenthalts einen Arbeitsplatz im Bundesgebiet verliert und dadurch ein Neubeginn im Heimatstaat erforderlich ist; denn dies trifft grundsätzlich alle Rückkehrer gleichermaßen und ist daher im Regelfall nicht geeignet, die Ausreisepflicht zu suspendieren (vgl. BayVGH B.v. 26.7.2010 – 10 ZB 10.75 – juris Rn. 15; B.v. 15.2.2010 – 19 CS 09.3105 – juris). Die Klägerin ist erst mit 45 Jahren erstmals in die Bundesrepublik eingereist, hat vorher nach Aktenlage in der Türkei gelebt und seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet keine Beschäftigung ausgeübt. Besondere ehebezogene Benachteiligungen sind bei einer Rückkehr in die Türkei nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat den Großteil ihres Lebens in der Türkei verbracht und spricht ihre Heimatsprache. Anhaltspunkte dafür, dass sie den Lebensverhältnissen in ihrer Heimat in einer Weise entfremdet wäre, die eine Rückkehr unzumutbar machen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

bb) Der Klägerin war ein Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft auch nicht unzumutbar i.S. des § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG.

(1) Durch § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG soll vermieden werden, dass der nachgezogene Ehegatte „auf Gedeih und Verderb“ zur Fortsetzung einer untragbaren Lebensgemeinschaft gezwungen wird, weil er sonst Gefahr läuft, sein akzessorisches Aufenthaltsrecht zu verlieren (vgl. BayVGH, B.v. 13.08.2009 – 10 ZB 09.1020 – juris; VG Regensburg, B.v. 12.12.2012 – RO 9 S 12.1679 – juris Rn. 26). Der Gesetzgeber hatte dabei besondere Umstände, die es dem Ehegatten unzumutbar machen, zur Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts an der ehelichen Lebensgemeinschaft festzuhalten, im Blick (vgl. BT-Drs. 14/2368 S. 4). Danach sollen solche Fälle beispielsweise vorliegen, wenn der nachgezogene Ehegatte wegen physischer oder psychischer Misshandlungen durch den anderen Ehegatten die Lebensgemeinschaft aufgehoben hat oder der andere Ehegatte das in der Ehe lebende Kind sexuell missbraucht oder misshandelt hat. Der vorgenannte Halbsatz des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, welcher die häusliche Gewalt benennt, wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat eingeführt (vgl. Gesetz vom 23.6.2011, BGBl I S. 1266) und dient (nur) zur Klarstellung (vgl. Tewocht in Kluth/Heusch, Beck´scher Online Kommentar, AuslR, AufenthG, § 31 Rn. 21).

Bei der Beurteilung, ob dem Ehepartner ein Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft zumutbar war oder nicht, bedarf es einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls. Schutzwürdige Belange des ausländischen Ehegatten sind dabei vor allem die persönliche Selbstbestimmung, die körperliche Integrität und die persönliche Freiheit. Die Beeinträchtigung dieser Belange muss objektiv betrachtet eine gewisse Intensität aufweisen und sich aus Sicht des betroffenen Ehegatten mit Blick auf das Erreichen der Drei-Jahres-Frist als unzumutbar darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 3.9.2014 – 10 AS 14.1838, 10 AS 14.1837 – NZFam 2014, 1113; B.v. 17.1.2014 – 10 ZB 13.1783 – juris Rn. 4; VG Augsburg, U.v. 23.7.2014 – Au 6 K 14.571 – juris). Die Störungen der ehelichen Lebensgemeinschaft müssen demnach das Ausmaß einer konkreten, über allgemeine Differenzen und Kränkungen in einer gestörten ehelichen Beziehung hinausgehenden psychischen Misshandlung erreicht haben. Gelegentliche Ehestreitigkeiten, Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten, grundlose Kritik und Kränkungen, die in einer Vielzahl von Fällen trennungsbegründend wirken, machen für sich genommen noch nicht das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2008 – 19 ZB 08.259 – juris Rn. 24). Ein besonderer Härtefall ist dabei nicht erst bei schwersten Eingriffen in die persönliche Freiheit des Ehepartners gegeben, eine Beschränkung nur auf „gravierende Misshandlungen“ lässt sich nicht rechtfertigen (vgl. VG Augsburg, U.v. 30.11.2011 – 6 K 11.1339 – juris Rn. 25). Ausreichend ist, wenn die Lage eines Ehegatten durch eine Situation der Angst vor physischer oder psychischer Gewalt geprägt ist und daher die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft als unzumutbar erscheint (vgl. VG München, U.v. 21.2.2013 – M 12 K 12.4701 – juris Rn. 33; Göbel-Zimmermann in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 31 Rn.14). Der nachgezogene Ehegatte – hier die Klägerin – ist insoweit darlegungspflichtig (vgl. OVG NRW, B.v. 21.2.2007 – 18 B 690/06 – juris Rn. 8 m.w.N.; VG Augsburg, U.v. 28.6.2010 – Au 6 K 09.1233 – juris Rn. 26).

(2) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG erworben. Aus der Gesamtschau aller gegebenen Umstände ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts nicht, dass der Klägerin das Festhalten an der Ehe unzumutbar gewesen wäre.

Das Gericht ist der Überzeugung, dass eine besondere Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG nicht vorliegt. Ausgehend von den vorgenannten Maßgaben hat die Klägerin, die – wie ausgeführt – insoweit darlegungspflichtig ist, eine Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange im vorgenannten Sinne bereits nicht hinreichend dargelegt. Sie trug gegenüber der Ausländerbehörde mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 10. Juli 2017 vor, es liege Gewalt vor und verwies hierzu auf das Ermittlungsverfahren bei der Polizei ... (Bl. 101 der Behördenakte); im Rahmen der Klagebegründung wurde insoweit lediglich auf das vorgenannte Schreiben vom 10. Juli 2017 verwiesen. Nach dem vorgelegten Schreiben der Polizeistation (Bl. 17 f. der Gerichtsakte) stellte die Klägerin (am 17.6.2017) gegen ihren Ehemann Strafantrag wegen Körperverletzung, dieser habe die Vorwürfe bestritten; zwei Zeuginnen hatten bestätigt, dass die Klägerin ohne äußerliche Einwirkung zusammengebrochen sei. Ausweislich der vorgenannten Abschlussverfügung vom 17. Oktober 2017 (Az. 237 Js 17572/17) wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Ehemann der Klägerin wegen Körperverletzung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da ein Tatnachweis nicht mit der für eine Anklageerhebung notwendigen Wahrscheinlichkeit geführt werden konnte; an der Richtigkeit der Aussage der Geschädigten bestünden erhebliche Zweifel. Eine Befragung der Klägerin durch das Gericht konnte nicht erfolgen, da diese den Termin der mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen hat; eine Zeugeneinvernahme ihres Ehemannes erübrigte sich damit. Soweit die Klägerin Gewalt geltend macht bzw. auf Gewalttätigkeiten ihres Ehemannes verweist, blieb ihr Vortrag demnach unsubstantiiert. Bei dieser Sachlage konnte die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts nicht darlegen, dass ihr wegen der Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar geworden ist. Nach einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles war der Klägerin demnach ein Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht unzumutbar, eine besondere Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG liegt daher nicht vor.

3. Steht der Klägerin danach kein Anspruch auf Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Anschluss an die – nach Verkürzung der ursprünglichen Geltungsdauer – am 17. Juli 2017 abgelaufene Aufenthaltserlaubnis zu, ist auch die Androhung der Abschiebung in die Türkei, die an die Bestandskraft des streitgegenständlichen Bescheides anknüpft, rechtlich nicht zu beanstanden (§ 59 AufenthG).

4. Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

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(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

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(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 28 Familiennachzug zu Deutschen


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen 1. Ehegatten eines Deutschen,2. minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,3. Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorgezu erteilen, wenn der Deutsche seinen ge

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 31 Eigenständiges Aufenthaltsrecht der Ehegatten


(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn 1. die eheliche Lebensgemeinschaft

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(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäft

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(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verläng

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 7 Aufenthaltserlaubnis


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorg

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 82 Mitwirkung des Ausländers


(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlich

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 84


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Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 3 Örtliche Zuständigkeit


(1) Örtlich zuständig ist 1. in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt;2. in Angelegenheiten, die sich auf den Be

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 28. März 2018 - Au 6 K 17.1167 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 03. Sept. 2014 - 10 AS 14.1838

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Tatbestand 1 Die in der Türkei lebende Klägerin erstrebt die Befristung der Wirkungen ihrer Abschiebungen aus den Jahren 1988 und 2005, um anschließend ein Visum zum Fam

Referenzen

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Die Ausländerbehörde kann ihm dafür eine angemessene Frist setzen. Sie setzt ihm eine solche Frist, wenn sie die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen fehlender oder unvollständiger Angaben aussetzt, und benennt dabei die nachzuholenden Angaben. Nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise können unberücksichtigt bleiben. Der Ausländer, der eine ICT-Karte nach § 19b beantragt hat, ist verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde jede Änderung mitzuteilen, die während des Antragsverfahrens eintritt und die Auswirkungen auf die Voraussetzungen der Erteilung der ICT-Karte hat.

(2) Absatz 1 findet im Widerspruchsverfahren entsprechende Anwendung.

(3) Der Ausländer soll auf seine Pflichten nach Absatz 1 sowie seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz, insbesondere die Verpflichtungen aus den §§ 44a, 48, 49 und 81 hingewiesen werden. Im Falle der Fristsetzung ist er auf die Folgen der Fristversäumung hinzuweisen.

(4) Soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint sowie eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit durchgeführt wird. Kommt der Ausländer einer Anordnung nach Satz 1 nicht nach, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden. § 40 Abs. 1 und 2, die §§ 41, 42 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Bundespolizeigesetzes finden entsprechende Anwendung.

(5) Der Ausländer, für den nach diesem Gesetz, dem Asylgesetz oder den zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Bestimmungen ein Dokument ausgestellt werden soll, hat auf Verlangen

1.
ein aktuelles Lichtbild nach Maßgabe einer nach § 99 Abs. 1 Nr. 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung vorzulegen oder bei der Aufnahme eines solchen Lichtbildes mitzuwirken und
2.
bei der Abnahme seiner Fingerabdrücke nach Maßgabe einer nach § 99 Absatz 1 Nummer 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung mitzuwirken.
Das Lichtbild und die Fingerabdrücke dürfen in Dokumente nach Satz 1 eingebracht und von den zuständigen Behörden zur Sicherung und einer späteren Feststellung der Identität verarbeitet werden.

(6) Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 sind, sind verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis mitzuteilen, dass die Ausbildung oder die Erwerbstätigkeit, für die der Aufenthaltstitel erteilt wurde, vorzeitig beendet wurde. Der Ausländer ist bei Erteilung des Aufenthaltstitels über seine Verpflichtung nach Satz 1 zu unterrichten.

(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist; ein Vergleich ist zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind.

(2) Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht, es kann insbesondere auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt fordern. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Zeugen und Sachverständige werden nicht vernommen, es sei denn, dass auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; eine Beeidigung findet nicht statt. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab.

(3) Die in Absatz 1, 2 bezeichneten Maßnahmen werden von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts durchgeführt.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2

Der Kläger, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste im Jahre 2001 nach Deutschland ein. Er ist seit Januar 2007 mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und beantragte im Juli 2007 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Im Februar 2008 wurde ihm eine bis Ende Juni 2008 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die vor Ablauf um drei Jahre verlängert wurde. Im Hinblick darauf, dass seine Ehefrau im Laufe des Jahres 2009 die gemeinsame Wohnung in Stuttgart verließ und nach Heilbronn zog, verkürzte die Beklagte durch Bescheid vom 14. Oktober 2010 gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG die Befristung der Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den Zeitpunkt der Zustellung dieses Bescheides. Nach Erhebung der Anfechtungsklage stellte der Kläger im Juni 2011 einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Klage und Berufung des Klägers blieben sowohl hinsichtlich der nachträglichen Verkürzung der Frist als auch der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erfolglos.

3

1. Die Grundsatzrügen des Klägers greifen nicht durch. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Beantwortung nicht zugänglich ist.

4

1.1 Die Frage,

"welches Maß der tatsächlichen Verbundenheit zwischen den Ehegatten den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG auslöst",

lässt sich, soweit sie nicht bereits geklärt ist und soweit eine abstrakte Beantwortung überhaupt möglich ist, ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens ohne Weiteres beantworten. Aufenthaltstitel für den Familiennachzug zu Deutschen werden zur Herstellung und Wahrung der familiären bzw. ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet erteilt (§ 27 Abs. 1 AufenthG). Allein das formale Band der Ehe reicht daher für sich genommen nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zu entfalten. Erst der bei beiden Eheleuten bestehende Wille, die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet tatsächlich herzustellen oder aufrechtzuerhalten, löst den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG aus; die Beweislast für das Bestehen dieses Herstellungswillens als einer inneren Tatsache trägt der Ausländer (Urteile vom 22. Juni 2011 - BVerwG 1 C 11.10 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u Asylrecht Nr. 53 Rn. 14 ff. und vom 30. März 2010 - BVerwG 1 C 7.09 - BVerwGE 136, 222 Rn. 15 = Buchholz 402.242 § 27 AufenthG Nr. 2). Allerdings verbietet es sich angesichts der Vielfalt der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ausgestaltungsmöglichkeiten der familiären Lebensgemeinschaft, schematische oder allzu enge Mindestvoraussetzungen für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu formulieren (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 - NVwZ 2002, 849, Rn. 22). Selbst wenn Eheleute typischerweise ihren Lebensmittelpunkt in einer gemeinsamen Wohnung haben, kann eine eheliche Lebensgemeinschaft auch dann bestehen, wenn die Eheleute - etwa aus beruflichen Gründen - in getrennten Wohnungen leben oder aus gewichtigen Gründen - Berufstätigkeit, Inhaftierung - wenig persönlichen Kontakt haben. In einem derartigen Fall ist allerdings erforderlich, dass das Bestehen einer über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausreichenden familiären Beistandsgemeinschaft auf andere Weise erkennbar sichergestellt ist, etwa durch eine jedenfalls erforderliche intensive Kommunikation zwischen den Eheleuten als Indiz für eine gemeinsame Lebensgestaltung, durch Beistandsleistungen oder Besuche im Rahmen des Möglichen (Urteil vom 22. Juni 2011 a.a.O. Rn. 18; im Übrigen vgl. auch Marx, in: Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht in der anwaltlichen Praxis, 4. Aufl. 2011, § 5 Rn. 12 ff., 32 ff., 90 ff.). Maßgeblich ist der nachweisbar betätigte Wille, mit der Partnerin bzw. dem Partner als wesentlicher Bezugsperson ein gemeinsames Leben zu führen. Ob dieser Wille vorliegt und praktiziert wird, ist allerdings eine Frage des jeweiligen Einzelfalls; die abstrakte Festlegung weiterer, über die vom Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegten Obersätze hinausgehender Kriterien für das Maß an tatsächlicher Verbundenheit zwischen den Eheleuten ist nicht möglich.

5

Von diesen Grundsätzen ausgehend und unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG, wirft die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht keine rechtsgrundsätzlich bedeutsamen Fragen auf. Insbesondere besteht angesichts der in der mündlichen Verhandlung nach eingehender Anhörung des Klägers sowie seiner Ehefrau als Zeugin festgestellten Tatsachen kein Anlass, weitere Mindestvoraussetzungen für das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft aufzustellen. Denn das Berufungsgericht hat festgestellt, dass im entscheidungserheblichen Zeitpunkt zwischen den Eheleuten dauerhaft keine auf eine Lebens- oder Beistandsgemeinschaft deutenden Kontakte mehr bestanden, ohne dass hiergegen eine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben worden wäre.

6

1.2 Auch die weitere Frage,

"welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Klagen, die sich gegen die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer eines Aufenthaltstitels richten und bei denen der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach Ablauf der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels liegt, maßgeblich ist",

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich anhand der Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten lässt. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Aufenthaltsrecht beruht auf der Annahme, dass im Streit um das Fortbestehen eines Aufenthaltsrechts aus materiell-rechtlichen Gründen auf einen möglichst späten Beurteilungszeitpunkt abzustellen ist, um die Berücksichtigung aktueller tatsächlicher Entwicklungen etwa im Lichte des Art. 8 EMRK oder des Art. 6 GG zu ermöglichen. Deshalb sind Ausweisungen ebenso wie Abschiebungsandrohungen oder Ermessensentscheidungen über die Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis sowie Entscheidungen über die Rücknahme oder den Widerruf eines unbefristeten Aufenthaltstitels auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zu überprüfen, wie sie sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz darstellt (Urteile vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 12 = Buchholz 402.242 § 55 AufenthG Nr. 7; vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 37 f. = Buchholz 402.242 § 32 AufenthG Nr. 4; vom 13. April 2010 - BVerwG 1 C 10.09 - Buchholz 402.242 § 51 AufenthG Nr. 1 und vom 22. März 2012 - BVerwG 1 C 3.11 - BVerwGE 142, 179 Rn. 13 = Buchholz 402.242 § 23 AufenthG Nr. 3). Diese Gründe treffen auf eine durch nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis bewirkte zeitliche Verkürzung des Aufenthaltsrechts in gleicher Weise zu. Einer Einbeziehung tatsächlicher Entwicklungen nach Erlass des angegriffenen Verwaltungsaktes bedarf es allerdings nicht, wenn die nachträglich eingetretenen Tatsachen sich auf den angegriffenen Verwaltungsakt nicht mehr auswirken können, sondern - insbesondere nach dem Wegfall des Aufenthaltsrechts und dem Entstehen einer Ausreisepflicht - Bedeutung lediglich für die Neuerteilung eines Titels oder die Verlängerung des abgelaufenen Titels haben. Bei der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis auf den Zeitpunkt der Zustellung eines Befristungsbescheids nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist deshalb dieser Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich, wenn er vor der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts bzw. der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung liegt (ebenso Discher, in: GK zum Aufenthaltsgesetz II, § 7 Rn. 508; vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 15. Juli 2009 - 13 S 2372/08 - NVwZ 2009, 1380 Rn. 42; sowie VGH München, Beschluss vom 16. August 2011 - 10 CS 11.432 - BayVBl 2012, 210 Rn. 30).

7

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage würde sich im Übrigen - unabhängig von ihrer mangelnden grundsätzlichen Bedeutung - in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das Berufungsgericht hat für den Zeitraum von November 2009 bis Juni 2012 festgestellt, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau nicht mehr bestand, ohne dass durchgreifende Verfahrensrügen hiergegen erhoben wären. Diese Feststellung umfasst alle in Betracht kommenden Zeitpunkte (19. Oktober 2010: Zustellung des angegriffenen Bescheids über die nachträgliche Befristung, 17. Juni 2011: Ablauf des ursprünglichen Aufenthaltstitels und 19. September 2012: mündliche Verhandlung in der Berufungsinstanz).

8

2. Die vom Kläger behauptete Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des Berufungsurteils von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 - führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.

9

Eine Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift ist gegeben, wenn das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem Rechtssatz widersprochen hat, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat.

10

Die Divergenzrüge ist schon unzulässig, da sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht. Sie rügt zwar eine Abweichung des Berufungsgerichts von der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, arbeitet jedoch die abstrakten, entscheidungstragenden Rechtssätze der beiden Entscheidungen nicht heraus, deren Divergenz der Kläger geltend machen möchte. Hiervon unabhängig liegt die gerügte Divergenz weder ausdrücklich noch unausgesprochen vor. Vielmehr stützt sich das Berufungsgericht auf die von der Beschwerde benannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und legt seinem Urteil insbesondere die Annahme zugrunde, dass für das Bestehen einer familiären bzw. ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zwingend eine häusliche Gemeinschaft erforderlich ist, sondern es im Kern auf den betätigten Willen ankommt, ein gemeinsames Leben zu führen. Dieser Obersatz genügt dem Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts, eine schematische Einordnung und Qualifizierung einer tatsächlichen Situation als aufenthaltsrechtlich schutzwürdige Lebensgemeinschaft oder als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen verbiete sich angesichts der Vielfalt der von Art. 6 GG erfassten Gestaltungsmöglichkeiten.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Örtlich zuständig ist

1.
in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt;
2.
in Angelegenheiten, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer seiner Betriebsstätten, auf die Ausübung eines Berufs oder auf eine andere dauernde Tätigkeit beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Unternehmen oder die Betriebsstätte betrieben oder der Beruf oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;
3.
in anderen Angelegenheiten, die
a)
eine natürliche Person betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte,
b)
eine juristische Person oder eine Vereinigung betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die juristische Person oder die Vereinigung ihren Sitz hat oder zuletzt hatte;
4.
in Angelegenheiten, bei denen sich die Zuständigkeit nicht aus den Nummern 1 bis 3 ergibt, die Behörde, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.

(2) Sind nach Absatz 1 mehrere Behörden zuständig, so entscheidet die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden ist, es sei denn, die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde bestimmt, dass eine andere örtlich zuständige Behörde zu entscheiden hat. Sie kann in den Fällen, in denen eine gleiche Angelegenheit sich auf mehrere Betriebsstätten eines Betriebs oder Unternehmens bezieht, eine der nach Absatz 1 Nr. 2 zuständigen Behörden als gemeinsame zuständige Behörde bestimmen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten zur einheitlichen Entscheidung geboten ist. Diese Aufsichtsbehörde entscheidet ferner über die örtliche Zuständigkeit, wenn sich mehrere Behörden für zuständig oder für unzuständig halten oder wenn die Zuständigkeit aus anderen Gründen zweifelhaft ist. Fehlt eine gemeinsame Aufsichtsbehörde, so treffen die fachlich zuständigen Aufsichtsbehörden die Entscheidung gemeinsam.

(3) Ändern sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände, so kann die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.

(4) Bei Gefahr im Verzug ist für unaufschiebbare Maßnahmen jede Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Die nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 örtlich zuständige Behörde ist unverzüglich zu unterrichten.

Tatbestand

1

Die in der Türkei lebende Klägerin erstrebt die Befristung der Wirkungen ihrer Abschiebungen aus den Jahren 1988 und 2005, um anschließend ein Visum zum Familiennachzug zu ihrem in Berlin lebenden Sohn zu erlangen.

2

Die 1934 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie reiste im Oktober 1984 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Im Rahmen des Asylverfahrens wurde sie im Januar 1985 der Stadt S. im Hochsauerlandkreis (Nordrhein-Westfalen) zugewiesen und nahm dort ihren Wohnsitz. Nach Ablehnung ihres Asylantrags wurde sie zur Ausreise aufgefordert, befolgte die Aufforderung jedoch nicht. Daraufhin erhielt sie mehrfach verlängerte förmliche Duldungen. Am 30. April 1988 wurde sie auf Veranlassung des Landrats des beigeladenen Hochsauerlandkreises abgeschoben.

3

Die Klägerin reiste nach eigenen Angaben im Januar 2005 erneut nach Deutschland ein und stellte einen weiteren Asylantrag. Am 22. Januar 2005 wurde gegen sie auf Antrag des Beigeladenen, in dessen Bezirk sie sich aufhielt, Abschiebungshaft angeordnet. Nachdem der Asylfolgeantrag der Klägerin abgelehnt worden war, wurde sie auf Betreiben des Landrats des Hochsauerlandkreises am 13. April 2005 erneut in die Türkei abgeschoben.

4

Im Februar 2006 beantragte die Klägerin beim Landrat des Hochsauerlandkreises, die Wirkung ihrer Abschiebungen von 1988 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen. Sie führte dazu aus, sie leide an altersbedingten Krankheiten und vertraue darauf, die notwendige Lebenshilfe bei ihrem in Berlin lebenden Sohn erlangen zu können. Mit der Aufhebung der Sperrwirkung solle eine der Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass ein Visum zum Familiennachzug erwirkt werden könne.

5

Der Landrat des Hochsauerlandkreises befristete die Wirkung der Abschiebungen mit Bescheid vom 3. April 2006 auf den 30. April 2010. Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen. Die dagegen vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg erhobene Klage wurde im April 2008 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Landrat des Hochsauerlandkreises sei im Hinblick auf die begehrte Befristungsentscheidung nicht passiv legitimiert. Nach § 4 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (OBG NRW) sei diejenige Ausländerbehörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden. Dies sei dort der Fall, wo der Ausländer sich aufhalte beziehungsweise aufhalten wolle. Im Fall der Klägerin sei daher das Land Berlin zuständig, da sie hinreichend konkret beabsichtige, ihren künftigen Aufenthalt bei ihrem Sohn in Berlin zu nehmen. Im Rahmen des Verfahrens auf Zulassung der Berufung wurde auf Vorschlag des Oberverwaltungsgerichts Münster der Befristungsbescheid vom 3. April 2006 aufgehoben. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. In dem Einstellungsbeschluss erlegte das Oberverwaltungsgericht der Klägerin die Kosten des Verfahrens auf und bezog sich zur Begründung u.a. auf seine Rechtsprechung, wonach für die Befristungsentscheidung die Ausländerbehörde örtlich zuständig sei, in deren Bezirk sich der Ausländer nach seiner Einreise begeben wolle (Beschluss vom 11. März 2008 - 18 B 210/08 - InfAuslR 2008, 250).

6

Die Klägerin beantragte daraufhin im Dezember 2009 bei der Ausländerbehörde des beklagten Landes Berlin, die Wirkungen der Abschiebungen von 1998 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen. Dabei gab sie an, dass sie beabsichtige, nach der Befristungsentscheidung ein Visum für den Nachzug zu ihrem in Berlin lebenden Sohn zu beantragen. Die Ausländerbehörde des Beklagten teilte der Klägerin mit, dass sie sich für die Bescheidung des Befristungsbegehrens als nicht zuständig ansehe und den Antrag daher an die zuständige Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises abgegeben habe. Der Landrat des Hochsauerlandkreises setzte die Ausländerbehörde des Beklagten im Februar 2010 darüber in Kenntnis, dass nach seiner Auffassung nicht er, sondern der Beklagte für die Befristungsentscheidung zuständig sei, und erteilte zugleich sein Einvernehmen mit einer Entscheidung des Beklagten.

7

Im März 2010 hat die Klägerin Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben, mit der sie die Verpflichtung des Beklagten zur sofortigen Befristung der Wirkungen der Abschiebungen von 1988 und 2005 begehrt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2011 abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin habe keinen Befristungsanspruch gegen den Beklagten, weil dieser nicht sachentscheidungsbefugt sei. Das Land Nordrhein-Westfalen dürfe Regelungen nur zur landesinternen örtlichen Zuständigkeit treffen, nicht aber die Zuständigkeit der Behörde eines anderen Bundeslandes anordnen. Enthalte das Bundesrecht, wie hier, keine ausdrückliche Regelung zu der Frage, welche Behörde in welchem Bundesland zuständig sei, müsse diese Frage aus dem materiellen Bundesrecht beantwortet werden. Aus den insofern maßgeblichen Regelungen des Aufenthaltsgesetzes ergebe sich, dass für die Entscheidung über die Befristung der Wirkungen einer Abschiebung regelmäßig - und so auch hier - allein diejenige Behörde sachentscheidungsbefugt sei, die die Abschiebung veranlasst habe. Denn diese habe durch die Veranlassung der Abschiebung die alleinige Regelungsbefugnis in Bezug auf die Wirkungen der Abschiebung erlangt. § 11 Abs. 1 AufenthG regele als grundsätzliche Wirkung jeder Abschiebung, dass sie die Einreise des abgeschobenen Ausländers dauerhaft verhindere. Die Befristung stelle eine Beschränkung der Wirkungen der Abschiebung dar. Diese Beschränkung habe stets durch die Behörde zu erfolgen, die die Abschiebung veranlasst habe. Werde eine Beschränkung nachträglich verfügt, handele es sich materiell um eine teilweise Aufhebung (Rücknahme, Widerruf) der ursprünglichen Abschiebungsentscheidung. Für Rücknahme und Widerruf gelte der bundesrechtliche Grundsatz, dass sie nur diejenige Behörde verfügen dürfe, die die zurückzunehmende oder zu widerrufende Entscheidung erlassen habe. Dies sei nur anders, wenn Bundesrecht ausdrücklich die Sachentscheidungskompetenz einer anderen Behörde zuweise, was im Falle der nachträglichen Befristung der Ausweisung nicht der Fall sei.

8

Das Verwaltungsgericht hat die Sprungrevision gegen sein Urteil zugelassen, die von der Klägerin mit Zustimmung des Beklagten eingelegt worden ist. Die Revision beruft sich darauf, dass der Bund keine verbindliche Regelung der Zuständigkeit treffen könne. Eine hierfür früher bestehende Kompetenz sei durch das Zuwanderungsgesetz entfallen. Aus Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes könne eine Zuständigkeit der die Abschiebung verfügenden Behörde ebenfalls nicht abgeleitet werden. Dass für die nachträgliche Befristung die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet sein könne, folge auch aus § 72 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, wonach die Ausgangsbehörde bei einer Entscheidung der infolge Ortswechsels nunmehr zuständigen Ausländerbehörde zu beteiligen sei. Eine Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus dem für den Bereich der Gefahrenabwehr geltenden Grundsatz, dass die Behörde zuständig sei, in deren Bereich sich die dem Ausländer zugeschriebene Gefahr potentiell realisiere. Das sei im Fall der angestrebten Einreise aus dem Ausland das Land Berlin, da die Klägerin dort ihren Wohnsitz nehmen wolle.

9

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Im Übrigen vertritt er die Auffassung, dass sich die örtliche Zuständigkeit nach den in § 3 VwVfG festgelegten Grundsätzen bestimme. Danach sei gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG der Hochsauerlandkreis örtlich zuständig, weil die Klägerin in dessen Bezirk ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren beteiligt und schließt sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung des Beklagten an.

Entscheidungsgründe

10

Der Senat konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Klägerin, des Beigeladenen und des Vertreters des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verhandeln und entscheiden, da diese in der Ladung darauf hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).

11

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin ihren Anspruch auf die Befristung der Wirkungen der in den Jahren 1988 und 2005 verfügten Abschiebungen nicht gegenüber dem beklagten Land Berlin geltend machen kann, weil dieses für die Befristungsentscheidung nicht zuständig ist.

12

Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei aufenthaltsrechtlichen Verpflichtungsklagen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung in der Tatsacheninstanz (hier: 27. Januar 2011). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind nach der Rechtsprechung des Senats allerdings zu beachten, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.). Maßgebliche Rechtsgrundlage für die erstrebte Befristung der Wirkungen der Abschiebungen von 1988 und 2005 ist daher das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2011 (BGBl I S. 2854). Damit sind insbesondere auch die Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - zu beachten.

13

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG haben die 1988 und 2005 durchgeführten Abschiebungen der Klägerin zur Folge, dass sie nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich hier aufhalten darf. Ihr darf nach Satz 2 der Vorschrift auch kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Nach Satz 3 sind die Wirkungen der Abschiebungen aber auf Antrag, wie er hier gestellt wurde, zu befristen. Die Frist ist nach Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Da die Klägerin nicht aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde und Anhaltspunkte für eine von der Klägerin ausgehende schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung weder vorgetragen noch ersichtlich sind, dürften nach dem mittlerweile erfolgten Ablauf der Fünfjahresfrist die materiellen Voraussetzungen für die Befristung der Wirkungen der Abschiebungen vorliegen. Allerdings ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Entscheidung über das Befristungsbegehren nicht in der Kompetenz des beklagten Landes Berlin liegt.

14

1. Dass der Beklagte für die erstrebte Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht zuständig ist, ergibt sich allerdings nicht aus dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Grundsatz, dass die Behörde, die die Abschiebung verfügt hat, stets auch für die Befristung ihrer Wirkungen zuständig sei. Ein solcher Grundsatz lässt sich weder dem Aufenthaltsgesetz noch dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht entnehmen.

15

Das Aufenthaltsgesetz trifft in § 71 AufenthG nur eine Regelung über die sachliche Zuständigkeit. Danach sind die Ausländerbehörden für aufenthaltsrechtliche Entscheidungen nach diesem Gesetz - und somit auch für die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG - zuständig. Anders als das Ausländergesetz 1965 regelt das Aufenthaltsgesetz jedoch - von wenigen Einzelfällen abgesehen (vgl. etwa § 51 Abs. 2 Satz 3 AufenthG) - nicht die örtliche Zuständigkeit der zur Entscheidung berufenen Ausländerbehörde. Damit besteht für die nachträgliche Befristung der Wirkungen einer Ausweisung oder Abschiebung sowie deren nachträgliche Änderung auch nicht mehr die noch in § 15 Abs. 1 Satz 3 AuslG 1965 geregelte Annexkompetenz der Behörde, die den Ausländer ausgewiesen oder abgeschoben hat. Vielmehr berücksichtigt das Aufenthaltsgesetz - wie zuvor schon das Ausländergesetz 1990 - mit Rücksicht auf die Kompetenz der Länder zur eigenverantwortlichen Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 83 GG den Grundsatz, dass die Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörden grundsätzlich Sache der Länder ist (Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. die Gesetzesbegründung zu § 63 AuslG 1990, der Vorläufervorschrift von § 71 AufenthG, in BTDrucks 11/6321 S. 78). Eine Annexkompetenz ist im Aufenthaltsgesetz aufgrund ausdrücklicher Regelung nur ausnahmsweise für die Zurückschiebungen an der Grenze durch die Grenzschutzbehörden vorgesehen (§ 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG).

16

Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich eine Annexkompetenz der den Bescheid erlassenden Ausgangsbehörde für nachträgliche Befristungsentscheidungen auch nicht aus einem angeblich dem Verwaltungsverfahrensgesetz zu entnehmenden Grundsatz, demzufolge für nachträgliche Beschränkungen eines Verwaltungsaktes - wie etwa Rücknahme und Widerruf - grundsätzlich die Ausgangsbehörde zuständig bleibe. Zum einen ist für Rücknahme und Widerruf nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder gerade nicht die Ausgangsbehörde, sondern die nach § 3 VwVfG zu bestimmende Behörde zuständig, auch wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist (vgl. § 48 Abs. 5 und § 49 Abs. 5 VwVfG). Zum anderen ist die Befristung der gesetzlichen Wirkungen einer Abschiebung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht mit der (Teil-)Aufhebung eines Verwaltungsakts vergleichbar. Ebenso wenig kann sie, wie das Verwaltungsgericht meint, als Nebenbestimmung der Abschiebung angesehen und den Regeln des § 36 VwVfG unterworfen werden. Schließlich spricht die Beteiligungsregelung des § 72 Abs. 3 AufenthG gegen eine Annexkompetenz. Nach § 72 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dürfen u.a. Befristungen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Diese Regelung bezieht sich nicht nur auf die Änderung einer bereits verfügten Befristung, sondern erfasst nach ihrem Sinn und Zweck auch die erstmalige Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2008, § 72 AufenthG Rn. 11; zur Vorgängervorschrift des § 64 Abs. 2 AuslG 1990 auch VGH Kassel, Urteil vom 28. Oktober 1996 - 12 UE 628/96 - DVBl 1997, 913). Das Aufenthaltsgesetz geht demzufolge davon aus, dass die Zuständigkeit für die Verfügung der Ausweisung oder Abschiebung und für die Befristung ihrer Wirkungen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auseinanderfallen kann, und sieht für diese Fälle ein Einvernehmenserfordernis vor.

17

2. Dass im vorliegenden Fall die Ausländerbehörde der Beklagten für die begehrte Befristungsentscheidung nicht zuständig ist, ergibt sich vielmehr aus folgenden Erwägungen. Die für das Befristungsbegehren zuständige Behörde ist in zwei Schritten zu bestimmen. In einem ersten Schritt ist festzustellen, welches Bundesland die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung besitzt. Diese Frage ist - wenn keine speziellen koordinierten landesrechtlichen Kompetenzregelungen vorliegen - durch entsprechende Anwendung der mit § 3 VwVfG übereinstimmenden Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder zu beantworten. In einem zweiten Schritt ist auf der Grundlage des Landesrechts des zur Sachentscheidung befugten Bundeslandes zu ermitteln, welche Behörde innerhalb des Landes örtlich zuständig ist.

18

§ 3 Abs. 1 VwVfG regelt ebenso wie die gleichlautenden Bestimmungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder die örtliche Zuständigkeit der Behörden, soweit diese im Bereich des öffentlichen Rechts zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben tätig werden (§ 1 VwVfG). Während die örtliche Zuständigkeit die Frage betrifft, welche von mehreren sachlich zuständigen Behörden desselben Verwaltungsträgers ein Verfahren durchzuführen hat, dient die Verbandskompetenz der Zuweisung von Aufgaben an einen bestimmten Verwaltungsträger sowie der Aufgabenabgrenzung zwischen verschiedenen selbstständigen Verwaltungsträgern und damit der Sicherung der Verwaltungshoheit des Bundes, der Länder, der Kommunen sowie sonstiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 3 Rn. 6; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 82 Rn. 80 ff.; Oldiges, DÖV 1989, 873 ff.; zur Verbandskompetenz im Ausländerecht vgl. im Übrigen auch Urteil vom 10. Dezember 1996 - BVerwG 1 C 19.94 - Buchholz 402.240 § 5 AuslG 1990 Nr. 1 S. 2 f.). Führen die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, wie das beim Vollzug des Aufenthaltsgesetzes der Fall ist, so regeln sie gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich die Einrichtung der Behörden, d.h. den Ländern in ihrer Gesamtheit obliegt die Bestimmung der Verbandskompetenz und dem einzelnen Bundesland im Rahmen seiner Kompetenz die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit. Allerdings verlangt Bundesrecht, dass durch eine koordinierte Regelung der Länder, hilfsweise durch eine Regelung des Bundes, bestimmt ist, welches Land zur Ausführung der konkreten Aufgabe - hier: Befristung der Wirkungen einer Abschiebung - berechtigt und verpflichtet ist. Das gebietet zum einen das Rechtsstaatsprinzip, da der von einer gesetzlichen Regelung Betroffene seine Rechte nicht verfolgen kann, wenn nicht feststeht, an welche Behörde er sich hierfür zu wenden hat. Das erfordert aber auch die grundgesetzliche Verteilung der Verwaltungskompetenzen innerhalb des föderal gegliederten Staatsverbandes der Bundesrepublik Deutschland. Danach sind die Verbandskompetenzen der Länder nach dem Territorialprinzip voneinander abgegrenzt und die Hoheitsbefugnisse der einzelnen Bundesländer grundsätzlich auf das Gebiet innerhalb ihrer jeweiligen Landesgrenzen beschränkt (vgl. Oldiges, DÖV 1989, 873 <877 f.>). Zugleich ergibt sich aus Art. 84 Abs. 1 GG die Verpflichtung des Landes, dem die Verbandskompetenz zur Ausführung eines Bundesgesetzes für einen bestimmten Personenkreis zugewiesen wurde, diese Aufgabe auch tatsächlich wahrzunehmen.

19

Fehlen - wie hier - spezielle koordinierte landesrechtliche Zuweisungsregelungen zur Verwaltungskompetenz, ergibt sich ein aufeinander abgestimmtes System im Wege der entsprechenden Anwendung der zur örtlichen Zuständigkeit getroffenen Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder, die insoweit inhaltsgleich sind und - sei es durch Verweisung auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (wie in § 1 Abs. 1 LVwVfG Berlin), sei es durch gleichlautende Formulierungen jeweils in § 3 LVwVfG bzw. § 31 LVwVfG Schleswig Holstein - mit § 3 VwVfG übereinstimmen. Diese Regelungen finden daher entsprechende Anwendung, wenn das für die Ausführung einer bundesrechtlich begründeten Aufgabe zuständige Land auf andere Weise nicht zu ermitteln ist. Nicht maßgeblich für die Bestimmung der Verbandskompetenz sind hingegen landesrechtliche Vorschriften, die der koordinierten Regelung aller Länder in Gestalt der genannten übereinstimmenden Bestimmungen zur örtlichen Zuständigkeit nicht entsprechen. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Arnsberg in seinem gegen die Klägerin ergangenen Urteil vom 15. April 2008 und des Oberverwaltungsgerichts Münster in seinem Beschluss vom 11. März 2008 (18 B 210/08 - InfAuslR 2008, 250) kann daher aus § 4 Abs. 1 OBG NRW eine länderübergreifende Zuständigkeitsregelung nicht abgeleitet werden. Für eine einseitige länderübergreifende abdrängende Zuständigkeitsregelung (hier: zu Lasten des Landes Berlin) fehlt dem Land Nordrhein-Westfalen die Verbandskompetenz (vgl. Oldiges, a.a.O. S. 878; zur Möglichkeit der Verletzung der Verbandskompetenz durch Übergriff in einen fremden Zuständigkeitsbereich bei der Ausführung von Bundesgesetzen vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 3. Oktober 1978 - XV A 1927/75 - NJW 1979, 1057, 1058).

20

Aus der entsprechenden Anwendung der mit § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG des Bundes übereinstimmenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder ergibt sich, dass die Ausländerbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bescheidung des Befristungsbegehrens der Klägerin zuständig sind. Nach dieser Vorschrift ist in Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, die Behörde zuständig, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Die Klägerin, die derzeit in der Türkei lebt, hatte ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland im Zuständigkeitsbereich des beigeladenen Hochsauerlandkreises in Nordrhein-Westfalen. Sie hat dort vor ihrer Abschiebung im Jahr 1988 seit 1985 gewohnt und damit ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Durch ihre rund dreimonatige Anwesenheit in Deutschland im Jahr 2005 hat die Klägerin keinen erneuten gewöhnlichen Aufenthalt begründet, da sie diese Zeit überwiegend in Abschiebungshaft verbrachte. Durch die Abschiebungshaft wird aber kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, da diese nach Zweck und gesetzlicher Ausgestaltung vorübergehender Natur ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2011 - 2 BvR 742/10 - NVwZ 2011, 1254 <1256>).

21

Der aus dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin folgenden Zuständigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen steht nicht entgegen, dass die Klägerin inzwischen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei hat. Denn der Rechtsgedanke, der der Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG mit der Anknüpfung der Zuständigkeit an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt zugrunde liegt, kommt auch in diesen Fällen zum Tragen. Anders als bei der Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts innerhalb des Bundesgebiets führt die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts in das Ausland nicht zur Zuständigkeit einer anderen, nunmehr sachnäheren Ausländerbehörde. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum die Zuständigkeit der Behörde des letzten gewöhnlichen Aufenthalts nach § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG mit der - möglicherweise nur schwer zu ermittelnden - Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland entfallen sollte. Die Zuständigkeit nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt (im Bundesgebiet) besteht daher auch dann fort, wenn der Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt nunmehr im Ausland genommen hat. Ein Rückgriff auf die Auffangzuständigkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG, der voraussetzt, dass sich die Zuständigkeit nicht aus den Nummern 1 bis 3 ergibt, kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Ausländer über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland weder derzeit verfügt noch in der Vergangenheit verfügt hat (so auch Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 71 AufenthG Rn. 5; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 7. Aufl. 2008, § 3 Rn. 25; a.A. Kopp/Ramsauer, VwVfG 12. Aufl. 2011, § 3 Rn. 28). Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich in Fällen, in denen der Ausländer keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, die Zuständigkeit der die Abschiebung veranlassenden Behörde für die nachträgliche Befristung ihrer Wirkungen aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG ergeben dürfte, da der Anlass für das Befristungsbegehren in der von dieser Behörde verfügten Abschiebung liegt.

22

Ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der mit § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG übereinstimmenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder, dass die Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bescheidung des Befristungsbegehrens der Klägerin zuständig sind, hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht eine Sachentscheidungsbefugnis der Ausländerbehörde des Landes Berlin verneint.

23

Der Senat weist allerdings darauf hin, dass sich die Frage, welche Behörde innerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bescheidung des Befristungsbegehrens im vorliegenden Fall örtlich zuständig ist, allein nach dem Recht des Landes Nordrhein-Westfalen bestimmt. Wenn keine landesrechtliche Spezialvorschrift eingreift, wäre nach der in § 3 Abs. 1 Nr. 3a LVwVfG Nordrhein-Westfalen (GV NRW 1999, 602) getroffenen Regelung, die einer Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht zugänglich ist (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), der Landrat des Hochsauerlandkreises zuständig.

(1) Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren. Wenn Bundesgesetze etwas anderes bestimmen, können die Länder davon abweichende Regelungen treffen. Hat ein Land eine abweichende Regelung nach Satz 2 getroffen, treten in diesem Land hierauf bezogene spätere bundesgesetzliche Regelungen der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Artikel 72 Abs. 3 Satz 3 gilt entsprechend. In Ausnahmefällen kann der Bund wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln. Diese Gesetze bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Durch Bundesgesetz dürfen Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden.

(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen.

(3) Die Bundesregierung übt die Aufsicht darüber aus, daß die Länder die Bundesgesetze dem geltenden Rechte gemäß ausführen. Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke Beauftragte zu den obersten Landesbehörden entsenden, mit deren Zustimmung und, falls diese Zustimmung versagt wird, mit Zustimmung des Bundesrates auch zu den nachgeordneten Behörden.

(4) Werden Mängel, die die Bundesregierung bei der Ausführung der Bundesgesetze in den Ländern festgestellt hat, nicht beseitigt, so beschließt auf Antrag der Bundesregierung oder des Landes der Bundesrat, ob das Land das Recht verletzt hat. Gegen den Beschluß des Bundesrates kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden.

(5) Der Bundesregierung kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zur Ausführung von Bundesgesetzen die Befugnis verliehen werden, für besondere Fälle Einzelweisungen zu erteilen. Sie sind, außer wenn die Bundesregierung den Fall für dringlich erachtet, an die obersten Landesbehörden zu richten.

(1) Örtlich zuständig ist

1.
in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt;
2.
in Angelegenheiten, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer seiner Betriebsstätten, auf die Ausübung eines Berufs oder auf eine andere dauernde Tätigkeit beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Unternehmen oder die Betriebsstätte betrieben oder der Beruf oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;
3.
in anderen Angelegenheiten, die
a)
eine natürliche Person betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte,
b)
eine juristische Person oder eine Vereinigung betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die juristische Person oder die Vereinigung ihren Sitz hat oder zuletzt hatte;
4.
in Angelegenheiten, bei denen sich die Zuständigkeit nicht aus den Nummern 1 bis 3 ergibt, die Behörde, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.

(2) Sind nach Absatz 1 mehrere Behörden zuständig, so entscheidet die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden ist, es sei denn, die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde bestimmt, dass eine andere örtlich zuständige Behörde zu entscheiden hat. Sie kann in den Fällen, in denen eine gleiche Angelegenheit sich auf mehrere Betriebsstätten eines Betriebs oder Unternehmens bezieht, eine der nach Absatz 1 Nr. 2 zuständigen Behörden als gemeinsame zuständige Behörde bestimmen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten zur einheitlichen Entscheidung geboten ist. Diese Aufsichtsbehörde entscheidet ferner über die örtliche Zuständigkeit, wenn sich mehrere Behörden für zuständig oder für unzuständig halten oder wenn die Zuständigkeit aus anderen Gründen zweifelhaft ist. Fehlt eine gemeinsame Aufsichtsbehörde, so treffen die fachlich zuständigen Aufsichtsbehörden die Entscheidung gemeinsam.

(3) Ändern sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände, so kann die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.

(4) Bei Gefahr im Verzug ist für unaufschiebbare Maßnahmen jede Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Die nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 örtlich zuständige Behörde ist unverzüglich zu unterrichten.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

Tenor

I. Die Verfahren 10 AS 14.1838 und 10 AS 14.1837 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Anträge werden abgelehnt.

III. Die Antragsteller tragen die Kosten der Verfahren je zur Hälfte.

IV. Der Streitwert wird für die Verfahren wird auf insgesamt 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind philippinische Staatsangehörige. Die am 7. Juni 1968 geborene Antragstellerin heiratete am 12. Oktober 1010 auf den Philippinen einen deutschen Staatsangehörigen. Am 28. Januar 2011 reiste sie zusammen mit dem Antragsteller, ihrem am 9. Juni 2005 geborenen Sohn, im Wege des Familiennachzugs in die Bundesrepublik ein.

Am 16. Juni 2011 wurde den Antragstellern jeweils eine bis 15. Juni 2012 befristete Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung erteilt, die bis zum 15. Juni 2014 verlängert wurde.

Am 7. November 2013 teilte der Ehemann der Antragstellerin der Ausländerbehörde des Antragsgegners mit, dass er sich am 5. November 2013 von der Antragstellerin getrennt habe.

Nachdem die Ausländerbehörde die Antragsteller zu einer beabsichtigten Verkürzung der Geltungsdauer ihrer Aufenthaltserlaubnisse angehört hatte, bestätigte die Antragstellerin, dass die eheliche Lebensgemeinschaft seit dem 5. November 2013 nicht mehr bestehe. Der Ehemann sei nicht mehr nach Hause gekommen. Gründe habe er nicht genannt. Anfangs sei die Ehe gut gewesen. Nach etwa einem Jahr sei es wegen des Antragstellers zu Streitigkeiten gekommen, weil der Ehemann den Antragsteller nicht gut behandelt habe. Der Ehemann habe die Antragstellerin wie eine Haushälterin behandelt. Beide Antragsteller seien schon gut integriert und sprächen deutsch.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 beantragte die Antragstellerin, ihr ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu gewähren. Der Ehemann habe sich offensichtlich seiner Unterhaltspflicht entziehen wollen. Auch habe er den Antragsteller nicht akzeptiert und ihn des Öfteren auf den Hinterkopf geschlagen und ihn psychisch gequält.

Mit Bescheiden vom 17. März 2014 lehnte die Ausländerbehörde des Antragsgegners die Anträge der Antragsteller auf Verlängerung ihrer jeweiligen Aufenthaltserlaubnis ab, forderte sie zur Ausreise bis 15. Juli 2014 auf und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung an. Der Antragstellerin stehe kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG zu. Die erforderliche dreijährige Ehebestandszeit sei nicht erfüllt. Eine besondere Härte liege bei der Antragstellerin nicht vor. Anzeichen von psychischer Gewalt seien nicht erkennbar. Die Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft gehe auf die Initiative des Ehemannes zurück. Von einer psychischen oder physischen Misshandlung des Antragstellers könne ebenfalls nicht ausgegangen werden. Allein aus der Rückkehrverpflichtung ergebe sich keine besondere Härte. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, weil der Antragstellerin kein Anspruch auf eine weitere Aufenthaltserlaubnis zustehe. Der Antragsteller habe auch kein Recht auf Wiederkehr.

Am 14. April 2014 erhoben die Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg mit dem Antrag, die Bescheide vom 17. März 2014 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern den Aufenthalt über den 15. Juni 2014 hinaus zu verlängern.

In der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2014 hörte das Verwaltungsgericht die Antragstellerin informatorisch an. Sie gab an, es habe nach ca. einem Jahr guter Ehe Streitigkeiten mit dem Ehemann wegen des Antragstellers gegeben. Der Ehemann habe immer Fehler beim Antragsteller gefunden. Wenn der Antragsteller den Namen des Essens nicht habe nennen können, sei er ohne Essen ins Bett geschickt worden. Der Ehemann habe dem Antragsteller auch öfter einen Klaps auf den Hinterkopf gegeben. Darüber habe sie sich geärgert. Als der Ehemann den Antragsteller aus dem Hort habe nehmen wollen, habe sie sich an die Hortleitung gewandt. Sie habe sich aber nie scheiden lassen wollen. Der Auszug des Ehemanns sei vollkommen überraschend gekommen. Der Ehemann habe den Antragsteller nie als eigenen Sohn akzeptiert. Sie selbst sei nie von ihrem Ehemann beleidigt worden. Nur beim letzten Streit habe er sie als seine Haushälterin bezeichnet. Er sei allenfalls eifersüchtig gewesen, weil sie sich immer auf die Seite des Antragstellers gestellt habe.

Der Ehemann der Antragstellerin wurde als Zeuge vernommen. Die Ehe sei nach einem Jahr schwierig geworden, weil die Antragstellerin die deutsche Lebensweise nicht so angenommen habe, wie es notwendig gewesen sei. Der Antragsteller habe in der Schule keine Disziplin gezeigt. Er habe versucht, den Antragsteller so zu erziehen, dass er keinen Ärger mache, weil es die Antragstellerin aus seiner Sicht nicht gemacht habe. Geschlagen habe er den Antragsteller nie, jedoch „geklapst“. Er sei mit der Antragstellerin alle drei Wochen bei der Klassleitung wegen der schulischen Probleme des Antragstellers gewesen. Die schulischen Probleme seien schließlich auch der Grund für die Trennung gewesen. Die Antragstellerin habe sich mit dem Antragsteller zu Hause auf Tagalog unterhalten. Der Antragsteller spreche aber auch deutsch.

Mit Urteilen vom 23. Juli 2014 wies das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg die Klagen der Antragsteller ab. Die Antragstellerin habe kein Aufenthaltsrecht aus § 31 Abs. 2 AufenthG. Ehebezogene Nachteile bei einer Rückkehr auf die Philippinen habe die Antragstellerin nicht zu befürchten. Ein Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft sei ihr nicht unzumutbar gewesen. Die von ihr geschilderten Streitigkeiten und Kränkungen ihres Ehemanns überschritten objektiv betrachtet nicht die Schwelle der Unzumutbarkeit. Sie hätten die Antragstellerin nicht dazu bewogen, sich von ihrem Mann zu trennen. Auch das Verhalten des Ehemanns gegenüber dem Antragsteller erfülle die Voraussetzungen einer besonderen Härte nicht. Die Erziehungsmethoden seien zwar ungeeignet gewesen, dennoch hätten in der Gesamtschau die Beeinträchtigungen nicht ein Maß erreicht, das die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft für die Antragstellerin unzumutbar gemacht habe. Die Antragstellerin habe nie an eine Trennung von ihrem Ehemann gedacht. Der Antragsteller könne daher einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nicht von der Mutter ableiten. Ein Recht auf Wiederkehr stehe dem Antragsteller nicht zu, da er die Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 AufenthG nicht erfülle. Eine besondere Härte im Sinne des § 37 Abs. 2 AufenthG liege nicht vor.

Mit Schriftsatz vom 13. August 2014 beantragten die Antragsteller, die Berufung gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Augsburg zuzulassen. Am 27. August 2014 stellten sie zudem einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Sie beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klagen vom 14. April 2014 gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 27. März 2014 anzuordnen.

Der Antragstellerin stehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu. Der deutsche Ehemann habe durch besonders schikanöses Verhalten gegenüber dem Antragsteller die Antragstellerin mit psychischer Gewalt drangsaliert und gequält. Die Störungen der ehelichen Lebensgemeinschaft hätten das Ausmaß einer konkreten, über allgemeine Kränkungen hinausgehenden psychischen Misshandlung erreicht. Dem Antragsteller stehe ein Aufenthaltsrecht aus § 34 Abs. 1 AufenthG zu.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Die Bescheide vom 27. März 2014 seien rechtmäßig. Auf die Urteile des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Juli 2014 werde verwiesen. Die Befragung der Antragstellerin und die Zeugeneinvernahme des Ehemanns in der mündlichen Verhandlung habe nicht das von der Antragstellerin aufgezeigte Bild der Ehe gegeben.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Über die Verfahren 10 AS 14.1837 und 10 AS 14.1838 wird nach ihrer Verbindung gemäß § 93 Satz 1 VwGO gemeinsam entschieden.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist zuständiges Gericht im Sinne des § 80 Abs. 5 VwGO, da die Antragsteller bereits einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Juli 2014 gestellt haben (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80, Rn. 142).

Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen der Antragsteller gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 27. März 2014 haben keinen Erfolg. Im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO hat der Senat eine summarische Prüfung durchzuführen, bei der das öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der durch die Ablehnung der Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begründeten Ausreisepflicht der Antragsteller und deren Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet bis zum rechtskräftigen Abschluss der Klageverfahren unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Hauptsacheverfahren gegeneinander abzuwägen sind.

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ergibt sich, dass die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO als unbegründet abzulehnen sind, weil die Anträge der Antragsteller auf Zulassung der Berufung gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Juli 2014 voraussichtlich ohne Erfolg bleiben werden.

Es bestehen aller Voraussicht nach keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Urteile des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Erstgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Antragstellerin kein Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis als eheunabhängiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zusteht, weil wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung keine erhebliche Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange droht und ihr wegen der Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange oder der des Antragstellers das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht unzumutbar war (§ 31 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 AufenthG).

Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen überzeugend dargelegt, dass die Antragstellerin vor ihrer Heirat mit ihrem deutschen Ehemann in ihrer Heimat auch als alleinerziehende Mutter in der Lage war, für sich und den Antragsteller den Lebensunterhalt zu verdienen. Anhaltspunkte dafür, dass sie künftig hierzu nicht in der Lage sein sollte, sind nicht ersichtlich. Die Antragstellerin lebt noch nicht einmal vier Jahre in Deutschland, so dass ihr, nachdem sie erst im Alter von 42 Jahren ins Bundesgebiet eingereist ist, auch eine Reintegration in die dortigen Lebensumstände nicht allzu schwer fallen dürfte.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch verneint, dass die Antragstellerin ein Opfer häuslicher physischer oder psychischer Gewalt seitens ihres Ehemanns im Sinne von § 31 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz AufenthG ist oder ihr wegen der Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange bzw. der des Antragstellers das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist (§ 31 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Um sich diesbezüglich eine Entscheidungsgrundlage zu verschaffen, hat das Verwaltungsgericht die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung informatorisch befragt und ihren Ehemann als Zeugen vernommen. Das Verwaltungsgericht ist aufgrund einer Gesamtschau aller vorgetragenen Umstände zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragstellerin das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht unzumutbar war. Nach den übereinstimmenden Angaben der Antragstellerin und ihres Ehemanns ist die Antragstellerin in ihrer Ehe nicht Opfer physischer Gewalt geworden. Sie hat ausgesagt, dass sie sich zwar von ihrem Ehemann nicht ernst genommen fühlte, aber nur einmal von ihm beleidigt worden sei, als er sie als Haushälterin bezeichnet habe. Die körperlichen Übergriffe auf den Antragsteller hat der Ehemann der Antragstellerin eingeräumt. Er sagte aus, dass er seine „Erziehungsversuche“ nach einer Weile eingestellt habe, weil er erkannt habe, dass sie wirkungslos seien. Die Antragstellerin hat ihrem Ehemann nie Einhalt geboten, sondern immer darauf gehofft, dass sich die Situation bessern werde. Eine Trennung hat sie trotz der Streitigkeiten mit dem Ehemann wegen der unterschiedlichen Vorstellungen über die Kindererziehung und ihre Rolle in der Ehe nach eigenen Aussagen nie in Betracht gezogen. Kommt das Verwaltungsgericht nach einer Gesamtabwägung aller Umstände deshalb zu dem Ergebnis, dass der Antragstellerin das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht unzumutbar war, beruht diese Rechtsauffassung auf der eigenen Schilderung der Antragstellerin über ihr Eheleben in der mündlichen Verhandlung und ihrem Verhalten in der Ehe. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht dabei davon ausgegangen, dass die Schwelle zu einer psychischen Misshandlung des Antragstellers und der Antragstellerin durch das Verhalten des Ehemanns gegenüber dem Antragsteller nicht überschritten wurde. Vielmehr wird man dies erst dann annehmen können, wenn der Ausländer oder ein in der Familie lebendes Kind Opfer von Übergriffen geworden ist, die zu Beeinträchtigungen seiner Gesundheit, körperlichen oder psychischen Integrität oder Bewegungsfreiheit geführt haben. Eine solche Beeinträchtigung liegt nicht erst bei gravierenden Misshandlungen vor, es muss sich aber zumindest um solche Eingriffe des stammberechtigten Partners handeln, die auf Seiten des Opfers zu einer Situation führen, die maßgeblich durch Angst vor physischer oder psychischer Gewalt geprägt ist (Göbel/Zimmermann in Huber, AufenthG,1. Aufl. 2010, § 31 Rn. 14 m.w.N.). Dabei kommt es nicht auf die subjektiv empfundene Unzumutbarkeit an, sondern die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange muss objektiv eine gewisse Intensität erreicht haben (BayVGH, B.v. 17.1.2014 – 10 ZB 13.1783 – juris Rn. 4 m.w.N.). Für eine solche Intensität ergeben sich aus den vorgelegten Akten und dem Vorbringen der Antragsteller aber keine Anhaltspunkte.

Bezüglich des Antragstellers ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 1 Alt. 1 AufenthG allein deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Antragstellerin als allein Personensorgeberechtigte keine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. § 37 Abs. 1 AufenthG scheitert am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 AufenthG. Eine besondere Härte im Sinne des § 37 Abs. 2 AufenthG ist nicht ersichtlich. Insofern kommt es darauf an, ob sich der Antragsteller bereits lange Zeit im Bundesgebiet aufhält und hier integriert ist. Die Feststellung einer besonderen Härte im Sinne dieser Regelung erfordert den Vergleich des konkreten Einzelfalls mit dem gesetzlichen Typus des Wiederkehrers, wie er in § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 AufenthG gekennzeichnet ist, da es Zweck der Härteklausel ist, auch in den vom Gesetz wegen seiner generell-abstrakten Regelung nicht erfassten, der gesetzlichen Wertung aber entsprechenden Fällen eine Wiederkehrmöglichkeit zu eröffnen (BVerwG, U. v. 19.3.2002 – 1 C 19.01 – juris zu § 16 AuslG). Maßstabsbildend für den gesetzlichen Typus des Wiederkehrers ist zum einen eine während des Voraufenthalts in Deutschland erreichte Aufenthaltsverfestigung und zum anderen eine Integration sowie Integrationsfähigkeit. Der danach für die Feststellung einer besonderen Härte geforderte Vergleich mit dem gesetzlichen Typus des Wiederkehrers ist anhand einer Gesamtbetrachtung aller hierfür erheblichen Umstände des Einzelfalls durchzuführen. Eine besondere Härte kann beispielsweise daraus folgen, dass ein Ausländer, der Defizite bei der Erfüllung einzelner Voraussetzungen nach § 37 Abs. 1 AufenthG durch eine anderweitige Form der Aufenthaltsverfestigung, Integration oder Integrationsfähigkeit bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ausgleichen oder gar übererfüllen kann, aber trotz der sich hieraus ergebenden „Gleichwertigkeit" mit dem Typus des Wiederkehrers von dem Anspruch auf Erteilung einer Wiederkehrerlaubnis ausgeschlossen wäre (BVerwG, U. v. 19.3.2002, a. a. O.). Die Biografie des Antragstellers ist jedoch nicht der eines Wiederkehrers, wie ihn die gesetzliche Regelung voraussetzt, gleichwertig. Weder hat er sich 8 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten noch hat er 6 Jahre eine Schule besucht. Auch liegt er außerhalb des in § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG vorgesehenen Mindestalters. Der Gesetzgeber geht mit den in dieser Regelung bezeichneten Altersgrenzen davon aus, dass der Typus des Wiederkehrers Jugendlicher oder Heranwachsender ist (vgl. VGH BW, U.v. 30.8.1993 – 1 S 1044/93 – juris Rn. 23). In diesem Altersabschnitt ist die Entwicklung des in Deutschland aufgewachsenen Ausländers in der Regel noch nicht abgeschlossen, häufig aber bereits so weit fortgeschritten, dass er faktisch zu einem Inländer geworden ist und ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug hat, häufig nicht mehr zumutbar erscheint. Dies ist beim Antragsteller nicht der Fall. Er ist erst neun Jahre alt und hat den überwiegenden Teil seiner bisherigen Kindheit auf den Philippinen verbracht. Er spricht mit der Antragstellerin zu Hause nach wie vor die Landessprache Tagalog. Zudem hat der Antragsteller das Defizit des Nichterreichens der Altersgrenze von 15 Jahren auch nicht durch die Übererfüllung der in § 37 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vorausgesetzten Merkmale ausgeglichen. Auch sind keine sonstigen Umstände ersichtlich, die für seine besondere Integrationsfähigkeit sprächen. Der Schulbesuch bereitete sowohl hinsichtlich seines Verhaltens als auch des Leistungsniveaus Schwierigkeiten.

Tatsachen, die eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 VwGO rechtfertigen würden, wurden in der Antragsbegründung nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung (5.000,-- Euro = 2.500,-- Euro und 2.500,-- Euro) beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem die Klägerin allein ihren geltend gemachten Anspruch (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.2009 - 1 C 11.08 - juris Rn. 13 ff.) auf Erteilung einer von der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft unabhängigen Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG weiterverfolgt, bleibt ohne Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsverfahren ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch hat die Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht. Denn die Klägerin hat nicht einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11).

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung, dass der Klägerin ein Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht unzumutbar i. S. d. § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG gewesen sei, darauf abgestellt, dass es für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls bedürfe. Die Störungen der ehelichen Lebensgemeinschaft müssten das Ausmaß einer konkreten, über allgemeine Differenzen und Kränkungen in einer gestörten ehelichen Beziehung hinausgehenden psychischen Misshandlung erreicht haben. Eine besondere Härte sei unter anderem dann anzunehmen, wenn die Ehe wegen physischer und psychischer Misshandlungen durch den anderen Ehegatten aufgehoben worden sei. Die Rückkehr in die gemeinsame Wohnung oder ein Verzicht auf einen Strafantrag könne ein Indiz dafür sein, dass das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft für den Ausländer nicht unzumutbar gewesen sei. Ebenso greife die Härteklausel nicht ein, wenn der ausländische Ehegatte ungeachtet tätlicher oder sonstiger Übergriffe an der Ehe festhalte und die Trennung aus anderem Grund erfolge. Aus der Gesamtschau aller vorgetragenen Umstände ergebe sich nicht, dass der Klägerin das Festhalten an der Ehe unzumutbar gewesen sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Situation der Klägerin regelmäßig durch die Angst vor physischer und psychischer Gewalt geprägt gewesen sei, sondern die Klägerin vielmehr unter der fehlenden Zuneigung und den andauernden Auseinandersetzungen, wie sie in Beziehungen, in denen die Ehepartner sich auseinander gelebt hätten, regelmäßig vorkämen, gelitten habe. Insbesondere sei die Trennung nicht von der Klägerin, sondern vom Ehemann ausgegangen. Die Klägerin sei nur ins Frauenhaus gezogen, weil sie, nachdem sie mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Ehemanns zum Auszug aus der Wohnung aufgefordert worden sei, nicht gewusst habe, wohin sie gehen solle.

Mit ihrem Zulassungsvorbringen zieht die Klägerin die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Zweifel. Sie bringt zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe ihre Motivation für das Aufrechterhalten der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht berücksichtigt. Sie habe die Übergriffe ihres Mannes nur ertragen, um nicht ihr akzessorisches Aufenthaltsrecht zu verlieren. Damit greift die Klägerin die vom Erstgericht vorgenommene Gesamtwürdigung aller Umstände zur Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft jedoch nicht hinreichend substantiiert an. Nach § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG liegt eine besondere Härte vor, wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. Allerdings stellt nicht jede Form der subjektiv empfundenen Unzumutbarkeit eine besondere Härte dar. Der Rückgriff auf den Begriff der besonderen Härte erfordert eine Gesamtabwägung aller Umstände (Marx in Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand Juni 2008, § 31 Rn. 180). Die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange muss also objektiv betrachtet eine gewisse Intensität (NdsOVG, B. v. 29.11.2011 - 8 ME 120/11 - juris Rn. 11) aufweisen und sich aus Sicht des betroffenen Ehegatten mit Blick auf das Erreichen der Drei-Jahres-Frist als unzumutbar darstellen. In der Rechtsprechung und Teilen der Kommentarliteratur wird die Auffassung vertreten, dass immer dann, wenn zwar eine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange des Ehegatten vorliegt, der Ehegatte aufgrund dieser Beeinträchtigungen die Trennung aber nicht selbst herbeiführt, das Aufrechterhalten der ehelichen Lebensgemeinschaft für ihn nicht unzumutbar war (HessVGH, B. v. 10.10.2005 - 9 TG 2403/05 - juris Rn. 5; NdsOVG, B. v. 29.11.2011 - 8 ME 120/11 - juris Rn. 10; BayVGH, B.V. 13.8.2009 - 10 ZB 09.1020 - juris Rn. 3; Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Komm. 10. Aufl. 2013, § 31 Rn. 56). Andere Gerichte und Kommentare gehen dagegen davon aus, dass die Frage, ob der das eigenständige Aufenthaltsrecht erstrebende Ehegatte oder der stammberechtigte Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben haben, nur bei der Würdigung der Gesamtumstände bezüglich der Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft Bedeutung erlangt (HessVGH, B. v. 17.1.2007 - 7 TG 2908/06 - juris Rn. 15) und dass es jedenfalls dann, wenn objektiv eine relevante Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange vorliegt, nicht darauf ankommt, wer von beiden Ehegatten letztlich die eheliche Lebensgemeinschaft auflöst (Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Stand 2011, § 31 Rn. 28; Marx in Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsrecht, Stand Juni 2008, § 31 Rn. 184 ff.). Mit seiner Gesamtabwägung aller Umstände (S. 7 UA, Rn. 22) hält sich das Verwaltungsgericht jedenfalls im Rahmen der dargelegten Kriterien zur Beurteilung, ob eine besondere Härte i. S. d. § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG vorliegt. Die Tatsache, dass der Ehemann der Klägerin die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft betrieben hat, wertet das Erstgericht nur als ein Indiz dafür, dass der Klägerin die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht unzumutbar gewesen ist (insbesondere, S. 8, Rn. 24). Daneben fällt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts entscheidend ins Gewicht, dass die Klägerin mehr unter den häufigen Beleidigungen und der Abwesenheit des Ehemanns, die für sich genommen nach Auffassung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer besonderen Härte nicht zu begründen vermögen, litt als unter dem auch vom Ehemann eingeräumten Tritt gegen das Schienbein, und dass sie nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung die eheliche Wohnung vor allem deshalb nicht verlassen hat, weil sie nicht wusste, wohin sie gehen sollte.

Die Behauptung der Klägerin im Zulassungsverfahren, sie habe die Beleidigungen und die Tätlichkeit des Ehemanns als unzumutbar empfunden und die eheliche Lebensgemeinschaft nur aufrecht erhalten, um ihr Aufenthaltsrecht nicht zu gefährden, lässt sich dagegen weder aufgrund ihres Vorbringens im Rahmen der mündlichen Verhandlung noch aufgrund ihres Verhaltens in der Ehe bis zur erneuten Trennung im September 2012 als zutreffend nachvollziehen. In der mündlichen Verhandlung schildert die Klägerin ausführlich die ständigen Ehestreitereien wegen ihres Glaubens und die häufige Abwesenheit des Ehemanns am Wochenende und die daraus resultierenden Eifersuchtsszenen. Bezüglich des Tritts mit dem Schienbein führt sie aus, „es war schon schlimm für mich, aber ich liebe meinen Mann ja auch“. Nach ihren eigenen Angaben wollte sie auch nach dem Tritt an das Schienbein nicht aus der Wohnung ausziehen, weil sie nicht wusste, wohin sie gehen sollte. Das Erfordernis des dreijährigen Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft für ein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht spielte danach für den Wunsch der Klägerin, die Ehe weiter führen zu wollen, allenfalls eine untergeordnete Rolle. Dafür spricht auch, dass die Klägerin, nachdem sich ihr Ehemann bereits erstmals im Jahr November 2011 von ihr getrennt hatte und es nach ihren Angaben während der Ehe zu „Gewaltexzessen“ seitens des Ehemanns gekommen sei, die eheliche Lebensgemeinschaft im März 2012 wieder aufgenommen hat, weil es ihr während der Trennung von ihrem Ehemann sehr schlecht gegangen sei. Etwaige aufenthaltsrechtliche Konsequenzen aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft waren trotz der behaupteten Gewalttätigkeit des Ehemanns während der Ehe auch schon damals nicht ausschlaggebend für die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft.

Das Vorbringen der Klägerin, ihr sei nicht bewusst gewesen, dass sie auch vor Ablauf der nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen Ehebestandszeit Anspruch auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht habe, wenn es zu physischer oder psychischer Gewaltanwendung seitens des Ehepartners gekommen sei, vermag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ebenfalls nicht zu begründen. Der von der Behörde und dem Gericht zu beurteilende Grad der Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange des Ausländers und die Frage der Unzumutbarkeit des Festhaltens an der ehelichen Lebensgemeinschaft hängen nicht von der Kenntnis der Rechtslage seitens des Ausländers ab. Unabhängig davon war der Klägerin bewusst, dass nach § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG ein Anspruch auf Erteilung einer eheunabhängigen Aufenthaltserlaubnis auch vor Erreichen der Ehemindestbestandszeit besteht, weil sie sich bereits bei der ersten Trennung des Ehemanns im November 2012 auf diese Regelung berufen und ein verwaltungsgerichtliches Klageverfahren angestrengt hatte.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt. Um einen auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Orientierungspunkt für diese Erfordernisse ist die Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (Happ in Eyermann, 13. Aufl. 2010, § 124a Rn. 72; BayVGH, B. v. 16.5.2012 - 10 ZB 11.2512 - juris Rn.12 m.w.N; B. v. 16.5.2013 - 10 ZB 10.1362 - juris Rn. 18). Diesen Darlegungsanforderungen genügen die Ausführungen der Klägerin in der Begründung des Zulassungsantrags nicht. Zwar hat die Klägerin die Frage formuliert, ob das Verneinen einer unzumutbaren Härte im Sinne von § 31 Abs. 2 AufenthG ohne Feststellung des Bewusstseins des Betroffenen, dass die Trennung vom Ehegatten nicht zwingend zum Verlust des Aufenthaltsrechts führen muss, möglich ist. Sie hat jedoch nicht dargelegt, inwieweit diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist. Das Erstgericht hat seine Feststellung, dass eine besondere Härte i. S. d. § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG nicht vorliegt, darauf gestützt, dass die Ehestreitigkeiten nicht das zur Bejahung einer besonderen Härte erforderliche Ausmaß erreicht hätten und die Vorfälle im September 2012 für die Klägerin kein Grund gewesen seien, sich von ihrem Mann zu trennen. Eine etwaige Kenntnis der Voraussetzungen für das Entstehen des eheunabhängigen Aufenthaltsrechts war für das Verwaltungsgericht somit nicht entscheidungserheblich. Überdies begründet der Hinweis darauf, dass die gestellte Frage in der Rechtsprechung noch nicht weiter thematisiert worden sei, keine Klärungsbedürftigkeit, weil sich die aufgeworfene Rechtsfrage bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG nicht stellt. Der Gesetzeswortlaut setzt die Kenntnis des Betroffenen von der Härtefallregelung nicht voraus.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Februar 2013 rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Die am ... 1968 geborene Klägerin, eine philippinische Staatsangehörige, hatte am 12. Oktober 2010 auf den Philippinen die Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen geschlossen. Am 28. Januar 2011 reiste sie im Wege des Ehegattennachzugs gemeinsam mit ihrem Sohn (Kläger im Verfahren Au 6 K 14.572), der aus einer gescheiterten Beziehung stammt, in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie übt das alleinige Sorgerecht für ihren Sohn aus.

Am 16. Juni 2011 wurde der Klägerin eine bis zum 15. Juni 2012 befristete Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung erteilt. Die Aufenthaltserlaubnis wurde bis zum 15. Juni 2014 verlängert.

Am 7. November 2013 teilte der Ehemann der Klägerin dem Landratsamt mit, dass er sich von ihr am 5. November 2013 getrennt habe.

Mit Schreiben vom 20. November 2013 wurde die Klägerin zur beabsichtigten Verkürzung der Geltungsdauer ihrer Aufenthaltserlaubnis und der Aufenthaltserlaubnis ihres Sohnes angehört.

Die Klägerin sprach daraufhin am 28. November 2013 bei der Ausländerbehörde vor. Sie bestätigte, dass die eheliche Lebensgemeinschaft seit dem 5. November 2013 nicht mehr bestehe, weil der Ehemann nicht mehr nach Hause gekommen sei. Ihr Ehemann habe ihr die Gründe für seinen Auszug nicht genannt. Die Ehe sei zunächst gut gewesen. Nach einem Jahr etwa sei es aber zu Streitigkeiten gekommen, weil der Ehemann ihren Sohn nicht gut behandelt habe. Dies habe auch zu Schwierigkeiten zwischen den Eheleuten geführt. Ihr Ehemann habe sie wie eine Haushälterin, nicht wie eine Ehefrau behandelt. Sie selbst habe sich schon gut integriert. Sie habe Deutsch gelernt und sei bereits erwerbstätig gewesen. Ihr Sohn habe sich im Kinderhort gut eingelebt, er spreche auch gut Deutsch. Seine Heimatsprache habe er schon teilweise verlernt.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin, dieser ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu gewähren. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Ehe nahezu drei Jahre bestanden habe. Der Ehemann habe sich offensichtlich nur seiner Unterhaltspflicht entziehen wollen. Er habe den Sohn der Klägerin auch nicht akzeptiert, sondern ihn des Öfteren auf den Kopf geschlagen, gezupft und psychisch gequält.

Mit Bescheid vom 27. März 2014 wurde der Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus sonstigen Gründen abgelehnt. Die Frist zur Ausreise wurde auf den 15. Juli 2014 festgesetzt. Die Abschiebung wurde angedroht. Zur Begründung wird ausgeführt, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis komme nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht in Betracht. Die erforderliche dreijährige Ehebestandszeit sei noch nicht erfüllt. Der weitere Aufenthalt sei auch nicht zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich. Im Rahmen der Anhörungen habe das Landratsamt zwar den Eindruck einer Ehe gewonnen, von der jeder wohl ganz andere Vorstellungen als Partner gehabt habe. Anzeichen einer psychischen Gewalt seien jedoch nicht erkennbar. Hierzu fehle es an jeglichen objektiven Anhaltspunkten. Zudem gehe die Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft auf die Initiative des Ehemannes zurück. Von einer physischen oder psychischen Misshandlung des Kindes der Klägerin könne nicht ausgegangen werden. Zudem sei das Verhalten des Ehemannes offensichtlich nicht der Grund der Trennung gewesen. Hätten Übergriffe auf den Sohn der Klägerin vorgelegen, welche die Grenze zur häuslichen Gewalt überschritten, hätte die Klägerin eine Pflicht zum Schutz des Kindes gehabt. Außerdem ergebe sich aus einer Stellungnahme der Grundschule ... vom 27. November 2013, dass sich die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes zusehend gebessert hätten. Allein aus der Rückkehrverpflichtung ergebe sich keine besondere Härte. Es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin den Lebensverhältnissen auf den Philippinen so entfremdet sei, dass sie nicht mehr zurückkehren könne. Außerdem würden die fünf Brüder der Klägerin noch dort leben, so dass die Klägerin bei ihrer Wiedereingliederung Hilfe finden könne. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus anderen Rechtsgründen sei nicht ersichtlich.

Hiergegen ließ die Klägerin am 14. April 2014 Klage erheben und beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 27. März 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland über den 15. Juni 2014 hinaus zu verlängern bzw. der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis aus sonstigen Gründen zu erteilen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Beklagte habe den Antrag der Klägerin auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis zu Unrecht abgelehnt. Die eheliche Lebensgemeinschaft habe zum Zeitpunkt der Trennung nahezu drei Jahre bestanden. Der Ehemann der Klägerin habe die Trennung nur vollzogen, um etwaigen Unterhaltsansprüchen zu entgehen. Der Klägerin stehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht wegen besonderer Härte zu. Sie sei von ihrem Ehemann psychisch misshandelt worden. Er habe sie systematisch erniedrigt. Außerdem habe die dauernde erhebliche Verletzung ihres Sohnes durch ihren Ehemann zu einer eigenen psychischen Misshandlung der Klägerin als Mutter geführt. Das Kind sei vom Ehemann der Klägerin wiederholt auf den Kopf geschlagen oder an den Haaren gezogen worden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom 27. März 2014 verwiesen. Neue Darlegungen seien seitens der Klägerin nicht vorgebracht worden.

Mit Beschluss vom 27. Juni 2014 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten gewährt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. Juli 2014 und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 28 Abs. 3, 31 AufenthG. Ein entsprechender (konkludenter) Antrag auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis ist bereits in der Vorsprache der Klägerin beim Landratsamt am 28. November 2013 im Rahmen der Anhörung zu sehen (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2009 - 1 C 11/08 - BVerwGE 134, 124/129). Darüber hinaus beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 ausdrücklich, der Klägerin ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu gewähren.

a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren im Bundesgebiet bestanden hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin ist am 28. Januar 2011 im Wege des Ehegattennachzugs in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Am 5. November 2013 zog ihr Ehemann aus der gemeinsamen Ehewohnung mit dem Entschluss aus, sich endgültig von seiner Frau zu trennen. Dies ergibt sich sowohl aus der Erklärung des Ehemannes der Klägerin zum dauernden Getrenntleben als auch aus den Angaben der Klägerin selbst anlässlich ihrer Vorsprache beim Landratsamt am 28. November 2013. Damit ist die erforderliche dreijährige Ehebestandszeit im Bundesgebiet nicht erfüllt.

b) Ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ergibt sich auch nicht aus § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.

Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet ist gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist. Eine besondere Härte liegt nach § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist (§ 31 Abs. 2 Satz 2 HSAufenthGnthG). Zu den schutzwürdigen Belangen zählt nach § 31 Abs. 2 Satz 3 AufenthG auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren, unbestimmten Rechtsbegriff (VG München, U.v. 21.2.2013 - M 12 K 12.4701 - juris Rn. 33).

aa) Eine besondere Härte i. S. des § 31 Abs. 2 Satz 2 AltAufenthGnthG ist nicht gegeben. Von dieser Regelung sind nur ehebezogene Nachteile erfasst, also Beeinträchtigungen, die mit der ehelichen Lebensgemeinschaft oder ihrer Auflösung zumindest in mittelbarem Zusammenhang stehen, nicht aber sämtliche sonstigen, unabhängig davon bestehenden Rückkehrgefahren (s. dazu ausführlich BVerwG, U.v. 9.6.2009 - 1 C 11/08 - NVwZ 2009, 1432/1435).

Derartige ehebezogene Nachteile hat die Klägerin bei einer Rückkehr auf die Philippinen nicht zu befürchten. Diese ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die Klägerin wirtschaftliche Schwierigkeiten befürchtet, weil sie wegen ihres Alters ihre frühere Tätigkeit nicht mehr aufnehmen könne. Die Klägerin hat auf den Philippinen zehn Jahre lang die Schule besucht. Anschließend hat sie ihren Lebensunterhalt als Haushälterin und als Verkäuferin in einem ... in ... selbst erwirtschaftet. Auch ihren Sohn hat sie als Alleinerziehende mitversorgt. Die mittlerweile 46 Jahre alte Klägerin ist erwerbsfähig, sie arbeitet derzeit Teilzeit als Verpackerin und an den Wochenenden zusätzlich als Reinigungskraft. Es ist deshalb zu erwarten, dass es ihr nach ihrer Rückkehr gelingen wird, wieder eine Beschäftigung zu finden. Nach wie vor leben auch fünf Brüder der Klägerin auf den Philippinen. Auch wenn diese ihre eigenen Familien zu versorgen haben, ist doch davon auszugehen, dass sie die Klägerin in der ersten Zeit nach der Rückkehr etwa bei der Arbeitssuche unterstützen können. Das Problem, bei einer Rückkehr wirtschaftlich wieder neu Fuß fassen zu müssen, trifft die Klägerin in gleicher Weise wie jeden anderen Rückkehrer. Besondere, ehebezogene Benachteiligungen sind darin nicht zu sehen.

Auch die vorgetragene gute Integration der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland begründet keine ehebezogene, erhebliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange im Falle einer Rückkehr. Die Klägerin hat den Großteil ihres Lebens auf den Philippinen verbracht und ist erst im Alter von 42 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Sie spricht nach wie vor ihre Heimatsprache und hat dort ihre Familie. Anhaltspunkte dafür, dass sie den Lebensverhältnissen in ihrer Heimat in einer Weise entfremdet wäre, die eine Rückkehr unzumutbar machen würden, gibt es nicht. Vielmehr hatte die Klägerin ursprünglich geplant, nach der Verrentung des Ehemannes gemeinsam mit ihm und mit ihrem Sohn auf die Philippinen zurückzukehren.

bb) Der Klägerin war ein Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft auch nicht unzumutbar i. S. des § 31 Abs. 2 Satz 2 AltAufenthGnthG.

(1) Durch § 31 Abs. 2 Satz 2 AltAufenthGnthG soll vermieden werden, dass der nachgezogene Ehegatte „auf Gedeih und Verderb“ zur Fortsetzung einer untragbaren Lebensgemeinschaft gezwungen wird, weil er sonst Gefahr läuft, sein akzessorisches Aufenthaltsrecht zu verlieren (VG Regensburg, B.v. 12.12.2012 - RO 9 S 12.1679 - juris Rn. 26). Bei der Beurteilung, ob dem Ehepartner ein Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft zumutbar war oder nicht, bedarf es einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls. Schutzwürdige Belange des ausländischen Ehegatten sind dabei vor allem die persönliche Selbstbestimmung, die körperliche Integrität und die persönliche Freiheit. Die Beeinträchtigung dieser Belange muss objektiv betrachtet eine gewisse Intensität aufweisen und sich aus Sicht des betroffenen Ehegatten mit Blick auf das Erreichen der Drei-Jahres-Frist als unzumutbar darstellen (BayVGH, B.v. 17.1.2014 - 10 ZB 13.1783 - juris Rn. 4). Die Störungen der ehelichen Lebensgemeinschaft müssen demnach das Ausmaß einer konkreten, über allgemeine Differenzen und Kränkungen in einer gestörten ehelichen Beziehung hinausgehenden psychischen Misshandlung erreicht haben. Gelegentliche Ehestreitigkeiten, Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten, grundlose Kritik und Kränkungen, die in einer Vielzahl von Fällen trennungsbegründend wirken, machen für sich genommen noch nicht das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar (BayVGH, B.v. 18.3.2008 - 19 ZB 08.259 - juris Rn. 24). Eine besondere Härte i. S. des § 31 Abs. 2 Satz 2 AltAufenthGnthG ist unter anderem anzunehmen, wenn die Ehe wegen physischer oder psychischer Misshandlungen durch den anderen Ehegatten aufgehoben wurde (BayVGH, B.v. 6.3.2006 - 24 C 06.371 - juris Rn. 15). Ein besonderer Härtefall ist dabei nicht erst bei schwersten Eingriffen in die persönliche Freiheit des Ehepartners gegeben, eine Beschränkung nur auf „gravierende Misshandlungen“ lässt sich nicht rechtfertigen (VG Augsburg, U.v. 30.11.2011 - 6 K 11.1339 - juris Rn. 25). Ausreichend ist, wenn die Lage eines Ehegatten durch eine Situation der Angst vor physischer oder psychischer Gewalt geprägt ist und daher die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft als unzumutbar erscheint (VG München, U.v. 21.2.2013 - M 12 K 12.4701 - juris Rn. 33; Göbel-Zimmermann in Huber, Aufenthaltsgesetz, 1. Aufl. 2010 § 31 Rn.14).

(2) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 Satz 2 AltAufenthGnthG erworben. Aus der Gesamtschau aller vorgetragenen Umstände ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts nicht, dass der Klägerin das Festhalten an der Ehe unzumutbar gewesen wäre.

Das Gericht ist nach Durchführung der mündlichen Verhandlung mit der Befragung der Klägerin und Zeugeneinvernahme ihres Ehemannes sowie unter Berücksichtigung der beigezogenen Behördenakten der Überzeugung, dass eine besondere Härte i. S. des § 31 Abs. 2 Satz 2 AltAufenthGnthG nicht vorlag. Aus den Schilderungen der Klägerin ergibt sich das Bild einer Ehe, die offensichtlich von verschiedenen Vorstellungen über das gemeinsame Leben in Deutschland geprägt war. Die Klägerin hatte ihren Ehemann vor der Heirat fünfmal auf den Philippinen getroffen. Nach der Hochzeit verließ sie ihr Heimatland gemeinsam mit ihrem Sohn, ohne mit ihrem Ehemann über ihre Vorstellungen über das gemeinsame Leben in Deutschland gesprochen zu haben. Sie hatte sich darüber nach eigenen Angaben auch keine Gedanken gemacht. Während die Klägerin bestrebt war, bald auch einer Arbeit nachgehen zu können, ging ihr Ehemann davon aus, dass sie sich zuhause um ihren Sohn kümmern werde. Hinzu kam, dass der Ehemann der Klägerin offensichtlich konkrete Vorstellungen von der aus seiner Sicht nötigen Anpassung an die hiesigen Lebensgewohnheiten und Gepflogenheiten hatte, die die Klägerin nicht in vollem Umfang erfüllte und - aus Sicht ihres Ehemannes - auch nicht ausreichend wichtig nahm. Auch wegen des Sohnes der Klägerin kam es häufig zu Streitigkeiten zwischen den Eheleuten. Die Klägerin trug jedoch vor, dass ihr Ehemann sie nie beleidigt oder gar geschlagen habe. Er sei aber manchmal eifersüchtig gewesen, weil sie sich immer auf die Seite ihres Sohnes gestellt habe. Beim letzten Streit im November 2013 habe er gesagt, sie sei nicht seine Frau, sondern seine Haushälterin. Sie habe sich von ihrem Mann nicht ernstgenommen und respektiert gefühlt. Die geschilderten Kränkungen und Streitigkeiten mögen zwar für die Klägerin belastend gewesen sein, sie überschreiten jedoch objektiv betrachtet noch nicht die Schwelle der Unzumutbarkeit. Zudem bewogen sie die Klägerin auch nicht dazu, eine Trennung von ihrem Ehemann in Betracht zu ziehen. Sie betonte vor Gericht, dass sie immer gehofft habe, dass es besser werde. Der Auszug ihres Mannes im November 2013 sei für sie vollkommen überraschend gekommen, sie selbst habe nicht vorgehabt, sich von ihrem Mann zu trennen. Dies wurde vom Ehemann der Klägerin bei seiner Zeugeneinvernahme bestätigt. Er berichtet, seiner Frau schon ein Jahr vor seinem Auszug gesagt zu haben, dass sich etwas ändern müsse, weil er so nicht weitermachen könne. Seine Frau habe aber nicht an Trennung gedacht, ihr Verhalten aber auch nicht geändert.

Auch das Verhalten des Ehemannes der Klägerin gegenüber ihrem Sohn erfüllt die Voraussetzungen der besonderen Härte nicht. Zwar zählt zu den schutzwürdigen Belangen i. S. des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch das Wohl des mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes (§ 31 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Nach der informatorischen Anhörung der Klägerin und der Einvernahme ihres Ehemannes als Zeugen ist das Gericht auch der Überzeugung, dass die Probleme des Ehemannes der Klägerin mit dem von ihr in die Ehe mitgebrachten Sohn hauptursächlich für die Streitigkeiten zwischen den Eheleuten waren. Eine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange der Klägerin i. S. des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, die ein Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar gemacht hätte, ergibt sich bei objektiver Betrachtung daraus jedoch nicht. Aus den beigezogenen Behördenakten, aber auch aus seiner Zeugenaussage lässt sich entnehmen, dass der Ehemann der Klägerin sich für die Erziehung des Kindes verantwortlich fühlte. Er war dem Kind gegenüber auch nicht grundsätzlich negativ eingestellt. So schilderte er den Jungen sowohl bei seiner Anhörung vor dem Landratsamt, aber auch vor Gericht als sehr intelligentes Kind. Er sei ein netter Junge gewesen, dem aber jede Disziplin gefehlt habe. An sich habe er ihn ganz gern gehabt. Es seien auch gemeinsame Ausflüge unternommen worden, die dem Jungen Freude gemacht hätten. Allerdings war der Zeuge mit der Erziehung des Kindes, die er für erforderlich hielt, um die Integration im Bundesgebiet zu ermöglichen, wohl überfordert. Der Sohn der Klägerin ist, wie sich aus den Schulzeugnissen und Vermerken der Hortleitung ergibt, ein äußerst lebhaftes und aufgewecktes Kind, das nur sehr langsam an Regeln zu gewöhnen war. Im Jahreszeugnis 2012/2013 ist von einem „ungebremsten, extrem störenden Verhalten“ die Rede. Dies deckt sich mit den Schilderungen des Zeugen, wonach die Schule oder der Hort ständig zuhause angerufen hätten, um über Probleme mit dem Kind zu berichten. Dem Zeugen war die Entwicklung des Kindes offensichtlich auch nicht gleichgültig, denn er führte sowohl Gespräche mit der Hortleitung als auch mit der Klassleiterin. Auch schilderte er Schulpsychologen seine Probleme und fragte um Rat. Dennoch gelang es dem Zeugen, der nicht auf Erfahrungen mit eigenen Kindern zurückgreifen konnte, nicht, einen vertrauensvollen Zugang zu dem Kind zu finden. Er musste erkennen, dass die von ihm gewählten Methoden der Erziehung allesamt aus seiner Sicht keinen Erfolg brachten, was zum Teil sicherlich auch an der Art der Methoden lag. So forderte er den Jungen immer wieder auf, das Essen genau zu benennen, damit er sich die Begriffe einpräge. Wenn das Kind sich dem verweigerte, kam es einige Male vor, dass es ohne Essen ins Bett geschickt wurde. Auch hat der Zeuge den Jungen nach eigenen Angaben ein paarmal mit der flachen Hand auf den Hinterkopf „geklapst“, wenn er sich nicht an Regeln gehalten habe. Einmal habe er das Kind mit dem Essen vor die Tür geschickt, weil er sich bei Tisch unmöglich benommen habe und er ihn an Tischmanieren gewöhnen wollte. Zudem bestätigte der Zeuge die Angaben der Klägerin, wonach ihr Sohn auch einige Male Essensreste vom Vortag aufessen musste. Der Zeuge wollte ihn dadurch dazu bewegen, alles zu probieren, was auf den Teller kam.

Insgesamt waren die Erziehungsmethoden des Zeugen, wie er sich selbst eingestehen musste, ungeeignet und in keiner Weise kindgerecht. Dabei sind insbesondere die unstreitig dem Sohn der Klägerin verabreichten „Klapse“ auf den Hinterkopf, auch wenn sie vom Zeugen selbst nicht als körperliche Gewalt eingeordnet wurden, körperliche Übergriffe und deshalb zu missbilligen. Dennoch erreichten diese Beeinträchtigungen in einer Gesamtschau nicht ein Maß, das die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft für die Klägerin unzumutbar gemacht hätte. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Verhalten der Klägerin selbst. Obwohl sie sich nach eigenen Angaben über das Verhalten ihres Mannes ärgerte, führte sie mit ihm keine Gespräche über die Erziehung des Kindes. Möglichkeiten, ausgleichend zu wirken, suchte sie nicht. Die Klägerin nahm die Probleme ihres Mannes bei der Erziehung ihres Sohnes auch nicht zum Anlass, sich deswegen Rat bei Dritten, etwa einer Beratungsstelle zu suchen. Dies wäre ihr nach Auffassung des Gerichts durchaus möglich gewesen, da sie regelmäßige Kontakte sowohl zur Schule als auch zur Leiterin des Hortes hatte und dort stets Unterstützung fand. Dennoch suchte sie erst im Jahr 2014, deutlich nach der Trennung, eine psychologische Beratungsstelle auf. Auch hier war Anlass jedoch nicht die häusliche Problematik, sondern die Probleme des Jungen in Schule und Hort. Die Notwendigkeit, während des ehelichen Zusammenlebens gemeinsam mit dem Ehemann wegen dessen Verhältnis zu ihrem Sohn Hilfe zu suchen, sah die Klägerin offensichtlich nicht. Dass ein solcher Versuch von vorneherein aussichtslos gewesen wäre, kann das Gericht nicht erkennen. Der Zeuge vermittelte vielmehr durchaus den Eindruck, dass ihm zumindest in den ersten Jahren viel an einem guten Zusammenleben gelegen war und er seinen Teil dazu beitragen wollte. Die Klägerin war jedoch der Auffassung, dass sich die Lage mit der Zeit von selbst bessern werde. Sie empfand das Verhalten ihres Ehemannes gegenüber ihrem Sohn offensichtlich nicht als derart unzumutbar, dass sie deshalb eine Trennung überhaupt in Betracht gezogen hätte. Zudem spricht nach Auffassung des Gerichts auch nichts dafür, wie der Bevollmächtigte der Klägerin meint, dass erst das Verhalten des Zeugen die Probleme des Kindes hervorgerufen habe. Der Sohn der Klägerin wird in den Zeugnissen, aber auch von der Leiterin des Hortes als äußerst lebhaft und schwierig eingeschätzt. Es fiel ihm offensichtlich schwer, sich an Regeln zu halten. Anhaltspunkte dafür, dass die Verhaltensauffälligkeiten ihre Ursache in den häuslichen Problemen hätten, ergeben sich aus den beigezogenen Akten nicht. Vielmehr bestätigte die Grundschule ... am 27. November 2013, dass die Hilfestellungen, die dem Jungen in Schule und Hort geboten wurden, sich zusehends positiv auf sein Verhalten auswirken würden. Damit haben die offensichtlich bereits vor dem Auszug des Zeugen ergriffenen Maßnahmen eine allmähliche Verbesserung gebracht, das Zusammenleben mit ihm konnte demnach nicht (alleinige) Ursache für die Probleme sein.

Die häusliche Situation der Klägerin war demnach, wie eine Gesamtschau ergibt, nicht durch regelmäßige Angst vor physischer und psychischer Gewalt gegenüber ihr oder ihrem Sohn, sondern von häufigen Streitigkeiten, gegenseitigem Unverständnis und Kränkungen geprägt. Enttäuschte Erwartungen, Lieblosigkeiten und die völlig unterschiedlichen Vorstellungen von der Erziehung des Kindes haben die Klägerin zwar offensichtlich belastet, jedoch nicht derart schwer, dass sie an eine Trennung auch nur gedacht hätte. Nach einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls war der Klägerin demnach ein Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht unzumutbar, eine besondere Härte i. S. des § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG liegt deshalb nicht vor.

2. Nach alldem war die Klage auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.