Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 14. Nov. 2018 - AN 1 K 17.02368

bei uns veröffentlicht am14.11.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am … geborene Kläger stand als Fachoberlehrer im Dienste des Beklagten. Er war zuletzt an der …schule in … tätig.

Mit Änderungsbescheid des Zentrum Bayern Familie und Soziales, Region Mittelfranken, Versorgungsamt, vom 20. September 2012 wurde dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 zuerkannt. Zuvor hatte seit dem Jahr 2007 ein GdB von 30 bestanden.

Mit formularmäßigem Antrag auf Versetzung in den Ruhestand beantragte der Kläger am 12. Januar 2016 die Ruhestandsversetzung nach Vollendung des 64. Lebensjahres nach Art. 64 Satz 1 Nr. 1 BayBG zum Ende des Schuljahres (mit Ablauf des 31.07.2016).

Mit Schreiben der Regierung von Mittelfranken vom 12. Februar 2016 wurde der Kläger antragsgemäß gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG mit Ablauf des 31. Juli 2016 in den Ruhestand versetzt. Das an den Kläger unter seiner dienstlichen Anschrift adressierte Schreiben wurde an die …schule in … übermittelt mit der Bitte, die Reinschrift des Schreibens und die beigefügte Urkunde über die Versetzung in den Ruhestand spätestens am 31. Juli 2016 gegen Empfangsbekenntnis dem Kläger auszuhändigen.

Die Aushändigung an den Kläger erfolgte am 26. Juli 2016 gegen Empfangsbekenntnis.

Am 30. März 2016 stellte der Kläger Antrag auf Erhöhung des feststellten Grades der Behinderung.

Mit Änderungsbescheid vom 8. Juni 2016 stellte das Zentrum Bayern Familie und Soziales, Region Mittelfranken, Versorgungsamt, bei Kläger das Vorliegen eines Grades der Behinderung (GdB) von 70 ab dem 4. April 2016 fest.

Die staatlichen Schulämter im Landkreis … und in der Stadt … übersandten der Regierung von Mittelfranken, Sachgebiet 43.3, eine Mitteilung, dass sich der Grad der Behinderung beim Kläger auf 70 erhöht habe. Der Mitteilung, die am 23. Juni 2016 bei der Regierung von Mittelfranken einging, war eine Bescheinigung des Versorgungsamtes vom 8. Juni 2016 über den geänderten GdB von 70 beigefügt. Ein entsprechender Eintrag in die Personalakte erfolgte am 23. Juni 2016. Die Schwerbehindertenvertretung wurde mit Schreiben vom 13. Juli 2016 über die erstmalige Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft in Kenntnis gesetzt.

Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 4. September 2016 an die Regierung von Mittelfranken. Er sei seit über 30 Jahren an der …schule in … als Fachoberlehrer beschäftigt gewesen und sei in den letzten neun Jahren aus gesundheitlichen Gründen nur begrenzt dienstfähig gewesen. Er habe seine Versetzung in den Ruhestand aus Altersgründen beantragt, da der Bescheid vom Versorgungsamt nicht eingetroffen sei. Er bitte hiermit rückwirkend um die Aufhebung seiner Ruhestandsversetzung aus Altersgründen zum 31. Juli 2016. Er habe den Bescheid vom Versorgungsamt am 8. Juni 2016 mit einer Behinderung von 70% erhalten. Zur Zeit seiner Antragstellung sei diese ihm noch nicht bekannt gewesen, obwohl der Neufeststellungsantrag bereits seit Monaten von der VdK eingereicht worden sei. Er stelle nachträglich den Antrag, wegen Schwerbehinderung in den Ruhestand versetzt zu werden.

Die Regierung von Mittelfranken teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14. September 2016 mit, eine rückwirkende Aufhebung der antragsgemäß erfolgten Ruhestandsversetzung sei aus verwaltungsrechtlichen Gründen leider nicht möglich.

Nachdem der Kläger um den Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides gebeten hatte, lehnte die Regierung von Mittelfranken den Antrag mit Bescheid vom 6. Dezember 2016 ab.

Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß Art. 71 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BayBG könne eine Ruhestandsversetzung nur bis zu Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden. Die auf Art. 64 Nr. 1 BayBG gestützte Ruhestandsversetzung sei mit der Aushändigung der Urkunde am 26. Juli 2016 mit Ablauf des 31. Juli 2016 wirksam geworden.

Zwar sei der Regierung durch das Staatliche Schulamt mitgeteilt worden, dass mit Bescheid vom 8. Juni 2016 ein Grad der Schwerbehinderung von 70 v.H. festgestellt worden sei. Der Kläger habe es jedoch unterlassen, bereits zum damaligen Zeitpunkt seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand aus Altersgründen zurückzunehmen und gleichzeitig einen Antrag auf Ruhestandsversetzung wegen Schwerbehinderung zu stellen. Eine Rücknahme wäre damals rechtlich und verwaltungstechnisch noch möglich gewesen. Dieses Versäumnis habe der Kläger mittlerweile in mehreren Telefonaten mit Angehörigen der Regierung von Mittelfranken eingeräumt. Des Weiteren hätte im September 2016 ein wirksamer und rechtmäßiger Bescheid rückwirkend zurückgenommen werden müssen, was zur Folge gehabt hätte, dass der Kläger so gestellt worden wäre, als hätte er den ursprünglichen Antrag nicht gestellt. Dies sei rechtlich nicht möglich.

Ferner gebe es auch keinen Automatismus, wonach der Dienstherr durch die Zusendung eines Feststellungsbescheides, mit dem eine anerkannte Schwerbehinderung angezeigt wird, erkennen müsste, dass der Beamte nun nicht mehr aus Altersgründen (Art. 64 Nr. 1 BayBG), sondern nun wegen Schwerbehinderung (Art. 64 Nr. 2 BayBG) antragsgemäß in den Ruhestand versetzt werden solle.

Der Regierung von Mittelfranken sei durchaus bewusst, dass für den Kläger durch diese Maßnahme höhere finanzielle Abschläge verbunden seien. Dies sei aber seitens des Dienstherrn weder zu vertreten, noch rechtlich zu ändern.

Der Kläger ließ mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 21. Dezember 2016 gegen den genannten Bescheid Widerspruch einlegen.

Zur Begründung des Widerspruchs wurde mit Schreiben vom „21. Dezember 2016“, eingegangen am 12. Juli 2017, vorgetragen, die Regierung von Mittelfranken habe zumindest seit September 2014 Kenntnis von einem Grad der Behinderung gehabt. Im Gesundheitszeugnis vom 10. September 2014 (veranlasst mit Schreiben der Regierung von Mittelfranken vom 13.06.2014, Nr. …*) stelle der Gutachter fest, es sei ein Grad der Behinderung von 40 bereits zuerkannt, und habe einen „Verschlimmerungsantrag“ empfohlen.

Der Widerspruch sei begründet. Es sei zwischen der eingeschränkten Möglichkeit für den Beamten, den Ruhestandsantrag zurückzunehmen, und der nach allgemeinen Verwaltungsrecht bestehenden Möglichkeit für den Dienstherrn zu unterscheiden, den Verwaltungsakt der Ruhestandsversetzung zu widerrufen bzw. zurückzunehmen. Das vom Antragsteller unterzeichnete vorformulierte Antragsformular auf „Versetzung in den Ruhestand“ sehe verschiedene Möglichkeiten der Antragstellung vor. Der Kläger habe die Variante nach Art. 64 Satz 1 Nr. 2 BayBG nicht angekreuzt, weil ihm auf seinen Antrag noch kein Bescheid des Versorgungsamtes zugegangen gewesen sei. Im Zeitpunkt der Antragstellung am 12. Januar 2016 habe bereits die später erst mit Bescheid vom 8. Juni 2016 festgestellte Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 60 seit dem 1. Dezember 2015 bestanden.

Der Dienstherr habe die Schwerbehindertenvertretung im Hinblick auf die beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand nicht beteiligt. Schon allein deswegen sei die später erfolgte Ruhestandsversetzung anfechtbar (BVerwG, U.v. 17.09.1981 - 2 C 4/79; U.v. 02.02.1988 - 2 CB 53/87). Die Willenserklärungen des Klägers seien zumindest dergestalt auszulegen, dass die Ruhestandsversetzung aus dem Grund erfolgen möge, der dem Kläger die weitest gehenden Rechte ermögliche.

Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die unterlassene Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nicht im Widerspruchsverfahren heilbar sei. Auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werde verwiesen (Urteil vom 17.09.1981 - 2 CB 53/87). Die Ruhestandsversetzung wegen Alters wäre aufzuheben. Dies könne im Wege der Rücknahme oder des Widerrufs nach allgemeinen Regeln (Art. 48 oder 49 BayVwVfG) erfolgen. Vorsorglich werde dies für den Kläger nochmals beantragt.

Die Regierung von Mittelfranken wies mit Bescheid vom 17. Oktober 2017 den Widerspruch zurück.

Der Einwand, die Ruhestandsversetzung könne nach Art. 49 BayVwVfG zurückgenommen werden, sei unzutreffend, da es sich bei der Ruhestandsversetzung um einen rechtmäßig erlassenen Verwaltungsakt handle. Ein Widerruf der Ruhestandsversetzung sei rechtlich nicht möglich. Wie im Bescheid vom 6. Dezember 2017 bereits dargelegt, könne eine Ruhestandsversetzung nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BayBG nur bis zum Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden.

Eine rückwirkende Rücknahme des wirksamen und rechtmäßigen Bescheides im September 2016 hätte statusrechtlich dazu geführt, dass der Kläger wieder im aktiven Beamtenverhältnis gewesen wäre. Dies sei jedoch nicht möglich, da der Kläger bereits mit Ablauf des 31. Juli 2016 in den Ruhestand versetzt worden sei. Zum anderen wäre auch eine rückwirkende Versetzung in den Ruhestand aus beamtenrechtlichen Gründen nicht möglich (vgl. § 8 Abs. 7 BeamtStG analog). Für die Regierung von Mittelfranken bestehe bei der Rücknahme einer Ruhestandsversetzung grundsätzlich ein Ermessen. Laut Art. 71 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BayBG bestehe dies jedoch nur solange, bis die Ruhestandsversetzung wirksam geworden sei.

Eine Änderung dieses Status quo sei nicht mehr möglich (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2007 - 2 C 22.06 und VG Regensburg, U.v. 28.11.2012 - RN 1RN 1 K 12.1012).

Die Auffassung der Bevollmächtigten des Klägers, die Ruhestandsversetzung sei anfechtbar, sei unzutreffend. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei über die Schwerbehinderung des Klägers noch nicht entschieden worden. Ferner sei dem Dienstherrn auch nicht bekannt gewesen, dass ein entsprechender Antrag gestellt worden sei. Ein entsprechender Hinweis des Klägers finde sich in den in der Regierung von Mittelfranken vorliegenden Unterlagen nicht. Allein die Feststellung der medizinischen Untersuchungsstelle, dass ein Verschlechterungsantrag beim Versorgungsamt die Anerkennung einer Schwerbehinderung zur Folge haben könne, sei ebenfalls nicht einschlägig. Zudem sei der Kläger antragsgemäß in den Ruhestand versetzt worden, weshalb die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung entbehrlich sei. Nr. 10.2 der Teilhaberichtlinien - Inklusion behinderter Angehöriger des öffentlichen Dienstes in Bayern - sehe eine Beteiligung nur vor, wenn der Beamte gegen seinen Willen in den Ruhestand versetzt werden solle.

Der Kläger ließ mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15. November 2017 Klage erheben und beantragen,

  • 1.Der Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2017 wird aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger wegen Schwerbehinderung (Art. 64 Nr. 2 BayBG) mit Ablauf des 31. Juli 2016, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, in den Ruhestand zu versetzen.

  • 3.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  • 4.Das Urteil ist hinsichtlich der Ziffer 3 - notfalls gegen Sicherheitsleistung - vorläufig vollstreckbar.

Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz vom 27. April 2018 der Sachvortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.

Für den Fall, dass das Verwaltungsgericht der Klage keinen Erfolg beimessen sollte, werde angeregt, dem Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV die nachfolgenden, streitrelevanten Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Unterfällt das Verfahren der Ruhestandsversetzung zugunsten des Beamten der Schaffung „angemessener Vorkehrungen“ nach Art. 5 RL 2000/78/EG und/oder nach Art. 5 Abs. 3 UN-BRK?

2. Wenn das Verfahren der Ruhestandsversetzung als Pflichten im Sinne der „Schaffung angemessener Vorkehrungen“ nach Art. 5 RL 2000/78/EG und/oder nach Art. 5 Abs. 3 UN-BRK anzusehen sein sollte, führe dann deren Verletzung zugleich zur Unvereinbarkeit der streitgegenständlichen Zwangspensionierung mit der RL 2000/78/EG, so dass der streitgegenständliche Bescheid damit unwirksam wäre?

Die Obliegenheit zum Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV würde bestehen, wenn das Verwaltungsgericht ohne Berücksichtigung europarechtlicher und völkerrechtlicher Bindungen der Beklagten die Klage des Klägers zurückweisen würde.

Das Verwaltungsgericht müsse die Geltung des Unions- und Völkerrechts von Amts wegen beachten.

Beim Kläger habe eine Erkrankung vorgelegen, die zur Anerkennung einer Schwerbehinderung durch das Versorgungsamt geführt habe. Der Kläger unterfalle damit als „einfach“ Behinderter (ohne den Status einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung) dem Schutzbereich der vorbezeichneten Norm. Es dürfe aber nicht aus dem Blick geraten, dass mit der Vorschrift des Art. 64 BayBG die EU-Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Rechnung getragen bzw. umgesetzt werden müsse. Anderenfalls sei diese gesetzliche Norm, so sie dies von ihrem Wortlaut her zulasse, europarechtskonform auszulegen. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG würde hierzu zwingen. Hierfür könnte das Verwaltungsgericht nationales Recht im Sinne der EU-Richtlinie 2000/78/EG auslegen oder sogar unangewandt lassen.

Die Beklagte habe ihre europarechtliche Verpflichtung aus Art. 5 RL 2000/78/EG wie auch die völkerrechtliche Verpflichtung aus Art. 5 Abs. 3 und Art. 27 Abs. 1 i des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006 - Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen UN-BRK zur Schaffung jeweils „angemessener Vorkehrungen“ und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen nicht gesehen.

Die sekundärrechtliche Pflicht, die hier streitrelevant sei, folge aus der europarechtlichen Vorschrift des Art. 5 RL 2000/78/EG und habe folgenden Wortlaut:

„Artikel 5 Angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen Um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, sind angemessene Vorkehrungen zu treffen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, die Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Diese Belastung ist nicht unverhältnismäßig, wenn sie durch geltende Maßnahmen im Rahmen der Behindertenpolitik des Mitgliedsstaates ausreichend kompensiert wird.“

Das Verfahren der Ruhestandsversetzung i.V.m. einem „betrieblichen Eingliederungsmanagements“ sei eine geeignete und im konkreten Fall erforderliche Maßnahme. Über sie werde dem Kläger mit Behinderung die Ausübung eines Berufes ermöglicht. Dies habe der Beklagte hier schon nicht gesehen. Auch das von ihm gestaltete Formular enthalte gegenüber dem es ausfüllenden Beamten keinerlei Frage und Abklärung einer Antragstellung in Richtung auf den Schwerbehindertenstatus. Im Gegenteil verleite es aus der Sicht des Beamten vielmehr, hieran gar nicht zu denken.

Das Verfahren der Ruhestandsversetzung i.V.m. einem „betrieblichen Eingliederungsmanagements“ werde in der Richtlinie 2000/78/EG ergänzt durch

„Artikel 7 Positive und spezifische Maßnahmen“

mit folgendem Wortlaut:

„1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedsstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Art. 1 genannten Diskriminierungsgrunds verhindert oder ausgeglichen werden. 2. Im Falle von Menschen mit Behinderung steht der Gleichbehandlungsgrundsatz weder dem Recht der Mitgliedsstaaten entgegen, Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz beizubehalten oder zu erlassen, noch steht er Maßnahmen entgegen, mit den Bestimmungen oder Vorkehrungen eingeführt oder beibehalten werden sollen, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese Eingliederung fördern.“

Der Kläger sei ein Mensch mit Behinderung gewesen und dies auch nach wie vor. Dessen Eingliederung in die Arbeitswelt erfolge über das Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements (§ 84 Abs. 2 SGB IX). Dieses sei als „spezifische Maßnahme“ anzusehen.

Nachdem die Europäische Union das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert habe, sei der Begriff der „Behinderung“ der Richtlinie in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen. Die völkerrechtliche Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 UN-BRK habe folgenden Wortlaut:

„Artikel 5 Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung

3. Zur Förderung der Gleichberechtigung und zur Beseitigung von Diskriminierung unternehmen die Vertragsstaaten alle geeigneten Schritte, um die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen zu gewährleisten.“

In Art. 27 Abs. 1 i UN-BRK verpflichte sich die Bundesrepublik Deutschland

„Artikel 27 Arbeit und Beschäftigung

1. Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit, einschließlich für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung erwerben, durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften, um unter anderem (…) i) sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden; (…).“

Die Entscheidungsrelevanz folge aus den vorstehenden völkerrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus Art. 5 RL 2000/78/EG in der Auslegung des EuGH-Urteils vom 11.04.2013 - Rs C-335/11 und C-337/11 (Ring und Skouboe Werge) ergebenden Pflichten des Dienstherrn. Der EuGH habe noch keine Gelegenheit gehabt, zum Beamtenrecht die hier streitrelevanten Rechtsfragen zu klären. Es gehe um die Obliegenheit zur Suche eines Dienstpostens vor Ruhestandsversetzung, dessen Besetzbarkeit als Voraussetzung, die Obliegenheit der Beklagten, vor Ruhestandsversetzung einen behinderungs- oder leidensgerechten Arbeitsplatz überhaupt erst zu schaffen, ggf. durch Freimachung in Gestalt einer Versetzung. Zudem gehe es um die rechtliche Klärung, ob das Ruhestandsversetzungsverfahren nach Art. 64 BayBG i.V.m. dem Präventionsverfahren in § 167 Abs. 1 und/oder das des Verfahren des „betrieblichen Eingliederungsmanagements“ in § 167 Abs. 2 SGB IX Pflichten im Sinne der Schaffung „angemessener Vorkehrungen“ nach Art. 5 RL 2000/78/EG darstellten, sodass deren Verletzung zugleich zur Unvereinbarkeit der Zwangspensionierungsverfügung mit der RL 2000/78/EG wie mit der UN-BRK führe.

Schließlich erübrige sich auch das Vorabentscheidungsersuchen etwa nicht deswegen, weil Ausnahmen von der Vorlagepflicht bestünden, etwa weil die Frage schon durch den EuGH entschieden worden sei oder entsprechend der Doktrin vom „acte clair“, weil sich die richtige Auslegung des Unionsrechts derart offenkundig aufdränge, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibe (vgl. EuGH vom 15.09.2005 - C-495/03).

Die Klage sei mit sämtlichen Anträgen zulässig und begründet.

Die Versetzung in den Ruhestand als statusändernder Verwaltungsakt, der nach dem Ruhestandsbeginn grundsätzlich nicht mehr korrigierbar sei, habe eine Ausnahme im Falle einer rückwirkenden Zuerkennung eines Status als schwerbehinderter Mensch zu erfahren. Die Vorschriften des BayBG enthielten keine eigenen Regelungen über die Schwerbehinderteneigenschaft, sondern knüpften an diejenigen des Neunten Buchs des Sozialtgesetzbuches (SGB IX) an. Eine § 90 Abs. 2a SGB IX a.F./§ 173 Abs. 3 SGB IX n.F. entsprechende Vorschrift fehle. Danach bedürfe die Schwerbehinderteneigenschaft keines statusbegründenden Rechtsakts, weshalb der Feststellung der Schwerbehinderung durch Verwaltungsakt keine konstitutive, sondern lediglich eine deklaratorische Bedeutung zukomme (BSG, U.v. 22.09.1988 - 12 RK 44/87, juris Rn. 12; Ritz in Cramer/Fuchs/Firsch/Ritz, SGB IX, 6. Aufl. 2011, § 69 Rn. 14). Infolgedessen beschränke sich die Anerkennung nicht auf den Zeitraum ab dem Erlass des Bescheides, sondern wirke auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück. Der Gesetzgeber vermeide hierdurch nicht zuletzt unvertretbare Folgen in den Fällen, in denen sich die Feststellung der Schwerbehinderung - etwa wegen umfangreicher ärztlicher Begutachtung oder großer Arbeitsbelastung der Sozialbehörden - verzögere und möglicherweise sogar erst im Gerichtsverfahren getroffen werden könne.

Die geltend gemachte Ämterstabilität schlage nicht durch, da es an einer Bestandskraft der Verwaltungsentscheidung fehle. Bis dahin könne es schon begrifflich nichts geben, was „stabil“ hätte sein können. Eine nachträgliche Änderung des Inhalts der Zurruhesetzungsverfügung dergestalt, dass die Zurruhesetzung auf einen anderen der gesetzlichen Gründe gestützt werde, scheide nach dem Bundesverwaltungsgericht aus.

Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 26. Juli 2018,

die Klage abzuweisen.

In Ergänzung zu den Ausführungen im Widerspruchsbescheid wurde darauf hingewiesen, der Kläger habe seine Urkunde zur Versetzung in den Ruhestand nach Art. 64 Nr. 1 BayBG entgegengenommen, ohne Hinweis darauf, aufgrund des Feststellungsbescheides des ZBFS nunmehr wegen Schwerbehinderung in den Ruhestand versetzt werden zu wollen.

Soweit die Klägerseite darauf hinweise, dem Dienstherrn seien die seit 2006 gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers bekannt gewesen, sei dies zutreffend. Nicht nachvollziehbar sei jedoch, welcher Zusammenhang zwischen der seit 2007 bestehenden Behinderung des Klägers, für welche ein GdB von 30 festgestellt worden sei, und der beantragten Versetzung in den Ruhestand aus Altersgründen bestehe. Eine Versetzung in den Ruhestand wegen Schwerbehinderung nach Art. 64 Nr. 2 BayBG könne nur erfolgen, wenn bei dem Beamten eine Schwerbehinderung im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliege und dies beantragt werde. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 12. Januar 2016 habe diese wesentliche Tatbestandsvoraussetzung aber nicht vorgelegen. Erst mit Feststellungsbescheid vom 8. Juni 2016 sei dem Kläger eine Schwerbehinderung mit einem GdB von 70 zuerkannt worden. Ein entsprechender Antrag bzw. eine Änderung des Antrags vom 12. Januar 2016 sei seitens des Klägers jedoch unterblieben.

In der mündlichen Verhandlung stellte der Bevollmächtigte des Klägers den Antrag aus der Klageschrift mit der Maßgabe, dass der Antrag aus Ziffer 4. nicht aufrechterhalten wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Regierung von Mittelfranken vom 6. Dezember 2016 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG zum Ablauf des 31. Juli 2016 erfolgte Ruhestandsversetzung aufzuheben und den Kläger gemäß Art. 64 Nr. 2 BayBG wegen Schwerbehinderung in den Ruhestand zu versetzen.

Der Kläger hat am 12. Januar 2016 formularmäßig beantragt, gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG mit Ablauf des 31. Juli 2016 (Endes des Schuljahres 2015/2016) in den Ruhestand versetzt zu werden. Die Urkunde über die Ruhestandsversetzung wurde dem Kläger am 26. Juli 2016 gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt. Damit ist der Kläger mit Ablauf des 31. Juli 2016 rechtswirksam nach Art. 64 Nr. 1 BayBG in den Ruhestand getreten.

Eine nachträgliche Abänderung der Rechtsgrundlage der Versetzung in den Ruhestand in eine solche nach Art. 64 Nr. 2 BayBG ist weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft möglich.

Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 BayBG kann eine Zurruhesetzungsverfügung - nur - bis zum Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden. Diese Bestimmung dient nicht nur dem Vertrauensschutz des in den Ruhestand versetzten Beamten, sondern auch dem allgemeinen Interesse der Rechtsbeständigkeit der Statusentscheidung und der Rechtsklarheit. Damit erweist sie sich als das Gegenstück der Ämterstabilität, die aus ähnlichen Gründen den Widerruf und die Rücknahme der Ernennung von den allgemeinen Vorschriften ausnimmt und an spezielle, im Beamtengesetz selbst geregelte Voraussetzungen knüpft (BVerwG, U.v. 30.4.2014 - 2 C 65/11, juris; U.v. 25.10.2007 - 2 C 22.06, juris). Die Versetzung in den Ruhestand ist - wie die Ernennung des Beamten - ein statusverändernder Verwaltungsakt. Sie ist nach dem Ruhestandsbeginn nicht mehr korrigierbar; die abschließenden Regelungen des Beamtenrechts stehen einem Rückgriff auf die Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts über den Widerruf und die Rücknahme von Verwaltungsakten und einem Wiederaufgreifen des Verfahrens (Art. 48, 49, 51 BayVwVfG) entgegen. Das erfasst auch den Grund für die Zurruhesetzung. Eine Aufspaltung in die Zurruhesetzung „als solche“ einerseits und den Grund für die Zurruhesetzung andererseits ist nicht möglich (BVerwG, a.a.O.). Dementsprechend muss der Grund für die Zurruhesetzung bei Erlass der Zurruhesetzungsverfügung feststehen; er darf nicht offen oder in der Schwebe bleiben. Kommt die Versetzung in den Ruhestand aus mehreren gesetzlichen Gründen in Betracht, so ist eine nachträgliche Änderung des Inhalts der Verfügung dahingehend, dass die Zurruhesetzung auf einen anderen der gesetzlichen Gründe gestützt wird, nicht möglich (Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, § 47 a.F. Rn. 8). Das schließt gleichermaßen Änderungen zugunsten wie zu Lasten des Beamten aus. Somit sind inhaltliche Änderungen - auch bezüglich des Grundes der Zurruhesetzungsverfügung - ab Beginn des Ruhestandes ausgeschlossen (BVerwG, a.a.O.; OVG NW, B.v. 23.7.2018 - 6 A 1520/16, juris).

Hieran ändert die Tatsache nichts, dass der Kläger nach seinem am 12. Januar 2016 gestellten Antrag, nach Art. 64 Nr. 1 BayBG in den Ruhestand versetzt zu werden, am 30. März 2016 beim zuständigen Versorgungsamt einen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung nach § 2 Abs. 2 SGB IX gestellt hat, und diesem Antrag mit Bescheid vom 8. Juni 2016, also noch vor dem Ruhestandseintritt stattgegeben und ein GdB von 70 festgestellt worden ist.

Denn der Kläger hat nachfolgend bei der Regierung von Mittelfranken weder einen Antrag gestellt, er wolle nunmehr wegen Schwerbehinderung nach Art. 64 Nr. 2 BayBG in den Ruhestand versetzt werden, noch hat er selbst die Regierung von Mittelfranken von seiner zwischenzeitlich festgestellten Schwerbehinderung in Kenntnis gesetzt, womit er (zumindest konkludent) deutlich gemacht hätte, dass er sich auf seine Schwerbehinderung berufen will (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 21.11.2011 - 13 K 2262/11, juris Rn. 36; VG Karlsruhe, U.v. 20.11.2014 - 4 K 1205/12, juris).

Der Beklagte, der bereits mit Schreiben vom 12. Februar 2016 die Versetzung des Klägers mit Ablauf des 31. Juli 2016 in den Ruhestand in die Wege geleitet hatte, musste deshalb bis zum Erhalt des Schreibens des Klägers vom 4. September 2016 nicht davon ausgehen, dass der Kläger nicht mehr an seinem gestellten Antrag festhalten will. Eine entsprechende Verpflichtung zu einer Nachfrage beim Kläger, als die Personalstelle der Regierung von Mittelfranken am 23. Juni 2016 über das Staatliche Schulamt von der festgestellten Schwerbehinderung beim Kläger in Kenntnis gesetzt worden war, bestand nicht (vgl. OVG NW, B.v. 7.1.2015 - 6 B 1303/14, juris; BVerwG, U.v. 15.12.1980 - 6 C 58.78, juris).

Denn der Kläger hätte sich ohne Schwierigkeiten, z.B. über allgemein zugängliche Quellen im Internet oder durch Nachfrage bei der Schwerbehindertenvertretung über die Möglichkeiten der Ruhestandsversetzung bei einer festgestellten Schwerbehinderung erkundigen und spätestens vor der Entgegennahme der Urkunde über die Versetzung in den Ruhestand auch nachfragen können, ob die Ruhestandsversetzung nach Art. 64 Nr. 2 BayBG wegen Schwerbehinderung erfolgt.

Entgegen der Auffassung des Klägers war vor seiner Versetzung in den Ruhestand eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nicht erforderlich. Diese ist bei einem Antrag auf Ruhestandsversetzung nach Art. 64 Nr. 1 BayBG ohnehin nicht geboten und auch bei einem Antrag nach Art. 64 Nr. 2 BayBG nicht erforderlich, da der Schwerbehinderte in diesem Fall nicht gegen seinen Willen (z.B. wegen Dienstunfähigkeit) in den Ruhestand versetzt wird. Diese Fallkonstellation ist von § 178 Abs. 2 SGB IX95 Abs. 2 SGB IX a.F.) nicht erfasst (vgl. Esser/Isenhardt in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, Rn. 18 zu § 178; Ziffer 10.4 der Teilhaberichtlinien - Inklusion behinderter Angehöriger des Öffentlichen Dienstes in Bayern, FMBek. vom 19.11.2012, Az. PE - P 1132 - 002 - 33 316/12).

Ebenso bestand keine Veranlassung zu der vom Bevollmächtigten des Klägers beantragten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV.

Es ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, dass der Begriff „angemessene Vorkehrungen“, mit dem die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gewährleistet werden soll, dahin zu verstehen ist, dass er die Beseitigung der verschiedenen Barrieren umfasst, die die volle und wirksame Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, behindern (EuGH, U.v. 11.4.2013 - C-335/11 und C-337/11, juris; vgl. auch: BAG, U.v. 22.5.2014 - 8 AZR 662/13, juris).

Um die Beseitigung derartiger Barrieren, die die volle und wirksame Teilhabe des Klägers am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, behindert haben könnten, geht es im vorliegenden Verfahren jedoch gerade nicht.

Auch ein Verstoß gegen Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i der UN-BRK liegt nicht vor.

Nach dieser Bestimmung haben die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden. Zudem bestimmt Art. 2 Unterabs. 3 der UN-BRK, dass von der „Diskriminierung aufgrund von Behinderung“ alle Formen der Diskriminierung erfasst sind, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Unterabs. 4 der UN-BRK sind „angemessene Vorkehrungen“ notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können. Die Bestimmungen der UN-BRK sind Bestandteil der Unionsrechtsordnung (EuGH, U.v. 11.4.2013, a.a.O., Rn. 28 ff.) und damit zugleich Bestandteil des - ggf. unionsrechtskonform auszulegenden - deutschen Rechts (BAG, U.v. 21.4.2016 - 8 AZR 402/14, juris Rn. 20 m.w.N.). Der Umstand, dass die UN-BRK seit ihrem Inkrafttreten integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist, führt darüber hinaus dazu, dass auch die Richtlinie 2000/78/EG ihrerseits nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen ist (EuGH, U.v. 11.4.2013 - C-335/11, Rn. 28 bis 32).

Wie bereits ausgeführt geht es im vorliegenden Verfahren jedoch weder um die Frage, ob am (früheren) Arbeitsplatz des Klägers angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen worden waren, noch um die Gewährleistung, dass der Kläger an seinem Arbeitsplatz gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben konnte.

Die Klage war deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 14. Nov. 2018 - AN 1 K 17.02368

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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 14. Nov. 2018 - AN 1 K 17.02368 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

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(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 8 Ernennung


(1) Einer Ernennung bedarf es zur 1. Begründung des Beamtenverhältnisses,2. Umwandlung des Beamtenverhältnisses in ein solches anderer Art (§ 4),3. Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Grundgehalt oder4. Verleihung eines anderen Amtes mit ander

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 95 Sicherstellungsauftrag


Die Träger der Eingliederungshilfe haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag), soweit dieser Teil nichts A

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 90 Aufgabe der Eingliederungshilfe


(1) Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. D

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 178 Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung


(1) Die Schwerbehindertenvertretung fördert die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle, vertritt ihre Interessen in dem Betrieb oder der Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Sie erfüllt i

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 167 Prävention


(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbe

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 173 Ausnahmen


(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten nicht für schwerbehinderte Menschen,1.deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht oder2.die auf Stellen im Sinne d

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Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Auswechselung des Grundes für seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand.

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(1) Einer Ernennung bedarf es zur

1.
Begründung des Beamtenverhältnisses,
2.
Umwandlung des Beamtenverhältnisses in ein solches anderer Art (§ 4),
3.
Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Grundgehalt oder
4.
Verleihung eines anderen Amtes mit anderer Amtsbezeichnung, soweit das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Die Ernennung erfolgt durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde. In der Urkunde müssen enthalten sein

1.
bei der Begründung des Beamtenverhältnisses die Wörter „unter Berufung in das Beamtenverhältnis“ mit dem die Art des Beamtenverhältnisses bestimmenden Zusatz „auf Lebenszeit“, „auf Probe“, „auf Widerruf“, „als Ehrenbeamtin“ oder „als Ehrenbeamter“ oder „auf Zeit“ mit der Angabe der Zeitdauer der Berufung,
2.
bei der Umwandlung des Beamtenverhältnisses in ein solches anderer Art die diese Art bestimmenden Wörter nach Nummer 1 und
3.
bei der Verleihung eines Amtes die Amtsbezeichnung.

(3) Mit der Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Probe, auf Lebenszeit und auf Zeit wird gleichzeitig ein Amt verliehen.

(4) Eine Ernennung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt ist unzulässig und insoweit unwirksam.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.

(2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen. Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Absatz 2 Satz 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.

(3) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter können Arbeitgeber, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, durch Prämien oder einen Bonus fördern.

(1) Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.

(2) Besondere Aufgabe der medizinischen Rehabilitation ist es, eine Beeinträchtigung nach § 99 Absatz 1 abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder die Leistungsberechtigten soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

(3) Besondere Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben ist es, die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung der Leistungsberechtigten entsprechenden Beschäftigung sowie die Weiterentwicklung ihrer Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit zu fördern.

(4) Besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung ist es, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

(5) Besondere Aufgabe der Sozialen Teilhabe ist es, die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten nicht für schwerbehinderte Menschen,

1.
deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht oder
2.
die auf Stellen im Sinne des § 156 Absatz 2 Nummer 2 bis 5 beschäftigt werden oder
3.
deren Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet wird, sofern sie
a)
das 58. Lebensjahr vollendet haben und Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung auf Grund eines Sozialplanes haben oder
b)
Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung nach dem Sechsten Buch oder auf Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus haben.
Satz 1 Nummer 3 (Buchstabe a und b) finden Anwendung, wenn der Arbeitgeber ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen.

(2) Die Vorschriften dieses Kapitels finden ferner bei Entlassungen, die aus Witterungsgründen vorgenommen werden, keine Anwendung, sofern die Wiedereinstellung der schwerbehinderten Menschen bei Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet ist.

(3) Die Vorschriften dieses Kapitels finden ferner keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 152 Absatz 1 Satz 3 eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte.

(4) Der Arbeitgeber zeigt Einstellungen auf Probe und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen schwerbehinderter Menschen in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 unabhängig von der Anzeigepflicht nach anderen Gesetzen dem Integrationsamt innerhalb von vier Tagen an.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Auswechselung des Grundes für seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand.

2

Der am 1. Mai 1947 geborene Kläger beantragte im Februar 2002 die Gewährung von Altersteilzeit im Blockmodell. Die Freistellungsphase sollte mit Vollendung des 63. Lebensjahres enden. Ergänzend teilte er mit, er habe einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt, über den noch nicht abschließend entschieden sei. Der Beklagte bewilligte die Altersteilzeit antragsgemäß.

3

Im Jahr 2004 wurde beim Kläger ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt. Aufgrund einer Verschlechterung seiner Gesundheit beantragte er im Jahr 2008 erneut die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und erhob im Jahre 2009 eine entsprechende Klage beim Sozialgericht.

4

Im März 2010 bat der Beklagte den Kläger, den Nachweis der Schwerbehinderung bis spätestens Ende April 2010 vorzulegen; andernfalls werde er antragsgemäß aufgrund des Erreichens der Antragsaltersgrenze in den Ruhestand versetzt. Der Kläger verwies auf das noch laufende sozialgerichtliche Verfahren.

5

Da der Kläger deren Nachweis nicht vorlegte, versetzte ihn der Beklagte mit Bescheid vom 30. April 2010 mit Ablauf dieses Tages wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze in den Ruhestand. Die Versorgungsbezüge des Klägers wurden um den gesetzlich vorgesehenen Versorgungsabschlag in Höhe von 7,2 % gekürzt.

6

Widerspruch und Klage gegen die Zurruhesetzungsverfügung, die sich nicht gegen die Zurruhesetzung als solche, sondern wegen der damit verbundenen Abzüge bei den Versorgungsbezügen ausschließlich gegen den Grund für die Zurruhesetzung richtete, blieben erfolglos.

7

Während des Berufungsverfahrens stellte die hierfür zuständige Behörde rückwirkend ab Dezember 2009 beim Kläger einen Grad der Behinderung von 50 fest.

8

Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, den Kläger mit Ablauf des 30. April 2010 wegen seiner Schwerbehinderung in den Ruhestand zu versetzen. Das Oberverwaltungsgericht hat darauf abgestellt, der für den Grund der Zurruhesetzung maßgebliche Antrag des Klägers sei auf eine Zurruhesetzung vorrangig wegen Schwerbehinderung und nur hilfsweise wegen Erreichens des 63. Lebensjahres gerichtet gewesen. Die Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung setze nicht die förmliche Feststellung, sondern lediglich das Vorliegen einer Schwerbehinderung voraus. Vor Eintritt der Bestandskraft der Zurruhesetzungsverfügung sei eine nachträgliche, aber rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderung ebenso zu berücksichtigen wie eine bereits bei Ruhestandseintritt vorliegende Feststellung.

9

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. September 2011 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 24. Februar 2011 zurückzuweisen.

10

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG) und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

12

§ 59 des rheinland-pfälzischen Landesbeamtengesetzes - LBG RP - vom 14. Juli 1970 (GVBl S. 241) in der Fassung vom 7. Juli 2009 (GVBl S. 279) als im Zeitpunkt der Versetzung des Klägers in den Ruhestand mit Ablauf des 30. April 2010 geltendes und damit maßgebliches Recht regelt die Versetzung in den Ruhestand vor Erreichen der allgemeinen gesetzlichen Altersgrenze. Danach konnte ein Beamter auf seinen Antrag auch ohne den Nachweis der Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden, wenn er entweder das 63. Lebensjahr vollendet hatte (§ 59 Nr. 1 LBG RP) oder schwerbehindert im Sinne des § 2 Abs. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) war und das 60. Lebensjahr vollendet hatte (§ 59 Nr. 2 LBG RP).

13

Das Oberverwaltungsgericht ist zwar rechtsfehlerfrei von einem Antrag des Klägers ausgegangen, als Schwerbehinderter in den Ruhestand versetzt zu werden (1.). Allerdings verletzt es § 59 Nr. 2 LBG RP i.V.m. § 69 Abs. 1 und 5 SGB IX sowie § 62 Abs. 1 Satz 3 LBG RP, dass das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, eine Versetzung in den Ruhestand wegen Schwerbehinderung setze nicht die förmliche Feststellung, sondern lediglich das Vorliegen einer Schwerbehinderung voraus (2.) und der in der Zurruhesetzungsverfügung festgesetzte Grund für die Zurruhesetzung könne auch nach dem Beginn des Ruhestands noch ausgewechselt werden (3.).

14

Der Kläger hat das erforderliche Rechtsschutzinteresse für seine Klage. Bei einer Versetzung in den Ruhestand nach § 59 Nr. 2 LBG RP statt nach § 59 Nr. 1 LBG RP müsste er keinen Versorgungsabschlag hinnehmen. Das ergibt sich aus § 14 Abs. 3 Nr. 1 BeamtVG in der am 31. August 2006 geltenden Fassung vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926), der bei Beginn des Ruhestands des Klägers nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG, § 108 Abs. 1 BeamtVG fortgalt. Danach konnten Schwerbehinderte ab Vollendung des 63. Lebensjahres ohne Versorgungsabschläge vorzeitig in den Ruhestand gehen.

15

1. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Antrag des Klägers auf Zurruhesetzung gerichtet war, vorrangig wegen Schwerbehinderung, hilfsweise wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16

Die Ermittlung des Inhalts einer Erklärung im Wege der Auslegung ist revisionsrechtlich Tatsachenfeststellung im Sinne von § 137 Abs. 2 VwGO. Daher ist das Bundesverwaltungsgericht an den vom Tatsachengericht festgestellten Erklärungsinhalt gebunden, wenn dieses Gericht sein Ergebnis rechtsfehlerfrei begründet hat. Die Bindung tritt nicht ein, wenn die Auslegung auf einer unvollständigen Würdigung der festgestellten Tatsachen, einem Rechtsirrtum, einem Verstoß gegen eine Auslegungsregel oder einem Verstoß gegen einen allgemeinen Erfahrungssatz oder ein Denkgesetz beruht. Nur in diesen Fällen kann das Bundesverwaltungsgericht die Erklärung selbst auslegen (stRspr; zuletzt Urteil vom 30. Oktober 2013 - BVerwG 2 C 23.12 - ZBR 2014, 126 Rn. 14).

17

Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, der um den Hinweis auf ein laufendes Verfahren auf Anerkennung als Schwerbehinderter ergänzte Antrag des Klägers aus dem Jahre 2002, mit Vollendung des 63. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt zu werden, könne nur so verstanden werden, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall in den Ruhestand treten wollte, allerdings zur Vermeidung eines Versorgungsabschlags möglichst wegen Schwerbehinderung nach § 59 Nr. 2 LBG RP und hilfsweise wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze nach § 59 Nr. 1 LBG RP. Diese Auslegung verstößt nicht gegen einen allgemeinen Auslegungsgrundsatz (vgl. § 133 BGB), sodass sie das Revisionsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen hat.

18

2. Allerdings verletzt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass es im Rahmen des § 59 Nr. 2 LBG RP nicht auf die förmliche Feststellung der Schwerbehinderung ankomme, sondern ihr tatsächliches Vorliegen genüge, § 59 Nr. 2 LBG RP i.V.m. § 69 Abs. 1 und 5 SGB IX als revisibles Recht.

19

Zwar verlangt § 59 Nr. 2 LBG RP nicht ausdrücklich die Feststellung der Schwerbehinderung. Die Norm nimmt Bezug auf die Schwerbehinderung im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX. Damit wird aber nicht nur der materiell-rechtliche Bedeutungsgehalt der nach § 59 Nr. 2 LBG RP erforderlichen Schwerbehinderung geklärt, sondern zugleich auch die Zuständigkeit zur Feststellung der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch IX in Bezug genommen. Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest (§ 69 Abs. 1 SGB IX) und stellen einen Ausweis hierüber aus, der dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen dient, die schwerbehinderten Menschen nach Teil 2 des Sozialgesetzbuch IX oder nach anderen Vorschriften zustehen (§ 69 Abs. 5 SGB IX). Dies zeigt, dass nur die mit dem Vollzug des Sozialgesetzbuches IX beauftragten Behörden für die Feststellung der Schwerbehinderung zuständig sein sollen. Andere Behörden können und dürfen keine eigenständige Prüfung einer Schwerbehinderteneigenschaft vornehmen, sondern sind an das - positive oder negative - Ergebnis der Prüfung dieser Behörde gebunden. Ohne eine von der zuständigen Behörde ausgesprochene Feststellung einer Schwerbehinderung dürfen sie keine Schwerbehinderung annehmen. Eine eigenständige Prüfung der Schwerbehinderteneigenschaft eines Beamten durch den Dienstherrn im Rahmen des § 59 Nr. 2 LBG RP ist damit ausgeschlossen.

20

Die in dieser Gesetzeslage zum Ausdruck kommende Feststellungswirkung und Zuständigkeitskonzentration entspricht der ständigen Rechtsprechung von Bundessozialgericht und Bundesverwaltungsgericht (BSG, Urteil vom 6. Oktober 1981 - 9 RVs 3/81 - BSGE 52, 168 Rn. 26 ff.; BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1992 - BVerwG 5 C 48.88 - BVerwGE 90, 65 <69 f.>; vgl. auch Urteile vom 17. Dezember 1982 - BVerwG 7 C 11.81 - BVerwGE 66, 315 <316 ff.> und vom 11. Juli 1985 - BVerwG 7 C 44.83 - BVerwGE 72, 8 <9 ff.>).

21

Damit darf eine Versetzung in den Ruhestand als Schwerbehinderter nach § 59 Nr. 2 LBG RP nur vorgenommen werden, wenn die zuständige Behörde im Zeitpunkt des vom Beamten beantragten Ruhestandsbeginns einen entsprechenden Feststellungsbescheid erlassen hat. Ist das nicht der Fall, ist nur die Versetzung des Beamten in den Ruhestand nach § 59 Nr. 1 LBG RP (Antragsaltersgrenze) möglich. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob das Verfahren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft noch in der Schwebe oder negativ abgeschlossen ist.

22

Hieran ändert auch nichts, dass die Feststellung der Schwerbehinderung lediglich deklaratorisch wirkt (BSG, Urteile vom 30. April 1979 - 8b RK 1/78 - BSGE 48, 167 Rn. 15 und vom 22. September 1988 - 12 RK 44/87 - SozR 2200 § 176c Nr. 9 Rn. 12). Die Konzentration der Zuständigkeit für diese Feststellung bei den Versorgungsbehörden ist unabhängig davon, ob die Feststellung konstitutiv oder deklaratorisch wirkt; auch ein feststellender Verwaltungsakt kann Bindungswirkung haben (Urteil vom 11. Juli 1985 - BVerwG 7 C 44.83 - BVerwGE 72, 8 <9 f.>). Dem Umstand, dass die Feststellung der Schwerbehinderung nur deklaratorische Bedeutung und zugleich Bindungswirkung hat, wird dadurch Rechnung getragen, dass die Feststellung auch rückwirkend erfolgen kann. Sie bedeutet aber nicht, dass auch andere Behörden zur eigenständigen Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft berechtigt und verpflichtet wären.

23

3. Auch eine - hinter den Zeitpunkt des Ruhestandseintritts des Beamten zurückreichende - rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ermöglicht keine Auswechselung des Grundes für die Zurruhesetzung.

24

Nach § 62 Abs. 1 Satz 3 LBG RP kann die Zurruhesetzungsverfügung - nur - bis zum Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden. Diese Bestimmung, die sich auch in den Beamtengesetzen anderer Länder und des Bundes findet, dient nicht nur dem Vertrauensschutz des in den Ruhestand versetzten Beamten, sondern auch dem allgemeinen Interesse der Rechtsbeständigkeit der Statusentscheidung und der Rechtsklarheit. Damit erweist sie sich als das Gegenstück der Ämterstabilität, die aus ähnlichen Gründen den Widerruf und die Rücknahme der Ernennung von den allgemeinen Vorschriften ausnimmt und an spezielle, im Beamtengesetz selbst geregelte Voraussetzungen knüpft (Urteil vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 2 C 22.06 - Buchholz 232 § 47 BBG Nr. 3 Rn. 13 f.).

25

Die Versetzung in den Ruhestand ist - wie die Ernennung des Beamten - ein statusverändernder Verwaltungsakt. Sie ist nach dem Ruhestandsbeginn nicht mehr korrigierbar; die abschließenden Regelungen des Beamtenrechts stehen einem Rückgriff auf die Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts über den Widerruf und die Rücknahme von Verwaltungsakten und ein Wiederaufgreifen des Verfahrens (§§ 48, 49, 51 VwVfG) entgegen. Das erfasst auch den Grund für die Zurruhesetzung. Eine Aufspaltung in die Zurruhesetzung "als solche" einerseits und den Grund für die Zurruhesetzung andererseits ist nicht möglich (Urteil vom 25. Oktober 2007 a.a.O. Rn. 9; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, § 47 a.F. Rn 7.0). Dementsprechend muss der Grund für die Zurruhesetzung bei Erlass der Zurruhesetzungsverfügung feststehen; er darf nicht offen oder in der Schwebe bleiben.

26

Kommt die Versetzung in den Ruhestand aus mehreren gesetzlichen Gründen in Betracht, so ist eine nachträgliche Änderung des Inhalts der Verfügung dahingehend, dass die Zurruhesetzung auf einen anderen der gesetzlichen Gründe gestützt wird, nicht möglich (Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, § 47 a.F. Rn. 8). Das schließt gleichermaßen Änderungen zugunsten wie zu Lasten des Beamten aus. Anderenfalls wäre auch eine Änderung zu Lasten des Beamten etwa bei nachträglichem Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft möglich, z.B. bei einer Krebserkrankung nach Entfallen des Rezidivrisikos.

27

Somit sind inhaltliche Änderungen - auch bezüglich des Grundes der Zurruhesetzungsverfügung - ab Beginn des Ruhestandes ausgeschlossen. Der Beamte hat deshalb bei von der zuständigen Behörde noch nicht festgestellter Schwerbehinderung vor dem von ihm ins Auge gefassten Ruhestandstermin nur die Wahl, entweder "pünktlich" wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze in den Ruhestand zu treten oder aber zunächst im aktiven Dienst zu bleiben und erst später nach erfolgter Feststellung der Schwerbehinderung wegen der Schwerbehinderung - oder im Fall, dass der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung erfolglos bleibt, wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze - in den Ruhestand zu treten.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Aufhebung der Versetzungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.05.2011 und unter Aufhebung der Bescheide des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 03.11.2011 und 26.04.2012, soweit sie entgegenstehen, verpflichtet, den Kläger mit Ablauf des Monats Januar 2012 aufgrund der festgestellten Schwerbehinderung nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG in den Ruhestand zu versetzen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Auswechselung des Grundes seiner Versetzung in den Ruhestand.
Der am … 1948 geborene Kläger stand als Realschullehrer im Dienst des beklagten Landes. Mit Schreiben vom 17.10.2010 beantragte er seine Versetzung in den Ruhestand zum 31.07.2011. Das Regierungspräsidium Karlsruhe bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 11.11.2010 den Eingang seines Antrags und empfahl ihm, sich von der GEW oder dem Personalrat beraten zu lassen, da er wegen der Dienstrechtsreform bei Versetzung in den Ruhestand zum 01.08.2011 mit Versorgungsabschlägen zu rechnen habe. Da eine Reaktion des Klägers auf dieses Schreiben nicht erfolgte, fragte das Regierungspräsidium mit E-Mail vom 24.01.2011 nochmals an, ob die beantragte Versetzung in den Ruhestand zum 01.08.2011 „beibehalten“ werde. Mit Schreiben vom 20.05.2011 - beim Regierungspräsidium am 23.05.2011 eingegangen - teilte der Kläger Folgendes mit:
Sehr geehrte Damen und Herren,
da ich zum Ende des laufenden Schuljahres in Ruhestand gehe und derzeit aufgrund eines Schlaganfalles und einer Herzschrittmacheroperation ein Antrag auf Schwerbehinderung beim Amt für Versorgung und Rehabilitation eingereicht ist, möchte ich anfragen, wann Ihnen die Feststellung des Grades meiner Behinderung vorliegen muss. Möglicherweise könnten Sie direkt Kontakt mit dem Amt für Versorgung und Rehabilitation aufnehmen (Az: ...).
Im Voraus besten Dank für Ihre Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen
Das Regierungspräsidium Karlsruhe versetzte den Kläger mit Verfügung vom 09.05.2011 nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBG (= nach Vollendung des 63. Lebensjahres) mit Ablauf des Monats Juli 2011 in den Ruhestand. Die Verfügung, der keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, wurde dem Kläger am 27.07.2011 ausgehändigt.
Mit Schreiben vom 22.10.2011 - beim Regierungspräsidium am 24.10.2011 eingegangen - beantragte der Kläger, den „Rechtsgrund für die Versetzung in den Ruhestand“ zu ändern und führte sinngemäß zur Begründung aus. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 13.10.2011 sei ihm rückwirkend ab 04.03.2011 ein Grad der Behinderung von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt worden. Das Regierungspräsidium Karlsruhe wies mit Bescheid vom 03.11.2011 diesen Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er sei zum 01.08.2011 ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit und nicht schwerbehindert gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBG in den Ruhestand versetzt worden. Bei einer rechtmäßig erfolgten Versetzung in den Ruhestand - wie im Fall des Klägers - scheide der nachträgliche Austausch des Versetzungsgrundes auch dann aus, wenn zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung über den Antrag des Beamten auf Anerkennung als Schwerbehinderter noch nicht entschieden, aber der Antrag später rückwirkend genehmigt worden sei.
Gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 03.11.2011 erhob der Kläger am 24.11.2011 Widerspruch, zu dessen Begründung er u. a. Folgendes vortrug: Mit Schreiben vom 20.05.2011 - also lange Zeit vor Aushändigung der Verfügung zur Versetzung in den Ruhestand - habe er auf seinen Antrag auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft hingewiesen, und daher seien zum Zeitpunkt des Eingangs dieses Schreibens die Voraussetzungen für eine Versetzung in den Ruhestand wegen seiner Schwerbehinderung nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG gegeben gewesen. Unerheblich sei der Umstand, dass die förmliche Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft erst nach Eintritt in den Ruhestand erfolgt sei. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in der Entscheidung vom 22.09.2011 (2 A 10665/11 - DÖD 2012, 18) habe die Pensionierung auch dann wegen Schwerbehinderung zu erfolgen, wenn deren förmliche Feststellung zwar erst nach Eintritt in den Ruhestand, aber noch vor Bestandskraft des Zurruhesetzungsbescheids erfolge. Ein zunächst mit dem Erreichen der Altersgrenze begründeter Bescheid sei in diesem Fall abzuändern.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2012 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Mit Schreiben vom 20.05.2011 habe der Kläger zwar darauf hingewiesen, dass er einen Antrag auf Schwerbehinderung gestellt habe. Eine Mitteilung, dass er seine Zurruhesetzung nunmehr wegen seiner Schwerbehinderung beantrage und nicht mehr wegen Erreichens der Altersgrenze habe das Schreiben aber nicht enthalten. Eine andere Auslegung des Schreibens sei auch nicht möglich gewesen. Denn hätte man sein Schreiben dahingehend ausgelegt, dass er nun eine Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung begehre, hätte der Kläger nicht zum 31.07.2011, sondern erst nach der Anerkennung seiner Schwerbehinderung ab dem 01.02.2012 in den Ruhestand gehen können. Aus dem Antrag des Klägers vom Oktober 2010 und seinem Schreiben vom 20.05.2011 ergebe sich aber eindeutig, dass er eine Zurruhesetzung zum 31.07.2011 begehre. Zu diesem Zeitpunkt sei aber nur eine Zurruhesetzung wegen Erreichens der Altersgrenze möglich gewesen.
Da die Zurruhesetzung des Klägers mit Ablauf des 31.07.2011 antragsgemäß wirksam geworden sei, sei eine Abänderung des Rechtsgrundes der Statusentscheidung rechtlich nicht mehr möglich. Die Zurruhesetzungsverfügung habe nach § 45 Abs. 1 S. 2 LBG nur bis zum Beginn des Ruhestands zurückgenommen und abgeändert werden können. Es handele sich um eine Sonderregelung, die der Rechtsnatur der Ruhestandsversetzung (rechtsgestaltender, statusverändernder Verwaltungsakt) Rechnung trage und den Rückgriff auf die allgemeinen Bestimmungen der §§ 48, 49 und 51 LVwVfG ausschließe.
Mit seiner am 23.05.2012 erhobenen Klage beantragt der Kläger,
10 
das beklagte Land unter Aufhebung der Versetzungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.05.2011, soweit sie entgegensteht, und unter Aufhebung der Bescheide des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 03.11.2011 und 26.04.2012 zu verpflichten, ihn mit Ablauf des Monats Juli 2011 aufgrund der festgestellten Schwerbehinderung nach § 40 Abs. 1 S. 1. Nr. 2 LBG in den Ruhestand zu versetzen,
11 
hilfsweise das beklagte Land zu verpflichten, sein Verfahren auf Versetzung in den Ruhestand wiederaufzugreifen.
12 
Zur Begründung führt er ergänzend aus: Auf Grundlage seines Schreibens vom 20.05.2011, in dem er auf seinen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft hingewiesen und dementsprechend sinngemäß eine Versetzung in den Ruhestand ohne Abzüge im Hinblick auf seine Schwerbehinderung beantragt habe, hätte ihn das Regierungspräsidium - ausgehend von dessen Rechtsauffassung - darauf hinweisen müssen, dass aus diesem Rechtsgrund eine Versetzung mit Ablauf des Monats Juli 2011 noch nicht möglich sei und hätte dementsprechend auf eine Klarstellung seines bisherigen Antrags hinwirken müssen. In seinem Schreiben vom 20.05.2011 habe er insbesondere die Frage gestellt, wann die Feststellung des Grades seiner Behinderung bei der Dienstbehörde vorliegen müsse. Vor diesem Hintergrund hätte die Behörde ihm im Hinblick auf ihre Fürsorgepflicht die Rechtslage mitteilen und ihn entsprechend beraten müssen.
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Klage abzuweisen.
15 
Er trägt ergänzend vor: Eine solch umfassende Beratungspflicht - wie sie der Kläger behaupte - lasse sich aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht ableiten. Der Hinweis im Schreiben des Klägers auf das Anerkennungsverfahren als Schwerbehinderter stelle keine Abänderung seines ursprünglichen Antrags dar, weil die Anerkennung als Schwerbehinderter noch nicht erfolgt und diese auch im Hinblick auf das anhängige Widerspruchsverfahren ungewiss gewesen sei.
16 
Unerheblich sei auch der Umstand, dass die Zurruhesetzungsverfügung vom 09.05.2011 (mangels Rechtsbehelfsbelehrung) zum Zeitpunkt des Eingangs des klägerischen Schreibens vom 22.10.2011, mit dem er die Änderung des Rechtsgrundes der Zurruhesetzung beantragt habe, noch nicht bestandskräftig gewesen sei. Auf Grundlage von § 45 Abs. 1 S. 2 LBG komme es nicht auf die Bestandskraft der Zurruhesetzungsverfügung an, sondern lediglich auf deren Wirksamkeit. Die Verfügung sei dem Kläger aber am 27.07.2011 ausgehändigt worden und ihrem Inhalt nach sei sie mit Ablauf des Juli 2011, also spätestens am 01.08.2011, wirksam geworden. Von diesem Zeitpunkt an habe sie seitens des beklagten Landes wegen der eindeutigen Formulierung in § 45 Abs. 1 S. 2 LBG nicht mehr zurückgenommen, widerrufen oder inhaltlich abgeändert werden können.
17 
Wie bereits ausgeführt, habe der Dienstherr auch nicht die Verpflichtung gehabt, dem Kläger anzuraten, einen neuen Antrag auf Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG unter Zurücknahme seines alten Antrags zu stellen. Zum Zeitpunkt des Eingangs des klägerischen Schreibens vom 20.05.2011 sei überhaupt nicht ersichtlich gewesen, dass die Schwerbehinderteneigenschaft beim Kläger anerkannt werde. Dem Kläger hätte man auf sein Schreiben allenfalls mitteilen können, dass die Schwerbehinderteneigenschaft vor dem Ablauf des 31.07.2011 wirksam anerkannt sein müsse. Einen anderen Zurruhesetzungsantrag als ihn der Kläger gestellt habe, habe ihm jedoch zum Zeitpunkt seines Schreibens am 20.05.2011 nicht angeraten werden können. Hätte der Dienstherr ihm eine Abänderung seines Antrags angeraten und wäre ihm seine Anerkennung später nicht erteilt worden, hätte er wegen falscher Beratung die Wiederherstellung seines ersten Zurruhesetzungsantrags nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBG im Wege des Schadensersatzes eingeklagt, so dass er durch die Ausdehnung der Grenzen der Fürsorgepflicht immer zu dem ihm günstigsten Ergebnis komme. Der Dienstherr könne aber in Fällen solch komplizierter Rechtsfragen und ungewisser Entscheidungen über anhängige Widerspruchsverfahren den notwendigen Gang zum Rechtsanwalt und dessen umfassende Beratungstätigkeit nicht ersetzen.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die vom beklagten Land vorgelegte Akte, die Gegenstand der Entscheidung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 87 a Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die Klage ist zulässig. Soweit sie auf Aufhebung bzw. Änderung der Zurruhesetzungsverfügung vom 09.05.2011 gerichtet ist, fehlt es nicht an der erforderlichen Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) oder am Rechtsschutzbedürfnis. Zwar kann eine Versetzung in den Ruhestand, die entsprechend einem Zurruhesetzungsantrag des Beamten erfolgt ist, nicht nachträglich durch Rücknahme des Antrags oder Rücknahme der Zustimmung die Rechtsgrundlage entzogen werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.09.1996 - 2 B 98.96 - ZBR 1997, 20). Im vorliegenden Fall streiten die Beteiligten jedoch gerade um die Frage, ob die erfolgte Zurruhesetzung dem Antrag des Klägers entsprochen hat, so dass eine Rechtsverletzung möglich erscheint (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.09.2013 - 4 S 1042/12 - juris).
21 
Die Klage ist auch zum ganz überwiegenden Teil begründet. Der Kläger hat Anspruch darauf, ab Februar 2012 statt wegen Erreichens der vorgezogenen Altersgrenze nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBG wegen Schwerbehinderung nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG in den Ruhestand versetzt zu werden. Insoweit sind die Versetzungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.05.2011 und die Bescheide des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 03.11.2011 und 26.04.2012 rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Soweit der Kläger darüber hinaus auch für den Zeitraum von August 2011 bis einschließlich Januar 2012 die Versetzung in den Ruhestand wegen Schwerbehinderung begehrt, hat die Klage hingegen keinen Erfolg.
22 
Nach § 40 LBG können Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit auf Antrag in den Ruhestand versetzt werden. Dabei haben sie nach Vollendung des 63. Lebensjahres die Wahl, ob sie die Versetzung in den Ruhestand auf ihr Alter (§ 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBG) oder auf ihre (etwaige) Schwerbehinderung (§ 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG) stützen. Die Verfügung über die Versetzung in den Ruhestand ist der Beamtin oder dem Beamten bekannt zu geben; sie kann bis zum Beginn des Ruhestands zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 S. 2 HS. 1 und 2 LBG).
23 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur vergleichbaren Rechtslage nach dem Deutschen Richtergesetz und nach dem Bundesbeamtengesetz (BVerwG, Urt. v. 25.10.2007 - 2 C 22.06 - NVwZ-RR 2008, 193) kann weder die Versetzung in den Ruhestand noch der Grund, auf dem sie beruht, nach dem Beginn des Ruhestands durch Widerruf, Rücknahme oder Wiederaufgreifen des Verfahrens nachträglich geändert werden. Dies scheitert an § 47 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BBG in der damaligen Fassung. Diese Vorschrift entspricht der dargestellten Regelung in § 45 Abs. 1 S. 2 2. HS LBG. Die Bestimmung dient zum einen dem Vertrauensschutz des in den Ruhestand versetzten Beamten, zum anderen im allgemeinen Interesse der Rechtsbeständigkeit der Statusentscheidung und der Rechtsklarheit. Damit erweist sie sich als das Gegenstück der Ämterstabilität, die aus ähnlichen Gründen den Widerruf und die Rücknahme der Ernennung von den allgemeinen Vorschriften ausnimmt und an spezielle, im Beamtengesetz selbst geregelte Voraussetzungen knüpft. Deshalb kann eine bestandskräftige Versetzung in den Ruhestand nicht nach den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes widerrufen oder zurückgenommen werden. Zu diesen allgemeinen Vorschriften zählen nicht nur die in den §§ 48 und 49 VwVfG geregelten Tatbestände, sondern ebenso die in § 51 VwVfG geregelte Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens (vgl. dazu auch OVG Hamburg, Beschl. v. 18.09.2012 - 1 Bf 96/11.Z - NVwZ-RR 2013).
24 
Auf Grundlage der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nimmt der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 10.09.2013 (4 S 1042/12, aaO) weiter an, dass in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen die verfügte Zurruhesetzung die Rechtsgrundlage der Zurruhesetzungsverfügung (wegen Vollendung des 63. Lebensjahres oder wegen Schwerbehinderteneigenschaft) nicht mehr geändert werden kann, wenn die Zurruhesetzung dem Antrag des Beamten entspricht und dementsprechend rechtmäßig war. Die statusverändernde Wirkung einer Zurruhesetzung steht nach Eintritt in den Ruhestand danach einer nachträglichen Änderung des Zurruhesetzungsgrundes entgegen, wenn nicht der Beamte zuvor eine anderweitige Zurruhesetzung beantragt hat und sich die angefochtene Versetzung in den Ruhestand deshalb als rechtswidrig erweist.
25 
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen steht die Wirkung der mit Ablauf des Juli 2011 erfolgten Zurruhesetzung des Klägers einer nachträglichen Änderung des Zurruhesetzungsgrundes (statt wegen Erreichens der vorgezogenen Antragsaltersgrenze wegen festgestellter Schwerbehinderung) im vorliegenden Fall nicht entgegen, da die Zurruhesetzung nicht dem Antrag des Klägers entsprach und sich deshalb die angefochtene Versetzung in den Ruhestand als rechtswidrig erweist (1.). Auf Grundlage der dem Kläger im Oktober 2011 bestandskräftig zuerkannten Schwerbehinderteneigenschaft kann er daraus folgend beanspruchen, nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG mit Ablauf des Januar 2012 als Schwerbehinderter (ohne Versorgungsabschlag) in den Ruhestand versetzt zu werden (2.). Für den Zeitraum von August 2011 bis einschließlich Januar 2012 kommt aber eine Versetzung in den Ruhestand als Schwerbehinderter nicht in Betracht, da die zuständige Behörde die Schwerbehinderung erst nach dem ersten möglichen Termin für einen vorzeitigen Ruhestand (zum 01.08.2011) im Oktober 2011 festgestellt hat; der Umstand, dass die zuständige Behörde die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend ab dem 04.03.2011 zuerkannt hat, rechtfertigt keine abweichende Einschätzung (3.).
1.
26 
Zu Unrecht hat der Beklagte angenommen, der Kläger habe die Zurruhesetzung auf sein Alter und damit auf § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBG gestützt.
27 
a) Im Rahmen der Auslegung des klägerischen Antrags auf Versetzung in den Ruhestand sind sowohl sein Antragsschreiben vom 17.10.2010 als auch sein ergänzendes Schreiben vom 20.05.2011, in dem er auf das laufende Verfahren auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft hingewiesen hat, in den Blick zu nehmen. Der Inhalt der Erklärungen des Klägers ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen allgemein geltenden Grundsätzen zu ermitteln. Entsprechend anwendbar sind die §§ 133, 157 BGB. Dabei kommt es nicht darauf an, was der Kläger mit seiner Erklärung gewollt hat oder wie ein außenstehender Dritter den materiellen Gehalt seiner Schreiben verstehen würde. Die Schreiben sind vielmehr - wie allgemein im Rechtsverkehr bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen - bei entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers auszulegen. Entscheidend ist damit wie der Inhaltsadressat selbst (hier das Regierungspräsidium Karlsruhe) nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärungen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (allgemeine Auffassung der Bundesgerichte, vgl. etwa BVerwG., Urt. v. 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104,301; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.04.2010 - 2 S 2312/09 - juris). Im Rahmen der Auslegung ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Zu würdigen ist der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich der Gesamtumstände.
28 
b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze können die Erklärungen des Klägers - bei der vorzunehmenden Gesamtschau - nur so verstanden werden, dass er - erstens - mit Ablauf des Juli 2011 aus dem aktiven Dienst ausscheiden bzw. in den Ruhestand treten wollte und dass - zweitens - die Zurruhesetzung zur Vermeidung eines Versorgungsabschlags auf die von ihm behauptete Schwerbehinderung und damit auf § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG gestützt werden sollte.
29 
Der ursprüngliche Antrag des Klägers vom 17.10.2010 war zwar erkennbar im Hinblick auf die Vollendung des 63. Lebensjahres (am 03.04.2011) erfolgt und bezog sich damit noch auf den Versetzungsgrund des § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBG. Denn zu diesem Zeitpunkt lag unstreitig eine Schwerbehinderung des Klägers noch nicht vor, und der Antrag enthielt auch keine Hinweise auf eine etwaige Erkrankung, die für den Inhaltsadressaten und damit das Regierungspräsidium die Schlussfolgerung erlaubt hätte, dem Kläger könnte die Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt werden. Zum Zeitpunkt des Antragseingangs im Oktober 2010 kam danach nur die Vollendung des 63. Lebensjahres am 03.04.2011 als Grund für die Versetzung des Klägers in den Ruhestand in Betracht. Dementsprechend durfte die Behörde auch davon ausgehen, dass der Kläger dazu bereit war, bei seiner vorzeitigen Zurruhesetzung den gesetzlich vorgesehenen Versorgungsabschlag in Kauf zu nehmen. Auf Grundlage des maßgeblichen Schreibens vom 20.05.2011 war für den Dienstherr jedoch ausreichend erkennbar, dass der Kläger den Grund für den Ruhestand „auswechseln“ wollte (wegen Schwerbehinderung statt Erreichens der Antragsaltersgrenze) und er damit an seinem ursprünglichen Begehren nicht mehr festhielt. Das Schreiben enthielt nicht nur den Hinweis auf den erlittenen Schlaganfall und eine Herzschrittmacheroperation, sondern auch auf ein laufendes Verfahren auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bei der dafür zuständigen Behörde. In seinem Schreiben hat der Kläger zudem ausdrücklich angefragt, wann seinem Dienstherrn die Feststellung des Grades seiner Behinderung vorliegen müsse. Damit hat der Kläger nicht nur eine - im Vergleich zur Antragstellung im Oktober 2010 - grundlegend veränderte Lebenssituation mitgeteilt, sondern auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er seinen Zurruhesetzungsantrag auf den für ihn vorteilhafteren Grund - sprich die Schwerbehinderung - gründet. Dem Schreiben vom 20.05.2011 lässt sich gleichzeitig entnehmen, dass der Kläger am bereits ursprünglich zum Ausdruck gebrachten Ruhestandsbeginn mit Ablauf des Juli 2011 festzuhalten beabsichtigte.
30 
c) Darüber hinaus kann den Erklärungen des Klägers - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht entnommen werden, ob für ihn im Rahmen der begehrten Zurruhesetzung der Zeitpunkt (mit Ablauf des Juli 2011) oder die Frage des Zurruhesetzungsgrundes, d. h. eine Zurruhesetzung mit oder ohne Versorgungsabschlag, vorrangig ist, falls die zuständige Behörde über den Antrag auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bis zum angestrebten Ruhestandsbeginn noch nicht entschieden hat und deshalb eine Zurruhesetzung gestützt auf § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG nicht in Frage gekommen wäre. Ausgehend von seinem ursprünglichen Antrag vom Oktober 2010 kann zwar ohne Weiteres angenommen werden, der Kläger sei bereit gewesen, mit Erreichen der Antragsaltersgrenze auch unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags in den Ruhestand zu gehen. Dieser Umstand lässt aber keinen hinreichend sicheren Schluss darauf zu, dass der Kläger auch noch im Zeitpunkt seines Schreibens vom Mai 2011 (nach seiner schweren Erkrankung) bereit gewesen ist, den nicht unerheblichen Versorgungsabschlag von knapp 120 EUR monatlich in Kauf zu nehmen. Dabei sind insbesondere die zu diesem Zeitpunkt grundlegend veränderte Lebenssituation des Klägers in Form der schweren Erkrankung und die sich daraus ergebenden Behinderungen in die Beurteilung einzustellen. Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Schwerbehinderung höhere Ausgaben bzw. Kosten auf die betreffende Person zukommen und sich deshalb die Frage, welches Versorgungsniveau der betreffende Beamte für auskömmlich betrachtet, grundlegend neu stellt.
31 
Da danach im Rahmen der Auslegung des klägerischen Begehrens eine Rangfolge bezüglich der Kriterien „Ruhestandsbeginn“ einerseits und „Zurruhesetzungsgrund“ andererseits nicht zu ermitteln ist und folglich beide Kriterien vom Kläger gleichermaßen und gleichrangig zum Gegenstand seines Antrags gemacht wurden, können seine Erklärungen auch nicht so verstanden werden, dass er zu dem von ihm begehrten Zeitpunkt mit Ablauf des Juli 2011 auf jeden Fall in den Ruhestand treten wollte, allerdings zur Vermeidung eines Versorgungsabschlags möglichst gestützt auf seine Schwerbehinderteneigenschaft und nur für den Fall einer fehlenden Schwerbehinderung auf Grundlage der allgemeinen Regelung über die Vollendung des 63.Lebensjahres. Eine derartige Verbindung mehrerer Zurruhesetzungsgründe als Haupt- und Hilfsantrag ist zwar rechtlich möglich; ein entsprechender Hilfsantrag bzw. eine entsprechende Rangfolge im Rahmen des klägerischen Begehrens kann den maßgeblichen Äußerungen des Klägers jedoch - wie erläutert - mangels valider Anhaltspunkte nicht entnommen werden.
32 
Die vom Beklagten sinngemäß vorgenommene Auslegung des klägerischen Begehrens, dass er hilfsweise (für den Fall, dass eine Zurruhesetzung mit Ablauf des Juli 2011 wegen Schwerbehinderung rechtlich nicht möglich ist) wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze auf jeden Fall in den Ruhestand treten wolle, kann auch nicht mit dem Grundsatz einer interessengerechten Auslegung begründet werden. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung; danach ist im Zweifel gewollt, was vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. etwa BGH, Urt. v. 12.07.2001 - IX ZR 358/00 - NJW 2001, 3327). Der Grundsatz der interessengerechten Auslegung beinhaltet danach auch, dass etwa bei zwei möglichen Auslegungsvarianten diejenige gewählt wird, die rechtlich möglich ist und damit der auszulegenden Willenserklärung eine Bedeutung innerhalb des rechtlich vorgegebenen Rahmens beimisst.
33 
Nach diesem Maßstab kann nicht angenommen werden, dass ein Hilfsantrag - wie beschrieben - der wohlverstandenen Interessenlage des Klägers entsprochen hätte. Richtig ist zwar, dass dem - vom Kläger auf den Zurruhesetzungsgrund der Schwerbehinderung nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG gestützten - Antrag auf Zurruhesetzung mit Ablauf des Juli 2011 nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 30.04.2014 - 2 C 65.11 - NVwZ-RR 2014, 653) nicht hätte entsprochen werden können, weil das Verfahren auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war. Eine Versetzung in den Ruhestand als Schwerbehinderter nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG darf nur vorgenommen werden, wenn die für die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft zuständige Behörde im Zeitpunkt des vom Beamten beantragten Ruhestandsbeginns bereits einen entsprechenden Feststellungsbescheid erlassen hat. Mit dem genannten Urteil vom 30.04.2014 (aaO) hat das Bundesverwaltungsgericht die anders lautende Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz vom 22.09.2011 (2 A 10665/11 - DÖD 2012, 18) aufgehoben, wonach der Umstand, dass die Anerkennung der Schwerbehinderung erst nach Ruhestandsbeginn ausgesprochen werde, einer rückwirkenden Änderung des Zurruhesetzungsgrundes nicht entgegenstehe, wenn der Zurruhesetzungsbescheid noch nicht bestandskräftig geworden sei.
34 
Dass das Begehren des Klägers auf Grundlage der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (anders als bei der Auslegung des OVG Rheinland-Pfalz) „rechtlich unmöglich“ war, rechtfertigt aber unter den hier gegebenen Umständen nicht die Annahme eines (rechtlich möglichen) Hilfsantrags auf Zurruhesetzung unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags. Denn bei sachgerechter Bearbeitung des klägerischen Antrags auf Zurruhesetzung hätte ihn das Regierungspräsidium darauf hinweisen müssen, dass die Möglichkeit der Zurruhesetzung mit Ablauf des Monats 2011 nur dann besteht, wenn vorher von der zuständigen Behörde die Schwerbehinderung festgestellt wird. Auf Grundlage dieser Information hätte der Kläger die Wahl gehabt, entweder „pünktlich“ wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze zum 01.08.2011 in den Ruhestand zu treten oder aber zunächst im aktiven Dienst zu bleiben und erst später nach erfolgter Feststellung der Schwerbehinderung wegen der Schwerbehinderung - oder im Fall, dass der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung erfolglos bleibt - wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze in den Ruhestand zu treten. Da für den Kläger danach zwei rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, bleibt kein Raum für eine Auslegung des klägerischen Begehrens entgegen seinem ausdrücklich geäußerten Willen. Es kann - mit anderen Worten - gerade nicht davon ausgegangen werden, dass allein eine Zurruhesetzung mit Ablauf des Juli 2011 wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze und damit unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags dem wohlverstandenen Interesse des Klägers entsprochen hat.
35 
d) Die streitgegenständliche Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze stellt sich danach auf Grundlage der dargestellten Auslegung als rechtswidrig dar. Der Antrag bestimmt den Rechtsgrund, aus dem der Beamte vorzeitig in den Ruhestand treten möchte, und legt damit zugleich - für die Statusbehörde bindend - den Gegenstand der Statusentscheidung fest (BVerwG, Urt. v. 25.10.2007, aaO). Die maßgebliche Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe über die Versetzung des Klägers in den Ruhestand vom 09.05.2011 enthielt auch keine Rechtsmittelbelehrung, so dass sie entsprechend § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres vom Kläger anfechtbar war; danach hat der von ihm sinngemäß am 24.10.2011 erhobene Widerspruch den Eintritt der Bestandskraft der Versetzungsverfügung verhindert.
36 
Unerheblich ist der Umstand, dass die Versetzungsverfügung dem Kläger am 27.07.2011 ausgehändigt und damit wirksam wurde. Die Versetzung in den Ruhestand ist zwar - wie die Ernennung des Beamten - ein statusverändernder Verwaltungsakt. Sie ist nach dem Ruhestandsbeginn deshalb grundsätzlich nicht mehr korrigierbar (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 30.04.2014, aaO). Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Zurruhesetzung dem Antrag des Beamten entsprach und dementsprechend rechtmäßig war oder wenn eine etwaig rechtswidrige Versetzung bestandskräftig geworden ist. Das allgemeine Interesse der Rechtsbeständigkeit der Zurruhesetzung und der Rechtsklarheit tritt aber dann zurück, wenn der betroffene Beamte - wie hier - eine rechtswidrige Versetzungsverfügung rechtzeitig angefochten hat, da ansonsten die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG „leerlaufen“ würde.
2.
37 
Ausgehend von seinem Klageantrag kann der Kläger deshalb beanspruchen, im Hinblick auf die ihm zuerkannte Eigenschaft als Schwerbehinderter (ohne Versorgungsabschlag) mit Ablauf des Januar 2012 nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG in den Ruhestand versetzt zu werden. Nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 30.04.2014, aaO) darf eine Versetzung in den Ruhestand als Schwerbehinderter erst dann vorgenommen werden, wenn die für das Zuerkennungsverfahren zuständige Behörde im Zeitpunkt des vom Beamten beantragten Ruhestandsbeginns einen entsprechenden positiven Feststellungsbescheid erlassen hat. Da dem Kläger mit bestandskräftigem Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 13.10.2011 ein Grad der Behinderung von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt wurde, konnte der Kläger eine darauf beruhende Versetzung in den Ruhestand erst mit Ablauf des Januar 2012 beanspruchen. Anders als bei nicht Schwerbehinderten ist bei Lehrern, denen die Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt worden ist, die Zurruhesetzung jeweils zum 01.02. und nicht nur zum 01.08. eines Jahres möglich. (vgl. Erlass des KM vom 21. Mai 2001; Az.: 14-0311.41/279).
3.
38 
Für den Zeitraum von August 2011 bis einschließlich Januar 2012 kommt eine Versetzung des Klägers in den Ruhestand als Schwerbehinderter und damit eine entsprechende Abänderung der Zurruhesetzungsverfügung nicht in Betracht. Im August fehlte noch die Feststellung einer Schwerbehinderung durch die zuständige Behörde.
39 
Unerheblich ist auch der Umstand, dass die Schwerbehinderteneigenschaft dem Kläger rückwirkend ab dem 04.03.2011 zuerkannt wurde und damit materiell-rechtlich die Voraussetzungen für eine Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung mit Ablauf des Juli 2011vorgelegen haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 30.04.2014, aaO) muss der Grund für die Zurruhesetzung bei Erlass der Zurruhesetzungsverfügung feststehen; er darf nicht offen oder in der Schwebe bleiben. Deshalb ist die Versetzung in den Ruhestand nach dem Ruhestandsbeginn grundsätzlich nicht mehr korrigierbar und dies erfasst auch den Grund für die Zurruhesetzung. Für diese Sicht spricht entscheidend der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Denn die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließt gleichermaßen Änderungen zugunsten wie zu Lasten des Beamten aus. Würde man nach Beginn des Ruhestands einen Schwebezustand zulassen und damit den Ausgang eines anhängigen Verfahrens auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft für den Ausspruch über den Grund der Zurruhesetzung (wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze oder wegen Schwerbehinderung) „abwarten“, wäre auch eine Änderung zu Lasten des Beamten etwa bei nachträglichem Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft möglich (z. B. bei einer Krebserkrankung nach Entfallen des Rezidivrisikos).
40 
Die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt dazu, dass der Dienstherr dem Zurruhesetzungsantrag des Klägers - wie er sich bei einer Gesamtschau der Erklärungen von Oktober 2010 und 20.05.2011 ergibt - nicht hätte entsprechen dürfen. Daraus folgt aber auch für die hier zu beurteilende Fallkonstellation, dass dem Kläger nach Aufhebung der rechtswidrigen Zurruhesetzungsverfügung ebenfalls kein entsprechender Anspruch zusteht. Der Kläger kann nicht bessergestellt werden als dies bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten der Behörde der Fall gewesen wäre. In diesem Fall - auch dies wurde dargelegt - hätte der Kläger allein die Wahl gehabt, mit Ablauf des Juli 2011 wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze in den Ruhestand zu treten oder aber zunächst im aktiven Dienst zu bleiben und erst nach erfolgter Feststellung der Schwerbehinderung wegen der Schwerbehinderung mit Ablauf des Januar 2012 in den Ruhestand zu treten.
41 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Dies ist hier der Fall. Wirtschaftlich betrachtet streiten die Beteiligten um den Differenzbetrag von monatlich 116,26 EUR zwischen innegehabtem und erstrebtem Teilstatus. Auf Grundlage des Urteilsausspruchs ist der Kläger insoweit für einen Zeitraum von sechs Monaten unterlegen und hat beginnend ab dem 01.02.2012 bis zu seinem Lebensende obsiegt. Das Unterliegen des Klägers für einen Zeitraum von sechs Monaten stellt sich danach unter Berücksichtigen der durchschnittlichen statistischen Lebensdauer als geringfügig dar.
42 
Beschluss
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 2.790,24 festgesetzt (zweifacher Jahresbetrag der Differenz zwischen dem innegehabtem und erstrebtem Teilstatus, allgemeine Meinung, vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10.09.2013, aaO).
44 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
19 
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 87 a Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die Klage ist zulässig. Soweit sie auf Aufhebung bzw. Änderung der Zurruhesetzungsverfügung vom 09.05.2011 gerichtet ist, fehlt es nicht an der erforderlichen Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) oder am Rechtsschutzbedürfnis. Zwar kann eine Versetzung in den Ruhestand, die entsprechend einem Zurruhesetzungsantrag des Beamten erfolgt ist, nicht nachträglich durch Rücknahme des Antrags oder Rücknahme der Zustimmung die Rechtsgrundlage entzogen werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.09.1996 - 2 B 98.96 - ZBR 1997, 20). Im vorliegenden Fall streiten die Beteiligten jedoch gerade um die Frage, ob die erfolgte Zurruhesetzung dem Antrag des Klägers entsprochen hat, so dass eine Rechtsverletzung möglich erscheint (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.09.2013 - 4 S 1042/12 - juris).
21 
Die Klage ist auch zum ganz überwiegenden Teil begründet. Der Kläger hat Anspruch darauf, ab Februar 2012 statt wegen Erreichens der vorgezogenen Altersgrenze nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBG wegen Schwerbehinderung nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG in den Ruhestand versetzt zu werden. Insoweit sind die Versetzungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.05.2011 und die Bescheide des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 03.11.2011 und 26.04.2012 rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Soweit der Kläger darüber hinaus auch für den Zeitraum von August 2011 bis einschließlich Januar 2012 die Versetzung in den Ruhestand wegen Schwerbehinderung begehrt, hat die Klage hingegen keinen Erfolg.
22 
Nach § 40 LBG können Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit auf Antrag in den Ruhestand versetzt werden. Dabei haben sie nach Vollendung des 63. Lebensjahres die Wahl, ob sie die Versetzung in den Ruhestand auf ihr Alter (§ 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBG) oder auf ihre (etwaige) Schwerbehinderung (§ 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG) stützen. Die Verfügung über die Versetzung in den Ruhestand ist der Beamtin oder dem Beamten bekannt zu geben; sie kann bis zum Beginn des Ruhestands zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 S. 2 HS. 1 und 2 LBG).
23 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur vergleichbaren Rechtslage nach dem Deutschen Richtergesetz und nach dem Bundesbeamtengesetz (BVerwG, Urt. v. 25.10.2007 - 2 C 22.06 - NVwZ-RR 2008, 193) kann weder die Versetzung in den Ruhestand noch der Grund, auf dem sie beruht, nach dem Beginn des Ruhestands durch Widerruf, Rücknahme oder Wiederaufgreifen des Verfahrens nachträglich geändert werden. Dies scheitert an § 47 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BBG in der damaligen Fassung. Diese Vorschrift entspricht der dargestellten Regelung in § 45 Abs. 1 S. 2 2. HS LBG. Die Bestimmung dient zum einen dem Vertrauensschutz des in den Ruhestand versetzten Beamten, zum anderen im allgemeinen Interesse der Rechtsbeständigkeit der Statusentscheidung und der Rechtsklarheit. Damit erweist sie sich als das Gegenstück der Ämterstabilität, die aus ähnlichen Gründen den Widerruf und die Rücknahme der Ernennung von den allgemeinen Vorschriften ausnimmt und an spezielle, im Beamtengesetz selbst geregelte Voraussetzungen knüpft. Deshalb kann eine bestandskräftige Versetzung in den Ruhestand nicht nach den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes widerrufen oder zurückgenommen werden. Zu diesen allgemeinen Vorschriften zählen nicht nur die in den §§ 48 und 49 VwVfG geregelten Tatbestände, sondern ebenso die in § 51 VwVfG geregelte Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens (vgl. dazu auch OVG Hamburg, Beschl. v. 18.09.2012 - 1 Bf 96/11.Z - NVwZ-RR 2013).
24 
Auf Grundlage der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nimmt der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 10.09.2013 (4 S 1042/12, aaO) weiter an, dass in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen die verfügte Zurruhesetzung die Rechtsgrundlage der Zurruhesetzungsverfügung (wegen Vollendung des 63. Lebensjahres oder wegen Schwerbehinderteneigenschaft) nicht mehr geändert werden kann, wenn die Zurruhesetzung dem Antrag des Beamten entspricht und dementsprechend rechtmäßig war. Die statusverändernde Wirkung einer Zurruhesetzung steht nach Eintritt in den Ruhestand danach einer nachträglichen Änderung des Zurruhesetzungsgrundes entgegen, wenn nicht der Beamte zuvor eine anderweitige Zurruhesetzung beantragt hat und sich die angefochtene Versetzung in den Ruhestand deshalb als rechtswidrig erweist.
25 
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen steht die Wirkung der mit Ablauf des Juli 2011 erfolgten Zurruhesetzung des Klägers einer nachträglichen Änderung des Zurruhesetzungsgrundes (statt wegen Erreichens der vorgezogenen Antragsaltersgrenze wegen festgestellter Schwerbehinderung) im vorliegenden Fall nicht entgegen, da die Zurruhesetzung nicht dem Antrag des Klägers entsprach und sich deshalb die angefochtene Versetzung in den Ruhestand als rechtswidrig erweist (1.). Auf Grundlage der dem Kläger im Oktober 2011 bestandskräftig zuerkannten Schwerbehinderteneigenschaft kann er daraus folgend beanspruchen, nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG mit Ablauf des Januar 2012 als Schwerbehinderter (ohne Versorgungsabschlag) in den Ruhestand versetzt zu werden (2.). Für den Zeitraum von August 2011 bis einschließlich Januar 2012 kommt aber eine Versetzung in den Ruhestand als Schwerbehinderter nicht in Betracht, da die zuständige Behörde die Schwerbehinderung erst nach dem ersten möglichen Termin für einen vorzeitigen Ruhestand (zum 01.08.2011) im Oktober 2011 festgestellt hat; der Umstand, dass die zuständige Behörde die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend ab dem 04.03.2011 zuerkannt hat, rechtfertigt keine abweichende Einschätzung (3.).
1.
26 
Zu Unrecht hat der Beklagte angenommen, der Kläger habe die Zurruhesetzung auf sein Alter und damit auf § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBG gestützt.
27 
a) Im Rahmen der Auslegung des klägerischen Antrags auf Versetzung in den Ruhestand sind sowohl sein Antragsschreiben vom 17.10.2010 als auch sein ergänzendes Schreiben vom 20.05.2011, in dem er auf das laufende Verfahren auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft hingewiesen hat, in den Blick zu nehmen. Der Inhalt der Erklärungen des Klägers ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen allgemein geltenden Grundsätzen zu ermitteln. Entsprechend anwendbar sind die §§ 133, 157 BGB. Dabei kommt es nicht darauf an, was der Kläger mit seiner Erklärung gewollt hat oder wie ein außenstehender Dritter den materiellen Gehalt seiner Schreiben verstehen würde. Die Schreiben sind vielmehr - wie allgemein im Rechtsverkehr bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen - bei entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers auszulegen. Entscheidend ist damit wie der Inhaltsadressat selbst (hier das Regierungspräsidium Karlsruhe) nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärungen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (allgemeine Auffassung der Bundesgerichte, vgl. etwa BVerwG., Urt. v. 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104,301; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.04.2010 - 2 S 2312/09 - juris). Im Rahmen der Auslegung ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Zu würdigen ist der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich der Gesamtumstände.
28 
b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze können die Erklärungen des Klägers - bei der vorzunehmenden Gesamtschau - nur so verstanden werden, dass er - erstens - mit Ablauf des Juli 2011 aus dem aktiven Dienst ausscheiden bzw. in den Ruhestand treten wollte und dass - zweitens - die Zurruhesetzung zur Vermeidung eines Versorgungsabschlags auf die von ihm behauptete Schwerbehinderung und damit auf § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG gestützt werden sollte.
29 
Der ursprüngliche Antrag des Klägers vom 17.10.2010 war zwar erkennbar im Hinblick auf die Vollendung des 63. Lebensjahres (am 03.04.2011) erfolgt und bezog sich damit noch auf den Versetzungsgrund des § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBG. Denn zu diesem Zeitpunkt lag unstreitig eine Schwerbehinderung des Klägers noch nicht vor, und der Antrag enthielt auch keine Hinweise auf eine etwaige Erkrankung, die für den Inhaltsadressaten und damit das Regierungspräsidium die Schlussfolgerung erlaubt hätte, dem Kläger könnte die Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt werden. Zum Zeitpunkt des Antragseingangs im Oktober 2010 kam danach nur die Vollendung des 63. Lebensjahres am 03.04.2011 als Grund für die Versetzung des Klägers in den Ruhestand in Betracht. Dementsprechend durfte die Behörde auch davon ausgehen, dass der Kläger dazu bereit war, bei seiner vorzeitigen Zurruhesetzung den gesetzlich vorgesehenen Versorgungsabschlag in Kauf zu nehmen. Auf Grundlage des maßgeblichen Schreibens vom 20.05.2011 war für den Dienstherr jedoch ausreichend erkennbar, dass der Kläger den Grund für den Ruhestand „auswechseln“ wollte (wegen Schwerbehinderung statt Erreichens der Antragsaltersgrenze) und er damit an seinem ursprünglichen Begehren nicht mehr festhielt. Das Schreiben enthielt nicht nur den Hinweis auf den erlittenen Schlaganfall und eine Herzschrittmacheroperation, sondern auch auf ein laufendes Verfahren auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bei der dafür zuständigen Behörde. In seinem Schreiben hat der Kläger zudem ausdrücklich angefragt, wann seinem Dienstherrn die Feststellung des Grades seiner Behinderung vorliegen müsse. Damit hat der Kläger nicht nur eine - im Vergleich zur Antragstellung im Oktober 2010 - grundlegend veränderte Lebenssituation mitgeteilt, sondern auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er seinen Zurruhesetzungsantrag auf den für ihn vorteilhafteren Grund - sprich die Schwerbehinderung - gründet. Dem Schreiben vom 20.05.2011 lässt sich gleichzeitig entnehmen, dass der Kläger am bereits ursprünglich zum Ausdruck gebrachten Ruhestandsbeginn mit Ablauf des Juli 2011 festzuhalten beabsichtigte.
30 
c) Darüber hinaus kann den Erklärungen des Klägers - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht entnommen werden, ob für ihn im Rahmen der begehrten Zurruhesetzung der Zeitpunkt (mit Ablauf des Juli 2011) oder die Frage des Zurruhesetzungsgrundes, d. h. eine Zurruhesetzung mit oder ohne Versorgungsabschlag, vorrangig ist, falls die zuständige Behörde über den Antrag auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bis zum angestrebten Ruhestandsbeginn noch nicht entschieden hat und deshalb eine Zurruhesetzung gestützt auf § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG nicht in Frage gekommen wäre. Ausgehend von seinem ursprünglichen Antrag vom Oktober 2010 kann zwar ohne Weiteres angenommen werden, der Kläger sei bereit gewesen, mit Erreichen der Antragsaltersgrenze auch unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags in den Ruhestand zu gehen. Dieser Umstand lässt aber keinen hinreichend sicheren Schluss darauf zu, dass der Kläger auch noch im Zeitpunkt seines Schreibens vom Mai 2011 (nach seiner schweren Erkrankung) bereit gewesen ist, den nicht unerheblichen Versorgungsabschlag von knapp 120 EUR monatlich in Kauf zu nehmen. Dabei sind insbesondere die zu diesem Zeitpunkt grundlegend veränderte Lebenssituation des Klägers in Form der schweren Erkrankung und die sich daraus ergebenden Behinderungen in die Beurteilung einzustellen. Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Schwerbehinderung höhere Ausgaben bzw. Kosten auf die betreffende Person zukommen und sich deshalb die Frage, welches Versorgungsniveau der betreffende Beamte für auskömmlich betrachtet, grundlegend neu stellt.
31 
Da danach im Rahmen der Auslegung des klägerischen Begehrens eine Rangfolge bezüglich der Kriterien „Ruhestandsbeginn“ einerseits und „Zurruhesetzungsgrund“ andererseits nicht zu ermitteln ist und folglich beide Kriterien vom Kläger gleichermaßen und gleichrangig zum Gegenstand seines Antrags gemacht wurden, können seine Erklärungen auch nicht so verstanden werden, dass er zu dem von ihm begehrten Zeitpunkt mit Ablauf des Juli 2011 auf jeden Fall in den Ruhestand treten wollte, allerdings zur Vermeidung eines Versorgungsabschlags möglichst gestützt auf seine Schwerbehinderteneigenschaft und nur für den Fall einer fehlenden Schwerbehinderung auf Grundlage der allgemeinen Regelung über die Vollendung des 63.Lebensjahres. Eine derartige Verbindung mehrerer Zurruhesetzungsgründe als Haupt- und Hilfsantrag ist zwar rechtlich möglich; ein entsprechender Hilfsantrag bzw. eine entsprechende Rangfolge im Rahmen des klägerischen Begehrens kann den maßgeblichen Äußerungen des Klägers jedoch - wie erläutert - mangels valider Anhaltspunkte nicht entnommen werden.
32 
Die vom Beklagten sinngemäß vorgenommene Auslegung des klägerischen Begehrens, dass er hilfsweise (für den Fall, dass eine Zurruhesetzung mit Ablauf des Juli 2011 wegen Schwerbehinderung rechtlich nicht möglich ist) wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze auf jeden Fall in den Ruhestand treten wolle, kann auch nicht mit dem Grundsatz einer interessengerechten Auslegung begründet werden. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung; danach ist im Zweifel gewollt, was vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. etwa BGH, Urt. v. 12.07.2001 - IX ZR 358/00 - NJW 2001, 3327). Der Grundsatz der interessengerechten Auslegung beinhaltet danach auch, dass etwa bei zwei möglichen Auslegungsvarianten diejenige gewählt wird, die rechtlich möglich ist und damit der auszulegenden Willenserklärung eine Bedeutung innerhalb des rechtlich vorgegebenen Rahmens beimisst.
33 
Nach diesem Maßstab kann nicht angenommen werden, dass ein Hilfsantrag - wie beschrieben - der wohlverstandenen Interessenlage des Klägers entsprochen hätte. Richtig ist zwar, dass dem - vom Kläger auf den Zurruhesetzungsgrund der Schwerbehinderung nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG gestützten - Antrag auf Zurruhesetzung mit Ablauf des Juli 2011 nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 30.04.2014 - 2 C 65.11 - NVwZ-RR 2014, 653) nicht hätte entsprochen werden können, weil das Verfahren auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war. Eine Versetzung in den Ruhestand als Schwerbehinderter nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG darf nur vorgenommen werden, wenn die für die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft zuständige Behörde im Zeitpunkt des vom Beamten beantragten Ruhestandsbeginns bereits einen entsprechenden Feststellungsbescheid erlassen hat. Mit dem genannten Urteil vom 30.04.2014 (aaO) hat das Bundesverwaltungsgericht die anders lautende Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz vom 22.09.2011 (2 A 10665/11 - DÖD 2012, 18) aufgehoben, wonach der Umstand, dass die Anerkennung der Schwerbehinderung erst nach Ruhestandsbeginn ausgesprochen werde, einer rückwirkenden Änderung des Zurruhesetzungsgrundes nicht entgegenstehe, wenn der Zurruhesetzungsbescheid noch nicht bestandskräftig geworden sei.
34 
Dass das Begehren des Klägers auf Grundlage der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (anders als bei der Auslegung des OVG Rheinland-Pfalz) „rechtlich unmöglich“ war, rechtfertigt aber unter den hier gegebenen Umständen nicht die Annahme eines (rechtlich möglichen) Hilfsantrags auf Zurruhesetzung unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags. Denn bei sachgerechter Bearbeitung des klägerischen Antrags auf Zurruhesetzung hätte ihn das Regierungspräsidium darauf hinweisen müssen, dass die Möglichkeit der Zurruhesetzung mit Ablauf des Monats 2011 nur dann besteht, wenn vorher von der zuständigen Behörde die Schwerbehinderung festgestellt wird. Auf Grundlage dieser Information hätte der Kläger die Wahl gehabt, entweder „pünktlich“ wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze zum 01.08.2011 in den Ruhestand zu treten oder aber zunächst im aktiven Dienst zu bleiben und erst später nach erfolgter Feststellung der Schwerbehinderung wegen der Schwerbehinderung - oder im Fall, dass der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung erfolglos bleibt - wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze in den Ruhestand zu treten. Da für den Kläger danach zwei rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, bleibt kein Raum für eine Auslegung des klägerischen Begehrens entgegen seinem ausdrücklich geäußerten Willen. Es kann - mit anderen Worten - gerade nicht davon ausgegangen werden, dass allein eine Zurruhesetzung mit Ablauf des Juli 2011 wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze und damit unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags dem wohlverstandenen Interesse des Klägers entsprochen hat.
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d) Die streitgegenständliche Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze stellt sich danach auf Grundlage der dargestellten Auslegung als rechtswidrig dar. Der Antrag bestimmt den Rechtsgrund, aus dem der Beamte vorzeitig in den Ruhestand treten möchte, und legt damit zugleich - für die Statusbehörde bindend - den Gegenstand der Statusentscheidung fest (BVerwG, Urt. v. 25.10.2007, aaO). Die maßgebliche Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe über die Versetzung des Klägers in den Ruhestand vom 09.05.2011 enthielt auch keine Rechtsmittelbelehrung, so dass sie entsprechend § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres vom Kläger anfechtbar war; danach hat der von ihm sinngemäß am 24.10.2011 erhobene Widerspruch den Eintritt der Bestandskraft der Versetzungsverfügung verhindert.
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Unerheblich ist der Umstand, dass die Versetzungsverfügung dem Kläger am 27.07.2011 ausgehändigt und damit wirksam wurde. Die Versetzung in den Ruhestand ist zwar - wie die Ernennung des Beamten - ein statusverändernder Verwaltungsakt. Sie ist nach dem Ruhestandsbeginn deshalb grundsätzlich nicht mehr korrigierbar (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 30.04.2014, aaO). Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Zurruhesetzung dem Antrag des Beamten entsprach und dementsprechend rechtmäßig war oder wenn eine etwaig rechtswidrige Versetzung bestandskräftig geworden ist. Das allgemeine Interesse der Rechtsbeständigkeit der Zurruhesetzung und der Rechtsklarheit tritt aber dann zurück, wenn der betroffene Beamte - wie hier - eine rechtswidrige Versetzungsverfügung rechtzeitig angefochten hat, da ansonsten die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG „leerlaufen“ würde.
2.
37 
Ausgehend von seinem Klageantrag kann der Kläger deshalb beanspruchen, im Hinblick auf die ihm zuerkannte Eigenschaft als Schwerbehinderter (ohne Versorgungsabschlag) mit Ablauf des Januar 2012 nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LBG in den Ruhestand versetzt zu werden. Nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 30.04.2014, aaO) darf eine Versetzung in den Ruhestand als Schwerbehinderter erst dann vorgenommen werden, wenn die für das Zuerkennungsverfahren zuständige Behörde im Zeitpunkt des vom Beamten beantragten Ruhestandsbeginns einen entsprechenden positiven Feststellungsbescheid erlassen hat. Da dem Kläger mit bestandskräftigem Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 13.10.2011 ein Grad der Behinderung von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt wurde, konnte der Kläger eine darauf beruhende Versetzung in den Ruhestand erst mit Ablauf des Januar 2012 beanspruchen. Anders als bei nicht Schwerbehinderten ist bei Lehrern, denen die Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt worden ist, die Zurruhesetzung jeweils zum 01.02. und nicht nur zum 01.08. eines Jahres möglich. (vgl. Erlass des KM vom 21. Mai 2001; Az.: 14-0311.41/279).
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Für den Zeitraum von August 2011 bis einschließlich Januar 2012 kommt eine Versetzung des Klägers in den Ruhestand als Schwerbehinderter und damit eine entsprechende Abänderung der Zurruhesetzungsverfügung nicht in Betracht. Im August fehlte noch die Feststellung einer Schwerbehinderung durch die zuständige Behörde.
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Unerheblich ist auch der Umstand, dass die Schwerbehinderteneigenschaft dem Kläger rückwirkend ab dem 04.03.2011 zuerkannt wurde und damit materiell-rechtlich die Voraussetzungen für eine Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung mit Ablauf des Juli 2011vorgelegen haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 30.04.2014, aaO) muss der Grund für die Zurruhesetzung bei Erlass der Zurruhesetzungsverfügung feststehen; er darf nicht offen oder in der Schwebe bleiben. Deshalb ist die Versetzung in den Ruhestand nach dem Ruhestandsbeginn grundsätzlich nicht mehr korrigierbar und dies erfasst auch den Grund für die Zurruhesetzung. Für diese Sicht spricht entscheidend der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Denn die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließt gleichermaßen Änderungen zugunsten wie zu Lasten des Beamten aus. Würde man nach Beginn des Ruhestands einen Schwebezustand zulassen und damit den Ausgang eines anhängigen Verfahrens auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft für den Ausspruch über den Grund der Zurruhesetzung (wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze oder wegen Schwerbehinderung) „abwarten“, wäre auch eine Änderung zu Lasten des Beamten etwa bei nachträglichem Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft möglich (z. B. bei einer Krebserkrankung nach Entfallen des Rezidivrisikos).
40 
Die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt dazu, dass der Dienstherr dem Zurruhesetzungsantrag des Klägers - wie er sich bei einer Gesamtschau der Erklärungen von Oktober 2010 und 20.05.2011 ergibt - nicht hätte entsprechen dürfen. Daraus folgt aber auch für die hier zu beurteilende Fallkonstellation, dass dem Kläger nach Aufhebung der rechtswidrigen Zurruhesetzungsverfügung ebenfalls kein entsprechender Anspruch zusteht. Der Kläger kann nicht bessergestellt werden als dies bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten der Behörde der Fall gewesen wäre. In diesem Fall - auch dies wurde dargelegt - hätte der Kläger allein die Wahl gehabt, mit Ablauf des Juli 2011 wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze in den Ruhestand zu treten oder aber zunächst im aktiven Dienst zu bleiben und erst nach erfolgter Feststellung der Schwerbehinderung wegen der Schwerbehinderung mit Ablauf des Januar 2012 in den Ruhestand zu treten.
41 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Dies ist hier der Fall. Wirtschaftlich betrachtet streiten die Beteiligten um den Differenzbetrag von monatlich 116,26 EUR zwischen innegehabtem und erstrebtem Teilstatus. Auf Grundlage des Urteilsausspruchs ist der Kläger insoweit für einen Zeitraum von sechs Monaten unterlegen und hat beginnend ab dem 01.02.2012 bis zu seinem Lebensende obsiegt. Das Unterliegen des Klägers für einen Zeitraum von sechs Monaten stellt sich danach unter Berücksichtigen der durchschnittlichen statistischen Lebensdauer als geringfügig dar.
42 
Beschluss
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 2.790,24 festgesetzt (zweifacher Jahresbetrag der Differenz zwischen dem innegehabtem und erstrebtem Teilstatus, allgemeine Meinung, vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10.09.2013, aaO).
44 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 13.000,00 Euro festgesetzt.


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(1) Die Schwerbehindertenvertretung fördert die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle, vertritt ihre Interessen in dem Betrieb oder der Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Sie erfüllt ihre Aufgaben insbesondere dadurch, dass sie

1.
darüber wacht, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt, insbesondere auch die dem Arbeitgeber nach den §§ 154, 155 und 164 bis 167 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden,
2.
Maßnahmen, die den schwerbehinderten Menschen dienen, insbesondere auch präventive Maßnahmen, bei den zuständigen Stellen beantragt,
3.
Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Menschen entgegennimmt und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlung mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinwirkt; sie unterrichtet die schwerbehinderten Menschen über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen.
Die Schwerbehindertenvertretung unterstützt Beschäftigte auch bei Anträgen an die nach § 152 Absatz 1 zuständigen Behörden auf Feststellung einer Behinderung, ihres Grades und einer Schwerbehinderung sowie bei Anträgen auf Gleichstellung an die Agentur für Arbeit. In Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann sie nach Unterrichtung des Arbeitgebers das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen. Ab jeweils 100 weiteren beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann jeweils auch das mit der nächsthöheren Stimmenzahl gewählte Mitglied herangezogen werden. Die Heranziehung zu bestimmten Aufgaben schließt die Abstimmung untereinander ein.

(2) Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 164 Absatz 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 164 Absatz 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen.

(3) Der schwerbehinderte Mensch hat das Recht, bei Einsicht in die über ihn geführte Personalakte oder ihn betreffende Daten des Arbeitgebers die Schwerbehindertenvertretung hinzuzuziehen. Die Schwerbehindertenvertretung bewahrt über den Inhalt der Daten Stillschweigen, soweit sie der schwerbehinderte Mensch nicht von dieser Verpflichtung entbunden hat.

(4) Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates und deren Ausschüssen sowie des Arbeitsschutzausschusses beratend teilzunehmen; sie kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Erachtet sie einen Beschluss des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen schwerbehinderter Menschen oder ist sie entgegen Absatz 2 Satz 1 nicht beteiligt worden, wird auf ihren Antrag der Beschluss für die Dauer von einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an ausgesetzt; die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsrechts über die Aussetzung von Beschlüssen gelten entsprechend. Durch die Aussetzung wird eine Frist nicht verlängert. In den Fällen des § 21e Absatz 1 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist die Schwerbehindertenvertretung, außer in Eilfällen, auf Antrag einer betroffenen schwerbehinderten Richterin oder eines schwerbehinderten Richters vor dem Präsidium des Gerichtes zu hören.

(5) Die Schwerbehindertenvertretung wird zu Besprechungen nach § 74 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, § 65 des Bundespersonalvertretungsgesetzes sowie den entsprechenden Vorschriften des sonstigen Personalvertretungsrechts zwischen dem Arbeitgeber und den in Absatz 4 genannten Vertretungen hinzugezogen.

(6) Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, mindestens einmal im Kalenderjahr eine Versammlung schwerbehinderter Menschen im Betrieb oder in der Dienststelle durchzuführen. Die für Betriebs- und Personalversammlungen geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung.

(7) Sind in einer Angelegenheit sowohl die Schwerbehindertenvertretung der Richter und Richterinnen als auch die Schwerbehindertenvertretung der übrigen Bediensteten beteiligt, so handeln sie gemeinsam.

(8) Die Schwerbehindertenvertretung kann an Betriebs- und Personalversammlungen in Betrieben und Dienststellen teilnehmen, für die sie als Schwerbehindertenvertretung zuständig ist, und hat dort ein Rederecht, auch wenn die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nicht Angehörige des Betriebes oder der Dienststelle sind.

Die Träger der Eingliederungshilfe haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag), soweit dieser Teil nichts Abweichendes bestimmt. Sie schließen hierzu Vereinbarungen mit den Leistungsanbietern nach den Vorschriften des Kapitels 8 ab. Im Rahmen der Strukturplanung sind die Erkenntnisse aus der Gesamtplanung nach Kapitel 7 zu berücksichtigen.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 30. Mai 2013 - 4 Sa 62/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche.

2

Die Klägerin, die wegen einer Erkrankung an multipler Sklerose (MS) mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 schwerbehindert ist, bewarb sich gegen Ende ihrer dreijährigen Ausbildung zur Fachangestellten für Bäderbetriebe bei der Beklagten, die Hallen- und Freibäder betreibt. Die ausgeschriebene, der Ausbildung der Klägerin entsprechende Stelle sollte ua. die Beaufsichtigung und die Kontrolle des Badebetriebes einschließlich des Rettungsdienstes, die Betreuung der Badegäste, die Erteilung von Schwimmunterricht und die Durchführung von Aquafitnesskursen beinhalten. Die Beklagte stellte der Klägerin einen befristeten Arbeitsvertrag als Elternzeitvertretung in Aussicht, ein Musterarbeitsvertrag wurde übersandt. Anlässlich einer Besichtigung des zukünftigen Arbeitsplatzes teilte die Klägerin ihre Behinderung mit. Die Beklagte zog daraufhin das Vertragsangebot zurück. Die Klägerin erhob ohne gesonderte außergerichtliche Geltendmachung Klage auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG, die der Beklagten einen Tag nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG zugestellt wurde.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Fahrtkosten nach § 15 Abs. 1 AGG und eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu, weil sie wegen ihrer Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Sie sei objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet. Sie habe sämtliche für die Einstellung erforderlichen Abschlüsse und Bescheinigungen vorgelegt. Körperliche Einschränkungen bestünden im Hinblick auf die spezifischen Anforderungen bei der Beklagten nicht. Das zeige auch das vom Arbeitsgericht eingeholte neurologische Sachverständigengutachten vom 17. September 2012. Ihre Krankheit sei frühzeitig erkannt und ihr sei dementsprechend früh durch medikamentöse Einstellung begegnet worden. Die Geltendmachungsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG sei eingehalten worden, § 167 ZPO sei hier anwendbar.

4

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung in Höhe von 4.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 29. Februar 2012 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Höhe von 90,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 29. Februar 2012 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klägerin habe ihre Ansprüche nicht rechtzeitig geltend gemacht. Gesucht worden sei für den Aufgabenbereich einschließlich einer Rettung von in Not geratenen Badegästen, darunter viele Kinder, eine Person mit vollständiger Gesundheit und darüber hinaus überdurchschnittlicher gesundheitlicher Konstitution. Darüber verfüge die Klägerin wegen ihrer Erkrankung an MS nicht. Sie sei, so habe es auch die Abstimmung mit dem Betriebsarzt ergeben, nicht in der Lage, die Tätigkeit auszuüben. Das ergebe sich auch aus dem Sachverständigengutachten vom 17. September 2012. Nach § 8 Abs. 1 AGG sei eine unterschiedliche Behandlung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung zulässig.

6

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und der Klägerin Schadensersatz und eine Entschädigung in der zuletzt beantragten Höhe zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

8

A. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage wegen Nichteinhaltung der Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG abgewiesen. Wie auch aus der Entscheidung des Senats vom 21. Juni 2012 (- 8 AZR 188/11 - BAGE 142, 143) hervorgehe, finde - entgegen der Auffassung der Klägerin - § 167 ZPO auf diese Frist keine Anwendung.

9

B. Mit dieser Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Die Klägerin hat ihre Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG rechtzeitig geltend gemacht. Auf § 15 Abs. 4 AGG findet § 167 ZPO Anwendung. Damit kommt es für den Zugang auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift bei Gericht an. Der Senat hält an seiner früher als obiter dictum geäußerten gegenteiligen Auffassung (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 27, BAGE 142, 143) nicht fest.

10

I. Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG sind Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche(§ 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG), soweit tarifvertraglich nicht anderes vereinbart ist, innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend zu machen. Die erforderliche Schriftform kann auch durch eine Klage gewahrt werden (BAG 21. Juni 2012 8 AZR 188/11 - Rn. 27, BAGE 142, 143). Bei dieser Frist handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 19, aaO).

11

II. Die Klägerin, die mit dem Zugang des auf die Behinderung als Ablehnungsgrund Bezug nehmenden Ablehnungsschreibens der Beklagten am 28. Dezember 2011 Kenntnis von der behaupteten Benachteiligung erlangt hatte, hat ihren Anspruch mit ihrer am 20. Februar 2012 bei Gericht eingegangenen Klageschrift rechtzeitig geltend gemacht. Die Zustellung der Klage an die Beklagte am 29. Februar 2012 ist „demnächst“ iSd. § 167 ZPO - also ohne der Klägerin zuzurechnende Verzögerungen im Zustellungsverfahren(vgl. ua. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 30 ff., BAGE 143, 50) - vorgenommen worden. Gleichzeitig wurde die im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch maßgebende dreimonatige Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.

12

1. § 167 ZPO ist grundsätzlich in den Fällen anwendbar, in denen durch die Zustellung einer Klage eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung eingehalten werden kann. In Sonderfällen kommt die Rückwirkungsregelung nicht zur Anwendung.

13

a) In der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und in der Literatur wurde die Ansicht vertreten, die Regelung des § 167 ZPO über die Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage gelte nur für Fälle, in denen eine Frist lediglich durch Inanspruchnahme der Gerichte gewahrt werden könne. Dies wurde insbesondere mit dem aus der Entstehungsgeschichte zu erschließenden Sinn und Zweck der Vorschrift begründet. Deshalb wurde § 167 ZPO in Fällen nicht für anwendbar gehalten, in denen durch die Zustellung die - auch durch außergerichtliche Geltendmachung zu wahrenden - Fristen zur Erklärung einer Mieterhöhung, zur Anfechtung wegen Irrtums und zur Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft eingehalten werden sollten. Nur in Sonderfällen - wenn die gesetzliche oder vertragliche Regelung, aus der sich die zu wahrende Frist ergibt, einer eingeschränkten Anwendung der Rückwirkungsregelung entgegensteht - sollte anderes gelten (im Einzelnen dazu: BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 21 f. mwN, BGHZ 177, 319). Das Bundesarbeitsgericht hat für tarifvertragliche Ausschlussfristen entschieden, dass dann, wenn der Gläubiger die Möglichkeit hat, die Ausschlussfrist auch in anderer Form - zB durch einfaches Schreiben - einzuhalten, aber dennoch die Form der Klage wählt, es zu seinen Lasten geht, wenn die Klageschrift nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist dem Schuldner zugestellt wird (BAG 25. September 1996 - 10 AZR 678/95 - zu II 3 und II 4 der Gründe mwN).

14

b) Der Senat schließt sich für den Anspruch aus § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs(BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - BGHZ 177, 319) zum Regel-/Ausnahmeverhältnis der Anwendung des § 167 ZPO bei der außergerichtlichen fristgebundenen Geltendmachung an.

15

aa) Unter den verschiedenen Möglichkeiten für den Zugang einer Willenserklärung lässt § 132 Abs. 1 Satz 1 BGB - anstelle des Zugangs - die Zustellung einer Willenserklärung durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zu. Sie entfaltet Rückwirkung. Es ist nicht gerechtfertigt, einer Zustellung durch Vermittlung des Gerichts in gleichartigen Fällen die Rückwirkung zu versagen.

16

(1) Mit einer Zustellung nach § 132 Abs. 1 Satz 1 BGB können Fristen eingehalten werden, die nicht gerichtlicher Geltendmachung bedürfen. Soll durch eine solche Zustellung eine Frist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 132 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. §§ 191, 192 Abs. 2 Satz 1, § 167 ZPO bereits mit Übergabe des die Willenserklärung enthaltenden Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt(BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 24 mwN, BGHZ 177, 319).

17

Das gilt auch für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen (ohne Weiteres vorausgesetzt auch durch BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 24 f., BGHZ 177, 319). Sie stehen Willenserklärungen regelmäßig so nahe, dass viele Bestimmungen über Willenserklärungen - etwa betreffend den hier interessierenden Zugang - grundsätzlich entsprechend anzuwenden sind (BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 36 mwN, BAGE 128, 364; BGH 17. Oktober 2000 - X ZR 97/99 - zu II 1 b der Gründe mwN, BGHZ 145, 343; vgl. im Übrigen BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 43 mwN; 26. April 2006 - 5 AZR 403/05 - Rn. 19 mwN, BAGE 118, 60). § 132 Abs. 1 Satz 1 BGB findet auch im Arbeitsrecht Anwendung(so setzen die Anwendbarkeit des § 132 BGB im Arbeitsrecht voraus ua.: BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B II 3 a der Gründe, BAGE 103, 277; 12. Juli 1984 - 2 AZR 290/83 -; 30. Juni 1983 - 2 AZR 10/82 - zu B I 1 b bb der Gründe, BAGE 43, 148; 25. Februar 1983 - 2 AZR 298/81 - zu I 2 b bb der Gründe; vgl. auch KR-Friedrich 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 115 f.).

18

(2) Für eine Zustellung durch Vermittlung des Gerichts gilt in gleichartigen Fällen nichts anderes. Bei der Geltendmachung einer Forderung handelt es sich um einen gleichartigen Fall.

19

(a) Der Wortlaut des § 167 ZPO gibt dazu keinen Aufschluss; Gegenteiliges ist nicht enthalten.

20

(b) Die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sprechen für eine Anwendung des § 167 ZPO bei einer Zustellung durch Vermittlung des Gerichts im Hinblick auf die Wahrung einer Frist, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung eingehalten werden kann. Wer mit der Klage die stärkste Form der Geltendmachung von Ansprüchen wählt, muss sich deshalb darauf verlassen können, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahrt (BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 25 mwN, BGHZ 177, 319). Dies gilt umso mehr, wenn - wie im Fall des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG - die Schriftform auch durch eine Klage gewahrt werden kann.

21

(c) Die Geltendmachung eines Anspruchs iSv. § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ist zwar keine - in § 132 Abs. 1 Satz 1 BGB ausdrücklich genannte - Willenserklärung, sondern eine einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung(BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 44). Ebenso wie der Bundesgerichtshof für die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nach § 26 Abs. 3 UrhG aF, bei dem es sich ebenfalls nicht um eine Willenserklärung handelt, einen gleichartigen Fall angenommen hat, gilt das auch für § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG.

22

bb) In Sonderfällen, die dies nach dem besonderen Sinn und Zweck der Fristbestimmung erfordern, kommt die Rückwirkungsregelung ausnahmsweise nicht zur Anwendung (vgl. BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 21, 26, BGHZ 177, 319, mit Beispielsfällen früherer und aktueller Rechtsprechung).

23

2. § 15 Abs. 4 AGG ist kein Sonderfall im Hinblick auf die Anwendung des § 167 ZPO. Für eine Ausnahmekonstellation gibt es bei dieser Geltendmachungsfrist keinen Anhaltspunkt, Sinn und Zweck der Regelung gebieten solches nicht.

24

Über eine Anwendung des § 167 ZPO in anderen Bereichen des Arbeitsrechts hatte der Senat nicht zu entscheiden.

25

a) Zwar soll sich der Arbeitgeber nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 38) angesichts der in § 22 AGG getroffenen Beweislastverteilung - der in der Regel nur dann genügt werden kann, wenn die Kriterien und Grundlagen der Einstellungsentscheidung dokumentiert worden sind - darauf verlassen können, dass nach Fristablauf Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG nicht mehr gegen ihn erhoben werden und Dokumentationen über Einstellungsverfahren nicht bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahrt zu werden brauchen(BAG 15. März 2012 - 8 AZR 160/11 - Rn. 50 mwN).

26

b) Jedoch tritt mit dem Ablauf von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung kein umfassendes Ende von Geltendmachungsmöglichkeiten ein.

27

aa) Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG grundsätzlich mit dem „Zugang der Ablehnung“, jedoch nicht vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt. Hierüber gibt die bloße Ablehnung der Bewerbung durch den Arbeitgeber nicht in jedem Fall zwingend Auskunft (vgl. BAG 21. Juni 2012 8 AZR 188/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 142, 143; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 54 ff. mwN, BAGE 141, 48). Erfährt der Betroffene den benachteiligungsbezogenen Ablehnungsgrund erst Monate nach dem Zugang der Ablehnung (Kenntnis), beginnt der Fristlauf erst dann.

28

bb) Zudem sind nach § 15 Abs. 5 AGG Ansprüche, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt. Auch dies erfordert im Hinblick auf die Beweislastverteilung eine länger aufbewahrte Dokumentation als nur zwei Monate nach Zugang der Ablehnung.

29

cc) Unbeachtlich ist, dass eine absolute Zeitgrenze nicht besteht und bei Auslandszustellungen auch eine Zustellung nach mehreren Monaten noch „demnächst“ sein kann (ua. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 31, BAGE 143, 50). Eine solche Sondersituation kann nicht ausschlaggebend sein.

30

C. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht nach § 563 Abs. 3 ZPO abschließend entscheiden.

31

I. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin die geltend gemachten Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche zustehen, kann noch nicht festgestellt werden. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - die erforderlichen Tatsachenbewertungen unterlassen. Hängt zudem die Höhe des Entschädigungsanspruchs - wie hier - von einem Beurteilungsspielraum ab, ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 49; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 58; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 64).

32

II. Bei der weiteren Behandlung der Sache ist zu berücksichtigen:

33

1. Eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt vor; die Beklagte hat sich für ihre Ablehnung auf die Behinderung der Klägerin und damit auf einen in § 1 AGG genannten Grund bezogen. Ob diese Benachteiligung nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig ist - wie die Beklagte meint, das Arbeitsgericht aber verneint hat -, hat das Landesarbeitsgericht zu prüfen.

34

a) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ist nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig, wenn „dieser Grund“ wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist(vgl. auch Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf [Richtlinie 2000/78/EG]). Allerdings muss - wenn dies auch in § 8 Abs. 1 AGG nicht wortwörtlich zum Ausdruck kommt - nach der bei der Auslegung heranzuziehenden Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen(vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 [Prigge] - Rn. 66, Slg. 2011, I-8003; 12. Januar 2010 - C-229/08 [Wolf] - Rn. 35, Slg. 2010, I-1). Das Merkmal, das im Zusammenhang mit einem der in § 1 AGG genannten Benachteiligungsgründe steht, - oder sein Fehlen - kann nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG sein, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - Rn. 26).

35

b) Dazu sind vorliegend ua. folgende Gesichtspunkte einzubeziehen:

36

aa) Besondere körperliche Fähigkeiten sind eine wesentliche berufliche Anforderung im Hinblick auf die Kontrolle des Badebetriebes einschließlich des Rettungsdienstes, da die Sicherheit der Badegäste betroffen ist und körperliche Schwächen beträchtliche Konsequenzen haben können (insoweit übertragbar EuGH 13. September 2011 - C-447/09 [Prigge] - Rn. 67, Slg. 2011, I-8003).

37

Weiterhin gilt das für die Erteilung von Schwimmunterricht jedenfalls teilweise, ist aber auch nicht streitig zwischen den Parteien. Ebenso wenig ist im Streit zwischen den Parteien, dass für die Durchführung von Aquafitnesskursen grundsätzlich körperliche Fitnessanforderungen bestehen. Über die Angemessenheit der einzelnen Tätigkeitsanforderungen herrscht ersichtlich kein Streit zwischen den Parteien.

38

bb) Ausweislich der für die Einstellung erforderlichen Abschlüsse und Bescheinigungen, darunter das der im Einstellungszeitraum abgeschlossenen einschlägigen Ausbildung besteht grundsätzlich die Eignung der Klägerin für die bei der Beklagten zu besetzende Stelle. Das bestreitet die Beklagte auch nicht; im Gegenteil wollte sie die Klägerin auf dieser Grundlage für die zu vergebende Elternzeitvertretung einsetzen.

39

cc) Ob es sich bei dem Ausschluss der Klägerin wegen der MS um einen rechtmäßigen Zweck handelt, wird vor dem Hintergrund der Tätigkeitsanforderungen zu prüfen sein. Wesentlich wird für die vom Landesarbeitsgericht vorzunehmende Bewertung das neurologische Sachverständigengutachten vom 17. September 2012 sein. Dieses ist für den damaligen Zeitpunkt - um den allein es sich bei der hier betroffenen Einstellung, noch dazu für eine zeitlich befristete Vertretungstätigkeit handeln kann - von uneingeschränkter Arbeitsfähigkeit, auch bei körperlich anstrengender Tätigkeit ausgegangen. Mit einem plötzlichen Auftreten neurologischer Ausfallsymptome innerhalb weniger Stunden - wie beispielsweise bei einem Schlaganfall - sei nicht zu rechnen. Damit spricht viel dafür, dass der Einsatz der Klägerin - jedenfalls für das hier entscheidende, zum damaligen Zeitpunkt bestehende Erkrankungsbild - auch im Hinblick auf eine plötzlich eintretende Rettungssituation nicht negativ zu beurteilen ist.

40

Zu beachten ist in jedem Fall, dass nur unter sehr begrenzten Bedingungen eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein kann und § 8 Abs. 1 AGG iVm. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, soweit überhaupt eine Abweichung vom Diskriminierungsverbot ermöglicht ist, eng auszulegen ist(vgl. entsprechend in Bezug auf die Diskriminierung wegen des Alters: EuGH 13. September 2011 - C-447/09 [Prigge] - Rn. 71 f., Slg. 2011, I-8003, dort auch mwN in Bezug auf die Diskriminierung wegen des Geschlechts).

41

Soweit die Beklagte sich auf Passagen des Sachverständigengutachtens zu verschiedenen Faktoren einer langfristigen Prognose bezieht, ist nicht erkennbar, dass diese im Hinblick auf eine befristete Einstellung zur Vertretung von Bedeutung sein können.

42

dd) Zudem wird entscheidend zu berücksichtigen sein, dass ein Arbeitgeber, der eine Nichteinstellung darauf stützt, dass der Arbeitnehmer wegen seiner Behinderung nicht eingesetzt werden könne, sich nur dann auf § 8 Abs. 1 AGG berufen kann, wenn auch angemessene Vorkehrungen iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ergriffen werden. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG, der im AGG keine wortwörtliche Umsetzung erfahren hat, ist einerseits bei der Auslegung des Begriffs der „angemessenen“ Anforderung in § 8 Abs. 1 AGG einzubeziehen (soweit es um Menschen mit Behinderung geht) und ist zudem im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 241 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen(für Letzteres BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53). Im Zusammenhang mit der Richtlinie 2000/78/EG ist der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ dahin gehend zu verstehen, dass er die Beseitigung der verschiedenen Barrieren umfasst, die die volle und wirksame Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, behindern. Unterlässt der Arbeitgeber notwendige Vorkehrungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen, ist das in die gerichtliche Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. [Ring, Skouboe Werge] - Rn. 49 ff., 66, 68; 11. Juli 2006 - C-13/05 [Chacón Navas] - Rn. 50, Slg. 2006, I-6467; BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 50 ff.).

43

ee) Keinerlei Rolle spielt, wann die Klägerin über die Tatsache der Behinderung informiert hat.

44

2. Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 [Draehmpaehl] - Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen - indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet -, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63 mwN). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181).

        

    Hauck    

        

    Winter    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Umfug    

        

    Pauli    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 17. März 2014 - 1 Sa 23/13 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, weil es das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX weder durchgeführt noch eingeleitet hatte.

2

Die Klägerin ist Diplom-Ökonomin. Im Jahr 2009 erlitt sie nach ihren Angaben einen „Burnout“. Seit 2009 oder 2010 ist sie als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Ob dies auch auf den „Burnout“ zurückzuführen ist, ist zwischen den Parteien streitig.

3

Das beklagte Land stellte die Klägerin zum 1. Oktober 2012 als Leiterin der Organisationseinheit 0 beim L ein. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 3. September 2012 sieht in § 3 eine Probezeit von sechs Monaten vor. Für die Einarbeitungsphase erstellte das L einen Einarbeitungsplan. In welchem Umfang dieser tatsächlich umgesetzt wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin erhielt zudem die Gelegenheit, an zwei EFQM-Modulen der Deutschen Gesellschaft für Qualität teilzunehmen. Sie schloss diese Ausbildung am 26. Januar 2013 erfolgreich ab.

4

Bereits am 18. Januar 2013 hatte der Präsident des L der Hauptschwerbehindertenvertretung der Polizei beim Innenministerium des Landes Baden-Württemberg im Rahmen eines Gesprächs mitgeteilt, dass die Klägerin seine Erwartungen bislang nicht erfüllt habe. Am 11. Februar 2013 führte er mit der Klägerin ein Personalgespräch, in dem er diese über seine Absicht informierte, das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Probezeit zu beenden. Mit Schreiben vom 8. März 2013 kündigte das beklagte Land das mit der Klägerin begründete Arbeitsverhältnis fristgerecht zum Ablauf des 31. März 2013.

5

Die Klägerin, die die Kündigung nicht angegriffen hat, machte mit Schreiben vom 18. April 2013 gegenüber dem beklagten Land einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend und führte zur Begründung aus, das beklagte Land habe es vor Ausspruch der Kündigung unterlassen, das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX einzuleiten. Das beklagte Land lehnte mit Schreiben vom 25. April 2013 die Zahlung einer Entschädigung ab. Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

6

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - die Ansicht vertreten, das beklagte Land habe sie dadurch wegen ihrer Schwerbehinderung benachteiligt, dass es ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht durchgeführt oder nicht zumindest eingeleitet habe. Das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX sei eine besondere Schutzmaßnahme zur Vermeidung von Nachteilen für schwerbehinderte Menschen und auch vor Ablauf der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG durchzuführen. Zudem sei es eine „angemessene Vorkehrung“ iSv. Art. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Werde - wie in ihrem Fall - eine solche Vorkehrung nicht getroffen, sei dies als Diskriminierung zu werten.

7

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 11.176,98 Euro nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Mai 2013 zu zahlen.

8

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es hat die Auffassung vertreten, während der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG habe keine Rechtspflicht zur Durchführung des Präventionsverfahrens bestanden. Andernfalls würden schwerbehinderte Arbeitnehmer besser gestellt als nicht behinderte Arbeitnehmer. Auch bei schwerbehinderten Arbeitnehmern müsse der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, den Arbeitnehmer frei von Kündigungsbeschränkungen zu erproben.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage unter Aufhebung des am 26. Juni 2013 ergangenen klagestattgebenden Versäumnisurteils abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

10

I. Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin die Fristen des § 15 Abs. 4 AGG und des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt hat; die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe nicht dadurch gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, dass es ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht durchgeführt hat, ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

11

1. Das AGG ist im vorliegenden Fall anwendbar.

12

a) Die Klägerin ist als Arbeitnehmerin Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG und das beklagte Land ist Arbeitgeber iSv. § 6 Abs. 2 AGG.

13

b) Der Anwendbarkeit von § 15 Abs. 2 AGG steht auch nicht die in § 2 Abs. 4 AGG getroffene Regelung entgegen, wonach für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Abgesehen davon, dass durch § 2 Abs. 4 AGG Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG auch im Fall einer diskriminierenden Kündigung nicht ausgeschlossen werden(vgl. BAG 12. Dezember 2013 - 8 AZR 838/12 - Rn. 18 ff., BAGE 147, 50), stützt die Klägerin ihren Entschädigungsanspruch nicht darauf, sie sei durch die Kündigung des beklagten Landes vom 8. März 2013 wegen einer Behinderung benachteiligt worden, sondern macht ausschließlich geltend, das beklagte Land habe dadurch gegen das Benachteiligungsverbot des AGG verstoßen, dass es kein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchgeführt oder zumindest eingeleitet habe.

14

2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da das beklagte Land die Klägerin nicht entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen einer Behinderung benachteiligt hat.

15

a) Ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus und ist verschuldensunabhängig.

16

Nach dem in § 7 Abs. 1 AGG bestimmten Benachteiligungsverbot ist eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung untersagt. § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine - vorliegend ausschließlich in Betracht kommende - unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Dabei kann die Benachteiligung statt in einem aktiven Tun auch in einem Unterlassen liegen (vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 32; BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 - Rn. 34; 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 25, BAGE 142, 158).

17

b) Das beklagte Land hat die Klägerin nicht entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen einer Behinderung benachteiligt.

18

aa) Eine solche Benachteiligung liegt entgegen der Rechtsansicht der Klägerin nicht darin, dass das beklagte Land ihr, indem es das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht durchgeführt oder zumindest eingeleitet hat, eine angemessene Vorkehrung iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i iVm. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK vorenthalten hätte.

19

(1) Es spricht viel dafür, dass § 3 Abs. 1 AGG unionsrechtskonform dahin auszulegen ist, dass eine Diskriminierung wegen einer Behinderung auch dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber dem behinderten Arbeitnehmer angemessene Vorkehrungen iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i iVm. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK versagt.

20

Nach Art. 5 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG haben die Mitgliedstaaten angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, was nach Art. 5 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, um Menschen mit Behinderung ua. die Ausübung eines Berufs zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten (dazu, dass Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG im AGG keine wortgleiche Umsetzung erfahren hat vgl. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 42, BAGE 148, 158). Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i der UN-BRK haben die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden. Zudem bestimmt Art. 2 Unterabs. 3 der UN-BRK, dass von der „Diskriminierung aufgrund von Behinderung“ alle Formen der Diskriminierung erfasst sind, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Unterabs. 4 der UN-BRK sind „angemessene Vorkehrungen“ notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können. Die Bestimmungen der UN-BRK sind Bestandteil der Unionsrechtsordnung (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt „Ring, Skouboe Werge“] Rn. 28 ff.) und damit zugleich Bestandteil des - ggf. unionsrechtskonform auszulegenden - deutschen Rechts (BAG 4. November 2015 - 7 ABR 62/13 - Rn. 27; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53, BAGE 147, 60). Der Umstand, dass die UN-BRK seit ihrem Inkrafttreten integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist, führt darüber hinaus dazu, dass auch die Richtlinie 2000/78/EG ihrerseits nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen ist (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt „Ring, Skouboe Werge“] Rn. 28 bis 32).

21

(2) Die Frage, wie § 3 Abs. 1 AGG im Lichte von Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i iVm. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK auszulegen ist, kann jedoch dahinstehen, da das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX keine angemessene Vorkehrung im Sinne dieser Bestimmungen ist.

22

(a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinen Entscheidungen vom 4. Juli 2013 (-  C-312/11  - [Kommission/Italien]) und vom 11. April 2013 (-  C-335/11  ua. - [HK Danmark, auch genannt „Ring, Skouboe Werge“]) ausgeführt, dass unter „angemessenen Vorkehrungen“ iSv. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK ebenso wie unter „angemessenen Vorkehrungen“ iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG materielle oder organisatorische Maßnahmen in Bezug auf die Arbeitsumgebung, die Arbeitsorganisation oder die Aus- und Fortbildung zu verstehen sind, die der einzelne Arbeitgeber im Rahmen der Zumutbarkeit zu ergreifen hat, um dem behinderten Arbeitnehmer ua. die Ausübung eines Berufs zu ermöglichen (vgl. EuGH 4. Juli 2013 - C-312/11  - [Kommission/Italien]; 11. April 2013 -  C-335/11  ua. - [HK Danmark, auch genannt „Ring, Skouboe Werge“] Rn. 49, 55; BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12  - Rn. 52 , BAGE 147, 60 ). Damit übereinstimmend hatte der Gerichtshof der Europäischen Union bereits in seinem Urteil vom 17. Juli 2008 (- C-303/06 - [Coleman] Rn. 39, 42, Slg. 2008, I-5603) unter Bezugnahme auf die Erwägungsgründe 16 und 20 der Richtlinie 2000/78/EG klargestellt, dass es sich bei den Vorkehrungen iSv. Art. 5 der Richtlinie um Maßnahmen handelt, mit denen den Bedürfnissen behinderter Menschen bei der Arbeit Rechnung getragen und der Arbeitsplatz dieser Menschen entsprechend ausgestaltet werden soll und dass „Angemessenheit“ bedeutet, dass die Maßnahmen geeignet und im konkreten Fall erforderlich sind.

23

(b) Danach ist das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX selbst keine „angemessene Vorkehrung“ iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i iVm. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK.

24

§ 84 Abs. 1 SGB IX verpflichtet den Arbeitgeber bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 SGB IX genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt einzuschalten, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. Mit § 84 Abs. 1 SGB IX hat der Gesetzgeber den bisherigen § 14c SchwbG (Schwerbehindertengesetz), der seinerseits im Rahmen des Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29. September 2000 in das SchwbG eingeführt worden war, in das SGB IX übernommen. Ausweislich der Entstehungsgeschichte hatte § 14c SchwbG zum Ziel, Schwierigkeiten bei der Beschäftigung möglichst gar nicht entstehen zu lassen, sie ggf. möglichst frühzeitig zu beheben (BT-Drs. 14/3372 S. 19). Durch die dem Arbeitgeber in § 84 Abs. 1 SGB IX auferlegten Verhaltenspflichten soll demnach zwar möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen begegnet, die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht und die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen verhindert werden(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 26, BAGE 120, 293). Allerdings beschreibt § 84 Abs. 1 SGB IX selbst keine im konkreten Einzelfall geeignete, erforderliche und dem Arbeitgeber zumutbare materielle oder organisatorische Maßnahme, sondern lediglich ein Verfahren, dessen Ziel es ist, frühzeitig zu ermitteln, worauf die Schwierigkeiten im Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis im konkreten Einzelfall zurückzuführen sind und ob und ggf. welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um das Ziel zu erreichen, das Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortzusetzen (vgl. etwa BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/16 - aaO).

25

(c) Der Umstand, dass sich im Verlaufe eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX herausstellen kann, dass den Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis mit einer angemessenen, den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belastenden Vorkehrung iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG, Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK begegnet werden kann, gebietet keine andere Beurteilung. Hierdurch wird das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX weder eine angemessene Vorkehrung iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG, Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK noch Teil einer solchen.

26

Unionsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Zwar verlangt Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG von den Mitgliedstaaten, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen zu treffen, um den Zugang zur Beschäftigung zu ermöglichen; auch haben die Vertragsstaaten nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i der UN-BRK sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden. Jedoch schreiben weder die Richtlinie 2000/78/EG noch die Bestimmungen der UN-BRK ein bestimmtes Verfahren zur Ermittlung angemessener Vorkehrungen vor.

27

bb) Vorliegend kann dahinstehen, ob das Präventionsverfahren eine positive Maßnahme zugunsten schwerbehinderter Menschen iSv. § 5 AGG sowie von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG ist(dafür Däubler/Bertzbach/Hinrichs/Zimmer AGG 3. Aufl. § 5 Rn. 45) und ob das Unterlassen einer solchen Maßnahme an sich eine Benachteiligung wegen einer Behinderung iSv. § 3 Abs. 1 AGG sein kann; selbst wenn dies der Fall sein sollte, könnte die Klägerin aus dem Umstand, dass das beklagte Land ein Präventionsverfahren gemäß § 84 Abs. 1 SGB IX weder durchgeführt noch zumindest eingeleitet hat, nichts zu ihren Gunsten ableiten. Entgegen ihrer Rechtsauffassung war das beklagte Land nicht verpflichtet, zu ihren Gunsten ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX einzuleiten oder durchzuführen. Die Klägerin ist vor Ablauf der in § 1 Abs. 1 KSchG bestimmten Wartezeit von sechs Monaten aus dem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land ausgeschieden. Während der Wartezeit iSv. § 1 Abs. 1 KSchG ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen und muss es deshalb auch nicht einleiten. Dies ergibt die Auslegung von § 84 Abs. 1 SGB IX.

28

(1) § 84 Abs. 1 SGB IX knüpft mit dem Begriff der „personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten“ Schwierigkeiten an die Terminologie des KSchG, nämlich an die in § 1 Abs. 2 KSchG verwendeten Begriffe „Gründe … in der Person“, „Gründe … in dem Verhalten“ und „dringende betriebliche Erfordernisse“ an. Soweit § 84 Abs. 1 SGB IX - anders als § 1 Abs. 2 KSchG - nicht das Vorliegen von Kündigungsgründen fordert, sondern Schwierigkeiten und damit Unzuträglichkeiten, die noch nicht den Charakter von Kündigungsgründen aufweisen, ausreichen lässt, beruht dies darauf, dass das in § 84 Abs. 1 SGB IX geregelte Verfahren ein präventives Verfahren ist, das dem Entstehen von Kündigungsgründen zuvorkommen soll(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 30, BAGE 120, 293).

29

(2) In der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG kommt es jedoch auf einen Kündigungsgrund iSv. § 1 Abs. 2 KSchG nicht an. Vielmehr sollen die Parteien während dieser Zeit prüfen können, ob sie sich dauerhaft vertraglich binden wollen (vgl. etwa BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 859/11 - Rn. 18 mwN, BAGE 147, 251). Die Bindung des Arbeitgebers während der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ist mit Rücksicht auf seinen Grundrechtsschutz nach Art. 12 GG(vgl. hierzu BAG 24. Januar 2008 - 6 AZR 96/07 - Rn. 35; 28. Juni 2007 - 6 AZR 750/06 - Rn. 40, BAGE 123, 191) gering ausgeprägt. Der Arbeitgeber kann aus Motiven kündigen, die weder auf personen-, verhaltens- noch betriebsbedingten Erwägungen beruhen, solange die Kündigung nicht aus anderen Gründen (zB §§ 138, 242 BGB) unwirksam ist. Es bedarf noch nicht einmal irgendwie gearteter „Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis“ iSv. § 84 Abs. 1 SGB IX.

30

(3) Dies gilt auch dann, wenn es um die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen geht. Gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX gilt auch der präventive Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen nicht für Kündigungen, die in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Das Integrationsamt ist in diesen Fällen vor Ausspruch der Kündigung nicht zu beteiligen. Der Arbeitgeber hat solche Kündigungen nach § 90 Abs. 3 SGB IX nur innerhalb von vier Tagen dem Integrationsamt anzuzeigen. Mit § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX hat der Gesetzgeber die Grundrechtspositionen des schwerbehinderten Arbeitnehmers einerseits und des Arbeitgebers andererseits in einen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechenden Ausgleich gebracht. Danach hat der Arbeitgeber auch bei schwerbehinderten Arbeitnehmern die Gelegenheit, die Einsatzmöglichkeiten weitgehend frei von Kündigungsbeschränkungen zu erproben (vgl. etwa BAG 24. Januar 2008 - 6 AZR 96/07 - Rn. 35; 28. Juni 2007 - 6 AZR 750/06 - Rn. 40, BAGE 123, 191).

31

(4) Dafür, dass § 84 Abs. 1 SGB IX den schwerbehinderten Menschen nicht vor einer Kündigung schützen soll, die - wie hier - vor Ablauf der in § 1 Abs. 1 KSchG bestimmten Wartezeit von sechs Monaten ausgesprochen wird, sprechen auch Gründe der Praktikabilität der Regelung.

32

Ein Arbeitgeber, der einen schwerbehinderten Menschen beschäftigt, ist nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht ohne Weiteres verpflichtet, zu dessen Gunsten ein Präventionsverfahren durchzuführen. Hinzukommen muss, dass bereits Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis des schwerbehinderten Menschen eingetreten sind. Dabei erschöpft sich das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht in einer bloßen Anhörung der in dieser Bestimmung genannten Teilnehmer. Vielmehr hat der Arbeitgeber mit der Schwerbehindertenvertretung und den in § 93 SGB IX genannten Vertretungen sowie mit dem Integrationsamt alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können. § 84 Abs. 1 SGB IX erfordert damit einen umfassenden wechselseitigen Austausch von Erkenntnissen, zB über die Ursachen der Schwierigkeiten und über zur Verfügung stehende, auch mögliche finanzielle Hilfen sowie der Auffassungen dazu, ob und ggf. mit welchen konkreten Maßnahmen den im Einzelfall bestehenden Schwierigkeiten wirksam begegnet werden kann. Ein solches Verfahren ist zeitaufwändig und kann bei typisierender Betrachtung nur dann sinnvoll praktiziert werden, wenn es nicht vor Ablauf der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG abgeschlossen sein muss. Andernfalls hinge der mit § 84 Abs. 1 SGB IX bezweckte Schutz des schwerbehinderten Menschen davon ab, zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG sich die Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis einstellen und ob dann noch genügend Zeit verbleibt, das Präventionsverfahren durchzuführen. Dass der Gesetzgeber den mit dem Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX verfolgten Zweck, schwerbehinderte Menschen vor einem Verlust des Arbeitsplatzes zu schützen, von derartigen Zufälligkeiten abhängig machen wollte, ist indes fernliegend.

33

3. Der Senat hatte nicht zu prüfen, ob das beklagte Land der Klägerin dadurch eine angemessene Vorkehrung iSv. Art. 5 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK vorenthalten hatte, dass es ihr keine längere Einarbeitungs- bzw. Bearbeitungszeit zugebilligt hatte. Hierüber haben die Parteien in der Revisionsinstanz nicht mehr gestritten.

34

II. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang    

        

        

        

    Lüken    

        

    Stefan Soost    

                 

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.