Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 27. März 2018 - AN 4 S 18.00492

27.03.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen einen Bescheid der Regierung von … auf Grundlage der Bundesärzteordnung (BÄO), mit dem u.a. unter Anordnung des Sofortvollzuges das Ruhen der Approbation und die Übermittlung der Approbationsurkunde angeordnet wird.

Der 1956 geborene Antragsteller ist Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie. Er hat seine Approbation mit Datum vom 30. April 1985 vom Bayerischen Staatsministerium des Innern erhalten.

Er betreibt mit zwei weiteren Ärzten (…) eine Gemeinschaftspraxis in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (nachfolgend: Gemeinschaftspraxis GbR). Die Gemeinschaftspraxis GbR und insbesondere der Antragsteller bildeten seit 1994 Auszubildende für den Beruf des/der Medizinischen Fachangestellten aus.

Der Gemeinschaftspraxisvertrag zwischen den drei Ärzten als geschäftsführende Gesellschafter trifft in den §§ 14 und 16 Regelungen zur Verteilung von Gewinn und Verlust.

Die Bayerische Landesärztekammer untersagte dem Antragsteller wegen einer Anklageerhebung aufgrund von Sexualdelikten gegenüber Auszubildenden mit Bescheid vom 27. Dezember 2017 das Einstellen und Ausbilden von Auszubildenden und erklärte den Bescheid für sofort vollziehbar, da zu diesem Zeitpunkt noch eine Auszubildende, Frau …, in der Gemeinschaftspraxis GbR beschäftigt war. Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 31. Januar 2018 wurde diesbezüglich ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt (AN 4 S 18.00018). Das Ausbildungsverhältnis wurde einvernehmlich zum 31. Januar 2018 durch einen Aufhebungsvertrag vom 23. Januar 2018 aufgehoben. Gemäß einem Schreiben vom 7. Februar 2018, das von den drei Gesellschaftern der Gemeinschaftspraxis GbR unterschrieben ist, sind derzeit keine Auszubildenden in der Gemeinschaftspraxis GbR beschäftigt und bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegen den Antragsteller würden auch keine Neueinstellungen von Auszubildenden erfolgen.

Vom 1. September 2016 bis zu einer fristlosen Kündigung am 25. August 2017 standen Frau …, geboren am …2001, sowie von 2014 bis August 2017 Frau …, geboren am … 1998, in einem Ausbildungsverhältnis mit der Gemeinschaftspraxis GbR.

Der Antragsgegner wurde mit Schreiben vom 19. Dezember 2017 von dem Ärztlichen Bezirksverband … über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren zulasten des Antragstellers informiert. Die Staatsanwaltschaft … übermittelte dem Antragsgegner mit Fax vom 4. Januar 2018 eine Anklageschrift, aus der hervorgeht, dass gegen den Antragsteller Anklage wegen mehrerer Sexualdelikte gegenüber den beiden ehemaligen Auszubildenden … und … (§§ 174 Abs. 1 Nr. 2, 174c Abs. 1, 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, 184i Abs. 1, Abs. 3, 223 Abs. 1, 230 Abs. 1, 52, 53 StGB) erhoben worden ist.

Neben zwei Schlägen auf das Gesäß und einen Kuss auf den Nacken einer Auszubildenden soll der Antragsteller auch im Rahmen einer vorgeblichen Studie außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten (Freitagabends und Samstag) Ultraschalluntersuchungen an einer weiteren Auszubildenden vorgenommen haben, die sich auf den Genitalbereich der Auszubildenden bezogen hätten. In diesem Zusammenhang ist der Antragsteller nach Anklageschrift in zwei Fällen mit dem Finger in die Scheide der Auszubildenden eingedrungen. Zudem habe er die Auszubildende das Ultraschallgerät an sich selbst nach seinen Vorgaben nutzen lassen; dabei sei auch sein Genitalbereich „untersucht“ worden. Hinsichtlich weiterer Details wird auf die Anklageschrift verwiesen.

Auf Grund dieser Erkenntnisse wandte sich der Antragsgegner erstmals mit Schreiben vom 9. Januar 2018 an den Antragsteller und teilte diesem, mit Verweis auf die in der Anklageschrift enthaltenen Tatvorwürfe, mit, dass beabsichtigt sei, das Ruhen der Approbation sowie die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme anzuordnen. Dem Antragsteller wurde, nach zwischenzeitlicher Gewährung einer Fristverlängerung, Gelegenheit gegeben, sich bis zum 20. Februar 2018 hierzu zu äußern.

In seinem Schreiben vom 20. Februar 2018 führte der anwaltliche Vertreter des Antragstellers u.a. Folgendes aus:

Die Voraussetzungen für das Ruhen der Approbation liegen nicht vor. In tatsächlicher Hinsicht wurde vorgetragen, dass der Antragsteller nicht vorbestraft und es unklar sei, ob das strafgerichtliche Hauptverfahren überhaupt eröffnet werde. Zudem wurde unter Vorlage des Aufhebungsvertrages vom 23. Januar 2018 und der Erklärung über den Verzicht zur Einstellung neuer Auszubildender vom 7. Februar 2018 als Anlagen zu dem Schreiben mitgeteilt, dass bis zu dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens keine neuen Auszubildenden eingestellt werden.

Im Rahmen einer rechtlichen Würdigung wurde ausgeführt, dass es an einer „erheblichen Wahrscheinlichkeit“ bzw. einer „sehr hohen Wahrscheinlichkeit“ für eine strafrechtliche Verurteilung fehlen würde. Da man lediglich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft … zu Grunde legte, jedoch keine eigenen Ermittlungen durchführte, sei der Untersuchungsgrundsatz (Art. 24 BayVwVfG) verletzt. Das Ruhen der Approbation würde auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen, da dies nur zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter zulässig sei. Da keine Auszubildenden mehr beschäftigt würden, existiere eine Wiederholungsgefahr nicht. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft würden sich nicht auf die Behandlung von Patientinnen erstrecken. Zudem bestünden mildere Mittel, indem z.B. lediglich die körperliche Untersuchung von Patientinnen untersagt würde oder Patientinnen nur noch in Anwesenheit von Mitarbeitern körperlich untersucht werden dürfen. Eine Anordnung des Sofortvollzuges sei nicht möglich, da keine konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter gegeben sei, wobei der Antragsgegner die Feststellungslast hierzu trage.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2018 übermittelte das Landgericht … dem Antragsgegner die Strafakte zur Einsichtnahme. Der Antragsgegner fertigte u.a. von den Zeugeneinvernahmen von Angestellten und ehemaligen Angestellten der Gemeinschaftspraxis GbR sowie weiteren Unterlagen Kopien an, die er zur Behördenakte nahm.

Am 1. März 2018 wurde ein Bescheid mit folgendem Inhalt erlassen:

„1. Das Ruhen der Herrn … mit Wirkung vom 30. April 1985 durch das Bayerische Staatsministerium des Innern erteilten Approbation als Arzt wird angeordnet.

2. Die unter Nr. 1 bezeichnete Urkunde wird eingezogen. Herr … ist verpflichtet, der Regierung von … das Original seiner Approbationsurkunde sowie sämtliche in seinem Besitz befindlichen Ausfertigungen, Zweitschriften und beglaubigten Kopien davon bis spätestens 26. März 2018 zu übermitteln.

3. Die sofortige Vollziehung der Nummern 1. und 2. dieses Bescheids wird angeordnet.“

Unter Ziffer 4. des Bescheides wurde zudem ein Zwangsgeld angedroht. In Ziffer 6. des Bescheides wurden Kosten i.H.v. 400,00 EUR geltend gemacht.

Der Bescheid stützt sich in tatsächlicher Hinsicht maßgeblich auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO seien gegeben. Mildere Mittel, wie die Beschränkung auf bestimmte Patientengruppen oder die Anordnung von Auflagen oder Nebenbestimmungen, seien wegen der Unteilbarkeit der Approbation nicht möglich. Die in einem Schreiben vom 20. Februar 2018 erklärte Selbstbeschränkung sei rechtlich nicht vorgesehen und auch nicht zulässig, da dies dem Wesen der Approbation widerspreche und gerade zentrales Unterscheidungsmerkmal zur zeitlich oder sachlich einschränkbaren Berufserlaubnis nach §§ 8,10 BÄO ist. Eine Selbstbeschränkung sei zudem unpraktikabel und in keiner Weise kontrollierbar. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ergehe zum Schutz der ordnungsgemäßen Gesundheitsfürsorge der Bevölkerung. Hinsichtlich weiterer Details wird auf den Bescheid verwiesen.

Mit Schreiben vom 9. März 2018, am selben Tag bei Gericht eingegangen, erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid (AN 4 K 18. 00493), über die bisher noch nicht entschieden worden ist.

Mit weiterem Schreiben vom 9. März 2018, ebenfalls am selben Tag bei Gericht eingegangen, wurde zudem beantragt,

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Regierung von … vom 1. März 2018 (Az.: …) wird wiederhergestellt, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben.

Zur Begründung wurde zunächst der Sachverhalt wiedergegeben, wobei auch auf das Schreiben vom 20. Februar 2018 und die dortigen Anlagen verwiesen wurde. Dabei wurde hervorgehoben, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft … sich auf Übergriffe gegen Auszubildende beschränken würden.

Die Anforderungen an die Begründung im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO seien nicht erfüllt worden. Zur Begründung des Sofortvollzuges seien lediglich die Ausführungen zum Ruhen der Approbation wiederholt worden.

Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes sei die Anordnung des Sofortvollzuges ein selbstständiger Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und deshalb nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (BVerfG, B.v. 19.12.2007 – 1 BvR 2157/07). Dem Antragsteller würden lediglich Taten gegenüber Auszubildenden vorgeworfen, nicht aber gegenüber Patienten. Da keine Auszubildenden mehr beschäftigt werden, fehle es an einer belastbaren Tatsachengrundlage für eine Wiederholungsgefahr. Der Antragsgegner sei seiner Feststellungslast jedenfalls nicht nachgekommen.

Der Antragsgegner verkenne zudem die Bedeutung einer Selbstbeschränkung. Diese sei milderes Mittel gegenüber einer Ruhensanordnung der Approbation sowie der Anordnung eines Sofortvollzuges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr. Daher sei es unerheblich, ob die Approbation rechtlich teilbar sei. Die von dem Antragsteller unterbreitete Selbstbeschränkung künftig lediglich männliche Patienten zu untersuchen, sei anhand von Dokumentationen und Abrechnungen kontrollierbar.

Vorsorglich erklärte der anwaltliche Bevollmächtigte namens und im Auftrag des Antragstellers folgende Selbstbeschränkung:

„Für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Regierung von … vom 1. März 2018 (Az.: …) wiederhergestellt wird, verpflichtet sich der Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des auf der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … vom 4. Dezember 2017 (Az.: …) beruhenden Strafverfahrens keine Patientinnen mehr körperlich zu untersuchen.“

Aus Sicht der beiden Mitgesellschafter könne der Praxisbetrieb entsprechend der vorgenannten Selbstbeschränkung organisiert werden.

Auch die Anordnung des Ruhens der Approbation sei rechtswidrig, da gegen den Antragsteller mangels „erheblicher Wahrscheinlichkeit“ bzw. einer „sehr hohen Wahrscheinlichkeit“ einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung kein Verdacht einer Straftat bestehe. Mangels diesbezüglicher eigener Ermittlungen des Antragsgegners liege zudem ein Begründungsdefizit und eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes vor.

Die Anordnung sei unverhältnismäßig, da keine Auszubildenden mehr beschäftigt würden und somit keine Wiederholungsgefahr existiere. Weitere Gefahren seien nicht konkret dargelegt worden. Jedenfalls bestünden mildere Mittel, hinsichtlich derer auch eine entsprechende Selbstbeschränkungserklärung abgegeben wurde.

In einem weiteren Schreiben vom 20. März 2018 ergänzte der anwaltliche Bevollmächtigte des Antragstellers, dass dem Antragsgegner der Ausnahmecharakter der sofortigen Vollziehung nicht bewusst gewesen sei.

Zudem sei die Selbstbeschränkung nicht eingehend geprüft worden.

Des Weiteren habe der Antragsgegner mangels eigener Ermittlungen den Untersuchungsgrundsatz aus Art. 24 BayVwVfG und die Nichtbeachtung der Selbstbeschränkung den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

Betont wurde nochmals, dass keine Übergriffe auf Patienten im Raum stünden.

Eine konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter müsse sowohl für den Fall der Unwürdigkeit als auch der Unzuverlässigkeit gegeben sein.

Mit Schreiben vom 14. März 2018 erwiderte der Antragsgegner und beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde auf den streitgegenständlichen Bescheid vom 1. März 2018 verwiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Antragsgegner der Ausnahmecharakter der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen sei (S. 14 ff. des Bescheides). Mit der Selbstbeschränkung habe man sich im Rahmen des Bescheides (dort Seite 11 f.) auseinandergesetzt. Es liege eine konkrete Gefahr vor. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich auch aus den Zeugenvernehmungen, gemäß denen über Jahre hinweg den weiblichen Angestellten durch den Antragsteller „hinterhergestellt“ wurde. Es lag somit nicht lediglich ein „Augenblicksversagen“ oder ein „Moment der Schwäche“ vor. Ähnliche Vorfälle seien daher zu befürchten. Bei Sexualdelikten sei zum Schutz von Patientinnen und weiblichen Mitarbeiterinnen in der Rolle von Patientinnen ein sofortiges behördliches Handeln erforderlich.

Eine konkrete Gefahr ergebe sich auch unter dem Aspekt der beruflichen Unwürdigkeit des Antragstellers. Der Patientenschutz sowie der Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität der Ärzteschaft würden es erfordern, Maßnahmen kurzfristig wirksam werden zu lassen.

Zudem sei wegen § 2 Abs. 2 BÄO die Approbation rechtlich unteilbar und könne nicht mit Auflagen versehen werden, weshalb diesbezüglich keine milderen Mittel vorliegen würden. Mit Verweis auf das Verwaltungsgericht Köln (B.v. 16.1.2014 – 7 L 2009/13) seien Untersuchungsdokumentationen nicht ausreichend, um ein Fehlverhalten künftig auszuschließen und eignen sich zudem nicht, dem bei der Bevölkerung hervorgerufenen Vertrauensverlust zu begegnen.

Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „wegen des Verdachts einer Straftat“ sei es gefestigte Rechtsprechung, dass die Behörde nicht selbst Beweis erheben oder in eine Amtsermittlung eintreten müsse. Es sei vorrangige Aufgabe der Strafgerichte die Frage der Schuld zu beurteilen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, die insbesondere die Anklageschrift gegen den Antragsteller (Staatsanwaltschaft …, Az.: …) sowie die von der Kriminalpolizei … durchgeführten Zeugenvernehmungen (Az.: …) enthalten, zu dem streitgegenständlichen Verfahren verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag (I.) ist unbegründet (II.).

I.

Der Antrag ist zulässig.

Die erkennende Kammer geht in einer Gesamtschau mit der ebenfalls erhobenen Klage (AN 4 K 18.00493) davon aus, dass sich das vorläufige Rechtsschutzziel auf die Ziffern 1., 2., 4. und 6. des Tenors des angegriffenen Bescheids bezieht.

Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach ist gem. § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO örtlich zuständig, da die Regierung … gem. § 12 Abs. 4 Satz 1 BÄO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr.... HeilBZustV für den Vollzug der Bundesärzteordnung in den Regierungsbezirken … zuständig ist und es daher entscheidend auf den Sitz bzw. Wohnsitz des Antragstellers in … ankommt.

II.

Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erweist sich jedoch insgesamt als unbegründet.

Die Begründung des Sofortvollzuges entspricht den gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO (1.) und der Rechtsbehelf in der Hauptsache hat nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg (2.).

1. Die im angefochtenen Bescheid angegebene Begründung für die auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gestützte Anordnung der sofortigen Vollziehung von Ziffer 1. und 2. des Bescheides genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Das in § 80 Abs. 3 VwGO normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht nur formeller Natur. Es bedarf insoweit einer schlüssigen, konkreten Auseinandersetzung im Einzelfall unter substantiierter Darlegung der wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen, die zur Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung und damit zum Gebrauch der Anordnungsmöglichkeit aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO geführt haben (BayVGH vom 17.9.1982, BayVBl 1982, 756). Zweck der Begründung ist dabei, die Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollziehungsanordnung veranlasst haben, ihre Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 84). Die Anforderungen an eine Begründung im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO dürfen jedoch nicht überspannt werden (OVG RhPf, B.v. 3.4.2012 – 1 B 10136/12 – juris Rn. 13). Erst bei der umfassenden vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO ist zu prüfen, ob die Erwägungen der Behörde auch inhaltlich im Sinne des objektiven Rechts und der Interessen der Beteiligten vollständig zutreffend sind.

Der Antragsgegner hat vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im streitgegenständlichen Bescheid damit begründet, dass der Schutz der ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und der abstrakte Schutz des unverzichtbaren Vertrauens der Öffentlichkeit in den Berufsstand des Arztes bezweckt seien. Die weitere Begründung der Sofortvollzugsanordnung setzt sich mit den Besonderheiten des streitgegenständlichen Falles auseinander und ist nicht lediglich schematisch erfolgt. Insbesondere hat der Antragsgegner durch die Formulierung auf den Seiten 14 ff. des streitgegenständlichen Bescheides berücksichtigt, dass die sofortige Vollziehung einen selbstständigen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 GG des Antragstellers darstellt und dessen Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verkürzt. Dem formellen Begründungserfordernis wurde damit unabhängig davon Rechnung getragen, inwieweit die Begründung inhaltlich zu tragen vermag.

Dem angeordneten Sofortvollzug steht auch nicht entgegen, dass das so umschriebene Vollzugsinteresse letztlich mit dem Interesse am Erlass der getroffenen Anordnung identisch ist. Dies ist ausnahmsweise dann nicht zu beanstanden, wenn der mit dem Verwaltungsakt angestrebte Gesetzeszweck ohne Vollzugsanordnung nicht erreicht werden kann, was im Gefahrenabwehrrecht stets in Betracht zu ziehen ist (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 92, 98). So verhält es sich auch hier, da der mit der BÄO bezweckte Schutz der Patienten und das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand des Arztes nicht erreichbar wäre, müsste die Aufsichtsbehörde zunächst die Bestandskraft einer auf § 6 BÄO gestützten Anordnung abwarten.

Zudem wurde dem Antragsteller mit dem Schreiben vom 9. Januar 2018 die Möglichkeit eröffnet, sich neben dem Ruhen der Approbation auch zur sofortigen Vollziehung zu äußern. Demnach wäre sogar dem Erfordernis von Art. 28 BayVwVfG (sofern man dessen analoge Anwendung bejahen würde) in ausreichender Weise Rechnung getragen worden.

Hinsichtlich Ziffer 4. und 6. des Bescheides entfällt die aufschiebende Wirkung bereits kraft Gesetzes (Art. 21a BayVwZVG bzw. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO), so dass es diesbezüglich keiner Begründung des Sofortvollzuges bedurfte.

2. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache im Fall des angeordneten Sofortvollzuges (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht hat hierbei eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 146). Bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache ein wesentliches, aber nicht stets das alleinige Indiz für oder gegen den gestellten Antrag. Im vorliegenden Fall ist darüber hinaus die Bedeutung der sofortigen Vollziehung für die grundrechtlichen Positionen des Antragstellers besonders zu würdigen.

Dies zugrunde gelegt, ist der in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Bescheid (2.1.) zur Anordnung des Ruhens der Approbation rechtmäßig (2.2.) und auch nach einer Gesamtinteressenabwägung müssen die Interessen des Antragstellers trotz eines schweren Eingriffs in Art. 12 GG im Ergebnis diesbezüglich zurückstehen (2.3). Auch die getroffenen Nebenentscheidungen, namentlich die Herausgabe der Approbationsurkunde (2.4.), die Androhung eines Zwangsgeldes (2.5.) und die Erhebung von Kosten (2.6.) sind nach summarischer Prüfung rechtmäßig, weshalb der Antrag insgesamt abzulehnen war.

2.1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig, da insbesondere eine Anhörung erfolgte.

Die Regierung von … ist gem. § 1 Abs. 1 Nr.... HeilBZustV für den Vollzug der Bundesärzteordnung in den Regierungsbezirken … zuständig und aufgrund des Sitzes bzw. Wohnsitzes des Antragstellers in … zuständige Behörde.

Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 9. Januar 2018 mit, dass er beabsichtige das Ruhen der Approbation zu verfügen. Zur Begründung wurde auf die dem Antragsteller vorgeworfenen Straftaten verwiesen. Das Schreiben stellt eine Anhörung im Sinne des Art. 28 BayVwVfG dar und war im Betreff auch als solches bezeichnet. Dem Antragsteller wurde so die Möglichkeit eröffnet, sich zu den erhobenen Vorwürfen sowie dem beabsichtigten weiteren Vorgehen zu äußern, wovon er durch seinen anwaltlichen Bevollmächtigten auch Gebrauch gemacht hat. Sinn und Zweck der Norm wurde daher genügt. Die von dem Antragsteller behauptete Verletzung seines rechtlichen Gehörs (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG und Art. 103 Abs. 1 GG) und der geltend gemachte Begründungsmangel liegen daher nicht vor. Inwieweit das in dem Schreiben vom 20. Februar 2018 erfolgte Vorbringen gewürdigt wurde, ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit.

2.2. Die Anordnung des Ruhens der Approbation ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Da somit ein Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg hätte, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO diesbezüglich abzulehnen.

Wegen § 6 Abs. 2 BÄO ist für die gerichtliche Überprüfung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (OVG Saarland, U.v. 29.11.2005 – 1 R 12/05 – juris Rn. 61), hier also der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.

Bereits die Anordnung des Ruhens der Approbation ist eine Präventivmaßnahme nach Art eines vorläufigen Berufsverbots, durch die schwerwiegend in Grundrechte des Betroffenen eingegriffen wird. Das Bundesverfassungsgericht hat daher schon wiederholt klargestellt, dass schon die Grundverfügung nur zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig ist und daher bereits strenge Anforderungen an den Erlass der Grundverfügung zu stellen sind (BVerfG, B.v. 19.12.2007 – 1 BvR 2157/07 – juris Rn. 34). Der Antragsgegner hat dies berücksichtigt (S. 9 f. des Bescheides).

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO sind nach der Überzeugung der Kammer erfüllt (2.2.1.). Zudem leidet der Bescheid nicht an Ermessensfehlern und auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist gewahrt (2.2.2.).

2.2.1. Für die Anordnung ist § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO die einschlägige Rechtsgrundlage. Danach kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist.

a. Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist Voraussetzung, dass der Arzt die ihm vorgeworfene Straftat mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen hat (BayVGH, B.v. 26.7.2010 – 21 CS 10.1334 – juris Rn. 7). In diesem Zusammenhang ist es nicht von Relevanz, dass der Bejahung oder Verneinung der Verurteilungswahrscheinlichkeit im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eine Unsicherheit im Verhältnis zu dem tatsächlichen Ausgang des Strafprozesses immanent ist. Denn das Verwaltungsgericht ist nicht gehalten, selbst in die Erhebung der im Ermittlungs- und Strafverfahren aufgebotenen Beweise oder gar in eine Amtsermittlung einzutreten und gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Strafgericht parallelen Strafprozess durchzuführen (OVG Saarland, U.v. 29.11.2005 – 1 R 12/05 – juris Rn. 83). Vor diesem Hintergrund besteht der von dem Antragsteller gerügte Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz gem. Art. 24 BayVwVfG bzw. ein Begründungsmangel gem. Art. 39 BayVwVfG nicht.

Allerdings sind an den strafrechtlichen Vorwurf strenge Anforderungen zu stellen. Der Verdacht einer Straftat muss sich bereits so konkretisiert haben, dass die Gründe, die ein weiteres Zuwarten ausschließen, in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen; die Straftat muss vom Deliktscharakter, von der Begehungsweise oder von den Tatfolgen her gravierend und die Anordnung des Ruhens der Approbation zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten sein (BVerfG, B.v. 19.12.2007 – 1 BvR 2157/07 – juris Rn. 21; OVG NRW, B.v. 19.7.2013 – 13 A 1300/12 – juris Rn. 8).

Die Staatsanwaltschaft … hat gegen den Antragsteller Anklage wegen sexueller Belästigung in drei Fällen und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses und sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses in vier Fällen, in zwei Fällen mit Vergewaltigung, in einem dieser Fälle mit Körperverletzung, erhoben.

Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse hat sich der strafrechtliche Verdacht so weit verdichtet, dass bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen ist, dass der Antragsteller mit erheblicher Wahrscheinlichkeit wegen der ihm vorgeworfenen Sexualdelikte verurteilt werden wird. Diese Einschätzung stützt das Gericht maßgeblich auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … sowie die bei der Kriminalpolizei … erfolgten Zeugenaussagen. Den dort gegen ihn erhobenen Vorwürfen ist der Antragsteller im Übrigen im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch nicht entgegengetreten.

Bezüglich einer ehemaligen noch minderjährigen Auszubildenden, Frau …, hat der Antragsteller dieser in offenbar sexuell bestimmter Weise nach dem 9. November 2016 zweimal auf das Gesäß geschlagen. Zudem hat er sie in dem Zeitraum vom 1. Juli bis 3. August 2017 in offenbar sexuell bestimmter Weise entgegen ihren Willen auf den Nacken geküsst und bei einer Untersuchung mit einem Stethoskop aufgrund einer fiebrigen Erkältung, mithin also in einem Arzt-Patienten-Verhältnis, deren Brust mit der ganzen Hand berührt. Ohne erkennbare medizinische Notwendigkeit wurde vom Antragsteller, einem Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie, mithin also nicht einem Urologen bzw. Gynäkologen, bei der ehemaligen Auszubildenden eine Ultraschalluntersuchung an Blase und Gebärmutter durchgeführt (S. 2 der Anklageschrift; Bl. 7 der Behördenakte).

Hinsichtlich einer weiteren ehemaligen volljährigen Auszubildenden, Frau …, führte der Antragsteller in der Zeit vom 30. März 2016 bis Januar/Februar 2017 im Rahmen einer vorgeblichen Studie gegen Zahlung von 25,00 EUR pro Untersuchung ebenfalls Ultraschalluntersuchungen durch, wobei es zu sexuellen Übergriffen auf die Auszubildende kam. Der Antragsteller hat dabei auch seinen Finger in zwei Fällen in die Scheide der Auszubildenden eingeführt. Zudem ließ er eine Ultraschalluntersuchung nach seinen Vorgaben an sich durch die Auszubildende durchführen, unter anderem auch in seinem Intimbereich. Erschwerend kommt hinzu, dass der Antragsteller laut Anklageschrift seine Taten teilweise Freitag nachmittags oder an Samstagen beging, da zu diesen Zeiten keine weiteren Personen anwesend waren, die der Auszubildenden zu Hilfe kommen könnten (S. 3 f. der Anklageschrift; Bl. 7 f. der Behördenakte).

Eine ehemalige Mitarbeiterin gab zudem an, dass auch sie einmal eine Prostatauntersuchung mit dem Ultraschallgerät unweit des Schambereichs des Antragstellers durchführte (S. 6 des Schlussberichts vom 15.9.2017; Bl. 96 der Behördenakte). Nach Angabe der beiden Auszubildenden habe der Antragsteller oft gezielt jüngere und attraktive Patientinnen behandelt, obwohl es nicht „seine“ Patientinnen waren (S. 5 des Maßnahmeberichts der Kriminalpolizei vom 5.8.2017; Bl. 81 der Behördenakte). Erschwerend kommt hinzu, dass weitere Zeugen, unter anderem eine für die Praxisorganisation und Abrechnung zuständige Angestellte, bestätigten, dass eine der ehemaligen Auszubildenden während des Spätdienstes der anderen ehemaligen Auszubildenden freiwillig in der Praxis geblieben sei, um weitere Übergriffe zu verhindern (S. 8 der Anklageschrift; Bl. 10 der Behördenakte). Weitere Zeugen geben an, dass der Antragsteller sexuell eingefärbte Scherze gemacht habe. Durch einen Mitgesellschafter der Praxisgemeinschaft wurde ein Schlag des Antragstellers auf das Gesäß einer Auszubildenden beobachtet (S. 13 des Maßnahmeberichts der Kriminalpolizei vom 5.8.2017; Bl. 103 der Behördenakte). Eine Zeugin berichtete, dass sie mehrmals beobachtet habe, dass der Antragsteller den Auszubildenden auf das Gesäß schlug und sie zudem einmal in der Umkleide war, als der Antragsteller hineinkam und einer lediglich mit einem Tanga bekleideten Auszubildenden an die Unterhose griff und fragte, ob das ihr Bikini sei (S. 10 des Maßnahmeberichts der Kriminalpolizei vom 5.8.2017; Bl. 100 der Behördenakte). Der Antragsteller sei wohl häufiger in der Umkleide aufgetaucht, wenn sich die Auszubildenden umgezogen haben (S. 5 des Maßnahmeberichts der Kriminalpolizei vom 5.8.2017; Bl. 95 der Behördenakte).

Der Antragsteller ist den Vorwürfen, wie bereits ausgeführt, bisher inhaltlich nicht entgegengetreten. Gemäß der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … vom 4. Dezember 2017 haben die ehemaligen Auszubildenden ihre Aussagen widerspruchsfrei und unter Benennung zahlreicher Details abgegeben (S. 7 f. der Anklageschrift; Bl. 9 f. der Behördenakte). Die erkennende Kammer sieht keinen Anlass, diese Aussagen im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren als unglaubwürdig einzustufen, zumal die beiden Auszubildenden unabhängig voneinander berichteten, dass es zu sexuellen Handlungen ihnen gegenüber kam und die Schilderungen auch hinsichtlich deren Abläufe Parallelitäten aufwiesen (S. 2 ff. des Maßnahmeberichts der Kriminalpolizei vom 5.8.2017; Bl. 78 ff. der Behördenakte). Zu den Übergriffen kam es auch anlässlich der Untersuchung einer fiebrigen Erkältung bzw. von Blutdruck-/Kreislaufbeschwerden (S. 4 f. des Maßnahmeberichts der Kriminalpolizei vom 5.8.2017; Bl. 80 f. der Behördenakte), so dass auch ein Arzt-Patienten-Verhältnis vorlag, was der anwaltliche Vertreter des Antragstellers im vorliegenden Fall verkennt.

Nach einer summarischen Prüfung besteht daher aus Sicht der erkennenden Kammer eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat. Dabei handelt es sich auch um mehrere gravierende Taten, die noch dazu gegenüber einer Minderjährigen begannen wurden unter Ausnutzung des bestehenden Ausbildungsverhältnisses, sowie seiner ärztlichen Stellung.

Hinsichtlich des Vorbringens des Antragsstellers auf die mit Freisprüchen abgeschlossenen Strafverfahren gegen die Moderatoren … und … sowie die Presseerklärung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V., wonach bei Vergewaltigungen nur in 8,4% der Fälle eine strafrechtliche Verurteilung erfolge, ist anzumerken, dass diese keinen konkreten Bezug zu dem hier vorliegenden Fall haben und die Regierung von … wegen § 6 Abs. 2 BÄO bei neueren Erkenntnissen die Anordnung aufzuheben hat. Auf die strafrechtliche Unschuldsvermutung kann sich der Antragsteller in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg berufen. Zwar hat die Behörde zu bedenken, dass die Unschuldsvermutung eine besondere Ausprägung des verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzips ist, das verlangt, dass dem Betroffenen in einem justizförmigen Verfahren, das eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte gewährleistet, Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen und bis zum Nachweis der Schuld seine Unschuld vermutet wird. Allerdings heißt das nicht, dass das Prinzip der Unschuldsvermutung vor einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung es generell verbietet, bereits an den Verdacht einer näher qualifizierten Straftat berufsrechtliche Maßnahmen zu knüpfen (VG Augsburg, B.v. 17.4.2012 – Au 2 S 12.360 – juris Rn. 17). Die Verwaltungsbehörden und -gerichte sind daher nicht grundsätzlich gehindert, die in staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren oder strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel – auch schon vor einer Verurteilung – einer eigenständigen Überprüfung im Hinblick darauf zu unterziehen, ob sich daraus hinreichende Grundlagen für approbationsrechtliche Maßnahmen ergeben. Dies gilt uneingeschränkt auch für Akten eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, das nicht zur Anklageerhebung geführt hat, weil insoweit ein gesetzliches Verwertungsverbot nicht besteht (BVerwG, B.v. 28.4.1998 – 3 B 174.97 – juris Rn. 4), und deshalb erst recht für Erkenntnisse aus einem Ermittlungsverfahren, in dem – wie hier – Anklage erhoben wurde. Eine strafrechtliche Verurteilung mit einer umfassenden Beweisaufnahme ist daher entgegen dem Vortrag des Antragstellers nicht erforderlich.

b. Die dem Antragsteller vorgeworfenen Straftaten begründen auch dessen Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs.

aa. Unzuverlässigkeit i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO ist gegeben, wenn der Arzt nicht die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seine beruflichen Pflichten als Arzt zuverlässig erfüllen wird (BVerwG, B.v. 2.11.1992 – 3 B 87/92 – juris Rn. 16). Dies bedeutet, dass sich aus der Straftat, derer der betroffene Arzt verdächtigt wird, im Wege der Prognose darauf schließen lassen muss, dass der Betroffene in Zukunft seinen beruflichen Pflichten nicht mehr vollumfänglich nachkommen wird. Zur ordnungsgemäßen Ausübung des ärztlichen Berufes gehören gerade ein fachlich beanstandungsfreies Handeln und auch die Pflicht, im Rahmen der Tätigkeit als Arzt Strafverstöße, vor allem berufsspezifische Strafdelikte, zu unterlassen. Unter Berücksichtigung der besonders einschneidenden Bedeutung der behördlichen Entscheidung im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG kommt als Prognosebasis jedoch nicht jede Straftat in Betracht. Vielmehr muss die Straftat, derer der Arzt verdächtigt wird, gravierend bzw. von einigem kriminellem Gewicht sein (VG Augsburg, U.v. 1.12.2016 – Au 2 K 16.578 – juris Rn. 25). Maßgeblich ist dafür die jeweilige Situation des Arztes im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, B.v. 9.11.2006 – 3 B 7.06 – juris Rn. 10, zu einem Widerruf der Approbation) sowie sein vor allem durch die Art, die Schwere und die Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordener Charakter (BVerwG, U.v. 27.10.2010 – 3 B 63.10 – juris Rn. 4).

Die dem Antragsteller zur Last gelegten Straftaten wurden gegenüber Auszubildenden begangen. Dabei hat der Antragsteller nicht nur den Umstand ausgenutzt, dass die Auszubildenden in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu dem Antragsteller standen, sondern auch im Rahmen von medizinisch Untersuchungen sowie einer angeblichen Studie die Straftaten begangen. Demnach befanden sich die Auszubildenden auch in einer Patientensituation. Von einem Arzt ist jedoch zu erwarten, dass er das sexuelle Selbstbestimmungsrecht seiner Auszubildenden (§ 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG) und Patienten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns: Jede medizinische Behandlung hat unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte des Patienten, insbesondere des Selbstbestimmungsrechts, zu erfolgen.) respektiert und diesbezüglich alles unterlässt, was strafrechtliche Relevanz hat. Im Fall des Antragstellers kommt erschwerend hinzu, dass er gezielt auf Momente gewartet hat, in denen keine weiteren Personen in der Praxis anwesend waren und eine Auszubildende noch minderjährig und damit besonders schutzbedürftig war. Die dem Antragsteller vorgeworfenen mehreren Straftaten, die sich zudem über einen längeren Zeitraum von 1,5 Jahren erstreckt haben, erlauben daher die Prognose, dass der Antragsteller auch künftig gegenüber Beschäftigten sexuell übergriffig werden könnte, v.a. wenn sich diese alleine mit dem Antragsteller in der Praxis aufhalten. Zudem weisen die Straftaten einen eindeutigen Berufsbezug auf. Zwar kann dem Akteninhalt nicht entnommen werden, dass der Antragsteller gegenüber anderen Patientinnen übergriffig wurde, jedoch wurde von einer Zeugin angegeben, dass der Antragsteller gezielt jüngere und attraktivere Patientinnen behandelte. Da der Antragsteller Kardiologe ist und somit auch Untersuchungen im Brustbereich durchführen muss, kann im Rahmen einer summarischen Prüfung und der diesbezüglichen Prognoseentscheidung nicht sicher ausgeschlossen werden, dass es auch zu Übergriffen auf Patientinnen kommen könnte, insbesondere wenn diese noch jünger sind und sich daher eventuell nicht gegen Übergriffe wehren können.

Der Antragsgegner hat sich hiermit auch auseinandergesetzt (S. 10 des Bescheides). Folglich liegt das von dem Antragsteller geltend gemachte Begründungsdefizit gem. Art. 39 BayVwVfG nicht vor. Der Antragsteller ist daher als unzuverlässig anzusehen.

bb. Unwürdigkeit i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO ist zu bejahen, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist (BVerwG, B.v. 9.1.1991 – ist 3 B 75/90 – juris Rn. 3).

Diese Definition knüpft die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen. Sie verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lässt. Der Tatbestand stellt nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint (BVerwG, B.v. 28.1.2003 – 3 B 149.02 – juris Rn. 4).

Die erkennende Kammer erachtet den Antragsteller auch als unwürdig im Sinne der vorstehenden Ausführungen. Gerade Kardiologen müssen Untersuchungen vornehmen, die einen engen Kontakt zum Patienten erfordern, wie das Abhören des Brustbereichs oder auch Untersuchungen mit dem Ultraschall. Gerade weibliche Patientinnen erwarten deshalb von dem behandelnden Arzt, dass dieser sie allein aus medizinischer Erforderlichkeit heraus untersucht, ohne dabei sexuelle Absichten zu verfolgen. Wenn ein Arzt mehrfach gegenüber Auszubildenden sexuell übergriffig wird, so ist dies ein Umstand, der die Unwürdigkeit des Arztes begründet. Die Berufsunwürdigkeit kann sich sowohl aus einem Verhalten gegenüber Patienten als auch aus einem sonstigen beruflichen oder sogar außerberuflichen Verhalten ergeben. Im vorliegenden Fall fanden die Übergriffe anlässlich einer vorgeblichen Studie bzw. bei ärztlichen Untersuchungen einer fiebrigen Erkältung statt. Es liegt daher eindeutig ein Berufsbezug vor, wobei sich die Auszubildenden auch in einem Patientenverhältnis befanden. Die Unwürdigkeit wäre aber selbst dann gegeben, wenn man der Auffassung nicht folgen würde, dass die Auszubildenden auch mit Patientinnen gleichzusetzen seien. Inwieweit die Verfehlungen wiederholt stattfinden oder öffentlich bekannt werden, ist nicht erheblich (OVG Hamburg, U.v. 11.4.2017 – 6 Bf 81/15.HBG – juris Rn. 239). Bei Vorliegen einer Straftat nach § 174c StGB, wie hier vorliegend, kann im Übrigen ohne weiteres von einer Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ausgegangen werden (VG Köln, B.v. 16.1.2014 – 7 L 2009/13 – juris Rn. 26; OVG SH, U.v. 15.7.2003 – 8 ME 96/03 – juris Rn. 12).

2.2.2. Mit Rücksicht auf die erhebliche Verurteilungswahrscheinlichkeit, die Schwere des Delikts, seinen engen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit und den hohen Rang der vor potentiellen künftigen Verletzungen zu schützenden Rechtsgüter erweist sich die seitens des Antragsgegners getroffene Anordnung des Ruhens der Approbation als ermessensfehlerfrei, insbesondere als verhältnismäßig.

Eine Anordnung auf Grundlage von § 6 Abs. 1 BÄO muss in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erfolgen. Das Gericht kann die Ermessensausübung lediglich im Rahmen des § 114 VwGO prüfen. Im Rahmen einer summarischen Prüfung konnten keine Ermessensfehler festgestellt werden. Der Antragsgegner hat erkannt und im Bescheid explizit ausgeführt, dass ihm ein Ermessen im Sinne des Art. 40 BayVwVfG zusteht.

Der Antragsgegner hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Interesse der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung und an der Gewährleistung des Patientenschutzes das konkrete Interesse des Antragstellers an der Ausübung seines Berufes überwiegt, auch wenn die Ruhensanordnung in die durch Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit eingreift. Der abstrakte Schutz des unverzichtbaren Vertrauens der Öffentlichkeit in den Berufsstand der Ärzte und der individuelle Schutz der Patientinnen und Angestellten verlangen es, einen Arzt, der sich aufgrund des begründeten Verdachts, unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses des sexuellen Missbrauchs von Patientinnen als berufsunwürdig und -unzuverlässig zeigt, von der Ausübung des ärztlichen Berufs vorläufig fernzuhalten. Ein milderes, zur Erreichung des mit der Ruhensanordnung verfolgten Ziels gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Die ärztliche Approbation berechtigt ihren Inhaber stets zur uneingeschränkten ärztlichen Berufsausübung. Die Approbation ist daher bedingungsfeindlich, so dass entgegen der Auffassung des Antragstellers der Erlass von Auflagen zur Approbation nicht möglich ist (BVerwG, U.v. 9.12.1998 – 3 C 4/98 – juris Rn. 22 ff.). Eine andere Auffassung würde gegen § 2 BÄO verstoßen. Nach § 2 Abs. 1 BÄO bedarf der Approbation als Arzt, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes den ärztlichen Beruf ausüben will. Als Ausübung des ärztlichen Berufs im Sinne dieser Bestimmung definiert § 2 Abs. 5 BÄO die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung „Arzt“ oder „Ärztin“. Hiernach berechtigt die Approbation zur dauernden und uneingeschränkten Ausübung der Heilkunde am Menschen unter der Berufsbezeichnung Arzt oder Ärztin. Die durch die Approbation verliehene Berechtigung ist somit unteilbar und einschränkenden Nebenbestimmungen nicht zugänglich. Anderes gilt lediglich für eine Erlaubnis nach § 10 BÄO. Der Antragsgegner hat sich im Übrigen auch mit diesen Gesichtspunkten auseinandergesetzt und insbesondere ausgeführt, dass die angebotenen Selbstbeschränkungen nicht kontrollierbar seien (S. 12 des Bescheides), weshalb jedenfalls eine inhaltliche Auseinandersetzung damit erfolgte. In diesem Zusammenhang vom Antragsteller angeführte Untersuchungsdokumentationen und eine Hinzuziehung von Angestellten schließen im Übrigen die Möglichkeit eines weiteren Fehlverhaltens bei einer fortgesetzten ärztlichen Tätigkeit nicht hinreichend aus und eigenen sich nicht dazu, dem Vertrauensverlust zu begegnen. Auch erfolgte eine Auseinandersetzung mit milderen Mitteln und dem Antragsteller wurde, ohne dass dies jedoch in den Tenor aufgenommen wurde, die Möglichkeit eröffnet, einen anderen Arzt gemäß § 6 Abs. 4 BÄO zu beauftragen. Demnach ist auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

Nach summarischer Prüfung ist somit die Anordnung des Ruhens der Approbation als rechtmäßig anzusehen. Eine Verletzung subjektiver Rechte des Antragsstellers ist daher nicht gegeben.

2.3. Hiervon ausgehend ist das Vollzugsinteresse der Öffentlichkeit höher zu bewerten als das Interesse des Antragstellers daran, von einer Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben. Dies gilt auch angesichts der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anordnung der sofortigen Vollziehung bei berufsrechtlichen Maßnahmen (BVerfG, B.v. 19.12.2007 – 1 BvR 2157/07 – juris Rn. 19 ff.).

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ruhens der Approbation ist als Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung und -wahl zu qualifizieren. Sie stellt einen selbständigen Eingriff dar, der eine eigenständige Prüfung am Maßstab dieser Verfassungsnorm erfordert. Ein präventives Berufsverbot ist nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die zu Grunde liegende Verfügung rechtmäßig ist und das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, reicht dabei für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht aus. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung setzt vielmehr voraus, dass überwiegende öffentliche Belange es ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt dabei von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter bzw. für Dritte befürchten lässt. Hierfür müssen konkrete Tatsachen vorliegen.

Als überwiegende öffentliche Belange kommen hier neben dem Schutz von weiblichen Beschäftigen und Patientinnen hinsichtlich deren Recht auf körperliche Unversehrtheit (2.3.1.) auch das im Verfassungsrang stehende Gemeinschaftsgut der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung (OVG SH, B.v. 21.5.2013– 8 LA 54/13 – juris Rn. 12) und der Schutz des unverzichtbaren Vertrauens der Öffentlichkeit in den Berufsstand der Ärzte in Betracht (2.3.2.). Auch eine Folgenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus (2.3.3.).

2.3.1. Die Anordnung eines Sofortvollzuges ist bereits nicht mehr erforderlich und muss daher unterbleiben, wenn schon der strafrechtliche Verfahrensdruck zu einer Verhaltensänderung jedenfalls für die Dauer des Hauptsacheverfahrens führt. Zudem sind auch Selbstbeschränkungen des Antragstellers zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 19.12.2007 – 1 BvR 2157/07 – juris Rn. 26 f.). Diese Voraussetzungen liegen aus Sicht der erkennenden Kammer jedoch nicht vor.

Im vorliegenden Fall ist zunächst zu berücksichtigen, dass derzeit keine Auszubildende von der Praxisgemeinschaft GbR beschäftigt wird. Zudem wurde durch die Gesellschafter der Praxisgemeinschaft GbR mit Schreiben vom 7. Februar 2018 versichert, dass auch keine Einstellung einer Auszubildenden vor Abschluss des Strafverfahrens gegen den Antragsteller erfolgen wird. Weiterhin ließ der Antragsteller durch seinen anwaltlichen Bevollmächtigten in seinem Schriftsatz vom 9. März 2018 im Rahmen einer Selbstbeschränkung erklären, dass der Antragsteller bis zum Abschluss des Strafverfahrens (Az.: …) keine weiblichen Patientinnen mehr körperlich untersuchen werde.

Eine derartige Selbstbeschränkung lässt zwar nicht per se das Erfordernis eines Sofortvollzuges entfallen, jedoch ist diese zu berücksichtigen und nur mit einer entsprechenden Begründung überwindbar.

Im Falle des Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass die ihm zur Last gelegten Straftaten gegenüber Auszubildenden vorgenommen wurden. Da solche derzeit nicht mehr beschäftigt werden, könnte dies grundsätzlich das Erfordernis eines Sofortvollzuges entbehrlich machen. Allerdings würde man dabei verkennen, dass der Antragsteller auch durch eine Angestellte Untersuchungen an sich selbst vornehmen ließ (die Angestellte führte nach Vorgabe des Antragstellers eine Prostatauntersuchung an ihm mit einem Ultraschallgerät durch; Bl. 96 der Behördenakte). Aufgrund dieser Aussage kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller auch gegenüber anderen weiblichen Angestellten übergriffig wird, insbesondere wenn der Antragsteller mit diesen alleine in der Praxis ist. Da die Geschädigten minderjährig bzw. erst kurze Zeit volljährig waren, scheint der Antragsteller ein Interesse an jüngeren Frauen zu haben. Diesbezüglich wäre es aber auch möglich, dass eine junge Arzthelferin eingestellt wird, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hat. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Selbsterklärung, vorerst keine Auszubildenden mehr einzustellen, nicht geeignet einer Wiederholungsgefahr zu begegnen. Weiter muss berücksichtigt werden, dass der Antragsteller im Rahmen von ärztlichen Untersuchungen an bzw. vorgeblichen Studien mit den Auszubildenden – die Auszubildenden standen damit Patienten gleich – mehrfach strafrechtlich relevante sexuelle Handlungen vornahm und somit aus Sicht der erkennenden Kammer aufgrund der entsprechenden Zeugenaussagen ausreichende Tatsachen vorliegen, die gleichwohl einen Sofortvollzug rechtfertigen, da insbesondere aufgrund der mehrfachen Tatbegehungen eine Wiederholungsgefahr gegeben ist, da es sich nicht lediglich um ein „Augenblickversagen“ handelte, sondern den Taten ein planvolles und zielgerichtetes Handeln zugrunde lag. Diesbezüglich ist auch zu bedenken, dass nach den vorliegenden Aussagen (Bl. 81 der Behördenakte) der Antragsteller gezielt junge und attraktive Patientinnen untersucht habe, was ebenfalls einen Grund darstellt, von weiteren Übergriffen auszugehen. Hieran wird aus Sicht der erkennenden Kammer auch nichts geändert, wenn der Antragsteller gemäß der Selbstbeschränkung vom 9. März 2018 ausschließlich männliche Patienten behandeln würde. Aus Sicht der Kammer ist eine derartige Einschränkung in dem Berufsalltag nicht umsetzbar. Gerade im Falle von Urlaubs- und Krankheitsvertretungen kann nicht sichergestellt werden dass der Antragsteller auch weibliche Patienten untersuchen muss, insbesondere wenn es sich um medizinische Notfälle handelt. Hieran würde im Übrigen auch nichts geändert, wenn dem Antragsteller bei der Untersuchung von weiblichen Patienten eine weitere Person zur Aufsicht zur Seite gestellt würde. Auch eine derartige Einschränkung erscheint nicht praktikabel umsetzbar, da eine entsprechende dauerhafte Anwesenheit aus Sicht der erkennenden Kammer nicht möglich und kontrollierbar ist sowie von Patientinnen aus Gründen der Diskretion oder Scham gegebenenfalls auch abgelehnt werden könnte (eine derartige Möglichkeit bejahend: VG Augsburg, B.v. 17.4.2012 – Au 2 S 12.360 – juris Rn. 24; ablehnend: VG Arnsberg, B.v. 6.12.2012 – 7 L 790/12 – juris Rn. 40).

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen liegt aus Sicht der erkennenden Kammer eine konkrete Gefahrenlage vor, die auf konkreten Tatsachen beruht und somit einer Anordnung des Sofortvollzuges nicht entgegensteht. Hiermit wird der Schutz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts und der körperlichen Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 1 und 2 GG von Mitarbeiterinnen und Patientinnen sichergestellt. Für eine Verhaltensänderung des Antragstellers ist auch nichts ersichtlich.

2.3.2. Hinzu kommt, dass der Schutz der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und das unverzichtbare Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand des Arztes, das ebenfalls ein relevantes Schutzgut ist, als Grund für die Anordnung des Sofortvollzuges vorliegen.

Wie bereits festgestellt wurde, ist der Antragsteller aus Sicht der erkennenden Kammer unwürdig für den ärztlichen Beruf. Der Antragsteller hat erhebliche kriminelle Energie dafür aufgewendet, sexuelle Handlungen an den Auszubildenden vorzunehmen, ohne dass zu den maßgeblichen Zeitpunkten weitere Personen anwesend waren, die helfend hätten eingreifen können. Die Taten erfolgten unter dem Deckmantel einer ärztlichen Behandlungssituation und somit unter Ausnutzung des ärztlichen Vertrauensverhältnisses. Die Allgemeinheit hat ein berechtigtes Interesse daran, dass ein Arzt trotz Begehung wiederholter Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die noch dazu einen eindeutigen Berufsbezug aufweisen, nicht weiter praktizieren kann, bis eine rechtskräftige Entscheidung über das Ruhen der Approbation getroffen wurde. Damit wird gleichzeitig reflexartig das Persönlichkeitsrecht anderer Patientinnen geschützt und zwar unabhängig von einem konkreten Übergriff, denn die Patientinnen können sich mangels direkter Kenntnis regelmäßig nicht für oder gegen den einschlägig auffällig gewordenen Arzt entscheiden. Daher kann, wie auch der Antragsgegner in seinem Bescheid ausgeführt hat (S. 12 des Bescheides), die sofortige Vollziehung zum Schutz der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und dem unverzichtbaren Vertrauens der Öffentlichkeit in den Berufsstand des Arztes angeordnet werden.

2.3.3. Auch eine Folgenabwägung spricht nicht gegen die Anordnung eines Sofortvollzuges. Bei der Folgenabwägung sind die konkreten Nachteile für die Allgemeinheit bei einem Aufschub des Vollzugs, wenn sich die Anordnung des Ruhens der Approbation nachträglich als rechtmäßig erweist, den konkreten Folgen des Sofortvollzugs für den Beschwerdeführer, wenn sich die Ruhensanordnung nachträglich als rechtswidrig erweisen sollte, gegenüber zu stellen. Im letztgenannten Fall würde es sich aber gerade nicht um die Folgen eines Fehlverhaltens des Beschwerdeführers handeln, sondern um die Folgen einer Fehlentscheidung der Behörde (BVerfG, B.v. 19.12.2007 – 1 BvR 2157/07 – juris Rn. 31).

Würde der Sofortvollzug unterbleiben, könnte der Antragsteller weiterhin Patientinnen und Patienten untersuchen und hätte somit die Möglichkeit, diesen bzw. weiblichen Angestellten gegenüber sexuell übergriffig zu werden. Es stünde somit eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 und 2 GG und damit von überragend wichtigen Gemeinschaftsgütern im Raum. Hieran würden auch die erklärten Selbstbeschränkungen nichts ändern (s.o.). Da aber aufgrund der Mehrzahl von Übergriffen aus Sicht des Gerichts eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass mit weiteren Übergriffen zu rechnen ist, erscheint es dringend notwendig, Patientinnen kurzfristig zu schützen. Auch gebietet der Schutz des unverzichtbaren Vertrauens der Öffentlichkeit in den Berufsstand des Arztes, dass das Ruhen der Approbation sofort vollziehbar ist, da andernfalls das Ansehen der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit erheblichen Schaden erleiden könnte.

Für den Antragsteller hätte eine rechtswidrige Ruhensanordnung zur Folge, dass er seinem Beruf als Kardiologe nicht mehr nachgehen könnte. Dies hätte zur Folge, dass er den von ihm gewählten Beruf als Arzt, für den er sich nach Absolvierung eines entsprechenden Studiums entschieden hat, nicht mehr ausüben dürfte. Dies stellt einen deutlichen Eingriff in Art. 12 GG dar und hätte zudem zur Folge, dass der Antragsteller finanzielle Einbußen erleiden würde. Zudem könnte der Antragsteller bei Bekanntwerden der ihm vorgeworfenen Taten einen schlechten Ruf erleiden. Allerdings ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass der Antragsteller kein Einzelarzt ist, sondern seine Tätigkeit in einer Praxisgemeinschaft GbR ausübt. Gemäß dem vorgelegten Gesellschaftsvertrag sind alle Einnahmen der Gesellschafter Einnahmen der Gesellschaft, § 14 Nr. 1 Gesellschaftsvertrag. Gewinn und Verlust werden entsprechend der Beteiligungen am Vermögen der Gesellschaft verteilt, § 16 Nr. 1 Gesellschaftsvertrag. Somit hätte der Antragsteller selbst im Falle der Aufgabe seiner Tätigkeit als Arzt zunächst weiterhin Zahlungsansprüche gegen die Praxisgemeinschaft GbR. Darüber hinaus bestünde die Möglichkeit einen weiteren Arzt einzustellen, § 6 Abs. 4 BÄO, was auch gemäß § 13 Nr. 1 Gesellschaftsvertrag möglich wäre. Evtl. müsste der Antragsteller die hierfür anfallenden Kosten tragen, jedoch stünden dem die Einnahmen aus § 14 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages gegenüber. Somit würde der Antragsteller zwar wirtschaftliche Nachteile, nicht aber einen vollständigen Ausfall von Einnahmen erleiden. Eine Existenzgefahr läge daher nicht vor und wurde auch nicht vorgetragen.

Vor diesem Hintergrund müssen die dem Antragsteller drohenden Nachteile gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Patienten und Patientinnen niedriger gewichtet werden, sodass die Anordnung des Sofortvollzuges im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Der schwere Eingriff in die Berufsfreiheit muss vorliegend mit Blick auf die oben genannten Gründe zurückstehen. Auch in der Gesamtschau erscheint die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Blick auf die grundrechtlichen Positionen des Antragstellers als gerechtfertigt.

2.4. Die in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides enthaltene Aufforderung, dem Antragsgegner die Approbationsurkunde nach deren Einziehung auszuhändigen, begegnet wegen der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ermächtigungsgrundlage für das Herausgabeverlangen ist Art. 52 S. 1 und 2 BayVwVfG. Hiernach kann die Behörde eine Urkunde zurückfordern, die aufgrund eines Verwaltungsaktes, dessen Wirksamkeit aus einem anderen Grund als Rücknahme oder Widerruf nicht mehr gegeben ist, erteilt worden ist. Für die Anwendbarkeit der Norm ist es bereits ausreichend, wenn ein Sofortvollzug, wie hier im vorliegenden Fall, angeordnet wird (Falkenbach in BeckOK-VwVfG, Stand 1.1.2018, § 52 Rn. 6).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da die Wirksamkeit der Approbation des Antragstellers infolge der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung nicht mehr gegeben ist. Auf Rechtsfolgenseite hat der Antragsgegner das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und hiervon in zweckentsprechender Weise Gebrauch gemacht. Zutreffend begründet der Antragsgegner die Aufforderung zur Herausgabe damit, dass bei nicht erfolgender Rückgabe der Urkunde etwaige Missbrauchsmöglichkeiten hinsichtlich der weiteren Ausübung des ärztlichen Berufes bestehen bleiben. Die gesetzte Frist erscheint zudem angemessen.

2.5. Auch die in Ziffer 4. des angefochtenen Bescheides enthaltene Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig. Der Antragsteller hat diesbezüglich nichts Gegenteiliges vorgetragen. Wegen Art. 21a BayVwZVG war der Antrag so auszulegen, dass er sich auch gegen Ziffer 4. des Tenors richten soll und auf eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichtet war. Aus Sicht der erkennenden Kammer hat der Antragsgegner – ohne dies jedoch explizit zu erwähnen – das ihm zustehende Ermessen ausgeübt.

2.6. Die in Ziffer 6. des Bescheides festgesetzten Gebühren in Höhe von 400,00 EUR wurden seitens des Antragstellers nicht beanstandet und sind wegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO geeigneter Antragsgegenstand. Da die den Gebühren zugrundeliegenden Maßnahmen rechtmäßig sind, liegen keine Gründe vor, die Bedenken hinsichtlich der erhobenen Kosten begründen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert bestimmt sich nach §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr.2 GKG i.V.m. Nr. 16.1 des Streitwertkatalogs 2013 und wird gemäß Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2013 für das vorliegende Eilverfahren halbiert.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 27. März 2018 - AN 4 S 18.00492

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(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer körperlichen Krankheit oder Behinderung zur Beratung, Behandlung oder Betreuung

Bundesärzteordnung - BÄO | § 12


(1) Die Approbation erteilt in den Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 die zuständige Behörde des Landes, in dem der Antragsteller die ärztliche Prüfung abgelegt hat. In den Fällen des § 14 Abs. 3 Satz 2 wird sie von der zuständigen Behörde des Landes ertei

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Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 27. März 2018 - AN 4 S 18.00492 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 27. März 2018 - AN 4 S 18.00492 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 01. Dez. 2016 - Au 2 K 16.578

bei uns veröffentlicht am 01.12.2016

Tenor I. Der Bescheid der Regierung von ... vom 10. März 2016 wird aufgehoben. II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 31. Jan. 2018 - AN 4 S 18.00018

bei uns veröffentlicht am 31.01.2018

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt. Gründe I. Der Antragsteller wendet sich im e

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 11. Apr. 2017 - 6 Bf 81/15.HBG

bei uns veröffentlicht am 11.04.2017

Tenor Auf die Berufung des Beschuldigten wird das Urteil des Hamburgischen Berufsgerichts für die Heilberufe vom 25. März 2015 aufgehoben. Dem Beschuldigten wird eine Geldbuße von 25.500,- Euro auferlegt. Außerdem wird ihm ein Verweis erteilt. Des

Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 16. Jan. 2014 - 7 L 2009/13

bei uns veröffentlicht am 16.01.2014

Tenor 1. Die Anträge werden abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. 2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.500,00 Euro festgesetzt. 1Gründe 2Die Kammer geht davon aus, dass sich das vorläufige Rechtsschutzziel auch auf

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 03. Apr. 2012 - 1 B 10136/12

bei uns veröffentlicht am 03.04.2012

Tenor Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Januar 2012 wird abgeändert. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller wird nach Maßgabe der folgenden Anordnung abgelehnt:

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 29. Nov. 2005 - 1 R 12/05

bei uns veröffentlicht am 29.11.2005

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Der Kläger b

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Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen einen Bescheid der Bayerischen Landesärztekammer auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes, der ihm unter Anordnung des Sofortvollzuges das Einstellen und Ausbilden von Auszubildenden untersagt.

Der 1956 geborene Antragsteller ist Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie. Er betreibt mit zwei weiteren Ärzten (… und …) eine Gemeinschaftspraxis in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (nachfolgend: Gemeinschaftspraxis GbR). Die Gemeinschaftspraxis GbR und insbesondere der Antragsteller bilden seit 1994 Auszubildende für den Beruf des/der Medizinischen Fachangestellten aus.

Der Gemeinschaftspraxisvertrag zwischen den drei Ärzten als geschäftsführende Gesellschafter trifft in den §§ 11 bis 13 Regelungen zur Geschäftsführung, Vertretung der Gesellschaft, Beschlussfassung und zum nichtärztlichen Personal.

In der Gemeinschaftspraxis GbR ist seit 1. August 2016 … (nachfolgend: derzeitige Auszubildende), geboren am … 2000, im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses beschäftigt. Gemäß dem von dem Antragsteller nachgereichten Berufsausbildungsvertrag wurde dieser zwischen der derzeitigen Auszubildenden und den drei Ärzten der Gemeinschaftspraxis für eine Ausbildung als Medizinische Fachangestellte abgeschlossen. In dem betrieblichen Ausbildungsplan wird Herr Dr. med. … als verantwortlicher ärztlicher Ausbilder benannt und für die Ausbildungsabschnitte 1 und 8 als konkreter Ausbilder neben einer weiteren Person aufgeführt.

Nach anwaltlichem Vortrag sei der Antragsteller nicht verantwortlicher Ausbilder. Es komme aber gleichwohl vor, dass auch er der derzeitigen Auszubildenden Aufgaben übertrage. Dies sei aktuell im Bereich der Anmeldung und bei EKG, konkret bei dem Anlegen der Messpunkte und der Überwachung der Aufzeichnungen, der Fall. Beide Tätigkeiten würden jedoch keine Anwesenheit eines Arztes erfordern.

Vom 1. September 2016 bis zu einer fristlosen Kündigung am 25. August 2017 standen Frau …, geboren am … 2001, sowie von 2014 bis August 2017 Frau …, geboren am … 1998, in einem Ausbildungsverhältnis mit der Gemeinschaftspraxis GbR.

Die Staatsanwaltschaft … teilte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 5. Dezember 2017 mit, dass gegen den Antragsteller Anklage wegen mehrerer Sexualdelikte (§§ 174 Abs. 1 Nr. 2, 174c Abs. 1, 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, 184i Abs. 1, Abs. 3, 223 Abs. 1, 230 Abs. 1, 52, 53 StGB) erhoben worden sei.

Neben zwei Schlägen auf das Gesäß und einen Kuss auf den Nacken einer Auszubildenden soll der Antragsteller auch im Rahmen einer vorgeblichen Studie außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten (Freitagabends und Samstag) Ultraschalluntersuchungen an einer weiteren Auszubildenden vorgenommen haben, die sich auf den Genitalbereich der Auszubildenden bezogen hätten. Zudem habe er die Auszubildende das Ultraschallgerät an sich selbst nach seinen Vorgaben nutzen lassen; dabei sei auch sein Genitalbereich „untersucht“ worden. Hinsichtlich weiterer Details wird auf die Anklageschrift verwiesen.

Auf Grund dieser Erkenntnisse erließ die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27. Dezember 2017 gegenüber dem Antragsteller einen Bescheid mit folgenden Anordnungen:

„1. Ihnen wird das Einstellen und Ausbilden von Auszubildenden untersagt. 2. Ziffer 1. wird für vorläufig vollstreckbar erklärt.“

Weitere Regelungen wurden nicht in den Tenor des Bescheides aufgenommen. Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass Gefahr im Verzug auf Grund der von der Staatsanwaltschaft mitgeteilten Straftaten vorliege, weshalb die Untersagung des Einstellens und Ausbildens von Auszubildenden dringend geboten erscheine. Auf Grund der Mitteilung der Staatsanwaltschaft sei die persönliche Eignung des Antragstellers nicht mehr gegeben. Von den Straftaten, die durch Zeugen der Staatsanwaltschaft weitestgehend bestätigt worden seien, seien auch zwei ehemalige Auszubildende betroffen. Zudem sei noch eine Auszubildende in der Gemeinschaftspraxis des Antragstellers beschäftigt, was das Abwarten einer rechtskräftigen Entscheidung im Strafverfahren durch das Landgericht … nicht zulassen würde. Die Vorwürfe würden die persönliche Integrität des Antragstellers so sehr in Frage stellen, dass es derzeit unzumutbar erscheine, weiterhin Auszubildende in dessen Obhut zu belassen.

Der Antragsteller wurde zudem aufgefordert, das Ausbildungsverhältnis mit der derzeitigen Auszubildenden unverzüglich zu beenden und ein Beendigungsschreiben bis spätestens 5. Januar 2018 vorzulegen. Hierzu wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Unter Ziffer IV. der Begründung erfolgten Ausführung zur Sofortvollzugsanordnung. Wegen der dem Antragsteller zur Last gelegten Handlungen bestehe objektiv die Gefahr, dass Auszubildende am Ausbildungsplatz in ihrer geschützten Privatsphäre behelligt und damit gefährdet werden würden. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit überwiege gegenüber dem Interesse des Antragstellers. Die Untersagung betreffe lediglich die Einstellung und Ausbildung von Auszubildenden, nicht aber die sonstige ärztliche Tätigkeit des Antragstellers.

In Ziffer V. des Bescheids wurde darauf hingewiesen, dass im Falle einer strafgerichtlichen Verurteilung kraft Gesetzes ein Verbot zur Beschäftigung von Jugendlichen bestehe. Weiter wurden die Bußgeldvorschriften des § 102 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 BBiG und § 58 Abs. 2, 3 und 4 JArbSchG erwähnt.

In der Rechtsbehelfsbelehrung:wurde ausgeführt, dass gegen den Bescheid entweder Widerspruch oder unmittelbar Klage erhoben werden könne.

Ebenfalls mit zwei Schreiben vom 27. Dezember 2017 wurden, adressiert an die Gemeinschaftspraxis GbR, Herr Dr. med. … und Herr Dr. … jeweils persönlich dazu aufgefordert, das Ausbildungsverhältnis mit der derzeitigen Auszubildenden bis zum 5. Januar 2018 zu beenden.

Mit Schreiben vom 3. Januar 2018 legte der anwaltliche Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch bei der Bayerischen Landesärztekammer ein. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die unverzügliche Beendigung des Ausbildungsverhältnisses mit der derzeitigen Auszubildenden gefordert worden sei, ohne diese Verpflichtung explizit in den Tenor des Bescheides aufzunehmen. Diesbezüglich sei zu berücksichtigen, dass Vertragspartner der Auszubildenden die Gemeinschaftspraxis GbR sei. Alle drei Ärzte seien zur gemeinschaftlichen Vertretung der Gesellschaft ermächtigt, wobei Herr Dr. … bis einschließlich 14. Januar 2018 urlaubsabwesend sei. Der Aufforderung in dem Bescheid könne daher nicht rechtswirksam nachgekommen werden und ein Kündigungsschreiben ohne Unterschrift aller drei Gesellschafter sei unwirksam. Die derzeitige Auszubildende sei bis zum 14. Januar 2018 im Urlaub und würde frühestens am 16. Januar 2018 wieder in der Arztpraxis sein, da sie am 15. Januar 2018 die Berufsschule besuche. Vor diesem Hintergrund wurde um Fristverlängerung bis zum 1. Februar 2018 gebeten.

Ebenfalls mit Schreiben vom 3. Januar 2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, beantragt der Antragsteller,

„die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.12.2017 wieder herzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben.“

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die Gemeinschaftspraxis GbR und insbesondere der Antragsteller für den Beruf des/der Medizinischen Fachangestellten ausbilde. Eine rechtswirksame Kündigung des Ausbildungsverhältnisses sei nicht möglich, da einer der Mitgesellschafter bis 14. Januar 2018 im Urlaub sei. Der Antragsteller sei vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung nicht angehört worden.

Zudem habe der Antragsgegner das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung nicht in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Da in dem Bescheid ausgeführt werde, dass Straftaten „wohl“ an bei dem Antragsteller beschäftigten Auszubildenden begangen worden seien, läge eine unsichere Tatsachengrundlage vor, aus der sich keine objektive Gefahr ableiten lasse. Zudem habe die Antragsgegnerin keine eigenen Befragungen oder Ermittlungen durchgeführt.

Der Antragsteller sei zudem vor Erlass der Untersagungsverfügung nicht angehört worden, was die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung begründe. Auf Grund von § 33 Abs. 3 BBiG seien die Beteiligten zu hören gewesen, wobei dies hier insbesondere die Auszubildende, der Antragsteller und die Gemeinschaftspraxis GbR als Vertragspartner der Auszubildenden gewesen seien. Dieser Verfahrensfehler sei auch nicht nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich.

Herr Dr. med. …, der sich auch im Namen von Herrn Dr. med. … mit Schreiben vom 4. Januar 2018 an die Antragsgegnerin wandte, teilte dieser mit, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der derzeitigen Auszubildenden sehr problematisch erscheine. Es liege kein Kündigungsgrund vor, die Arbeitsabläufe würden gestört und das Wohl der Auszubildenden sei nicht berücksichtigt worden. Man wolle die derzeitige Auszubildende als wertvolle Mitarbeiterin behalten und lege daher formell Einspruch ein.

Mit Schreiben vom 10. Januar 2018 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. Januar 2018 erhoben habe.

Eine Anhörung des Antragstellers vor Erlass der Anordnung des Sofortvollzuges sei nicht notwendig gewesen. Außerdem liege eine ordnungsgemäße Begründung des Sofortvollzuges vor.

Die unterbliebene Anhörung der Beteiligten gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 BBiG führe grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes. Die fehlende Anhörung könne bis zum Schluss der letzten Verhandlung nachgeholt werden, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG, wobei diesbezüglich auch eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zitiert wurde (Az.: 20 ZB 16.587). Im Übrigen sei die Anhörung aufgrund von Gefahr in Verzug hier bereits entbehrlich, Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG. Dem Antragsteller sei mit Schreiben vom 27. Dezember 2017 Gelegenheit gegeben worden, bis zum 5. Januar 2018 zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Diese Frist sei auf Bitten des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers auf den 1. Februar 2018 verlängert worden. Auch seien die Partner der Gemeinschaftspraxis GbR mit Schreiben vom 27. Dezember 2017 über die Entscheidung der Antragsgegnerin informiert worden. Von einer Anhörung der Auszubildenden bzw. deren Erziehungsberechtigten sei zu deren Schutz und aus datenschutzrechtlichen Gründen zunächst abgesehen worden. Die Antragsgegnerin beabsichtige, sich möglichst schnell um eine neue Ausbildungsstätte für die Auszubildende zu kümmern, wobei die Ausbildungszeiten lückenlos angerechnet würden.

Es sei ein fakultatives Widerspruchsverfahren wegen einer ausbildungsrechtlichen Streitigkeit durchzuführen, Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AGVwGO.

Über den Widerspruch sei noch nicht entschieden worden. Eine Entscheidung obliege dem Vorstand gem. § 8 Abs. 3 Buchst. d) der Satzung der Antragsgegnerin.

Mit Schreiben vom 24. Januar 2018 hat die Antragsgegnerin unter dem Betreff „Anhörung zur Eignung Ihres Ausbildenden Herrn Dr. …“ die derzeitige Auszubildende sowie deren Eltern angeschrieben und mitgeteilt, dass gegenüber dem Antragsteller aufgrund eines laufenden Strafverfahrens (ohne jedoch auf die einschlägigen Strafvorschriften oder den Inhalt der Anklageschrift einzugehen) das Einstellen und Ausbilden untersagt worden sei. Infolgedessen sei auch das bestehende Ausbildungsverhältnis mit der Gemeinschaftspraxis GbR unverzüglich zu beenden. Hierzu wurde um Stellungnahme gebeten. Zudem bot die Antragsgegnerin ihre Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle an.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, die insbesondere die Anklageschrift gegen den Antragsteller enthalten (Staatsanwaltschaft …, Az.: …), zu dem streitgegenständlichen Verfahren verwiesen.

II.

Der Antrag ist, soweit er zulässig ist (1.), unbegründet (2.).

1. Der Antrag ist lediglich bezüglich der Untersagung, Auszubildende einzustellen und auszubilden, zulässig.

1.1. Da hinsichtlich der Aufforderung, das Ausbildungsverhältnis mit der derzeitigen Auszubildenden zu beenden, der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits unzulässig ist, kann offenbleiben, inwieweit die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses überhaupt auf Grundlage von § 33 BBiG angeordnet werden kann (eine derart weitreichende Befugnis kann dem Wortlaut der Norm jedenfalls nicht unmittelbar entnommen werden).

Entsprechend der Auslegung des Antrags durch das Gericht (vgl. § 88 VwGO, der hier analog anzuwenden) ist Gegenstand des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO neben der explizit tenorierten Untersagung des Einstellens und Ausbildens von Auszubildenden (Ziffer I. des Tenors) auch die in Ziffer III. der Gründe enthaltene Aufforderung, das Ausbildungsverhältnis mit der derzeitigen Auszubildenden unverzüglich zu beenden und hierüber bis zum 5. Januar 2018 einen Nachweis vorzulegen. Der Antragsteller hat dies zwar nicht ausdrücklich im Rahmen der Antragsschrift zu § 80 Abs. 5 VwGO thematisiert, jedoch macht er hierzu explizit Ausführungen in seinem Widerspruch vom 3. Januar 2018 gegenüber der Antragsgegnerin. Da der Antragsteller beantragt hat, dass die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederhergestellt wird und in der Antragsbegründung gegenüber dem erkennenden Gericht vom 3. Januar 2018 unter Ziffer II. und II.3. explizit auf den Widerspruch Bezug nimmt bzw. inhaltliche Ausführungen in Bezug auf die aus Sicht des Antragstellers erforderliche Anhörung für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses macht, ist das Vorbringen des Antragstellers so auszulegen, dass auch dieser Aspekt Gegenstand des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO sein soll.

Allerdings wurde hinsichtlich dieser Verpflichtung kein Sofortvollzug durch die Antragsgegnerin angeordnet, da dies weder in den Tenor des Bescheides noch in Ziffer III. der Gründe des Bescheides aufgenommen wurde. Die Ausführungen in Ziffer IV. der Gründe setzen sich ausschließlich mit der Untersagung zur Einstellung und Ausbildung von Auszubildenden auseinander, so dass auch hieraus keine Anordnung eines Sofortvollzuges bezüglich der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses von Frau … abgeleitet werden kann. Somit hat bereits ein Rechtsbehelf des Antragsteller aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist damit insoweit unstatthaft.

1.2. Hinsichtlich der in Ziffer I. des Tenors verfügten Untersagung des Einstellens und Ausbildens von Auszubildenden, die gem. Ziffer II. des Tenors für sofort vollziehbar erklärt wurde, ist der Antrag zulässig. Der Antrag kann insbesondere schon vor Erhebung einer hier allein statthaften Anfechtungsklage (vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen) gestellt werden, § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO.

Zudem besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. In Ziffer II. des Bescheidtenors wird zwar die „vorläufige Vollstreckbarkeit“ (gemeint ist wohl die „sofortige Vollziehbarkeit“, wie in Ziffer IV. der Begründung des Bescheids ausgeführt) angeordnet, jedoch unterblieb die Setzung einer Frist zur freiwilligen Befolgung des Bescheides sowie die Androhung von Zwangsmitteln, weshalb ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bezweifelt werden könnte, da im Falle einer Zuwiderhandlung zunächst keine konkreten Zwangsmaßnahmen ergriffen werden könnten, sondern diese vielmehr erst - unter Fristsetzung - angedroht werden müssten, vgl. v.a. Art. 36 BayVwZVG. Allerdings stellt das Zuwiderhandeln gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 33 Abs. 1 oder 2 BBiG eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 102 Abs. 1 Nr. 6 BBiG dar, weshalb das Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt zu bejahen ist.

Zudem wird kein weitergehender Schutz als in der Hauptsache gewährt, da die Monatsfrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO noch nicht abgelaufen ist und die Klagefrist hier wegen einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung:(fakultatives Widerspruchsverfahren statt unmittelbarer Klageerhebung) ein Jahr beträgt, § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Im vorliegenden Fall findet ein Widerspruchsverfahren nicht statt, weshalb diesbezüglich keine aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden kann. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO bedarf es einer Nachprüfung durch ein Vorverfahren nicht, wenn dies ein Gesetz bestimmt. Nach Art. 15 Abs. 2 AGVwGO entfällt ein Vorverfahren nach § 68 VwGO, soweit in Art. 15 Abs. 1 AGVwGO nichts Abweichendes geregelt ist. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AGVwGO bestimmt, dass der Betroffene gegen einen nur an ihn gerichteten Verwaltungsakt in den Bereichen des „Ausbildungs- und Studienförderungsrechts“, …, soweit jeweils der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, entweder Widerspruch einlegen oder unmittelbar Klage erheben kann. Die Antragsgegnerin erklärte in ihrem Schreiben vom 10. Januar 2018, dass aus ihrer Sicht eine ausbildungsrechtliche Streitigkeiten vorliege, die unter diese Vorschrift falle, weshalb ein fakultatives Widerspruchsverfahren statthaft sei. Diese Sichtweise begegnet jedoch bei summarischer Überprüfung Bedenken. Die Aufzählung in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AGVwGO dürfte wohl nicht so zu verstehen sein, dass schlechthin dasAusbildungsrecht unter diese Norm zu subsumieren ist, sondern das Ausbildungsförderungsrecht. Dies wird auch durch die Gesetzesbegründung bestätigt, wonach die Nr. 4 dieser Norm das „Ausbildungs- und Studienförderungsrecht nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)“ erfasse (Gesetzentwurf der Staatsregierung vom 30.1.2007 zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung, LT-Drs. 15/7252, S. 12). Das Berufsbildungsgesetz wird explizit nicht in den weiteren Erläuterungen aufgeführt. Daher spricht zumindest bei summarischer Überprüfung im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO viel dafür, dass ein Widerspruchsverfahren im konkreten Fall nicht stattfindet. Der gleichwohl gemäß der Rechtsbehelfsbelehrung:eingelegte Widerspruch des Antragstellers bei der Antragsgegnerin ist daher allenfalls als Antrag auf eine erneute Sachentscheidung zu betrachten, über den alleine die Antragsgegnerin zu befinden haben wird. Für den hier streitgegenständlichen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist die Einlegung des Widerspruchs irrelevant, da der Antrag schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig ist, § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO.

2. Soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gemäß den vorstehenden Ausführungen zulässig ist, erweist er sich jedoch als unbegründet, da ein Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung keinen Erfolg hätte und daher im Ergebnis erfolglos bliebe. Auch in der Gesamtschau der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergibt sich nichts anderes.

2.1. Die im angefochtenen Bescheid angegebene Begründung für die auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gestützten Anordnung der sofortigen Vollziehung von Ziffer I. des Bescheides genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Auch eine Anhörung war nicht erforderlich.

Das in § 80 Abs. 3 VwGO normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht nur formeller Natur. Es bedarf insoweit einer schlüssigen, konkreten Auseinandersetzung im Einzelfall unter substantiierter Darlegung der wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen, die zur Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung und damit zum Gebrauch der Anordnungsmöglichkeit aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO geführt haben (BayVGH vom 17.9.1982, BayVBl 1982, 756). Zweck der Begründung ist dabei, die Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollziehungsanordnung veranlasst haben, ihre Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 84). Die Anforderungen an eine Begründung im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO dürfen jedoch nicht überspannt werden (OVG RhPf, B.v. 3.4.2012 – 1 B 10136/12 – juris Rn. 13). Erst bei der umfassenden vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO ist zu prüfen, ob die Erwägungen der Behörde auch inhaltlich im Sinne des objektiven Rechts und der Interessen der Beteiligten vollständig zutreffend sind.

Die Antragsgegnerin hat vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im streitgegenständlichen Bescheid damit begründet, dass durch den Antragsteller konkret benannte sexuelle Handlungen an minderjährigen Auszubildenden vorgenommen wurden. Diese Begründung der Sofortvollzugsanordnung setzt sich mit den Besonderheiten des streitgegenständlichen Falles auseinander und ist nicht lediglich schematisch erfolgt.

Dem angeordneten Sofortvollzug steht auch nicht entgegen, dass das so umschriebene Vollzugsinteresse letztlich mit dem Interesse am Erlass der getroffenen Anordnung identisch ist. Dies ist ausnahmsweise dann nicht zu beanstanden, wenn der mit dem Verwaltungsakt angestrebte Gesetzeszweck ohne Vollzugsanordnung nicht erreicht werden kann, was im Gefahrenabwehrrecht stets in Betracht zu ziehen ist (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 92, 98). So verhält es sich auch hier, da der mit dem Berufsbildungsgesetz bezweckte Schutz der Auszubildenden nicht erreichbar wäre, müsste die Aufsichtsbehörde zunächst die Bestandskraft einer auf § 33 Berufsbildungsgesetz (BBiG) gestützten Anordnung abwarten.

Hieran ändert sich auch nichts durch die Verwendung des Wortes „wohl“. Die Antragsgegnerin führt in dem Bescheid aus, dass der Antragsteller „… Straftaten wohl gegenüber zwei ehemaligen Auszubildenden …“ in der Gemeinschaftspraxis begangen haben solle. Dadurch hat die Antragsgegnerin offensichtlich zum Ausdruck bringen wollen, dass noch keine rechtskräftige Verurteilung vorliegt, was auch dadurch bestätigt wird, dass im nachfolgenden Begründungstext ausgeführt wird, dass eine rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts … nicht abgewartet werden könne. Zudem wird ausgeführt, dass die Vorwürfe durch Zeugenaussagen gegenüber der Staatsanwaltschaft … bestätigt würden. Es trifft daher nicht zu, wie vom Antragsteller vorgetragen, dass die Formulierung auf eine unsichere Tatsachengrundlage schließen lasse und daher schon keine objektive Gefahr vorliege, zumal der Antragsteller die gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe auch selbst gar nicht konkret abstreitet.

Auch eine Anhörung in (ggf. analoger) Anwendung von Art. 28 BayVwVfG war entgegen der Rüge des Antragstellers entbehrlich, da die Anordnung des Sofortvollzuges keinen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 BayVwVfG darstellt, der das Erfordernis einer Anhörung begründen würde. Zudem stellt § 80 VwGO eine abschließende Regelung dar, ohne ein Anhörungserfordernis anzuordnen, weshalb nicht von einer Gesetzeslücke ausgegangen werden kann, die eine Anwendung von Art. 28 BayVwVfG rechtfertigen würde. Jedenfalls wäre ein Anhörungserfordernis im Rahmen dieses Antragsverfahrens geheilt, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80, Rn. 82).

2.2. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt u.a. nur, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache insoweit auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Fall des Abs. 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht hat hierbei eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 146). Bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache ein wesentliches, aber nicht stets das alleinige Indiz für oder gegen den gestellten Antrag. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich hingegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, kann an dessen sofortiger Vollziehung kein öffentliches Interesse bestehen (BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend abschätzbar bzw. sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs offen, bleibt es bei einer umfassenden Interessenabwägung.

2.2.1.

Dies zugrunde gelegt hat ein Rechtsbehelf gegen den Bescheid vom 27. Dezember 2017 bezüglich der Untersagung des Einstellens und Ausbildens von Auszubildenden nach summarischer Prüfung keinen Erfolg, weshalb der Antrag abzulehnen war.

2.2.1.1.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig, da insbesondere die unterbliebene Anhörung geheilt wurde.

Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig, da der Antragsgegner für den Erlass des Bescheides zuständig ist, §§ 71, 105 BBiG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) des Gesetzes zur Ausführung des Berufsbildungsgesetzes und des Berufsqualifikationsfeststellungsgestzes vom 29. September 1993.

Die unterlassene Anhörung begründet ebenfalls nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheides. Mangels rechtskräftiger Verurteilung des Antragstellers (§ 29 Nr. 1 BBiG i.V.m. § 25 JArbSchG) ist hier eine Anhörung allerdings nicht schon nach § 33 Abs. 3 Satz 2 BBiG entbehrlich.

Vor einer Untersagung sind zwar die Beteiligten und die zuständige Stelle zu hören, § 33 Abs. 3 Satz 1 BBiG. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift ist die Anhörung zwingend. Es hätte daher grundsätzlich eine Anhörung vor Erlass des Bescheides erfolgen müssen, die im Falle einer besonderen Eilbedürftigkeit auch mündlich hätte erfolgen können. Durch die Anhörungspflicht soll die Behörde in die Lage versetzt werden, eine sachgerechte Entscheidung zu finden. Beteiligte sind die von einer etwaigen Untersagung unmittelbar Betroffenen, also der Ausbildende oder Ausbilder, wohl auch die Auszubildenden und deren gesetzlicher Vertreter. Eine Entscheidung ohne Anhörung macht diese zwar nicht nichtig, jedoch ist sie rechtsfehlerhaft und daher der Anfechtungsklage zugänglich (Herkert/Töltl, BBiG, Stand November 2017, § 33 BBiG Rn. 24 ff.).

Ein Rückgriff auf Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG, wie von der Antragsgegnerin ausgeführt, verbietet sich, da § 33 Abs. 3 Satz 2 BBiG hierzu lex specialis ist und eine abschließende Regelung darstellt.

Es ist jedoch eine Heilung gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG möglich (diese Möglichkeit für das BBiG nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bejahend: VG Trier, U.v. 3.5.2007 – 5 K 72/07.TR – juris Rn. 16). Die Heilung tritt aber nur dann ein, wenn die Anhörung in der Sache nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Diese Funktion besteht nicht allein darin, dass der Betroffene seine Einwendungen vorbringen kann und diese von der Behörde zur Kenntnis genommen werden, sondern schließt vielmehr ein, dass die Behörde ein etwaiges Vorbringen bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht. Dementsprechend sind Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten in gerichtlichen Verfahren allein zur Heilung einer zunächst unterbliebenen Anhörung nicht ausreichend. Eine funktionsgerecht nachgeholte Anhörung setzt vielmehr voraus, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern dass sie das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken (BayVGH, B.v. 13.11.2017 – 15 ZB 16.1885 – juris Rn. 9).

Im konkreten Fall ist nicht ersichtlich, dass eine Anhörung des Antragstellers stattgefunden hat. Allerdings wurde in Ziffer III. der Begründung des Bescheides dem Antragsteller die Gelegenheit eingeräumt, bis zum 5. Januar 2018 zu der Untersagung des Einstellens und Ausbildens von Auszubildenden und der Aufforderung das Arbeitsverhältnis mit der derzeitigen Auszubildenden unverzüglich zu beenden, Stellung zu nehmen. Es wurde somit im Rahmen des Bescheides eine Möglichkeit zur Anhörung eröffnet. Der Antragsteller hat über seinen anwaltlichen Vertreter hiervon sowohl gegenüber dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach als auch der Antragsgegnerin Gebrauch gemacht, indem er mit Schreiben vom 3. Januar 2018 gegenüber der Antragsgegnerin „Widerspruch“ erhoben hat und auch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bei Gericht gestellt hat. Offensichtlich hat sich die Antragsgegnerin mit der vorgebrachten Argumentation auseinandergesetzt, da dem Antragsteller eine Verlängerung der Frist bis zum 1. Februar 2018 gewährt wurde und zudem, wie vom Antragsteller moniert, auch eine nachträgliche Anhörung der derzeitigen Auszubildenden mit Schreiben vom 24. Januar 2018 erfolgte. Ohne eine inhaltliche Prüfung wäre dies kaum möglich gewesen. Zudem teilte die Antragstellerin mit, dass der „Widerspruch“ des Antragstellers durch den Vorstand geprüft werde. Auch setzte sich die Antragsgegnerin mit dem Mangel der Anhörung in Ihrem Schriftsatz vom 10. Januar 2018 auseinander, wobei auch explizit (Seite 5 des Schreibens vom 10. Januar 2018) auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 15.9.2016 – 20 ZB 16.587 – juris Rn. 5) zur nachträglichen Heilung eines Anhörungsmangels Bezug genommen wurde.

Damit liegen nach dem Ergebnis der von der Kammer vorgenommenen summarischen Überprüfung die Voraussetzungen für eine Heilung gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG vor, da die Anhörung nachgeholt wurde. Dies wird auch Sinn und Zweck der Vorschrift gerecht, da Art. 45 BayVwVfG bezweckt, Rechtsbehelfe, die lediglich auf eine Verletzung des Rechts auf Gehör gestützt sind, nach Möglichkeit einzuschränken.

Jedenfalls wäre die unterbliebene Anhörung gem. Art. 46 BayVwVfG hier unschädlich. Die unterbliebene Anhörung begründet nicht die Nichtigkeit gemäß Art. 44 BayVwVfG (Herkert/Töltl, BBiG, Stand November 2017, § 33 BBiG Rn. 26). Zudem wäre in der Sache keine andere Entscheidung möglich gewesen. § 33 Abs. 2 BBiG stellt eine gebundene Entscheidung dar und soll einen effektiven Schutz von (minderjährigen) Auszubildenden gewährleisten, was letztlich dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit dient, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Da aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft, die im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren von Antragstellerseite auch nicht konkret in Zweifel gezogen worden sind, gravierende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Antragsteller in mehreren Fällen sexuelle Handlungen an Auszubildenden vorgenommen und dabei auch die Schwelle der Strafbarkeit überschritten hat, ist ihm das Einstellen und Ausbilden zu untersagen, da nur so ein Schutz der Auszubildenden sichergestellt werden kann (s.u.).

Auf die unterbliebene Anhörung der Auszubildenden bzw. deren gesetzlichen Vertreter kann sich der Antragsteller im Übrigen nicht berufen, da der Antragsteller insoweit nicht in eigenen Rechten verletzt ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 10. Januar 2018 ausführt, dass sie sich um eine neue Ausbildungsstätte bemühen werde und auch die absolvierten Ausbildungszeiten lückenlos angerechnet würden. Damit sind die Belange der Auszubildenden berücksichtigt worden, weshalb auch diesbezüglich eine Heilung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG eingetreten wäre. Letztlich kann dies aber offen bleiben, da jedenfalls durch das Schreiben vom 24. Januar 2018 eine Anhörung nachgeholt wurde.

2.2.2.2.

Die Anordnung der Untersagung der Einstellung und Ausbildung von Auszubildenden ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Da somit ein Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg hätte, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO diesbezüglich abzulehnen.

Für die Anordnung ist § 33 Abs. 2 BBiG die einschlägige Rechtsgrundlage. Nach dieser Vorschrift hat die nach Landesrecht zuständige Behörde das Einstellen und Ausbilden zu untersagen, wenn die persönliche oder fachliche Eignung nicht oder nicht mehr vorliegt. Aufgrund des Wortlautes der Vorschrift besteht für die Behörde kein Ermessen, d.h. die Untersagung muss zwingend ausgesprochen werden, wenn die Voraussetzungen vorliegen.

Das Untersagungsverfahren ist unabhängig von eventuellen Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren, auch wenn diesen der gleiche Sachverhalt zu Grunde liegt. Selbst wenn keine strafrechtlichen Sanktionen verhängt werden, ist eine Untersagung zum Schutz der Auszubildenden (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG) möglich. Maßgebliche für die gerichtliche Überprüfung ist der Zeitpunkt der Untersagung (VG Düsseldorf, U.v. 25.4.2016 – 15 K 8718/15 – juris Rn. 33).

Aus der Formulierung „Einstellen und Ausbilden“ ergibt sich, dass die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur auf ein Vorgehen gegen den Ausbildenden (§ 10 Abs. 1 BBiG; hier also die Praxisgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, da diese mit der Auszubildenden einen Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen hat), der damit grds. Adressat der Untersagungsverfügung ist, abstellt.

Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist es jedoch auch möglich, nur das Einstellen oder das Ausbilden zu untersagen. Als weiterer Adressat einer Untersagung kommt somit auch lediglich der bestellte Ausbilder in Betracht (Herkert/Töltl, BBiG, Stand November 2017, § 33 BBiG Rn. 18 f.).

Aus Sicht der erkennenden Kammer im vorliegenden summarischen Verfahren ermöglicht die Vorschrift aber auch ein Vorgehen gegen einen Ausbilder, der nicht unmittelbar durch einen betrieblichen Ausbildungsplan als verantwortlicher Ausbilder bestimmt wird, sondern lediglich im Rahmen der allgemeinen Betriebsabläufe mit Auszubildenden zu tun hat, wie dies nach dem Vortrag des Antragstellers der Fall ist (in Anlehnung an den sog. Ausbildungsgehilfen gem. § 28 Abs. 3 BBiG). Zwar gibt die Vorschrift nach Auffassung der Literatur (Herkert/Töltl, BBiG, Stand November 2017, § 33 BBiG, Rn. 15) keine Grundlage zur Untersagung, wenn ein Einstellen und Ausbilden gar nicht beabsichtigt ist, jedoch trägt der Antragsteller in seinem Schreiben vom 4. Januar 2018 selbst vor, dass der Antragsteller zwar nicht verantwortlicher Ausbilder sei, er jedoch gleichwohl Auszubildenden Aufgaben überträgt und somit mit diesen in unmittelbaren Kontakt gelangt. Da insbesondere beabsichtigt ist, im Sommer 2018 der derzeitigen Auszubildenden Kenntnisse und Fertigkeiten im Zusammenhang mit der Entnahme von Blut zu vermitteln und einfache Laborarbeiten zu übertragen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller hierbei ebenfalls anwesend ist, um den Vorgang zu beaufsichtigen und ggf. korrigierend einzugreifen. Dieser Umstand rechtfertigt es bei summarischer Überprüfung, eine Ausbildungsuntersagung gegenüber dem Antragsteller zu erlassen. Er ist richtiger Adressat des Bescheides, zumal auch der anwaltliche Vertreter des Antragstellers in seinem Schreiben vom 3. Januar 2018 gegenüber der erkennenden Kammer vorträgt, dass „… insbesondere auch der Antragsteller …“ Medizinische Fachangestellte ausbildet.

Es kann dahinstehen, ob der Gemeinschaftspraxisvertrag des Antragstellers mit seinen beiden Berufskollegen einer Auslegung dahin zugänglich ist, wonach der Antragsteller auch allein - ohne Mitwirkung seiner beiden Kollegen - Einstellungen vornehmen darf, ggfs. unter Begründung eines Arbeitsbzw. Ausbildungsverhältnisses mit ihm alleine. Für die Möglichkeit einer dahingehenden Auslegung des Gemeinschaftspraxisvertrages könnte unter Umständen sprechen, dass eine dem § 11 Nr. 5 entsprechende Regelung in § 13 des Gemeinschaftspraxisvertrages fehlt.

Jedenfalls gebieten es Sinn und Zweck von § 33 BBiG, Auszubildende effektiv insbesondere vor einer sittlichen und körperlichen Gefährdung zu schützen. Wäre eine Untersagung, Auszubildende einzustellen, nur möglich, wenn der Betroffene auch tatsächlich Ausbildender ist, so könnte der Betroffene nach einem Wechsel in eine andere Arztpraxis wieder Auszubildende einstellen. Dies hätte jedoch zur Folge, dass man evtl. sogar einen weiteren Verstoß abwarten müsste, um dem Betroffenen dann in seiner Eigenschaft als Ausbildenden auch das Einstellen untersagen zu können. Dies würde jedoch im krassen Widerspruch zum Schutzzweck von § 33 BBiG stehen, insbesondere wenn die betroffenen Auszubildenden noch minderjährig sind, wie es hier der Fall ist. Aus diesem Grund überzeugt die entgegenstehende Literaturmeinung nicht, die eine vorsorgliche Untersagung für den Fall, dass Einstellungen gar nicht beabsichtigt seien, ablehnt.

Demnach ist der Antragsteller bei summarischer Überprüfung richtiger Adressat der Untersagungsverfügung.

Dem Antragsteller fehlt die persönliche Eignung für das Einstellen und Ausbilden von Auszubildenden.

Gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 BBiG darf Auszubildende nur einstellen, wer persönlich geeignet ist. Auszubildende darf nur ausbilden, wer persönlich und fachlich geeignet ist, § 28 Abs. 1 Satz 2 BBiG. Persönlich nicht geeignet ist insbesondere, wer Kinder und Jugendliche nicht beschäftigen darf oder wiederholt oder schwer gegen dieses Gesetz oder die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und Bestimmungen verstoßen hat, § 29 Nr. 1 und 2 BBiG. Der Gesetzgeber will mit der Regelung des § 29 BBiG die Belange und Interessen der Auszubildenden schützen und ausschließen, dass eine ordnungsgemäße und zuverlässige Ausbildung unter einem Ausbilder nicht bereits wegen Zweifeln an dessen Integrität nicht sichergestellt ist. Dabei handelt es sich bei der persönlichen Eignung zum Einstellen und Ausbilden von Lehrlingen bzw. Auszubildenden um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen rechtlicher Beurteilung auch der durch den Entzug der Ausbildungsbefugnis verbundene Eingriff in Freiheitsrechte des Ausbildungsbetriebes und des Ausbilders berücksichtigt werden muss (Art. 14 und 12 GG), so dass ein Urteil hinsichtlich der Eignung oder der Unzuverlässigkeit einer Person nur auf gerichtlich nachprüfbare und feststellbare Tatsachen gestützt werden kann (VGH BW, U.v. 22.12.1988 – 9 S 2583/87 – juris).

Ausbildende haben dafür zu sorgen, dass Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet werden, § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG. Diese Verpflichtung erfasst über § 29 Nr. 2 BBiG auch die Ausbilder und die gemäß § 28 Abs. 3 BBiG unter deren Verantwortung tätigen Ausbildungshelfer. Der Schutz vor sittlicher und körperlicher Gefährdung ist umfassend, da er das Recht auf körperliche Unversehrtheit gewährleistet, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Vorschrift schützt alle Auszubildenden unabhängig von deren Alter. Die sittliche Gefährdung ist als gesellschaftlich-sittliche Gefährdung zu verstehen. Um eine solche nach Möglichkeit auszuschließen, normiert das Gesetz bereits die Voraussetzungen der persönlichen Eignung für das Einstellen und Ausbilden (Herkert/Töltl, BBiG, Stand November 2017, § 14 BBiG Rn. 58 ff.).

Ein wiederholter Verstoß liegt vor, wenn mehr als ein Vorfall vorliegt. Es muss sich dabei um mehrere wesentliche Verstöße handeln, d.h. bloße Lappalien sind nicht ausreichend.

Ein schwerer Verstoß setzt voraus, dass die persönliche Integrität so erschüttert wird, dass es nicht verantwortbar erscheint, den Auszubildenden (weiterhin) der Obhut des Ausbildenden oder des Ausbilders anzuvertrauen. Ein schwerer Verstoß erfordert begriffsnotwendig einen größeren Unrechtsgehalt, weil nur dann die Aberkennung der persönlichen Eignung wegen ihrer erheblichen Auswirkung auf die Rechte des Einzelnen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (Herkert/Töltl, BBiG, Stand November 2017, § 29 BBiG Rn. 13). An das Merkmal der persönlichen Eignung sind hohe Anforderungen zu stellen. Persönlich ungeeignet ist regelmäßig ein Ausbilder, bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er die Menschenwürde und speziell die Intim- und Privatsphäre der von ihm abhängigen Auszubildenden verletzen könnte, wobei es auf die Strafbarkeit seines Verhaltens nicht ankommt. Ausreichend ist bereits, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Verstoß vorliegt (BayVGH, B.v. 12.08.2004 – 22 CS 04.1679 – juris Rn. 10 f.).

Der Antragsteller ist unter Zugrundelegung der vorgenannten Ausführungen nach einer summarischen Prüfung als persönlich ungeeignet anzusehen. Zwar liegt, zumindest bisher, keine rechtskräftige Verurteilung vor, jedoch gelangt die erkennende Kammer aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes zu dem Ergebnis, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür gegeben ist, dass der Antragsteller die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat. Die erkennende Kammer stützt sich dabei im Wesentlichen auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … vom 4. Dezember 2017. Den dort gegen ihn erhobenen Vorwürfen ist der Antragsteller im Übrigen im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch nicht entgegengetreten.

Bezüglich einer ehemaligen Auszubildenden hat der Antragsteller dieser in offenbar sexuell bestimmter Weise zweimal auf das Gesäß geschlagen. Zudem hat er sie in offenbar sexuell bestimmter Weise entgegen ihren Willen auf den Nacken geküsst und bei einer Untersuchung mit einem Stethoskop deren Brust mit der ganzen Hand berührt. Ohne erkennbare medizinische Notwendigkeit wurde vom Antragsteller, einem Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie, mithin also nicht einem Urologen bzw. Gynäkologen, bei der ehemaligen Auszubildenden eine Ultraschalluntersuchung an Blase und Gebärmutter durchgeführt.

Hinsichtlich einer weiteren ehemaligen Auszubildenden führte der Antragsteller im Rahmen einer vorgeblichen Studie ebenfalls Ultraschalluntersuchungen durch, wobei es zu sexuellen Übergriffen auf die Auszubildende kam. Zudem ließ er eine Ultraschalluntersuchung nach seinen Vorgaben an sich durch die Auszubildende durchführen, unter anderem auch in seinem Intimbereich. Erschwerend kommt hinzu, dass der Antragsteller laut Anklageschrift seine Taten teilweise Freitag nachmittags oder an Samstagen beging, da zu diesen Zeiten keine weiteren Personen anwesend waren, die der Auszubildenden zu Hilfe kommen könnten.

Der Antragsteller ist den Vorwürfen, wie bereits ausgeführt, bisher inhaltlich nicht entgegengetreten. Gemäß der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … vom 4. Dezember 2017 haben die ehemaligen Auszubildenden ihre Aussagen widerspruchsfrei und unter Benennung zahlreicher Details abgegeben. Die erkennende Kammer sieht keinen Anlass, diese Aussagen im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren als unglaubwürdig einzustufen, zumal die beiden Auszubildenden unabhängig voneinander berichteten, dass es zu sexuellen Handlungen ihnen gegenüber kam. Erschwerend kommt hinzu, dass weitere Zeugen, unter anderem eine für die Praxisorganisation und Abrechnung zuständige Angestellte, bestätigten, dass eine der ehemaligen Auszubildenden während des Spätdienstes der anderen ehemaligen Auszubildenden freiwillig in der Praxis geblieben sei, um weitere Übergriffe zu verhindern. Weitere Zeugen geben an, dass der Antragsteller sexuell eingefärbte Scherze gemacht habe. Durch die Mitgesellschafter der Praxisgemeinschaft wurde ein Schlag des Antragstellers auf das Gesäß beobachtet. Die erkennende Kammer sieht daher im vorliegenden summarischen Verfahren keine Gründe, diese Aussagen in Zweifel zu ziehen. Der Antragsteller ist daher aufgrund der konkreten sexuellen Übergriffe nach derzeitigem Sachstand als persönlich ungeeignet anzusehen. Sämtliche von der Staatsanwaltschaft … vorgeworfenen Handlungen stellen zudem Straftaten und somit einen schweren Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG dar. Da es zu mehr als zwei schweren Übergriffen kam, wurde auch wiederholt gegen die Vorschriften des BBiG verstoßen. Die persönliche Eignung nach § 29 Nr. 2 BBiG des Antragstellers ist damit zumindest bei summarischer Betrachtung nicht (mehr) gegeben.

Auch ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist nicht erkennbar, da insbesondere keine milderen Mittel zur Verfügung standen. Zwar wird der Antragsteller in seiner Berufsausübung eingeschränkt, da ihm jede Zusammenarbeit mit Auszubildenden untersagt wird, jedoch ist dies zum Schutze der derzeitigen bzw. etwaiger potenzieller zukünftiger Auszubildenden gerechtfertigt. Der Schutz der Auszubildenden auf körperliche Unversehrtheit ist hier vorrangig. Eine Verletzung subjektiver Rechte des Antragstellers liegt somit ebenfalls nicht vor, zumal der Antragsteller bis auf Weiteres seinen Beruf ausüben kann und die Beeinträchtigung des Bürobetriebs bei insgesamt drei weiteren Angestellten neben der derzeitigen Auszubildenden gering ausfällt. Gegebenenfalls wären Änderungen an den Arbeitsabläufen vorzunehmen, um zu verhindern, dass der Antragsteller in Kontakt mit der Auszubildenden kommen kann und insbesondere nicht mit dieser alleine und unbeaufsichtigt ist.

Da die Untersagung der Einstellung und Ausbildung von Auszubildenden nach einer summarischen Prüfung rechtmäßig ist und den Kläger somit nicht in eigenen Rechten verletzt, war der Antrag diesbezüglich abzulehnen.

2.2.2.3.

Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen auch eine durch das Gericht vorgenommene Interessenabwägung. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin mit dem Erlass des Bescheides den Schutz der noch minderjährigen Auszubildenden erreichen wollte. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich um besonders schwere Vorwürfe gegenüber dem Antragsteller handelt, die aus Sicht des Gerichtes durch die bei der Staatsanwaltschaft erfolgten Zeugenaussagen bestätigt wurden und vom Antragsteller selbst im vorliegenden Verfahren auch nicht konkret bestritten wurden. Demgegenüber muss das Interesse des Antragstellers, dass er weiterhin frei in Kontakt zu Auszubildenden treten und diesen Aufträge erteilen kann, zurücktreten. Eine ggf. erforderliche Umstrukturierung der Praxisorganisation wäre jedenfalls hinzunehmen, da das grundgesetzlich geschützte Recht der derzeitigen Auszubildenden auf körperliche Unversehrtheit wesentlich überwiegt. Zudem wird der Antragsteller nur geringfügig in seiner Berufsfreiheit beeinträchtigt, wobei ihm eine Ausübung des Berufs (Art. 12 GG) weiterhin möglich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert bestimmt sich nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG und wird gemäß Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2013 für das vorliegende Eilverfahren halbiert.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn

1.
gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist,
2.
nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 weggefallen ist,
3.
Zweifel bestehen, ob die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 noch erfüllt ist und der Arzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
4.
sich ergibt, dass der Arzt nicht über die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die für die Ausübung der Berufstätigkeit in Deutschland erforderlich sind oder
5.
sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht.

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, daß die Praxis eines Arztes, dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes den ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf der Approbation als Arzt.

(2) Eine vorübergehende oder eine auf bestimmte Tätigkeiten beschränkte Ausübung des ärztlichen Berufs im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist auch aufgrund einer Erlaubnis zulässig.

(3) Ärzte, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates sind, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, dürfen den ärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ohne Approbation als Arzt oder ohne Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs ausüben, sofern sie vorübergehend und gelegentlich als Erbringer von Dienstleistungen im Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages im Geltungsbereich dieses Gesetzes tätig werden. Sie unterliegen jedoch der Meldepflicht nach diesem Gesetz.

(4) Für die Ausübung des ärztlichen Berufs in Grenzgebieten durch im Inland nicht niedergelassene Ärzte gelten die hierfür abgeschlossenen zwischenstaatlichen Verträge.

(5) Ausübung des ärztlichen Berufs ist die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin".

Tenor

1.

Die Anträge werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.500,00 Euro festgesetzt.


1 234567891011121314151617181920212223242526272829303132333435363738394041424344454647

Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:

1.
In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt.
2.
Bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, vorbehaltlich der Nummern 1 und 4. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen des Satzes 1. In Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3. Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Möglichkeit nach § 83 Absatz 3 des Asylgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, das nach dem Landesrecht für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz betreffend den Herkunftsstaat des Ausländers zuständig ist. Für Klagen gegen den Bund auf Gebieten, die in die Zuständigkeit der diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland fallen, auf dem Gebiet der Visumangelegenheiten auch, wenn diese in die Zuständigkeit des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten fallen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat.
3.
Bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5. Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte einer von den Ländern mit der Vergabe von Studienplätzen beauftragten Behörde ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4.
4.
Für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für Klagen nach § 79 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen entsprechend.
5.
In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.

(1) Die Approbation erteilt in den Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 die zuständige Behörde des Landes, in dem der Antragsteller die ärztliche Prüfung abgelegt hat. In den Fällen des § 14 Abs. 3 Satz 2 wird sie von der zuständigen Behörde des Landes erteilt, in dessen Gebiet die Behörde ihren Sitz hatte, von der der Antragsteller seine nach den Vorschriften der Deutschen Demokratischen Republik erteilte Approbation erhalten hat. In den Fällen des § 14a Abs. 4 Satz 1 bis 3 wird die Approbation von der zuständigen Behörde des Landes erteilt, in dem der Antragsteller sein Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen hat.

(2) Die Entscheidungen nach § 14a Abs. 4 Satz 3 trifft die zuständige Behörde des Landes, in dem der Antragsteller das Medizinstudium nach § 14a Abs. 4 Satz 1 abgeschlossen hat. Die Entscheidungen nach § 14 Abs. 4 Satz 4 trifft die zuständige Behörde des Landes, in dem der Antragsteller seine Ausbildung abgeschlossen hat.

(3) Die Entscheidungen nach § 3 Absatz 1 bis 3, Absatz 6 Satz 3, § 10 Absatz 1 bis 3 und 5, § 10a Absatz 1 und 2, § 14 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 6 sowie nach § 14b trifft die zuständige Behörde des Landes, in dem der ärztliche Beruf ausgeübt werden soll. Für das Verfahren zur Ausstellung eines Europäischen Berufsausweises ist die zuständige Behörde des Landes zuständig, in dem der ärztliche Beruf ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll. Die Länder können vereinbaren, dass die ihnen durch Satz 1 übertragenen Aufgaben von einem anderen Land oder von einer gemeinsamen Einrichtung wahrgenommen werden. § 10 Absatz 3 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Entscheidungen nach § 3 Abs. 1a Satz 2, §§ 5 und 6 trifft die zuständige Behörde des Landes, in dem der ärztliche Beruf ausgeübt wird oder zuletzt ausgeübt worden ist. Bei Ärzten, die den ärztlichen Beruf häufig wechselnd in ärztlich geleiteten Einrichtungen ausüben, trifft die Entscheidung nach Satz 1 die Behörde des Landes, in dem dem Arzt die Approbation erteilt worden ist. Sie übermittelt die Informationen nach § 10b Abs. 3 Satz 7. Satz 1 gilt entsprechend für die Entgegennahme der Verzichtserklärung nach § 9.

(5) Die Entscheidung nach § 8 trifft die Behörde des Landes, die die Approbation zurückgenommen oder widerrufen hat.

(6) Die Meldung nach § 10b Abs. 2 nimmt die zuständige Behörde des Landes entgegen, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll oder erbracht worden ist. Die Bearbeitung der Informationsanforderungen nach § 10b Abs. 3 Satz 3 und die Unterrichtung des Herkunftsmitgliedstaats nach § 10b Abs. 3 Satz 5 erfolgt durch die zuständige Behörde des Landes, in dem die Dienstleistung erbracht wird oder erbracht worden ist. Sind von den Ländern hierfür gemeinsame Stellen eingerichtet worden, so legen die Länder die zuständigen Stellen fest. Die Bescheinigungen nach § 10b Abs. 4 stellt die zuständige Behörde des Landes aus, in dem der Antragsteller den ärztlichen Beruf ausübt.

(7) Wenn ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder ein Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, zur Erleichterung der Anwendung von Titel III Kapitel III der Richtlinie 2005/36/EG eine Bescheinigung des Herkunftsmitgliedstaats verlangt, dass die in Deutschland ausgestellten Nachweise über die geforderten Ausbildungsvoraussetzungen den in der Richtlinie 2005/36/EG verlangten Nachweisen entsprechen, erteilt diese Bescheinigung das Bundesministerium für Gesundheit.

(8) Soweit die in Deutschland zuständigen Stellen Informationen nach Anhang VII Nummer 1 Buchstabe d der Richtlinie 2005/36/EG an die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats zu übermitteln haben, hat dies binnen zwei Monaten zu erfolgen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Januar 2012 wird abgeändert. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller wird nach Maßgabe der folgenden Anordnung abgelehnt:

Den Beigeladenen wird aufgegeben, die Belegung der Teststrecke auf dem Flugplatz M... für Zwecke der Beigeladenen zu 2) mit einem Vorlauf von einer Woche schriftlich an den Antragsgegner zu melden, bei kürzerer Buchung der Strecke unverzüglich.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten beider Beigeladenen haben die Antragsteller zu je 3/8, die Antragsgegnerin zu 1/8 und die Beigeladenen zu je 1/16 zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die vorläufige Inbetriebnahme eines Automobil-, Test- und Erprobungszentrums auf dem Konversionsgelände Flugplatz M... Die Beigeladene zu 1) wendet sich als neuer Eigentümer und Investor des Geländes mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz (7 L 1074/11), mit dem es auf den Antrag der Antragsteller die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die der Beigeladenen nach §§ 4, 6, 10 und 16 BlmSchG erteilten Genehmigung des Antragsgegners vom 16.09.2011 wiederhergestellt hat. Die Beigeladene zu 2) ist Mieterin und Betreiberin der Anlage.

2

Die Antragstellerin zu 1) ist Miteigentümerin des Grundstücks I... K... ..., ... K..., der Antragsteller zu 2) des Grundstücks A... W... ..., ... K... Südwestlich der Gemeinde K... liegt in ungefähr 1.300 m Entfernung der frühere Heeresflugplatz der Bundeswehr (G...-P...-Kaserne). Die Gesamtfläche von 188 ha verteilt sich auf die Verbandsgemeinden M... und P... Diese haben den Zweckverband "Konversion Flugplatz M..." gegründet und ihm die Bauplanungshoheit zur städtebaulichen Fortentwicklung der Flächen übertragen. Die bereits eingeleiteten Bauleitplanverfahren (Änderung der Flächennutzungspläne der Gemeinden M... und P... und zur erstmaligen Aufstellung eines Bebauungsplans) sind derzeit noch nicht abgeschlossen.

3

Nach den Festlegungen eines städtebaulichen Vertrages vom 03.02.2009 zwischen dem Zweckverband Konversion Flugplatz M..., dem Land Rheinland-Pfalz und der Beigeladenen zu 1) soll die Liegenschaft – ein früherer Standort der Bundeswehr – einer gewerblich-industriellen Folgenutzung zugeführt werden. In dem Konversionsvertrag wird die Weiternutzung der vorhandenen Infrastruktur in Form der vormaligen Start- und Landebahn samt Nebenbereichen als ein Fahrzeugentwicklungszentrum ermöglicht.

4

Unter dem 16.09.2011 genehmigte der Antragsgegner der Beigeladenen zu 1) die Errichtung und den Betrieb eines Automobil-, Test- und Erprobungszentrums auf dem Konversionsgelände Flugplatz M... (Bl. 42 GA). Der Genehmigung beigefügt waren verschiedene Auflagen zum Immissionsschutz sowie zahlreiche weitere Nebenbestimmungen. Die Genehmigung erging im Hinblick auf den künftigen Bebauungsplan „Konversion Flugplatz M...“ der nach Darstellung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen Planreife erreicht hat. Zur Sicherstellung der Einhaltung der im Bebauungsplan vorgesehenen Lärm-Emissionskontingente sieht die streitgegenständliche Genehmigung vom 16.09.2011 zugunsten der betroffenen Wohngebiete der Umgebung den Einsatz eines sog. Monitoringsystems vor, wodurch die Schallemissionen der Anlage durch Vergleich mit berechneten Schwellenwerten kontinuierlich überwacht werden sollen.

5

Gegen die Genehmigung haben die Antragsteller mit getrennten Schreiben vom 28.09. und 17.10.2011 zunächst ohne Begründung Widerspruch erhoben. Unter dem 06.10.2011 ordnete der Antragsgegner mit gesondertem Bescheid die sofortige Vollziehung der Genehmigung vom 16.09.2011 an (Bl. 61 ff GA). Mit dem angegriffenen Beschluss vom 13.01.2012 hat das Verwaltungsgericht Koblenz die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Antragsgegners vom 16.09.2011 wiederhergestellt. Bereits zuvor – am 05.01.2012 – hatte die Beigeladene zu 1) die Wirkungen des Bebauungsplans für sich und ihre Rechtsnachfolger nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB schriftlich anerkannt (Bl. 378 GA).

6

Die Beigeladene zu 1) hat am 01.02.2012 Beschwerde erhoben und unter dem 15.02.2012 ausführlich begründet. Mit der Beschwerde eingereicht wurde ein Bescheid des Antragsgegners vom gleichen Tag, in dem die Begründung des Sofortvollzugs über mehrere Seiten ergänzt wurde (Bl. 553 GA). Unter dem 02.03.2012 hat die Beigeladene zu 1) ergänzend eine Zwischenregelung im Sinne einer vorläufigen Genehmigung beantragt, was der Senat mit Beschluss vom 07.03.2012 zurückgewiesen hat. Die Antragsteller sind der Beschwerde in ihrem Schriftsatz vom 20.03.2012 umfassend entgegen getreten.

II.

7

1. Die Beschwerde der Beigeladenen ist überwiegend begründet, weil eine umfassende Güter- und Interessenabwägung nach §§ 80a Abs. 3 Satz 1, 80 Abs. 5 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache ergibt, dass das Aussetzungsinteresse der Antragsteller das Verwirklichungsinteresse der Beigeladenen nicht überwiegt. Dabei ist hinsichtlich der Erfolgsaussichten in der Hauptsache auf eine etwaige Verletzung von subjektiv-rechtlichen, also nachbarschützenden Normen abzustellen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), während es hinsichtlich der Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 3 VwGO auf die Einhaltung der dortigen formalen Voraussetzungen ankommt.

8

2. Bei der rechtlichen Beurteilung ist zunächst im Rahmen der dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend nicht um den "Normalfall" der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes handelt, an dem lediglich die erlassende Behörde und der Adressat der Regelung selbst beteiligt sind. Es liegt vielmehr ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung vor, durch den ein Dreiecksverhältnis entsteht: Von den Rechtswirkungen der Genehmigung werden die erlassende Behörde, der begünstigte Genehmigungsinhaber und die von der Genehmigung betroffenen Nachbarn erfasst. Mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung wird in diesen Fällen mithin regelmäßig in erster Linie zwischen widerstreitenden Bürgerinteressen entschieden. Der vom Rechtsstaatsgedanken gebotene Schutz des Einzelnen gegenüber Eingriffen des Staates, der im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG eine sofortige Vollziehung von staatlichen Maßnahmen gegenüber dem Bürger nur in den engeren Grenzen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 1. Alt. VwGO zulässt, tritt daher zurück. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hat in solchen Fällen mehr schiedsrichterlichen Charakter, wobei die voraussichtlichen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ein zentraler, aber nicht der alleinige Maßstab der gerichtlichen Entscheidung sind. Dem trägt auch § 80 Abs. 2 Nr. 4, 2. Alt. VwGO Rechnung, wonach auf das "überwiegende Interesse eines Beteiligten" zur Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung abgestellt werden kann. Ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten im Sinne der Vorschrift ist daher dann nicht anzunehmen, wenn das von ihm eingelegte Rechtsmittel mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und zudem die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung dem anderen, begünstigten Beteiligten gegenüber unbillig erscheinen muss (vgl. BVerfG; Beschluss vom 01.10.2008, 1 BvR 2466/08 BRS 73 Nr. 164 (2008); früher schon BVerwG, Beschluss vom 22.11.1965, DVBl 1966, 273).

9

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass es bei im Ergebnis nicht erfolgreichen Einwendungen von Nachbarn zu finanziellen Mehrbelastungen eines Vorhabenträgers oder Bauherren kommen kann, die allein aus prozessualen Gründen „das Aus“ für ein Vorhaben bedeuten können, ohne dass sich im Hauptsacheverfahren die dagegen gerichteten Vorbehalte als rechtlich erheblich herausstellen. Zudem kann bei der Interessenabwägung unterschieden werden zwischen den Fällen in denen das Objekt der Genehmigung erst noch zu errichten ist (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 29.02.2012, 1 B 11389/11.OVG – Erweiterung Bleirecycling-Anlage) und denen, wo schon ein mittels Investitionen eingerichteter Betrieb vorhanden ist, so dass jeder Monat der Nichtnutzung zu erheblichen finanziellen Verlusten bis hin zur Aufgabe des Vorhabens führen kann. Nach Maßgabe dieser Grundsätze war die Wiederherstellung des Sofortvollzuges anzuordnen, jedoch von ergänzenden Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft abhängig zu machen (§ 80 Abs. 5 S. 4 VwGO).

10

3. Die Begründung des Sofortvollzuges der streitgegenständlichen Genehmigung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO war ordnungsgemäß.

11

a. § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO normiert formelle Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes. Die Vollziehungsanordnung ist grundsätzlich mit einer auf den konkreten Einzelfall abgestellten und nicht lediglich formelhaften Begründung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes zu versehen. Die Begründung des § 80 Abs. 3 VwGO hat dabei insbesondere den Zweck, die Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollziehungsanordnung veranlasst haben, ihre Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen (Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 84 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 22.01.2001, NJW 2001, 3427). Das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gebietet aber nicht, dass die Behörde mit substantiierten tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen das besondere Vollzugsinteresse begründet (vgl. VGH BW, Beschluss vom 13.03.2003, NVwZ-RR 2003, 724).

12

b. Diese Voraussetzungen waren vorliegend schon mit der Begründung des Bescheides vom 06.10.2011 erfüllt. Der Antragsgegner hat zur Begründung gemäß der Vorschrift des § 80 Abs. 3 VwGO nach Darlegung der Interessen der Beigeladenen ausgeführt, dass aufgrund der zahlreichen Nebenbestimmungen der angefochtenen Genehmigung sowie der damit einhergehenden ständigen Überwachung gewährleistet sei, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren sowie rechtlich erhebliche Nachteile und Belästigungen nicht hervorgerufen werden können. In dem hier vorliegenden Dreiecksverhältnis ist auch zu beachten, dass die Nachbarn bis dahin ihre vorliegenden Widersprüche nicht begründet hatten. Dass in diesem Zusammenhang seitens des Antragsgegner oder der Beigeladenen (noch) keine konkreten Schadensbeträge angeführt werden, ist unschädlich, da auf der Hand liegt, dass die Vorhaltung einer solchen Anlage nach deren Einrichtung zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen führt, wenn die Anlagen bis zum rechtskräftigen Abschluss der eingeleiteten Rechtsbehelfsverfahren nicht betrieben und keine Einnahmen zur Kostendeckung erzielt werden können.

13

c. Darüber hinaus ist zu sehen, dass aus der Eigenschaft als formelle Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit folgt, dass es nicht darauf ankommt, ob die Erwägungen der Behörde auch inhaltlich – im Sinne des objektiven Rechts und der Interessen der Beteiligten – vollständig zutreffend sind. Dies ist erst bei der umfassenden von dem Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen. Dieser „Vollprüfung“ muss sich die streitgegenständliche Genehmigung, nicht jedoch bereits die Anordnung der Vollziehbarkeit stellen. Nach alledem dürfen die Anforderungen an eine Begründung im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO nicht überspannt werden (vgl. VGH BW, Beschluss vom 13.03.2003; zuletzt OVG RP, Beschluss vom 09.02.2011, 10 B 11312/10).

14

4. Darüber hinaus entspricht die nachgeschobene umfangreiche Begründung vom 15.02.2012 (Bl. 553 GA) offensichtlich vollständig diesen Anforderungen. Der Senat schließt sich der Ansicht an, dass die nachträgliche Ergänzung der Gründe des Sofortvollzuges vom 15.02.2012 gemäß § 80 Abs. 3 VwGO nach dem Rechtsgedanken des § 45 Abs. 2 VwVfG grundsätzlich im Laufe des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nachgeholt werden kann (ebenso OVG MV, Beschluss vom 20.01.1998, NVwZ-RR 1999, 409; BayVGH, Beschluss vom 06.03.1997, BayVBl 1998, 373). Dabei sollte die Heilungsmöglichkeit bis zum Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens entsprechend den Grundsätzen zu § 114 Satz 2 VwGO zur materiellen Befugnis ausgelegt werden, so dass zumindest eine Ergänzung der Erwägungen möglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.09.2006, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr 115). Es wäre auch ein prozessökonomisch fragwürdiges Ergebnis, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit aufgrund eines Mangels nach § 80 Abs. 3 VwGO aufzuheben wäre, aber dann sofort wieder erneut ergehen dürfte. Darüber hinaus hätte die Antragsgegnerin dem Bescheid vom 15.02.2012 mit seiner umfassenden Begründung auch eine erneute Anordnung des Sofortvollzugs beifügen können. Der Gegenseite entstehen dadurch keine prozessualen Nachteile, da sie in solchen Fällen mit einer Erledigungserklärung nach § 161 Abs. 2 VwGO reagieren kann.

15

5. Es ist im Rahmen der für das einstweilige Rechtsschutzverfahren maßgeblichen Prüfung nicht ersichtlich, dass die streitgegenständliche Genehmigung zugunsten der Beigeladenen rechtswidrig ist und damit aufzuheben wäre.

16

a. Ein Rechtsverstoß folgt zunächst nicht aus der zu Beginn des Verfahrens zunächst noch fehlenden Anerkennung nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Nach dieser Vorschrift ist in Gebieten, für die ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, ein Vorhaben schon vor Abschluss des Planverfahrens zulässig, wenn die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung durchgeführt worden ist und anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegensteht und die Erschließung gesichert ist. Zudem muss der Antragsteller diese Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkennen.

17

b. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass der hier maßgebliche Bebauungsplan „Konversionsgebiet Flugplatz M...“ die nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erforderliche „Planreife“ erreicht hat, nachdem die Bürger- und Behördenbeteiligung bereits Ende Februar 2011 abgeschlossen waren und gegenteilige Erkenntnisse im Verfahren nicht ersichtlich wurden. Der Inhalt dieses Bebauungsplanes ergibt sich aus den in der Akte befindlichen Textfestsetzungen und Begründungen. Dabei ist es naheliegend, dass die geplante Nutzung auch den Festlegungen des städtebaulichen Vertrages vom 03.02.2009 entspricht, ohne dass dies hier näherer Ausführung bedürfte.

18

c. Es ist indessen nicht davon auszugehen, dass die nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB erforderliche schriftliche Erklärung der Beigeladenen zu 1) derzeit (noch) fehlt. Zutreffend ist zwar, dass sich eine Erklärung zunächst nicht in den Verwaltungsakten befand und insofern diese formale Voraussetzung nicht erfüllt war. Zutreffend ist auch, dass die Erklärung nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB grundsätzlich vor der Entscheidung der Behörde als Voraussetzung für die städtebauliche Zulässigkeit eines Vorhabens vorzuliegen hat. Dies schließt indessen nicht aus, dass die notwendige Erklärung im laufenden gerichtlichen Verfahren nachgereicht wird. Entsprechend den Grundsätzen des § 45 Abs. 1 und Abs. 2 VwVfG können derartige Verfahrenshandlungen noch bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Es wäre indessen auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten verfehlt, den streitgegenständlichen Bescheid wegen des ursprünglichen Fehlens der Erklärung nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB aufzuheben, um ihn dann mit gleichem Inhalt und derselben beigefügten Erklärung erneut zu erlassen bzw. erlassen zu müssen.

19

d. Im Übrigen kann das Begehren der Antragsteller schon deswegen aufgrund von § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB nicht zum Erfolg führen, weil insofern eine Verletzung drittschützender Rechte nicht dargetan ist. Denn § 33 BauGB kann nur in dem Umfang Drittschutz vermitteln, in dem die antizipiert angewandten künftigen Festsetzungen des Bebauungsplanes selbst dem Drittschutz dienen (OVG NRW, Beschluss vom 15.02.1991, NWVBl 1991, 267). Eine losgelöste Berufung auf § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB unabhängig von dem Inhalt der Baugenehmigung und des Bebauungsplans ist dagegen nicht anzuerkennen. So besteht etwa auch ein Nachbarschutz gegenüber einer Veränderungssperre selbst dann nicht, wenn der Bebauungsplan zugunsten der Nachbarn später nachbarschützende Vorschriften enthält (BVerwG, Beschluss vom 05.12.1988, BauR 1989, 1861). Inhalt des Anerkenntnisses nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB ist die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Antragstellers für sich und seine Rechtsnachfolger, die künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans gegen sich gelten zu lassen, d.h. alles zu unterlassen, was mit den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vereinbar ist. Würde man dem Nachbarn auch zugestehen, dass eine in Rede stehende Verletzung des § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB ihn zur Anfechtung berechtigt, würde dies über die Funktion des subjektiven Rechts hinausgehen. Welche Rechtsschutzlücke für die Antragsteller aus einer entsprechenden Handhabung bei § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB folgen soll, haben diese hier aber nicht dargetan.

20

6. Auch im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Überprüfung ist nicht festzustellen, dass die Genehmigung vom 16.09.2011 offensichtlich rechtswidrig wäre. Es ist nach Aktenlage auf der Grundlage der im einstweiligen Rechtsschutz möglichen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass ein rechtmäßiger Betrieb der Teststrecke unter Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA-Lärm und Beachtung der Emissionskontingentierung auf der Grundlage der streitgegenständlichen Genehmigung grundsätzlich möglich sein wird. Im Übrigen können hierzu aber auch aus dem laufenden Betreib weitere Erkenntnisse gewonnen werden. Für die hier maßgebliche Interessenabwägung im Einzelnen gilt Folgendes:

21

a. Die Nutzung des Flugplatzes (auch) als automobiles Testzentrum entspricht den Konversionszielen des Landes Rheinland-Pfalz und den planungsrechtlichen Zielen der beteiligten Gemeinden. Insbesondere sieht der genannte städtebauliche Vertrag „Konversion Flugplatz M...“ dieser Parteien mit der Beigeladenen zu 1) als Investor vom 03.02.2009 dies für den Flugplatz ausdrücklich vor (Auszug § 3 Abs. 2a):

22

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die vorhandene Start- und Landebahn auch zukünftig genutzt wird. Die für diese beabsichtigte zivile Luftverkehrsnutzung erforderliche luftverkehrsrechtliche Änderungsgenehmigung ist zwischenzeitlich von der M... Flugplatz GmbH beantragt worden. Die vorhandene Start- und Landebahn samt Nebenbereichen (Taxiways und Grünflächen) – Anlage 5 - soll zudem zukünftig als Fahrzeugentwicklungszentrum genutzt werden. soweit dies immissionsschutzrechtlich zulässig ist und den Festsetzungen der luftverkehrlichen Änderungsgenehmigung sowie der verbindlichen Bauleitplanung nicht widerspricht.

23

Unabhängig von dem Inhalt einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sollen nur Testfahrten und Motorentests mit Fahrzeugen zulässig sein, die nach der Straßenverkehrszulassungsordnung zugelassen sind oder zugelassen werden können oder deren Lärmemissionen geringer sind.

24

b. Diese vertraglichen Vorgaben hat der Zweckverband Konversion Flugplatz M... im Rahmen der Bauleitplanung aufgegriffen und in dem Entwurf von Januar 2011 umfassend berücksichtigt. Auf der Grundlage eines sogenannten „Masterplanes“ erfolgte im August 2010 eine schalltechnische Untersuchung zur Geräuschkontingentierung für den Bebauungsplan Konversionsgebiet Flugplatz M...“ des Ing.-Büro ISU, Bitburg. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Wohn- und Gewerbegebiete wurden im Rahmen der Geräuschkontingentierung Gesamt-Immissionswerte festgelegt (S. 13, 19 Gutachten ISU). Dabei wurde als immissionsempfindliche Nutzung u.a. auch der Wohnbereich östlich des Konversionsgeländes in K... ausdrücklich benannt und berücksichtigt. Sodann wurden Richtungsemissionskontingente für die Tag- und Nachtzeit sowie richtungsabhängige Zusatzkontingente festgelegt.

25

c. Dieses umfassende Konzept der Geräuschkontingentierung der Firma ISU ist hinsichtlich des Betriebs der Test- und Erprobungsstrecke für Kraftfahrzeuge für die streitgegenständliche Genehmigung seitens des schalltechnischen Büros BeSB GmbH, Berlin ausführlich bei der konkreten Umrechnung in Immissionen zunächst im Gutachten vom 25.06.2010 berücksichtigt worden. Dabei wurden hinsichtlich der verschiedenen Rundkurse der Teststrecke ermittelte Dauerschallpegel gebildet, die nicht überschritten werden dürfen. Die aus dem Gutachten ISU resultierenden Emissionskontingente hat das Büro BeSB in Immissionskontingente hinsichtlich der 16 ausgewählten Immissionspunkte (davon 3 in K..., 7 in M... und 2 in T...) umgerechnet. Um eine noch genauere Anpassung an die Vorgaben des Gutachtens ISU zu erreichen, hat BeSB die Werte der im Genehmigungsbescheid als maßgeblich für die Immissionswerte genannten „Tabelle 2“ in einem Ergänzungsgutachten vom 04.01.2011 nochmals korrigiert. Auf der Grundlage dieser Berechnungen und Kontingentierungen wurde das Monitoring-System der permanenten Überwachung der Lärmimmissionen von dem Antragsgegner in die Genehmigung integriert.

26

7. Der Senat hält diese Vorgaben unter Hinzuziehung der im Tenor entsprechend § 80 Abs. 5 S. 4 VwGO ergänzten Auflage auch praktisch für ausreichend, um dem Schutz der Nachbarschaft – jedenfalls bis zu einer Hauptsacheentscheidung – Rechnung zu tragen. Die Begutachtungen der BeSB vom 25.06.2012, vom 04.01.2011 und 20.01.2012 sind hinreichend plausibel und fundiert, um einen (vorläufigen) Betrieb der Anlage zuzulassen. Die gegen die Genehmigung vom 16.09.2011 und der zugrunde liegende Begutachtung vorgetragenen Einwände der Antragsteller greifen auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Gutachten des Instituts ... C... vom 19.12.2011, vom 02.01.2012 und vom 16.03.2012 dagegen (derzeit) nicht durch.

27

a. Dabei ist zunächst nicht zu erkennen, dass das System einer richtungsabhängigen Immissionskontingentierung (DIN 54691) aus der Bauleitplanung für die Regulierung der streitgegenständlichen Anlage grundsätzlich unzulänglich sein sollte (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 08.03.2012, 1 C 10775/11 – ESOVGRP). Weiter ist davon auszugehen, dass die konkret ausgewählten Immissionsorte für eine Beurteilung des notwendigen Immissionsschutzes ausreichend sind. Hinsichtlich der Lage der Wohnorte der Antragsteller sind die Immissionsorte IP 04a (W... Weg ..., K...) und IP 04b (R... 45, K...) als hinreichend repräsentativ anzusehen, denen einen Immissionskontingent von 47,4 bzw. 46,0 dB(A) tags inkl. Zusatzkontingent zugewiesen worden ist.

28

b. Es ist ferner nicht ersichtlich, dass das von dem Antragsgegner zwingend vorgeschriebene Monitoringsystem gegen das System der TA Lärm verstößt, dessen Funktionsfähigkeit nicht gewährleistet ist und eine Sonderfallprüfung unabdingbar wäre.

29

Für eine Prüfung im Regelfall nach Nr. 3.2.1 TA Lärm ist ein Vergleich des Beurteilungspegels nach Nr. 2.10 TA Lärm mit den Immissionsrichtwerten nach Nr. 6 TA Lärm geboten. Der Beurteilungspegel beruht dabei auf den physikalisch zu ermittelnden Größen für Schalldruck, Schallfrequenz und Dauer der Schalleinwirkungen (Nr. 2.7 i.V.m. Nr. 2.6 TA Lärm). Für die gebotene Einhaltung der Immissionsrichtwerten nach Nr. 6 TA-Lärm gibt es verschiedene Möglichkeiten der Lärmregulierung, wobei aktive und passive Schallschutzmaßnahmen in den Blick zunehmen sind (vgl. zum möglichen Schallschutz auch § 3 des städtebaulichen Vertrags). Dementsprechend stellt es einen zielführender Ansatz dar, durch die Bildung von richtungsbezogenen Emissionskontingenten den Betrieb in einer Weise zu steuern, dass er nachbarverträglich ausgeführt werden kann, unverträglicher Lärm mithin erst gar nicht entstehen kann. Demgegenüber sind die Vorgänge eines automobilen Testzentrums nicht völlig zu antizipieren, so dass der Vorhalt einer unzureichenden Darstellung der Betriebsabläufe aus Sicht des Immissionsschutzes nicht greift, da umgekehrt der zulässige Betrieb von den Emissionskontingenten gedeckelt wird.

30

c. Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen summarischen Prüfung ergeben sich für den Senat auch keine ernstlichen Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Messsystems. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorhalt, es müsse im Bescheid sichergestellt werden, dass die verantwortlichen Personen vor Ort im Hinblick auf das Monitormessverfahren ausreichend instruiert seien, führt indessen zu weit. Dies ist eine Frage des Verwaltungsvollzugs und nicht notwendigerweise im Genehmigungsbescheid zu regeln. Auch die damit im Zusammenhang stehenden Zweifel an der ordnungsgemäßen Einrichtung der Monitormessvorrichtung führen nicht zum Erfolg des Begehrens der Antragsteller. Zum einen sind diese Zweifel nur unsubstantiiert geäußert worden. Zum anderen hat der Senat aber mit der Auflage einer Meldepflicht der künftigen Streckenbelegung dafür Sorge getragen, dass die zuständige Genehmigungsbehörde bei kritischen Veranstaltungen oder auch stichprobenartig im Normalbetrieb selbst die Messungen fachlich begleiten kann. Dies führt zu einer erheblichen Transparenz des künftigen Betriebs und möglicherweise auch zu validen Ergebnissen für das Hauptsacheverfahren.

31

d. Die von den Antragstellern weiterhin angezweifelten Möglichkeiten der Einhaltung der Immissionskontingente kann ebenfalls im weiteren Betrieb geprüft und nachgewiesen werden. Es ist gerade nicht so, dass erst eine umfassende Begutachtung mit immer neuen Parametern Klarheit hinsichtlich der Lärmbelastung schafft. Vielmehr ist es sachdienlich, dem Betreiber die Möglichkeit im Rahmen der vorläufigen Vollziehung zu geben, die Funktionsfähigkeit seines Lärmschutzkonzepts unter Beweis zu stellen. Umgekehrt wäre bei einem Nichtbetrieb bis zur Hauptsacheentscheidung ausschließlich auf weitere theoretische Berechnungen abzustellen. Gleichwohl schließt der Senat nicht aus, dass weitere Sachverhaltsermittlungen etwa durch Einholung eines „neutralen Sachverständigengutachtens“ angezeigt seien könnten.

32

e. Der Senat folgt nicht der Darlegung der Antragsteller, dass eine worst-case-Betrachtung im vorliegenden Fall zwingend zu einem anderen Ergebnis führen müsste. Der Gutachter der Antragsgegner und der Beigeladenen (Ing.-Büro ... GmbH) hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Testfahrten mit besonders lauten Sportwagen insbesondere zur besseren Messbarkeit und Unterscheidbarkeit der verschiedenen Geräuschquellen durchgeführt worden sei. Daraus lässt sich zur Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Beigeladenen nicht schließen, dass eine solche geräuschintensive Nutzung dauerhaft über einen längeren Zeitraum anzunehmen wäre. Vielmehr ist – wie bereits ausgeführt – die Nutzung der Teststrecke davon abhängig, dass die Fahrzeuge zumindest die Möglichkeit einer Straßenverkehrszulassung besitzen. Dies schließt von vorneherein den Einsatz von Formel 1-Fahrzeugen oder ähnlich motorisierter Automobile auf der Teststrecke aus. Hinzu kommt im Rahmen der Interessenabwägung, dass im bisherigen Betrieb nach den glaubhaften Angaben des Antragsgegners die einzuhaltenden Schwellenwerte nicht überschritten wurden (vgl. exempl. Schreiben vom 06.03.2012, Bl. 650 GA).

33

f. Ebenfalls nicht durchzudringen vermögen die Antragsteller mit der Einwendung, dass lediglich Schallausbreitungsberechnungen auf Basis des beanstandeten Monitorings vorgenommen und keine Messungen durchgeführt worden seien. Schon im Hinblick darauf, dass derzeit kein Betrieb auf der Strecke stattfindet, ist das Festhalten an der Methode der Schallausbreitungsberechnung vorliegend nicht zu beanstanden. Die Antragsteller können nicht im Rahmen ihres Rechtsschutzbegehrens eine vorläufige Einstellung des Betriebes bis zur abschließenden Entscheidung der Hauptsache fordern und zugleich tatsächliche Lärmausbreitungsmessungen verlangen.

34

g. Schließlich führen die von dem Verwaltungsgericht beanstandeten Nebenbestimmungen des Bescheides im Rahmen der Prüfung im Eilverfahren nicht zur Suspendierung der Genehmigung. Die hier insbesondere streitige Nebenbestimmung (Auflage I 2) lautet:

35

Die einzuhaltenden Schwellenwerte sind während des Betriebes zu beobachten und zu bewerten. Sollte sich im Fahrbetrieb herausstellen, dass die Schwellenwerte voraussichtlich erreicht bzw. überschritten werden, so ist der Betrieb entsprechend zu reduzieren bzw. einzustellen. Das Messmonitoring ist von einer nach §§ 26, 28 BImSchG benannten Stelle durchzuführen.

36

Auflage I 2 ist als permanente Pflicht des jeweiligen Betreibers zu verstehen und setzt – wie von den Beteiligten zutreffend erkannt – einen gewissen Sachverstand der jeweiligen damit beauftragten Personen voraus. Dies ist jedoch – wie bereits angedeutet – eine Frage des Verwaltungsvollzuges und kann nicht abstrakt für die Zukunft festgelegt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die nach §§ 26, 28 BImSchG beauftragte Stelle entsprechende Schwachstellen in der Messung aufgreifen und mit den vor Ort beauftragten Personen abstellen würde. Hier gilt, dass Verstöße gegen diese Regelung zwar nicht unmittelbar seitens des Antragsgegners oder der SGD-Nord geahndet werden könnten. Eine solche Regelung wäre indessen auch ein atypischer Ausnahmefall, der in einem Genehmigungsbescheid regelmäßig nicht gefordert werden kann.

37

Auch die Auflage I 4 stellt die Rechtmäßigkeit der Genehmigung insgesamt nicht in Frage. Diese lautet:

38

Fahrzeuge, die bzgl. ihrer Schallemission als grenzwertig einzustufen sind, sind mit zwei Messungen vor dem Betrieb auf die Einhaltung folgender Grenzwerte zu überprüfen: - Nahfeldmessmethode: Grenzwert 100 dB(A) - beschleunigte Vorbeifahrt: Grenzwert 95 dB(A) (nach DMSB Geräuschvorschriften 2009) Die Messergebnisse sind mindestens 1 Jahr aufzubewahren und auf Verlangen der SGD Nord, Regionalstelle Gewerbeaufsicht Koblenz, in Klarschrift vorzulegen.

39

Hier kann zunächst in Ermangelung anderer Erkenntnisse nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die vor Ort beauftragten Personen des Betreibers nicht über die erforderliche Sachkunde verfügen, ein Kraftfahrzeug als „grenzwertig“ einzustufen. Der Senat gesteht den Angriffen gegen diese Bestimmung zu, dass die Regelung dem Anwender einen gewissen Spielraum überlässt, der im Moment der Reaktion des jeweiligen Anwenders nicht näher überprüfbar ist. Wie auch sonst bei Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23.02.2011, NVwZ 2011, 1142) obliegt die Aufgabe der Präzisierung und Konkretisierung - ungeachtet der etwaigen nachfolgenden uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung - zunächst den zuständigen Verwaltungsbehörden. Die streitgegenständliche Bestimmung dient der Vermeidung von Pegelspitzen durch Vorabaussonderung bestimmter Fahrzeuge und zwar zugunsten der Nachbarn. Soweit keine verwertbaren Daten des Herstellers vorliegen, muss die Einschätzung der sachkundigen Bearbeitung durch Mitarbeiter vor Ort vorbehalten sein. Dabei ist der Begriff „grenzwertig“ offensichtlich zunächst so zu verstehen, dass mutmaßlich ein Grenzwert 100 dB(A) bzw. 95 dB(A) bei beschleunigter Vorbeifahrt erreicht bzw. gerade nicht erreicht wird. Entscheidend ist aber, dass die nur vermeintlich vollzugslose Bestimmung (lex imperfecta) bei Fehleinschätzung des Betreibers dazu führt, dass das Emissionskontingent wesentlich schneller erreicht wird, so dass sich der Betreiber durch solche Vorgänge schon kurzfristig selbst schadet. Zudem dürfte im Rahmen der Auswertung des Monitorings nachträglich feststellbar sein, dass „unzulässige“ Fahrzeuge im Einsatz waren, was ggf. im Hauptsacheverfahren näher aufgeklärt werden kann. Durch das permanente Monitoring, die Aufbewahrungspflichten hinsichtlich der Messergebnisse für ein Jahr und die vom Senat zusätzlich angeordnete Ankündigung von geräuschintensiven Nutzungen der Teststrecke lässt es als fernliegend erscheinen, wegen der nicht vollständig vorhersehbaren Handhabung des Begriffs „grenzwertig“ seitens des Betreibers der Genehmigung den vorläufigen Vollzug zu versagen.

40

h. Der Senat lässt offen, ob es vorliegend eines ergänzenden Sachverständigengutachtens unter Einschluss einer Sonderfallprüfung nach Ziffer 3.2.2 TA Lärm bedarf. Dies dürfte von weiteren tatsächlichen Feststellungen abhängen. Für eine etwaige ergänzende Prüfung im Sonderfall gemäß Ziffer 3.2.2 TA Lärm gelten folgende Grundsätze:

41

aa. Im Rahmen einer Regelfallprüfung werden in pauschalierter Weise bereits die Ton- und Informationshaltigkeit (Nr. A.2.5.2 und A.3.3.5 des Anhangs TA Lärm), die Impulshaltigkeit (Nr. A.2.5.3 und A.3.3.6 des Anhangs TA Lärm), der Anteil tieffrequenter Geräusche (Nr. 7.3 TA Lärm) sowie Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit (Nr. 6.5 TA Lärm) durch Zuschläge berücksichtigt. Liegen jedoch im Einzelfall besondere Umstände vor, die bei der Regelfallprüfung keine Berücksichtigung finden, nach Art und Gewicht jedoch wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung haben können, ob die Anlage zum Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen relevant beiträgt, so ist ergänzend zu prüfen, ob sich unter Berücksichtigung dieser Umstände des Einzelfalls eine abweichende Beurteilung ergibt. Dies stellt sich als eine notwendige Konsequenz des auf den Regelfall zugeschnittenen Beurteilungsverfahrens dar, das im Hinblick auf die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG in atypischen Fällen Abweichungen zu Gunsten oder zu Lasten des Betreibers der Anlage erfordert (vgl. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 4, B 3.6, Nr. 3 TA Lärm, Rn. 51ff).

42

bb. In Nr. 3.2.2 Satz 2 TA Lärm werden beispielhaft Umstände genannt, die Anlass zu einer solchen Sonderfallprüfung geben können (vgl. Hansmann, TA Lärm, Nr. 3.2.2, Rn. 31). Als Umstände, die eine Sonderfallprüfung erforderlich machen können, kommen nach den Regelbeispielen der Nr. 3.2.2 S. 2 TA Lärm insbesondere in Betracht: Schwierigkeiten der Summenpegelbildung, Auswirkungen auf die Akzeptanz durch besondere Standortbindung und positive Einstellung der Betroffenen, künftig absehbare Verbesserungen sowie Herkömmlichkeit und soziale Adäquanz der Geräuschimmission.

43

Die Regelbeispiele des Nr. 3.2.2 S. 2 TA Lärm sind indessen grundsätzlich nur als Umstände zu verstehen, die trotz einer negativen Regelfallprüfung zur Genehmigungsfähigkeit der Anlage führen können (Hansmann, TA Lärm, Nr. 3.2.2, Rn. 34). Daher ergibt sich die Notwendigkeit einer Sonderfallprüfung vorliegend nicht daraus, weil die von der genehmigten Test- und Erprobungsstrecke ausgehenden Geräuschemissionen möglicherweise „nicht sozialadäquat“ seien. Das Merkmal der sozialen Adäquanz soll vielmehr regelmäßig dazu dienen, bestimmte Vorgänge, die zum menschlichen Zusammenleben dazugehören und von der Gesellschaft positiv bewertet werden, nicht aus Gründen des Lärmschutzes untersagen zu müssen (vgl. Hansmann, TA Lärm, Nr. 3.2.2, Rn. 41 m.w.N; BVerwG, Urteil vom 12.12.1991, NJW 1992, 1779; Rechtsprechungsnachweise bei Feldhaus a.a.O., B 3.6, Nr. 3 TA Lärm, Rn. 71). Eine solche positive soziale Adäquanz kann die Rennstrecke nicht für sich in Anspruch nehmen. Umgekehrt sind in der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bisher keine Vorhaben als sozialinadäquat eingestuft worden, welche ansonsten TA-konform errichtet wurden. Solche Entscheidungen werden von den Beteiligten auch nicht benannt.

44

cc. Dagegen lässt sich die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage, „ob tieffrequente Geräusche – über ein Regelfallmaß hinaus – auftreten und gesondert behandelt werden müssen“ im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilen. Allerdings kann die Genehmigung aus diesem Grund nicht suspendiert werden, weil ein erhebliches Potential dieser Geräusche bisher nicht plausibel dargelegt worden ist. Tieffrequente Geräusche sind gesondert in Ziffer 7.3 der TA Lärm geregelt und legaldefiniert als Geräusche, „die vorherrschende Energieanteile im Frequenzbereich unter 90 Hz besitzen“. Der Senat folgt im vorläufigen Verfahren der Einschätzung der Gutachter ... GmbH dass "erhebliche Energieanteile unterhalb von 90 Hz bei normaler bis sportlicher Fahrt“ mit Kraftfahrzeugen nicht über das Normalmaß erzeugt werden. Es ist daher derzeit – für einen Testbetrieb auf der Strecke – nicht davon auszugehen, dass vermehrt solche tieffrequenten Geräusche auftreten, die zu schädlichen Umwelteinwirkungen oder erheblichen Belästigungen führen könnten. Allerdings kann den Einwendungen der ... C... (siehe u.a. Schreiben vom 16.03.2012) im weiteren Verfahren näher nachgegangen werden.

45

dd. Nicht vollständig aufklärbar im Eilverfahren ist insbesondere auch die Frage, ob die von ... C... reklamierte Lästigkeit durch Pegelschwankungen (abruptes Bremsen, Anfahren etc. – vgl. u.a. Bl. 742 GA) in dieser beschriebenen Weise besteht, ob also tatsächlich eine am Wohnort der Antragsteller spürbare und erhebliche Lästigkeit durch Impulshaltigkeit feststellbar sein wird. Die diesbezüglichen Ausführungen der A... vom 16.03.2012 können bisher nicht als widerlegt gelten. Allerdings kann vor dem Hintergrund der beschriebenen Interessenabwägung dieser Frage im weiteren Verfahren nachgegangen werden, ohne dass insofern die Anlage stillzulegen wäre, zumal bei den bisherigen Messungen die maßgeblichen allgemeinen Grenzwerte laut den Auskünften des Antragsgegners stets eingehalten wurden. Zudem können gerade die Erkenntnisse aus dem Betrieb einschließlich des laufenden Monitorings diesbezüglich weitere Daten liefern. Die weitere Aufklärung dieser Fragen kann demgemäß dem Hauptsachverfahren vorbehalten werden, wobei etwa auch ein behördliches oder gerichtliches Gutachten in Betracht kommen dürfte.

46

ee. Dagegen stellt die „Besonderheit“, dass beim vorgesehenen Betrieb „naturgemäß Fahr- und Ruhezeiten“ abwechseln, nicht zwingend einen Umstand im Sinne von Ziffer 3.2.2 Satz 2 Buchstabe b TA Lärm dar, nach dem eine Sonderfallprüfung angezeigt wäre. Der Betrieb eines Automobil- und Testzentrums ist vielmehr für sich genommen wegen seiner wechselnden Einsatzzeiten noch kein nach der TA Lärm zu betrachtender Sonderfall. Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass sich bei einer nach dem Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftigen Anlage lautere Phasen mit leiseren Phasen abwechseln und diese schwankende Belastung in einen Beurteilungspegel umgerechnet wird. Sollte sich aus den zuvor genannten Punkten (Impulshaltigkeit bzw. Lästigkeit und Tieffrequenzen) die Notwendigkeit einer Sonderfallprüfung ergeben, wären indessen auch die wechselnden Einsatzzeiten in einer wertenden Gesamtabwägung zu berücksichtigen (vgl. hierzu Feldhaus, a.a.O., B 3.6, Nr. 3 TA- Lärm, Rn. 53).

47

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

48

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn

1.
gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist,
2.
nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 weggefallen ist,
3.
Zweifel bestehen, ob die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 noch erfüllt ist und der Arzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
4.
sich ergibt, dass der Arzt nicht über die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die für die Ausübung der Berufstätigkeit in Deutschland erforderlich sind oder
5.
sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht.

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, daß die Praxis eines Arztes, dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn

1.
gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist,
2.
nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 weggefallen ist,
3.
Zweifel bestehen, ob die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 noch erfüllt ist und der Arzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
4.
sich ergibt, dass der Arzt nicht über die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die für die Ausübung der Berufstätigkeit in Deutschland erforderlich sind oder
5.
sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht.

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, daß die Praxis eines Arztes, dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger betreibt als Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie eine Dialysepraxis in A-Stadt.

Am 17.10.2000 erstattete die Ärztekammer des Saarlandes bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt Anzeige gegen ihn „wegen aller in Frage kommender Straftatbestände“. Dieser Anzeige beigefügt war ein Schreiben des Facharztes für Innere Medizin/Nephrologie A. G. vom 4.10.2000, der im Zeitraum vom 1.7.2000 bis zum 30.9.2000 in der Praxis des Klägers beschäftigt war. In diesem Schreiben führte G. aus, der Kläger habe Patienten mit bösartigen Tumoren einer Hämoperfusionsbehandlung unterzogen, was seines Wissens bei einer solchen Indikation weder eine zugelassene noch eine geeignete Behandlungsmethode darstelle. Diese Anzeige der Ärztekammer des Saarlandes nahm die Staatsanwaltschaft B-Stadt zum Anlass, gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes des Betruges (Abrechnungsbetrug zum Nachteil der Kassenärztlichen Vereinigung) und der Körperverletzung in mehreren Fällen, begangen durch die Anwendung einer nicht angezeigten Behandlungsmethode bzw. Behandlung ohne entsprechende ärztliche Aufklärung, einzuleiten (10 Js 1555/00 - Staatsanwaltschaft B-Stadt -).

Mit Bescheid vom 3.9.2002 ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger das Ruhen der diesem am 14.1.1976 erteilten ärztlichen Approbation an. Die auf die §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundesärzteordnung - BÄO - gestützte Anordnung wurde damit begründet, der Kläger habe 28 austherapierte Krebspatienten (Erkrankte mit bösartigen Tumoren in fortgeschrittenen Stadien ohne ernsthafte Heilungschancen) einer bisher an Menschen nicht erprobten und nicht zugelassenen Behandlung (einer sogenannten extrakorporalen Tryptophanverarmung mittels Hämoperfusion) unterzogen, ohne diese zuvor ausreichend, insbesondere über die zusätzlichen Risiken dieser Behandlung, aufgeklärt und diese hierdurch an ihrer Gesundheit geschädigt zu haben. Ihm sei weiter nachgewiesen, dass er bei seiner vertragsärztlichen Tätigkeit an drei alten Menschen mit physiologisch und krankheitsbedingt reduzierter Kritikfähigkeit nicht indizierte Dialysebehandlungen durchgeführt und diese dadurch an ihrer Gesundheit geschädigt habe. Nach Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft sei das Ermittlungsverfahren bereits so weit gereift, dass eine eigenständige approbationsrechtliche Prüfung möglich geworden sei. Die bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und die dabei zu Tage getretenen Fakten, die durch Dokumente und Gutachten gestützt würden, sowie die von der Approbationsbehörde gewonnenen eigenen Erkenntnisse hätten einen derartigen Beweisgehalt, dass es nicht mehr vertretbar erscheine, eine approbationsrechtliche Entscheidung bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens durch die Anklageerhebung oder gar bis zu einer Verurteilung zurückzustellen. Wegen des dem Kläger nachgewiesenen schwerwiegenden Fehlverhaltens fehle diesem die für eine korrekte und integere Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Zuverlässigkeit, was die Anordnung des Ruhens der dem Kläger erteilten ärztlichen Approbation rechtfertige. Insoweit bestehe ein überragendes und unabweisbares Interesse der Allgemeinheit daran, die weitere Ausübung des ärztlichen Berufes durch den Kläger bis zum Abschluss des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens zu unterbinden, um danach weitere, unter Umständen auch weitergehende Entscheidungen zu treffen.

Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers vom 12.9.2002 wurde durch Bescheid des damaligen Ministeriums für Frauen, Arbeit, Gesundheit vom 18.11.2002, dem Kläger zugestellt am 22.11.2002, zurückgewiesen. Zur Begründung dieses Bescheides ist im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage der Anordnung des Ruhens der ärztlichen Approbation sei § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO. Danach könne das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit ergeben könne, ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Im Gegensatz zur Rücknahme und zum Widerruf der Approbation beeinträchtige eine solche Ruhensanordnung den Rechtsstatus des approbierten Arztes nicht. Er bleibe vielmehr Arzt und es sei ihm lediglich auf unbestimmte Zeit verboten, von seiner Approbation Gebrauch zu machen. Die Ruhensanordnung sei deshalb eine vorübergehende, nicht zwingende Maßnahme, die stets im Ermessen der zuständigen Behörde liege. Auch bei einer Ruhensanordnung müsse jedoch nach Einleitung des Strafverfahrens eine große Wahrscheinlichkeit für die strafgerichtliche Verurteilung des betroffenen Arztes sprechen. Jedenfalls schieden Fälle, in denen eine strafgerichtliche Verurteilung wenig wahrscheinlich erscheine oder die nicht gewichtig genug seien, um die Annahme einer ärztlichen Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zu begründen, für eine Ruhensanordnung aus. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen seien im Falle des Klägers erfüllt. Die Staatsanwaltschaft habe die ärztlichen Patientenunterlagen des Klägers über 28 bekannt gewordene Fälle von Krebsbehandlung mit Blutreinigungsverfahren beschlagnahmt und zwei ärztliche Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg eingeholt. Die Gutachter hätten im ersten Gutachten vom 12.6.2001 Fragen der Staatsanwaltschaft, unter anderem zur Wirksamkeit der angewandten Krebstherapie, beantwortet. Im zweiten Gutachten vom 4.4.2002 hätten sie eine summarische Beurteilung der Krebstherapie bei allen 28 Patienten sowie Einzelgutachten bei 7 Patienten abgegeben. Nach Auswertung dieser Gutachten sowie der von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Patientenunterlagen stehe zur Überzeugung der Widerspruchsbehörde fest, dass sich der Kläger gravierende Verstöße gegen ärztliche Berufspflichten vorhalten lassen müsse. Letztlich handele es sich um Behandlungsfehler, die in einer Vielzahl von Fällen mit gravierenden Verstößen gegen die ärztliche Aufklärungspflicht einhergingen. Dem Kläger sei vorzuwerfen, dass er in einer Mehrzahl der Fälle gegen die ärztliche Integrität, z.B. unter Ausnutzung persönlicher/beruflicher Kontakte, schwer kranke griechische Patienten durch die von ihm zu verantwortende unterbliebene bzw. unvollständige Aufklärung dazu veranlasst habe, sich einer beschwerlichen Anreise zu ihm in der Hoffnung auf Hilfe durch eine von ihm propagierte „Heilmethode“ der Tryptophanverarmung bei Krebserkrankungen zu unterziehen. Konkret habe er 28 an Krebs erkrankte, vorwiegend griechische Patientinnen/Patienten einem hohen Schädigungsrisiko an Gesundheit und Leben ausgesetzt bzw. dadurch geschädigt, dass er deren Behandlung unter grober Verletzung ärztlich-onkologischer Prinzipien durchgeführt habe. Bei einzelnen Patienten habe sein Fehlverhalten auch zu tatsächlichen Schädigungen an Gesundheit und Leben geführt. Der Kläger habe an diesen Patienten Heilversuche unternommen, ohne die Patienten hierüber aufgeklärt zu haben. Bei diesen Heilversuchen an den krebskranken Patienten habe der Kläger ein Therapieverfahren (Tryptophanverarmung durch Hämoperfusion mittels Aktivkohlefilter) angewandt, für das bisher keinerlei wissenschaftlicher Therapieansatz erkennbar sei. Ausweislich der zur Verfügung stehenden Literatur, insbesondere der vorgelegten Gutachten, könne diese durch den Kläger praktizierte Methode der Tryptophan-verarmung mit Aktivkohlefilterpatronen nicht als Heilversuch (Versuch einer Krebstherapie) mit einem tierexperimentellen wissenschaftlichen Therapieansatz angesehen werden. Ein solcher wissenschaftlicher Therapieansatz existiere allenfalls auf Grund von letztlich abgebrochenen Forschungen in den USA in den achtziger Jahren bei der sogenannten Tryptophanverarmung mittels Einsatz von TSO-Enzymen. Dabei handele es sich jedoch um ein Verfahren, das sich vom Verfahren des Klägers aufgrund dessen Einsatzes von Aktivkohlefilterpatronen wesentlich unterscheide. Bisherige Therapiestudien mit Patienten zur Krebsbehandlung mittels Dialyse und Tryptophanverarmung durch Aktivkohlefilterpatronen seien vom Kläger selbst nicht behauptet worden. Bei den vorgenommenen Heilversuchen handele es sich insbesondere aufgrund der Kombination mit einer Dialyse um derart schwerwiegende Eingriffe in das Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Integrität der Patienten, dass schon allein die unterlassene oder grob ungenügende Patientenaufklärung den Vorwurf gravierender Verstöße gegen ärztliche Berufspflichten nach sich ziehen müsse. Die unterlassene oder ungenügende Aufklärung der Patienten wiege im vorliegenden Fall umso schwerer, als die Patienten nicht darüber informiert worden seien, dass sie die ersten Menschen seien, an denen diese Therapie zur Krebsbehandlung angewandt werde. Der behandelnde Arzt sei aber gehalten, den Patienten klar und deutlich über die wahre Situation und die realistische Chance einer Krebstherapie aufzuklären. Gerade in diesem äußerst sensiblen Bereich, in dem der Kläger tätig geworden sei, nämlich der Behandlung austherapierter Krebspatienten, sei eine umfangreiche Patientenaufklärung über die angewandte Therapie, deren Wirksamkeit und insbesondere deren Chancen im Einzelnen zwingend erforderlich. Dieser Aufklärungspflicht sei der Kläger nach Überzeugung der Widerspruchsbehörde nicht nachgekommen. Auch habe der Kläger in mindestens drei Fällen Patienten dadurch an der Gesundheit geschädigt, dass er diese ärztlich nicht indizierten Dialysebehandlungen, die als Scheinbehandlungen ohne therapeutische Effekte zu qualifizieren seien, unterzogen habe.

Weiter als der Beklagte in dem angefochtenen Ausgangsbescheid ging die Widerspruchsbehörde ferner davon aus, dass sich der Kläger durch sein Verhalten nicht nur als unzuverlässig, sondern auch als unwürdig zur Ausübung des Arztberufes erwiesen habe. Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes sei dann anzunehmen, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das zur Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen besitze. Das Verhalten, das der Kläger gezeigt habe, sei geeignet, dem Ansehen und der Vertrauenswürdigkeit des Arztes in der Öffentlichkeit schweren Schaden zuzufügen, wobei es für die Annahme der beruflichen Unzuverlässigkeit ohne Belang sei, ob die Öffentlichkeit tatsächlich von dem Fehlverhalten des Klägers Kenntnis erlangt und daher das Vertrauen in ihn tatsächlich verloren habe.

Seien demnach die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO erfüllt, so habe der Beklagte weiter die Ruhensanordnung auch ermessensfehlerfrei verfügt. Diese sei sachlich begründet, geeignet, erforderlich und insbesondere verhältnismäßig, da ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran bestehe, die weitere Ausübung des ärztlichen Berufes durch den Kläger vorübergehend zu unterbinden, bis das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren abgeschlossen sei.

Gegen die vorgenannten Verwaltungsentscheidungen hat der Kläger am 20.12.2002 Klage erhoben.

Unter dem 7.7.2003 hat die Staatsanwaltschaft B-Stadt gegen den Kläger wegen des hinreichenden Tatverdachts von Betrug in 17 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb, und tateinheitlich begangener Körperverletzung in 17 Fällen, dabei in einem Falle mit Todesfolge, Anklage erhoben (Aktenzeichen 10 Js 1555/00).

Daraufhin ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 22.7.2003 die sofortige Vollziehung der Anordnung des Ruhens der Approbation gemäß seinem Ausgangsbescheid vom 3.9.2002 nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Der dagegen gerichtete Eilrechtsschutzantrag des Klägers wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7.8.2003 - 1 F 25/03 - zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Klägers hin hat der Senat nach parteiöffentlicher Erörterung der Streitsache am 12.1.2004 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom 21.1.2004 - 1 W 29/03 -

veröffentlicht in NJW 2004, 2033,

abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 3.9.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 ab Zugang dieser Entscheidung unter verschiedenen Bedingungen wiederhergestellt.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 23.12.2002, 16.4.2003 und 3.7.2003 im Wesentlichen unter Wiederholung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren eine unzulängliche oder gar unterbliebene Aufklärung der Patienten über die angewandten Behandlungsmethoden und übertriebene Angaben zu deren Erfolgschancen bestritten. Er hat die Ansicht vertreten, bei diesen Behandlungen habe es sich um zulässige Heilversuche gehandelt. Auch habe er einzig und allein zum Wohle dieser Patienten gehandelt, indem er gerade durch die von ihm gewählte Heilmethode versucht habe, die bestehenden toxischen Situationen nach den vorangegangenen Chemotherapien positiv zu beeinflussen und den Patienten damit eine Hospizhilfestellung zu geben, um ihnen die verbleibende Lebenszeit so angenehm wie möglich zu gestalten.

Nach Wechsel seines Prozessbevollmächtigten hat der Kläger seine Klagebegründung mit weiteren Schriftsätzen vom 15.4.2004, vom 2.6.2004, vom 7.7.2004, vom 14.7.2004, vom 26.7.2004, vom 5.8.2004, vom 18.8.2004, vom 19.8.2004, vom 26.8.2004 und vom 15.9.2004 vertieft. Er hat nunmehr behauptet, von politischer Seite sei Druck auf die Staatsanwaltschaft ausgeübt worden, so dass es dieser nicht möglich gewesen sei, sorgfältig weiter zu ermitteln. Er hat - zusammenfassend und wiederholend - die Ansicht vertreten, dass die von ihm durchgeführte Hämopherese durch Tryptophanverarmung den Regeln der ärztlichen Kunst entspreche und es sich dabei um eine Behandlung handele, die medizinisch durchaus sinnvoll und in den vorliegenden Fällen auch geboten gewesen sei. Dies könne durch ein neutrales Sachverständigengutachten bestätigt werden, wobei darauf zu achten sei, dass der zu beauftragende Sachverständige „in keinster Weise mit der pharmazeutischen Industrie dieses Landes in irgendwie gearteten vertraglichen Beziehungen“ stehe. Hinsichtlich der Verletzung der Aufklärungspflicht sei im Übrigen die Beklagtenseite in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet.

Einer Verwertung der Erkenntnisse aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, insbesondere der dort eingeholten Sachverständigengutachten, hat der Kläger „nachhaltig“ widersprochen.

Mit Schriftsatz vom 14.7.2004 hat er die Stellungnahme seiner Strafverteidiger vom 19.4.2004 in dem anhängigen Strafverfahren (77 Seiten) vorgelegt und sich diese ausdrücklich in dem vorliegenden Verfahren zu eigen gemacht.

Unter dem 22.7.2004 hat der Kläger die Aussetzung des Verfahrens beantragt und dies damit begründet, dass ihm derzeit die von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Patientenakten aus dem Jahre 2000 nicht zur Verfügung stünden, weshalb eine „gehörige“ Rechtsvertretung nicht möglich sei.

Der Kläger hat ferner gerügt, dass sämtliche im hektografischen Verfahren angeschriebenen Zeugen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren nicht in ordnungsgemäßer Form als Zeugen vernommen worden seien. Insoweit habe insbesondere eine Belehrung in Bezug auf die Wahrheitspflicht gefehlt. Eine Verwertung im Wege des Urkundsbeweises sei deshalb unzulässig.

Der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 3.9.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Ministeriums für Frauen, Arbeit, Gesundheit vom 18.11.2002 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter weiterer Vertiefung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren hat er die angefochtenen Bescheide verteidigt. Er hat die vom Kläger bei den Krebspatienten angewandte Behandlungsmethode als unzulässiges Humanexperiment bewertet. Zu der vom Kläger erstmals im Klageverfahren behaupteten Hospizhilfestellung hat er darauf hingewiesen, genau diese palliativ-medizinische Therapie habe dieser bislang bestritten. Im Übrigen stelle sich dann die Frage, warum es notwendig gewesen sein sollte, für eine palliativ-medizinische Therapie, die ohne Probleme auch in Griechenland hätte durchgeführt werden können, die Patienten nach Deutschland zu holen und für deren Behandlung Beträge von über 20.000 DM in Rechnung zu stellen. Durch die Anklageerhebung vom 7.7.2003 werde das behördliche Untersuchungsergebnis nicht nur vollumfänglich bestätigt, sondern gewinne das Verhalten des Klägers nicht zuletzt auch hinsichtlich des durch die Staatsanwaltschaft nunmehr mit Zeugenbeweisen belegten, nicht zu rechtfertigenden Versprechens irrealer Heilungschancen gegen Geldleistung gegenüber den vorwiegend griechischen Patienten, was die Missachtung grundlegender ärztlicher Berufspflichten angehe, eine zusätzliche Schwere. Diese besonderen, nunmehr durch die Staatsanwaltschaft ermittelten Umstände seien ihm - dem Beklagten - bis jetzt so nicht bekannt gewesen. Im Übrigen sei das Vorbringen des Klägers zu einer umfassenden Aufklärung der von ihm behandelten Patienten in hohem Maße widersprüchlich. Noch im Schriftsatz vom 16.4.2003 habe er behauptet, dass nicht allein auf die Aktenlage verwiesen werden könne, da die Aufklärung der griechischen Patienten mündlich erfolgt sei. Wenn nunmehr behauptet werde, dass er alle Daten zur Durchführung des Heilversuches erfasst und dokumentiert habe, sei dies völlig unzutreffend. Eine Einsichtnahme in die ärztlichen Dokumentationen des Klägers habe ergeben, dass diese grob unvollständig sowie sehr nachlässig angelegt und geführt worden seien. Auch sei der Kläger für seine nunmehr aufgestellte Behauptung, alle griechischen Patienten seien bereits in ihrem Heimatland aufgeklärt worden, jeden glaubwürdigen Beleg durch entsprechende Dokumente und Nachweise schuldig geblieben.

Mit Schriftsatz vom 24.5.2004 hat der Beklagte eine amtliche Übersetzung einer Vorladung des Klägers vor die Erste Strafkammer des Landgerichts in Athen vorgelegt. Aus dieser Vorladung, die zugleich den Inhalt der Anklageschrift der griechischen Strafverfolgungsbehörden wiedergibt, ist zu entnehmen, dass der Kläger von der griechischen Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen angeklagt worden ist. Die Beschuldigungen beziehen sich teilweise auf Tathandlungen gegenüber griechischen Patienten, deren Behandlung durch den Kläger auch Gegenstand der Ruhensanordnung des Beklagten und der Anklage der Staatsanwaltschaft B-Stadt ist (Ziffern 6, 7, 8, 13, 15 und 17 der Anklageschrift). Hauptverhandlungstermin vor dem Landgericht Athen war auf den 24.5.2004 bestimmt (vgl. hierzu Blatt 510 bis 517 der Gerichtsakte).

Mit Beschluss vom 28.8.2003 hat die 1. Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts B-Stadt (Aktenzeichen 1 - 32/2002 SchwG, richtig muss das Aktenzeichen wohl „1 - 32/2003 SchwG“ lauten, siehe dazu die vom Senat beigezogenen Strafakten) die Anklage der Staatsanwaltschaft B-Stadt vom 7.7.2003 zur Hauptverhandlung zugelassen.

Durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22.9.2004 ergangenes Urteil - 1 K 160/02 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO gestützten Verwaltungsentscheidungen seien rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anordnung des Ruhens der Approbation, nämlich das Vorliegen der Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes wegen des Verdachts einer Straftat, seien erfüllt. Zu Recht sei der Beklagte zu dem Ergebnis gelangt, Art, Schwere und Anzahl der dem Kläger durch die Staatsanwaltschaft angelasteten Straftaten gäben Anlass für die Befürchtung, dieser werde als Arzt in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Neben der dadurch gegebenen Unzuverlässigkeit sei auch die Annahme gerechtfertigt, das dem Kläger vorgeworfene strafrechtlich relevante Verhalten könne das Ansehen und Vertrauen beseitigen, das für die Ausübung des ärztlichen Berufes unabdingbar nötig sei (Tatbestand der Unwürdigkeit). Dabei habe der Beklagte zutreffend erkannt, dass das Tatbestandsmerkmal der Unwürdigkeit kein prognostisches Element bezüglich des zukünftigen Verhaltens beinhalte. Zur Vermeidung von Wiederholungen hat das Verwaltungsgericht auf die „sorgfältig begründeten“ Verwaltungsentscheidungen sowie die eigenen Ausführungen im Beschluss vom 7.8.2003 - 1 F 25/03 - verwiesen. Ergänzend hierzu hat es mit Blick auf das weitere umfängliche Vorbringen des Klägers zur Begründung seiner Klage bemerkt:

Angesichts des mit der Anordnung des Ruhens der ärztlichen Approbation (wenn auch - nach der gesetzlichen Regelung - nur vorübergehend) verbundenen Eingriffs in die Berufsausübung und der damit einhergehenden Einschränkung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG müsse die Straftat, derer der Arzt verdächtigt werde, vom Deliktscharakter, von der Begehensweise oder von den Tatfolgen her gravierend sein. Ferner müsse der Verdacht sich bereits so konkretisiert haben, dass eine strafgerichtliche Verurteilung des Arztes wahrscheinlich sei. Zum Grad der Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung mache sich die Kammer die Prüfungsmaßstäbe des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu eigen

Beschluss vom 18.7.1996 - 21 Cs 96.155 - und Beschluss vom 14.12.1998 - 12 B 12.985 - (richtig wohl 21 B 92.985), dokumentiert bei Juris,

wonach die Befugnis zur Anordnung des Ruhens der Approbation zwar erst bei einer hohen Wahrscheinlichkeit einsetze, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen habe, wobei indes bei Vorliegen einer staatsanwaltschaftlichen Anklage - wie hier - nur offensichtliche Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Anklage den bestehenden Verdacht entkräften könnten. Die Ruhensanordnung bezwecke, dass bereits bei einem genügend großen Verdacht, der zur Einleitung des Strafverfahrens geführt habe, von der Behörde vorübergehend eingegriffen werden könne, ohne die Berechtigung des Verdachts im Einzelnen unter Vorwegnahme des Strafverfahrens selbst klären zu müssen. Von diesen Grundsätzen ausgehend sei es dem Kläger nicht gelungen, Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unrichtigkeit der Anklageschrift darzulegen. Der Anklageschrift komme trotz des ausführlichen Vorbringens des Klägers zu seiner Entlastung, das in sich höchst widersprüchlich sei, nach wie vor ein erdrückender Beweiswert zu mit der Folge einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit seiner Verurteilung. Seitens der Staatsanwaltschaft werde dem Kläger angelastet, dass er seine Patienten gänzlich unzureichend aufgeklärt und ihnen bei Berücksichtigung ihres jeweiligen Krankheitsstadiums völlig unrealistische Heilungschancen versprochen habe. Für die Richtigkeit ihrer Vorwürfe habe die Staatsanwaltschaft zahlreiche Zeugen, Urkunden, Sachverständigengutachten und die Einvernahme von Sachverständigen aufgeboten und in ihrem „wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen“ überzeugend dargelegt, weshalb der Kläger aufgrund der angeführten Beweismittel im Sinne der Anklage überführt werden könne. Ob und in welchem Umfang die schriftlichen Bekundungen der per Fragebogen angeschriebenen griechischen Zeugen im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden könnten, sei im Strafverfahren zu entscheiden. Letzteres gelte gleichermaßen für die vom Kläger verneinte Verwertbarkeit der im Ermittlungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten, deren Beweiswert der Kläger zudem nicht in einer Weise erschüttert habe, dass von deren offensichtlicher Unrichtigkeit ausgegangen werden könne. Ebenso wenig wie das Gericht gehalten sei, selbst in die Erhebung der im Ermittlungs- und Strafverfahren angebotenen Beweise einzutreten und damit gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Schwurgericht „zweiten Strafprozess“ zu führen, sei die vom Kläger beantragte Aussetzung des Verwaltungsverfahrens veranlasst gewesen. Werde die vom Beklagten ausgesprochene Ruhensanordnung auch bezogen auf den jetzigen Zeitpunkt von der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft und dem jetzigen Stand des Strafverfahrens getragen, so sei sie im Weiteren unter dem Gesichtspunkt des dem Beklagten eingeräumten Ermessens ebenso wenig zu beanstanden. Besondere Gründe, im Fall des Klägers ausnahmsweise von einer Ruhensanordnung abzusehen, seien aufgrund seines schwerwiegenden Fehlverhaltens, insbesondere auch unter Berücksichtigung der ihm angelasteten Betrugstatbestände, nicht ersichtlich.

Gegen das ihm am 3.11.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8.11.2004 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und diesen am 23.12.2004 begründet. Mit Beschluss vom 31.3.2005 - 1 Q 75/04 - hat der Senat diesem Antrag gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mit dem Hinweis entsprochen, dass (u.a.) mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO „Einleitung eines Strafverfahrens wegen Verdachts einer Straftat“ die Frage zu klären sein werde, ab wann von einer Verdichtung der Verdachtsmomente ausgegangen werden könne, die eine rechtskräftige Bestrafung - sehr - wahrscheinlich macht. Mit Beschluss vom gleichen Tag - 1 U 1/05 - hat der Senat die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage unter den im Beschluss vom 21.1.2004 - 1 W 29/03 - festgelegten Bedingungen angeordnet.

Ein Antrag des Beklagten, die Wirksamkeit des Sofortvollzugs wegen Verstoßes gegen die Aussetzungsbedingungen festzustellen, wurde mit Beschluss des Senats vom 25.8.2005 - 1 U 2/05 - zurückgewiesen.

Mit Schriftsätzen vom 4.4. und 15.4.2005 hat der Kläger seine Berufung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Nach dem bisher vorgegebenen Sachverhalt sei ohne weitere erhebliche Aufklärung, insbesondere ohne eine erneute detaillierte medizinische Begutachtung, seine strafgerichtliche Verurteilung nicht sehr wahrscheinlich. Das Verwaltungsgericht habe seine Prüfung damit beendet, dass es die erhobene Anklage rechtfertige und die hinreichende „Verurteilungsfähigkeit“ aus der Anklageschrift heraus bewerte, während es keine eigenen Feststellungen über konkrete zukünftige Gefährdungstatbestände vornehme. Das Bundesverfassungsgericht verlange jedoch bei berufsbezogenen Maßnahmen der in Rede stehenden Art, so zuletzt noch in seiner Entscheidung vom 24.10.2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618 -,

dass im Rahmen einer vorläufigen Maßnahme, und um eine solche handele es sich bei der Ruhensanordnung, eine doppelte Prüfung stattzufinden habe. Die Verhängung eines vorläufigen Berufsverbots, wie es mit der Anordnung des Ruhens der Approbation verbunden sei, setze neben den Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO gemäß Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip weiter voraus, dass sie schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich sei. Mit Begriffen wie „konkrete Gefahren“ und „unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des Allgemeinwohls“ habe sich das Verwaltungsgericht jedoch nicht auseinandergesetzt. Allein die Bewertung der Anklageschrift und der damit einhergehende Vorwurf eines hohen Gefährdungspotentials reichten nicht aus, um ein vorläufiges Berufsverbot auszusprechen, wie es mit der Anordnung des Ruhens der Approbation zwangsläufig verbunden sei. In diesem Zusammenhang habe das Verwaltungsgericht völlig unberücksichtigt gelassen, dass bei ihm - dem Kläger -, dem bereits aufgrund des Sofortvollzugs der Ruhensanordnung ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, ein irreparabler Schaden eintreten werde, wenn er nicht mehr weiter praktizieren könne.

Das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht nicht damit auseinandergesetzt, dass erhebliche Zweifel an der Berechtigung der Anklage ganz konkret aufgezeigt worden seien. Das betreffe zunächst den Problemkreis des Umfangs der ärztlichen Aufklärungspflicht bei austherapierten Krebspatienten. Dabei werde zugestanden, dass Mängel in der Dokumentation der vorgenommenen Aufklärungen bestünden. Insoweit seien indes Beweisantritte, so durch das Zeugnis seiner Ehefrau, dargetan worden. Er - der Kläger - habe keine Heilung versprochen, sondern nur Linderung, die in einer Vielzahl der Fälle, wenn auch nur kurzfristig, herbeigeführt worden sei. Das Verwaltungsgericht habe sich darüber hinaus nicht damit auseinandergesetzt, dass es sich bei den in der Anklageschrift aufgeführten Patienten um völlig austherapierte und von der Schulmedizin aufgegebene Patienten gehandelt habe, die zur Linderung nach einem „letzten Strohhalm“ gegriffen hätten. Die Anklageschrift lasse dazu mehr Fragen offen, als sie beantworte. Gesehen werden müsse zudem, dass die Rechtswidrigkeit einer Körperverletzung entfalle, wenn der Patient bei wahrheitsgemäßer Aufklärung in die durchgeführte Behandlung eingewilligt hätte. Im Hinblick auf den Vorrang des Selbstbestimmungsrechts des Patienten sei der Inhalt des mutmaßlichen Willens in erster Linie aus den persönlichen Umständen des Betroffenen, seinen individuellen Interessen, Wünschen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen zu ermitteln. Lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Patient anders entschieden hätte, werde allerdings davon auszugehen sein, dass sein (hypothetischer) Wille mit dem übereinstimme, was gemeinhin als normal und vernünftig angesehen wird. Dies bedeute, dass die Hauptverhandlung (in der Strafsache) sich mit dem Thema zu befassen haben werde, welche Anforderungen an eine ärztliche Aufklärung zu stellen seien, wenn dem Patienten von anderer Stelle nach den Regeln der Schulmedizin zuvor vermittelt worden sei, dass er als bereits austherapierter Patient „ein hoffnungsloser Fall“ sei. Außerhalb der Schulmedizin stelle sich die Aufklärungssituation gänzlich anders dar. Die Situation des von der Schulmedizin aufgegebenen Patienten könne nicht mit der Aufklärungssituation verglichen werden, bei der es um die Wahl alternativer Behandlungsmethoden der Schulmedizin gehe. Mit der erstinstanzlich vorgelegten Verteidigungsschrift gegenüber dem Landgericht

Schriftsatz der Strafverteidiger des Klägers vom 19.4.2004,

sei nachhaltig die Zweifelhaftigkeit der diesbezüglichen Beweisführung der Staatsanwaltschaft dargelegt worden. Diese überlasse es nämlich dem Sachverständigen, eine Beweiswürdigung vorzunehmen und darüber zu spekulieren, wie die Sprachbarriere im Rahmen der Aufklärung griechischer Patienten überwunden und ob hierbei ein Dolmetscher eingeschaltet worden sei.

Was sodann den von der Staatsanwaltschaft benannten Zeugen G. anbelange, müsse darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei im Wesentlichen um relativ pauschale „Anwürfe“ eines Arztes handele, mit dem er - der Kläger - nicht weiter habe zusammenarbeiten wollen, weil er ihn in ärztlicher Hinsicht als nicht kompetent angesehen habe. Des Weiteren sei in Bezug auf die Anklageschrift gerügt worden, dass die Staatsanwaltschaft keine ordnungsgemäße Zeugenvernehmung durchgeführt habe, zu der eine Belehrung über die Verpflichtung zur Wahrheit gehöre. Es werde interessant sein zu erfahren, wie das Landgericht mit diesem Mangel umgehen und die „Fragebogenaktion“ bewerten werde.

Da seine Nichtbeteiligung im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Gutachteneinholung den Grundsatz des fairen Verfahrens verletze, hätte das Verwaltungsgericht notfalls, da der Amtsermittlungsgrundsatz gelte, ein eigenständiges Gutachten einholen müssen. Im Übrigen sei auch die Höhe des Schadens seitens der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß ermittelt worden.

Schließlich werde gerügt, dass das erstinstanzliche Gericht sich nicht mit den Laboruntersuchungen des ärztlichen Qualitätslabors Dr. L. auseinandergesetzt habe. Die Dokumentation über die von ihm - dem Kläger - behandelten Patienten belege, dass die angewandte Methode der Tryptophanverarmung zu einer Reduktion der Zellteilungsgeschwindigkeit geführt habe.

In den letzten Jahren sei seine ärztliche Tätigkeit vom Beklagten ständig überwacht worden. Pflichtverletzungen seien dabei nicht festgestellt worden. Wieso er dennoch eine Gefahr darstellen solle, sei nicht nachvollziehbar.

Aus alldem gehe hervor, dass die Anordnung des Ruhens der Approbation nicht gerechtfertigt sei. Zumindest müsse ihm ermöglicht werden, seine Praxis in eingeschränktem Umfang fortzuführen. Er sei bereit, sich im Wege einer Selbstverpflichtung weiterhin strikt an die Bedingungen aus dem Beschluss vom 21.1.2004 - 1 W 29/03 - zu halten. Er beabsichtige, noch einige wenige Jahre als Arzt tätig zu sein, um in dieser Zeit seine zuletzt erlittenen finanziellen Einbußen auszugleichen; danach wolle er die Praxis verkaufen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid des Beklagten vom 3.9.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Ruhensanordnung ungeachtet des seit ihres Erlasses verstrichenen Zeitraums und der seither eingetretenen Entwicklung weiterhin für geboten; er sei nämlich davon überzeugt, dass es im Strafprozess zu einer Verurteilung des Klägers jedenfalls in der Mehrzahl der angeklagten Fälle von Körperverletzung kommen werde, und er sehe angesichts des Verhaltens des Klägers in der Vergangenheit nach wie vor die konkrete Gefahr, dass dieser auch in Zukunft seinen ärztlichen Beruf nicht ordnungsgemäß ausüben werde.

Unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils hebt der Beklagte im Wesentlichen hervor:

Der Kläger verkenne nach wie vor den Charakter der Anordnung des Ruhens der Approbation sowie deren tatbestandliche Voraussetzungen. Ein wesentlicher Punkt im Rahmen der Ausübung des behördlichen Ermessens sei die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung, wobei die Verwaltungsgerichte nur zu der Prüfung berechtigt seien, ob die Behörde von ihrem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht habe. Es sei jedoch Aufgabe weder der Behörde noch der Verwaltungsgerichte, wie ein Strafgericht in öffentlicher Verhandlung zu agieren und eine vollständige Beweisaufnahme parallel zum Strafverfahren durchzuführen. Für die Entscheidung über das Ruhen der Approbation sei die Wahrscheinlichkeit der strafgerichtlichen Verurteilung ein maßgebliches Kriterium, ohne dass im Verwaltungsrechtsstreit eine Entscheidung über die Strafbarkeit zu treffen sei. Im Weiteren verkenne der Kläger die Unteilbarkeit der ärztlichen Approbation. In diesem Zusammenhang stelle er allein auf den Begriff der Unzuverlässigkeit ab, ohne dabei die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Frage der Unwürdigkeit anzugreifen, die im Gegensatz zur Unzuverlässigkeit kein prognostisches Element bezüglich des zukünftigen Verhaltens beinhalte. Abgesehen davon sprächen die große Zahl der dem Kläger anzulastenden Mängel im „Tagesgeschäft“ sowie dessen (pseudo-)wissenschaftlichen Ambitionen, die sich wie ein roter Faden durch die in der Vergangenheit verfolgten Therapieansätze zögen, mit großem Gewicht dafür, dass es im Falle einer Aufhebung der Ruhensanordnung alsbald wieder zu schwerwiegenden Verletzungen der ärztlichen Pflichten kommen werde. Mit einer durch nichts sanktionierten „Selbstverpflichtung“ sei der gebotene Schutz der Patienten nicht gewährleistet.

Auf Anfrage des Senats hat das Landgericht B-Stadt mit Schreiben vom 17.10.2005 mitgeteilt, dass die Strafsache gegen den Kläger frühestens im Frühjahr 2006 verhandelt werden könne.

Mit Schriftsatz vom 20.10.2005 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, dass in der Strafsache gegen den Kläger vor dem Landgericht in Athen am 19./20.9.2005 eine (weitere) Verhandlung stattgefunden habe. Dieses Verfahren werde am 15.3.2006 mit der Vernehmung einiger Ärzte, die die verstorbenen Krebspatienten in Griechenland behandelt hätten, fortgesetzt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen wird auf den in der mündlichen Verhandlung erörterten Inhalt der verfahrensbezogenen Gerichtsakten einschließlich derjenigen der Verfahren 1 F 25/03 - 1 W 29/03, 1 U 1/05 sowie 1 U 2/05, der beigezogenen Behördenunterlagen (8 Ordner) und der Strafakten (10 Js 1555/00 StA B-Stadt = 1-32/03 Schw LG B-Stadt) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die auf Aufhebung des das Ruhen der Approbation des Klägers anordnenden Bescheides vom 3.9.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 gerichtete Klage abgewiesen.

Die Entscheidung des Beklagten, die Approbation des Klägers ruhen zu lassen, ist - auch aus heutiger Sicht - rechtlich nicht zu beanstanden,

vgl. dazu, dass die Anordnung des Ruhens einer Approbation nicht allein im Hinblick auf die Dauer eines schwebenden Strafverfahrens, sondern erst aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, BVerwG, Beschluss vom 9.9.1970 – 1 B 55/69 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 12 = DÖV 1970, 825.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Bundesärzteordnung - BÄO - kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Diese Vorschrift ermächtigt die Behörde, nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen schon in dem frühen Stadium der Einleitung eines Strafverfahrens zum Schutz von Patienten und - insgesamt - der Allgemeinheit vor den mit Wahrscheinlichkeit von dem Arzt ausgehenden Gefahren rasch einzugreifen. Dabei braucht - anders als beim Widerruf der Approbation - ein die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit aufzeigendes Verhalten des betroffenen Arztes noch nicht nachgewiesen zu sein. Vielmehr reichen, wie die Tatbestandsvoraussetzung „Einleitung eines Strafverfahrens wegen des Verdachts einer Straftat“ bei wortgetreuer Interpretation zeigt, gewichtige Verdachtsmomente in Bezug auf das strafrechtlich relevante Verhalten aus.

Die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO umschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen sind bei wortgetreuem Normverständnis in Ansehung der in der Anklage vom 7.7.2003 erhobenen Vorwürfe zweifelsohne gegeben.

Bei Ausübung des durch § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eröffneten Ermessens - das Ruhen „kann“ angeordnet werden - hat die Behörde dann indes zu beachten, dass das Ruhen der Approbation nicht eine bloße Einschränkung der Berufsausübung, sondern einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl bedeutet, der nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist. Im hier gegebenen Zusammenhang hat die Behörde zudem das Gebot der Unschuldsvermutung zu bedenken, das eine besondere Ausprägung des verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzips ist und verlangt, dass dem Betroffenen in einem justizförmigen Verfahren, das eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte gewährleistet, Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen und bis zum Nachweis der Schuld seine Unschuld vermutet wird. Allerdings heißt das nicht, dass das verfassungsverbürgte Prinzip der Unschuldsvermutung vor einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung es generell verbietet, bereits an den Verdacht einer näher qualifizierten Straftat berufsrechtliche Maßnahmen zu knüpfen

vgl. dazu (allgemein) BVerfG, Beschluss vom 29.5.1990 - 2 BvR 254, 1343/88 -, BVerfGE 82, 106 = NJW 1990, 2741 (im konkreten Fall zur Berücksichtigung bloßer Verdachtsgründe bei der Kostenentscheidung nach Einstellung eines Strafverfahrens, wobei allerdings - so das BVerfG - aus der Begründung deutlich hervorgehen muss, dass es sich nicht um eine gerichtliche Schuldfeststellung oder Schuldzuweisung handelt, sondern nur um die Beschreibung und Bewertung einer Verdachtslage); in diesem Sinne speziell im Zusammenhang mit dem Widerruf der tierärztlichen Approbation BVerfG, Beschluss vom 16.1.1991 - 1 BvR 1326/90 -, NJW 1991, 1530 (1531 f.).

Mit alldem vereinbar ist jedoch nur eine Handhabung der Befugnis, das Ruhen der Approbation anzuordnen, die erst bei einer - wie auch immer zu definierenden - hohen Wahrscheinlichkeit einsetzt, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat und diese so schwerwiegend sind, dass aus ihnen auf eine Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit des betroffenen Arztes geschlossen werden kann (dazu unter I.). Neben der hohen Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Verurteilung kommen wird, setzt ein vorläufiges Berufsverbot als Eingriff in die verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufswahl, d.h. die Befugnis, den einmal gewählten Beruf auch weiterhin auszuüben, weiterhin die Feststellung voraus, dass diese Maßnahme schon vor der Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist (dazu unter II.). Beides ist dabei - auch - aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen. Das folgt aus § 6 Abs. 2 BÄO, wonach eine Ruhensanordnung aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Mithin muss die Behörde eine Ruhensanordnung ständig unter Kontrolle halten und im Falle eines nachträglichen Rechtswidrigwerdens unverzüglich von Amts wegen aufheben

vgl. dazu u.a. VGH Mannheim, Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366, und VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris.

I. Das Erfordernis einer hohen Wahrscheinlichkeit dafür, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten tatsächlich begangen hat, entspricht im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO im Ergebnis einhellig der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wobei allerdings die Wahrscheinlichkeitsprognose mit Blick auf die zu erwartende (rechtskräftige) strafrechtliche Verurteilung in ihrer begrifflichen Umschreibung nicht einheitlich ist.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen verlangt als Voraussetzung für die Ruhensanordnung „eine erhebliche Wahrscheinlichkeit“ der strafrechtlichen Verurteilung, die es offenkundig mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ gleichsetzt

so Beschluss vom 16.2.1987 - 13 B 7049/86 -, NJW 1988, 785, wo anfangs eine „erhebliche Wahrscheinlichkeit“ vorausgesetzt wird, aber dann später die Rede ist von „Straftaten, die sich hiernach mit hoher Wahrscheinlichkeit als von ihm (dem Arzt) begangen erweisen werden“.

In einer weiteren Entscheidung, der bereits eine amtsgerichtliche Verurteilung zugrunde lag, die aufgrund eingelegter, wegen eines von zwei Tatvorwürfen allerdings auf das Strafmaß beschränkter Berufung noch nicht rechtskräftig war, wird ebenfalls eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ der strafgerichtlichen Verurteilung vorausgesetzt. Mit Blick auf die noch nicht rechtskräftige Verurteilung heißt es dann: „Hinsichtlich der Annahme, dass eine strafgerichtliche Verurteilung auch in diesem Falle sehr wahrscheinlich ist, reicht bei summarischer Prüfung allein die Tatsache der - wenn auch noch nicht rechtskräftigen - Verurteilung durch ein Strafgericht aus, zumal es dem Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht gelungen ist, die Feststellungen des Amtsgerichts schlüssig zu entkräften“

OVG Münster, Beschluss vom 24.9.1993 - 5 B 1412/93 -, ArztR 1994, 149; in weiteren, ebenfalls in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidungen wird im Zusammenhang mit der Ruhensanordnung im Stadium vor einer Anklageerhebung auf ein „strafrechtlich relevantes und wahrscheinlich zu einer Verurteilung führendes Verhalten“ abgestellt - vgl. OVG Münster, Beschluss vom 12.2.1996 - 13 B 3134/95 -, Leitsatz dokumentiert bei Juris, bzw. darauf, dass „nach dem derzeitigen Erkenntnisstand“ jedenfalls eine Verurteilung des Antragstellers wegen der Zuwiderhandlungen gegen das Arzneimittelgesetz wahrscheinlich ist, wobei dies wenige Zeilen später dahingehend konkretisiert wird, dass der betreffende Arzt der „ihm im Ermittlungsverfahren vorgeworfenen strafbewehrten Handlungen dringend verdächtig ist“ - vgl. OVG Münster, Beschluss vom 21.5.1996 - 13 B 350/96 -, NJW 1997, 2470; in diesem Sinne auch OVG Münster, Beschluss vom 27.11.1992 - 5 B 2973/92 -, MedR 1993, 355, betreffend die Anordnung des Ruhens der tierärztlichen Approbation auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Bundestierärzteordnung - BTÄO -, der mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO wörtlich übereinstimmt; all dies bestätigend OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 - 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Niedersachsen hat im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens, das die Anordnung des Ruhens der Approbation einer Apothekerin gemäß § 8 Abs. 1 Bundesapothekerordnung - BApO - betraf,

diese Vorschrift entspricht ebenfalls wörtlich § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO

angenommen, dass diese Anordnung „nur dann rechtlich nicht zu beanstanden (sei), wenn eine Verurteilung des Apothekers wegen der ihm zur Last gelegten Straftaten hinreichend wahrscheinlich ist“. Es hat das Bestehen dieser Voraussetzung im Wesentlichen damit begründet, dass mit der Anklageerhebung die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht bejaht habe, da die Erhebung der Anklage nach § 170 Abs. 1 StPO voraussetze, dass der Beschuldigte der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig sei. Darüber hinaus habe auch die Große Strafkammer des Landgerichts einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, indem sie das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen habe, weil diese Entscheidung nach § 203 StPO gleichermaßen voraussetze, dass der Angeschuldigte nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens einer Straftat hinreichend verdächtig erscheine

vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 29.8.2002 - 8 LA 92/02 -, NVwZ-RR 2003, 349; ebenso - die Verurteilung des Arztes wegen der ihm zur Last gelegten Straftat muss „hinreichend wahrscheinlich“ sein - Beschluss vom 15.7.2003 - 8 ME 96/03 -, dokumentiert bei Juris.

Anders wäre der Fall nur dann - so das OVG Lüneburg -, wenn besondere Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass trotz der übereinstimmenden Annahme eines hinreichenden Tatverdachts durch die Große Strafkammer des Landgerichts und die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Apothekerin nicht zu erwarten sei. Im konkreten Fall waren derartige Anhaltspunkte nach Einschätzung des Gerichts weder ersichtlich noch von der Klägerin dargelegt.

Diesen Grundsatz der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung hat das OVG Lüneburg in einem späteren Beschluss, dem die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ruhens der ärztlichen Approbation zugrunde lag, bestätigt

Beschluss vom 16.3.2004 - 8 ME 164/03 -, NJW 2004, 1750; abweichend hiervon war das VG Hannover als Vorinstanz davon ausgegangen, dass bei Straftaten gegen das Leben, wie sie im gegebenen Fall in Rede standen, die „überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung ausreichend“ sei, vgl. Beschluss vom 25.9.2003 - 5 B 2942/03 -, NJW 2004, 311 (312); das VG Lüneburg wiederum hält in Übereinstimmung mit dem ihm übergeordneten OVG die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung für notwendig, um eine Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu rechtfertigen, vgl. Beschluss vom 19.6.2003 - 5 B 28/03 -, dokumentiert bei Juris; ähnlich wie das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 29.8.2002 hatte das VG Schleswig bereits mit Beschluss vom 22.12.1989 - 12 B 80/89 -, Leitsatz dokumentiert bei Juris, die Auffassung vertreten, dass die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Anordnung des Ruhens der Approbation nach Einleitung des Strafverfahrens durch Erhebung der Anklage nicht verlangt, dass vom Verwaltungsgericht (nochmals) geprüft wird, ob eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der strafgerichtlichen Verurteilung besteht.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg setzt für die Rechtmäßigkeit einer Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat, voraus. Diese hohe Wahrscheinlichkeit wird dann im Verlaufe der weiteren Erörterungen dahingehend konkretisiert, dass einem Arzt die Berufsausübung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO dann vorläufig untersagt werden kann, „wenn die Dringlichkeit des Tatverdachts seine Verurteilung wahrscheinlich macht“

Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366 -; im konkreten Fall war zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Hauptverhandlung in der Strafsache vor dem Landgericht ausgesetzt, weil die Einholung eines weiteren (zeitraubenden) Sachverständigengutachtens angeordnet worden war; das VG Stuttgart hat für die Ruhensanordnung nach Einleitung des Strafverfahrens „eine große Wahrscheinlichkeit für die strafgerichtliche Verurteilung des betroffenen Arztes“ gefordert, die gegeben sei, wenn „seine Täterschaft mit erheblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist“; im gegebenen Fall war der betreffende Arzt erstinstanzlich vom Amtsgericht wegen Körperverletzung in zwei Fällen in Tateinheit mit einem Fall der Beleidigung verurteilt worden, wobei das VG Stuttgart davon überzeugt war, dass dieses Urteil in der Berufungsinstanz „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ Bestand haben werde, vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 16.8.1999 - 4 K 2115/99 -, MedR 2000, 142 sowie Leitsatz, dokumentiert bei Juris.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Fall, in dem eine Anklage erhoben und vom Landgericht zugelassen worden war, angenommen, dass damit der „ernsthafte Verdacht“ bestanden habe, dass der angeschuldigte Tierarzt

wie bereits dargelegt, stimmt § 8 Abs. 1 Nr. 1 BTÄO wörtlich mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO überein,

die ihm darin vorgeworfenen Straftaten begangen hat. Davon ausgehend - so der VGH - könnten „nur offensichtliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Anklage den durch deren Erhebung bekräftigten Verdacht widerlegen“. Denn „zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des ernsthaften Verdachtes einer Straftat im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BTÄO genügt es - so der VGH weiter -, wenn sich aus den vorliegenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ernsthafte Verdachtsmomente ergeben, aus denen mit hoher Wahrscheinlichkeit folgt, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat und deshalb mit einer Bestrafung rechnen muss“. Folge aus den vom Kläger geltend gemachten Einwendungen keine solche offensichtliche Unrichtigkeit der erhobenen Anklage und werde demgemäß der in ihr festgehaltene Sachverhalt zugrunde gelegt, so ergebe sich daraus - so die wiederholende Feststellung des VGH - „mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit, dass gegen den Kläger der ernsthafte Verdacht der Begehung von Straftaten bestand und mit seiner Verurteilung deshalb gerechnet werden konnte“

VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris; zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war das Strafverfahren nach Zahlung von 8.000,- DM an eine gemeinnützige Einrichtung gemäß § 153 a Abs. 2 Satz 1 StPO bereits eingestellt -; ähnliche Grundsätze hatte der VGH München seinem - nicht veröffentlichten - Beschluss vom 18.7.1996 - 21 Cs 96.155 - zugrunde gelegt, wobei allerdings in dem dort zu beurteilenden Fall bereits eine - noch nicht rechtskräftige - erstinstanzliche strafgerichtliche Verurteilung erfolgt war.

Unter Berücksichtigung dieser in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angewandten Grundsätze hält der Senat insbesondere mit Blick auf den Eingriff in eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition für die im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO in Bezug auf eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers zu treffende Prognoseentscheidung eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit seiner Verurteilung, was den Kern beziehungsweise die Mehrzahl der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe anbelangt, für erforderlich. Dabei hat der Senat auf der Grundlage des bisherigen strafrechtlichen Ermittlungsergebnisses und des Vorbringens der Beteiligten eine eigenständige aktuelle Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers besteht

vgl. u.a. OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 - 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Er ist dabei allerdings nicht gehalten, selbst in die Erhebung der im Ermittlungs- und Strafverfahren aufgebotenen Beweise oder gar in eine Amtsermittlung einzutreten und gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Strafgericht parallelen Strafprozess durchzuführen. Deshalb ist der Bejahung oder Verneinung der Verurteilungswahrscheinlichkeit im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eine Unsicherheit im Verhältnis zu dem tatsächlichen Ausgang des Strafprozesses eigen

so begründet der VGH Mannheim in dem Beschluss vom 19.7.1991 - wie dargelegt - die „hohe Wahrscheinlichkeit“ dafür, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat, letztlich damit, dass „die Dringlichkeit des Tatverdachts seine Verurteilung wahrscheinlich macht“, also im Ergebnis nur mit der (bloßen) Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung; in ähnlicher Weise begründet der VGH München in dem Beschluss vom 14.12.1998 - wie dargelegt - die von ihm bejahte „genügend hohe Wahrscheinlichkeit“ einer Verurteilung im Ergebnis damit, dass sich aus den „staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ernsthafte Verdachtsmomente ergäben (was durch die Erhebung der Anklage belegt werde), dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat“.

1. Der Senat hält eine Verurteilung des Klägers wegen der Mehrzahl der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe für sehr wahrscheinlich.

Die Staatsanwaltschaft B-Stadt hat den Kläger am 7.7.2003 beim Landgericht - Schwurgericht - in B-Stadt angeklagt, in der Zeit vom 21.2.2000 bis zum 7.12.2000 in seiner Homburger Praxis durch 17 selbständige Handlungen in 13 Fällen einen Betrug und in vier Fällen einen Betrugsversuch gegenüber Patienten begangen zu haben und durch dieselben Handlungen in 17 Fällen dieselben Patienten vorsätzlich körperlich misshandelt und an der Gesundheit beschädigt zu haben, wobei er in einem Fall durch die Körperverletzung den Tod des Betreffenden verursacht habe (Verbrechen und Vergehen gemäß §§ 223, 227, 263 Abs. 1, 22, 23, 52 StGB). Mit Beschluss vom 28.8.2003 hat die 1. Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts B-Stadt die Anklage vom 7.7.2003 zur Hauptverhandlung zugelassen. Indem mit diesen Entscheidungen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Schwurgericht im Verständnis der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, nämlich der §§ 170 Abs. 1, 203 StPO, von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Verurteilung des Klägers ausgegangen sind, kommt diesem Umstand auch im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO erhebliches Gewicht zu

in diesem Sinne auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 29.8.2002 - 8 LA 92/02 -, NVwZ-RR 2003, 349, sowie VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris.

Der seitens der Anklagebehörde gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf lässt sich im Kern dahingehend zusammenfassen, dass er bei - vorwiegend griechischen - Patienten mit Krebserkrankungen im Endstadium wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Heilversuche vorgenommen hat, ohne die Patienten zuvor ausreichend über die Behandlung in Form eines Heilversuchs, über eventuelle Behandlungsrisiken und insbesondere über die angesichts des finalen Krankheitszustands realistischen Heilungschancen bzw. Behandlungsalternativen, etwa in Form palliativer Maßnahmen, aufgeklärt zu haben, und in dieser Situation von den Patienten Honorare in Höhe von insgesamt etwa 300.000,-- DM gefordert und erhalten hat. Wegen der Einzelheiten kann auf die 42 Seiten umfassende Anklageschrift Bezug genommen werden, in der das Ermittlungsergebnis detailliert dargelegt ist und die Beweismittel im Einzelnen angeführt sind

hervorzuheben sind hierbei die beiden Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 und 4.4.2002 (Bl. 450 ff. und Bl. 619 ff. der Strafakten).

Der Anklageschrift kommt auch unter Berücksichtigung der vom Kläger dagegen geltend gemachten Einwände nach wie vor ein erdrückender Beweiswert zu. In Anbetracht des bereits erwähnten Umstands, dass die Verwaltungsgerichte zu einer eigenständigen Überprüfung des Gewichts der strafrechtlichen Vorwürfe verpflichtet sind, ohne dass sie deshalb selbst in die Erhebung der in Ermittlungs- und Strafverfahren aufgebotenen Beweise eintreten müssen und gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Strafgericht parallelen Strafprozess durchzuführen haben, ist festzustellen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Klägers im Kernbereich der erhobenen Vorwürfe unverändert sehr hoch ist.

Bei ärztlichen Eingriffen ist eine tatbestandliche und rechtswidrige Körperverletzung (§ 223 StGB) immer dann gegeben, wenn infolge unzureichender ärztlicher Aufklärung über die vorgesehene Behandlung keine wirksame Einwilligung in sie vorliegt, wobei zusätzlich feststehen muss, dass bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die beabsichtigte Behandlung die Einwilligung unterblieben wäre (= Nicht-Vorliegen einer so genannten hypothetischen Einwilligung)

vgl. zu letzterem u.a. BGH, Beschluss vom 15.10.2003 - 1 StR 300/03 -, NStZ-RR 2004, 16 = JZ 2004, 799.

Neben dem Umstand, dass der Kläger bei allen in der Anklageschrift aufgeführten Patienten, die an soliden Tumoren in fortgeschrittenen Stadien, in der Regel mit Metastasierungen in andere Organe, litten, ein experimentelles, nicht etabliertes und die Patienten erheblich belastendes Verfahren der Tumorbehandlung, nämlich eine Tryptophanelimination mittels einer Blutwäsche, die er mit einer Hämoperfusion (Adsorption von Blutplasmabestandteilen an beschichtete Aktivkohlefilter) kombinierte, zur Anwendung gebracht hat

vgl. dazu im Einzelnen das Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001, Blatt 2 bis Blatt 12, sowie das weitere Gutachten vom 4.4.2002, Seiten 5, 7 bis 9,

wird ihm vor allem zum Vorwurf gemacht, dass er gegenüber diesen Patienten die Angabe unterlassen hat, dass es sich um ein rein experimentelles Verfahren handelt und weder Daten über den Erfolg noch ein theoretisches Modell über eine mögliche Wirksamkeit existieren. Darüber hinaus geht der Vorwurf dahin, dass er seinen Patienten (unrealistische) gute Heilungschancen beziehungsweise Heilungschancen von in der Regel 70 % versprochen haben soll

vgl. Anklageschrift, Seiten 2 bis 5.

Gegenüber diesen Vorwürfen wendet der Kläger zum einen ein, die Anforderungen an die ärztliche Aufklärung bei Patienten, die von der Schulmedizin als austherapiert und „hoffnungsloser Fall“ bereits aufgegeben worden seien, stellten sich gänzlich anders dar als in einer Aufklärungssituation, bei der es um die Wahl alternativer Behandlungsmethoden innerhalb der Schulmedizin gehe (dazu nachfolgend a.).

Zum anderen behauptet er, er habe keine Heilung, sondern den Patienten, die nach einem „letzten Strohhalm“ gegriffen hätten, lediglich Linderung versprochen, die in einer Vielzahl der Fälle, wenn auch nur kurzfristig, herbeigeführt worden sei (dazu nachfolgend b.).

a. Was den Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht auch und gerade gegenüber Krebspatienten, denen seitens der Schulmedizin keine realistische Heilungschancen mehr eingeräumt werden, anbelangt, ist dem Kläger mit aller Deutlichkeit entgegenzuhalten, dass jeder Patient beanspruchen kann, dass er über das Behandlungsverfahren, die Behandlungsrisiken und die Behandlungsaussichten umfassend informiert wird. Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten, dem stets die Entscheidung darüber zusteht, ob und in welchem Umfang er einem ärztlichen Heileingriff mit den damit verbundenen Chancen und Risiken für seinen Körper und seine Gesundheit zustimmen will, erfordert ausnahmslos eine vollständige Aufklärung über die Behandlungsmethode, die zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen, die damit jeweils verbundenen Belastungen und nicht zuletzt auch darüber, welche unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen mit verschiedenen in Betracht kommenden Behandlungen verbunden sind

vgl. zur ärztlichen Aufklärung insbesondere bei Behandlungsalternativen u.a. BGH, Urteile vom 7.4.1992 - VI ZR 224/91 -, NJW 1992, 2353, vom 24.11.1987 - VI ZR 65/87 -, NJW 1988, 765, und vom 22.9.1987 - VI ZR 238/86 -, NJW 1988, 767.

Auch ein sterbenskranker oder sterbender Mensch hat ein Selbstbestimmungsrecht und ist nicht „Freiwild“ für experimentierfreudige Mediziner.

Von seiner - jetzigen - eigenen Einlassung ausgehend, er habe den in der Anklageschrift genannten Patienten keine Heilung, sondern nur Linderung versprochen, hätte der Kläger in besonderem Maße die Pflicht gehabt, diese Patienten alternativ über die Möglichkeiten der Palliativmedizin zu informieren, zumal er selbst - soweit ersichtlich - in der Vergangenheit nicht als Experte auf dem Gebiet der Palliativmedizin in Erscheinung getreten ist.

Im Saarland gibt es insgesamt drei Krankenhäuser mit Palliativ-Stationen, nämlich die SHG-Kliniken in Merzig, das St. Michael Krankenhaus in Völklingen und die Saarbrücker Caritas-Klinik, vgl. dazu etwa Saarbrücker Zeitung, Ausgabe vom 11.11.2005 (Nr. 262), Seite C 1.

Gerade wenn der Kläger nach eigener Einschätzung allenfalls bedingt in der Lage war, den ihm überwiegend aus Griechenland vermittelten Patienten zu helfen, so hatte er in dem äußerst sensiblen Bereich, in dem er tätig war, nämlich bei der Behandlung so genannter austherapierter Krebspatienten, bereits vorvertraglich neben den geplanten Maßnahmen über das Leistungsziel, insbesondere über die Wirksamkeit der Therapie als solche und darüber hinaus über deren Chancen im Einzelnen aufzuklären. Ihm musste bewusst sein, dass ein schwer krebskranker Patient eine äußerst geringe Hemmschwelle in Bezug auf den Abschluss eines Arztvertrages hat, wenn ihm im Vorfeld ein für ihn günstiges Therapieziel vor Augen geführt wird. Bekanntermaßen nehmen viele Krebspatienten unter Verdrängung der Realität nur noch das auf, was für sie (angeblich) von Vorteil ist und Heilung, Besserung oder zumindest Erhaltung des momentanen Zustands verspricht. Deshalb ist der Arzt in einer so geprägten Situation gehalten, den Patienten klar und eindeutig über die wahre Situation und die realistischen Chancen einer ins Auge gefassten Therapie aufzuklären. Das gilt insbesondere dann, wenn mit dieser Therapie für den Patienten hohe Kosten verbunden sind, weil - wie durchweg hier - weder eine gesetzliche noch eine private Krankenversicherung eintrittspflichtig ist

vgl. zum Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht bei der Behandlung von Krebspatienten OLG Hamm, Urteil vom 14.3.2001 - 3 U 197/00 -, NJW 2002, 307 = VersR 2001, 895.

Jede im Rahmen des Patientengesprächs verschleiernd wirkende oder die realistisch erreichbare Situation verzerrende Maßnahme in Fallgestaltungen derart, wie sie dem Kläger in der Anklageschrift zum Vorwurf gemacht werden, begründet deshalb eine Aufklärungspflichtverletzung des behandelnden Arztes.

Der Kläger behauptet selbst nicht, er habe seine Patienten darüber informiert, dass es sich bei dem von ihm propagierten Verfahren der extrakorporalen Tryptophanverarmung um ein rein experimentelles Verfahren ohne ausreichende naturwissenschaftliche Belege handelt, für das bisher nur tierexperimentell gewonnene Erkenntnisse vorliegen, die nicht ohne Weiteres deckungsgleich auf den Menschen übertragen werden können, so dass bisher auch keinerlei Daten über den Erfolg einer solchen Behandlung bei an Krebs erkrankten Menschen vorliegen

vgl. zu dieser Bewertung des vom Kläger praktizierten Heilversuchs überzeugend (siehe S. 41/42 dieses Urteils) das bereits erwähnte Gutachten vom 12.6.2001, Blatt 12 (letztes Blatt).

Von all dem ausgehend kann nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger der ihm obliegenden ärztlichen Aufklärungspflicht nur unzureichend nachgekommen ist und damit eine wirksame Einwilligung in die Behandlung ausscheidet, ohne dass es für den strafrechtlichen Vorwurf der Körperverletzung darauf ankommt, ob er über die allgemeinen Behandlungsrisiken, insbesondere die Risiken der Katheteranlage, die sich je nach Krankheitszustand und allgemeiner Konstitution der Patienten unterschiedlich darstellten, umfassend und einzelfallbezogen aufgeklärt hat (letzterem kann allerdings für die Strafzumessung Bedeutung zukommen).

b. Nach dem bisherigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnis bestehen darüber hinaus dringende Gründe für die Annahme, dass der Kläger zumindest in der Mehrzahl, nämlich in 15 der zur Anklage gebrachten 17 Fälle, seinen Patienten sehr hohe und damit völlig unrealistische Heilungschancen zumindest in Aussicht gestellt und keineswegs als Behandlungsziel (lediglich) eine Linderung des Leidens mittels palliativ-medizinischer Maßnahmen vorgegeben hat.

Dazu ist vorab zu bemerken, dass nicht geleugnet werden kann, dass dem Nachweis des zu dem in Rede stehenden Fragenkomplex bisher vorliegenden Ermittlungsergebnisses in der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht durchaus Schwierigkeiten gegenüberstehen, die vor allem darauf beruhen, dass zwischenzeitlich alle vom Kläger behandelten, in der Anklage aufgeführten Patienten verstorben sind und im Ermittlungsverfahren nur eine der Betroffenen persönlich als Zeugin polizeilich vernommen worden ist, nämlich Frau H.K. (Ziffer 12 der Anklage), wohingegen im Übrigen - den Fall des Herrn F.B. (Ziffer 11 der Anklage) ausgenommen, zu dem immerhin Angehörige polizeilich gehört wurden - standardisierte Zeugenfragebogen versandt worden sind, die bis auf einen Fall - nur die Patientin M. (Ziffer 9 der Anklage) hat diesen Fragebogen persönlich ausgefüllt - von Angehörigen der früheren Patienten des Klägers ausgefüllt wurden, die allerdings - so ihre Angaben - als Begleitpersonen die relevanten Erklärungen des Klägers im Zusammenhang mit den Behandlungen unmittelbar haben zur Kenntnis nehmen können. Die die genannten Patientinnen K. und M. betreffenden schriftlichen Bekundungen (Vernehmungsprotokoll vom 4.12.2000 bzw. - ohne Datum - Zeugenfragebogen) können auch ohne Zustimmung der Strafverfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung verlesen werden (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO). Angehörige der verstorbenen Patienten, die bei den Gesprächen mit dem Kläger zugegen waren, werden, soweit es auf ihre Bekundungen aus Sicht des Schwurgerichts ankommt, bei fehlendem Einverständnis des Klägers und/oder seines Verteidigers (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO) voraussichtlich persönlich vor dem Strafgericht aussagen müssen, da die weite Entfernung vom Gerichtsort in der Regel nicht ausreicht, um den Ausnahmetatbestand der Unmöglichkeit der Vernehmung im Verständnis des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO zu begründen

vgl. dazu u.a. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 251 Rn. 26, 27.

Soweit der Kläger in Bezug auf die Zeugenfragebogen beanstandet, dass eine Ermahnung zur Wahrheitspflicht (§ 57 StPO) unterblieben sei, könnte dies strafprozessual von vornherein nur für die ohne seine Zustimmung mögliche Verlesung der schriftlichen Bekundungen der M. Bedeutung haben. Die hier nicht erfolgte Ermahnung zur Wahrheitspflicht ist jedoch verfahrensrechtlich ohne Bedeutung, da § 57 StPO nur eine im Interesse des Zeugen erlassene Ordnungsvorschrift beinhaltet, auf deren Verletzung eine Revision nicht gestützt werden kann

vgl. u.a. Meyer-Goßner, a.a.O., § 57 Rn. 6.

Im Übrigen unterliegt die Bewertung dieser schriftlichen Zeugenbekundungen der freien Beweiswürdigung des Strafgerichts (§ 261 StPO). Letzteres gilt gleichermaßen für den Inhalt des zu verlesenden Protokolls über die polizeiliche Vernehmung der Zeugin K. (die indes mit deren Einverständnis auf Video und Tonband aufgezeichnet worden ist, was im Vergleich zum bloßen Verlesen eine bessere Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage ermöglicht) und die schriftlichen Bekundungen der übrigen im Ermittlungsverfahren angehörten Zeugen, soweit diese aus gewichtigen Gründen in absehbarer Zeit nicht vor dem Strafgericht vernommen werden können (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO).

Ungeachtet der dem Schwurgericht im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 261 StPO) vorbehaltenen Bewertung der mittels Urkundenbeweises in die Verhandlung einzuführenden polizeilich protokollierten beziehungsweise schriftlich dokumentierten Zeugenbekundungen und etwaigen unmittelbaren Zeugenaussagen vor dem Strafgericht ist mit Blick auf die vom Senat (lediglich) zu treffende Prognoseentscheidung hier nur zu prüfen, ob die aufgrund des derzeitigen Ermittlungsergebnisses gegebene Beweislage mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Vorwurf bestätigen wird, dass der Kläger den von ihm behandelten Krebspatienten unrealistische Therapieergebnisse in Aussicht gestellt hat. Das ist eindeutig zu bejahen, wie die im Folgenden wiedergegebenen Zeugenbekundungen zeigen

die genauen Fundstellen der jeweiligen Dokumente in den Beiakten zu den Ermittlungs- und Strafakten sind in der Anklageschrift im Zusammenhang mit den jeweils angeklagten, von 1 bis 17 durchnummerierten Behandlungsfällen angegeben.

Die damals 67 Jahre alte Zeugin K. (Anklage Ziffer 12), der - so ihre Angaben gegenüber dem sie vernehmenden Polizeibeamten - von den sie behandelnden Ärzten der Caritas-Klinik B-Stadt mitgeteilt worden war, dass diese ihr keine Hoffnung auf Heilung mehr machen könnten, hat ausgesagt, der Kläger habe ihr gegenüber erklärt, dass mit seiner Behandlung der Tumor zum Stillstand kommen werde; er habe gesagt: „Das bekommen wir nochmal hin“. Hätte er ihr gesagt - so die Zeugin -, dass man über eine Heilungschance noch gar nichts sagen könne, weil das Verfahren noch nicht erprobt sei, hätte sie nicht in die Behandlung eingewilligt.

Die bereits erwähnte Patientin M. (Anklage Ziffer 9), die von ihrem Ehemann nach A-Stadt begleitet worden war, hat in dem von ihr persönlich ausgefüllten Fragebogen angegeben, der Kläger habe allgemein Erfolgsaussichten von 50 - 60 % versprochen; für sie persönlich habe er sehr gute Ergebnisse in Aussicht gestellt.

Gegenüber der in Düsseldorf wohnenden und deutsch sprechenden Schwägerin Dr. E. der Patientin A. (Anklage Ziffer 3) hat der Kläger im Beisein der Patientin angegeben, die Erfolgschancen seiner Behandlung lägen bei 60 – 70%, vor allem bei Darm-, Lungen- und Brustkrebs. Die Prognose für die genannte Patientin hat er als sehr gut bezeichnet, weil sie sich in gutem physiologischen Zustand befinde. Es seien 2 mal 20 Behandlungen vorgesehen gewesen.

Der Ehemann der Patientin T.

so die im Vergleich zur Anklageschrift abweichende Schreibweise im Zeugenfragebogen

(Anklage Ziffer 5), der seine Ehefrau nach eigenen Angaben während der gesamten Behandlung in der Praxis des Klägers begleitet hat, hat auf die Fragen, welchen Erfolg der Kläger vor der Behandlung in Aussicht gestellt habe und ob eine Heilung versprochen worden sei, geantwortet, der Kläger habe erklärt, die Therapie weise - so der aktuelle Stand - vollen Erfolg (100 %) bei Experimenten mit Tieren und 70 % bei der Anwendung an Menschen auf; auch sei ihnen gesagt worden, es bestünden bei seiner Frau 70 % Erfolgsaussichten.

Die Tochter P., die ihren Vater D. (Anklage Ziffer 7) nach A-Stadt begleitet hat, hat in dem von ihr ausgefüllten Zeugenfragebogen angegeben, der Kläger habe eine Verkleinerung bis ein Verschwinden des Tumors in Aussicht gestellt und insgesamt eine Heilung versprochen.

Im Beisein des L., der seine an Leberkrebs mit Metastasen am Dickdarm erkrankte Ehefrau (Anklage Ziffer 8) nach A-Stadt begleitet hat, hat der Kläger bei der ersten Begegnung sich als absolut sicher für eine gefahrlose und erfolgreiche Therapie gezeigt, und er hat „gute Resultate“ versprochen; er habe erklärt, die Perspektiven seien gut

so die Angaben im Zeugenfragebogen unter dem Datum vom 12.2.2001.

Der Ehemann der Patientin G. (Anklage Ziffer 10), der seine Ehefrau ebenfalls nach A-Stadt begleitet hatte, hat auf die Fragen im Zeugenfragebogen geantwortet, der Kläger habe erklärt, „dass wir sehr gute Ergebnisse haben werden“, und er habe ebenso wie bereits zuvor Dr. G. Heilung versprochen.

Im Weiteren hat der Bruder C. der damals 14-jährigen Patientin H. (Anklage Ziffer 17)

in der beglaubigten Übersetzung des Zeugenfragebogens wird der Name „C.“ aufgeführt,

der seine Schwester zusammen mit seiner Mutter nach A-Stadt begleitet hatte, bestätigt, dass sowohl der Kläger als auch Dr. G. gesagt hätten, die Therapie verspreche einen Erfolg von 70 %.

Sodann hat der am 15.2.2001 polizeilich vernommene Sohn M.B. des bereits erwähnten Patienten F.B. (Anklage Ziffer 11) bekundet, sein Vater habe ihm über die mit dem Kläger geführten Gespräche berichtet. Danach habe der Kläger seinem Vater - dieser war an Prostatakrebs erkrankt - erklärt, es könnten mit seiner Methode nicht alle Tumore behandelt werden, so etwa nicht Gehirntumore. Bei allen anderen Krebsarten - so der Kläger - gebe es hohe Erfolgsquoten; der Krebs sei zum Stillstand gekommen. Der Kläger habe seinem Vater auch gesagt, er werde im Rahmen einer „Studie unter der Ägide der Uni A-Stadt“ behandelt; das habe sein Vater „steif und fest behauptet“ und damit untermauert, dass das Gebäude ja in der Nähe der Universität liege.

Schließlich ist auf einen polizeilichen Vermerk

Beiakte 1 Bd A Nr. 9 Bl. 9.7 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte

vom 1.12.2000 hinzuweisen, in welchem festgehalten ist, dass der Z., geboren am 20.9.1972, bei dem Sachbearbeiter B. des LKA angerufen hat. Dabei hat er über einen sehr gut deutsch sprechenden Mittelsmann dem Beamten B. mitgeteilt, dass er seinen mittlerweile verstorbenen Vater Z. (Anklage Ziffer 6) nach A-Stadt zur Behandlung bei dem Kläger begleitet habe. Bei dem ersten Gespräch, das er mit dem Kläger auf Englisch geführt habe, habe dieser von einer 70 %igen Heilungschance gesprochen.

Andererseits kann nicht unerwähnt bleiben, dass nach den Bekundungen mehrerer Angehöriger, die die an Krebs erkrankten Patienten nach A-Stadt begleitet haben, der Kläger in deren Beisein sich nicht zu den Erfolgsaussichten der Therapie geäußert, sondern lediglich Dr. G. von hohen Erfolgsaussichten bzw. von gänzlicher Heilung gesprochen habe

das betrifft die Patienten bzw. Patientinnen D. (Anklage Ziffer 1), I. (Anklage Ziffer 4), S. (Anklage Ziffer 13), G. (Anklage Ziffer 14) und E. (Anklage Ziffer 15), vgl. dazu die entsprechenden Zeugenfragebogen.

Allerdings wird diesem Unterschied, wovon die Anklage offenkundig ausgeht, im Strafverfahren voraussichtlich keine ausschlaggebende rechtliche Bedeutung zukommen, da nach den Gegebenheiten alles dafür spricht, dass dem Kläger bekannt war, dass Dr. G. ihm die griechischen Patienten mit dem Versprechen großer Heilungschancen zugeführt hat. Demgemäß hat die Zeugin F. in dem von ihr unter dem 8.5.2001 unterschriebenen Zeugenfragebogen auf die in ihrem Beisein an den Kläger gerichtete Frage nach den Erfolgsaussichten der Behandlung ausgeführt:

„Seine Antwort auf eine diesbezügliche Frage von uns war: „Ich hoffe es.“ Aber Herr G., der für die Griechen eher zugänglicher war, hat von hohen Erfolgsaussichten gesprochen, die Herr A. nie in Frage stellte.“

Wenn dem Kläger aber bekannt war, dass den zu ihm in Behandlung gekommenen Patienten aus Griechenland zuvor seitens des nach übereinstimmenden Angaben zahlreicher befragter Patientenangehöriger häufig in der Praxis des Klägers anwesenden und durchweg als dessen „Mitarbeiter“ eingestuften Dr. G. große Heilungschancen in Bezug auf ihr weit fortgeschrittenes Krebsleiden versprochen bzw. in Aussicht gestellt worden waren, so wäre er vor Abschluss eines Arztvertrages verpflichtet gewesen, dies gegenüber den Patienten richtig zu stellen, sofern er diese Einschätzung nicht geteilt hätte.

Insgesamt ist deshalb in hohem Maße wahrscheinlich, dass dem Kläger im Strafverfahren nachgewiesen werden kann, dass er in zumindest 15 Fällen hohe Heilungschancen in Aussicht gestellt hat, sei es, dass er selbst entsprechende Erklärungen gegenüber den Patienten abgegeben, sei es, dass er sich gleichlautende Versprechungen des Dr. G. diesen gegenüber konkludent zu Eigen gemacht hat. Seine Behauptung, er habe lediglich eine Linderung des Leidens mittels palliativ-medizinischer Maßnahmen zugesichert, dürfte ihm nach den aufgezeigten Gegebenheiten im Strafverfahren eindeutig zu widerlegen sein. Denn abgesehen von dem bisher Dargelegten erscheint es in hohem Maße unwahrscheinlich, anzunehmen, dass überwiegend austherapierte Krebspatienten mit all den damit verbundenen Beschwernissen und Kosten sich zur Behandlung nach A-Stadt begeben, um dort eine palliativ-medizinische Behandlung zu erfahren, die sie mit Sicherheit in Griechenland ebenfalls hätten erhalten können.

Von diesem Sachverhalt ausgehend ist auch kein Raum für die Annahme, die Patienten hätten der sie körperlich sehr belastenden und finanziell kostspieligen Behandlung auch dann zugestimmt, wenn der Kläger sie insbesondere über den rein experimentellen Charakter des Heilversuchs aufgeklärt und ihnen dabei wahrheitsgemäß mitgeteilt hätte, dass über einen möglichen Therapieerfolg keine Angaben gemacht werden können, weil bisher noch keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über die Wirksamkeit dieser Methode zur Krebsbehandlung beim Menschen vorliegen. Jedenfalls besteht angesichts der aufgezeigten konkreten Umstände eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der rechtliche Gesichtspunkt einer „hypothetischen Einwilligung“ im Strafprozess nicht zugunsten des Klägers auswirken wird, und zwar auch unter Zugrundelegung der sehr strengen Kriterien, die der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang aufgestellt hat

vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 15.10.2003 - 1 StR 300/03 -, NStZ-RR 2004, 16 = JZ 2004, 799, sowie Urteil vom 25.9.1990 - 5 StR 342/90 -, dokumentiert bei Juris; siehe auch OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.9.2000 - 6 R 1/99 -, Seite 41 ff., zu einem Fall des Vorwurfs der vorsätzlichen Körperverletzung gegenüber einem beamteten Arzt, in dem der Einwand der „hypothetischen Einwilligung“ des geschädigten Patienten mit Blick auf die (näher dargelegten) konkreten Umstände von der Großen Strafkammer des Landgerichts zurückgewiesen worden war, was die Billigung des BGH gefunden hatte, der die Revision, mit der gerade dieser Punkt mittels Sachrüge angegriffen worden war, verworfen hat.

c) Die Annahme einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit strafgerichtlicher Verurteilung des Klägers wegen vorsätzlicher Körperverletzung wird nicht durchgreifend durch die Angriffe des Klägers gegen die von der Staatsanwaltschaft eingeholten Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 und 4.4.2002 in Frage gestellt. Es mag sein, dass sich im Zusammenhang mit der Auswahl der Gutachter durch die Staatsanwaltschaft die Frage der ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs stellen kann und dass die Gutachter sich teilweise zu Fragen geäußert haben, deren Beantwortung allein dem Strafrichter obliegt, etwa im Zusammenhang mit den Anforderungen und der Erfüllung der ärztlichen Aufklärungspflicht. Soweit die Gutachter sich dabei aufgrund der von ihnen festgestellten - vom Kläger übrigens zugestandenen - unzureichenden ärztlichen Dokumentation teilweise auf Unterstellungen und Mutmaßungen stützen, betrifft dies in erster Linie die Aufklärung über die spezifischen Behandlungsrisiken, vor allem Risiken der Katheteranlage, mit Blick auf die besondere Situation eines Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung. Ob dem Kläger insoweit ebenfalls eine unzureichende Aufklärung vorzuwerfen ist, ist unter Strafzumessungsgesichtspunkten möglicherweise im Strafverfahren zu klären; für die im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu treffende Prognoseentscheidung reicht es aus, dass der Kläger - wie ausgeführt - seine ärztliche Aufklärungspflicht in anderen rechtserheblichen Bereichen verletzt und schon deswegen sich einer das Selbstbestimmungsrecht des Patienten missachtenden vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Jedenfalls sind die gutachterlichen Ausführungen nicht insgesamt wertlos oder im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO unverwertbar. Möglicherweise bedarf es im Rahmen des Strafverfahrens einer erneuten (ergänzenden) Begutachtung. Das besagt aber nicht, dass dadurch wesentliche, die eigentliche Behandlung betreffende Feststellungen der beiden Gutachten durchgreifend in Frage gestellt werden können. Vielmehr sind deren Kernaussagen überzeugend

vgl. dazu, dass die Einholung eines weiteren, auch zeitraubenden Gutachtens im Strafverfahren der Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zumindest nicht ohne Weiteres entgegensteht, VGH Mannheim, Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366; von daher kommt dem von den Strafverteidigern des Klägers beim Schwurgericht eingereichten Schriftsatz vom 19.4.2004 im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der Ruhensanordnung letztlich keine durchschlagende Bedeutung zu.

Der Senat hat durchaus zur Kenntnis genommen, dass der Kläger zutiefst davon überzeugt ist, dass die von ihm für eine Krebsbehandlung propagierte Methode der „Extrakorporalen Tryptophanverarmung mittels Hämoperfusion“ medizinisch erfolgreich eingesetzt werden kann

vgl. dazu die vom Kläger verfasste und vorgelegte wissenschaftliche Abhandlung „Therapeutischer Plasmaaustausch und verwandte Plasmaseparationsverfahren“.

Dem stehen allerdings die Ausführungen im Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 entgegen, wonach (bisher) nicht bewiesen ist, dass eine mögliche Tryptophanelimination einen zytostatischen Effekt hat

so die zusammenfassende Beurteilung des Gutachtens, Blatt 12 (letztes Blatt).

Der Kläger, der diese gutachterliche Feststellung vehement angreift, hatte seitdem genügend Zeit, durch ein wissenschaftlich fundiertes „Gegengutachten“ die von ihm vertretene Position zu untermauern. Dass er von dieser Möglichkeit - aus welchen Gründen auch immer - keinen Gebrauch gemacht hat, geht im Rahmen der vom Senat im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu treffenden Prognoseentscheidung zu seinen Lasten.

Die im hier gegebenen Zusammenhang vom Kläger erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den Laboruntersuchungen des ärztlichen Qualitätslabors Dr. L. auseinandergesetzt, die belegen würden, dass die von ihm praktizierte Methode der Tryptophanverarmung zu einer Reduktion der Zellteilungsgeschwindigkeit führe, geht anlässlich der dargelegten Gutachtenlage ins Leere. Denn der bio-medizinisch geführte Nachweis einer Reduktion der Zellteilungsgeschwindigkeit erlaubt noch keine überzeugende Vorhersage in Bezug auf eine - in diesem Fall bahnbrechende - erfolgreiche Krebsbehandlung.

d) Auf der Grundlage des Sachverhalts, wie er sich nach den obigen Ausführungen derzeit darstellt, ist zugleich in hohem Maße wahrscheinlich, dass der gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf des Betrugs beziehungsweise des Betrugsversuchs im Strafverfahren zu seiner Verurteilung führen wird, wobei sein vorliegend erhobener Einwand, die Höhe des Schadens sei seitens der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß ermittelt worden, für die Strafzumessung von Bedeutung sein wird, jedoch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung ohne erkennbare Relevanz ist.

2. Ist nach alldem davon auszugehen, dass eine Verurteilung des Klägers, jedenfalls was die Mehrzahl und zugleich den Kern der gegen ihn erhobenen Vorwürfe anbelangt, in hohem Maße wahrscheinlich ist, so unterliegt es im Weiteren keinen Zweifeln, dass die ihm vorgeworfenen Straftaten vom Deliktscharakter, der Begehungsweise und den Tatfolgen her so schwerwiegend sind, dass aus ihnen, wie in den angefochtenen Bescheiden und im angefochtenen Urteil (Seiten 32 bis 34) zutreffend ausgeführt ist, auf seine Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs zu schließen ist. Ergänzende Ausführungen sind nicht veranlasst.

II. Das mit der Anordnung des Ruhens der Approbation einhergehende vorläufige Berufsverbot für den Kläger ist zum Schutz konkreter Gefahren für die Gesundheit und das damit eng verbundene Selbstbestimmungsrecht Erkrankter über das Ob und das Wie medizinischer Behandlung dringend geboten.

Dabei ist klar zu sehen, dass bereits mit der Anordnung des Ruhens der Approbation, wenngleich diese Maßnahme noch keine Entscheidung über einen Widerruf der Approbation beinhaltet, in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Betroffenen eingegriffen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind solche Eingriffe nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft

vgl. dazu grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2.3.1977 – 1 BvR 124/76 -, BVerfGE 44, 105 = NJW 1977, 892, betreffend ein vorläufiges Berufsverbot gegenüber einem Rechtsanwalt.

Nur überwiegende öffentliche Belange können es ausnahmsweise rechtfertigen, den Anspruch des Grundrechtsträgers auf endgültige Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.3.2004 – 1 BvR 540/04 -, NVwZ-RR 2004, 545, und vom 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618.

Ob ein vorläufiges Berufsverbot zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist, hängt entscheidend von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter ab. Je bedeutsamer die Rechtsgüter sind, die durch das vorläufige Berufsverbot geschützt werden sollen, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu stellen sind. Die hier betroffenen Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmungsrecht der Kranken genießen allerhöchsten Rang (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Der öffentliche Belang der Aufrechterhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit und potentieller Patienten in die fachliche Kompetenz, die Zuverlässigkeit und die persönliche Integrität der Ärzteschaft sowie die Funktionsfähigkeit der Gesundheitsversorgung haben ebenfalls besonderes Gewicht. Daher ist ein vorläufiges Berufsverbot zur Abwehr konkreter Gefahren für diese Rechtsgüter regelmäßig schon dann erforderlich, wenn in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Arzt bei der Ausübung seines Berufs Straftaten gegen das Leben und/oder die Gesundheit von Patienten begangen hat und die Gefahr einer Verletzung dieser Rechtsgüter bei einer Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit weiter besteht

so überzeugend u.a. OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 19.1.2005 – 8 ME 181/04 -, dokumentiert bei Juris, sowie vom 16.3.2004 – 8 ME 164/03 -, NJW 2004, 1750, wo allerdings für ausreichend erachtet wird, dass bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte von Straftaten gegen das Leben und die Gesundheit von Patienten (lediglich) „nicht auszuschließen ist, dass dies in Zukunft wieder geschieht“; in diesem Sinne wohl auch BGH, Urteil vom 13.10.2005 – 3 StR 385/04 -, NJW 2005, 3732, wo es heißt (Seite 3733), die Ruhensanordnung diene dazu, „in unklaren Situationen oder Eilfällen dem Arzt vorläufig den Beruf zu untersagen“; siehe auch BVerwG, Urteil vom 17.8.2005 – 6 C 15/04 -, dokumentiert bei Juris, wo im Zusammenhang mit dem Widerruf der Bestellung zum Wirtschaftsprüfer wegen nicht geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse ausgeführt wird, „eine Nichtgefährdung … sei (erst) dann anzunehmen, wenn die Interessengefährdung hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann“; siehe weiterhin BFH, Urteil vom 22.9.1992 – VII R 43/92 -, MDR 1993, 911, wonach die Bestellung eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten, der in Vermögensverfall geraten ist, dann nicht zu widerrufen ist, „wenn dadurch eine konkrete Gefährdung der Interessen der Auftraggeber nicht eingetreten ist“.

Der Senat sieht ebenso wie der Beklagte die konkrete Gefahr, dass der Kläger bei einer Aufhebung der Ruhensanordnung und der ihm dann ermöglichten uneingeschränkten Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit (auch) in Zukunft die gesundheitlichen Interessen ihm anvertrauter Patienten nicht in dem gebotenen Maße beachten wird. Das wird durch das Gewicht der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, wie sie in der Anklageschrift vom 7.7.2003 zusammengefasst sind, und die Art und Weise seines Vorgehens, wie es sich nach den aufgezeigten Gegebenheiten zum jetzigen Zeitpunkt darstellt, indiziert. Danach ist der Senat in hohem Maße davon überzeugt, dass der Kläger seine Verpflichtungen zur gebotenen ärztlichen Aufklärung über die Art der von ihm eingeleiteten Behandlungen und ihre realistischen Erfolgschancen bei zumindest 15 von der Schulmedizin aufgegebenen Krebspatienten gröblich verletzt hat. Eine das – wie die Berufsfreiheit des Klägers durch Art. 12 Abs. 1 GG – durch Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Bezug auf körperliche Eingriffe verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Patienten beachtende ärztliche Aufklärung hat, insbesondere was die experimentelle Art der Behandlung und die realistischen Heilungschancen der von ihm praktizierten Therapie anbelangt, nicht in dem gebotenen Umfang stattgefunden. Da der Kläger nach wie vor vom Erfolg seiner Krebstherapie überzeugt ist, wie vor allem seine Angriffe gegen die dies verneinenden Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg belegen, ist zu befürchten, dass er im Fall der Aufhebung der Ruhensanordnung seinen Therapieansatz, möglicherweise in veränderter Form, weiter verfolgen wird. Diese Gefahr besteht um so mehr, als er – unabhängig von seinem Bestreben, einer nach seiner Überzeugung bahnbrechenden Krebstherapie zu allgemeiner Anerkennung zu verhelfen – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf eine Verbesserung seiner Einnahmesituation angewiesen ist. Denn nach eigenen Angaben ist ihm bereits aufgrund des (kurzzeitigen) Sofortvollzugs der Ruhensanordnung sowie aufgrund der Tatsache, dass die früher bei ihm tätige Kollegin nunmehr in unmittelbarer Nähe zu seiner Praxis eine eigene nephrologische Praxis betreibt, erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden. Zudem will er seine Praxis in einigen Jahren – der Kläger ist jetzt 62 Jahre alt – verkaufen. Von daher muss er bestrebt sein, in diesem Zeitraum die zuletzt erlittenen finanziellen Einbußen in etwa auszugleichen und zugleich durch eine verbesserte Umsatzsituation das Interesse an einem Erwerb seiner Praxis zu wecken und den dabei erzielbaren Verkaufserlös zu optimieren. In dieser Situation und angesichts einer in seinem ursprünglichen Hauptbetätigungsfeld der Dialysebehandlung rückläufigen Entwicklung besteht die konkrete Gefahr, dass der Kläger der Versuchung nicht dauerhaft wird widerstehen können, seine unter Kapazitätsgesichtspunkten derzeit nach eigener Einschätzung nicht ausgelastete Dialysepraxis für weitere Behandlungen nach dem Prinzip eines therapeutischen Plasmaaustauschs bzw. verwandter Plasmaseparationsverfahren

vgl. dazu die – bereits erwähnte – von ihm vorgelegte wissenschaftliche Abhandlung,

einzusetzen. Denn auf diese Weise kann er seine auf Dialysebehandlungen ausgerichtete Praxis besser auslasten

von daher kann auch sein Einwand, er habe sich bei der Behandlung der Krebspatienten nicht in dem ihm vorgeworfenen Umfang bereichert, weil er im Wesentlichen nur die ihm entstandenen Praxiskosten weitergegeben habe, nicht überzeugen, denn eine bessere Auslastung der vorgehaltenen Apparaturen und des vorhandenen Personals hat zwangsläufig die Fix- und Betriebskosten seiner Praxis reduziert und war deshalb durchaus von erheblichem betriebswirtschaftlichen Nutzen.

Die konkrete Gefahr einer nicht ausreichenden Beachtung der gesundheitlichen Interessen von Patienten, insbesondere ihres Selbstbestimmungsrechts in Bezug auf die Einwilligung in belastende und wissenschaftlich nicht erprobte Behandlungsverfahren, wird nicht durch das vom Kläger seit der Aussetzung des Sofortvollzugs der Ruhensanordnung gemäß Senatsbeschluss vom 21.1.2004 gezeigte beanstandungsfreie Verhalten ausgeschlossen

vgl. dazu die Erklärung des Leitenden Medizinaldirektors Dr. S. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 22.9.2004; siehe auch Beschluss des Senats vom 25.8.2005 – 1 U 2/05 -.

Denn es muss gesehen werden, dass unter dem Druck des laufenden Strafverfahrens und des Beschlusses des Senats vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 – bzw. dem für den Kläger durchaus kritischen Beschluss vom 25.8.2005 – 1 U 2/05 – ein gewisses „Wohlverhalten“ des Klägers nahe lag, ohne dass daraus Rückschlüsse auf eine nachhaltige Einstellungs- und Verhaltensänderung des Klägers gezogen werden können, zumal der Kläger bei Nichtbeachtung der vom Senat in den Beschlüssen vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 – und 31.3.2005 – 1 U 1/05 – festgelegten Bedingungen Gefahr lief, dass die Ruhensanordnung umfassend sofort vollzogen wird.

Die hier bejahte konkrete Gefahr für den Kläger in Zukunft aufsuchende Patienten entfällt ferner nicht durch die vom Kläger abgegebene Erklärung, sich auch weiterhin an die vom Senat festgelegten Bedingungen zu halten. Diese Selbstverpflichtung ist rechtlich unverbindlich und vom Kläger ohne unmittelbar eintretende Sanktion jeder Zeit änderbar

vgl. dazu u.a. OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 – 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Ihre Einhaltung könnte außerdem behördlich nicht zuverlässig überwacht werden, da es eine Rechtsgrundlage für ständige Praxiskontrollen nicht gibt.

Eine Beschränkung der Ruhensanordnung auf bestimmte Behandlungsbereiche unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist angesichts der vom Gesetzgeber vorgegebenen Rechtslage nicht möglich. Denn bei der Approbation handelt es sich um eine unbeschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes, bei der weder ein Teilwiderruf noch die Anordnung eines teilweise Ruhens möglich ist

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16.9.1997 – 3 C 12/95 -, BVerwGE 105, 214 = NJW 1998, 2756; anders stellt sich die Situation insoweit im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes dar, vgl. dazu Beschluss des Senats vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 -, NJW 2004, 2033.

Zur Abmilderung der schwerwiegenden Folgen eines vorläufigen Berufsverbots in Form der Anordnung des Ruhens der Approbation verbleibt dem Kläger die Möglichkeit, auf der Grundlage des § 6 Abs. 4 BÄO die Weiterführung seiner Praxis durch einen anderen Arzt genehmigen zu lassen.

Da sich der Beklagte, wie insbesondere seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgegebenen Erklärungen zur Aufrechterhaltung des Bescheides vom 3.9.2002 belegen, bei seiner Entscheidung von den vorstehenden Erwägungen hat leiten und keinen unter Ermessensgesichtspunkten wesentlichen Aspekt außer Acht gelassen hat, ist die Ruhensanordnung - weiterhin - rechtmäßig.

Demnach muss die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückgewiesen werden.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die auf Aufhebung des das Ruhen der Approbation des Klägers anordnenden Bescheides vom 3.9.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 gerichtete Klage abgewiesen.

Die Entscheidung des Beklagten, die Approbation des Klägers ruhen zu lassen, ist - auch aus heutiger Sicht - rechtlich nicht zu beanstanden,

vgl. dazu, dass die Anordnung des Ruhens einer Approbation nicht allein im Hinblick auf die Dauer eines schwebenden Strafverfahrens, sondern erst aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, BVerwG, Beschluss vom 9.9.1970 – 1 B 55/69 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 12 = DÖV 1970, 825.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Bundesärzteordnung - BÄO - kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Diese Vorschrift ermächtigt die Behörde, nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen schon in dem frühen Stadium der Einleitung eines Strafverfahrens zum Schutz von Patienten und - insgesamt - der Allgemeinheit vor den mit Wahrscheinlichkeit von dem Arzt ausgehenden Gefahren rasch einzugreifen. Dabei braucht - anders als beim Widerruf der Approbation - ein die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit aufzeigendes Verhalten des betroffenen Arztes noch nicht nachgewiesen zu sein. Vielmehr reichen, wie die Tatbestandsvoraussetzung „Einleitung eines Strafverfahrens wegen des Verdachts einer Straftat“ bei wortgetreuer Interpretation zeigt, gewichtige Verdachtsmomente in Bezug auf das strafrechtlich relevante Verhalten aus.

Die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO umschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen sind bei wortgetreuem Normverständnis in Ansehung der in der Anklage vom 7.7.2003 erhobenen Vorwürfe zweifelsohne gegeben.

Bei Ausübung des durch § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eröffneten Ermessens - das Ruhen „kann“ angeordnet werden - hat die Behörde dann indes zu beachten, dass das Ruhen der Approbation nicht eine bloße Einschränkung der Berufsausübung, sondern einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl bedeutet, der nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist. Im hier gegebenen Zusammenhang hat die Behörde zudem das Gebot der Unschuldsvermutung zu bedenken, das eine besondere Ausprägung des verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzips ist und verlangt, dass dem Betroffenen in einem justizförmigen Verfahren, das eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte gewährleistet, Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen und bis zum Nachweis der Schuld seine Unschuld vermutet wird. Allerdings heißt das nicht, dass das verfassungsverbürgte Prinzip der Unschuldsvermutung vor einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung es generell verbietet, bereits an den Verdacht einer näher qualifizierten Straftat berufsrechtliche Maßnahmen zu knüpfen

vgl. dazu (allgemein) BVerfG, Beschluss vom 29.5.1990 - 2 BvR 254, 1343/88 -, BVerfGE 82, 106 = NJW 1990, 2741 (im konkreten Fall zur Berücksichtigung bloßer Verdachtsgründe bei der Kostenentscheidung nach Einstellung eines Strafverfahrens, wobei allerdings - so das BVerfG - aus der Begründung deutlich hervorgehen muss, dass es sich nicht um eine gerichtliche Schuldfeststellung oder Schuldzuweisung handelt, sondern nur um die Beschreibung und Bewertung einer Verdachtslage); in diesem Sinne speziell im Zusammenhang mit dem Widerruf der tierärztlichen Approbation BVerfG, Beschluss vom 16.1.1991 - 1 BvR 1326/90 -, NJW 1991, 1530 (1531 f.).

Mit alldem vereinbar ist jedoch nur eine Handhabung der Befugnis, das Ruhen der Approbation anzuordnen, die erst bei einer - wie auch immer zu definierenden - hohen Wahrscheinlichkeit einsetzt, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat und diese so schwerwiegend sind, dass aus ihnen auf eine Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit des betroffenen Arztes geschlossen werden kann (dazu unter I.). Neben der hohen Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Verurteilung kommen wird, setzt ein vorläufiges Berufsverbot als Eingriff in die verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufswahl, d.h. die Befugnis, den einmal gewählten Beruf auch weiterhin auszuüben, weiterhin die Feststellung voraus, dass diese Maßnahme schon vor der Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist (dazu unter II.). Beides ist dabei - auch - aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen. Das folgt aus § 6 Abs. 2 BÄO, wonach eine Ruhensanordnung aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Mithin muss die Behörde eine Ruhensanordnung ständig unter Kontrolle halten und im Falle eines nachträglichen Rechtswidrigwerdens unverzüglich von Amts wegen aufheben

vgl. dazu u.a. VGH Mannheim, Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366, und VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris.

I. Das Erfordernis einer hohen Wahrscheinlichkeit dafür, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten tatsächlich begangen hat, entspricht im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO im Ergebnis einhellig der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wobei allerdings die Wahrscheinlichkeitsprognose mit Blick auf die zu erwartende (rechtskräftige) strafrechtliche Verurteilung in ihrer begrifflichen Umschreibung nicht einheitlich ist.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen verlangt als Voraussetzung für die Ruhensanordnung „eine erhebliche Wahrscheinlichkeit“ der strafrechtlichen Verurteilung, die es offenkundig mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ gleichsetzt

so Beschluss vom 16.2.1987 - 13 B 7049/86 -, NJW 1988, 785, wo anfangs eine „erhebliche Wahrscheinlichkeit“ vorausgesetzt wird, aber dann später die Rede ist von „Straftaten, die sich hiernach mit hoher Wahrscheinlichkeit als von ihm (dem Arzt) begangen erweisen werden“.

In einer weiteren Entscheidung, der bereits eine amtsgerichtliche Verurteilung zugrunde lag, die aufgrund eingelegter, wegen eines von zwei Tatvorwürfen allerdings auf das Strafmaß beschränkter Berufung noch nicht rechtskräftig war, wird ebenfalls eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ der strafgerichtlichen Verurteilung vorausgesetzt. Mit Blick auf die noch nicht rechtskräftige Verurteilung heißt es dann: „Hinsichtlich der Annahme, dass eine strafgerichtliche Verurteilung auch in diesem Falle sehr wahrscheinlich ist, reicht bei summarischer Prüfung allein die Tatsache der - wenn auch noch nicht rechtskräftigen - Verurteilung durch ein Strafgericht aus, zumal es dem Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht gelungen ist, die Feststellungen des Amtsgerichts schlüssig zu entkräften“

OVG Münster, Beschluss vom 24.9.1993 - 5 B 1412/93 -, ArztR 1994, 149; in weiteren, ebenfalls in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidungen wird im Zusammenhang mit der Ruhensanordnung im Stadium vor einer Anklageerhebung auf ein „strafrechtlich relevantes und wahrscheinlich zu einer Verurteilung führendes Verhalten“ abgestellt - vgl. OVG Münster, Beschluss vom 12.2.1996 - 13 B 3134/95 -, Leitsatz dokumentiert bei Juris, bzw. darauf, dass „nach dem derzeitigen Erkenntnisstand“ jedenfalls eine Verurteilung des Antragstellers wegen der Zuwiderhandlungen gegen das Arzneimittelgesetz wahrscheinlich ist, wobei dies wenige Zeilen später dahingehend konkretisiert wird, dass der betreffende Arzt der „ihm im Ermittlungsverfahren vorgeworfenen strafbewehrten Handlungen dringend verdächtig ist“ - vgl. OVG Münster, Beschluss vom 21.5.1996 - 13 B 350/96 -, NJW 1997, 2470; in diesem Sinne auch OVG Münster, Beschluss vom 27.11.1992 - 5 B 2973/92 -, MedR 1993, 355, betreffend die Anordnung des Ruhens der tierärztlichen Approbation auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Bundestierärzteordnung - BTÄO -, der mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO wörtlich übereinstimmt; all dies bestätigend OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 - 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Niedersachsen hat im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens, das die Anordnung des Ruhens der Approbation einer Apothekerin gemäß § 8 Abs. 1 Bundesapothekerordnung - BApO - betraf,

diese Vorschrift entspricht ebenfalls wörtlich § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO

angenommen, dass diese Anordnung „nur dann rechtlich nicht zu beanstanden (sei), wenn eine Verurteilung des Apothekers wegen der ihm zur Last gelegten Straftaten hinreichend wahrscheinlich ist“. Es hat das Bestehen dieser Voraussetzung im Wesentlichen damit begründet, dass mit der Anklageerhebung die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht bejaht habe, da die Erhebung der Anklage nach § 170 Abs. 1 StPO voraussetze, dass der Beschuldigte der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig sei. Darüber hinaus habe auch die Große Strafkammer des Landgerichts einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, indem sie das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen habe, weil diese Entscheidung nach § 203 StPO gleichermaßen voraussetze, dass der Angeschuldigte nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens einer Straftat hinreichend verdächtig erscheine

vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 29.8.2002 - 8 LA 92/02 -, NVwZ-RR 2003, 349; ebenso - die Verurteilung des Arztes wegen der ihm zur Last gelegten Straftat muss „hinreichend wahrscheinlich“ sein - Beschluss vom 15.7.2003 - 8 ME 96/03 -, dokumentiert bei Juris.

Anders wäre der Fall nur dann - so das OVG Lüneburg -, wenn besondere Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass trotz der übereinstimmenden Annahme eines hinreichenden Tatverdachts durch die Große Strafkammer des Landgerichts und die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Apothekerin nicht zu erwarten sei. Im konkreten Fall waren derartige Anhaltspunkte nach Einschätzung des Gerichts weder ersichtlich noch von der Klägerin dargelegt.

Diesen Grundsatz der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung hat das OVG Lüneburg in einem späteren Beschluss, dem die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ruhens der ärztlichen Approbation zugrunde lag, bestätigt

Beschluss vom 16.3.2004 - 8 ME 164/03 -, NJW 2004, 1750; abweichend hiervon war das VG Hannover als Vorinstanz davon ausgegangen, dass bei Straftaten gegen das Leben, wie sie im gegebenen Fall in Rede standen, die „überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung ausreichend“ sei, vgl. Beschluss vom 25.9.2003 - 5 B 2942/03 -, NJW 2004, 311 (312); das VG Lüneburg wiederum hält in Übereinstimmung mit dem ihm übergeordneten OVG die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung für notwendig, um eine Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu rechtfertigen, vgl. Beschluss vom 19.6.2003 - 5 B 28/03 -, dokumentiert bei Juris; ähnlich wie das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 29.8.2002 hatte das VG Schleswig bereits mit Beschluss vom 22.12.1989 - 12 B 80/89 -, Leitsatz dokumentiert bei Juris, die Auffassung vertreten, dass die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Anordnung des Ruhens der Approbation nach Einleitung des Strafverfahrens durch Erhebung der Anklage nicht verlangt, dass vom Verwaltungsgericht (nochmals) geprüft wird, ob eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der strafgerichtlichen Verurteilung besteht.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg setzt für die Rechtmäßigkeit einer Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat, voraus. Diese hohe Wahrscheinlichkeit wird dann im Verlaufe der weiteren Erörterungen dahingehend konkretisiert, dass einem Arzt die Berufsausübung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO dann vorläufig untersagt werden kann, „wenn die Dringlichkeit des Tatverdachts seine Verurteilung wahrscheinlich macht“

Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366 -; im konkreten Fall war zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Hauptverhandlung in der Strafsache vor dem Landgericht ausgesetzt, weil die Einholung eines weiteren (zeitraubenden) Sachverständigengutachtens angeordnet worden war; das VG Stuttgart hat für die Ruhensanordnung nach Einleitung des Strafverfahrens „eine große Wahrscheinlichkeit für die strafgerichtliche Verurteilung des betroffenen Arztes“ gefordert, die gegeben sei, wenn „seine Täterschaft mit erheblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist“; im gegebenen Fall war der betreffende Arzt erstinstanzlich vom Amtsgericht wegen Körperverletzung in zwei Fällen in Tateinheit mit einem Fall der Beleidigung verurteilt worden, wobei das VG Stuttgart davon überzeugt war, dass dieses Urteil in der Berufungsinstanz „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ Bestand haben werde, vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 16.8.1999 - 4 K 2115/99 -, MedR 2000, 142 sowie Leitsatz, dokumentiert bei Juris.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Fall, in dem eine Anklage erhoben und vom Landgericht zugelassen worden war, angenommen, dass damit der „ernsthafte Verdacht“ bestanden habe, dass der angeschuldigte Tierarzt

wie bereits dargelegt, stimmt § 8 Abs. 1 Nr. 1 BTÄO wörtlich mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO überein,

die ihm darin vorgeworfenen Straftaten begangen hat. Davon ausgehend - so der VGH - könnten „nur offensichtliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Anklage den durch deren Erhebung bekräftigten Verdacht widerlegen“. Denn „zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des ernsthaften Verdachtes einer Straftat im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BTÄO genügt es - so der VGH weiter -, wenn sich aus den vorliegenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ernsthafte Verdachtsmomente ergeben, aus denen mit hoher Wahrscheinlichkeit folgt, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat und deshalb mit einer Bestrafung rechnen muss“. Folge aus den vom Kläger geltend gemachten Einwendungen keine solche offensichtliche Unrichtigkeit der erhobenen Anklage und werde demgemäß der in ihr festgehaltene Sachverhalt zugrunde gelegt, so ergebe sich daraus - so die wiederholende Feststellung des VGH - „mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit, dass gegen den Kläger der ernsthafte Verdacht der Begehung von Straftaten bestand und mit seiner Verurteilung deshalb gerechnet werden konnte“

VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris; zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war das Strafverfahren nach Zahlung von 8.000,- DM an eine gemeinnützige Einrichtung gemäß § 153 a Abs. 2 Satz 1 StPO bereits eingestellt -; ähnliche Grundsätze hatte der VGH München seinem - nicht veröffentlichten - Beschluss vom 18.7.1996 - 21 Cs 96.155 - zugrunde gelegt, wobei allerdings in dem dort zu beurteilenden Fall bereits eine - noch nicht rechtskräftige - erstinstanzliche strafgerichtliche Verurteilung erfolgt war.

Unter Berücksichtigung dieser in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angewandten Grundsätze hält der Senat insbesondere mit Blick auf den Eingriff in eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition für die im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO in Bezug auf eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers zu treffende Prognoseentscheidung eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit seiner Verurteilung, was den Kern beziehungsweise die Mehrzahl der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe anbelangt, für erforderlich. Dabei hat der Senat auf der Grundlage des bisherigen strafrechtlichen Ermittlungsergebnisses und des Vorbringens der Beteiligten eine eigenständige aktuelle Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers besteht

vgl. u.a. OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 - 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Er ist dabei allerdings nicht gehalten, selbst in die Erhebung der im Ermittlungs- und Strafverfahren aufgebotenen Beweise oder gar in eine Amtsermittlung einzutreten und gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Strafgericht parallelen Strafprozess durchzuführen. Deshalb ist der Bejahung oder Verneinung der Verurteilungswahrscheinlichkeit im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eine Unsicherheit im Verhältnis zu dem tatsächlichen Ausgang des Strafprozesses eigen

so begründet der VGH Mannheim in dem Beschluss vom 19.7.1991 - wie dargelegt - die „hohe Wahrscheinlichkeit“ dafür, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat, letztlich damit, dass „die Dringlichkeit des Tatverdachts seine Verurteilung wahrscheinlich macht“, also im Ergebnis nur mit der (bloßen) Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung; in ähnlicher Weise begründet der VGH München in dem Beschluss vom 14.12.1998 - wie dargelegt - die von ihm bejahte „genügend hohe Wahrscheinlichkeit“ einer Verurteilung im Ergebnis damit, dass sich aus den „staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ernsthafte Verdachtsmomente ergäben (was durch die Erhebung der Anklage belegt werde), dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat“.

1. Der Senat hält eine Verurteilung des Klägers wegen der Mehrzahl der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe für sehr wahrscheinlich.

Die Staatsanwaltschaft B-Stadt hat den Kläger am 7.7.2003 beim Landgericht - Schwurgericht - in B-Stadt angeklagt, in der Zeit vom 21.2.2000 bis zum 7.12.2000 in seiner Homburger Praxis durch 17 selbständige Handlungen in 13 Fällen einen Betrug und in vier Fällen einen Betrugsversuch gegenüber Patienten begangen zu haben und durch dieselben Handlungen in 17 Fällen dieselben Patienten vorsätzlich körperlich misshandelt und an der Gesundheit beschädigt zu haben, wobei er in einem Fall durch die Körperverletzung den Tod des Betreffenden verursacht habe (Verbrechen und Vergehen gemäß §§ 223, 227, 263 Abs. 1, 22, 23, 52 StGB). Mit Beschluss vom 28.8.2003 hat die 1. Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts B-Stadt die Anklage vom 7.7.2003 zur Hauptverhandlung zugelassen. Indem mit diesen Entscheidungen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Schwurgericht im Verständnis der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, nämlich der §§ 170 Abs. 1, 203 StPO, von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Verurteilung des Klägers ausgegangen sind, kommt diesem Umstand auch im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO erhebliches Gewicht zu

in diesem Sinne auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 29.8.2002 - 8 LA 92/02 -, NVwZ-RR 2003, 349, sowie VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris.

Der seitens der Anklagebehörde gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf lässt sich im Kern dahingehend zusammenfassen, dass er bei - vorwiegend griechischen - Patienten mit Krebserkrankungen im Endstadium wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Heilversuche vorgenommen hat, ohne die Patienten zuvor ausreichend über die Behandlung in Form eines Heilversuchs, über eventuelle Behandlungsrisiken und insbesondere über die angesichts des finalen Krankheitszustands realistischen Heilungschancen bzw. Behandlungsalternativen, etwa in Form palliativer Maßnahmen, aufgeklärt zu haben, und in dieser Situation von den Patienten Honorare in Höhe von insgesamt etwa 300.000,-- DM gefordert und erhalten hat. Wegen der Einzelheiten kann auf die 42 Seiten umfassende Anklageschrift Bezug genommen werden, in der das Ermittlungsergebnis detailliert dargelegt ist und die Beweismittel im Einzelnen angeführt sind

hervorzuheben sind hierbei die beiden Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 und 4.4.2002 (Bl. 450 ff. und Bl. 619 ff. der Strafakten).

Der Anklageschrift kommt auch unter Berücksichtigung der vom Kläger dagegen geltend gemachten Einwände nach wie vor ein erdrückender Beweiswert zu. In Anbetracht des bereits erwähnten Umstands, dass die Verwaltungsgerichte zu einer eigenständigen Überprüfung des Gewichts der strafrechtlichen Vorwürfe verpflichtet sind, ohne dass sie deshalb selbst in die Erhebung der in Ermittlungs- und Strafverfahren aufgebotenen Beweise eintreten müssen und gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Strafgericht parallelen Strafprozess durchzuführen haben, ist festzustellen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Klägers im Kernbereich der erhobenen Vorwürfe unverändert sehr hoch ist.

Bei ärztlichen Eingriffen ist eine tatbestandliche und rechtswidrige Körperverletzung (§ 223 StGB) immer dann gegeben, wenn infolge unzureichender ärztlicher Aufklärung über die vorgesehene Behandlung keine wirksame Einwilligung in sie vorliegt, wobei zusätzlich feststehen muss, dass bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die beabsichtigte Behandlung die Einwilligung unterblieben wäre (= Nicht-Vorliegen einer so genannten hypothetischen Einwilligung)

vgl. zu letzterem u.a. BGH, Beschluss vom 15.10.2003 - 1 StR 300/03 -, NStZ-RR 2004, 16 = JZ 2004, 799.

Neben dem Umstand, dass der Kläger bei allen in der Anklageschrift aufgeführten Patienten, die an soliden Tumoren in fortgeschrittenen Stadien, in der Regel mit Metastasierungen in andere Organe, litten, ein experimentelles, nicht etabliertes und die Patienten erheblich belastendes Verfahren der Tumorbehandlung, nämlich eine Tryptophanelimination mittels einer Blutwäsche, die er mit einer Hämoperfusion (Adsorption von Blutplasmabestandteilen an beschichtete Aktivkohlefilter) kombinierte, zur Anwendung gebracht hat

vgl. dazu im Einzelnen das Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001, Blatt 2 bis Blatt 12, sowie das weitere Gutachten vom 4.4.2002, Seiten 5, 7 bis 9,

wird ihm vor allem zum Vorwurf gemacht, dass er gegenüber diesen Patienten die Angabe unterlassen hat, dass es sich um ein rein experimentelles Verfahren handelt und weder Daten über den Erfolg noch ein theoretisches Modell über eine mögliche Wirksamkeit existieren. Darüber hinaus geht der Vorwurf dahin, dass er seinen Patienten (unrealistische) gute Heilungschancen beziehungsweise Heilungschancen von in der Regel 70 % versprochen haben soll

vgl. Anklageschrift, Seiten 2 bis 5.

Gegenüber diesen Vorwürfen wendet der Kläger zum einen ein, die Anforderungen an die ärztliche Aufklärung bei Patienten, die von der Schulmedizin als austherapiert und „hoffnungsloser Fall“ bereits aufgegeben worden seien, stellten sich gänzlich anders dar als in einer Aufklärungssituation, bei der es um die Wahl alternativer Behandlungsmethoden innerhalb der Schulmedizin gehe (dazu nachfolgend a.).

Zum anderen behauptet er, er habe keine Heilung, sondern den Patienten, die nach einem „letzten Strohhalm“ gegriffen hätten, lediglich Linderung versprochen, die in einer Vielzahl der Fälle, wenn auch nur kurzfristig, herbeigeführt worden sei (dazu nachfolgend b.).

a. Was den Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht auch und gerade gegenüber Krebspatienten, denen seitens der Schulmedizin keine realistische Heilungschancen mehr eingeräumt werden, anbelangt, ist dem Kläger mit aller Deutlichkeit entgegenzuhalten, dass jeder Patient beanspruchen kann, dass er über das Behandlungsverfahren, die Behandlungsrisiken und die Behandlungsaussichten umfassend informiert wird. Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten, dem stets die Entscheidung darüber zusteht, ob und in welchem Umfang er einem ärztlichen Heileingriff mit den damit verbundenen Chancen und Risiken für seinen Körper und seine Gesundheit zustimmen will, erfordert ausnahmslos eine vollständige Aufklärung über die Behandlungsmethode, die zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen, die damit jeweils verbundenen Belastungen und nicht zuletzt auch darüber, welche unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen mit verschiedenen in Betracht kommenden Behandlungen verbunden sind

vgl. zur ärztlichen Aufklärung insbesondere bei Behandlungsalternativen u.a. BGH, Urteile vom 7.4.1992 - VI ZR 224/91 -, NJW 1992, 2353, vom 24.11.1987 - VI ZR 65/87 -, NJW 1988, 765, und vom 22.9.1987 - VI ZR 238/86 -, NJW 1988, 767.

Auch ein sterbenskranker oder sterbender Mensch hat ein Selbstbestimmungsrecht und ist nicht „Freiwild“ für experimentierfreudige Mediziner.

Von seiner - jetzigen - eigenen Einlassung ausgehend, er habe den in der Anklageschrift genannten Patienten keine Heilung, sondern nur Linderung versprochen, hätte der Kläger in besonderem Maße die Pflicht gehabt, diese Patienten alternativ über die Möglichkeiten der Palliativmedizin zu informieren, zumal er selbst - soweit ersichtlich - in der Vergangenheit nicht als Experte auf dem Gebiet der Palliativmedizin in Erscheinung getreten ist.

Im Saarland gibt es insgesamt drei Krankenhäuser mit Palliativ-Stationen, nämlich die SHG-Kliniken in Merzig, das St. Michael Krankenhaus in Völklingen und die Saarbrücker Caritas-Klinik, vgl. dazu etwa Saarbrücker Zeitung, Ausgabe vom 11.11.2005 (Nr. 262), Seite C 1.

Gerade wenn der Kläger nach eigener Einschätzung allenfalls bedingt in der Lage war, den ihm überwiegend aus Griechenland vermittelten Patienten zu helfen, so hatte er in dem äußerst sensiblen Bereich, in dem er tätig war, nämlich bei der Behandlung so genannter austherapierter Krebspatienten, bereits vorvertraglich neben den geplanten Maßnahmen über das Leistungsziel, insbesondere über die Wirksamkeit der Therapie als solche und darüber hinaus über deren Chancen im Einzelnen aufzuklären. Ihm musste bewusst sein, dass ein schwer krebskranker Patient eine äußerst geringe Hemmschwelle in Bezug auf den Abschluss eines Arztvertrages hat, wenn ihm im Vorfeld ein für ihn günstiges Therapieziel vor Augen geführt wird. Bekanntermaßen nehmen viele Krebspatienten unter Verdrängung der Realität nur noch das auf, was für sie (angeblich) von Vorteil ist und Heilung, Besserung oder zumindest Erhaltung des momentanen Zustands verspricht. Deshalb ist der Arzt in einer so geprägten Situation gehalten, den Patienten klar und eindeutig über die wahre Situation und die realistischen Chancen einer ins Auge gefassten Therapie aufzuklären. Das gilt insbesondere dann, wenn mit dieser Therapie für den Patienten hohe Kosten verbunden sind, weil - wie durchweg hier - weder eine gesetzliche noch eine private Krankenversicherung eintrittspflichtig ist

vgl. zum Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht bei der Behandlung von Krebspatienten OLG Hamm, Urteil vom 14.3.2001 - 3 U 197/00 -, NJW 2002, 307 = VersR 2001, 895.

Jede im Rahmen des Patientengesprächs verschleiernd wirkende oder die realistisch erreichbare Situation verzerrende Maßnahme in Fallgestaltungen derart, wie sie dem Kläger in der Anklageschrift zum Vorwurf gemacht werden, begründet deshalb eine Aufklärungspflichtverletzung des behandelnden Arztes.

Der Kläger behauptet selbst nicht, er habe seine Patienten darüber informiert, dass es sich bei dem von ihm propagierten Verfahren der extrakorporalen Tryptophanverarmung um ein rein experimentelles Verfahren ohne ausreichende naturwissenschaftliche Belege handelt, für das bisher nur tierexperimentell gewonnene Erkenntnisse vorliegen, die nicht ohne Weiteres deckungsgleich auf den Menschen übertragen werden können, so dass bisher auch keinerlei Daten über den Erfolg einer solchen Behandlung bei an Krebs erkrankten Menschen vorliegen

vgl. zu dieser Bewertung des vom Kläger praktizierten Heilversuchs überzeugend (siehe S. 41/42 dieses Urteils) das bereits erwähnte Gutachten vom 12.6.2001, Blatt 12 (letztes Blatt).

Von all dem ausgehend kann nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger der ihm obliegenden ärztlichen Aufklärungspflicht nur unzureichend nachgekommen ist und damit eine wirksame Einwilligung in die Behandlung ausscheidet, ohne dass es für den strafrechtlichen Vorwurf der Körperverletzung darauf ankommt, ob er über die allgemeinen Behandlungsrisiken, insbesondere die Risiken der Katheteranlage, die sich je nach Krankheitszustand und allgemeiner Konstitution der Patienten unterschiedlich darstellten, umfassend und einzelfallbezogen aufgeklärt hat (letzterem kann allerdings für die Strafzumessung Bedeutung zukommen).

b. Nach dem bisherigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnis bestehen darüber hinaus dringende Gründe für die Annahme, dass der Kläger zumindest in der Mehrzahl, nämlich in 15 der zur Anklage gebrachten 17 Fälle, seinen Patienten sehr hohe und damit völlig unrealistische Heilungschancen zumindest in Aussicht gestellt und keineswegs als Behandlungsziel (lediglich) eine Linderung des Leidens mittels palliativ-medizinischer Maßnahmen vorgegeben hat.

Dazu ist vorab zu bemerken, dass nicht geleugnet werden kann, dass dem Nachweis des zu dem in Rede stehenden Fragenkomplex bisher vorliegenden Ermittlungsergebnisses in der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht durchaus Schwierigkeiten gegenüberstehen, die vor allem darauf beruhen, dass zwischenzeitlich alle vom Kläger behandelten, in der Anklage aufgeführten Patienten verstorben sind und im Ermittlungsverfahren nur eine der Betroffenen persönlich als Zeugin polizeilich vernommen worden ist, nämlich Frau H.K. (Ziffer 12 der Anklage), wohingegen im Übrigen - den Fall des Herrn F.B. (Ziffer 11 der Anklage) ausgenommen, zu dem immerhin Angehörige polizeilich gehört wurden - standardisierte Zeugenfragebogen versandt worden sind, die bis auf einen Fall - nur die Patientin M. (Ziffer 9 der Anklage) hat diesen Fragebogen persönlich ausgefüllt - von Angehörigen der früheren Patienten des Klägers ausgefüllt wurden, die allerdings - so ihre Angaben - als Begleitpersonen die relevanten Erklärungen des Klägers im Zusammenhang mit den Behandlungen unmittelbar haben zur Kenntnis nehmen können. Die die genannten Patientinnen K. und M. betreffenden schriftlichen Bekundungen (Vernehmungsprotokoll vom 4.12.2000 bzw. - ohne Datum - Zeugenfragebogen) können auch ohne Zustimmung der Strafverfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung verlesen werden (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO). Angehörige der verstorbenen Patienten, die bei den Gesprächen mit dem Kläger zugegen waren, werden, soweit es auf ihre Bekundungen aus Sicht des Schwurgerichts ankommt, bei fehlendem Einverständnis des Klägers und/oder seines Verteidigers (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO) voraussichtlich persönlich vor dem Strafgericht aussagen müssen, da die weite Entfernung vom Gerichtsort in der Regel nicht ausreicht, um den Ausnahmetatbestand der Unmöglichkeit der Vernehmung im Verständnis des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO zu begründen

vgl. dazu u.a. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 251 Rn. 26, 27.

Soweit der Kläger in Bezug auf die Zeugenfragebogen beanstandet, dass eine Ermahnung zur Wahrheitspflicht (§ 57 StPO) unterblieben sei, könnte dies strafprozessual von vornherein nur für die ohne seine Zustimmung mögliche Verlesung der schriftlichen Bekundungen der M. Bedeutung haben. Die hier nicht erfolgte Ermahnung zur Wahrheitspflicht ist jedoch verfahrensrechtlich ohne Bedeutung, da § 57 StPO nur eine im Interesse des Zeugen erlassene Ordnungsvorschrift beinhaltet, auf deren Verletzung eine Revision nicht gestützt werden kann

vgl. u.a. Meyer-Goßner, a.a.O., § 57 Rn. 6.

Im Übrigen unterliegt die Bewertung dieser schriftlichen Zeugenbekundungen der freien Beweiswürdigung des Strafgerichts (§ 261 StPO). Letzteres gilt gleichermaßen für den Inhalt des zu verlesenden Protokolls über die polizeiliche Vernehmung der Zeugin K. (die indes mit deren Einverständnis auf Video und Tonband aufgezeichnet worden ist, was im Vergleich zum bloßen Verlesen eine bessere Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage ermöglicht) und die schriftlichen Bekundungen der übrigen im Ermittlungsverfahren angehörten Zeugen, soweit diese aus gewichtigen Gründen in absehbarer Zeit nicht vor dem Strafgericht vernommen werden können (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO).

Ungeachtet der dem Schwurgericht im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 261 StPO) vorbehaltenen Bewertung der mittels Urkundenbeweises in die Verhandlung einzuführenden polizeilich protokollierten beziehungsweise schriftlich dokumentierten Zeugenbekundungen und etwaigen unmittelbaren Zeugenaussagen vor dem Strafgericht ist mit Blick auf die vom Senat (lediglich) zu treffende Prognoseentscheidung hier nur zu prüfen, ob die aufgrund des derzeitigen Ermittlungsergebnisses gegebene Beweislage mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Vorwurf bestätigen wird, dass der Kläger den von ihm behandelten Krebspatienten unrealistische Therapieergebnisse in Aussicht gestellt hat. Das ist eindeutig zu bejahen, wie die im Folgenden wiedergegebenen Zeugenbekundungen zeigen

die genauen Fundstellen der jeweiligen Dokumente in den Beiakten zu den Ermittlungs- und Strafakten sind in der Anklageschrift im Zusammenhang mit den jeweils angeklagten, von 1 bis 17 durchnummerierten Behandlungsfällen angegeben.

Die damals 67 Jahre alte Zeugin K. (Anklage Ziffer 12), der - so ihre Angaben gegenüber dem sie vernehmenden Polizeibeamten - von den sie behandelnden Ärzten der Caritas-Klinik B-Stadt mitgeteilt worden war, dass diese ihr keine Hoffnung auf Heilung mehr machen könnten, hat ausgesagt, der Kläger habe ihr gegenüber erklärt, dass mit seiner Behandlung der Tumor zum Stillstand kommen werde; er habe gesagt: „Das bekommen wir nochmal hin“. Hätte er ihr gesagt - so die Zeugin -, dass man über eine Heilungschance noch gar nichts sagen könne, weil das Verfahren noch nicht erprobt sei, hätte sie nicht in die Behandlung eingewilligt.

Die bereits erwähnte Patientin M. (Anklage Ziffer 9), die von ihrem Ehemann nach A-Stadt begleitet worden war, hat in dem von ihr persönlich ausgefüllten Fragebogen angegeben, der Kläger habe allgemein Erfolgsaussichten von 50 - 60 % versprochen; für sie persönlich habe er sehr gute Ergebnisse in Aussicht gestellt.

Gegenüber der in Düsseldorf wohnenden und deutsch sprechenden Schwägerin Dr. E. der Patientin A. (Anklage Ziffer 3) hat der Kläger im Beisein der Patientin angegeben, die Erfolgschancen seiner Behandlung lägen bei 60 – 70%, vor allem bei Darm-, Lungen- und Brustkrebs. Die Prognose für die genannte Patientin hat er als sehr gut bezeichnet, weil sie sich in gutem physiologischen Zustand befinde. Es seien 2 mal 20 Behandlungen vorgesehen gewesen.

Der Ehemann der Patientin T.

so die im Vergleich zur Anklageschrift abweichende Schreibweise im Zeugenfragebogen

(Anklage Ziffer 5), der seine Ehefrau nach eigenen Angaben während der gesamten Behandlung in der Praxis des Klägers begleitet hat, hat auf die Fragen, welchen Erfolg der Kläger vor der Behandlung in Aussicht gestellt habe und ob eine Heilung versprochen worden sei, geantwortet, der Kläger habe erklärt, die Therapie weise - so der aktuelle Stand - vollen Erfolg (100 %) bei Experimenten mit Tieren und 70 % bei der Anwendung an Menschen auf; auch sei ihnen gesagt worden, es bestünden bei seiner Frau 70 % Erfolgsaussichten.

Die Tochter P., die ihren Vater D. (Anklage Ziffer 7) nach A-Stadt begleitet hat, hat in dem von ihr ausgefüllten Zeugenfragebogen angegeben, der Kläger habe eine Verkleinerung bis ein Verschwinden des Tumors in Aussicht gestellt und insgesamt eine Heilung versprochen.

Im Beisein des L., der seine an Leberkrebs mit Metastasen am Dickdarm erkrankte Ehefrau (Anklage Ziffer 8) nach A-Stadt begleitet hat, hat der Kläger bei der ersten Begegnung sich als absolut sicher für eine gefahrlose und erfolgreiche Therapie gezeigt, und er hat „gute Resultate“ versprochen; er habe erklärt, die Perspektiven seien gut

so die Angaben im Zeugenfragebogen unter dem Datum vom 12.2.2001.

Der Ehemann der Patientin G. (Anklage Ziffer 10), der seine Ehefrau ebenfalls nach A-Stadt begleitet hatte, hat auf die Fragen im Zeugenfragebogen geantwortet, der Kläger habe erklärt, „dass wir sehr gute Ergebnisse haben werden“, und er habe ebenso wie bereits zuvor Dr. G. Heilung versprochen.

Im Weiteren hat der Bruder C. der damals 14-jährigen Patientin H. (Anklage Ziffer 17)

in der beglaubigten Übersetzung des Zeugenfragebogens wird der Name „C.“ aufgeführt,

der seine Schwester zusammen mit seiner Mutter nach A-Stadt begleitet hatte, bestätigt, dass sowohl der Kläger als auch Dr. G. gesagt hätten, die Therapie verspreche einen Erfolg von 70 %.

Sodann hat der am 15.2.2001 polizeilich vernommene Sohn M.B. des bereits erwähnten Patienten F.B. (Anklage Ziffer 11) bekundet, sein Vater habe ihm über die mit dem Kläger geführten Gespräche berichtet. Danach habe der Kläger seinem Vater - dieser war an Prostatakrebs erkrankt - erklärt, es könnten mit seiner Methode nicht alle Tumore behandelt werden, so etwa nicht Gehirntumore. Bei allen anderen Krebsarten - so der Kläger - gebe es hohe Erfolgsquoten; der Krebs sei zum Stillstand gekommen. Der Kläger habe seinem Vater auch gesagt, er werde im Rahmen einer „Studie unter der Ägide der Uni A-Stadt“ behandelt; das habe sein Vater „steif und fest behauptet“ und damit untermauert, dass das Gebäude ja in der Nähe der Universität liege.

Schließlich ist auf einen polizeilichen Vermerk

Beiakte 1 Bd A Nr. 9 Bl. 9.7 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte

vom 1.12.2000 hinzuweisen, in welchem festgehalten ist, dass der Z., geboren am 20.9.1972, bei dem Sachbearbeiter B. des LKA angerufen hat. Dabei hat er über einen sehr gut deutsch sprechenden Mittelsmann dem Beamten B. mitgeteilt, dass er seinen mittlerweile verstorbenen Vater Z. (Anklage Ziffer 6) nach A-Stadt zur Behandlung bei dem Kläger begleitet habe. Bei dem ersten Gespräch, das er mit dem Kläger auf Englisch geführt habe, habe dieser von einer 70 %igen Heilungschance gesprochen.

Andererseits kann nicht unerwähnt bleiben, dass nach den Bekundungen mehrerer Angehöriger, die die an Krebs erkrankten Patienten nach A-Stadt begleitet haben, der Kläger in deren Beisein sich nicht zu den Erfolgsaussichten der Therapie geäußert, sondern lediglich Dr. G. von hohen Erfolgsaussichten bzw. von gänzlicher Heilung gesprochen habe

das betrifft die Patienten bzw. Patientinnen D. (Anklage Ziffer 1), I. (Anklage Ziffer 4), S. (Anklage Ziffer 13), G. (Anklage Ziffer 14) und E. (Anklage Ziffer 15), vgl. dazu die entsprechenden Zeugenfragebogen.

Allerdings wird diesem Unterschied, wovon die Anklage offenkundig ausgeht, im Strafverfahren voraussichtlich keine ausschlaggebende rechtliche Bedeutung zukommen, da nach den Gegebenheiten alles dafür spricht, dass dem Kläger bekannt war, dass Dr. G. ihm die griechischen Patienten mit dem Versprechen großer Heilungschancen zugeführt hat. Demgemäß hat die Zeugin F. in dem von ihr unter dem 8.5.2001 unterschriebenen Zeugenfragebogen auf die in ihrem Beisein an den Kläger gerichtete Frage nach den Erfolgsaussichten der Behandlung ausgeführt:

„Seine Antwort auf eine diesbezügliche Frage von uns war: „Ich hoffe es.“ Aber Herr G., der für die Griechen eher zugänglicher war, hat von hohen Erfolgsaussichten gesprochen, die Herr A. nie in Frage stellte.“

Wenn dem Kläger aber bekannt war, dass den zu ihm in Behandlung gekommenen Patienten aus Griechenland zuvor seitens des nach übereinstimmenden Angaben zahlreicher befragter Patientenangehöriger häufig in der Praxis des Klägers anwesenden und durchweg als dessen „Mitarbeiter“ eingestuften Dr. G. große Heilungschancen in Bezug auf ihr weit fortgeschrittenes Krebsleiden versprochen bzw. in Aussicht gestellt worden waren, so wäre er vor Abschluss eines Arztvertrages verpflichtet gewesen, dies gegenüber den Patienten richtig zu stellen, sofern er diese Einschätzung nicht geteilt hätte.

Insgesamt ist deshalb in hohem Maße wahrscheinlich, dass dem Kläger im Strafverfahren nachgewiesen werden kann, dass er in zumindest 15 Fällen hohe Heilungschancen in Aussicht gestellt hat, sei es, dass er selbst entsprechende Erklärungen gegenüber den Patienten abgegeben, sei es, dass er sich gleichlautende Versprechungen des Dr. G. diesen gegenüber konkludent zu Eigen gemacht hat. Seine Behauptung, er habe lediglich eine Linderung des Leidens mittels palliativ-medizinischer Maßnahmen zugesichert, dürfte ihm nach den aufgezeigten Gegebenheiten im Strafverfahren eindeutig zu widerlegen sein. Denn abgesehen von dem bisher Dargelegten erscheint es in hohem Maße unwahrscheinlich, anzunehmen, dass überwiegend austherapierte Krebspatienten mit all den damit verbundenen Beschwernissen und Kosten sich zur Behandlung nach A-Stadt begeben, um dort eine palliativ-medizinische Behandlung zu erfahren, die sie mit Sicherheit in Griechenland ebenfalls hätten erhalten können.

Von diesem Sachverhalt ausgehend ist auch kein Raum für die Annahme, die Patienten hätten der sie körperlich sehr belastenden und finanziell kostspieligen Behandlung auch dann zugestimmt, wenn der Kläger sie insbesondere über den rein experimentellen Charakter des Heilversuchs aufgeklärt und ihnen dabei wahrheitsgemäß mitgeteilt hätte, dass über einen möglichen Therapieerfolg keine Angaben gemacht werden können, weil bisher noch keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über die Wirksamkeit dieser Methode zur Krebsbehandlung beim Menschen vorliegen. Jedenfalls besteht angesichts der aufgezeigten konkreten Umstände eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der rechtliche Gesichtspunkt einer „hypothetischen Einwilligung“ im Strafprozess nicht zugunsten des Klägers auswirken wird, und zwar auch unter Zugrundelegung der sehr strengen Kriterien, die der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang aufgestellt hat

vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 15.10.2003 - 1 StR 300/03 -, NStZ-RR 2004, 16 = JZ 2004, 799, sowie Urteil vom 25.9.1990 - 5 StR 342/90 -, dokumentiert bei Juris; siehe auch OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.9.2000 - 6 R 1/99 -, Seite 41 ff., zu einem Fall des Vorwurfs der vorsätzlichen Körperverletzung gegenüber einem beamteten Arzt, in dem der Einwand der „hypothetischen Einwilligung“ des geschädigten Patienten mit Blick auf die (näher dargelegten) konkreten Umstände von der Großen Strafkammer des Landgerichts zurückgewiesen worden war, was die Billigung des BGH gefunden hatte, der die Revision, mit der gerade dieser Punkt mittels Sachrüge angegriffen worden war, verworfen hat.

c) Die Annahme einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit strafgerichtlicher Verurteilung des Klägers wegen vorsätzlicher Körperverletzung wird nicht durchgreifend durch die Angriffe des Klägers gegen die von der Staatsanwaltschaft eingeholten Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 und 4.4.2002 in Frage gestellt. Es mag sein, dass sich im Zusammenhang mit der Auswahl der Gutachter durch die Staatsanwaltschaft die Frage der ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs stellen kann und dass die Gutachter sich teilweise zu Fragen geäußert haben, deren Beantwortung allein dem Strafrichter obliegt, etwa im Zusammenhang mit den Anforderungen und der Erfüllung der ärztlichen Aufklärungspflicht. Soweit die Gutachter sich dabei aufgrund der von ihnen festgestellten - vom Kläger übrigens zugestandenen - unzureichenden ärztlichen Dokumentation teilweise auf Unterstellungen und Mutmaßungen stützen, betrifft dies in erster Linie die Aufklärung über die spezifischen Behandlungsrisiken, vor allem Risiken der Katheteranlage, mit Blick auf die besondere Situation eines Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung. Ob dem Kläger insoweit ebenfalls eine unzureichende Aufklärung vorzuwerfen ist, ist unter Strafzumessungsgesichtspunkten möglicherweise im Strafverfahren zu klären; für die im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu treffende Prognoseentscheidung reicht es aus, dass der Kläger - wie ausgeführt - seine ärztliche Aufklärungspflicht in anderen rechtserheblichen Bereichen verletzt und schon deswegen sich einer das Selbstbestimmungsrecht des Patienten missachtenden vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Jedenfalls sind die gutachterlichen Ausführungen nicht insgesamt wertlos oder im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO unverwertbar. Möglicherweise bedarf es im Rahmen des Strafverfahrens einer erneuten (ergänzenden) Begutachtung. Das besagt aber nicht, dass dadurch wesentliche, die eigentliche Behandlung betreffende Feststellungen der beiden Gutachten durchgreifend in Frage gestellt werden können. Vielmehr sind deren Kernaussagen überzeugend

vgl. dazu, dass die Einholung eines weiteren, auch zeitraubenden Gutachtens im Strafverfahren der Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zumindest nicht ohne Weiteres entgegensteht, VGH Mannheim, Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366; von daher kommt dem von den Strafverteidigern des Klägers beim Schwurgericht eingereichten Schriftsatz vom 19.4.2004 im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der Ruhensanordnung letztlich keine durchschlagende Bedeutung zu.

Der Senat hat durchaus zur Kenntnis genommen, dass der Kläger zutiefst davon überzeugt ist, dass die von ihm für eine Krebsbehandlung propagierte Methode der „Extrakorporalen Tryptophanverarmung mittels Hämoperfusion“ medizinisch erfolgreich eingesetzt werden kann

vgl. dazu die vom Kläger verfasste und vorgelegte wissenschaftliche Abhandlung „Therapeutischer Plasmaaustausch und verwandte Plasmaseparationsverfahren“.

Dem stehen allerdings die Ausführungen im Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 entgegen, wonach (bisher) nicht bewiesen ist, dass eine mögliche Tryptophanelimination einen zytostatischen Effekt hat

so die zusammenfassende Beurteilung des Gutachtens, Blatt 12 (letztes Blatt).

Der Kläger, der diese gutachterliche Feststellung vehement angreift, hatte seitdem genügend Zeit, durch ein wissenschaftlich fundiertes „Gegengutachten“ die von ihm vertretene Position zu untermauern. Dass er von dieser Möglichkeit - aus welchen Gründen auch immer - keinen Gebrauch gemacht hat, geht im Rahmen der vom Senat im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu treffenden Prognoseentscheidung zu seinen Lasten.

Die im hier gegebenen Zusammenhang vom Kläger erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den Laboruntersuchungen des ärztlichen Qualitätslabors Dr. L. auseinandergesetzt, die belegen würden, dass die von ihm praktizierte Methode der Tryptophanverarmung zu einer Reduktion der Zellteilungsgeschwindigkeit führe, geht anlässlich der dargelegten Gutachtenlage ins Leere. Denn der bio-medizinisch geführte Nachweis einer Reduktion der Zellteilungsgeschwindigkeit erlaubt noch keine überzeugende Vorhersage in Bezug auf eine - in diesem Fall bahnbrechende - erfolgreiche Krebsbehandlung.

d) Auf der Grundlage des Sachverhalts, wie er sich nach den obigen Ausführungen derzeit darstellt, ist zugleich in hohem Maße wahrscheinlich, dass der gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf des Betrugs beziehungsweise des Betrugsversuchs im Strafverfahren zu seiner Verurteilung führen wird, wobei sein vorliegend erhobener Einwand, die Höhe des Schadens sei seitens der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß ermittelt worden, für die Strafzumessung von Bedeutung sein wird, jedoch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung ohne erkennbare Relevanz ist.

2. Ist nach alldem davon auszugehen, dass eine Verurteilung des Klägers, jedenfalls was die Mehrzahl und zugleich den Kern der gegen ihn erhobenen Vorwürfe anbelangt, in hohem Maße wahrscheinlich ist, so unterliegt es im Weiteren keinen Zweifeln, dass die ihm vorgeworfenen Straftaten vom Deliktscharakter, der Begehungsweise und den Tatfolgen her so schwerwiegend sind, dass aus ihnen, wie in den angefochtenen Bescheiden und im angefochtenen Urteil (Seiten 32 bis 34) zutreffend ausgeführt ist, auf seine Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs zu schließen ist. Ergänzende Ausführungen sind nicht veranlasst.

II. Das mit der Anordnung des Ruhens der Approbation einhergehende vorläufige Berufsverbot für den Kläger ist zum Schutz konkreter Gefahren für die Gesundheit und das damit eng verbundene Selbstbestimmungsrecht Erkrankter über das Ob und das Wie medizinischer Behandlung dringend geboten.

Dabei ist klar zu sehen, dass bereits mit der Anordnung des Ruhens der Approbation, wenngleich diese Maßnahme noch keine Entscheidung über einen Widerruf der Approbation beinhaltet, in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Betroffenen eingegriffen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind solche Eingriffe nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft

vgl. dazu grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2.3.1977 – 1 BvR 124/76 -, BVerfGE 44, 105 = NJW 1977, 892, betreffend ein vorläufiges Berufsverbot gegenüber einem Rechtsanwalt.

Nur überwiegende öffentliche Belange können es ausnahmsweise rechtfertigen, den Anspruch des Grundrechtsträgers auf endgültige Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.3.2004 – 1 BvR 540/04 -, NVwZ-RR 2004, 545, und vom 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618.

Ob ein vorläufiges Berufsverbot zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist, hängt entscheidend von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter ab. Je bedeutsamer die Rechtsgüter sind, die durch das vorläufige Berufsverbot geschützt werden sollen, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu stellen sind. Die hier betroffenen Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmungsrecht der Kranken genießen allerhöchsten Rang (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Der öffentliche Belang der Aufrechterhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit und potentieller Patienten in die fachliche Kompetenz, die Zuverlässigkeit und die persönliche Integrität der Ärzteschaft sowie die Funktionsfähigkeit der Gesundheitsversorgung haben ebenfalls besonderes Gewicht. Daher ist ein vorläufiges Berufsverbot zur Abwehr konkreter Gefahren für diese Rechtsgüter regelmäßig schon dann erforderlich, wenn in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Arzt bei der Ausübung seines Berufs Straftaten gegen das Leben und/oder die Gesundheit von Patienten begangen hat und die Gefahr einer Verletzung dieser Rechtsgüter bei einer Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit weiter besteht

so überzeugend u.a. OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 19.1.2005 – 8 ME 181/04 -, dokumentiert bei Juris, sowie vom 16.3.2004 – 8 ME 164/03 -, NJW 2004, 1750, wo allerdings für ausreichend erachtet wird, dass bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte von Straftaten gegen das Leben und die Gesundheit von Patienten (lediglich) „nicht auszuschließen ist, dass dies in Zukunft wieder geschieht“; in diesem Sinne wohl auch BGH, Urteil vom 13.10.2005 – 3 StR 385/04 -, NJW 2005, 3732, wo es heißt (Seite 3733), die Ruhensanordnung diene dazu, „in unklaren Situationen oder Eilfällen dem Arzt vorläufig den Beruf zu untersagen“; siehe auch BVerwG, Urteil vom 17.8.2005 – 6 C 15/04 -, dokumentiert bei Juris, wo im Zusammenhang mit dem Widerruf der Bestellung zum Wirtschaftsprüfer wegen nicht geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse ausgeführt wird, „eine Nichtgefährdung … sei (erst) dann anzunehmen, wenn die Interessengefährdung hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann“; siehe weiterhin BFH, Urteil vom 22.9.1992 – VII R 43/92 -, MDR 1993, 911, wonach die Bestellung eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten, der in Vermögensverfall geraten ist, dann nicht zu widerrufen ist, „wenn dadurch eine konkrete Gefährdung der Interessen der Auftraggeber nicht eingetreten ist“.

Der Senat sieht ebenso wie der Beklagte die konkrete Gefahr, dass der Kläger bei einer Aufhebung der Ruhensanordnung und der ihm dann ermöglichten uneingeschränkten Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit (auch) in Zukunft die gesundheitlichen Interessen ihm anvertrauter Patienten nicht in dem gebotenen Maße beachten wird. Das wird durch das Gewicht der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, wie sie in der Anklageschrift vom 7.7.2003 zusammengefasst sind, und die Art und Weise seines Vorgehens, wie es sich nach den aufgezeigten Gegebenheiten zum jetzigen Zeitpunkt darstellt, indiziert. Danach ist der Senat in hohem Maße davon überzeugt, dass der Kläger seine Verpflichtungen zur gebotenen ärztlichen Aufklärung über die Art der von ihm eingeleiteten Behandlungen und ihre realistischen Erfolgschancen bei zumindest 15 von der Schulmedizin aufgegebenen Krebspatienten gröblich verletzt hat. Eine das – wie die Berufsfreiheit des Klägers durch Art. 12 Abs. 1 GG – durch Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Bezug auf körperliche Eingriffe verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Patienten beachtende ärztliche Aufklärung hat, insbesondere was die experimentelle Art der Behandlung und die realistischen Heilungschancen der von ihm praktizierten Therapie anbelangt, nicht in dem gebotenen Umfang stattgefunden. Da der Kläger nach wie vor vom Erfolg seiner Krebstherapie überzeugt ist, wie vor allem seine Angriffe gegen die dies verneinenden Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg belegen, ist zu befürchten, dass er im Fall der Aufhebung der Ruhensanordnung seinen Therapieansatz, möglicherweise in veränderter Form, weiter verfolgen wird. Diese Gefahr besteht um so mehr, als er – unabhängig von seinem Bestreben, einer nach seiner Überzeugung bahnbrechenden Krebstherapie zu allgemeiner Anerkennung zu verhelfen – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf eine Verbesserung seiner Einnahmesituation angewiesen ist. Denn nach eigenen Angaben ist ihm bereits aufgrund des (kurzzeitigen) Sofortvollzugs der Ruhensanordnung sowie aufgrund der Tatsache, dass die früher bei ihm tätige Kollegin nunmehr in unmittelbarer Nähe zu seiner Praxis eine eigene nephrologische Praxis betreibt, erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden. Zudem will er seine Praxis in einigen Jahren – der Kläger ist jetzt 62 Jahre alt – verkaufen. Von daher muss er bestrebt sein, in diesem Zeitraum die zuletzt erlittenen finanziellen Einbußen in etwa auszugleichen und zugleich durch eine verbesserte Umsatzsituation das Interesse an einem Erwerb seiner Praxis zu wecken und den dabei erzielbaren Verkaufserlös zu optimieren. In dieser Situation und angesichts einer in seinem ursprünglichen Hauptbetätigungsfeld der Dialysebehandlung rückläufigen Entwicklung besteht die konkrete Gefahr, dass der Kläger der Versuchung nicht dauerhaft wird widerstehen können, seine unter Kapazitätsgesichtspunkten derzeit nach eigener Einschätzung nicht ausgelastete Dialysepraxis für weitere Behandlungen nach dem Prinzip eines therapeutischen Plasmaaustauschs bzw. verwandter Plasmaseparationsverfahren

vgl. dazu die – bereits erwähnte – von ihm vorgelegte wissenschaftliche Abhandlung,

einzusetzen. Denn auf diese Weise kann er seine auf Dialysebehandlungen ausgerichtete Praxis besser auslasten

von daher kann auch sein Einwand, er habe sich bei der Behandlung der Krebspatienten nicht in dem ihm vorgeworfenen Umfang bereichert, weil er im Wesentlichen nur die ihm entstandenen Praxiskosten weitergegeben habe, nicht überzeugen, denn eine bessere Auslastung der vorgehaltenen Apparaturen und des vorhandenen Personals hat zwangsläufig die Fix- und Betriebskosten seiner Praxis reduziert und war deshalb durchaus von erheblichem betriebswirtschaftlichen Nutzen.

Die konkrete Gefahr einer nicht ausreichenden Beachtung der gesundheitlichen Interessen von Patienten, insbesondere ihres Selbstbestimmungsrechts in Bezug auf die Einwilligung in belastende und wissenschaftlich nicht erprobte Behandlungsverfahren, wird nicht durch das vom Kläger seit der Aussetzung des Sofortvollzugs der Ruhensanordnung gemäß Senatsbeschluss vom 21.1.2004 gezeigte beanstandungsfreie Verhalten ausgeschlossen

vgl. dazu die Erklärung des Leitenden Medizinaldirektors Dr. S. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 22.9.2004; siehe auch Beschluss des Senats vom 25.8.2005 – 1 U 2/05 -.

Denn es muss gesehen werden, dass unter dem Druck des laufenden Strafverfahrens und des Beschlusses des Senats vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 – bzw. dem für den Kläger durchaus kritischen Beschluss vom 25.8.2005 – 1 U 2/05 – ein gewisses „Wohlverhalten“ des Klägers nahe lag, ohne dass daraus Rückschlüsse auf eine nachhaltige Einstellungs- und Verhaltensänderung des Klägers gezogen werden können, zumal der Kläger bei Nichtbeachtung der vom Senat in den Beschlüssen vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 – und 31.3.2005 – 1 U 1/05 – festgelegten Bedingungen Gefahr lief, dass die Ruhensanordnung umfassend sofort vollzogen wird.

Die hier bejahte konkrete Gefahr für den Kläger in Zukunft aufsuchende Patienten entfällt ferner nicht durch die vom Kläger abgegebene Erklärung, sich auch weiterhin an die vom Senat festgelegten Bedingungen zu halten. Diese Selbstverpflichtung ist rechtlich unverbindlich und vom Kläger ohne unmittelbar eintretende Sanktion jeder Zeit änderbar

vgl. dazu u.a. OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 – 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Ihre Einhaltung könnte außerdem behördlich nicht zuverlässig überwacht werden, da es eine Rechtsgrundlage für ständige Praxiskontrollen nicht gibt.

Eine Beschränkung der Ruhensanordnung auf bestimmte Behandlungsbereiche unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist angesichts der vom Gesetzgeber vorgegebenen Rechtslage nicht möglich. Denn bei der Approbation handelt es sich um eine unbeschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes, bei der weder ein Teilwiderruf noch die Anordnung eines teilweise Ruhens möglich ist

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16.9.1997 – 3 C 12/95 -, BVerwGE 105, 214 = NJW 1998, 2756; anders stellt sich die Situation insoweit im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes dar, vgl. dazu Beschluss des Senats vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 -, NJW 2004, 2033.

Zur Abmilderung der schwerwiegenden Folgen eines vorläufigen Berufsverbots in Form der Anordnung des Ruhens der Approbation verbleibt dem Kläger die Möglichkeit, auf der Grundlage des § 6 Abs. 4 BÄO die Weiterführung seiner Praxis durch einen anderen Arzt genehmigen zu lassen.

Da sich der Beklagte, wie insbesondere seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgegebenen Erklärungen zur Aufrechterhaltung des Bescheides vom 3.9.2002 belegen, bei seiner Entscheidung von den vorstehenden Erwägungen hat leiten und keinen unter Ermessensgesichtspunkten wesentlichen Aspekt außer Acht gelassen hat, ist die Ruhensanordnung - weiterhin - rechtmäßig.

Demnach muss die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückgewiesen werden.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Sonstige Literatur

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist ebenfalls bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden.

Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Prozessbevollmächtigten erfolgen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 50.000 Euro festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG n.F.).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn

1.
gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist,
2.
nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 weggefallen ist,
3.
Zweifel bestehen, ob die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 noch erfüllt ist und der Arzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
4.
sich ergibt, dass der Arzt nicht über die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die für die Ausübung der Berufstätigkeit in Deutschland erforderlich sind oder
5.
sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht.

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, daß die Praxis eines Arztes, dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger betreibt als Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie eine Dialysepraxis in A-Stadt.

Am 17.10.2000 erstattete die Ärztekammer des Saarlandes bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt Anzeige gegen ihn „wegen aller in Frage kommender Straftatbestände“. Dieser Anzeige beigefügt war ein Schreiben des Facharztes für Innere Medizin/Nephrologie A. G. vom 4.10.2000, der im Zeitraum vom 1.7.2000 bis zum 30.9.2000 in der Praxis des Klägers beschäftigt war. In diesem Schreiben führte G. aus, der Kläger habe Patienten mit bösartigen Tumoren einer Hämoperfusionsbehandlung unterzogen, was seines Wissens bei einer solchen Indikation weder eine zugelassene noch eine geeignete Behandlungsmethode darstelle. Diese Anzeige der Ärztekammer des Saarlandes nahm die Staatsanwaltschaft B-Stadt zum Anlass, gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes des Betruges (Abrechnungsbetrug zum Nachteil der Kassenärztlichen Vereinigung) und der Körperverletzung in mehreren Fällen, begangen durch die Anwendung einer nicht angezeigten Behandlungsmethode bzw. Behandlung ohne entsprechende ärztliche Aufklärung, einzuleiten (10 Js 1555/00 - Staatsanwaltschaft B-Stadt -).

Mit Bescheid vom 3.9.2002 ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger das Ruhen der diesem am 14.1.1976 erteilten ärztlichen Approbation an. Die auf die §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundesärzteordnung - BÄO - gestützte Anordnung wurde damit begründet, der Kläger habe 28 austherapierte Krebspatienten (Erkrankte mit bösartigen Tumoren in fortgeschrittenen Stadien ohne ernsthafte Heilungschancen) einer bisher an Menschen nicht erprobten und nicht zugelassenen Behandlung (einer sogenannten extrakorporalen Tryptophanverarmung mittels Hämoperfusion) unterzogen, ohne diese zuvor ausreichend, insbesondere über die zusätzlichen Risiken dieser Behandlung, aufgeklärt und diese hierdurch an ihrer Gesundheit geschädigt zu haben. Ihm sei weiter nachgewiesen, dass er bei seiner vertragsärztlichen Tätigkeit an drei alten Menschen mit physiologisch und krankheitsbedingt reduzierter Kritikfähigkeit nicht indizierte Dialysebehandlungen durchgeführt und diese dadurch an ihrer Gesundheit geschädigt habe. Nach Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft sei das Ermittlungsverfahren bereits so weit gereift, dass eine eigenständige approbationsrechtliche Prüfung möglich geworden sei. Die bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und die dabei zu Tage getretenen Fakten, die durch Dokumente und Gutachten gestützt würden, sowie die von der Approbationsbehörde gewonnenen eigenen Erkenntnisse hätten einen derartigen Beweisgehalt, dass es nicht mehr vertretbar erscheine, eine approbationsrechtliche Entscheidung bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens durch die Anklageerhebung oder gar bis zu einer Verurteilung zurückzustellen. Wegen des dem Kläger nachgewiesenen schwerwiegenden Fehlverhaltens fehle diesem die für eine korrekte und integere Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Zuverlässigkeit, was die Anordnung des Ruhens der dem Kläger erteilten ärztlichen Approbation rechtfertige. Insoweit bestehe ein überragendes und unabweisbares Interesse der Allgemeinheit daran, die weitere Ausübung des ärztlichen Berufes durch den Kläger bis zum Abschluss des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens zu unterbinden, um danach weitere, unter Umständen auch weitergehende Entscheidungen zu treffen.

Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers vom 12.9.2002 wurde durch Bescheid des damaligen Ministeriums für Frauen, Arbeit, Gesundheit vom 18.11.2002, dem Kläger zugestellt am 22.11.2002, zurückgewiesen. Zur Begründung dieses Bescheides ist im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage der Anordnung des Ruhens der ärztlichen Approbation sei § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO. Danach könne das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit ergeben könne, ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Im Gegensatz zur Rücknahme und zum Widerruf der Approbation beeinträchtige eine solche Ruhensanordnung den Rechtsstatus des approbierten Arztes nicht. Er bleibe vielmehr Arzt und es sei ihm lediglich auf unbestimmte Zeit verboten, von seiner Approbation Gebrauch zu machen. Die Ruhensanordnung sei deshalb eine vorübergehende, nicht zwingende Maßnahme, die stets im Ermessen der zuständigen Behörde liege. Auch bei einer Ruhensanordnung müsse jedoch nach Einleitung des Strafverfahrens eine große Wahrscheinlichkeit für die strafgerichtliche Verurteilung des betroffenen Arztes sprechen. Jedenfalls schieden Fälle, in denen eine strafgerichtliche Verurteilung wenig wahrscheinlich erscheine oder die nicht gewichtig genug seien, um die Annahme einer ärztlichen Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zu begründen, für eine Ruhensanordnung aus. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen seien im Falle des Klägers erfüllt. Die Staatsanwaltschaft habe die ärztlichen Patientenunterlagen des Klägers über 28 bekannt gewordene Fälle von Krebsbehandlung mit Blutreinigungsverfahren beschlagnahmt und zwei ärztliche Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg eingeholt. Die Gutachter hätten im ersten Gutachten vom 12.6.2001 Fragen der Staatsanwaltschaft, unter anderem zur Wirksamkeit der angewandten Krebstherapie, beantwortet. Im zweiten Gutachten vom 4.4.2002 hätten sie eine summarische Beurteilung der Krebstherapie bei allen 28 Patienten sowie Einzelgutachten bei 7 Patienten abgegeben. Nach Auswertung dieser Gutachten sowie der von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Patientenunterlagen stehe zur Überzeugung der Widerspruchsbehörde fest, dass sich der Kläger gravierende Verstöße gegen ärztliche Berufspflichten vorhalten lassen müsse. Letztlich handele es sich um Behandlungsfehler, die in einer Vielzahl von Fällen mit gravierenden Verstößen gegen die ärztliche Aufklärungspflicht einhergingen. Dem Kläger sei vorzuwerfen, dass er in einer Mehrzahl der Fälle gegen die ärztliche Integrität, z.B. unter Ausnutzung persönlicher/beruflicher Kontakte, schwer kranke griechische Patienten durch die von ihm zu verantwortende unterbliebene bzw. unvollständige Aufklärung dazu veranlasst habe, sich einer beschwerlichen Anreise zu ihm in der Hoffnung auf Hilfe durch eine von ihm propagierte „Heilmethode“ der Tryptophanverarmung bei Krebserkrankungen zu unterziehen. Konkret habe er 28 an Krebs erkrankte, vorwiegend griechische Patientinnen/Patienten einem hohen Schädigungsrisiko an Gesundheit und Leben ausgesetzt bzw. dadurch geschädigt, dass er deren Behandlung unter grober Verletzung ärztlich-onkologischer Prinzipien durchgeführt habe. Bei einzelnen Patienten habe sein Fehlverhalten auch zu tatsächlichen Schädigungen an Gesundheit und Leben geführt. Der Kläger habe an diesen Patienten Heilversuche unternommen, ohne die Patienten hierüber aufgeklärt zu haben. Bei diesen Heilversuchen an den krebskranken Patienten habe der Kläger ein Therapieverfahren (Tryptophanverarmung durch Hämoperfusion mittels Aktivkohlefilter) angewandt, für das bisher keinerlei wissenschaftlicher Therapieansatz erkennbar sei. Ausweislich der zur Verfügung stehenden Literatur, insbesondere der vorgelegten Gutachten, könne diese durch den Kläger praktizierte Methode der Tryptophan-verarmung mit Aktivkohlefilterpatronen nicht als Heilversuch (Versuch einer Krebstherapie) mit einem tierexperimentellen wissenschaftlichen Therapieansatz angesehen werden. Ein solcher wissenschaftlicher Therapieansatz existiere allenfalls auf Grund von letztlich abgebrochenen Forschungen in den USA in den achtziger Jahren bei der sogenannten Tryptophanverarmung mittels Einsatz von TSO-Enzymen. Dabei handele es sich jedoch um ein Verfahren, das sich vom Verfahren des Klägers aufgrund dessen Einsatzes von Aktivkohlefilterpatronen wesentlich unterscheide. Bisherige Therapiestudien mit Patienten zur Krebsbehandlung mittels Dialyse und Tryptophanverarmung durch Aktivkohlefilterpatronen seien vom Kläger selbst nicht behauptet worden. Bei den vorgenommenen Heilversuchen handele es sich insbesondere aufgrund der Kombination mit einer Dialyse um derart schwerwiegende Eingriffe in das Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Integrität der Patienten, dass schon allein die unterlassene oder grob ungenügende Patientenaufklärung den Vorwurf gravierender Verstöße gegen ärztliche Berufspflichten nach sich ziehen müsse. Die unterlassene oder ungenügende Aufklärung der Patienten wiege im vorliegenden Fall umso schwerer, als die Patienten nicht darüber informiert worden seien, dass sie die ersten Menschen seien, an denen diese Therapie zur Krebsbehandlung angewandt werde. Der behandelnde Arzt sei aber gehalten, den Patienten klar und deutlich über die wahre Situation und die realistische Chance einer Krebstherapie aufzuklären. Gerade in diesem äußerst sensiblen Bereich, in dem der Kläger tätig geworden sei, nämlich der Behandlung austherapierter Krebspatienten, sei eine umfangreiche Patientenaufklärung über die angewandte Therapie, deren Wirksamkeit und insbesondere deren Chancen im Einzelnen zwingend erforderlich. Dieser Aufklärungspflicht sei der Kläger nach Überzeugung der Widerspruchsbehörde nicht nachgekommen. Auch habe der Kläger in mindestens drei Fällen Patienten dadurch an der Gesundheit geschädigt, dass er diese ärztlich nicht indizierten Dialysebehandlungen, die als Scheinbehandlungen ohne therapeutische Effekte zu qualifizieren seien, unterzogen habe.

Weiter als der Beklagte in dem angefochtenen Ausgangsbescheid ging die Widerspruchsbehörde ferner davon aus, dass sich der Kläger durch sein Verhalten nicht nur als unzuverlässig, sondern auch als unwürdig zur Ausübung des Arztberufes erwiesen habe. Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes sei dann anzunehmen, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das zur Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen besitze. Das Verhalten, das der Kläger gezeigt habe, sei geeignet, dem Ansehen und der Vertrauenswürdigkeit des Arztes in der Öffentlichkeit schweren Schaden zuzufügen, wobei es für die Annahme der beruflichen Unzuverlässigkeit ohne Belang sei, ob die Öffentlichkeit tatsächlich von dem Fehlverhalten des Klägers Kenntnis erlangt und daher das Vertrauen in ihn tatsächlich verloren habe.

Seien demnach die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO erfüllt, so habe der Beklagte weiter die Ruhensanordnung auch ermessensfehlerfrei verfügt. Diese sei sachlich begründet, geeignet, erforderlich und insbesondere verhältnismäßig, da ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran bestehe, die weitere Ausübung des ärztlichen Berufes durch den Kläger vorübergehend zu unterbinden, bis das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren abgeschlossen sei.

Gegen die vorgenannten Verwaltungsentscheidungen hat der Kläger am 20.12.2002 Klage erhoben.

Unter dem 7.7.2003 hat die Staatsanwaltschaft B-Stadt gegen den Kläger wegen des hinreichenden Tatverdachts von Betrug in 17 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb, und tateinheitlich begangener Körperverletzung in 17 Fällen, dabei in einem Falle mit Todesfolge, Anklage erhoben (Aktenzeichen 10 Js 1555/00).

Daraufhin ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 22.7.2003 die sofortige Vollziehung der Anordnung des Ruhens der Approbation gemäß seinem Ausgangsbescheid vom 3.9.2002 nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Der dagegen gerichtete Eilrechtsschutzantrag des Klägers wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7.8.2003 - 1 F 25/03 - zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Klägers hin hat der Senat nach parteiöffentlicher Erörterung der Streitsache am 12.1.2004 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom 21.1.2004 - 1 W 29/03 -

veröffentlicht in NJW 2004, 2033,

abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 3.9.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 ab Zugang dieser Entscheidung unter verschiedenen Bedingungen wiederhergestellt.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 23.12.2002, 16.4.2003 und 3.7.2003 im Wesentlichen unter Wiederholung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren eine unzulängliche oder gar unterbliebene Aufklärung der Patienten über die angewandten Behandlungsmethoden und übertriebene Angaben zu deren Erfolgschancen bestritten. Er hat die Ansicht vertreten, bei diesen Behandlungen habe es sich um zulässige Heilversuche gehandelt. Auch habe er einzig und allein zum Wohle dieser Patienten gehandelt, indem er gerade durch die von ihm gewählte Heilmethode versucht habe, die bestehenden toxischen Situationen nach den vorangegangenen Chemotherapien positiv zu beeinflussen und den Patienten damit eine Hospizhilfestellung zu geben, um ihnen die verbleibende Lebenszeit so angenehm wie möglich zu gestalten.

Nach Wechsel seines Prozessbevollmächtigten hat der Kläger seine Klagebegründung mit weiteren Schriftsätzen vom 15.4.2004, vom 2.6.2004, vom 7.7.2004, vom 14.7.2004, vom 26.7.2004, vom 5.8.2004, vom 18.8.2004, vom 19.8.2004, vom 26.8.2004 und vom 15.9.2004 vertieft. Er hat nunmehr behauptet, von politischer Seite sei Druck auf die Staatsanwaltschaft ausgeübt worden, so dass es dieser nicht möglich gewesen sei, sorgfältig weiter zu ermitteln. Er hat - zusammenfassend und wiederholend - die Ansicht vertreten, dass die von ihm durchgeführte Hämopherese durch Tryptophanverarmung den Regeln der ärztlichen Kunst entspreche und es sich dabei um eine Behandlung handele, die medizinisch durchaus sinnvoll und in den vorliegenden Fällen auch geboten gewesen sei. Dies könne durch ein neutrales Sachverständigengutachten bestätigt werden, wobei darauf zu achten sei, dass der zu beauftragende Sachverständige „in keinster Weise mit der pharmazeutischen Industrie dieses Landes in irgendwie gearteten vertraglichen Beziehungen“ stehe. Hinsichtlich der Verletzung der Aufklärungspflicht sei im Übrigen die Beklagtenseite in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet.

Einer Verwertung der Erkenntnisse aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, insbesondere der dort eingeholten Sachverständigengutachten, hat der Kläger „nachhaltig“ widersprochen.

Mit Schriftsatz vom 14.7.2004 hat er die Stellungnahme seiner Strafverteidiger vom 19.4.2004 in dem anhängigen Strafverfahren (77 Seiten) vorgelegt und sich diese ausdrücklich in dem vorliegenden Verfahren zu eigen gemacht.

Unter dem 22.7.2004 hat der Kläger die Aussetzung des Verfahrens beantragt und dies damit begründet, dass ihm derzeit die von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Patientenakten aus dem Jahre 2000 nicht zur Verfügung stünden, weshalb eine „gehörige“ Rechtsvertretung nicht möglich sei.

Der Kläger hat ferner gerügt, dass sämtliche im hektografischen Verfahren angeschriebenen Zeugen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren nicht in ordnungsgemäßer Form als Zeugen vernommen worden seien. Insoweit habe insbesondere eine Belehrung in Bezug auf die Wahrheitspflicht gefehlt. Eine Verwertung im Wege des Urkundsbeweises sei deshalb unzulässig.

Der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 3.9.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Ministeriums für Frauen, Arbeit, Gesundheit vom 18.11.2002 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter weiterer Vertiefung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren hat er die angefochtenen Bescheide verteidigt. Er hat die vom Kläger bei den Krebspatienten angewandte Behandlungsmethode als unzulässiges Humanexperiment bewertet. Zu der vom Kläger erstmals im Klageverfahren behaupteten Hospizhilfestellung hat er darauf hingewiesen, genau diese palliativ-medizinische Therapie habe dieser bislang bestritten. Im Übrigen stelle sich dann die Frage, warum es notwendig gewesen sein sollte, für eine palliativ-medizinische Therapie, die ohne Probleme auch in Griechenland hätte durchgeführt werden können, die Patienten nach Deutschland zu holen und für deren Behandlung Beträge von über 20.000 DM in Rechnung zu stellen. Durch die Anklageerhebung vom 7.7.2003 werde das behördliche Untersuchungsergebnis nicht nur vollumfänglich bestätigt, sondern gewinne das Verhalten des Klägers nicht zuletzt auch hinsichtlich des durch die Staatsanwaltschaft nunmehr mit Zeugenbeweisen belegten, nicht zu rechtfertigenden Versprechens irrealer Heilungschancen gegen Geldleistung gegenüber den vorwiegend griechischen Patienten, was die Missachtung grundlegender ärztlicher Berufspflichten angehe, eine zusätzliche Schwere. Diese besonderen, nunmehr durch die Staatsanwaltschaft ermittelten Umstände seien ihm - dem Beklagten - bis jetzt so nicht bekannt gewesen. Im Übrigen sei das Vorbringen des Klägers zu einer umfassenden Aufklärung der von ihm behandelten Patienten in hohem Maße widersprüchlich. Noch im Schriftsatz vom 16.4.2003 habe er behauptet, dass nicht allein auf die Aktenlage verwiesen werden könne, da die Aufklärung der griechischen Patienten mündlich erfolgt sei. Wenn nunmehr behauptet werde, dass er alle Daten zur Durchführung des Heilversuches erfasst und dokumentiert habe, sei dies völlig unzutreffend. Eine Einsichtnahme in die ärztlichen Dokumentationen des Klägers habe ergeben, dass diese grob unvollständig sowie sehr nachlässig angelegt und geführt worden seien. Auch sei der Kläger für seine nunmehr aufgestellte Behauptung, alle griechischen Patienten seien bereits in ihrem Heimatland aufgeklärt worden, jeden glaubwürdigen Beleg durch entsprechende Dokumente und Nachweise schuldig geblieben.

Mit Schriftsatz vom 24.5.2004 hat der Beklagte eine amtliche Übersetzung einer Vorladung des Klägers vor die Erste Strafkammer des Landgerichts in Athen vorgelegt. Aus dieser Vorladung, die zugleich den Inhalt der Anklageschrift der griechischen Strafverfolgungsbehörden wiedergibt, ist zu entnehmen, dass der Kläger von der griechischen Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen angeklagt worden ist. Die Beschuldigungen beziehen sich teilweise auf Tathandlungen gegenüber griechischen Patienten, deren Behandlung durch den Kläger auch Gegenstand der Ruhensanordnung des Beklagten und der Anklage der Staatsanwaltschaft B-Stadt ist (Ziffern 6, 7, 8, 13, 15 und 17 der Anklageschrift). Hauptverhandlungstermin vor dem Landgericht Athen war auf den 24.5.2004 bestimmt (vgl. hierzu Blatt 510 bis 517 der Gerichtsakte).

Mit Beschluss vom 28.8.2003 hat die 1. Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts B-Stadt (Aktenzeichen 1 - 32/2002 SchwG, richtig muss das Aktenzeichen wohl „1 - 32/2003 SchwG“ lauten, siehe dazu die vom Senat beigezogenen Strafakten) die Anklage der Staatsanwaltschaft B-Stadt vom 7.7.2003 zur Hauptverhandlung zugelassen.

Durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22.9.2004 ergangenes Urteil - 1 K 160/02 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO gestützten Verwaltungsentscheidungen seien rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anordnung des Ruhens der Approbation, nämlich das Vorliegen der Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes wegen des Verdachts einer Straftat, seien erfüllt. Zu Recht sei der Beklagte zu dem Ergebnis gelangt, Art, Schwere und Anzahl der dem Kläger durch die Staatsanwaltschaft angelasteten Straftaten gäben Anlass für die Befürchtung, dieser werde als Arzt in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Neben der dadurch gegebenen Unzuverlässigkeit sei auch die Annahme gerechtfertigt, das dem Kläger vorgeworfene strafrechtlich relevante Verhalten könne das Ansehen und Vertrauen beseitigen, das für die Ausübung des ärztlichen Berufes unabdingbar nötig sei (Tatbestand der Unwürdigkeit). Dabei habe der Beklagte zutreffend erkannt, dass das Tatbestandsmerkmal der Unwürdigkeit kein prognostisches Element bezüglich des zukünftigen Verhaltens beinhalte. Zur Vermeidung von Wiederholungen hat das Verwaltungsgericht auf die „sorgfältig begründeten“ Verwaltungsentscheidungen sowie die eigenen Ausführungen im Beschluss vom 7.8.2003 - 1 F 25/03 - verwiesen. Ergänzend hierzu hat es mit Blick auf das weitere umfängliche Vorbringen des Klägers zur Begründung seiner Klage bemerkt:

Angesichts des mit der Anordnung des Ruhens der ärztlichen Approbation (wenn auch - nach der gesetzlichen Regelung - nur vorübergehend) verbundenen Eingriffs in die Berufsausübung und der damit einhergehenden Einschränkung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG müsse die Straftat, derer der Arzt verdächtigt werde, vom Deliktscharakter, von der Begehensweise oder von den Tatfolgen her gravierend sein. Ferner müsse der Verdacht sich bereits so konkretisiert haben, dass eine strafgerichtliche Verurteilung des Arztes wahrscheinlich sei. Zum Grad der Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung mache sich die Kammer die Prüfungsmaßstäbe des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu eigen

Beschluss vom 18.7.1996 - 21 Cs 96.155 - und Beschluss vom 14.12.1998 - 12 B 12.985 - (richtig wohl 21 B 92.985), dokumentiert bei Juris,

wonach die Befugnis zur Anordnung des Ruhens der Approbation zwar erst bei einer hohen Wahrscheinlichkeit einsetze, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen habe, wobei indes bei Vorliegen einer staatsanwaltschaftlichen Anklage - wie hier - nur offensichtliche Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Anklage den bestehenden Verdacht entkräften könnten. Die Ruhensanordnung bezwecke, dass bereits bei einem genügend großen Verdacht, der zur Einleitung des Strafverfahrens geführt habe, von der Behörde vorübergehend eingegriffen werden könne, ohne die Berechtigung des Verdachts im Einzelnen unter Vorwegnahme des Strafverfahrens selbst klären zu müssen. Von diesen Grundsätzen ausgehend sei es dem Kläger nicht gelungen, Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unrichtigkeit der Anklageschrift darzulegen. Der Anklageschrift komme trotz des ausführlichen Vorbringens des Klägers zu seiner Entlastung, das in sich höchst widersprüchlich sei, nach wie vor ein erdrückender Beweiswert zu mit der Folge einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit seiner Verurteilung. Seitens der Staatsanwaltschaft werde dem Kläger angelastet, dass er seine Patienten gänzlich unzureichend aufgeklärt und ihnen bei Berücksichtigung ihres jeweiligen Krankheitsstadiums völlig unrealistische Heilungschancen versprochen habe. Für die Richtigkeit ihrer Vorwürfe habe die Staatsanwaltschaft zahlreiche Zeugen, Urkunden, Sachverständigengutachten und die Einvernahme von Sachverständigen aufgeboten und in ihrem „wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen“ überzeugend dargelegt, weshalb der Kläger aufgrund der angeführten Beweismittel im Sinne der Anklage überführt werden könne. Ob und in welchem Umfang die schriftlichen Bekundungen der per Fragebogen angeschriebenen griechischen Zeugen im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden könnten, sei im Strafverfahren zu entscheiden. Letzteres gelte gleichermaßen für die vom Kläger verneinte Verwertbarkeit der im Ermittlungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten, deren Beweiswert der Kläger zudem nicht in einer Weise erschüttert habe, dass von deren offensichtlicher Unrichtigkeit ausgegangen werden könne. Ebenso wenig wie das Gericht gehalten sei, selbst in die Erhebung der im Ermittlungs- und Strafverfahren angebotenen Beweise einzutreten und damit gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Schwurgericht „zweiten Strafprozess“ zu führen, sei die vom Kläger beantragte Aussetzung des Verwaltungsverfahrens veranlasst gewesen. Werde die vom Beklagten ausgesprochene Ruhensanordnung auch bezogen auf den jetzigen Zeitpunkt von der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft und dem jetzigen Stand des Strafverfahrens getragen, so sei sie im Weiteren unter dem Gesichtspunkt des dem Beklagten eingeräumten Ermessens ebenso wenig zu beanstanden. Besondere Gründe, im Fall des Klägers ausnahmsweise von einer Ruhensanordnung abzusehen, seien aufgrund seines schwerwiegenden Fehlverhaltens, insbesondere auch unter Berücksichtigung der ihm angelasteten Betrugstatbestände, nicht ersichtlich.

Gegen das ihm am 3.11.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8.11.2004 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und diesen am 23.12.2004 begründet. Mit Beschluss vom 31.3.2005 - 1 Q 75/04 - hat der Senat diesem Antrag gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mit dem Hinweis entsprochen, dass (u.a.) mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO „Einleitung eines Strafverfahrens wegen Verdachts einer Straftat“ die Frage zu klären sein werde, ab wann von einer Verdichtung der Verdachtsmomente ausgegangen werden könne, die eine rechtskräftige Bestrafung - sehr - wahrscheinlich macht. Mit Beschluss vom gleichen Tag - 1 U 1/05 - hat der Senat die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage unter den im Beschluss vom 21.1.2004 - 1 W 29/03 - festgelegten Bedingungen angeordnet.

Ein Antrag des Beklagten, die Wirksamkeit des Sofortvollzugs wegen Verstoßes gegen die Aussetzungsbedingungen festzustellen, wurde mit Beschluss des Senats vom 25.8.2005 - 1 U 2/05 - zurückgewiesen.

Mit Schriftsätzen vom 4.4. und 15.4.2005 hat der Kläger seine Berufung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Nach dem bisher vorgegebenen Sachverhalt sei ohne weitere erhebliche Aufklärung, insbesondere ohne eine erneute detaillierte medizinische Begutachtung, seine strafgerichtliche Verurteilung nicht sehr wahrscheinlich. Das Verwaltungsgericht habe seine Prüfung damit beendet, dass es die erhobene Anklage rechtfertige und die hinreichende „Verurteilungsfähigkeit“ aus der Anklageschrift heraus bewerte, während es keine eigenen Feststellungen über konkrete zukünftige Gefährdungstatbestände vornehme. Das Bundesverfassungsgericht verlange jedoch bei berufsbezogenen Maßnahmen der in Rede stehenden Art, so zuletzt noch in seiner Entscheidung vom 24.10.2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618 -,

dass im Rahmen einer vorläufigen Maßnahme, und um eine solche handele es sich bei der Ruhensanordnung, eine doppelte Prüfung stattzufinden habe. Die Verhängung eines vorläufigen Berufsverbots, wie es mit der Anordnung des Ruhens der Approbation verbunden sei, setze neben den Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO gemäß Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip weiter voraus, dass sie schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich sei. Mit Begriffen wie „konkrete Gefahren“ und „unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des Allgemeinwohls“ habe sich das Verwaltungsgericht jedoch nicht auseinandergesetzt. Allein die Bewertung der Anklageschrift und der damit einhergehende Vorwurf eines hohen Gefährdungspotentials reichten nicht aus, um ein vorläufiges Berufsverbot auszusprechen, wie es mit der Anordnung des Ruhens der Approbation zwangsläufig verbunden sei. In diesem Zusammenhang habe das Verwaltungsgericht völlig unberücksichtigt gelassen, dass bei ihm - dem Kläger -, dem bereits aufgrund des Sofortvollzugs der Ruhensanordnung ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, ein irreparabler Schaden eintreten werde, wenn er nicht mehr weiter praktizieren könne.

Das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht nicht damit auseinandergesetzt, dass erhebliche Zweifel an der Berechtigung der Anklage ganz konkret aufgezeigt worden seien. Das betreffe zunächst den Problemkreis des Umfangs der ärztlichen Aufklärungspflicht bei austherapierten Krebspatienten. Dabei werde zugestanden, dass Mängel in der Dokumentation der vorgenommenen Aufklärungen bestünden. Insoweit seien indes Beweisantritte, so durch das Zeugnis seiner Ehefrau, dargetan worden. Er - der Kläger - habe keine Heilung versprochen, sondern nur Linderung, die in einer Vielzahl der Fälle, wenn auch nur kurzfristig, herbeigeführt worden sei. Das Verwaltungsgericht habe sich darüber hinaus nicht damit auseinandergesetzt, dass es sich bei den in der Anklageschrift aufgeführten Patienten um völlig austherapierte und von der Schulmedizin aufgegebene Patienten gehandelt habe, die zur Linderung nach einem „letzten Strohhalm“ gegriffen hätten. Die Anklageschrift lasse dazu mehr Fragen offen, als sie beantworte. Gesehen werden müsse zudem, dass die Rechtswidrigkeit einer Körperverletzung entfalle, wenn der Patient bei wahrheitsgemäßer Aufklärung in die durchgeführte Behandlung eingewilligt hätte. Im Hinblick auf den Vorrang des Selbstbestimmungsrechts des Patienten sei der Inhalt des mutmaßlichen Willens in erster Linie aus den persönlichen Umständen des Betroffenen, seinen individuellen Interessen, Wünschen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen zu ermitteln. Lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Patient anders entschieden hätte, werde allerdings davon auszugehen sein, dass sein (hypothetischer) Wille mit dem übereinstimme, was gemeinhin als normal und vernünftig angesehen wird. Dies bedeute, dass die Hauptverhandlung (in der Strafsache) sich mit dem Thema zu befassen haben werde, welche Anforderungen an eine ärztliche Aufklärung zu stellen seien, wenn dem Patienten von anderer Stelle nach den Regeln der Schulmedizin zuvor vermittelt worden sei, dass er als bereits austherapierter Patient „ein hoffnungsloser Fall“ sei. Außerhalb der Schulmedizin stelle sich die Aufklärungssituation gänzlich anders dar. Die Situation des von der Schulmedizin aufgegebenen Patienten könne nicht mit der Aufklärungssituation verglichen werden, bei der es um die Wahl alternativer Behandlungsmethoden der Schulmedizin gehe. Mit der erstinstanzlich vorgelegten Verteidigungsschrift gegenüber dem Landgericht

Schriftsatz der Strafverteidiger des Klägers vom 19.4.2004,

sei nachhaltig die Zweifelhaftigkeit der diesbezüglichen Beweisführung der Staatsanwaltschaft dargelegt worden. Diese überlasse es nämlich dem Sachverständigen, eine Beweiswürdigung vorzunehmen und darüber zu spekulieren, wie die Sprachbarriere im Rahmen der Aufklärung griechischer Patienten überwunden und ob hierbei ein Dolmetscher eingeschaltet worden sei.

Was sodann den von der Staatsanwaltschaft benannten Zeugen G. anbelange, müsse darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei im Wesentlichen um relativ pauschale „Anwürfe“ eines Arztes handele, mit dem er - der Kläger - nicht weiter habe zusammenarbeiten wollen, weil er ihn in ärztlicher Hinsicht als nicht kompetent angesehen habe. Des Weiteren sei in Bezug auf die Anklageschrift gerügt worden, dass die Staatsanwaltschaft keine ordnungsgemäße Zeugenvernehmung durchgeführt habe, zu der eine Belehrung über die Verpflichtung zur Wahrheit gehöre. Es werde interessant sein zu erfahren, wie das Landgericht mit diesem Mangel umgehen und die „Fragebogenaktion“ bewerten werde.

Da seine Nichtbeteiligung im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Gutachteneinholung den Grundsatz des fairen Verfahrens verletze, hätte das Verwaltungsgericht notfalls, da der Amtsermittlungsgrundsatz gelte, ein eigenständiges Gutachten einholen müssen. Im Übrigen sei auch die Höhe des Schadens seitens der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß ermittelt worden.

Schließlich werde gerügt, dass das erstinstanzliche Gericht sich nicht mit den Laboruntersuchungen des ärztlichen Qualitätslabors Dr. L. auseinandergesetzt habe. Die Dokumentation über die von ihm - dem Kläger - behandelten Patienten belege, dass die angewandte Methode der Tryptophanverarmung zu einer Reduktion der Zellteilungsgeschwindigkeit geführt habe.

In den letzten Jahren sei seine ärztliche Tätigkeit vom Beklagten ständig überwacht worden. Pflichtverletzungen seien dabei nicht festgestellt worden. Wieso er dennoch eine Gefahr darstellen solle, sei nicht nachvollziehbar.

Aus alldem gehe hervor, dass die Anordnung des Ruhens der Approbation nicht gerechtfertigt sei. Zumindest müsse ihm ermöglicht werden, seine Praxis in eingeschränktem Umfang fortzuführen. Er sei bereit, sich im Wege einer Selbstverpflichtung weiterhin strikt an die Bedingungen aus dem Beschluss vom 21.1.2004 - 1 W 29/03 - zu halten. Er beabsichtige, noch einige wenige Jahre als Arzt tätig zu sein, um in dieser Zeit seine zuletzt erlittenen finanziellen Einbußen auszugleichen; danach wolle er die Praxis verkaufen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid des Beklagten vom 3.9.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Ruhensanordnung ungeachtet des seit ihres Erlasses verstrichenen Zeitraums und der seither eingetretenen Entwicklung weiterhin für geboten; er sei nämlich davon überzeugt, dass es im Strafprozess zu einer Verurteilung des Klägers jedenfalls in der Mehrzahl der angeklagten Fälle von Körperverletzung kommen werde, und er sehe angesichts des Verhaltens des Klägers in der Vergangenheit nach wie vor die konkrete Gefahr, dass dieser auch in Zukunft seinen ärztlichen Beruf nicht ordnungsgemäß ausüben werde.

Unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils hebt der Beklagte im Wesentlichen hervor:

Der Kläger verkenne nach wie vor den Charakter der Anordnung des Ruhens der Approbation sowie deren tatbestandliche Voraussetzungen. Ein wesentlicher Punkt im Rahmen der Ausübung des behördlichen Ermessens sei die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung, wobei die Verwaltungsgerichte nur zu der Prüfung berechtigt seien, ob die Behörde von ihrem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht habe. Es sei jedoch Aufgabe weder der Behörde noch der Verwaltungsgerichte, wie ein Strafgericht in öffentlicher Verhandlung zu agieren und eine vollständige Beweisaufnahme parallel zum Strafverfahren durchzuführen. Für die Entscheidung über das Ruhen der Approbation sei die Wahrscheinlichkeit der strafgerichtlichen Verurteilung ein maßgebliches Kriterium, ohne dass im Verwaltungsrechtsstreit eine Entscheidung über die Strafbarkeit zu treffen sei. Im Weiteren verkenne der Kläger die Unteilbarkeit der ärztlichen Approbation. In diesem Zusammenhang stelle er allein auf den Begriff der Unzuverlässigkeit ab, ohne dabei die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Frage der Unwürdigkeit anzugreifen, die im Gegensatz zur Unzuverlässigkeit kein prognostisches Element bezüglich des zukünftigen Verhaltens beinhalte. Abgesehen davon sprächen die große Zahl der dem Kläger anzulastenden Mängel im „Tagesgeschäft“ sowie dessen (pseudo-)wissenschaftlichen Ambitionen, die sich wie ein roter Faden durch die in der Vergangenheit verfolgten Therapieansätze zögen, mit großem Gewicht dafür, dass es im Falle einer Aufhebung der Ruhensanordnung alsbald wieder zu schwerwiegenden Verletzungen der ärztlichen Pflichten kommen werde. Mit einer durch nichts sanktionierten „Selbstverpflichtung“ sei der gebotene Schutz der Patienten nicht gewährleistet.

Auf Anfrage des Senats hat das Landgericht B-Stadt mit Schreiben vom 17.10.2005 mitgeteilt, dass die Strafsache gegen den Kläger frühestens im Frühjahr 2006 verhandelt werden könne.

Mit Schriftsatz vom 20.10.2005 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, dass in der Strafsache gegen den Kläger vor dem Landgericht in Athen am 19./20.9.2005 eine (weitere) Verhandlung stattgefunden habe. Dieses Verfahren werde am 15.3.2006 mit der Vernehmung einiger Ärzte, die die verstorbenen Krebspatienten in Griechenland behandelt hätten, fortgesetzt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen wird auf den in der mündlichen Verhandlung erörterten Inhalt der verfahrensbezogenen Gerichtsakten einschließlich derjenigen der Verfahren 1 F 25/03 - 1 W 29/03, 1 U 1/05 sowie 1 U 2/05, der beigezogenen Behördenunterlagen (8 Ordner) und der Strafakten (10 Js 1555/00 StA B-Stadt = 1-32/03 Schw LG B-Stadt) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die auf Aufhebung des das Ruhen der Approbation des Klägers anordnenden Bescheides vom 3.9.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 gerichtete Klage abgewiesen.

Die Entscheidung des Beklagten, die Approbation des Klägers ruhen zu lassen, ist - auch aus heutiger Sicht - rechtlich nicht zu beanstanden,

vgl. dazu, dass die Anordnung des Ruhens einer Approbation nicht allein im Hinblick auf die Dauer eines schwebenden Strafverfahrens, sondern erst aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, BVerwG, Beschluss vom 9.9.1970 – 1 B 55/69 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 12 = DÖV 1970, 825.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Bundesärzteordnung - BÄO - kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Diese Vorschrift ermächtigt die Behörde, nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen schon in dem frühen Stadium der Einleitung eines Strafverfahrens zum Schutz von Patienten und - insgesamt - der Allgemeinheit vor den mit Wahrscheinlichkeit von dem Arzt ausgehenden Gefahren rasch einzugreifen. Dabei braucht - anders als beim Widerruf der Approbation - ein die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit aufzeigendes Verhalten des betroffenen Arztes noch nicht nachgewiesen zu sein. Vielmehr reichen, wie die Tatbestandsvoraussetzung „Einleitung eines Strafverfahrens wegen des Verdachts einer Straftat“ bei wortgetreuer Interpretation zeigt, gewichtige Verdachtsmomente in Bezug auf das strafrechtlich relevante Verhalten aus.

Die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO umschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen sind bei wortgetreuem Normverständnis in Ansehung der in der Anklage vom 7.7.2003 erhobenen Vorwürfe zweifelsohne gegeben.

Bei Ausübung des durch § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eröffneten Ermessens - das Ruhen „kann“ angeordnet werden - hat die Behörde dann indes zu beachten, dass das Ruhen der Approbation nicht eine bloße Einschränkung der Berufsausübung, sondern einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl bedeutet, der nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist. Im hier gegebenen Zusammenhang hat die Behörde zudem das Gebot der Unschuldsvermutung zu bedenken, das eine besondere Ausprägung des verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzips ist und verlangt, dass dem Betroffenen in einem justizförmigen Verfahren, das eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte gewährleistet, Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen und bis zum Nachweis der Schuld seine Unschuld vermutet wird. Allerdings heißt das nicht, dass das verfassungsverbürgte Prinzip der Unschuldsvermutung vor einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung es generell verbietet, bereits an den Verdacht einer näher qualifizierten Straftat berufsrechtliche Maßnahmen zu knüpfen

vgl. dazu (allgemein) BVerfG, Beschluss vom 29.5.1990 - 2 BvR 254, 1343/88 -, BVerfGE 82, 106 = NJW 1990, 2741 (im konkreten Fall zur Berücksichtigung bloßer Verdachtsgründe bei der Kostenentscheidung nach Einstellung eines Strafverfahrens, wobei allerdings - so das BVerfG - aus der Begründung deutlich hervorgehen muss, dass es sich nicht um eine gerichtliche Schuldfeststellung oder Schuldzuweisung handelt, sondern nur um die Beschreibung und Bewertung einer Verdachtslage); in diesem Sinne speziell im Zusammenhang mit dem Widerruf der tierärztlichen Approbation BVerfG, Beschluss vom 16.1.1991 - 1 BvR 1326/90 -, NJW 1991, 1530 (1531 f.).

Mit alldem vereinbar ist jedoch nur eine Handhabung der Befugnis, das Ruhen der Approbation anzuordnen, die erst bei einer - wie auch immer zu definierenden - hohen Wahrscheinlichkeit einsetzt, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat und diese so schwerwiegend sind, dass aus ihnen auf eine Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit des betroffenen Arztes geschlossen werden kann (dazu unter I.). Neben der hohen Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Verurteilung kommen wird, setzt ein vorläufiges Berufsverbot als Eingriff in die verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufswahl, d.h. die Befugnis, den einmal gewählten Beruf auch weiterhin auszuüben, weiterhin die Feststellung voraus, dass diese Maßnahme schon vor der Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist (dazu unter II.). Beides ist dabei - auch - aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen. Das folgt aus § 6 Abs. 2 BÄO, wonach eine Ruhensanordnung aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Mithin muss die Behörde eine Ruhensanordnung ständig unter Kontrolle halten und im Falle eines nachträglichen Rechtswidrigwerdens unverzüglich von Amts wegen aufheben

vgl. dazu u.a. VGH Mannheim, Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366, und VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris.

I. Das Erfordernis einer hohen Wahrscheinlichkeit dafür, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten tatsächlich begangen hat, entspricht im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO im Ergebnis einhellig der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wobei allerdings die Wahrscheinlichkeitsprognose mit Blick auf die zu erwartende (rechtskräftige) strafrechtliche Verurteilung in ihrer begrifflichen Umschreibung nicht einheitlich ist.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen verlangt als Voraussetzung für die Ruhensanordnung „eine erhebliche Wahrscheinlichkeit“ der strafrechtlichen Verurteilung, die es offenkundig mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ gleichsetzt

so Beschluss vom 16.2.1987 - 13 B 7049/86 -, NJW 1988, 785, wo anfangs eine „erhebliche Wahrscheinlichkeit“ vorausgesetzt wird, aber dann später die Rede ist von „Straftaten, die sich hiernach mit hoher Wahrscheinlichkeit als von ihm (dem Arzt) begangen erweisen werden“.

In einer weiteren Entscheidung, der bereits eine amtsgerichtliche Verurteilung zugrunde lag, die aufgrund eingelegter, wegen eines von zwei Tatvorwürfen allerdings auf das Strafmaß beschränkter Berufung noch nicht rechtskräftig war, wird ebenfalls eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ der strafgerichtlichen Verurteilung vorausgesetzt. Mit Blick auf die noch nicht rechtskräftige Verurteilung heißt es dann: „Hinsichtlich der Annahme, dass eine strafgerichtliche Verurteilung auch in diesem Falle sehr wahrscheinlich ist, reicht bei summarischer Prüfung allein die Tatsache der - wenn auch noch nicht rechtskräftigen - Verurteilung durch ein Strafgericht aus, zumal es dem Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht gelungen ist, die Feststellungen des Amtsgerichts schlüssig zu entkräften“

OVG Münster, Beschluss vom 24.9.1993 - 5 B 1412/93 -, ArztR 1994, 149; in weiteren, ebenfalls in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidungen wird im Zusammenhang mit der Ruhensanordnung im Stadium vor einer Anklageerhebung auf ein „strafrechtlich relevantes und wahrscheinlich zu einer Verurteilung führendes Verhalten“ abgestellt - vgl. OVG Münster, Beschluss vom 12.2.1996 - 13 B 3134/95 -, Leitsatz dokumentiert bei Juris, bzw. darauf, dass „nach dem derzeitigen Erkenntnisstand“ jedenfalls eine Verurteilung des Antragstellers wegen der Zuwiderhandlungen gegen das Arzneimittelgesetz wahrscheinlich ist, wobei dies wenige Zeilen später dahingehend konkretisiert wird, dass der betreffende Arzt der „ihm im Ermittlungsverfahren vorgeworfenen strafbewehrten Handlungen dringend verdächtig ist“ - vgl. OVG Münster, Beschluss vom 21.5.1996 - 13 B 350/96 -, NJW 1997, 2470; in diesem Sinne auch OVG Münster, Beschluss vom 27.11.1992 - 5 B 2973/92 -, MedR 1993, 355, betreffend die Anordnung des Ruhens der tierärztlichen Approbation auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Bundestierärzteordnung - BTÄO -, der mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO wörtlich übereinstimmt; all dies bestätigend OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 - 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Niedersachsen hat im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens, das die Anordnung des Ruhens der Approbation einer Apothekerin gemäß § 8 Abs. 1 Bundesapothekerordnung - BApO - betraf,

diese Vorschrift entspricht ebenfalls wörtlich § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO

angenommen, dass diese Anordnung „nur dann rechtlich nicht zu beanstanden (sei), wenn eine Verurteilung des Apothekers wegen der ihm zur Last gelegten Straftaten hinreichend wahrscheinlich ist“. Es hat das Bestehen dieser Voraussetzung im Wesentlichen damit begründet, dass mit der Anklageerhebung die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht bejaht habe, da die Erhebung der Anklage nach § 170 Abs. 1 StPO voraussetze, dass der Beschuldigte der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig sei. Darüber hinaus habe auch die Große Strafkammer des Landgerichts einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, indem sie das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen habe, weil diese Entscheidung nach § 203 StPO gleichermaßen voraussetze, dass der Angeschuldigte nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens einer Straftat hinreichend verdächtig erscheine

vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 29.8.2002 - 8 LA 92/02 -, NVwZ-RR 2003, 349; ebenso - die Verurteilung des Arztes wegen der ihm zur Last gelegten Straftat muss „hinreichend wahrscheinlich“ sein - Beschluss vom 15.7.2003 - 8 ME 96/03 -, dokumentiert bei Juris.

Anders wäre der Fall nur dann - so das OVG Lüneburg -, wenn besondere Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass trotz der übereinstimmenden Annahme eines hinreichenden Tatverdachts durch die Große Strafkammer des Landgerichts und die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Apothekerin nicht zu erwarten sei. Im konkreten Fall waren derartige Anhaltspunkte nach Einschätzung des Gerichts weder ersichtlich noch von der Klägerin dargelegt.

Diesen Grundsatz der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung hat das OVG Lüneburg in einem späteren Beschluss, dem die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ruhens der ärztlichen Approbation zugrunde lag, bestätigt

Beschluss vom 16.3.2004 - 8 ME 164/03 -, NJW 2004, 1750; abweichend hiervon war das VG Hannover als Vorinstanz davon ausgegangen, dass bei Straftaten gegen das Leben, wie sie im gegebenen Fall in Rede standen, die „überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung ausreichend“ sei, vgl. Beschluss vom 25.9.2003 - 5 B 2942/03 -, NJW 2004, 311 (312); das VG Lüneburg wiederum hält in Übereinstimmung mit dem ihm übergeordneten OVG die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung für notwendig, um eine Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu rechtfertigen, vgl. Beschluss vom 19.6.2003 - 5 B 28/03 -, dokumentiert bei Juris; ähnlich wie das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 29.8.2002 hatte das VG Schleswig bereits mit Beschluss vom 22.12.1989 - 12 B 80/89 -, Leitsatz dokumentiert bei Juris, die Auffassung vertreten, dass die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Anordnung des Ruhens der Approbation nach Einleitung des Strafverfahrens durch Erhebung der Anklage nicht verlangt, dass vom Verwaltungsgericht (nochmals) geprüft wird, ob eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der strafgerichtlichen Verurteilung besteht.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg setzt für die Rechtmäßigkeit einer Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat, voraus. Diese hohe Wahrscheinlichkeit wird dann im Verlaufe der weiteren Erörterungen dahingehend konkretisiert, dass einem Arzt die Berufsausübung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO dann vorläufig untersagt werden kann, „wenn die Dringlichkeit des Tatverdachts seine Verurteilung wahrscheinlich macht“

Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366 -; im konkreten Fall war zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Hauptverhandlung in der Strafsache vor dem Landgericht ausgesetzt, weil die Einholung eines weiteren (zeitraubenden) Sachverständigengutachtens angeordnet worden war; das VG Stuttgart hat für die Ruhensanordnung nach Einleitung des Strafverfahrens „eine große Wahrscheinlichkeit für die strafgerichtliche Verurteilung des betroffenen Arztes“ gefordert, die gegeben sei, wenn „seine Täterschaft mit erheblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist“; im gegebenen Fall war der betreffende Arzt erstinstanzlich vom Amtsgericht wegen Körperverletzung in zwei Fällen in Tateinheit mit einem Fall der Beleidigung verurteilt worden, wobei das VG Stuttgart davon überzeugt war, dass dieses Urteil in der Berufungsinstanz „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ Bestand haben werde, vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 16.8.1999 - 4 K 2115/99 -, MedR 2000, 142 sowie Leitsatz, dokumentiert bei Juris.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Fall, in dem eine Anklage erhoben und vom Landgericht zugelassen worden war, angenommen, dass damit der „ernsthafte Verdacht“ bestanden habe, dass der angeschuldigte Tierarzt

wie bereits dargelegt, stimmt § 8 Abs. 1 Nr. 1 BTÄO wörtlich mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO überein,

die ihm darin vorgeworfenen Straftaten begangen hat. Davon ausgehend - so der VGH - könnten „nur offensichtliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Anklage den durch deren Erhebung bekräftigten Verdacht widerlegen“. Denn „zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des ernsthaften Verdachtes einer Straftat im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BTÄO genügt es - so der VGH weiter -, wenn sich aus den vorliegenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ernsthafte Verdachtsmomente ergeben, aus denen mit hoher Wahrscheinlichkeit folgt, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat und deshalb mit einer Bestrafung rechnen muss“. Folge aus den vom Kläger geltend gemachten Einwendungen keine solche offensichtliche Unrichtigkeit der erhobenen Anklage und werde demgemäß der in ihr festgehaltene Sachverhalt zugrunde gelegt, so ergebe sich daraus - so die wiederholende Feststellung des VGH - „mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit, dass gegen den Kläger der ernsthafte Verdacht der Begehung von Straftaten bestand und mit seiner Verurteilung deshalb gerechnet werden konnte“

VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris; zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war das Strafverfahren nach Zahlung von 8.000,- DM an eine gemeinnützige Einrichtung gemäß § 153 a Abs. 2 Satz 1 StPO bereits eingestellt -; ähnliche Grundsätze hatte der VGH München seinem - nicht veröffentlichten - Beschluss vom 18.7.1996 - 21 Cs 96.155 - zugrunde gelegt, wobei allerdings in dem dort zu beurteilenden Fall bereits eine - noch nicht rechtskräftige - erstinstanzliche strafgerichtliche Verurteilung erfolgt war.

Unter Berücksichtigung dieser in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angewandten Grundsätze hält der Senat insbesondere mit Blick auf den Eingriff in eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition für die im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO in Bezug auf eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers zu treffende Prognoseentscheidung eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit seiner Verurteilung, was den Kern beziehungsweise die Mehrzahl der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe anbelangt, für erforderlich. Dabei hat der Senat auf der Grundlage des bisherigen strafrechtlichen Ermittlungsergebnisses und des Vorbringens der Beteiligten eine eigenständige aktuelle Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers besteht

vgl. u.a. OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 - 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Er ist dabei allerdings nicht gehalten, selbst in die Erhebung der im Ermittlungs- und Strafverfahren aufgebotenen Beweise oder gar in eine Amtsermittlung einzutreten und gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Strafgericht parallelen Strafprozess durchzuführen. Deshalb ist der Bejahung oder Verneinung der Verurteilungswahrscheinlichkeit im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eine Unsicherheit im Verhältnis zu dem tatsächlichen Ausgang des Strafprozesses eigen

so begründet der VGH Mannheim in dem Beschluss vom 19.7.1991 - wie dargelegt - die „hohe Wahrscheinlichkeit“ dafür, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat, letztlich damit, dass „die Dringlichkeit des Tatverdachts seine Verurteilung wahrscheinlich macht“, also im Ergebnis nur mit der (bloßen) Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung; in ähnlicher Weise begründet der VGH München in dem Beschluss vom 14.12.1998 - wie dargelegt - die von ihm bejahte „genügend hohe Wahrscheinlichkeit“ einer Verurteilung im Ergebnis damit, dass sich aus den „staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ernsthafte Verdachtsmomente ergäben (was durch die Erhebung der Anklage belegt werde), dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat“.

1. Der Senat hält eine Verurteilung des Klägers wegen der Mehrzahl der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe für sehr wahrscheinlich.

Die Staatsanwaltschaft B-Stadt hat den Kläger am 7.7.2003 beim Landgericht - Schwurgericht - in B-Stadt angeklagt, in der Zeit vom 21.2.2000 bis zum 7.12.2000 in seiner Homburger Praxis durch 17 selbständige Handlungen in 13 Fällen einen Betrug und in vier Fällen einen Betrugsversuch gegenüber Patienten begangen zu haben und durch dieselben Handlungen in 17 Fällen dieselben Patienten vorsätzlich körperlich misshandelt und an der Gesundheit beschädigt zu haben, wobei er in einem Fall durch die Körperverletzung den Tod des Betreffenden verursacht habe (Verbrechen und Vergehen gemäß §§ 223, 227, 263 Abs. 1, 22, 23, 52 StGB). Mit Beschluss vom 28.8.2003 hat die 1. Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts B-Stadt die Anklage vom 7.7.2003 zur Hauptverhandlung zugelassen. Indem mit diesen Entscheidungen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Schwurgericht im Verständnis der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, nämlich der §§ 170 Abs. 1, 203 StPO, von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Verurteilung des Klägers ausgegangen sind, kommt diesem Umstand auch im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO erhebliches Gewicht zu

in diesem Sinne auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 29.8.2002 - 8 LA 92/02 -, NVwZ-RR 2003, 349, sowie VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris.

Der seitens der Anklagebehörde gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf lässt sich im Kern dahingehend zusammenfassen, dass er bei - vorwiegend griechischen - Patienten mit Krebserkrankungen im Endstadium wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Heilversuche vorgenommen hat, ohne die Patienten zuvor ausreichend über die Behandlung in Form eines Heilversuchs, über eventuelle Behandlungsrisiken und insbesondere über die angesichts des finalen Krankheitszustands realistischen Heilungschancen bzw. Behandlungsalternativen, etwa in Form palliativer Maßnahmen, aufgeklärt zu haben, und in dieser Situation von den Patienten Honorare in Höhe von insgesamt etwa 300.000,-- DM gefordert und erhalten hat. Wegen der Einzelheiten kann auf die 42 Seiten umfassende Anklageschrift Bezug genommen werden, in der das Ermittlungsergebnis detailliert dargelegt ist und die Beweismittel im Einzelnen angeführt sind

hervorzuheben sind hierbei die beiden Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 und 4.4.2002 (Bl. 450 ff. und Bl. 619 ff. der Strafakten).

Der Anklageschrift kommt auch unter Berücksichtigung der vom Kläger dagegen geltend gemachten Einwände nach wie vor ein erdrückender Beweiswert zu. In Anbetracht des bereits erwähnten Umstands, dass die Verwaltungsgerichte zu einer eigenständigen Überprüfung des Gewichts der strafrechtlichen Vorwürfe verpflichtet sind, ohne dass sie deshalb selbst in die Erhebung der in Ermittlungs- und Strafverfahren aufgebotenen Beweise eintreten müssen und gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Strafgericht parallelen Strafprozess durchzuführen haben, ist festzustellen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Klägers im Kernbereich der erhobenen Vorwürfe unverändert sehr hoch ist.

Bei ärztlichen Eingriffen ist eine tatbestandliche und rechtswidrige Körperverletzung (§ 223 StGB) immer dann gegeben, wenn infolge unzureichender ärztlicher Aufklärung über die vorgesehene Behandlung keine wirksame Einwilligung in sie vorliegt, wobei zusätzlich feststehen muss, dass bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die beabsichtigte Behandlung die Einwilligung unterblieben wäre (= Nicht-Vorliegen einer so genannten hypothetischen Einwilligung)

vgl. zu letzterem u.a. BGH, Beschluss vom 15.10.2003 - 1 StR 300/03 -, NStZ-RR 2004, 16 = JZ 2004, 799.

Neben dem Umstand, dass der Kläger bei allen in der Anklageschrift aufgeführten Patienten, die an soliden Tumoren in fortgeschrittenen Stadien, in der Regel mit Metastasierungen in andere Organe, litten, ein experimentelles, nicht etabliertes und die Patienten erheblich belastendes Verfahren der Tumorbehandlung, nämlich eine Tryptophanelimination mittels einer Blutwäsche, die er mit einer Hämoperfusion (Adsorption von Blutplasmabestandteilen an beschichtete Aktivkohlefilter) kombinierte, zur Anwendung gebracht hat

vgl. dazu im Einzelnen das Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001, Blatt 2 bis Blatt 12, sowie das weitere Gutachten vom 4.4.2002, Seiten 5, 7 bis 9,

wird ihm vor allem zum Vorwurf gemacht, dass er gegenüber diesen Patienten die Angabe unterlassen hat, dass es sich um ein rein experimentelles Verfahren handelt und weder Daten über den Erfolg noch ein theoretisches Modell über eine mögliche Wirksamkeit existieren. Darüber hinaus geht der Vorwurf dahin, dass er seinen Patienten (unrealistische) gute Heilungschancen beziehungsweise Heilungschancen von in der Regel 70 % versprochen haben soll

vgl. Anklageschrift, Seiten 2 bis 5.

Gegenüber diesen Vorwürfen wendet der Kläger zum einen ein, die Anforderungen an die ärztliche Aufklärung bei Patienten, die von der Schulmedizin als austherapiert und „hoffnungsloser Fall“ bereits aufgegeben worden seien, stellten sich gänzlich anders dar als in einer Aufklärungssituation, bei der es um die Wahl alternativer Behandlungsmethoden innerhalb der Schulmedizin gehe (dazu nachfolgend a.).

Zum anderen behauptet er, er habe keine Heilung, sondern den Patienten, die nach einem „letzten Strohhalm“ gegriffen hätten, lediglich Linderung versprochen, die in einer Vielzahl der Fälle, wenn auch nur kurzfristig, herbeigeführt worden sei (dazu nachfolgend b.).

a. Was den Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht auch und gerade gegenüber Krebspatienten, denen seitens der Schulmedizin keine realistische Heilungschancen mehr eingeräumt werden, anbelangt, ist dem Kläger mit aller Deutlichkeit entgegenzuhalten, dass jeder Patient beanspruchen kann, dass er über das Behandlungsverfahren, die Behandlungsrisiken und die Behandlungsaussichten umfassend informiert wird. Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten, dem stets die Entscheidung darüber zusteht, ob und in welchem Umfang er einem ärztlichen Heileingriff mit den damit verbundenen Chancen und Risiken für seinen Körper und seine Gesundheit zustimmen will, erfordert ausnahmslos eine vollständige Aufklärung über die Behandlungsmethode, die zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen, die damit jeweils verbundenen Belastungen und nicht zuletzt auch darüber, welche unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen mit verschiedenen in Betracht kommenden Behandlungen verbunden sind

vgl. zur ärztlichen Aufklärung insbesondere bei Behandlungsalternativen u.a. BGH, Urteile vom 7.4.1992 - VI ZR 224/91 -, NJW 1992, 2353, vom 24.11.1987 - VI ZR 65/87 -, NJW 1988, 765, und vom 22.9.1987 - VI ZR 238/86 -, NJW 1988, 767.

Auch ein sterbenskranker oder sterbender Mensch hat ein Selbstbestimmungsrecht und ist nicht „Freiwild“ für experimentierfreudige Mediziner.

Von seiner - jetzigen - eigenen Einlassung ausgehend, er habe den in der Anklageschrift genannten Patienten keine Heilung, sondern nur Linderung versprochen, hätte der Kläger in besonderem Maße die Pflicht gehabt, diese Patienten alternativ über die Möglichkeiten der Palliativmedizin zu informieren, zumal er selbst - soweit ersichtlich - in der Vergangenheit nicht als Experte auf dem Gebiet der Palliativmedizin in Erscheinung getreten ist.

Im Saarland gibt es insgesamt drei Krankenhäuser mit Palliativ-Stationen, nämlich die SHG-Kliniken in Merzig, das St. Michael Krankenhaus in Völklingen und die Saarbrücker Caritas-Klinik, vgl. dazu etwa Saarbrücker Zeitung, Ausgabe vom 11.11.2005 (Nr. 262), Seite C 1.

Gerade wenn der Kläger nach eigener Einschätzung allenfalls bedingt in der Lage war, den ihm überwiegend aus Griechenland vermittelten Patienten zu helfen, so hatte er in dem äußerst sensiblen Bereich, in dem er tätig war, nämlich bei der Behandlung so genannter austherapierter Krebspatienten, bereits vorvertraglich neben den geplanten Maßnahmen über das Leistungsziel, insbesondere über die Wirksamkeit der Therapie als solche und darüber hinaus über deren Chancen im Einzelnen aufzuklären. Ihm musste bewusst sein, dass ein schwer krebskranker Patient eine äußerst geringe Hemmschwelle in Bezug auf den Abschluss eines Arztvertrages hat, wenn ihm im Vorfeld ein für ihn günstiges Therapieziel vor Augen geführt wird. Bekanntermaßen nehmen viele Krebspatienten unter Verdrängung der Realität nur noch das auf, was für sie (angeblich) von Vorteil ist und Heilung, Besserung oder zumindest Erhaltung des momentanen Zustands verspricht. Deshalb ist der Arzt in einer so geprägten Situation gehalten, den Patienten klar und eindeutig über die wahre Situation und die realistischen Chancen einer ins Auge gefassten Therapie aufzuklären. Das gilt insbesondere dann, wenn mit dieser Therapie für den Patienten hohe Kosten verbunden sind, weil - wie durchweg hier - weder eine gesetzliche noch eine private Krankenversicherung eintrittspflichtig ist

vgl. zum Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht bei der Behandlung von Krebspatienten OLG Hamm, Urteil vom 14.3.2001 - 3 U 197/00 -, NJW 2002, 307 = VersR 2001, 895.

Jede im Rahmen des Patientengesprächs verschleiernd wirkende oder die realistisch erreichbare Situation verzerrende Maßnahme in Fallgestaltungen derart, wie sie dem Kläger in der Anklageschrift zum Vorwurf gemacht werden, begründet deshalb eine Aufklärungspflichtverletzung des behandelnden Arztes.

Der Kläger behauptet selbst nicht, er habe seine Patienten darüber informiert, dass es sich bei dem von ihm propagierten Verfahren der extrakorporalen Tryptophanverarmung um ein rein experimentelles Verfahren ohne ausreichende naturwissenschaftliche Belege handelt, für das bisher nur tierexperimentell gewonnene Erkenntnisse vorliegen, die nicht ohne Weiteres deckungsgleich auf den Menschen übertragen werden können, so dass bisher auch keinerlei Daten über den Erfolg einer solchen Behandlung bei an Krebs erkrankten Menschen vorliegen

vgl. zu dieser Bewertung des vom Kläger praktizierten Heilversuchs überzeugend (siehe S. 41/42 dieses Urteils) das bereits erwähnte Gutachten vom 12.6.2001, Blatt 12 (letztes Blatt).

Von all dem ausgehend kann nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger der ihm obliegenden ärztlichen Aufklärungspflicht nur unzureichend nachgekommen ist und damit eine wirksame Einwilligung in die Behandlung ausscheidet, ohne dass es für den strafrechtlichen Vorwurf der Körperverletzung darauf ankommt, ob er über die allgemeinen Behandlungsrisiken, insbesondere die Risiken der Katheteranlage, die sich je nach Krankheitszustand und allgemeiner Konstitution der Patienten unterschiedlich darstellten, umfassend und einzelfallbezogen aufgeklärt hat (letzterem kann allerdings für die Strafzumessung Bedeutung zukommen).

b. Nach dem bisherigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnis bestehen darüber hinaus dringende Gründe für die Annahme, dass der Kläger zumindest in der Mehrzahl, nämlich in 15 der zur Anklage gebrachten 17 Fälle, seinen Patienten sehr hohe und damit völlig unrealistische Heilungschancen zumindest in Aussicht gestellt und keineswegs als Behandlungsziel (lediglich) eine Linderung des Leidens mittels palliativ-medizinischer Maßnahmen vorgegeben hat.

Dazu ist vorab zu bemerken, dass nicht geleugnet werden kann, dass dem Nachweis des zu dem in Rede stehenden Fragenkomplex bisher vorliegenden Ermittlungsergebnisses in der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht durchaus Schwierigkeiten gegenüberstehen, die vor allem darauf beruhen, dass zwischenzeitlich alle vom Kläger behandelten, in der Anklage aufgeführten Patienten verstorben sind und im Ermittlungsverfahren nur eine der Betroffenen persönlich als Zeugin polizeilich vernommen worden ist, nämlich Frau H.K. (Ziffer 12 der Anklage), wohingegen im Übrigen - den Fall des Herrn F.B. (Ziffer 11 der Anklage) ausgenommen, zu dem immerhin Angehörige polizeilich gehört wurden - standardisierte Zeugenfragebogen versandt worden sind, die bis auf einen Fall - nur die Patientin M. (Ziffer 9 der Anklage) hat diesen Fragebogen persönlich ausgefüllt - von Angehörigen der früheren Patienten des Klägers ausgefüllt wurden, die allerdings - so ihre Angaben - als Begleitpersonen die relevanten Erklärungen des Klägers im Zusammenhang mit den Behandlungen unmittelbar haben zur Kenntnis nehmen können. Die die genannten Patientinnen K. und M. betreffenden schriftlichen Bekundungen (Vernehmungsprotokoll vom 4.12.2000 bzw. - ohne Datum - Zeugenfragebogen) können auch ohne Zustimmung der Strafverfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung verlesen werden (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO). Angehörige der verstorbenen Patienten, die bei den Gesprächen mit dem Kläger zugegen waren, werden, soweit es auf ihre Bekundungen aus Sicht des Schwurgerichts ankommt, bei fehlendem Einverständnis des Klägers und/oder seines Verteidigers (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO) voraussichtlich persönlich vor dem Strafgericht aussagen müssen, da die weite Entfernung vom Gerichtsort in der Regel nicht ausreicht, um den Ausnahmetatbestand der Unmöglichkeit der Vernehmung im Verständnis des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO zu begründen

vgl. dazu u.a. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 251 Rn. 26, 27.

Soweit der Kläger in Bezug auf die Zeugenfragebogen beanstandet, dass eine Ermahnung zur Wahrheitspflicht (§ 57 StPO) unterblieben sei, könnte dies strafprozessual von vornherein nur für die ohne seine Zustimmung mögliche Verlesung der schriftlichen Bekundungen der M. Bedeutung haben. Die hier nicht erfolgte Ermahnung zur Wahrheitspflicht ist jedoch verfahrensrechtlich ohne Bedeutung, da § 57 StPO nur eine im Interesse des Zeugen erlassene Ordnungsvorschrift beinhaltet, auf deren Verletzung eine Revision nicht gestützt werden kann

vgl. u.a. Meyer-Goßner, a.a.O., § 57 Rn. 6.

Im Übrigen unterliegt die Bewertung dieser schriftlichen Zeugenbekundungen der freien Beweiswürdigung des Strafgerichts (§ 261 StPO). Letzteres gilt gleichermaßen für den Inhalt des zu verlesenden Protokolls über die polizeiliche Vernehmung der Zeugin K. (die indes mit deren Einverständnis auf Video und Tonband aufgezeichnet worden ist, was im Vergleich zum bloßen Verlesen eine bessere Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage ermöglicht) und die schriftlichen Bekundungen der übrigen im Ermittlungsverfahren angehörten Zeugen, soweit diese aus gewichtigen Gründen in absehbarer Zeit nicht vor dem Strafgericht vernommen werden können (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO).

Ungeachtet der dem Schwurgericht im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 261 StPO) vorbehaltenen Bewertung der mittels Urkundenbeweises in die Verhandlung einzuführenden polizeilich protokollierten beziehungsweise schriftlich dokumentierten Zeugenbekundungen und etwaigen unmittelbaren Zeugenaussagen vor dem Strafgericht ist mit Blick auf die vom Senat (lediglich) zu treffende Prognoseentscheidung hier nur zu prüfen, ob die aufgrund des derzeitigen Ermittlungsergebnisses gegebene Beweislage mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Vorwurf bestätigen wird, dass der Kläger den von ihm behandelten Krebspatienten unrealistische Therapieergebnisse in Aussicht gestellt hat. Das ist eindeutig zu bejahen, wie die im Folgenden wiedergegebenen Zeugenbekundungen zeigen

die genauen Fundstellen der jeweiligen Dokumente in den Beiakten zu den Ermittlungs- und Strafakten sind in der Anklageschrift im Zusammenhang mit den jeweils angeklagten, von 1 bis 17 durchnummerierten Behandlungsfällen angegeben.

Die damals 67 Jahre alte Zeugin K. (Anklage Ziffer 12), der - so ihre Angaben gegenüber dem sie vernehmenden Polizeibeamten - von den sie behandelnden Ärzten der Caritas-Klinik B-Stadt mitgeteilt worden war, dass diese ihr keine Hoffnung auf Heilung mehr machen könnten, hat ausgesagt, der Kläger habe ihr gegenüber erklärt, dass mit seiner Behandlung der Tumor zum Stillstand kommen werde; er habe gesagt: „Das bekommen wir nochmal hin“. Hätte er ihr gesagt - so die Zeugin -, dass man über eine Heilungschance noch gar nichts sagen könne, weil das Verfahren noch nicht erprobt sei, hätte sie nicht in die Behandlung eingewilligt.

Die bereits erwähnte Patientin M. (Anklage Ziffer 9), die von ihrem Ehemann nach A-Stadt begleitet worden war, hat in dem von ihr persönlich ausgefüllten Fragebogen angegeben, der Kläger habe allgemein Erfolgsaussichten von 50 - 60 % versprochen; für sie persönlich habe er sehr gute Ergebnisse in Aussicht gestellt.

Gegenüber der in Düsseldorf wohnenden und deutsch sprechenden Schwägerin Dr. E. der Patientin A. (Anklage Ziffer 3) hat der Kläger im Beisein der Patientin angegeben, die Erfolgschancen seiner Behandlung lägen bei 60 – 70%, vor allem bei Darm-, Lungen- und Brustkrebs. Die Prognose für die genannte Patientin hat er als sehr gut bezeichnet, weil sie sich in gutem physiologischen Zustand befinde. Es seien 2 mal 20 Behandlungen vorgesehen gewesen.

Der Ehemann der Patientin T.

so die im Vergleich zur Anklageschrift abweichende Schreibweise im Zeugenfragebogen

(Anklage Ziffer 5), der seine Ehefrau nach eigenen Angaben während der gesamten Behandlung in der Praxis des Klägers begleitet hat, hat auf die Fragen, welchen Erfolg der Kläger vor der Behandlung in Aussicht gestellt habe und ob eine Heilung versprochen worden sei, geantwortet, der Kläger habe erklärt, die Therapie weise - so der aktuelle Stand - vollen Erfolg (100 %) bei Experimenten mit Tieren und 70 % bei der Anwendung an Menschen auf; auch sei ihnen gesagt worden, es bestünden bei seiner Frau 70 % Erfolgsaussichten.

Die Tochter P., die ihren Vater D. (Anklage Ziffer 7) nach A-Stadt begleitet hat, hat in dem von ihr ausgefüllten Zeugenfragebogen angegeben, der Kläger habe eine Verkleinerung bis ein Verschwinden des Tumors in Aussicht gestellt und insgesamt eine Heilung versprochen.

Im Beisein des L., der seine an Leberkrebs mit Metastasen am Dickdarm erkrankte Ehefrau (Anklage Ziffer 8) nach A-Stadt begleitet hat, hat der Kläger bei der ersten Begegnung sich als absolut sicher für eine gefahrlose und erfolgreiche Therapie gezeigt, und er hat „gute Resultate“ versprochen; er habe erklärt, die Perspektiven seien gut

so die Angaben im Zeugenfragebogen unter dem Datum vom 12.2.2001.

Der Ehemann der Patientin G. (Anklage Ziffer 10), der seine Ehefrau ebenfalls nach A-Stadt begleitet hatte, hat auf die Fragen im Zeugenfragebogen geantwortet, der Kläger habe erklärt, „dass wir sehr gute Ergebnisse haben werden“, und er habe ebenso wie bereits zuvor Dr. G. Heilung versprochen.

Im Weiteren hat der Bruder C. der damals 14-jährigen Patientin H. (Anklage Ziffer 17)

in der beglaubigten Übersetzung des Zeugenfragebogens wird der Name „C.“ aufgeführt,

der seine Schwester zusammen mit seiner Mutter nach A-Stadt begleitet hatte, bestätigt, dass sowohl der Kläger als auch Dr. G. gesagt hätten, die Therapie verspreche einen Erfolg von 70 %.

Sodann hat der am 15.2.2001 polizeilich vernommene Sohn M.B. des bereits erwähnten Patienten F.B. (Anklage Ziffer 11) bekundet, sein Vater habe ihm über die mit dem Kläger geführten Gespräche berichtet. Danach habe der Kläger seinem Vater - dieser war an Prostatakrebs erkrankt - erklärt, es könnten mit seiner Methode nicht alle Tumore behandelt werden, so etwa nicht Gehirntumore. Bei allen anderen Krebsarten - so der Kläger - gebe es hohe Erfolgsquoten; der Krebs sei zum Stillstand gekommen. Der Kläger habe seinem Vater auch gesagt, er werde im Rahmen einer „Studie unter der Ägide der Uni A-Stadt“ behandelt; das habe sein Vater „steif und fest behauptet“ und damit untermauert, dass das Gebäude ja in der Nähe der Universität liege.

Schließlich ist auf einen polizeilichen Vermerk

Beiakte 1 Bd A Nr. 9 Bl. 9.7 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte

vom 1.12.2000 hinzuweisen, in welchem festgehalten ist, dass der Z., geboren am 20.9.1972, bei dem Sachbearbeiter B. des LKA angerufen hat. Dabei hat er über einen sehr gut deutsch sprechenden Mittelsmann dem Beamten B. mitgeteilt, dass er seinen mittlerweile verstorbenen Vater Z. (Anklage Ziffer 6) nach A-Stadt zur Behandlung bei dem Kläger begleitet habe. Bei dem ersten Gespräch, das er mit dem Kläger auf Englisch geführt habe, habe dieser von einer 70 %igen Heilungschance gesprochen.

Andererseits kann nicht unerwähnt bleiben, dass nach den Bekundungen mehrerer Angehöriger, die die an Krebs erkrankten Patienten nach A-Stadt begleitet haben, der Kläger in deren Beisein sich nicht zu den Erfolgsaussichten der Therapie geäußert, sondern lediglich Dr. G. von hohen Erfolgsaussichten bzw. von gänzlicher Heilung gesprochen habe

das betrifft die Patienten bzw. Patientinnen D. (Anklage Ziffer 1), I. (Anklage Ziffer 4), S. (Anklage Ziffer 13), G. (Anklage Ziffer 14) und E. (Anklage Ziffer 15), vgl. dazu die entsprechenden Zeugenfragebogen.

Allerdings wird diesem Unterschied, wovon die Anklage offenkundig ausgeht, im Strafverfahren voraussichtlich keine ausschlaggebende rechtliche Bedeutung zukommen, da nach den Gegebenheiten alles dafür spricht, dass dem Kläger bekannt war, dass Dr. G. ihm die griechischen Patienten mit dem Versprechen großer Heilungschancen zugeführt hat. Demgemäß hat die Zeugin F. in dem von ihr unter dem 8.5.2001 unterschriebenen Zeugenfragebogen auf die in ihrem Beisein an den Kläger gerichtete Frage nach den Erfolgsaussichten der Behandlung ausgeführt:

„Seine Antwort auf eine diesbezügliche Frage von uns war: „Ich hoffe es.“ Aber Herr G., der für die Griechen eher zugänglicher war, hat von hohen Erfolgsaussichten gesprochen, die Herr A. nie in Frage stellte.“

Wenn dem Kläger aber bekannt war, dass den zu ihm in Behandlung gekommenen Patienten aus Griechenland zuvor seitens des nach übereinstimmenden Angaben zahlreicher befragter Patientenangehöriger häufig in der Praxis des Klägers anwesenden und durchweg als dessen „Mitarbeiter“ eingestuften Dr. G. große Heilungschancen in Bezug auf ihr weit fortgeschrittenes Krebsleiden versprochen bzw. in Aussicht gestellt worden waren, so wäre er vor Abschluss eines Arztvertrages verpflichtet gewesen, dies gegenüber den Patienten richtig zu stellen, sofern er diese Einschätzung nicht geteilt hätte.

Insgesamt ist deshalb in hohem Maße wahrscheinlich, dass dem Kläger im Strafverfahren nachgewiesen werden kann, dass er in zumindest 15 Fällen hohe Heilungschancen in Aussicht gestellt hat, sei es, dass er selbst entsprechende Erklärungen gegenüber den Patienten abgegeben, sei es, dass er sich gleichlautende Versprechungen des Dr. G. diesen gegenüber konkludent zu Eigen gemacht hat. Seine Behauptung, er habe lediglich eine Linderung des Leidens mittels palliativ-medizinischer Maßnahmen zugesichert, dürfte ihm nach den aufgezeigten Gegebenheiten im Strafverfahren eindeutig zu widerlegen sein. Denn abgesehen von dem bisher Dargelegten erscheint es in hohem Maße unwahrscheinlich, anzunehmen, dass überwiegend austherapierte Krebspatienten mit all den damit verbundenen Beschwernissen und Kosten sich zur Behandlung nach A-Stadt begeben, um dort eine palliativ-medizinische Behandlung zu erfahren, die sie mit Sicherheit in Griechenland ebenfalls hätten erhalten können.

Von diesem Sachverhalt ausgehend ist auch kein Raum für die Annahme, die Patienten hätten der sie körperlich sehr belastenden und finanziell kostspieligen Behandlung auch dann zugestimmt, wenn der Kläger sie insbesondere über den rein experimentellen Charakter des Heilversuchs aufgeklärt und ihnen dabei wahrheitsgemäß mitgeteilt hätte, dass über einen möglichen Therapieerfolg keine Angaben gemacht werden können, weil bisher noch keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über die Wirksamkeit dieser Methode zur Krebsbehandlung beim Menschen vorliegen. Jedenfalls besteht angesichts der aufgezeigten konkreten Umstände eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der rechtliche Gesichtspunkt einer „hypothetischen Einwilligung“ im Strafprozess nicht zugunsten des Klägers auswirken wird, und zwar auch unter Zugrundelegung der sehr strengen Kriterien, die der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang aufgestellt hat

vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 15.10.2003 - 1 StR 300/03 -, NStZ-RR 2004, 16 = JZ 2004, 799, sowie Urteil vom 25.9.1990 - 5 StR 342/90 -, dokumentiert bei Juris; siehe auch OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.9.2000 - 6 R 1/99 -, Seite 41 ff., zu einem Fall des Vorwurfs der vorsätzlichen Körperverletzung gegenüber einem beamteten Arzt, in dem der Einwand der „hypothetischen Einwilligung“ des geschädigten Patienten mit Blick auf die (näher dargelegten) konkreten Umstände von der Großen Strafkammer des Landgerichts zurückgewiesen worden war, was die Billigung des BGH gefunden hatte, der die Revision, mit der gerade dieser Punkt mittels Sachrüge angegriffen worden war, verworfen hat.

c) Die Annahme einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit strafgerichtlicher Verurteilung des Klägers wegen vorsätzlicher Körperverletzung wird nicht durchgreifend durch die Angriffe des Klägers gegen die von der Staatsanwaltschaft eingeholten Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 und 4.4.2002 in Frage gestellt. Es mag sein, dass sich im Zusammenhang mit der Auswahl der Gutachter durch die Staatsanwaltschaft die Frage der ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs stellen kann und dass die Gutachter sich teilweise zu Fragen geäußert haben, deren Beantwortung allein dem Strafrichter obliegt, etwa im Zusammenhang mit den Anforderungen und der Erfüllung der ärztlichen Aufklärungspflicht. Soweit die Gutachter sich dabei aufgrund der von ihnen festgestellten - vom Kläger übrigens zugestandenen - unzureichenden ärztlichen Dokumentation teilweise auf Unterstellungen und Mutmaßungen stützen, betrifft dies in erster Linie die Aufklärung über die spezifischen Behandlungsrisiken, vor allem Risiken der Katheteranlage, mit Blick auf die besondere Situation eines Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung. Ob dem Kläger insoweit ebenfalls eine unzureichende Aufklärung vorzuwerfen ist, ist unter Strafzumessungsgesichtspunkten möglicherweise im Strafverfahren zu klären; für die im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu treffende Prognoseentscheidung reicht es aus, dass der Kläger - wie ausgeführt - seine ärztliche Aufklärungspflicht in anderen rechtserheblichen Bereichen verletzt und schon deswegen sich einer das Selbstbestimmungsrecht des Patienten missachtenden vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Jedenfalls sind die gutachterlichen Ausführungen nicht insgesamt wertlos oder im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO unverwertbar. Möglicherweise bedarf es im Rahmen des Strafverfahrens einer erneuten (ergänzenden) Begutachtung. Das besagt aber nicht, dass dadurch wesentliche, die eigentliche Behandlung betreffende Feststellungen der beiden Gutachten durchgreifend in Frage gestellt werden können. Vielmehr sind deren Kernaussagen überzeugend

vgl. dazu, dass die Einholung eines weiteren, auch zeitraubenden Gutachtens im Strafverfahren der Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zumindest nicht ohne Weiteres entgegensteht, VGH Mannheim, Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366; von daher kommt dem von den Strafverteidigern des Klägers beim Schwurgericht eingereichten Schriftsatz vom 19.4.2004 im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der Ruhensanordnung letztlich keine durchschlagende Bedeutung zu.

Der Senat hat durchaus zur Kenntnis genommen, dass der Kläger zutiefst davon überzeugt ist, dass die von ihm für eine Krebsbehandlung propagierte Methode der „Extrakorporalen Tryptophanverarmung mittels Hämoperfusion“ medizinisch erfolgreich eingesetzt werden kann

vgl. dazu die vom Kläger verfasste und vorgelegte wissenschaftliche Abhandlung „Therapeutischer Plasmaaustausch und verwandte Plasmaseparationsverfahren“.

Dem stehen allerdings die Ausführungen im Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 entgegen, wonach (bisher) nicht bewiesen ist, dass eine mögliche Tryptophanelimination einen zytostatischen Effekt hat

so die zusammenfassende Beurteilung des Gutachtens, Blatt 12 (letztes Blatt).

Der Kläger, der diese gutachterliche Feststellung vehement angreift, hatte seitdem genügend Zeit, durch ein wissenschaftlich fundiertes „Gegengutachten“ die von ihm vertretene Position zu untermauern. Dass er von dieser Möglichkeit - aus welchen Gründen auch immer - keinen Gebrauch gemacht hat, geht im Rahmen der vom Senat im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu treffenden Prognoseentscheidung zu seinen Lasten.

Die im hier gegebenen Zusammenhang vom Kläger erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den Laboruntersuchungen des ärztlichen Qualitätslabors Dr. L. auseinandergesetzt, die belegen würden, dass die von ihm praktizierte Methode der Tryptophanverarmung zu einer Reduktion der Zellteilungsgeschwindigkeit führe, geht anlässlich der dargelegten Gutachtenlage ins Leere. Denn der bio-medizinisch geführte Nachweis einer Reduktion der Zellteilungsgeschwindigkeit erlaubt noch keine überzeugende Vorhersage in Bezug auf eine - in diesem Fall bahnbrechende - erfolgreiche Krebsbehandlung.

d) Auf der Grundlage des Sachverhalts, wie er sich nach den obigen Ausführungen derzeit darstellt, ist zugleich in hohem Maße wahrscheinlich, dass der gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf des Betrugs beziehungsweise des Betrugsversuchs im Strafverfahren zu seiner Verurteilung führen wird, wobei sein vorliegend erhobener Einwand, die Höhe des Schadens sei seitens der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß ermittelt worden, für die Strafzumessung von Bedeutung sein wird, jedoch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung ohne erkennbare Relevanz ist.

2. Ist nach alldem davon auszugehen, dass eine Verurteilung des Klägers, jedenfalls was die Mehrzahl und zugleich den Kern der gegen ihn erhobenen Vorwürfe anbelangt, in hohem Maße wahrscheinlich ist, so unterliegt es im Weiteren keinen Zweifeln, dass die ihm vorgeworfenen Straftaten vom Deliktscharakter, der Begehungsweise und den Tatfolgen her so schwerwiegend sind, dass aus ihnen, wie in den angefochtenen Bescheiden und im angefochtenen Urteil (Seiten 32 bis 34) zutreffend ausgeführt ist, auf seine Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs zu schließen ist. Ergänzende Ausführungen sind nicht veranlasst.

II. Das mit der Anordnung des Ruhens der Approbation einhergehende vorläufige Berufsverbot für den Kläger ist zum Schutz konkreter Gefahren für die Gesundheit und das damit eng verbundene Selbstbestimmungsrecht Erkrankter über das Ob und das Wie medizinischer Behandlung dringend geboten.

Dabei ist klar zu sehen, dass bereits mit der Anordnung des Ruhens der Approbation, wenngleich diese Maßnahme noch keine Entscheidung über einen Widerruf der Approbation beinhaltet, in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Betroffenen eingegriffen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind solche Eingriffe nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft

vgl. dazu grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2.3.1977 – 1 BvR 124/76 -, BVerfGE 44, 105 = NJW 1977, 892, betreffend ein vorläufiges Berufsverbot gegenüber einem Rechtsanwalt.

Nur überwiegende öffentliche Belange können es ausnahmsweise rechtfertigen, den Anspruch des Grundrechtsträgers auf endgültige Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.3.2004 – 1 BvR 540/04 -, NVwZ-RR 2004, 545, und vom 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618.

Ob ein vorläufiges Berufsverbot zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist, hängt entscheidend von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter ab. Je bedeutsamer die Rechtsgüter sind, die durch das vorläufige Berufsverbot geschützt werden sollen, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu stellen sind. Die hier betroffenen Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmungsrecht der Kranken genießen allerhöchsten Rang (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Der öffentliche Belang der Aufrechterhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit und potentieller Patienten in die fachliche Kompetenz, die Zuverlässigkeit und die persönliche Integrität der Ärzteschaft sowie die Funktionsfähigkeit der Gesundheitsversorgung haben ebenfalls besonderes Gewicht. Daher ist ein vorläufiges Berufsverbot zur Abwehr konkreter Gefahren für diese Rechtsgüter regelmäßig schon dann erforderlich, wenn in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Arzt bei der Ausübung seines Berufs Straftaten gegen das Leben und/oder die Gesundheit von Patienten begangen hat und die Gefahr einer Verletzung dieser Rechtsgüter bei einer Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit weiter besteht

so überzeugend u.a. OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 19.1.2005 – 8 ME 181/04 -, dokumentiert bei Juris, sowie vom 16.3.2004 – 8 ME 164/03 -, NJW 2004, 1750, wo allerdings für ausreichend erachtet wird, dass bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte von Straftaten gegen das Leben und die Gesundheit von Patienten (lediglich) „nicht auszuschließen ist, dass dies in Zukunft wieder geschieht“; in diesem Sinne wohl auch BGH, Urteil vom 13.10.2005 – 3 StR 385/04 -, NJW 2005, 3732, wo es heißt (Seite 3733), die Ruhensanordnung diene dazu, „in unklaren Situationen oder Eilfällen dem Arzt vorläufig den Beruf zu untersagen“; siehe auch BVerwG, Urteil vom 17.8.2005 – 6 C 15/04 -, dokumentiert bei Juris, wo im Zusammenhang mit dem Widerruf der Bestellung zum Wirtschaftsprüfer wegen nicht geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse ausgeführt wird, „eine Nichtgefährdung … sei (erst) dann anzunehmen, wenn die Interessengefährdung hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann“; siehe weiterhin BFH, Urteil vom 22.9.1992 – VII R 43/92 -, MDR 1993, 911, wonach die Bestellung eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten, der in Vermögensverfall geraten ist, dann nicht zu widerrufen ist, „wenn dadurch eine konkrete Gefährdung der Interessen der Auftraggeber nicht eingetreten ist“.

Der Senat sieht ebenso wie der Beklagte die konkrete Gefahr, dass der Kläger bei einer Aufhebung der Ruhensanordnung und der ihm dann ermöglichten uneingeschränkten Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit (auch) in Zukunft die gesundheitlichen Interessen ihm anvertrauter Patienten nicht in dem gebotenen Maße beachten wird. Das wird durch das Gewicht der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, wie sie in der Anklageschrift vom 7.7.2003 zusammengefasst sind, und die Art und Weise seines Vorgehens, wie es sich nach den aufgezeigten Gegebenheiten zum jetzigen Zeitpunkt darstellt, indiziert. Danach ist der Senat in hohem Maße davon überzeugt, dass der Kläger seine Verpflichtungen zur gebotenen ärztlichen Aufklärung über die Art der von ihm eingeleiteten Behandlungen und ihre realistischen Erfolgschancen bei zumindest 15 von der Schulmedizin aufgegebenen Krebspatienten gröblich verletzt hat. Eine das – wie die Berufsfreiheit des Klägers durch Art. 12 Abs. 1 GG – durch Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Bezug auf körperliche Eingriffe verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Patienten beachtende ärztliche Aufklärung hat, insbesondere was die experimentelle Art der Behandlung und die realistischen Heilungschancen der von ihm praktizierten Therapie anbelangt, nicht in dem gebotenen Umfang stattgefunden. Da der Kläger nach wie vor vom Erfolg seiner Krebstherapie überzeugt ist, wie vor allem seine Angriffe gegen die dies verneinenden Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg belegen, ist zu befürchten, dass er im Fall der Aufhebung der Ruhensanordnung seinen Therapieansatz, möglicherweise in veränderter Form, weiter verfolgen wird. Diese Gefahr besteht um so mehr, als er – unabhängig von seinem Bestreben, einer nach seiner Überzeugung bahnbrechenden Krebstherapie zu allgemeiner Anerkennung zu verhelfen – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf eine Verbesserung seiner Einnahmesituation angewiesen ist. Denn nach eigenen Angaben ist ihm bereits aufgrund des (kurzzeitigen) Sofortvollzugs der Ruhensanordnung sowie aufgrund der Tatsache, dass die früher bei ihm tätige Kollegin nunmehr in unmittelbarer Nähe zu seiner Praxis eine eigene nephrologische Praxis betreibt, erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden. Zudem will er seine Praxis in einigen Jahren – der Kläger ist jetzt 62 Jahre alt – verkaufen. Von daher muss er bestrebt sein, in diesem Zeitraum die zuletzt erlittenen finanziellen Einbußen in etwa auszugleichen und zugleich durch eine verbesserte Umsatzsituation das Interesse an einem Erwerb seiner Praxis zu wecken und den dabei erzielbaren Verkaufserlös zu optimieren. In dieser Situation und angesichts einer in seinem ursprünglichen Hauptbetätigungsfeld der Dialysebehandlung rückläufigen Entwicklung besteht die konkrete Gefahr, dass der Kläger der Versuchung nicht dauerhaft wird widerstehen können, seine unter Kapazitätsgesichtspunkten derzeit nach eigener Einschätzung nicht ausgelastete Dialysepraxis für weitere Behandlungen nach dem Prinzip eines therapeutischen Plasmaaustauschs bzw. verwandter Plasmaseparationsverfahren

vgl. dazu die – bereits erwähnte – von ihm vorgelegte wissenschaftliche Abhandlung,

einzusetzen. Denn auf diese Weise kann er seine auf Dialysebehandlungen ausgerichtete Praxis besser auslasten

von daher kann auch sein Einwand, er habe sich bei der Behandlung der Krebspatienten nicht in dem ihm vorgeworfenen Umfang bereichert, weil er im Wesentlichen nur die ihm entstandenen Praxiskosten weitergegeben habe, nicht überzeugen, denn eine bessere Auslastung der vorgehaltenen Apparaturen und des vorhandenen Personals hat zwangsläufig die Fix- und Betriebskosten seiner Praxis reduziert und war deshalb durchaus von erheblichem betriebswirtschaftlichen Nutzen.

Die konkrete Gefahr einer nicht ausreichenden Beachtung der gesundheitlichen Interessen von Patienten, insbesondere ihres Selbstbestimmungsrechts in Bezug auf die Einwilligung in belastende und wissenschaftlich nicht erprobte Behandlungsverfahren, wird nicht durch das vom Kläger seit der Aussetzung des Sofortvollzugs der Ruhensanordnung gemäß Senatsbeschluss vom 21.1.2004 gezeigte beanstandungsfreie Verhalten ausgeschlossen

vgl. dazu die Erklärung des Leitenden Medizinaldirektors Dr. S. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 22.9.2004; siehe auch Beschluss des Senats vom 25.8.2005 – 1 U 2/05 -.

Denn es muss gesehen werden, dass unter dem Druck des laufenden Strafverfahrens und des Beschlusses des Senats vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 – bzw. dem für den Kläger durchaus kritischen Beschluss vom 25.8.2005 – 1 U 2/05 – ein gewisses „Wohlverhalten“ des Klägers nahe lag, ohne dass daraus Rückschlüsse auf eine nachhaltige Einstellungs- und Verhaltensänderung des Klägers gezogen werden können, zumal der Kläger bei Nichtbeachtung der vom Senat in den Beschlüssen vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 – und 31.3.2005 – 1 U 1/05 – festgelegten Bedingungen Gefahr lief, dass die Ruhensanordnung umfassend sofort vollzogen wird.

Die hier bejahte konkrete Gefahr für den Kläger in Zukunft aufsuchende Patienten entfällt ferner nicht durch die vom Kläger abgegebene Erklärung, sich auch weiterhin an die vom Senat festgelegten Bedingungen zu halten. Diese Selbstverpflichtung ist rechtlich unverbindlich und vom Kläger ohne unmittelbar eintretende Sanktion jeder Zeit änderbar

vgl. dazu u.a. OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 – 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Ihre Einhaltung könnte außerdem behördlich nicht zuverlässig überwacht werden, da es eine Rechtsgrundlage für ständige Praxiskontrollen nicht gibt.

Eine Beschränkung der Ruhensanordnung auf bestimmte Behandlungsbereiche unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist angesichts der vom Gesetzgeber vorgegebenen Rechtslage nicht möglich. Denn bei der Approbation handelt es sich um eine unbeschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes, bei der weder ein Teilwiderruf noch die Anordnung eines teilweise Ruhens möglich ist

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16.9.1997 – 3 C 12/95 -, BVerwGE 105, 214 = NJW 1998, 2756; anders stellt sich die Situation insoweit im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes dar, vgl. dazu Beschluss des Senats vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 -, NJW 2004, 2033.

Zur Abmilderung der schwerwiegenden Folgen eines vorläufigen Berufsverbots in Form der Anordnung des Ruhens der Approbation verbleibt dem Kläger die Möglichkeit, auf der Grundlage des § 6 Abs. 4 BÄO die Weiterführung seiner Praxis durch einen anderen Arzt genehmigen zu lassen.

Da sich der Beklagte, wie insbesondere seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgegebenen Erklärungen zur Aufrechterhaltung des Bescheides vom 3.9.2002 belegen, bei seiner Entscheidung von den vorstehenden Erwägungen hat leiten und keinen unter Ermessensgesichtspunkten wesentlichen Aspekt außer Acht gelassen hat, ist die Ruhensanordnung - weiterhin - rechtmäßig.

Demnach muss die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückgewiesen werden.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die auf Aufhebung des das Ruhen der Approbation des Klägers anordnenden Bescheides vom 3.9.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 gerichtete Klage abgewiesen.

Die Entscheidung des Beklagten, die Approbation des Klägers ruhen zu lassen, ist - auch aus heutiger Sicht - rechtlich nicht zu beanstanden,

vgl. dazu, dass die Anordnung des Ruhens einer Approbation nicht allein im Hinblick auf die Dauer eines schwebenden Strafverfahrens, sondern erst aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, BVerwG, Beschluss vom 9.9.1970 – 1 B 55/69 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 12 = DÖV 1970, 825.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Bundesärzteordnung - BÄO - kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Diese Vorschrift ermächtigt die Behörde, nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen schon in dem frühen Stadium der Einleitung eines Strafverfahrens zum Schutz von Patienten und - insgesamt - der Allgemeinheit vor den mit Wahrscheinlichkeit von dem Arzt ausgehenden Gefahren rasch einzugreifen. Dabei braucht - anders als beim Widerruf der Approbation - ein die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit aufzeigendes Verhalten des betroffenen Arztes noch nicht nachgewiesen zu sein. Vielmehr reichen, wie die Tatbestandsvoraussetzung „Einleitung eines Strafverfahrens wegen des Verdachts einer Straftat“ bei wortgetreuer Interpretation zeigt, gewichtige Verdachtsmomente in Bezug auf das strafrechtlich relevante Verhalten aus.

Die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO umschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen sind bei wortgetreuem Normverständnis in Ansehung der in der Anklage vom 7.7.2003 erhobenen Vorwürfe zweifelsohne gegeben.

Bei Ausübung des durch § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eröffneten Ermessens - das Ruhen „kann“ angeordnet werden - hat die Behörde dann indes zu beachten, dass das Ruhen der Approbation nicht eine bloße Einschränkung der Berufsausübung, sondern einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl bedeutet, der nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist. Im hier gegebenen Zusammenhang hat die Behörde zudem das Gebot der Unschuldsvermutung zu bedenken, das eine besondere Ausprägung des verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzips ist und verlangt, dass dem Betroffenen in einem justizförmigen Verfahren, das eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte gewährleistet, Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen und bis zum Nachweis der Schuld seine Unschuld vermutet wird. Allerdings heißt das nicht, dass das verfassungsverbürgte Prinzip der Unschuldsvermutung vor einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung es generell verbietet, bereits an den Verdacht einer näher qualifizierten Straftat berufsrechtliche Maßnahmen zu knüpfen

vgl. dazu (allgemein) BVerfG, Beschluss vom 29.5.1990 - 2 BvR 254, 1343/88 -, BVerfGE 82, 106 = NJW 1990, 2741 (im konkreten Fall zur Berücksichtigung bloßer Verdachtsgründe bei der Kostenentscheidung nach Einstellung eines Strafverfahrens, wobei allerdings - so das BVerfG - aus der Begründung deutlich hervorgehen muss, dass es sich nicht um eine gerichtliche Schuldfeststellung oder Schuldzuweisung handelt, sondern nur um die Beschreibung und Bewertung einer Verdachtslage); in diesem Sinne speziell im Zusammenhang mit dem Widerruf der tierärztlichen Approbation BVerfG, Beschluss vom 16.1.1991 - 1 BvR 1326/90 -, NJW 1991, 1530 (1531 f.).

Mit alldem vereinbar ist jedoch nur eine Handhabung der Befugnis, das Ruhen der Approbation anzuordnen, die erst bei einer - wie auch immer zu definierenden - hohen Wahrscheinlichkeit einsetzt, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat und diese so schwerwiegend sind, dass aus ihnen auf eine Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit des betroffenen Arztes geschlossen werden kann (dazu unter I.). Neben der hohen Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Verurteilung kommen wird, setzt ein vorläufiges Berufsverbot als Eingriff in die verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufswahl, d.h. die Befugnis, den einmal gewählten Beruf auch weiterhin auszuüben, weiterhin die Feststellung voraus, dass diese Maßnahme schon vor der Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist (dazu unter II.). Beides ist dabei - auch - aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen. Das folgt aus § 6 Abs. 2 BÄO, wonach eine Ruhensanordnung aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Mithin muss die Behörde eine Ruhensanordnung ständig unter Kontrolle halten und im Falle eines nachträglichen Rechtswidrigwerdens unverzüglich von Amts wegen aufheben

vgl. dazu u.a. VGH Mannheim, Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366, und VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris.

I. Das Erfordernis einer hohen Wahrscheinlichkeit dafür, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten tatsächlich begangen hat, entspricht im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO im Ergebnis einhellig der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wobei allerdings die Wahrscheinlichkeitsprognose mit Blick auf die zu erwartende (rechtskräftige) strafrechtliche Verurteilung in ihrer begrifflichen Umschreibung nicht einheitlich ist.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen verlangt als Voraussetzung für die Ruhensanordnung „eine erhebliche Wahrscheinlichkeit“ der strafrechtlichen Verurteilung, die es offenkundig mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ gleichsetzt

so Beschluss vom 16.2.1987 - 13 B 7049/86 -, NJW 1988, 785, wo anfangs eine „erhebliche Wahrscheinlichkeit“ vorausgesetzt wird, aber dann später die Rede ist von „Straftaten, die sich hiernach mit hoher Wahrscheinlichkeit als von ihm (dem Arzt) begangen erweisen werden“.

In einer weiteren Entscheidung, der bereits eine amtsgerichtliche Verurteilung zugrunde lag, die aufgrund eingelegter, wegen eines von zwei Tatvorwürfen allerdings auf das Strafmaß beschränkter Berufung noch nicht rechtskräftig war, wird ebenfalls eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ der strafgerichtlichen Verurteilung vorausgesetzt. Mit Blick auf die noch nicht rechtskräftige Verurteilung heißt es dann: „Hinsichtlich der Annahme, dass eine strafgerichtliche Verurteilung auch in diesem Falle sehr wahrscheinlich ist, reicht bei summarischer Prüfung allein die Tatsache der - wenn auch noch nicht rechtskräftigen - Verurteilung durch ein Strafgericht aus, zumal es dem Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht gelungen ist, die Feststellungen des Amtsgerichts schlüssig zu entkräften“

OVG Münster, Beschluss vom 24.9.1993 - 5 B 1412/93 -, ArztR 1994, 149; in weiteren, ebenfalls in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidungen wird im Zusammenhang mit der Ruhensanordnung im Stadium vor einer Anklageerhebung auf ein „strafrechtlich relevantes und wahrscheinlich zu einer Verurteilung führendes Verhalten“ abgestellt - vgl. OVG Münster, Beschluss vom 12.2.1996 - 13 B 3134/95 -, Leitsatz dokumentiert bei Juris, bzw. darauf, dass „nach dem derzeitigen Erkenntnisstand“ jedenfalls eine Verurteilung des Antragstellers wegen der Zuwiderhandlungen gegen das Arzneimittelgesetz wahrscheinlich ist, wobei dies wenige Zeilen später dahingehend konkretisiert wird, dass der betreffende Arzt der „ihm im Ermittlungsverfahren vorgeworfenen strafbewehrten Handlungen dringend verdächtig ist“ - vgl. OVG Münster, Beschluss vom 21.5.1996 - 13 B 350/96 -, NJW 1997, 2470; in diesem Sinne auch OVG Münster, Beschluss vom 27.11.1992 - 5 B 2973/92 -, MedR 1993, 355, betreffend die Anordnung des Ruhens der tierärztlichen Approbation auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Bundestierärzteordnung - BTÄO -, der mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO wörtlich übereinstimmt; all dies bestätigend OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 - 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Niedersachsen hat im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens, das die Anordnung des Ruhens der Approbation einer Apothekerin gemäß § 8 Abs. 1 Bundesapothekerordnung - BApO - betraf,

diese Vorschrift entspricht ebenfalls wörtlich § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO

angenommen, dass diese Anordnung „nur dann rechtlich nicht zu beanstanden (sei), wenn eine Verurteilung des Apothekers wegen der ihm zur Last gelegten Straftaten hinreichend wahrscheinlich ist“. Es hat das Bestehen dieser Voraussetzung im Wesentlichen damit begründet, dass mit der Anklageerhebung die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht bejaht habe, da die Erhebung der Anklage nach § 170 Abs. 1 StPO voraussetze, dass der Beschuldigte der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig sei. Darüber hinaus habe auch die Große Strafkammer des Landgerichts einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, indem sie das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen habe, weil diese Entscheidung nach § 203 StPO gleichermaßen voraussetze, dass der Angeschuldigte nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens einer Straftat hinreichend verdächtig erscheine

vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 29.8.2002 - 8 LA 92/02 -, NVwZ-RR 2003, 349; ebenso - die Verurteilung des Arztes wegen der ihm zur Last gelegten Straftat muss „hinreichend wahrscheinlich“ sein - Beschluss vom 15.7.2003 - 8 ME 96/03 -, dokumentiert bei Juris.

Anders wäre der Fall nur dann - so das OVG Lüneburg -, wenn besondere Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass trotz der übereinstimmenden Annahme eines hinreichenden Tatverdachts durch die Große Strafkammer des Landgerichts und die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Apothekerin nicht zu erwarten sei. Im konkreten Fall waren derartige Anhaltspunkte nach Einschätzung des Gerichts weder ersichtlich noch von der Klägerin dargelegt.

Diesen Grundsatz der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung hat das OVG Lüneburg in einem späteren Beschluss, dem die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ruhens der ärztlichen Approbation zugrunde lag, bestätigt

Beschluss vom 16.3.2004 - 8 ME 164/03 -, NJW 2004, 1750; abweichend hiervon war das VG Hannover als Vorinstanz davon ausgegangen, dass bei Straftaten gegen das Leben, wie sie im gegebenen Fall in Rede standen, die „überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung ausreichend“ sei, vgl. Beschluss vom 25.9.2003 - 5 B 2942/03 -, NJW 2004, 311 (312); das VG Lüneburg wiederum hält in Übereinstimmung mit dem ihm übergeordneten OVG die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung für notwendig, um eine Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu rechtfertigen, vgl. Beschluss vom 19.6.2003 - 5 B 28/03 -, dokumentiert bei Juris; ähnlich wie das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 29.8.2002 hatte das VG Schleswig bereits mit Beschluss vom 22.12.1989 - 12 B 80/89 -, Leitsatz dokumentiert bei Juris, die Auffassung vertreten, dass die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Anordnung des Ruhens der Approbation nach Einleitung des Strafverfahrens durch Erhebung der Anklage nicht verlangt, dass vom Verwaltungsgericht (nochmals) geprüft wird, ob eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der strafgerichtlichen Verurteilung besteht.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg setzt für die Rechtmäßigkeit einer Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat, voraus. Diese hohe Wahrscheinlichkeit wird dann im Verlaufe der weiteren Erörterungen dahingehend konkretisiert, dass einem Arzt die Berufsausübung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO dann vorläufig untersagt werden kann, „wenn die Dringlichkeit des Tatverdachts seine Verurteilung wahrscheinlich macht“

Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366 -; im konkreten Fall war zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Hauptverhandlung in der Strafsache vor dem Landgericht ausgesetzt, weil die Einholung eines weiteren (zeitraubenden) Sachverständigengutachtens angeordnet worden war; das VG Stuttgart hat für die Ruhensanordnung nach Einleitung des Strafverfahrens „eine große Wahrscheinlichkeit für die strafgerichtliche Verurteilung des betroffenen Arztes“ gefordert, die gegeben sei, wenn „seine Täterschaft mit erheblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist“; im gegebenen Fall war der betreffende Arzt erstinstanzlich vom Amtsgericht wegen Körperverletzung in zwei Fällen in Tateinheit mit einem Fall der Beleidigung verurteilt worden, wobei das VG Stuttgart davon überzeugt war, dass dieses Urteil in der Berufungsinstanz „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ Bestand haben werde, vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 16.8.1999 - 4 K 2115/99 -, MedR 2000, 142 sowie Leitsatz, dokumentiert bei Juris.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Fall, in dem eine Anklage erhoben und vom Landgericht zugelassen worden war, angenommen, dass damit der „ernsthafte Verdacht“ bestanden habe, dass der angeschuldigte Tierarzt

wie bereits dargelegt, stimmt § 8 Abs. 1 Nr. 1 BTÄO wörtlich mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO überein,

die ihm darin vorgeworfenen Straftaten begangen hat. Davon ausgehend - so der VGH - könnten „nur offensichtliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Anklage den durch deren Erhebung bekräftigten Verdacht widerlegen“. Denn „zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des ernsthaften Verdachtes einer Straftat im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BTÄO genügt es - so der VGH weiter -, wenn sich aus den vorliegenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ernsthafte Verdachtsmomente ergeben, aus denen mit hoher Wahrscheinlichkeit folgt, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat und deshalb mit einer Bestrafung rechnen muss“. Folge aus den vom Kläger geltend gemachten Einwendungen keine solche offensichtliche Unrichtigkeit der erhobenen Anklage und werde demgemäß der in ihr festgehaltene Sachverhalt zugrunde gelegt, so ergebe sich daraus - so die wiederholende Feststellung des VGH - „mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit, dass gegen den Kläger der ernsthafte Verdacht der Begehung von Straftaten bestand und mit seiner Verurteilung deshalb gerechnet werden konnte“

VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris; zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war das Strafverfahren nach Zahlung von 8.000,- DM an eine gemeinnützige Einrichtung gemäß § 153 a Abs. 2 Satz 1 StPO bereits eingestellt -; ähnliche Grundsätze hatte der VGH München seinem - nicht veröffentlichten - Beschluss vom 18.7.1996 - 21 Cs 96.155 - zugrunde gelegt, wobei allerdings in dem dort zu beurteilenden Fall bereits eine - noch nicht rechtskräftige - erstinstanzliche strafgerichtliche Verurteilung erfolgt war.

Unter Berücksichtigung dieser in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angewandten Grundsätze hält der Senat insbesondere mit Blick auf den Eingriff in eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition für die im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO in Bezug auf eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers zu treffende Prognoseentscheidung eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit seiner Verurteilung, was den Kern beziehungsweise die Mehrzahl der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe anbelangt, für erforderlich. Dabei hat der Senat auf der Grundlage des bisherigen strafrechtlichen Ermittlungsergebnisses und des Vorbringens der Beteiligten eine eigenständige aktuelle Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers besteht

vgl. u.a. OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 - 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Er ist dabei allerdings nicht gehalten, selbst in die Erhebung der im Ermittlungs- und Strafverfahren aufgebotenen Beweise oder gar in eine Amtsermittlung einzutreten und gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Strafgericht parallelen Strafprozess durchzuführen. Deshalb ist der Bejahung oder Verneinung der Verurteilungswahrscheinlichkeit im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO eine Unsicherheit im Verhältnis zu dem tatsächlichen Ausgang des Strafprozesses eigen

so begründet der VGH Mannheim in dem Beschluss vom 19.7.1991 - wie dargelegt - die „hohe Wahrscheinlichkeit“ dafür, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat, letztlich damit, dass „die Dringlichkeit des Tatverdachts seine Verurteilung wahrscheinlich macht“, also im Ergebnis nur mit der (bloßen) Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung; in ähnlicher Weise begründet der VGH München in dem Beschluss vom 14.12.1998 - wie dargelegt - die von ihm bejahte „genügend hohe Wahrscheinlichkeit“ einer Verurteilung im Ergebnis damit, dass sich aus den „staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ernsthafte Verdachtsmomente ergäben (was durch die Erhebung der Anklage belegt werde), dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat“.

1. Der Senat hält eine Verurteilung des Klägers wegen der Mehrzahl der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe für sehr wahrscheinlich.

Die Staatsanwaltschaft B-Stadt hat den Kläger am 7.7.2003 beim Landgericht - Schwurgericht - in B-Stadt angeklagt, in der Zeit vom 21.2.2000 bis zum 7.12.2000 in seiner Homburger Praxis durch 17 selbständige Handlungen in 13 Fällen einen Betrug und in vier Fällen einen Betrugsversuch gegenüber Patienten begangen zu haben und durch dieselben Handlungen in 17 Fällen dieselben Patienten vorsätzlich körperlich misshandelt und an der Gesundheit beschädigt zu haben, wobei er in einem Fall durch die Körperverletzung den Tod des Betreffenden verursacht habe (Verbrechen und Vergehen gemäß §§ 223, 227, 263 Abs. 1, 22, 23, 52 StGB). Mit Beschluss vom 28.8.2003 hat die 1. Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts B-Stadt die Anklage vom 7.7.2003 zur Hauptverhandlung zugelassen. Indem mit diesen Entscheidungen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Schwurgericht im Verständnis der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, nämlich der §§ 170 Abs. 1, 203 StPO, von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Verurteilung des Klägers ausgegangen sind, kommt diesem Umstand auch im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO erhebliches Gewicht zu

in diesem Sinne auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 29.8.2002 - 8 LA 92/02 -, NVwZ-RR 2003, 349, sowie VGH München, Beschluss vom 14.12.1998 - 21 B 92.985 -, dokumentiert bei Juris.

Der seitens der Anklagebehörde gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf lässt sich im Kern dahingehend zusammenfassen, dass er bei - vorwiegend griechischen - Patienten mit Krebserkrankungen im Endstadium wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Heilversuche vorgenommen hat, ohne die Patienten zuvor ausreichend über die Behandlung in Form eines Heilversuchs, über eventuelle Behandlungsrisiken und insbesondere über die angesichts des finalen Krankheitszustands realistischen Heilungschancen bzw. Behandlungsalternativen, etwa in Form palliativer Maßnahmen, aufgeklärt zu haben, und in dieser Situation von den Patienten Honorare in Höhe von insgesamt etwa 300.000,-- DM gefordert und erhalten hat. Wegen der Einzelheiten kann auf die 42 Seiten umfassende Anklageschrift Bezug genommen werden, in der das Ermittlungsergebnis detailliert dargelegt ist und die Beweismittel im Einzelnen angeführt sind

hervorzuheben sind hierbei die beiden Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 und 4.4.2002 (Bl. 450 ff. und Bl. 619 ff. der Strafakten).

Der Anklageschrift kommt auch unter Berücksichtigung der vom Kläger dagegen geltend gemachten Einwände nach wie vor ein erdrückender Beweiswert zu. In Anbetracht des bereits erwähnten Umstands, dass die Verwaltungsgerichte zu einer eigenständigen Überprüfung des Gewichts der strafrechtlichen Vorwürfe verpflichtet sind, ohne dass sie deshalb selbst in die Erhebung der in Ermittlungs- und Strafverfahren aufgebotenen Beweise eintreten müssen und gewissermaßen einen zum Verfahren vor dem Strafgericht parallelen Strafprozess durchzuführen haben, ist festzustellen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Klägers im Kernbereich der erhobenen Vorwürfe unverändert sehr hoch ist.

Bei ärztlichen Eingriffen ist eine tatbestandliche und rechtswidrige Körperverletzung (§ 223 StGB) immer dann gegeben, wenn infolge unzureichender ärztlicher Aufklärung über die vorgesehene Behandlung keine wirksame Einwilligung in sie vorliegt, wobei zusätzlich feststehen muss, dass bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die beabsichtigte Behandlung die Einwilligung unterblieben wäre (= Nicht-Vorliegen einer so genannten hypothetischen Einwilligung)

vgl. zu letzterem u.a. BGH, Beschluss vom 15.10.2003 - 1 StR 300/03 -, NStZ-RR 2004, 16 = JZ 2004, 799.

Neben dem Umstand, dass der Kläger bei allen in der Anklageschrift aufgeführten Patienten, die an soliden Tumoren in fortgeschrittenen Stadien, in der Regel mit Metastasierungen in andere Organe, litten, ein experimentelles, nicht etabliertes und die Patienten erheblich belastendes Verfahren der Tumorbehandlung, nämlich eine Tryptophanelimination mittels einer Blutwäsche, die er mit einer Hämoperfusion (Adsorption von Blutplasmabestandteilen an beschichtete Aktivkohlefilter) kombinierte, zur Anwendung gebracht hat

vgl. dazu im Einzelnen das Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001, Blatt 2 bis Blatt 12, sowie das weitere Gutachten vom 4.4.2002, Seiten 5, 7 bis 9,

wird ihm vor allem zum Vorwurf gemacht, dass er gegenüber diesen Patienten die Angabe unterlassen hat, dass es sich um ein rein experimentelles Verfahren handelt und weder Daten über den Erfolg noch ein theoretisches Modell über eine mögliche Wirksamkeit existieren. Darüber hinaus geht der Vorwurf dahin, dass er seinen Patienten (unrealistische) gute Heilungschancen beziehungsweise Heilungschancen von in der Regel 70 % versprochen haben soll

vgl. Anklageschrift, Seiten 2 bis 5.

Gegenüber diesen Vorwürfen wendet der Kläger zum einen ein, die Anforderungen an die ärztliche Aufklärung bei Patienten, die von der Schulmedizin als austherapiert und „hoffnungsloser Fall“ bereits aufgegeben worden seien, stellten sich gänzlich anders dar als in einer Aufklärungssituation, bei der es um die Wahl alternativer Behandlungsmethoden innerhalb der Schulmedizin gehe (dazu nachfolgend a.).

Zum anderen behauptet er, er habe keine Heilung, sondern den Patienten, die nach einem „letzten Strohhalm“ gegriffen hätten, lediglich Linderung versprochen, die in einer Vielzahl der Fälle, wenn auch nur kurzfristig, herbeigeführt worden sei (dazu nachfolgend b.).

a. Was den Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht auch und gerade gegenüber Krebspatienten, denen seitens der Schulmedizin keine realistische Heilungschancen mehr eingeräumt werden, anbelangt, ist dem Kläger mit aller Deutlichkeit entgegenzuhalten, dass jeder Patient beanspruchen kann, dass er über das Behandlungsverfahren, die Behandlungsrisiken und die Behandlungsaussichten umfassend informiert wird. Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten, dem stets die Entscheidung darüber zusteht, ob und in welchem Umfang er einem ärztlichen Heileingriff mit den damit verbundenen Chancen und Risiken für seinen Körper und seine Gesundheit zustimmen will, erfordert ausnahmslos eine vollständige Aufklärung über die Behandlungsmethode, die zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen, die damit jeweils verbundenen Belastungen und nicht zuletzt auch darüber, welche unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen mit verschiedenen in Betracht kommenden Behandlungen verbunden sind

vgl. zur ärztlichen Aufklärung insbesondere bei Behandlungsalternativen u.a. BGH, Urteile vom 7.4.1992 - VI ZR 224/91 -, NJW 1992, 2353, vom 24.11.1987 - VI ZR 65/87 -, NJW 1988, 765, und vom 22.9.1987 - VI ZR 238/86 -, NJW 1988, 767.

Auch ein sterbenskranker oder sterbender Mensch hat ein Selbstbestimmungsrecht und ist nicht „Freiwild“ für experimentierfreudige Mediziner.

Von seiner - jetzigen - eigenen Einlassung ausgehend, er habe den in der Anklageschrift genannten Patienten keine Heilung, sondern nur Linderung versprochen, hätte der Kläger in besonderem Maße die Pflicht gehabt, diese Patienten alternativ über die Möglichkeiten der Palliativmedizin zu informieren, zumal er selbst - soweit ersichtlich - in der Vergangenheit nicht als Experte auf dem Gebiet der Palliativmedizin in Erscheinung getreten ist.

Im Saarland gibt es insgesamt drei Krankenhäuser mit Palliativ-Stationen, nämlich die SHG-Kliniken in Merzig, das St. Michael Krankenhaus in Völklingen und die Saarbrücker Caritas-Klinik, vgl. dazu etwa Saarbrücker Zeitung, Ausgabe vom 11.11.2005 (Nr. 262), Seite C 1.

Gerade wenn der Kläger nach eigener Einschätzung allenfalls bedingt in der Lage war, den ihm überwiegend aus Griechenland vermittelten Patienten zu helfen, so hatte er in dem äußerst sensiblen Bereich, in dem er tätig war, nämlich bei der Behandlung so genannter austherapierter Krebspatienten, bereits vorvertraglich neben den geplanten Maßnahmen über das Leistungsziel, insbesondere über die Wirksamkeit der Therapie als solche und darüber hinaus über deren Chancen im Einzelnen aufzuklären. Ihm musste bewusst sein, dass ein schwer krebskranker Patient eine äußerst geringe Hemmschwelle in Bezug auf den Abschluss eines Arztvertrages hat, wenn ihm im Vorfeld ein für ihn günstiges Therapieziel vor Augen geführt wird. Bekanntermaßen nehmen viele Krebspatienten unter Verdrängung der Realität nur noch das auf, was für sie (angeblich) von Vorteil ist und Heilung, Besserung oder zumindest Erhaltung des momentanen Zustands verspricht. Deshalb ist der Arzt in einer so geprägten Situation gehalten, den Patienten klar und eindeutig über die wahre Situation und die realistischen Chancen einer ins Auge gefassten Therapie aufzuklären. Das gilt insbesondere dann, wenn mit dieser Therapie für den Patienten hohe Kosten verbunden sind, weil - wie durchweg hier - weder eine gesetzliche noch eine private Krankenversicherung eintrittspflichtig ist

vgl. zum Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht bei der Behandlung von Krebspatienten OLG Hamm, Urteil vom 14.3.2001 - 3 U 197/00 -, NJW 2002, 307 = VersR 2001, 895.

Jede im Rahmen des Patientengesprächs verschleiernd wirkende oder die realistisch erreichbare Situation verzerrende Maßnahme in Fallgestaltungen derart, wie sie dem Kläger in der Anklageschrift zum Vorwurf gemacht werden, begründet deshalb eine Aufklärungspflichtverletzung des behandelnden Arztes.

Der Kläger behauptet selbst nicht, er habe seine Patienten darüber informiert, dass es sich bei dem von ihm propagierten Verfahren der extrakorporalen Tryptophanverarmung um ein rein experimentelles Verfahren ohne ausreichende naturwissenschaftliche Belege handelt, für das bisher nur tierexperimentell gewonnene Erkenntnisse vorliegen, die nicht ohne Weiteres deckungsgleich auf den Menschen übertragen werden können, so dass bisher auch keinerlei Daten über den Erfolg einer solchen Behandlung bei an Krebs erkrankten Menschen vorliegen

vgl. zu dieser Bewertung des vom Kläger praktizierten Heilversuchs überzeugend (siehe S. 41/42 dieses Urteils) das bereits erwähnte Gutachten vom 12.6.2001, Blatt 12 (letztes Blatt).

Von all dem ausgehend kann nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger der ihm obliegenden ärztlichen Aufklärungspflicht nur unzureichend nachgekommen ist und damit eine wirksame Einwilligung in die Behandlung ausscheidet, ohne dass es für den strafrechtlichen Vorwurf der Körperverletzung darauf ankommt, ob er über die allgemeinen Behandlungsrisiken, insbesondere die Risiken der Katheteranlage, die sich je nach Krankheitszustand und allgemeiner Konstitution der Patienten unterschiedlich darstellten, umfassend und einzelfallbezogen aufgeklärt hat (letzterem kann allerdings für die Strafzumessung Bedeutung zukommen).

b. Nach dem bisherigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnis bestehen darüber hinaus dringende Gründe für die Annahme, dass der Kläger zumindest in der Mehrzahl, nämlich in 15 der zur Anklage gebrachten 17 Fälle, seinen Patienten sehr hohe und damit völlig unrealistische Heilungschancen zumindest in Aussicht gestellt und keineswegs als Behandlungsziel (lediglich) eine Linderung des Leidens mittels palliativ-medizinischer Maßnahmen vorgegeben hat.

Dazu ist vorab zu bemerken, dass nicht geleugnet werden kann, dass dem Nachweis des zu dem in Rede stehenden Fragenkomplex bisher vorliegenden Ermittlungsergebnisses in der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht durchaus Schwierigkeiten gegenüberstehen, die vor allem darauf beruhen, dass zwischenzeitlich alle vom Kläger behandelten, in der Anklage aufgeführten Patienten verstorben sind und im Ermittlungsverfahren nur eine der Betroffenen persönlich als Zeugin polizeilich vernommen worden ist, nämlich Frau H.K. (Ziffer 12 der Anklage), wohingegen im Übrigen - den Fall des Herrn F.B. (Ziffer 11 der Anklage) ausgenommen, zu dem immerhin Angehörige polizeilich gehört wurden - standardisierte Zeugenfragebogen versandt worden sind, die bis auf einen Fall - nur die Patientin M. (Ziffer 9 der Anklage) hat diesen Fragebogen persönlich ausgefüllt - von Angehörigen der früheren Patienten des Klägers ausgefüllt wurden, die allerdings - so ihre Angaben - als Begleitpersonen die relevanten Erklärungen des Klägers im Zusammenhang mit den Behandlungen unmittelbar haben zur Kenntnis nehmen können. Die die genannten Patientinnen K. und M. betreffenden schriftlichen Bekundungen (Vernehmungsprotokoll vom 4.12.2000 bzw. - ohne Datum - Zeugenfragebogen) können auch ohne Zustimmung der Strafverfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung verlesen werden (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO). Angehörige der verstorbenen Patienten, die bei den Gesprächen mit dem Kläger zugegen waren, werden, soweit es auf ihre Bekundungen aus Sicht des Schwurgerichts ankommt, bei fehlendem Einverständnis des Klägers und/oder seines Verteidigers (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO) voraussichtlich persönlich vor dem Strafgericht aussagen müssen, da die weite Entfernung vom Gerichtsort in der Regel nicht ausreicht, um den Ausnahmetatbestand der Unmöglichkeit der Vernehmung im Verständnis des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO zu begründen

vgl. dazu u.a. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 251 Rn. 26, 27.

Soweit der Kläger in Bezug auf die Zeugenfragebogen beanstandet, dass eine Ermahnung zur Wahrheitspflicht (§ 57 StPO) unterblieben sei, könnte dies strafprozessual von vornherein nur für die ohne seine Zustimmung mögliche Verlesung der schriftlichen Bekundungen der M. Bedeutung haben. Die hier nicht erfolgte Ermahnung zur Wahrheitspflicht ist jedoch verfahrensrechtlich ohne Bedeutung, da § 57 StPO nur eine im Interesse des Zeugen erlassene Ordnungsvorschrift beinhaltet, auf deren Verletzung eine Revision nicht gestützt werden kann

vgl. u.a. Meyer-Goßner, a.a.O., § 57 Rn. 6.

Im Übrigen unterliegt die Bewertung dieser schriftlichen Zeugenbekundungen der freien Beweiswürdigung des Strafgerichts (§ 261 StPO). Letzteres gilt gleichermaßen für den Inhalt des zu verlesenden Protokolls über die polizeiliche Vernehmung der Zeugin K. (die indes mit deren Einverständnis auf Video und Tonband aufgezeichnet worden ist, was im Vergleich zum bloßen Verlesen eine bessere Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage ermöglicht) und die schriftlichen Bekundungen der übrigen im Ermittlungsverfahren angehörten Zeugen, soweit diese aus gewichtigen Gründen in absehbarer Zeit nicht vor dem Strafgericht vernommen werden können (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO).

Ungeachtet der dem Schwurgericht im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 261 StPO) vorbehaltenen Bewertung der mittels Urkundenbeweises in die Verhandlung einzuführenden polizeilich protokollierten beziehungsweise schriftlich dokumentierten Zeugenbekundungen und etwaigen unmittelbaren Zeugenaussagen vor dem Strafgericht ist mit Blick auf die vom Senat (lediglich) zu treffende Prognoseentscheidung hier nur zu prüfen, ob die aufgrund des derzeitigen Ermittlungsergebnisses gegebene Beweislage mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Vorwurf bestätigen wird, dass der Kläger den von ihm behandelten Krebspatienten unrealistische Therapieergebnisse in Aussicht gestellt hat. Das ist eindeutig zu bejahen, wie die im Folgenden wiedergegebenen Zeugenbekundungen zeigen

die genauen Fundstellen der jeweiligen Dokumente in den Beiakten zu den Ermittlungs- und Strafakten sind in der Anklageschrift im Zusammenhang mit den jeweils angeklagten, von 1 bis 17 durchnummerierten Behandlungsfällen angegeben.

Die damals 67 Jahre alte Zeugin K. (Anklage Ziffer 12), der - so ihre Angaben gegenüber dem sie vernehmenden Polizeibeamten - von den sie behandelnden Ärzten der Caritas-Klinik B-Stadt mitgeteilt worden war, dass diese ihr keine Hoffnung auf Heilung mehr machen könnten, hat ausgesagt, der Kläger habe ihr gegenüber erklärt, dass mit seiner Behandlung der Tumor zum Stillstand kommen werde; er habe gesagt: „Das bekommen wir nochmal hin“. Hätte er ihr gesagt - so die Zeugin -, dass man über eine Heilungschance noch gar nichts sagen könne, weil das Verfahren noch nicht erprobt sei, hätte sie nicht in die Behandlung eingewilligt.

Die bereits erwähnte Patientin M. (Anklage Ziffer 9), die von ihrem Ehemann nach A-Stadt begleitet worden war, hat in dem von ihr persönlich ausgefüllten Fragebogen angegeben, der Kläger habe allgemein Erfolgsaussichten von 50 - 60 % versprochen; für sie persönlich habe er sehr gute Ergebnisse in Aussicht gestellt.

Gegenüber der in Düsseldorf wohnenden und deutsch sprechenden Schwägerin Dr. E. der Patientin A. (Anklage Ziffer 3) hat der Kläger im Beisein der Patientin angegeben, die Erfolgschancen seiner Behandlung lägen bei 60 – 70%, vor allem bei Darm-, Lungen- und Brustkrebs. Die Prognose für die genannte Patientin hat er als sehr gut bezeichnet, weil sie sich in gutem physiologischen Zustand befinde. Es seien 2 mal 20 Behandlungen vorgesehen gewesen.

Der Ehemann der Patientin T.

so die im Vergleich zur Anklageschrift abweichende Schreibweise im Zeugenfragebogen

(Anklage Ziffer 5), der seine Ehefrau nach eigenen Angaben während der gesamten Behandlung in der Praxis des Klägers begleitet hat, hat auf die Fragen, welchen Erfolg der Kläger vor der Behandlung in Aussicht gestellt habe und ob eine Heilung versprochen worden sei, geantwortet, der Kläger habe erklärt, die Therapie weise - so der aktuelle Stand - vollen Erfolg (100 %) bei Experimenten mit Tieren und 70 % bei der Anwendung an Menschen auf; auch sei ihnen gesagt worden, es bestünden bei seiner Frau 70 % Erfolgsaussichten.

Die Tochter P., die ihren Vater D. (Anklage Ziffer 7) nach A-Stadt begleitet hat, hat in dem von ihr ausgefüllten Zeugenfragebogen angegeben, der Kläger habe eine Verkleinerung bis ein Verschwinden des Tumors in Aussicht gestellt und insgesamt eine Heilung versprochen.

Im Beisein des L., der seine an Leberkrebs mit Metastasen am Dickdarm erkrankte Ehefrau (Anklage Ziffer 8) nach A-Stadt begleitet hat, hat der Kläger bei der ersten Begegnung sich als absolut sicher für eine gefahrlose und erfolgreiche Therapie gezeigt, und er hat „gute Resultate“ versprochen; er habe erklärt, die Perspektiven seien gut

so die Angaben im Zeugenfragebogen unter dem Datum vom 12.2.2001.

Der Ehemann der Patientin G. (Anklage Ziffer 10), der seine Ehefrau ebenfalls nach A-Stadt begleitet hatte, hat auf die Fragen im Zeugenfragebogen geantwortet, der Kläger habe erklärt, „dass wir sehr gute Ergebnisse haben werden“, und er habe ebenso wie bereits zuvor Dr. G. Heilung versprochen.

Im Weiteren hat der Bruder C. der damals 14-jährigen Patientin H. (Anklage Ziffer 17)

in der beglaubigten Übersetzung des Zeugenfragebogens wird der Name „C.“ aufgeführt,

der seine Schwester zusammen mit seiner Mutter nach A-Stadt begleitet hatte, bestätigt, dass sowohl der Kläger als auch Dr. G. gesagt hätten, die Therapie verspreche einen Erfolg von 70 %.

Sodann hat der am 15.2.2001 polizeilich vernommene Sohn M.B. des bereits erwähnten Patienten F.B. (Anklage Ziffer 11) bekundet, sein Vater habe ihm über die mit dem Kläger geführten Gespräche berichtet. Danach habe der Kläger seinem Vater - dieser war an Prostatakrebs erkrankt - erklärt, es könnten mit seiner Methode nicht alle Tumore behandelt werden, so etwa nicht Gehirntumore. Bei allen anderen Krebsarten - so der Kläger - gebe es hohe Erfolgsquoten; der Krebs sei zum Stillstand gekommen. Der Kläger habe seinem Vater auch gesagt, er werde im Rahmen einer „Studie unter der Ägide der Uni A-Stadt“ behandelt; das habe sein Vater „steif und fest behauptet“ und damit untermauert, dass das Gebäude ja in der Nähe der Universität liege.

Schließlich ist auf einen polizeilichen Vermerk

Beiakte 1 Bd A Nr. 9 Bl. 9.7 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte

vom 1.12.2000 hinzuweisen, in welchem festgehalten ist, dass der Z., geboren am 20.9.1972, bei dem Sachbearbeiter B. des LKA angerufen hat. Dabei hat er über einen sehr gut deutsch sprechenden Mittelsmann dem Beamten B. mitgeteilt, dass er seinen mittlerweile verstorbenen Vater Z. (Anklage Ziffer 6) nach A-Stadt zur Behandlung bei dem Kläger begleitet habe. Bei dem ersten Gespräch, das er mit dem Kläger auf Englisch geführt habe, habe dieser von einer 70 %igen Heilungschance gesprochen.

Andererseits kann nicht unerwähnt bleiben, dass nach den Bekundungen mehrerer Angehöriger, die die an Krebs erkrankten Patienten nach A-Stadt begleitet haben, der Kläger in deren Beisein sich nicht zu den Erfolgsaussichten der Therapie geäußert, sondern lediglich Dr. G. von hohen Erfolgsaussichten bzw. von gänzlicher Heilung gesprochen habe

das betrifft die Patienten bzw. Patientinnen D. (Anklage Ziffer 1), I. (Anklage Ziffer 4), S. (Anklage Ziffer 13), G. (Anklage Ziffer 14) und E. (Anklage Ziffer 15), vgl. dazu die entsprechenden Zeugenfragebogen.

Allerdings wird diesem Unterschied, wovon die Anklage offenkundig ausgeht, im Strafverfahren voraussichtlich keine ausschlaggebende rechtliche Bedeutung zukommen, da nach den Gegebenheiten alles dafür spricht, dass dem Kläger bekannt war, dass Dr. G. ihm die griechischen Patienten mit dem Versprechen großer Heilungschancen zugeführt hat. Demgemäß hat die Zeugin F. in dem von ihr unter dem 8.5.2001 unterschriebenen Zeugenfragebogen auf die in ihrem Beisein an den Kläger gerichtete Frage nach den Erfolgsaussichten der Behandlung ausgeführt:

„Seine Antwort auf eine diesbezügliche Frage von uns war: „Ich hoffe es.“ Aber Herr G., der für die Griechen eher zugänglicher war, hat von hohen Erfolgsaussichten gesprochen, die Herr A. nie in Frage stellte.“

Wenn dem Kläger aber bekannt war, dass den zu ihm in Behandlung gekommenen Patienten aus Griechenland zuvor seitens des nach übereinstimmenden Angaben zahlreicher befragter Patientenangehöriger häufig in der Praxis des Klägers anwesenden und durchweg als dessen „Mitarbeiter“ eingestuften Dr. G. große Heilungschancen in Bezug auf ihr weit fortgeschrittenes Krebsleiden versprochen bzw. in Aussicht gestellt worden waren, so wäre er vor Abschluss eines Arztvertrages verpflichtet gewesen, dies gegenüber den Patienten richtig zu stellen, sofern er diese Einschätzung nicht geteilt hätte.

Insgesamt ist deshalb in hohem Maße wahrscheinlich, dass dem Kläger im Strafverfahren nachgewiesen werden kann, dass er in zumindest 15 Fällen hohe Heilungschancen in Aussicht gestellt hat, sei es, dass er selbst entsprechende Erklärungen gegenüber den Patienten abgegeben, sei es, dass er sich gleichlautende Versprechungen des Dr. G. diesen gegenüber konkludent zu Eigen gemacht hat. Seine Behauptung, er habe lediglich eine Linderung des Leidens mittels palliativ-medizinischer Maßnahmen zugesichert, dürfte ihm nach den aufgezeigten Gegebenheiten im Strafverfahren eindeutig zu widerlegen sein. Denn abgesehen von dem bisher Dargelegten erscheint es in hohem Maße unwahrscheinlich, anzunehmen, dass überwiegend austherapierte Krebspatienten mit all den damit verbundenen Beschwernissen und Kosten sich zur Behandlung nach A-Stadt begeben, um dort eine palliativ-medizinische Behandlung zu erfahren, die sie mit Sicherheit in Griechenland ebenfalls hätten erhalten können.

Von diesem Sachverhalt ausgehend ist auch kein Raum für die Annahme, die Patienten hätten der sie körperlich sehr belastenden und finanziell kostspieligen Behandlung auch dann zugestimmt, wenn der Kläger sie insbesondere über den rein experimentellen Charakter des Heilversuchs aufgeklärt und ihnen dabei wahrheitsgemäß mitgeteilt hätte, dass über einen möglichen Therapieerfolg keine Angaben gemacht werden können, weil bisher noch keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über die Wirksamkeit dieser Methode zur Krebsbehandlung beim Menschen vorliegen. Jedenfalls besteht angesichts der aufgezeigten konkreten Umstände eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der rechtliche Gesichtspunkt einer „hypothetischen Einwilligung“ im Strafprozess nicht zugunsten des Klägers auswirken wird, und zwar auch unter Zugrundelegung der sehr strengen Kriterien, die der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang aufgestellt hat

vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 15.10.2003 - 1 StR 300/03 -, NStZ-RR 2004, 16 = JZ 2004, 799, sowie Urteil vom 25.9.1990 - 5 StR 342/90 -, dokumentiert bei Juris; siehe auch OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.9.2000 - 6 R 1/99 -, Seite 41 ff., zu einem Fall des Vorwurfs der vorsätzlichen Körperverletzung gegenüber einem beamteten Arzt, in dem der Einwand der „hypothetischen Einwilligung“ des geschädigten Patienten mit Blick auf die (näher dargelegten) konkreten Umstände von der Großen Strafkammer des Landgerichts zurückgewiesen worden war, was die Billigung des BGH gefunden hatte, der die Revision, mit der gerade dieser Punkt mittels Sachrüge angegriffen worden war, verworfen hat.

c) Die Annahme einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit strafgerichtlicher Verurteilung des Klägers wegen vorsätzlicher Körperverletzung wird nicht durchgreifend durch die Angriffe des Klägers gegen die von der Staatsanwaltschaft eingeholten Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 und 4.4.2002 in Frage gestellt. Es mag sein, dass sich im Zusammenhang mit der Auswahl der Gutachter durch die Staatsanwaltschaft die Frage der ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs stellen kann und dass die Gutachter sich teilweise zu Fragen geäußert haben, deren Beantwortung allein dem Strafrichter obliegt, etwa im Zusammenhang mit den Anforderungen und der Erfüllung der ärztlichen Aufklärungspflicht. Soweit die Gutachter sich dabei aufgrund der von ihnen festgestellten - vom Kläger übrigens zugestandenen - unzureichenden ärztlichen Dokumentation teilweise auf Unterstellungen und Mutmaßungen stützen, betrifft dies in erster Linie die Aufklärung über die spezifischen Behandlungsrisiken, vor allem Risiken der Katheteranlage, mit Blick auf die besondere Situation eines Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung. Ob dem Kläger insoweit ebenfalls eine unzureichende Aufklärung vorzuwerfen ist, ist unter Strafzumessungsgesichtspunkten möglicherweise im Strafverfahren zu klären; für die im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu treffende Prognoseentscheidung reicht es aus, dass der Kläger - wie ausgeführt - seine ärztliche Aufklärungspflicht in anderen rechtserheblichen Bereichen verletzt und schon deswegen sich einer das Selbstbestimmungsrecht des Patienten missachtenden vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Jedenfalls sind die gutachterlichen Ausführungen nicht insgesamt wertlos oder im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO unverwertbar. Möglicherweise bedarf es im Rahmen des Strafverfahrens einer erneuten (ergänzenden) Begutachtung. Das besagt aber nicht, dass dadurch wesentliche, die eigentliche Behandlung betreffende Feststellungen der beiden Gutachten durchgreifend in Frage gestellt werden können. Vielmehr sind deren Kernaussagen überzeugend

vgl. dazu, dass die Einholung eines weiteren, auch zeitraubenden Gutachtens im Strafverfahren der Ruhensanordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zumindest nicht ohne Weiteres entgegensteht, VGH Mannheim, Beschluss vom 19.7.1991 - 9 S 1227/91 -, NJW 1991, 2366; von daher kommt dem von den Strafverteidigern des Klägers beim Schwurgericht eingereichten Schriftsatz vom 19.4.2004 im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der Ruhensanordnung letztlich keine durchschlagende Bedeutung zu.

Der Senat hat durchaus zur Kenntnis genommen, dass der Kläger zutiefst davon überzeugt ist, dass die von ihm für eine Krebsbehandlung propagierte Methode der „Extrakorporalen Tryptophanverarmung mittels Hämoperfusion“ medizinisch erfolgreich eingesetzt werden kann

vgl. dazu die vom Kläger verfasste und vorgelegte wissenschaftliche Abhandlung „Therapeutischer Plasmaaustausch und verwandte Plasmaseparationsverfahren“.

Dem stehen allerdings die Ausführungen im Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 12.6.2001 entgegen, wonach (bisher) nicht bewiesen ist, dass eine mögliche Tryptophanelimination einen zytostatischen Effekt hat

so die zusammenfassende Beurteilung des Gutachtens, Blatt 12 (letztes Blatt).

Der Kläger, der diese gutachterliche Feststellung vehement angreift, hatte seitdem genügend Zeit, durch ein wissenschaftlich fundiertes „Gegengutachten“ die von ihm vertretene Position zu untermauern. Dass er von dieser Möglichkeit - aus welchen Gründen auch immer - keinen Gebrauch gemacht hat, geht im Rahmen der vom Senat im Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO zu treffenden Prognoseentscheidung zu seinen Lasten.

Die im hier gegebenen Zusammenhang vom Kläger erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den Laboruntersuchungen des ärztlichen Qualitätslabors Dr. L. auseinandergesetzt, die belegen würden, dass die von ihm praktizierte Methode der Tryptophanverarmung zu einer Reduktion der Zellteilungsgeschwindigkeit führe, geht anlässlich der dargelegten Gutachtenlage ins Leere. Denn der bio-medizinisch geführte Nachweis einer Reduktion der Zellteilungsgeschwindigkeit erlaubt noch keine überzeugende Vorhersage in Bezug auf eine - in diesem Fall bahnbrechende - erfolgreiche Krebsbehandlung.

d) Auf der Grundlage des Sachverhalts, wie er sich nach den obigen Ausführungen derzeit darstellt, ist zugleich in hohem Maße wahrscheinlich, dass der gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf des Betrugs beziehungsweise des Betrugsversuchs im Strafverfahren zu seiner Verurteilung führen wird, wobei sein vorliegend erhobener Einwand, die Höhe des Schadens sei seitens der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß ermittelt worden, für die Strafzumessung von Bedeutung sein wird, jedoch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung ohne erkennbare Relevanz ist.

2. Ist nach alldem davon auszugehen, dass eine Verurteilung des Klägers, jedenfalls was die Mehrzahl und zugleich den Kern der gegen ihn erhobenen Vorwürfe anbelangt, in hohem Maße wahrscheinlich ist, so unterliegt es im Weiteren keinen Zweifeln, dass die ihm vorgeworfenen Straftaten vom Deliktscharakter, der Begehungsweise und den Tatfolgen her so schwerwiegend sind, dass aus ihnen, wie in den angefochtenen Bescheiden und im angefochtenen Urteil (Seiten 32 bis 34) zutreffend ausgeführt ist, auf seine Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs zu schließen ist. Ergänzende Ausführungen sind nicht veranlasst.

II. Das mit der Anordnung des Ruhens der Approbation einhergehende vorläufige Berufsverbot für den Kläger ist zum Schutz konkreter Gefahren für die Gesundheit und das damit eng verbundene Selbstbestimmungsrecht Erkrankter über das Ob und das Wie medizinischer Behandlung dringend geboten.

Dabei ist klar zu sehen, dass bereits mit der Anordnung des Ruhens der Approbation, wenngleich diese Maßnahme noch keine Entscheidung über einen Widerruf der Approbation beinhaltet, in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Betroffenen eingegriffen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind solche Eingriffe nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft

vgl. dazu grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2.3.1977 – 1 BvR 124/76 -, BVerfGE 44, 105 = NJW 1977, 892, betreffend ein vorläufiges Berufsverbot gegenüber einem Rechtsanwalt.

Nur überwiegende öffentliche Belange können es ausnahmsweise rechtfertigen, den Anspruch des Grundrechtsträgers auf endgültige Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.3.2004 – 1 BvR 540/04 -, NVwZ-RR 2004, 545, und vom 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618.

Ob ein vorläufiges Berufsverbot zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist, hängt entscheidend von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter ab. Je bedeutsamer die Rechtsgüter sind, die durch das vorläufige Berufsverbot geschützt werden sollen, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu stellen sind. Die hier betroffenen Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmungsrecht der Kranken genießen allerhöchsten Rang (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Der öffentliche Belang der Aufrechterhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit und potentieller Patienten in die fachliche Kompetenz, die Zuverlässigkeit und die persönliche Integrität der Ärzteschaft sowie die Funktionsfähigkeit der Gesundheitsversorgung haben ebenfalls besonderes Gewicht. Daher ist ein vorläufiges Berufsverbot zur Abwehr konkreter Gefahren für diese Rechtsgüter regelmäßig schon dann erforderlich, wenn in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Arzt bei der Ausübung seines Berufs Straftaten gegen das Leben und/oder die Gesundheit von Patienten begangen hat und die Gefahr einer Verletzung dieser Rechtsgüter bei einer Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit weiter besteht

so überzeugend u.a. OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 19.1.2005 – 8 ME 181/04 -, dokumentiert bei Juris, sowie vom 16.3.2004 – 8 ME 164/03 -, NJW 2004, 1750, wo allerdings für ausreichend erachtet wird, dass bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte von Straftaten gegen das Leben und die Gesundheit von Patienten (lediglich) „nicht auszuschließen ist, dass dies in Zukunft wieder geschieht“; in diesem Sinne wohl auch BGH, Urteil vom 13.10.2005 – 3 StR 385/04 -, NJW 2005, 3732, wo es heißt (Seite 3733), die Ruhensanordnung diene dazu, „in unklaren Situationen oder Eilfällen dem Arzt vorläufig den Beruf zu untersagen“; siehe auch BVerwG, Urteil vom 17.8.2005 – 6 C 15/04 -, dokumentiert bei Juris, wo im Zusammenhang mit dem Widerruf der Bestellung zum Wirtschaftsprüfer wegen nicht geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse ausgeführt wird, „eine Nichtgefährdung … sei (erst) dann anzunehmen, wenn die Interessengefährdung hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann“; siehe weiterhin BFH, Urteil vom 22.9.1992 – VII R 43/92 -, MDR 1993, 911, wonach die Bestellung eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten, der in Vermögensverfall geraten ist, dann nicht zu widerrufen ist, „wenn dadurch eine konkrete Gefährdung der Interessen der Auftraggeber nicht eingetreten ist“.

Der Senat sieht ebenso wie der Beklagte die konkrete Gefahr, dass der Kläger bei einer Aufhebung der Ruhensanordnung und der ihm dann ermöglichten uneingeschränkten Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit (auch) in Zukunft die gesundheitlichen Interessen ihm anvertrauter Patienten nicht in dem gebotenen Maße beachten wird. Das wird durch das Gewicht der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, wie sie in der Anklageschrift vom 7.7.2003 zusammengefasst sind, und die Art und Weise seines Vorgehens, wie es sich nach den aufgezeigten Gegebenheiten zum jetzigen Zeitpunkt darstellt, indiziert. Danach ist der Senat in hohem Maße davon überzeugt, dass der Kläger seine Verpflichtungen zur gebotenen ärztlichen Aufklärung über die Art der von ihm eingeleiteten Behandlungen und ihre realistischen Erfolgschancen bei zumindest 15 von der Schulmedizin aufgegebenen Krebspatienten gröblich verletzt hat. Eine das – wie die Berufsfreiheit des Klägers durch Art. 12 Abs. 1 GG – durch Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Bezug auf körperliche Eingriffe verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Patienten beachtende ärztliche Aufklärung hat, insbesondere was die experimentelle Art der Behandlung und die realistischen Heilungschancen der von ihm praktizierten Therapie anbelangt, nicht in dem gebotenen Umfang stattgefunden. Da der Kläger nach wie vor vom Erfolg seiner Krebstherapie überzeugt ist, wie vor allem seine Angriffe gegen die dies verneinenden Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg belegen, ist zu befürchten, dass er im Fall der Aufhebung der Ruhensanordnung seinen Therapieansatz, möglicherweise in veränderter Form, weiter verfolgen wird. Diese Gefahr besteht um so mehr, als er – unabhängig von seinem Bestreben, einer nach seiner Überzeugung bahnbrechenden Krebstherapie zu allgemeiner Anerkennung zu verhelfen – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf eine Verbesserung seiner Einnahmesituation angewiesen ist. Denn nach eigenen Angaben ist ihm bereits aufgrund des (kurzzeitigen) Sofortvollzugs der Ruhensanordnung sowie aufgrund der Tatsache, dass die früher bei ihm tätige Kollegin nunmehr in unmittelbarer Nähe zu seiner Praxis eine eigene nephrologische Praxis betreibt, erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden. Zudem will er seine Praxis in einigen Jahren – der Kläger ist jetzt 62 Jahre alt – verkaufen. Von daher muss er bestrebt sein, in diesem Zeitraum die zuletzt erlittenen finanziellen Einbußen in etwa auszugleichen und zugleich durch eine verbesserte Umsatzsituation das Interesse an einem Erwerb seiner Praxis zu wecken und den dabei erzielbaren Verkaufserlös zu optimieren. In dieser Situation und angesichts einer in seinem ursprünglichen Hauptbetätigungsfeld der Dialysebehandlung rückläufigen Entwicklung besteht die konkrete Gefahr, dass der Kläger der Versuchung nicht dauerhaft wird widerstehen können, seine unter Kapazitätsgesichtspunkten derzeit nach eigener Einschätzung nicht ausgelastete Dialysepraxis für weitere Behandlungen nach dem Prinzip eines therapeutischen Plasmaaustauschs bzw. verwandter Plasmaseparationsverfahren

vgl. dazu die – bereits erwähnte – von ihm vorgelegte wissenschaftliche Abhandlung,

einzusetzen. Denn auf diese Weise kann er seine auf Dialysebehandlungen ausgerichtete Praxis besser auslasten

von daher kann auch sein Einwand, er habe sich bei der Behandlung der Krebspatienten nicht in dem ihm vorgeworfenen Umfang bereichert, weil er im Wesentlichen nur die ihm entstandenen Praxiskosten weitergegeben habe, nicht überzeugen, denn eine bessere Auslastung der vorgehaltenen Apparaturen und des vorhandenen Personals hat zwangsläufig die Fix- und Betriebskosten seiner Praxis reduziert und war deshalb durchaus von erheblichem betriebswirtschaftlichen Nutzen.

Die konkrete Gefahr einer nicht ausreichenden Beachtung der gesundheitlichen Interessen von Patienten, insbesondere ihres Selbstbestimmungsrechts in Bezug auf die Einwilligung in belastende und wissenschaftlich nicht erprobte Behandlungsverfahren, wird nicht durch das vom Kläger seit der Aussetzung des Sofortvollzugs der Ruhensanordnung gemäß Senatsbeschluss vom 21.1.2004 gezeigte beanstandungsfreie Verhalten ausgeschlossen

vgl. dazu die Erklärung des Leitenden Medizinaldirektors Dr. S. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 22.9.2004; siehe auch Beschluss des Senats vom 25.8.2005 – 1 U 2/05 -.

Denn es muss gesehen werden, dass unter dem Druck des laufenden Strafverfahrens und des Beschlusses des Senats vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 – bzw. dem für den Kläger durchaus kritischen Beschluss vom 25.8.2005 – 1 U 2/05 – ein gewisses „Wohlverhalten“ des Klägers nahe lag, ohne dass daraus Rückschlüsse auf eine nachhaltige Einstellungs- und Verhaltensänderung des Klägers gezogen werden können, zumal der Kläger bei Nichtbeachtung der vom Senat in den Beschlüssen vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 – und 31.3.2005 – 1 U 1/05 – festgelegten Bedingungen Gefahr lief, dass die Ruhensanordnung umfassend sofort vollzogen wird.

Die hier bejahte konkrete Gefahr für den Kläger in Zukunft aufsuchende Patienten entfällt ferner nicht durch die vom Kläger abgegebene Erklärung, sich auch weiterhin an die vom Senat festgelegten Bedingungen zu halten. Diese Selbstverpflichtung ist rechtlich unverbindlich und vom Kläger ohne unmittelbar eintretende Sanktion jeder Zeit änderbar

vgl. dazu u.a. OVG Münster, Beschluss vom 3.2.2004 – 13 B 2369/03 -, MedR 2004, 327.

Ihre Einhaltung könnte außerdem behördlich nicht zuverlässig überwacht werden, da es eine Rechtsgrundlage für ständige Praxiskontrollen nicht gibt.

Eine Beschränkung der Ruhensanordnung auf bestimmte Behandlungsbereiche unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist angesichts der vom Gesetzgeber vorgegebenen Rechtslage nicht möglich. Denn bei der Approbation handelt es sich um eine unbeschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes, bei der weder ein Teilwiderruf noch die Anordnung eines teilweise Ruhens möglich ist

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16.9.1997 – 3 C 12/95 -, BVerwGE 105, 214 = NJW 1998, 2756; anders stellt sich die Situation insoweit im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes dar, vgl. dazu Beschluss des Senats vom 21.1.2004 – 1 W 29/03 -, NJW 2004, 2033.

Zur Abmilderung der schwerwiegenden Folgen eines vorläufigen Berufsverbots in Form der Anordnung des Ruhens der Approbation verbleibt dem Kläger die Möglichkeit, auf der Grundlage des § 6 Abs. 4 BÄO die Weiterführung seiner Praxis durch einen anderen Arzt genehmigen zu lassen.

Da sich der Beklagte, wie insbesondere seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgegebenen Erklärungen zur Aufrechterhaltung des Bescheides vom 3.9.2002 belegen, bei seiner Entscheidung von den vorstehenden Erwägungen hat leiten und keinen unter Ermessensgesichtspunkten wesentlichen Aspekt außer Acht gelassen hat, ist die Ruhensanordnung - weiterhin - rechtmäßig.

Demnach muss die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückgewiesen werden.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Sonstige Literatur

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist ebenfalls bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden.

Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Prozessbevollmächtigten erfolgen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 50.000 Euro festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG n.F.).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn

1.
gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist,
2.
nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 weggefallen ist,
3.
Zweifel bestehen, ob die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 noch erfüllt ist und der Arzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
4.
sich ergibt, dass der Arzt nicht über die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die für die Ausübung der Berufstätigkeit in Deutschland erforderlich sind oder
5.
sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht.

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, daß die Praxis eines Arztes, dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

I.

Der Bescheid der Regierung von ... vom 10. März 2016 wird aufgehoben.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Klägerin wurde vom Regierungspräsidium ... mit Wirkung zum 21. Juni 2002 die Approbation als Ärztin erteilt. Sie übt derzeit den Arztberuf als Fachärztin für Gynäkologie in ihrer Praxis in ... aus.

Die Klägerin wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts ..., der seit 14. Februar 2015 rechtskräftig ist, wegen fahrlässiger Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten H. zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu jeweils 100,00 EUR verurteilt. Dem Verfahren lag eine Operation am 6. Mai 2010 zugrunde, bei der die Klägerin die als behandelnde Ärztin zu beachtende Sorgfalt nicht hatte walten lassen. In dem von der Geschädigten betriebenen zivilgerichtlichen Verfahren wegen Schadensersatzes vor dem Landgericht ... wurde die Klägerin mit Urteil vom 4. Juni 2013 zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 EUR verurteilt.

Ein in anderem Zusammenhang gegen die Klägerin geführtes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ... wurde mit Verfügung vom 30. Dezember 2013 wegen Verjährung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dem Ermittlungsverfahren lag der Vorwurf der schweren Körperverletzung aufgrund eines Behandlungsfehlers im Rahmen einer Krebsvorsorgeuntersuchung bei der Geschädigten B. im Zeitraum vom 12. bis 24. November 2008 zugrunde. Deren Strafanzeige war am 3. Dezember 2013 und damit nach Ablauf der bis 23. November 2013 laufenden Verjährungsfrist bei der Staatsanwaltschaft ... eingegangen.

In einem von der Geschädigten B. angestrengten Zivilprozess vor dem Landgericht ... hat sich die Klägerin im Wege eines Vergleichs am 24. September 2013 verpflichtet, an diese einen (Schmerzensgeld-)Betrag von 75.000,00 EUR ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu bezahlen. Mit dem Vergleich wurden alle Ansprüche aus der ärztlichen Behandlung vom November 2008 abgegolten. Ein im Rahmen des Zivilverfahrens eingeholtes Sachverständigengutachten vom 1. Oktober 2012 kam u. a. zu dem Ergebnis, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliege, da es nicht verständlich und schlechterdings nicht nachvollziehbar sei, warum eine Palpation der Brust im Rahmen der Krebsvorsorge bei der über 30 Jahre alten Patientin nicht stattgefunden habe und bei unklarem Befund der Mamma-Sonographie ein Hormonpräparat verschrieben worden sei.

Nach Anhörung der Klägerin wurde deren Approbation mit am 29. März 2016 zugestelltem Bescheid der Regierung von ... vom 10. März 2016 widerrufen (Nr. 1), die Klägerin wurde verpflichtet, das Original ihrer Approbationsurkunde sowie sämtliche sich in ihrem Besitz befindliche Kopien der Regierung von ... innerhalb von zwei Monaten nach Bestandskraft des Bescheids zu übergeben bzw. zu übersenden (Nr. 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Befolgung der Verpflichtung nach Nr. 2 wurde der Klägerin ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR angedroht (Nr. 3). Die Klägerin wurde verpflichtet, die Kosten des Verwaltungsverfahrens zu tragen und es wurden eine Gebühr in Höhe von 400,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 6,18 EUR festgesetzt (Nr. 4).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargetan, dass sich die Klägerin als nicht ausreichend zuverlässig und unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufes erwiesen habe. Falls die Allgemeinheit von der fahrlässigen Körperverletzung an der geschädigten H. und der dadurch bedingten strafrechtlichen Ahndung Kenntnis erlangen würde, würde die Allgemeinheit dies als nicht mehr hinnehmbar für das zur ärztlichen Berufsausübung erforderliche Vertrauen beurteilen. Angesichts der schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für die Geschädigte wäre es für die Allgemeinheit nicht verständlich, sollte der Klägerin mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur Ausübung des Arztberufes belassen werden. Aufgrund der strafrechtlichen Verfahren und der in einem Fall erfolgten Ahndung biete die Klägerin nicht die notwendige Gewähr dafür, dass sie den Beruf als Ärztin künftig den bestehenden Regelungen entsprechend ausüben werde. Der Widerruf der Approbation entspreche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Daran könne auch die Mitteilung der Klägerin nichts ändern, dass sie keine operativen Tätigkeiten mehr durchführe, da sie als approbierte Ärztin diese Tätigkeit jederzeit wieder aufnehmen könne, wobei schwere gesundheitliche Folgen für Patientinnen zu befürchten seien. Für die Öffentlichkeit wäre es nicht nachvollziehbar, wenn der Klägerin in Anbetracht der ihr gemachten Vorwürfe die Approbation belassen würde. Dadurch würde das Vertrauen der Allgemeinheit in die Ärzteschaft zerstört werden. Aufgrund der der Klägerin anzulastenden groben Behandlungsfehler sei nicht zu erwarten, dass sie sich zukünftig an die für die Berufsausübung geltenden Regelungen halten werde. Es fehle ihr daher auch die für die Ausübung des Arztberufs erforderliche Zuverlässigkeit. Es bestehe die Möglichkeit, dass die Klägerin nach einer bestimmten außerberuflichen Bewährungszeit die Wiedererteilung der Approbation beantragen könne, wobei in diesem Fall nach § 8 BÄO bei Vorliegen der Voraussetzungen hierfür zunächst eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs erteilt würde. Die Anordnung zur Rückgabe der Approbationsurkunde stützte sich auf Art. 52 Satz 1 BayVwVfG. Die Androhung des Zwangsgeldes beruhe auf Art. 18, 19, 20, 29, 30, 31 und 36 BayVwZVG. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes sei unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin angemessen und bewege sich am unteren Rand des rechtlich möglichen Betrags von höchstens 50.000,00 EUR. Die Kostenentscheidung ergebe sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG i. V. m. Tarif-Nr. 7.9.1/2 der Anlage zu § 1 der Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz (Kostenverzeichnis - KVz -). Die festgesetzte Gebühr von 400,00 EUR sei unter Berücksichtigung des Kostenrahmens, des mit dem Verfahren verbundenen Verwaltungsaufwands und der Bedeutung der Angelegenheit gerechtfertigt. Die geltend gemachten Auslagen in Höhe von 6,18 EUR würden gemäß Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG für die Postzustellung erhoben.

Am 11. April 2016 erhob die Klägerin hiergegen Klage mit dem Antrag,

den Bescheid der Regierung von ... vom 10. März 2016 aufzuheben.

Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2016 wurde zur Begründung der Klage vorgetragen, dass sich der Widerruf der Approbation lediglich auf die Bewertung eines einmaligen Arzt-/Patientenkontakts mit der Patientin B. am 12. November 2008 sowie die missglückte Operation der Patientin H. am 5. Mai 2010 stütze. Bezüglich der Patientin B. sei der Vorwurf unzutreffend. In Bezug auf diese Patientin habe es vor dem Landgericht ... einen streitigen Sachverhalt gegeben. Während die Patientin angegeben habe, sie sei nur unzureichend untersucht worden und man habe ihr notwendige Untersuchungen verweigert, sei für die Klägerin unter Bezugnahme auf ihre Behandlungsdokumentation vorgetragen worden, der Patientin seine eine Kontrolluntersuchung in 14 Tagen zur Wiederholung der Mamma-Sonographie empfohlen worden. Dieser Sachverhalt sei im Zivilverfahren vor dem Landgericht ... nicht geklärt worden. Vielmehr habe man sich auf einen Risikovergleich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ungefähr in der Mitte der damals klageweise geltend gemachten Forderung, mithin auf eine Zahlung von 75.000,00 EUR geeinigt. Der Vergleich sei der Klägerin von der den Zivilprozess begleitenden Prozessbevollmächtigten ... nach Rücksprache mit der Haftpflichtversicherung empfohlen worden. Von den Kosten des Rechtsstreits habe die Patientin 43% und die Klägerin 57% tragen müssen. Es sei unzulässig, auf einen derartigen Sachverhalt im Jahr 2016 approbationsrechtliche Konsequenzen zu stützen. Im Fall der Patientin H. habe es sich um einen tragischen Behandlungsverlauf aufgrund einer wahrscheinlich einmaligen fahrlässigen Standardunterschreitung gehandelt. Die Klägerin habe den Fehler eingesehen und die strafrechtliche Ahndung akzeptiert. Als Konsequenz hieraus habe sie ihre stationäre operative Tätigkeit eingestellt. Allerdings sei jedoch auch hier die zeitliche Komponente zu berücksichtigen. Die Operation liege heute mehr als sechs Jahre zurück. Dies könne jedenfalls bei der Frage der Unzuverlässigkeit nicht außer Betracht bleiben. Die Frage der Unzuverlässigkeit erfordere eine Prognoseentscheidung unter Abwägung der zurückliegenden Jahre im Hinblick darauf, ob zukünftig diesbezüglich eine Gefährdung potenzieller Patientinnen zu befürchten sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit sei eindeutig anerkannt, dass hinsichtlich des Widerrufsmerkmals „Unzuverlässigkeit“ der Zeitraum, der seit dem für den Approbationswiderruf herangezogenen Geschehen verstrichen ist, Berücksichtigung finden müsse. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei von Bedeutung, dass es zu einer Verurteilung lediglich in Höhe von 90 Tagessätzen gekommen sei, wobei dies in Bayern regelmäßig noch keinen Approbationswiderruf zur Folge habe. Dies gelte erst recht, wenn hinsichtlich der Beurteilung der Umstände auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, mithin sechs Jahre nach dem Fall der Patientin H. und über sieben Jahre im Fall der Patientin B., abgestellt werde. Bei der Verletzung von Berufspflichten, die zum Kernbereich der beruflichen Tätigkeit zählten, komme es neben der Schwere der Berufspflichtverletzungen vor allem darauf an, welchen Eindruck sie in der Öffentlichkeit hervorgerufen hätten und ob eine zusätzliche berufsrechtliche Ahndung im Zeitpunkt ihrer Ahndung zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes noch erforderlich erscheine. Da das Strafverfahren ohne öffentliche Verhandlung durch Strafbefehl abgeschlossen worden sei, sei es in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden. Der gegenteilige Effekt trete dann ein, wenn ein berufsgerichtliches Verfahren durchgeführt werden würde. Entscheidende Bedeutung komme vor allem dem Umstand zu, dass seit dem ersten Vorfall schon acht Jahre vergangen seien und sich diese Zeitspanne - bei Durchführung des berufsgerichtlichen Verfahrens - bis zum rechtskräftigen Abschluss zwangsläufig noch erheblich verlängern würde. Die zusätzliche berufsrechtliche Ahndung könne ihren Sinn und Zweck nur dann erfüllen, wenn sie der Tat möglichst zeitnah nachfolge. Mit fortschreitendem Zeitablauf nehme das Bedürfnis einer berufsrechtlichen Ahndung gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Ansehens des Berufstandes ab. Weder unter dem Gesichtspunkt der Unwürdigkeit noch unter dem der Unzuverlässigkeit und erst recht nicht unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Ansehens der Ärzteschaft sei unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ein Approbationswiderruf zwingend erforderlich.

Der Beklagte wandte sich mit Schreiben der Regierung von ... vom 3. August 2016 gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die angegriffene Entscheidung sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Hierzu sei auf die Ausführungen im Bescheid Bezug zu nehmen. Im Fall der Patientin B. könne das Sachverständigengutachten vom 1. Oktober 2012 bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes herangezogen werden. Darin werde der Klägerin ausdrücklich ein Behandlungsfehler vorgeworfen, der schlechterdings nicht hätte unterlaufen dürfen. Ob es insoweit einen streitigen Sachverhalt gegeben habe, sei approbationsrechtlich nicht von Relevanz. Am Vorliegen des Behandlungsfehlers ändere auch die Tatsache nichts, dass der Vorfall bereits mehrere Jahre zurückliege.

Bei der Patientin H. sei es zur Beurteilung der Zuverlässigkeit der Klägerin unerheblich, ob diese ihren Fehler eingesehen und die strafrechtliche Ahndung akzeptiert habe. Der für die Entscheidung ausschlaggebende Tatbestand verliere dadurch nicht seine Bedeutung. Die Annahme, dass eine Unwürdigkeit bzw. eine Unzuverlässigkeit nicht auf einen Sachverhalt gestützt werden könne, der bereits sechs Jahre zurückliege, sei zurückzuweisen. Die Approbationsbehörde müsse das Gesamtverhalten der Ärztin sowie damit zusammenhängend die Schwere und die Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten angemessen würdigen. Daher könne es für die approbationsrechtliche Entscheidung keine Rolle spielen, dass der Vorfall sechs Jahre zurückliege, da aus Gründen des stets an erster Stelle stehenden Patientenschutzes jede faktisch vorgelegene Berufspflichtverletzung zu berücksichtigen sei. Es könnten im Übrigen auch länger zurückliegende Straftaten die Unwürdigkeit und/oder Unzuverlässigkeit eines Angehörigen eines Heilberufs begründen. Ein zeitlicher Abstand zwischen einer Pflichtverletzung und daraus folgenden approbationsrechtlichen Maßnahmen ergebe sich regelmäßig bereits aus der Verfahrensdauer eines Strafverfahrens. Vorliegend sei das Strafverfahren ausweislich des staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichens im Jahr 2014 eingeleitet und im Februar 2015 rechtskräftig abgeschlossen worden. Eine abschließende approbationsrechtliche Würdigung des Vorgangs habe zu einem früheren Zeitpunkt nicht erfolgen können, da die Regierung nicht Ermittlungsbehörde sei und daher den Sachverhalt nicht eigenständig klären könne. Aus diesem Grund sei ein Zuwarten bis zum Abschluss des Strafverfahrens vor Ergreifen approbationsrechtlicher Maßnahmen geboten gewesen. Die strafrechtliche Verurteilung zu 90 Tagessätzen könne den Widerruf der Approbation durchaus rechtfertigen. Dabei spiele nicht nur die Höhe des Strafmaßes eine Rolle, sondern auch der entsprechende Sachverhalt. Da es sich bezüglich der Geschädigten H. um ein gravierendes Fehlverhalten der Klägerin gehandelt habe, sei dieses mit einer entsprechenden verwaltungsrechtlichen Entscheidung zu würdigen. Hierbei könne auch die angeblich geringe Höhe der Geldstrafe nichts ändern.

Die Klägerin nahm hierzu mit Schriftsatz vom 9. September 2016 Stellung. Dabei wurde das bisherige Vorbringen vertieft und nochmals auf die Aspekte der verstrichenen Zeit sowie auf ihre schwierige persönliche Situation hingewiesen.

Der Beklagte äußerte sich mit Schreiben der Regierung von ... vom 11. Oktober 2016 abschließend.

Am 1. Dezember 2016 fand mündliche Verhandlung statt. Die Sache wurde mit den Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Die Beteiligten wiederholten die schriftsätzlich gestellten Klageanträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Regierung von ... vom 10. März 2016, mit dem die der Klägerin vom Regierungspräsidium ... am 21. Juni 2002 erteilte Approbation als Ärztin widerrufen wurde, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Beklagte war nicht berechtigt, den Widerruf der Approbation als Ärztin auf § 5 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO zu stützen, da sich die Klägerin nicht nachträglich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich ihre Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt.

In dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids der Regierung von ... vom 10. März 2016 maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, d. h. des Erlasses des Widerrufsbescheids (BVerwG, B. v. 18.8.2011 - 3 B 6.11 - juris Rn. 9), lagen die Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation nicht vor. Die Regierung von ... war daher nicht verpflichtet, die Approbation der Klägerin als Ärztin zu widerrufen.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO ist die Approbation zu widerrufen, wenn sich der Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs liegt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dann vor, wenn ein Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist (BVerwG, U. v. 27.1.2011 - 3 B 63.10 - NJW 2011, 1830; U. v. 28.1.2003 - 3 B 149.02 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 107; U. v. 14.4.1998 - 3 B 95.97 - NJW 1999, 3425; U. v. 9.1.1991 - 3 B 75.90 - NJW 1991, 1557). Erforderlich ist im Hinblick auf die Gewährleistung der Berufsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand nachhaltig zu erschüttern und bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung - zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. zuletzt BVerwG, U. v. 18.8.2011 - 3 B 6.11 - juris Rn. 9) - als untragbar erscheinen lässt. Ein solches schwerwiegendes Fehlverhalten muss nicht allein die eigentliche Ausübung der Heilkunst betreffen. Auch erhebliches Fehlverhalten, wie z. B. die Begehung von schweren Straftaten, das in keinerlei Zusammenhang mit der im Übrigen unbeanstandet ausgeübten ärztlichen Tätigkeit steht, kann zu einer Unwürdigkeit führen und den Widerruf der Approbation rechtfertigen (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 7.2.2002 - 21 ZS 01.2890 - juris Rn. 9).

Nicht erforderlich ist es, dass ein Ansehensverlust des Arztes in der Öffentlichkeit konkret eingetreten ist, da eine abstrakt-objektive Betrachtungsweise geboten ist, die darauf abstellt, ob die Allgemeinheit bei Bekanntwerden der Verfehlung dieses Verhalten als für das Ansehen und für das zur Berufsausübung erforderliche Vertrauen nicht mehr hinnehmbar beurteilen würde (so z. B. BayVGH, B. v. 7.2.2002, a. a. O.; NdsOVG, B. v. 7.2.2014 - 8 LA 84/13 - juris Rn. 33). Einer auf die Person des Betroffenen bezogene Gefahrenprognose hinsichtlich der künftigen ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufspflichten bedarf es - anders als bei der Unzuverlässigkeit - aber nicht (BVerwG, U. v. 2.11.1992 - 3 B 87.92 - NJW 1993, 806; VGH BW, B. v. 28.7.2003 - 9 S 1138/03 - NJW 2003, 3647). Liegt unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben eine Berufsunwürdigkeit vor, haben sonstige persönliche Umstände, wie z. B. ein relativ hohes Lebensalter des Betroffenen oder eine drohende Existenzvernichtung, außer Betracht zu bleiben (BVerwG, U. v. 14.4.1998, a. a. O.).

Beim Widerruf einer als begünstigender Verwaltungsakt ergehenden Approbation handelt es sich um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl, da die freie Berufswahl nicht nur die Entscheidung über den Eintritt in den Beruf umfasst, sondern überdies die Entscheidung darüber, ob und wie lange ein Beruf ausgeübt werden soll (vgl. BVerfG, B. v. 12.3.1977 - 1 BvR 124/76 - BVerfGE 44, 105). Diese Entscheidungsfreiheit wird dem betroffenen Arzt durch einen Widerruf der Approbation genommen. Ein solcher Eingriff, der die durch Approbationserteilung eröffnete Möglichkeit betrifft sowohl als selbstständiger Arzt als auch als angestellter Arzt tätig zu werden, d. h. zwei verschiedene Berufe (vgl. BVerfG, U. v. 11.6.1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377), ist nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter statthaft, d. h. eine Einschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 GG durch Widerruf der Approbation als Arzt ist nur gerechtfertigt, weil hohe Rechtsgüter, wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung, ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung, notwendiges Vertrauen Patientin in den Arzt, die Wertschätzung des Arztes in der Gesellschaft und der Berufsstand des Arztes zu schützen sind (vgl. BayVGH, U. v. 29.10.1991 - 21 B 91.1337 - juris Rn. 22). Der auch hierbei zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach der Widerruf der Approbation nur die letzte und äußerste Maßnahme sein darf, um den Verfehlungen zu begegnen, gebietet es, dass Anlass und Schwere der Verfehlungen hohen Anforderungen entsprechen müssen. Maßgeblich ist daher in jedem Fall die Betrachtung aller individuellen Umstände des die Widerrufsentscheidung auslösenden Verhaltens des betroffenen Arztes, die Rückschlüsse auf dessen (Un-)Würdigkeit zur Berufsausübung zulassen.

Vor diesem Hintergrund rechtfertigt das mit dem Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom Januar 2015 geahndete, auf einem ärztlichen Kunstfehler bei einer Operation am 6. Mai 2010 beruhende Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung auch in Zusammenschau mit der im Jahr 2008 erfolgten Berufspflichtverletzung gegenüber der Patientin B. (noch) nicht die Annahme der Unwürdigkeit der Klägerin zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Das für die Annahme der Unwürdigkeit erforderliche schwerwiegende Fehlverhalten ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die einmalige strafrechtliche Ahndung eines ärztlichen Kunstfehlers durch einen Strafbefehl und die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 9.000,00 EUR (90 Tagessätze á 100,00 EUR) genügt auch unter Berücksichtigung der schwerwiegenden Folgen für die betroffene Patientin den gesetzlichen Anforderungen nicht. Auch bei gemeinsamer Würdigung mit der der Klägerin vorgeworfenen Berufspflichtverletzung in Bezug auf die Patientin B. im Jahr 2008 ergibt sich letztlich kein Sachverhalt, der den Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit rechtfertigen könnte. Der Vorwurf der ärztlichen Pflichtverletzung wird im Fall der Geschädigten B. aus dem vom Landgericht ... erholten Sachverständigengutachten von Prof. Dr. ... und Dr. ... vom 1. Oktober 2012 abgeleitet, die anlässlich einer Krebsvorsorgeuntersuchung im November 2008 einen Behandlungsfehler der Klägerin erkannten, welcher schlechterdings nicht hätte unterlaufen dürfen. Dabei blieb jedoch (zivil-)gerichtlich ungeklärt, ob die Klägerin - wie sich aus den Aufzeichnungen in der Patientenakte ergeben soll - der Patientin aufgegeben hat, sich in zwei Wochen wieder vorzustellen. Da die Wiedervorstellung unterblieben ist, erscheint es fraglich, ob die Folgen der Behandlungsstandardunterschreitung der Klägerin (in vollem Umfang) angelastet werden können. Es hätte bei der Fortsetzung der Behandlung mit einem zweiten Patientenkontakt die Möglichkeit bestanden, dass die Klägerin die beim ersten Behandlungstermin unterlassene Abtastung der Brust nachgeholt und so einen Krankheitsverdacht bei der Patientin hätte diagnostizieren können. Die für die Kausalität der Folgen der Berufspflichtverletzung relevante Frage wurde vom Landgericht ... nicht weiter geprüft, insbesondere fand keine abschließende Beweisaufnahme und Beweiswürdigung statt, da sich die Parteien vorher auf einen Vergleich verständigten. Daher liegt zwar ein gutachtlich festgestellter ärztlicher Kunstfehler vor, dessen Folgen jedoch vom Landgericht nicht aufgeklärt wurden. Es kann deshalb im vorliegenden Verfahren nicht unberücksichtigt bleiben, dass der ärztliche Kunstfehler bei einer Wiedervorstellung der Patientin zwei Wochen nach der ersten Untersuchung hätte korrigiert werden können. Diesbezüglich wird von den Sachverständigen dargelegt, es sei möglich, aber nicht sicher, dass die Patientin B. acht Monate früher auch eine Chemotherapie benötigt hätte (S. 16 des Gutachtens vom 1.10.2012). Die von der Approbationsbehörde bei der Widerrufsentscheidung angenommene (volle) Verantwortlichkeit der Klägerin für die bei der Patientin B. aufgetretenen Krankheitsfolgen begegnet daher rechtlichen Bedenken. Als Grundlage für den Widerruf der Approbation kommen folglich (nur) die strafrechtlich durch Strafbefehl geahndete fahrlässige Körperverletzung sowie eine lediglich in einem zivilgerichtlichen Verfahren gutachtlich festgestellte Berufspflichtverletzung in Betracht, die in ihren Konsequenzen nicht geklärt ist. Dies genügt jedoch für den Widerruf der Approbation als Ärztin wegen Unwürdigkeit nicht. Eine erhebliche Beschädigung des Ansehens und des Vertrauens in die Ärzteschaft im Ganzen kann bei den der Klägerin angelasteten Vergehen (noch) nicht angenommen werden. Weder die Art des strafrechtlich geahndeten Vergehens oder die Begehungsweise - die Klägerin hat nicht vorsätzlich gehandelt -, noch das Ausmaß der Schuld und/oder der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit und/oder die Würdigung sonstiger Umstände rechtfertigen letztlich das Verdikt der Unwürdigkeit.

Der Widerruf der Approbation lässt sich auch nicht mit der Unzuverlässigkeit der Klägerin rechtfertigen. Dabei kann dahinstehen, ob die Widerrufsentscheidung, soweit sie mit der deren Unzuverlässigkeit begründet wird, bereits deshalb als rechtwidrig anzusehen ist, weil ihr - wie hier (S. 7 f. des Bescheids) - keine ausreichende, insbesondere den Anforderungen in Bezug auf die zu berücksichtigenden Umstände gerecht werdende, Prognoseentscheidung zugrunde liegt, da im Fall der Klägerin keine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs angenommen werden kann. Unzuverlässigkeit im Sinn von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO liegt vor, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der Arzt bzw. die Ärztin werde in Zukunft die Vorschriften und Pflichten nicht beachten, die sein/ihr Beruf mit sich bringt. Für diese Prognose kommt es darauf an, ob der/die Betreffende nach den gesamten Umständen des Falles willens oder in der Lage sein wird, künftig seine/ihre beruflichen Pflichten zuverlässig zu erfüllen. Maßgeblich ist dafür die jeweilige Situation des Arztes bzw. der Ärztin im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, B. v. 9.11.2006 - 3 B 7.06 - juris Rn. 10) sowie sein/ihr vor allem durch die Art, die Schwere und die Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordener Charakter (BVerwG, U. v. 27.10.2010 - 3 B 63.10 - NJW 2011, 1830). Die dabei zu treffende Prognoseentscheidung im Hinblick auf die künftige Ausübung des ärztlichen Berufes hat im Wesentlichen darauf abzustellen, ob aus den Verfehlungen nach den gesamten Umständen des Falles Rückschlüsse auf eine charakterlich bedingte mangelnde Bereitschaft zu einer ordnungsgemäßen Ausübung des Arztberufes zu ziehen sind. Hierfür reichen nach ständiger Rechtsprechung weder leichte Zweifel aus, noch ist eine absolute Gewissheit zu fordern. Für die Annahme einer anhaltenden Unzuverlässigkeit reicht aus und ist erforderlich, dass sich bei verständiger Würdigung aus dem bisherigen Fehlverhalten die begründete Besorgnis ableitet, der Arzt bzw. die Ärztin werde auch künftig entsprechend seiner/ihrer inneren Einstellung der in § 1 BÄO genannten Pflicht, der Gesundheit des einzelnen Patientin und der gesamten Bevölkerung zu dienen, nicht gerecht (BVerwG, U. v. 16.9.1997 - 3 C 12.95 - Rn. 25; OVG RhPf, U. v. 9.5.1989 - 6 A 124/88 - juris Rn. 37). Zur ordnungsgemäßen Ausübung des ärztlichen Berufes gehören gerade ein fachlich beanstandungsfreies Handeln und auch die Pflicht, im Rahmen der Tätigkeit als Arzt bzw. Ärztin Strafverstöße, vor allem berufsspezifische Strafdelikte zu unterlassen. Allerdings kommt als Basis für die zu treffende Prognose nicht jede Straftat in Betracht. Vielmehr muss die Straftat gravierend bzw. von einigem kriminellen Gewicht sein, wobei die Schwere der Tat vom Deliktscharakter, von der Begehungsweise oder von den Folgen der Tat geprägt wird (vgl. VG Leipzig, B. v. 22.11.1999 - 5 K 1866/99 - juris Rn. 47 m. w. N.).

Dies zugrunde gelegt, wird die Klägerin hier den zu stellenden Anforderungen (noch) gerecht. Dabei war neben den für die Frage des Vorliegens einer Unwürdigkeit für die Ausübung des ärztlichen Berufs maßgeblichen Aspekten der Schwere der strafrechtlichen Vorwürfe und der zurechenbaren Folgen für die Gesundheit der Patientinnen auch zu berücksichtigen, dass die der Klägerin vorgeworfenen Berufspflichtverletzungen bereits geraume Zeit zurückliegen, sie ihre Operationstätigkeiten beendet hat und sie sich keinen weiteren Pflichtenverstoß hat zu Schulden kommen lassen. Darüber hinaus hat sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung, an denen zu zweifeln kein Anlass besteht, bereits vor der Einleitung des Verfahrens zum Widerruf der Approbation in verstärktem Umfang an Fortbildungsmaßnahmen zur Verbesserung der beruflichen Qualifikation teilgenommen. Dies lässt nach Auffassung der Kammer den Schluss zu, dass die zur Grundlage des Approbationswiderrufs gemachten Pflichtverletzungen nicht Ausdruck einer sorg- oder gewissenlosen Grundeinstellung sind, die auf das Fehlen der für die Ausübung des Arztberufs notwendigen charakterlichen Voraussetzungen schließen lassen, sondern bei der Klägerin zu erwarten ist, dass sie den an sie als Ärztin gerichteten fachlichen Erwartungen und Pflichten gerecht zu werden vermag.

Da damit im Ergebnis die gesetzlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation nicht vorlagen, war der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2016 mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge aufzuheben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124, § 124a VwGO).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,

Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder

Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder

Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,-- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,

Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder

Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,

schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

(1) Ausbildende haben

1.
dafür zu sorgen, dass den Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist, und die Berufsausbildung in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann,
2.
selbst auszubilden oder einen Ausbilder oder eine Ausbilderin ausdrücklich damit zu beauftragen,
3.
Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge, Werkstoffe und Fachliteratur zur Verfügung zu stellen, die zur Berufsausbildung und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen, auch soweit solche nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses stattfinden, erforderlich sind,
4.
Auszubildende zum Besuch der Berufsschule anzuhalten,
5.
dafür zu sorgen, dass Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet werden.

(2) Ausbildende haben Auszubildende zum Führen der Ausbildungsnachweise nach § 13 Satz 2 Nummer 7 anzuhalten und diese regelmäßig durchzusehen. Den Auszubildenden ist Gelegenheit zu geben, den Ausbildungsnachweis am Arbeitsplatz zu führen.

(3) Auszubildenden dürfen nur Aufgaben übertragen werden, die dem Ausbildungszweck dienen und ihren körperlichen Kräften angemessen sind.

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn

1.
gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist,
2.
nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 weggefallen ist,
3.
Zweifel bestehen, ob die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 noch erfüllt ist und der Arzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
4.
sich ergibt, dass der Arzt nicht über die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die für die Ausübung der Berufstätigkeit in Deutschland erforderlich sind oder
5.
sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht.

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, daß die Praxis eines Arztes, dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

Tenor

Auf die Berufung des Beschuldigten wird das Urteil des Hamburgischen Berufsgerichts für die Heilberufe vom 25. März 2015 aufgehoben. Dem Beschuldigten wird eine Geldbuße von 25.500,- Euro auferlegt. Außerdem wird ihm ein Verweis erteilt. Des Weiteren wird dem Beschuldigten für die Dauer von 5 Jahren ab Verkündung dieses Urteils das aktive und passive Berufswahlrecht entzogen. Im Übrigen wird die Berufung des Beschuldigten zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen der Beschuldigte zu 2/3 und die Freie und Hansestadt Hamburg zu 1/3, mit Ausnahme der dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen, die dieser vollständig selbst trägt.

Für das Berufungsverfahren wird eine Gebühr in Höhe von 400,- Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Beschuldigte wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil des Hamburgischen Berufsgerichts für die Heilberufe (Berufsgericht), mit dem es festgestellt hat, dass er unwürdig sei, seinen Beruf auszuüben, und ihm zugleich eine Geldbuße in Höhe von 25.500,- Euro auferlegt hat.

2

Der 1958 geborene, aus …… stammende Beschuldigte ist nach den Angaben der Beteiligten zu 1. seit 1998 in Hamburg als Arzt niedergelassen. Laut eigener Darstellung (vgl. seinen Internetauftritt unter: ……und seine Angaben im berufsgerichtlichen Verfahren erster Instanz) ist er seit Dezember 2003 Facharzt für Allgemeinmedizin und hat er im Jahr 2003 die Zusatz-Weiterbildung für Suchtmedizinische Grundversorgung absolviert. Seit …. hat er eine Zulassung als Kassenarzt und seit …. verfügt er über eine eigene Praxis, nachdem er zuvor klinisch tätig gewesen war. Er ist geschieden und kinderlos. Ein berufsgerichtliches Verfahren wurde zuvor nicht gegen ihn geführt.

3

Das vorliegende berufsgerichtliche Verfahren bezieht sich auf die ärztliche Behandlung, die der Beschuldigte vier verschiedenen Patienten in dem Zeitraum von Februar 1999 bis April 2012 zu Teil werden ließ, bzw. auf die diesbezüglich seitens des Beschuldigten erstellten Dokumentationen. Es geht um die Patienten SE (verstorben Ende 2003/Anfang 2004, Behandlungszeitraum Februar 1999 bis Dezember 2003), L. (verstorben am 6.10.2008, Behandlungszeitraum April bis Anfang Oktober 2008), G. (hier maßgeblicher Behandlungszeitraum Januar 2009 bis Frühjahr 2012) und S. (dokumentierter Behandlungszeitraum Ende Mai 2011 bis April 2012). In dem Fall L. geht es lediglich um drei Fehler in dessen ärztlicher Dokumentation, in den anderen drei Fällen hingegen vor allem um (aus der Sicht der Beteiligten zu 1. und des Berufsgerichts) schwerwiegende Fehlmedikationen und Fehlbehandlungen suchtkranker Patienten. Eingeleitet wurde das vorliegende Verfahren durch berufsgerichtliche Ermittlungen der Beteiligten zu 1. gemäß § 16 HeilBG (Az. …..), über die sie den Beschuldigten mit Anhörungsschreiben vom 15. Januar 2013 informierte.

4

Die Fälle der vier Patienten stellen sich in chronologischer Abfolge wie folgt dar:

5

Unter dem Aktenzeichen ….. ermittelte die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in drei Fällen ehemaliger Patienten (von denen, zwei, u. a. SE, den Beschuldigten als Alleinerben eingesetzt hatten).

6

Auslöser war der Fall des Patienten SE (geb. ….), der am 9. Januar 2004 von seiner Haushälterin tot in seinem Reihenhaus in Hamburg gefunden worden war. Diese erschien am 1. März 2004 bei der Kriminalpolizei und erklärte, sie sei seit 15 Jahren seine alleinige Haushälterin gewesen und seit langem etwa einmal pro Woche bei ihm erschienen. In den letzten drei Jahren seien ihre Besuche häufiger gewesen, am Schluss bis zu dreimal täglich. SE sei alkoholkrank, tablettensüchtig und depressiv gewesen. Aufgefallen sei ihr, dass der ihn vorwiegend behandelnde Arzt (nämlich der Beschuldigte) ihm in sehr großer Anzahl Rezepte verschrieben habe, zumeist seien es mehrere Rezepte gleichzeitig gewesen. So habe sie in einem großen Umschlag 10 Rezepte über jeweils Codein ct 50 ml vom 30. Dezember 2003 gefunden. Ebenfalls aufgefallen sei ihr, dass der Beschuldigte die Rezepte aus , wohl seinem zweiten Wohnsitz bei seiner Mutter, in großen Stückzahlen übersendet habe, ohne Herrn SE persönlich zu behandeln. Insbesondere sei ihr aufgefallen, dass der Beschuldigte von Herrn SE als Alleinerbe eingesetzt worden sei, was ihres Erachtens bei einem Hausarzt nicht sein könne. (Der Patient hatte mit notariellem Testament vom 21. Januar 2003 den Beschuldigten als Alleinerben eingesetzt). Sie übergebe außerdem einige Unterlagen, die noch in ihrem Besitz gewesen seien, nämlich Kopien von Anforderungen von Medikamenten des Herrn SE beim Beschuldigten, eingelöste Rezepte und Liquidationen in Rechnung gestellter Besuche, die tatsächlich nicht stattgefunden hätten.

7

Der Patient SE war zunächst am 9. Januar 2004 im Institut für Rechtsmedizin einer äußeren Leichenschau unterzogen worden. Am 4. März 2004 wurde sein Leichnam auf Anordnung der Staatsanwaltschaft obduziert. Die Untersuchungen ergaben, dass er an einer Rauchgasvergiftung gestorben war, wobei seine BAK zum Zeitpunkt des Todes 1,9 ‰ betrug. Laut dem Ergebnis einer chemisch-toxikologischen Untersuchung vom 24. Mai 2004 fand sich außerdem im Venenblut, im Kleinhirngewebe und in den Haaren Codein. Offenbar hatte er in diesem Zustand geraucht und war dabei eingeschlafen, woraufhin es zu einem Brand gekommen war, der durch Sauerstoffmangel von selbst erloschen war.

8

Im Rahmen der nun gegen den Beschuldigten erfolgenden Ermittlungen befragte die Kriminalpolizei im Frühjahr 2006 verschiedene Personen aus dem näheren Umfeld des Beschuldigten, darunter seine damalige Lebensgefährtin und eine frühere Freundin. Seine damalige Lebensgefährtin Frau erklärte in ihrer Vernehmung vom 10. Februar 2006 u. a., in den Jahren 2003 und 2004 hätten der Beschuldigte und sie nach dem Tod seines Vaters „wohl immer mal 4, 5 Monate“ im familiären Bauernhaus in gelebt und dort u. a. Nachlassangelegenheiten geregelt. Die Wohnung in Hamburg und die Praxis (beides im selben Gebäude) hätten weiter bestanden. Praxisräume könne man dies allerdings nicht so richtig nennen, es habe sich um einen Büroraum und einen weiteren Raum mit einer Liege und einem Sofa gehandelt. Der Beschuldigte sei nur mit Privatpatienten beschäftigt gewesen, Termine habe es nur nach Vereinbarung gegeben und er habe überwiegend über Hausbesuche gearbeitet. Er habe einen Patientenstamm von vielleicht 20 bis 30 Personen, zu denen größtenteils er fahre. Außerdem arbeite er noch bei einem Privatärztlichen Notdienst, dessen Eigentümerin und Geschäftsführerin sie sei. Wie oft der Beschuldigte Hausbesuche beim Patienten SE (von dessen Problemen mit Medikamenten und Alkohol sie gewusst habe) gemacht habe, könne sie nicht beziffern. Sie gehe davon aus, dass der Beschuldigte gar nicht gewusst habe, von Herrn SE als Alleinerbe eingesetzt worden zu sein. Er habe das Erbe gegen ihren Rat nicht ausgeschlagen, sondern angenommen und den diesbezüglichen Nachlass geregelt.

9

Außerdem erwirkte die Staatsanwaltschaft in dem Zeitraum von 2005 bis 2008 mehrere gutachterliche Stellungnahmen des UKE, Institut für Rechtsmedizin (i. F.: die Rechtsmedizin), nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Patient in seinen letzten Jahren aufgrund verschiedener Suchtproblematiken und Abhängigkeiten wiederholt in verschiedenen Krankenhäusern stationär aufgenommen worden war. Besonders auffällig war sein Missbrauch von Benzodiazepin-Substanzen (Tranquilizer).

10

Mit gutachterlicher Stellungnahme vom 4. Juli 2005 äußerte sich die Rechtsmedizin zu der Frage, ob dem Patienten SE seitens des Beschuldigten über die übliche Norm hinaus Beruhigungs- und Schlafmittel verschrieben worden seien; dabei lagen ihr u. a. Krankenunterlagen zu verschiedenen, auf Einweisungen durch den Beschuldigten zurückzuführenden Krankenhausaufenthalten des Patienten vor. Die Rechtsmedizin führte in dieser gutachterlichen Stellungnahme aus, der Beschuldigte habe dem Patienten insbesondere in großen Mengen die Medikamente Adumbran forte (Wirkstoff Oxazepam, ein Benzodiazepin, hohes Abhängigkeitspotential), Chloraldurat 500 (ein Schlaf- und Beruhigungsmittel) sowie Codeinum phosphoricum forte (gedacht zur Behandlung von Reizhusten, hohes Abhängigkeitspotential) verschrieben. Am Ende führten die Gutachter aus:

11

„Nach Durchsicht der Krankenakten und der Ermittlungsakten kann festgestellt werden, dass Herr Dr. X dem Patienten SE in größeren Mengen Präparate mit dem Wirkstoff Codein verschrieben hat. Eine Indikation für dieses Medikament ist nicht zu erkennen. Es ist als ärztlicher Fehler zu werten, dass Herr Dr. X dem ehemals alkoholabhängigen Patienten ohne Indikation ein Sucht förderndes Medikament mit großem Abhängigkeitspotenzial verschrieben hat.

12

….

13

Zur Frage, ob seitens des Beschuldigten … über die übliche Norm hinaus Beruhigungs- und Schlafmittel verschrieben wurden, ist somit nach der Durchsicht der übersandten Unterlagen festzustellen, dass Herr Dr. X durch seine Verordnung eine schwere Abhängigkeit, insbesondere von... Codein, erzeugt und unterhalten hat. Eine Begründung dafür, die Medikamente aus anderer medizinischer Indikation zuzuordnen, ergibt sich aus den Krankenunterlagen nicht.“

14

Mit einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 5. Dezember 2005 äußerte sich die Rechtsmedizin auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft zu der Frage, ob und in welcher Weise sinnvolle therapeutische Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Bekämpfung einer Abhängigkeit ergriffen worden seien. Die Gutachter werteten die Krankenunterlagen zahlreicher Krankenhausaufenthalte des Patienten in dem Zeitraum von März 2000 bis November 2001 aus, und hoben zunächst die Ursachen der jeweiligen Einweisung des Patienten hervor (immer wieder Alkohol- und Benzodiazepinmissbrauch). Sodann bewerteten sie die Verschreibungspraxis des Beschuldigten und setzten diese in Beziehung zu der Suchtproblematik des Patienten, die immer wieder Grund für seine stationären Aufenthalte gewesen sei. Zusammenfassend gelangten sie auf die Ausgangsfrage der Staatsanwaltschaft zu folgendem Ergebnis:

15

„Als sinnvolle therapeutische Maßnahmen können formal nur die Einweisungen in verschiedene Krankenhäuser angesehen werden. Die dort durchgeführten Entzugsbehandlungen und Therapien wurden von Herrn Dr. X jedoch unterlaufen, indem er den Patienten schon kurz danach wieder mit denselben oder gleichartigen Medikamenten „versorgte“, die dessen Abhängigkeit wiederherstellten oder aufrecht erhielten und förderten, anstatt ihn zur Langzeittherapie seiner Suchtproblematik zu bewegen.

16

Trotz der unvollständigen Aktenlage bzgl. der Klinikaufenthalte (keine Unterlagen über angebliche längere Entzugsbehandlung in den USA, im AK E. oder im UKE) und ungeachtet der nicht nachvollziehbaren Vorgehensweise bzgl. der Verordnung bzw. Belieferung mit Rezepten (Rezepte liegen nur für einen Zeitraum von Mitte 2000 bis Ende 2001 vor) und der Abrechnung der ärztlichen Leistungen, ist ersichtlich, dass Herr Dr. X sinnvolle therapeutische Maßnahmen nicht ergriffen hat.“

17

Am 2. Januar 2008 äußerte sich die Rechtsmedizin auf Anfrage der Staatsanwaltschaft zu weiteren Fragen im Hinblick auf die Behandlung des Patienten SE durch den Beschuldigten, die erneut darauf hinausliefen, ob die Medikation die Abhängigkeit des Patienten gefördert habe, und ob die Verschreibung der Medikamente und insbesondere deren Häufigkeit als lege artis im Rahmen einer Suchttherapie angesehen werden könnten. Die Gutachter nahmen Bezug auf ihre Stellungnahmen vom 4. Juli 2005 und 5. Dezember 2005 und bestätigten ihre dort getroffenen Wertungen. Unter Auswertung von Unterlagen, die die Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich bei der DKV, der früheren privaten Krankenversicherung des Patienten, eingeholt hatte, führten sie aus, daraus ergebe sich, dass der Beschuldigte noch größere Mengen der Medikamente Adumbran, Chloraldurat und Codeinum phosphoricum verschrieben habe, als dies bei der Erstattung des ersten Gutachtens bekannt gewesen sei. Des Weiteren hatte die Staatsanwaltschaft gefragt, ob eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass das Suchtverhalten des Patienten sich bei gebotener Medikation anders entwickelt hätte. Hierzu erklärten die Gutachter, dadurch dass der Beschuldigte den Patienten mit starken, suchtfördernden und bekanntermaßen Abhängigkeit hervorrufenden Medikamenten versorgt habe, sei dessen Abhängigkeit von diesen Medikamenten aufrecht erhalten und möglicherweise erst in diesem Ausmaß erzeugt worden. Das Suchtverhalten des Patienten hätte sich sicher anders entwickelt, wenn der Beschuldigte ein anderes Verschreibungsverhalten gezeigt und eine konsequente Therapie der Suchterkrankung angestrebt hätte. Zusammenfassend führten die Gutachter aus:

18

„Herr Dr. X verschrieb Medikamente, die ein hohes Abhängigkeitspotenzial besitzen, ohne nachvollziehbare Indikation in zu hohen Dosen und in sehr großen Mengen. Die stattgehabte Verschreibung vor allem des Medikamentes Codeinum phosphoricum, ….in sehr hoher Dosierung ist keinesfalls als lege artis anzusehen. Es ist als ärztlicher Fehler zu werten, dass Herr Dr. X den ehemals alkoholabhängigen Patienten ohne Indikation dieses suchtfördernde Medikament mit bekannt hohem Abhängigkeitspotenzial eindeutig missbräuchlich in großen Mengen zur Verfügung stellte. Hierdurch … hat der Arzt die Abhängigkeit des Patienten aufrecht (erhalten), gefördert und möglicherweise erst in diesem Ausmaß erzeugt, anstatt ihn zur Langzeittherapie seiner Suchtproblematik zu bewegen, was von einem umsichtigen und pflichtbewussten Arzt zu erwarten wäre.“

19

Die Kriminalpolizei hatte zwischenzeitlich mit einer Aufstellung vom 8. August 2007 die von der Staatsanwaltschaft bei der beigezogenen Unterlagen ausgewertet und die Verschreibungen aufgelistet, die der Beschuldigte in der Zeit von Februar 1999 bis Oktober 2001 im Fall des Patienten SE ausgestellt hatte und die von diesem eingelöst und bei der eingereicht worden waren; hinzu kamen die in der Wohnung des Patienten nach seinem Tod gefundenen 10 Rezepte vom 30. Dezember 2003 für Codein.

20

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2008 reichte der damalige Verteidiger des Beschuldigten ein Privatgutachten des Arztes für Psychiatrie, Forensische Psychiatrie und Suchtmedizinische Grundversorgung Dr. B. vom 15. Mai 2008 ein und erklärte, dieses Gutachten erweise, dass den gutachterlichen Stellungnahmen der Rechtsmedizin nicht zu folgen sei. In diesem 20 seitigen Gutachten wurden zunächst („I.“) über 14 Seiten die dem Gutachter vorgelegten Akten ausgewertet. Sodann („II.“) gelangte der Gutachter zu der Beurteilung, dass der Vorwurf, der Beschuldigte habe bei dem Patienten eine Abhängigkeit erzeugt bzw. unterhalten, nicht nachvollziehbar sei. Der Patient habe unter einer polivalenten Abhängigkeitserkrankung im Bereich von Alkohol, Opiaten und Benzodiazepinen gelitten, die bis in sein 16. Lebensjahr zurückreiche; demnach könne nicht von einer Erzeugung einer Abhängigkeit durch den Beschuldigten gesprochen werden. Der Patient sei nach entsprechenden Entzugsbehandlungen immer wieder rückfällig geworden. Es habe sehr wohl eine Indikation für die Verordnung solcher Substanzen bei einem Abhängigkeitserkrankten bestanden, gleichzeitig habe er konsequenterweise den Patienten immer wieder erneut zur Entzugsbehandlung in diverse Krankenhäuser eingewiesen. Aus suchtmedizinischer Sicht werde das Vorenthalten einer entsprechend notwendigen Medikation für völlig unsinnig gehalten, da es gerade bei einem Suchtkranken darauf ankomme, den Patienten in die ärztliche Behandlung aufzunehmen, eine Vertrauensbasis zu schaffen und davon ausgehend den suchtkranken Patienten für weitergehende therapeutische Schritte zu motivieren. Die Medikation mit Benzodiazepinen und dem Opioid Codein stellten einen Versuch dar, den Patienten auch psychisch zu stabilisieren bei vorhandener psychiatrischer Erkrankung (Depression). Hinzu komme, dass der Patient bei fehlender Versorgung mit der entsprechenden Medikation in ein lebensbedrohliches Delir oder in einen status epilepticus geraten könne. Der Vorwurf, dass der Beschuldigte die Abhängigkeit unterhalten habe, wäre nur nachzuvollziehen, wenn er anders als tatsächlich geschehen nicht versucht hätte, den Patienten immer wieder zu erneuten Entzugsbehandlungen zu motivieren. Diese Motivation habe insofern Erfolg gehabt, als der Patient sich wiederholt in stationäre Behandlung begeben habe. Auch habe er sich bemüht, dem Patienten einen Therapieplatz zur Langzeitentwöhnung in der Klinik O. zu besorgen; jedoch habe sich der Patient letztendlich offensichtlich nicht für diesen Schritt motivieren lassen.

21

Die Staatsanwaltschaft holte daraufhin ein psychiatrisches Gutachten bei dem Konsiliar-Psychiater Dr. P. ein, das dieser am 29. August 2008 unter Berücksichtigung der bisherigen Gutachten und der sonstigen Unterlagen erstattete. Er schloss sich den Ausführungen in den Gutachten der Rechtsmedizin an und trat dem Gutachten des Dr. B. entgegen. Er führte aus, bei einer Tablettenabhängigkeit sei wie bei Alkoholsucht eine Abstinenz anzustreben; die diesbezügliche Stoffgruppe erneut zu verordnen, sei kontraproduktiv. Die Behandlung einer Depression mit Benzodiazepin und Codein (Gutachten Dr. B. , S. 18) sei aus seiner Sicht nicht nachvollziehbar. Die Gefahr eines lebensbedrohlichen Delirs oder eines status epilepticus könne durch die Verordnung von Benzodiazepin in hoher Dosierung eher noch verstärkt werden. Zusammenfassend führte Dr. P. aus:

22

„Die Behandlung einer Depression mit Benzodiazepin und Codein (Gutachten Dr. B. , Seite 18) ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, bei Depressionen kommen vorwiegend Antidepressiva zum Einsatz, wie z.B. Aponal.

23

24

Gutachterlicherseits wurde die Verordnung von Dr. X nicht als umsichtig und pflichtbewusst angesehen. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum Benzodiazepin, Codein und Chloraldurat erneut und in so hoher Dosis gegeben wurden.

25

26

Laut Unterlagen war Herr SE schon mehr oder minder von Benzodiazepinen und Codein abhängig gewesen. Die erneute Verordnung dieser Präparate nach den stationären Aufenthalten war aber in der Lage, die Medikamentenabhängigkeit erneut zu fördern.

27

28

Die Auswahl der Präparate sowie die Dosierung war aus meiner Sicht nicht als lege artis anzusehen.“

29

Die zuständige Staatsanwältin fasste das Ergebnis der Ermittlungen gegen den Beschuldigten in einem Vermerk vom 19. November 2008 zusammen. Sie führte aus, bei allen drei verstorbenen Patienten lasse sich im Hinblick auf die jeweilige Todesfolge kein strafrechtlicher Tatbestand nachweisen; bei den beiden anderen Patienten sei überhaupt kein strafrechtlich relevanter Tatbestand nachweisbar. Im Fall des Patienten SE habe allerdings mit Hilfe von dessen Krankenversicherung durch Auswertung der beigezogenen Rezepte und die gutachterlichen Stellungnahmen nachgewiesen werden können, dass der Beschuldigte durch die Art und Häufigkeit der verschriebenen Medikamente eine vorsätzliche Körperverletzung begangen habe.

30

Das Amtsgericht ….. erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 29. Mai 2009 gegen den Beschuldigten einen Strafbefehl in Höhe von 70 Tagessätzen (von je 80,- Euro) wegen Körperverletzung (§ 223 StGB) zum Nachteil des Patienten SE , da er mit seinen Verschreibungen dessen schwere Medikamentenabhängigkeit unterhalten bzw. gefördert habe. Der Beschuldigte legte dagegen durch seinen damaligen Verteidiger am 10. Juni 2009 Einspruch ein. Die Sache kam beim Amtsgericht ….. für längere Zeit nicht zur Bearbeitung; schließlich wurde auf den 27. Januar 2012 die Hauptverhandlung terminiert. Der Beschuldigte machte dort von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. Die Hauptverhandlung wurde unterbrochen und die Fortsetzung auf den 17. Februar 2012 bestimmt; die Richterin lud am 9. Februar 2012 für diesen Termin vier Zeugen. Am 14. Februar 2012 vermerkte eine Oberstaatsanwältin, ein weiterer Verteidiger des Beschuldigten habe sie am Tag zuvor angerufen und sich nach der Möglichkeit erkundigt, das Verfahren gemäß § 153 a StPO gegen Zahlung eines Geldbetrags einzustellen. Sie habe diese Frage daraufhin mit zwei Kollegen sowie mit dem ersten Verteidiger des Beschuldigten besprochen und man habe sich auf diese Lösung gegen Zahlung eines Geldbetrags von 2.500,- Euro verständigt. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht ….., das Verfahren gemäß § 153 a Abs. 2 StPO gegen Zahlung eines Geldbetrags von 2.500,- Euro zugunsten der Staatskasse einzustellen. Das Amtsgericht stellte sodann antragsgemäß das Verfahren mit Beschluss vom 14. Februar 2012 zunächst vorläufig und nach Eingang des Geldbetrags mit Beschluss vom 2. März 2012 endgültig ein.

31

Die Beteiligte zu 1. forderte mit Schreiben vom 20. März 2012 bei der Staatsanwaltschaft die Ermittlungsakten zur Einsichtnahme zwecks Überprüfung eines berufsrechtlichen Überhangs an, was die Staatsanwaltschaft entsprechend verfügte. Zuvor hatte sich die Beteiligte zu 1. seit Dezember 2008 wiederholt bei der Staatsanwaltschaft nach dem Sachstand des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschuldigten erkundigt und um zeitweilige Überlassung der Ermittlungsakte nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens zwecks Überprüfung eines berufsrechtlichen Überhangs gebeten; sie war Ende November 2008 gemäß Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass des Strafbefehls informiert worden.

32

Der bei der Beteiligten zu 1. mit dem Vorgang befasste Referent wies den Beschuldigten mit Schreiben vom 16. April 2012 darauf hin, dass die Beteiligte zu 1. von dem Ausgang des nach § 153 a StPO eingestellten Strafverfahrens erfahren habe und einen berufsrechtlichen Überhang prüfe, und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 27. Juni 2012 übersendete der Beschuldigte der Beteiligten zu 1. die Patientendokumentation im Original. Auf zunächst mehrfach unbeantwortet gebliebene Anforderung erhielt die Beteiligte zu 1. schließlich von der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 18. September 2012 die Beweismittelordner zugeschickt, welche u. a. zahlreiche asservierte Rezepte, darunter die o. g. 10 Rezepte vom 30. Dezember 2003 enthielten. Am 27. September 2012 fertigte der Referent eine Beschlussvorlage für den Vorstand der Beteiligten zu 1. Dort führte er aus, die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft verdeutlichten, dass der Beschuldigte über mehrere Jahre in erheblichen Mengen Medikamente mit Suchtpotential verschrieben habe. Die Rezepte seien zum Teil ohne weitere Untersuchungen nach Anforderung des Patienten per Post übersendet worden. Die Medikamentenverordnung setze auch unmittelbar nach stationären Entzugsbehandlungen wieder ein. Dieses Verordnungsverhalten berühre die Frage der ärztlichen Sorgfalt und der gewissenhaften Versorgung mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Außerdem sei es fraglich, ob die Verordnungsweise einer missbräuchlichen Verwendung der Verschreibung Vorschub geleistet habe.

33

Der Vorstand beschloss am 15. Oktober 2012, gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 7 Abs. 8 BO (Verordnungsverhalten) und § 32 Abs. 1 BO (Erbeinsetzung) berufsgerichtliche Vorermittlungen einzuleiten.

34

Auf den Fall des (bereits am 6. Oktober 2008 verstorbenen, schwer alkohol- und zuckerkranken) Patienten L. wurde die Beteiligte zu 1. laut ihren Angaben aufmerksam im Zusammenhang mit dem o. g. gegen den Beschuldigten geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in Sachen des Patienten SE . Sie forderte bei der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 12. April 2012 und 9. Mai 2012 die Ermittlungsakten an, die sie daraufhin erhielt und am 24. Mai 2012 zurücksendete. Sie schrieb unter gleichem Datum den Beschuldigten an und bat um kurzfristige Überlassung der Patientendokumentation. Der Beschuldigte übersendete der Beteiligte zu 1. daraufhin mit mehreren Schreiben eine Dokumentation über seine Behandlung des Patienten vom 16. April 2008 bis zum 1. Oktober 2008 sowie diverse Arztbriefe über stationäre Aufenthalte des Patienten.

35

Aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte ergab sich, dass der Patient L. tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde, nachdem die Feuerwehr auf Ersuchen des Vermieters die Tür geöffnet hatte, und dass auf deren Betreiben der Beschuldigte als „Hausarzt“ des Patienten herbeigerufen wurde, um den Toten zu untersuchen; er hielt offenbar einen Suizid durch Einnahme von Schlafmitteln für möglich oder wahrscheinlich. Der Leichnam wurde daraufhin in die Rechtsmedizin verbracht, wo eine Ärztin eine äußere Leichenschau vornahm, ohne eine Todesursache feststellen zu können. Da es aus ihrer Sicht keine Hinweise auf fremdes Verschulden gab, wurde der Leichnam zur Feuerbestattung freigegeben.

36

Der bei der Beteiligten zu 1. mit dem Vorgang befasste Referent analysierte die vom Beschuldigten übersendete Patientendokumentation und die weiteren Unterlagen und gelangte zu der vorläufigen Einschätzung, dass es zweifelhaft sei, ob der Beschuldigte bei der Behandlung des Patienten die erforderliche Sorgfalt gewahrt habe. Anamnestische Annahmen seien der Dokumentation nicht zu entnehmen, ebenso wenig, welche Untersuchungen der Beschuldigte durchgeführt habe, ggf. mit welchem Befund. Auch fehle es an einer ordnungsgemäßen Dokumentation. Die im dortigen Kopfbereich erfolgte Aufzählung von Dauerdiagnosen lasse es im Unklaren, wann und auf welcher Grundlage der Beschuldigte jeweils welche Diagnose gestellt habe. Zudem habe er auf Nachfrage der Beteiligten zu 1. eingeräumt, dass die Eintragungen für den 29. August 2008 („Cialis“) und den 1. September 2008 („Erektile Dysfunktion“) mit dem Patienten L. nichts zu tun gehabt und er diese Eintragungen daher wieder gelöscht habe. Das Referat Berufsordnung empfehle, berufsgerichtliche Vorermittlungen zu beschließen. Der Vorstand beschloss in seiner Sitzung vom 20. August 2012 die Einleitung berufsgerichtlicher Vorermittlungen. Der Beschuldigte habe nicht die erforderliche Sorgfalt bei der Behandlung des suchtabhängigen und diabeteskranken Patienten eingehalten. Auch weise seine Dokumentation Mängel auf.

37

Gegenstand des vorliegenden berufsgerichtlichen Verfahrens geworden sind gemäß der Anschuldigungsschrift der Beteiligten zu 1. vom 18. November 2013 allerdings nur noch die fehlerhaft dokumentierte Diagnose vom 1. September 2008 („Erektile Dysfunktion“) und die für den 1. August 2008 bzw. den 29. August 2008 fehlerhaft dokumentierten Verordnungen einer Insulinspritze bzw. von Cialis 20 mg. Zuvor war der Vorstand der Beteiligten zu 1. in seiner 1.056. Sitzung am 19. August 2013 zu der Einschätzung gelangt, dass der Vorwurf der Fehlbehandlung im Fall des Patienten L. nicht aufrechterhalten werden solle, da diese Behandlung ihrer Dokumentation nach zwar Defizite, insbesondere hinsichtlich der Diagnostik, aufweise, aber gerade noch als vertretbar gewertet werden könne; es bleibe bei dem Verstoß gegen die ärztliche Dokumentationspflicht durch die fehlerhaften Eintragungen.

38

Auf den Fall des Patienten G. wurde die Beteiligte zu 1. aufmerksam gemacht durch ein Schreiben des Amtsgerichts P. vom 26. August 2011, dem ein fachpsychiatrisches Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. BR. (Chefarzt der A-Klinik ) vom 7. April 2011 und ein psychiatrisches Gutachten des Landrats des Kreises P. (Fachdienst Gesundheit) vom 24. August 2011 beigefügt waren; das Amtsgericht übersendete diese Gutachten „mit der Bitte um Prüfung, ob im Hinblick auf die Medikamentenverordnung des Dr. X aus dortiger Zuständigkeit Maßnahmen zu ergreifen sind“. Der Patient war bei dem Beschuldigten in Behandlung ab April 2008; die Substitutionsbehandlung des Patienten mit Suboxone/Subutex übernahm der Beschuldigte im Januar 2009.

39

Anlass für das im Auftrag des Amtsgerichts P. von Dr. Br. erstattete Gutachten war die Frage der weiteren Notwendigkeit, des Umfangs und der Dauer der für den Patienten G. (geb. ) bestehenden gesetzlichen Betreuung. Für ihn bestand laut dem Gutachten seit dem 31. Januar 2007 eine gesetzliche Betreuung für die Bereiche Gesundheitssorge, Vermögenssorge sowie Vertretung „gegenüber dem Träger“, und zwar vor dem Hintergrund einer schweren Borderline-Persönlichkeitsstörung und eines polivalenten Drogenkonsums. Dr. BR. erstattete sein Gutachten auf der Grundlage eines Gesprächs mit dem Patienten und eines Betreuers in der Übergangseinrichtung (mit der Zielgruppe psychisch erkrankter Menschen) „S“ in P..., in der der Patient seinerzeit seit Juni 2009 (bis Oktober 2011) lebte. Der Betreuer berichtete laut dem Gutachten, er sehe den „massiven Subutex-Konsum“ des Patienten sehr kritisch. Der Gutachter gab dies so wieder: „Das Zeug werde Herrn G. von einem ihm offensichtlich wohlgesinnten Arzt in diesen horrenden Dosen verschrieben, und das seit Ewigkeiten. Es habe keinerlei Versuch gegeben, die Menge zu reduzieren. Zusätzlich konsumiere Herr G. Schmerzmittel, die er ebenfalls vom Arzt verordnet bekomme“. Am Schluss des Gutachtens führte Dr. BR. unter „Zusammenfassung und Diskussion“ Folgendes aus:

40

„Betrachtet man die (wenngleich spärlichen) medizinischen Unterlagen über den Betroffenen, so ist in den vergangenen vier bis fünf Jahren kaum eine grundlegende Stabilisierung erfolgt, sondern allenfalls eine zeitweise und milde Beruhigung der Symptomatik.

41

Herr G. nimmt eine Menge an Substitutionsmedikamenten zu sich (26 mg Subutex, Wirkstoff Buprenorphin; die Menge wurde durch Herrn V. bestätigt), die weit jenseits der Dosierung liegt, die man gemeinhin als angemessen für selbst schwer polyvalent Drogenabhängige erachtet. Klinisch wirkt sich die hohe Dosis offensichtlich in Müdigkeit aus, gegen die der Betroffene, offenbar ebenfalls ärztlich angeordnet, ein Amphetamin („Aufputschmittel“) einnimmt. Hier stellt sich die Frage nach der Verantwortung einer solchen Kombination. Herr G. hat es offensichtlich geschafft, einen ärztlichen Kollegen zu finden, den er Borderline-Typisch „um den Finger gewickelt“ hat und der in den von Herrn G. vorgegebenen Mengen (und nicht in den medizinisch notwendigen und vertretbaren) die Stoffe verordnet. Dies ist m. E. als sehr bedenklich anzusehen. Herr G. nutzt die Stoffe offensichtlich dazu, seine eigene Gefühlswelt zu regulieren oder erträglicher zu machen. Der Einsatz solcher Wirkstoffe mit dieser Indikation ist fragwürdig.“

42

Der Gutachter gelangte zu dem Ergebnis, es müsse abgewartet werden, inwieweit der Patient in der aktuellen Einrichtung noch weiter tragbar sei; unverzichtbar sei jedoch der weitere Einsatz des gesetzlichen Betreuers in unverändertem Umfang.

43

Das ebenfalls vom Amtsgericht P. in Auftrag gegebene Gutachten des Kreises P... sollte zu der Frage Stellung nehmen, ob eine geschlossene Unterbringung des Patienten zur Heilbehandlung gemäß § 1906 BGB angeordnet werden solle. Der Gutachter (Kreisobermedizinalrat M., ein Nervenarzt) stützte sich u. a. auf einen Besuch bei dem Patienten und auf das Studium des o. g. Gutachtens von Dr. BR.. Er gelangte zu der diagnostischen Einschätzung einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, emotional-instabilen und wohl auch abhängigen und dissozialen Anteilen auf Borderline-Niveau. Darüber hinaus bestehe ein Multi-Substanzmissbrauch und eine Opiatabhängigkeit, „möglicherweise auch iatrogen (durch ärztliches Handeln ausgelöst) mitbedingt, mindestens aber sicherlich iatrogen fixiert“. Die Steuerungsfähigkeit des Patienten sei jedoch grundsätzlich erhalten. Eine Krankenhausbehandlung sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sinnvoll, da der Patient sie ablehne und er nach Ablauf der Unterbringung die Substanzeinnahme mit größter Wahrscheinlichkeit fortsetzen werde. Anhaltspunkte für eine Unterbringung nach dem PsychKG hätten sich zu keinem Zeitpunkt ergeben. In dem Gutachten hieß es sodann abschließend:

44

„Der gesetzliche Betreuer von Herrn G. , Herr D., sollte nach meiner Einschätzung beauftragt werden, Herrn G. den Behandlungskontakt zu dem verordnenden Arzt, Dr.X,, am besten ganz, mindestens aber was die Suchtmittelverordnung und Verordnung psychotroper Substanzen betrifft zu untersagen. Ein rein hausärztlicher Kontakt könnte m. E. eventuell sogar beibehalten werden. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass bei Herrn G. eine psychiatrische Erkrankung vorliegt, somatische Erkrankungen sind nicht bekannt. Der Hausarzt Dr. X ist Allgemeinmediziner und hat die Zusatzbezeichnung „Suchtmedizinische Grundversorgung“, aber nicht die erforderliche Qualifikation für eine Versorgung eines psychiatrisch erkrankten Patienten, hier mit dem offensichtlichen Schwerpunkt der Versorgung mit Substanzen auf Rezept ohne jegliche medizinisch validierte Indikation.

45

Ob hier ein Behandlungsfehler vorliegt, möchte ich aus Gutachtersicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten, allerdings sollte es nicht dabei bleiben, dass dieser Patient, Herr G., mit dem Wissen aller beteiligten Personen (Richter, Betreuer, Verfahrenspfleger, Gutachter, etc.) in nicht sachgerechter Weise mit ihm an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schadenden Substanzen versorgt wird.“

46

Mit einem weiteren Schreiben vom 26. August 2011 wendete das Amtsgericht Pinneberg sich auch an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht I. mit der Bitte um Prüfung, „ob im Hinblick auf die Medikamentenverordnung des Dr. aus dortiger Zuständigkeit Maßnahmen zu ergreifen sind“, und fügte die beiden o. g. Gutachten bei. Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht I. gab den Vorgang am 9. September 2011 weiter an die Staatsanwaltschaft Hamburg mit der Bitte um Übernahme des Verfahrens, weil der Beschuldigte seine Praxis in Hamburg habe.

47

Die Staatsanwaltschaft Hamburg übernahm das Verfahren und wurde aktiv. Am 1. November 2011 beantragte sie beim Amtsgericht Hamburg den Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen bezüglich der Praxisräume des Beschuldigten und der Betriebsräume der Einrichtung „S“ in P. , jeweils mit dem Zusatz, dass die Durchsuchung durch die freiwillige Herausgabe der den Patienten G. betreffenden Patientenakte und sonstiger Unterlagen bzw. der den Bewohner G. betreffenden Unterlagen abgewendet werden könne. Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft aus, der Beschuldigte sei verdächtig, in Hamburg und anderen Orts in der Zeit vor dem 4. April 2011 durch eine bislang unbekannte Vielzahl selbständiger Handlungen entgegen § 2 Abs. 1 BtMVV für einen Patienten innerhalb von 30 Tagen mehr als ein Betäubungsmittel verschrieben zu haben, indem er dem Zeugen G. im Rahmen einer Substitutionsbehandlung bei einer noch zu ermittelnden Zahl von Gelegenheiten „Subutex“ mit einer Tagesdosis von 26 mg und gleichzeitig ein noch nicht ermitteltes Amphetamin verschrieben habe. Der zuständige Richter beim Amtsgericht Hamburg vermerkte dazu am 9. November 2011, ein Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1 a), 16 Nr. 2 BtMVV liege entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht vor, da es an Anhaltspunkten dafür fehle, dass durch die Medikation bereits ein Gesundheitsschaden bei G. eingetreten sei. Es bestünden aber zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen §§ 5 Abs. 1, 16 Nr. 2 a) BtMVV, wonach Substitutionsmittel wie Subutex nur mit dem Ziel der schrittweisen Wiederherstellung der BtM-Abstinenz verordnet werden dürften. Auf dieser Grundlage erließ das Amtsgericht Hamburg am 9. November 2011 die beantragten Durchsuchungsbeschlüsse, allerdings mit der Begründung, der Beschuldigte sei verdächtig, entgegen § 5 Abs. 1 Nr.1 a) BtMVV ein Betäubungsmittel unter Nichteinhaltung der vorgegebenen Bestimmungszwecke verschrieben zu haben, indem er dem G. „… seit Jahren Subutex mit einer gleichbleibenden Tagesdosis von 26 mg verschreibt, ohne das Ziel einer schrittweisen Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz zu verfolgen“.

48

Die beiden Durchsuchungen fanden am 9. Februar 2012 statt. Der Beschuldigte gab laut dem Durchsuchungsbericht der Kriminalpolizei freiwillig die Patientenakte G. in Papierform und als Ausdruck der zugleich elektronisch vorhandenen Akte heraus; gegen die Sicherstellung dieser Unterlagen legte er Widerspruch ein. Auch in der Einrichtung „S.“ erfolgte laut dem diesbezüglichen Durchsuchungsbericht eine freiwillige Herausgabe der Patientenakte G. durch den Unterkunftsleiter, der bei dieser Gelegenheit mitteilte, dass der Patient seit dem 24. Oktober 2011 nicht mehr dort wohnte, sondern in das Haus in der Klinik verlegt worden war. Das Amtsgericht Hamburg bestätigte mit Beschluss vom 14. Juni 2012 die Beschlagnahme der bei dem Beschuldigten sichergestellten Unterlagen.

49

Mit Verfügung vom 21. Juni 2012 gab die Staatsanwaltschaft Hamburg beim Institut für Rechtsmedizin eine gutachterliche Äußerung zu insgesamt sechs Fragen in Auftrag. Die erste Frage lautete, ob sich Anhaltspunkte für ein ärztliches Fehlverhalten des Beschuldigten ergäben, insbesondere für eine fehlerhafte Medikation unter dem Gesichtspunkt des Bestimmungszwecks der Substitution, nämlich der schrittweisen Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz einschließlich der Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes des Patienten G. . Die weiteren Fragen galten für den Fall, dass die erste Frage zu bejahen sei, und gingen dahin, welche Behandlungsfehler vorlägen, ob die Behandlungsfehler bei der zu verlangenden Sorgfalt zu vermeiden gewesen wären, ob durch das Fehlverhalten ein pathologischer Zustand des Patienten G. hervorgerufen, gesteigert, nicht beseitigt oder nicht gemindert worden sei, ob Letzteres vorhersehbar gewesen sei und wie groß der dem Beschuldigten zu machende Schuldvorwurf aus medizinischer Sicht sei.

50

Die Rechtsmedizin erstattete daraufhin am 23. Juli 2012 ein diesbezügliches Gutachten; sie stützte sich dabei auf die Ermittlungsakte, die beim Beschuldigten beschlagnahmte Patientenakte und die seitens der Einrichtung „S“ übergebenen Unterlagen. Die Gutachter (der Institutsleiter und zwei forensische Toxikologinnen) werteten als kritisch einerseits die hohe und so nicht nachvollziehbare Dosis des Subutex (Substitutionsmittel bei Abhängigkeit von Opioden/Opiaten) von 24 mg ab dem 22. Juni 2009, wobei der Beschuldigte die Dosierungen von 6 mg täglich, als er die Substitutionsbehandlung des G. im Anfang Januar 2009 übernommen habe, zunächst auf 10 mg täglich (ab 29.1.2009) und dann auf 16 mg täglich (ab 30.4.2009) gesteigert habe. Die Dosierung sei (nach kurzfristigen zwischenzeitlichen Verringerungen) ab dem 14. September 2010 sogar noch auf 26 mg täglich erhöht worden, was bis zum 31. Oktober 2011 angehalten habe; ab dann habe die Dosierung wieder 24 mg betragen. Der Beschuldigte habe nicht dokumentiert, welchen Grund diese starke Dosissteigerung gehabt habe. Zum anderen bewerteten es die Gutachter als kritikwürdig, dass der Beschuldigte zusätzlich noch Opioide/Opiate wie Tramadol (von dem die ursprüngliche Abhängigkeit bestanden habe), Oxycodon und Codein, aber auch amphetaminähnliche Stimulanzien verordnet habe, was eher förderlich für das Suchtverhalten sei. Andererseits gaben die Gutachter zu bedenken, dass die Behandlung des Patienten G. , bei dem bereits seit dem Jahr 2000 eine psychische Erkrankung vorgelegen und sich im Laufe der folgenden Jahre bis 2008 ein schwerwiegender Drogen- und Medikamentenmissbrauch entwickelt habe, eine sehr schwierige Aufgabe für den Beschuldigten gewesen sei, zumal es der Patient im Laufe der Jahre wiederholt gegen ärztlichen Rat abgelehnt habe, sich auf stationäre Entzugsbehandlungen einzulassen (Doppelabhängigkeit von Benzodiazepinen und Opioiden bei gleichzeitiger schwerer psychischer Erkrankung). Insgesamt liege aus medizinisch-toxikologischer Sicht kein grundsätzliches ärztliches Fehlverhalten oder eine fehlerhafte Medikation seitens des Beschuldigten vor. Auch das Therapieziel der schrittweisen Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz sei vor dem Hintergrund der Stabilisierung bzw. Vermeidung der Destabilisierung des psychischen Gesundheitszustandes des Patienten G. vor dem Hintergrund der zuvor aufgetretenen Probleme bei dem Entzug von Benzodiazepinen als nachrangig zu bewerten. Da die Frage 1 nicht zu bejahen sei, erübrigten sich die Fragen 2 bis 6.

51

Die Staatsanwaltschaft Hamburg stellte daraufhin am 21. September 2012 das Verfahren gegen den Beschuldigten nach § 170 Abs. 2 StPO ein. In einem begleitenden Vermerk führte der Staatsanwalt aus, eine Strafbarkeit des Beschuldigten nach § 2 Abs. 1 BtmVV lasse sich trotz der massiv gehäuften (in dem Vermerk im Detail aufgeführten) Verordnung u. a. von „Suboxone“ bzw. „Subitex“ in der Zeit von Januar 2009 bis Oktober 2011 sowie von „Lorazepam Dura“ in der Zeit von Januar 2009 bis November 2011 nicht mit Sicherheit feststellen. Zwar habe der Beschuldigte damit die in § 2 Abs. 1 BtmVV normierten Höchstverschreibungsmengen von 800 mg Buprenorphin (Suboxone bzw. Subitex) binnen 30 Tagen wiederholt und zum Teil erheblich überschritten; außerdem habe der Beschuldigte jeweils binnen 30 Tagen auch Medikamente mit in der Anlage III zum BtMG genannten Wirkstoffen wie „Tavor“ und „Lorazepam Dura“ in zum Teil erheblichem Umfang verschrieben. Jedoch sei nach dem Gutachten der Rechtsmedizin vom 23. Juli 2012 davon auszugehen, dass die stattgehabte Medikation insbesondere vor dem Hintergrund der psychischen Erkrankungen des Patienten G. nicht als fehlerhaft, wenn auch als kritikwürdig angesehen werden könne, so dass ein „begründeter Einzelfall“ im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 BtMVV, der eine Abweichung hinsichtlich der Zahl der verschriebenen Betäubungsmittel und der festgesetzten Höchstmengen zulasse, nicht ausgeschlossen werden könne (auch wenn sich Letzteres anhand der vom Beschuldigten durchgeführten Dokumentation nicht unmittelbar erschließe). Auch lasse sich eine Strafbarkeit des Beschuldigten nach § 5 Abs. 1 BtMVV, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Ziels der schrittweisen Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz einschließlich der Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes (Nr. 2) nicht mit Sicherheit feststellen, denn laut dem Gutachten der Rechtsmedizin vom 23. Juli 2012 sei dieses Ziel vor dem Hintergrund der Stabilisierung bzw. Vermeidung der Destabilisierung des psychischen Gesundheitszustandes des Patienten G. und der zuvor aufgetretenen Probleme bei dem Entzug von Benzodiazepinen als nachrangig zu betrachten. In Betracht komme allerdings eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 6 BtMG i. V. m. § 17 Nr. 2 BtMVV, da laut dem letztgenannten Gutachten die von dem Beschuldigten vorgenommene Dokumentation suboptimal sei und es nicht erlaube, die Gründe für die Dosissteigerungen bzw. für das Nicht-In-Betracht-Ziehen von Dosisreduktionen nachzuvollziehen.

52

Das daraufhin von der Staatsanwaltschaft angestoßene Ordnungswidrigkeitsverfahren nahm den folgenden Verlauf: Mit Schreiben vom 18. Januar 2013 reichte die Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, der Staatsanwaltschaft Hamburg die ihr zuvor zum Zweck der Ahndung einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 32 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Nr. 8 BtMG i. V. m. § 17 Nr. 2 BtMVV übersendeten Akten zurück. Nach der einschlägigen Zuständigkeitsanordnung seien die Bezirksämter zuständig. Das sodann von der Staatsanwaltschaft befasste Bezirksamt W. reichte die Akten ebenfalls (mit Schreiben vom 18.3.2013) zurück: Die Bezirksämter seien laut der Zuständigkeitsanordnung lediglich für die Überwachung und daraus resultierende Anordnungen nach § 19 Abs. 1 bzw. § 22 Abs. 4 BtMG zuständig, nicht aber für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten; diese Zuständigkeit liege bei der Fachbehörde. Nunmehr verfügte die Staatsanwaltschaft am 26. März 2013 die erneute Übersendung der Akten an die Gesundheitsbehörde zur weiteren Veranlassung hinsichtlich des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit. Die Gesundheitsbehörde gab den Vorgang mit Schreiben vom 6. Juni 2013 ein weiteres Mal an die Staatsanwaltschaft zurück. Nach erneuter Prüfung sei man dort nach wie vor der Auffassung, dass die Bezirksämter für die Ahndung derartiger Ordnungswidrigkeiten zuständig seien. Das Bezirksamt sendete daraufhin die Akten mit Schreiben vom 30. Januar 2014 an die Staatsanwaltschaft zurück und teilte dabei (ohne weitere Erläuterungen) mit, dass das Verfahren eingestellt worden sei.

53

Die Beteiligte zu 1. (Referat Berufsordnung) hatte nach Erhalt des o. g. Schreibens des Amtsgerichts P. vom 26. August 2011 den Beschuldigten mit Schreiben vom 1. September 2011 um Stellungnahme und Übersendung der Patientendokumentation gebeten und ihn mit weiteren Schreiben vom 30. September 2011 und 18. Oktober 2011 an dieses Anliegen erinnert, ohne dass der Beschuldigte darauf reagiert hatte. Das Referat Berufsordnung der Beteiligte zu 1. empfahl daraufhin mit einer Beschlussvorlage für den Vorstand vom 1. Dezember 2011 die Einleitung berufsgerichtlicher Vorermittlungen: Der Vorgang berühre die Berufspflicht zur gewissenhaften Berufsausübung. Es bestehe der Verdacht, dass der Beschuldigte die Verordnung unkritisch vorgenommen und das Suchtverhalten des Patienten unterstützt bzw. unterhalten habe.

54

Der Vorstand beschloss in seiner Sitzung vom 12. Dezember 2011, gegen den Beschuldigten berufsgerichtliche Vorermittlungen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen die allgemeinen Berufspflichten aufzunehmen.

55

Auf den Fall des Patienten S. wurde die Beteiligte zu 1. durch eine anonyme (zugleich an die Ärztekammer in B. gerichtete) Anzeige aufmerksam, die am 14. Mai 2012 einging. In dem Schreiben hieß es, der Beschuldigte schicke diesem in L. wohnenden Patienten seit mindestens einem Jahr immer wieder auf telefonische Anfrage Diazepam-Rezepte zu und kassiere dafür jedes Mal Geld. Der Patient sei noch nie bei dem Beschuldigten in der Praxis gewesen. „Aber hier in B. “ kriege der Patient diese Mittel wohl nicht, wie er/sie (der/die Anzeigende) gehört habe. Er/sie bitte um Überprüfung. Die Beteiligte zu 1. bat daraufhin den Beschuldigten mit Schreiben vom 16. Mai 2012 um Übersendung der gesamten Patientenunterlagen im Original. Der Beschuldigte antwortete darauf mit zwei identischen Schreiben vom 19. Mai 2012, denen ein zweiseitiger bzw. ein einseitiger Ausdruck der elektronischen Karteikarte beigefügt war. Er führte aus, er habe dem Patienten seit dem 8. Dezember 2011 „in circa monatlichen oder sogar längeren Abständen“ eine Packung Diazepam (50 St., 10 mg) verordnet, was einem Tagesgebrauch von 0-2 Tabletten entspreche. Diese Dosis halte er für vertretbar. Insbesondere lägen ihm keine psychiatrischen Berichte vor, die eine solche Verordnung verbieten würden. Er sei weder von Anverwandten (z. B. Ehefrau) noch von Berufskollegen, insbesondere von einem ortsansässigen Hausarzt, kontaktiert worden. Auf Nachfrage der Beteiligten zu 1. erklärte er, zutreffend sei der längere, zweiseitige Ausdruck.

56

Aus dem beigefügten Ausdruck der zweiseitigen Patientenkarteikarte ergab sich ein Behandlungszeitraum seit dem 27. Mai 2011. Unter diesem Datum war als Diagnose „Psychovegetative Dysregulation“ notiert, verordnet worden war Diazepam Stada 10, Größe N 3 (50 Stück); außerdem war dort vermerkt: „50,- € Honorar eingegangen“. Entsprechende Verordnungen folgten den Eintragungen in dem Zeitraum bis zum 19. April 2012 in etwa zwei- bis maximal sechswöchigen Abständen. Der Eintrag „50,- € Honorar eingegangen“ findet sich außerdem unter dem 5. Juli 2011, 5. August 2011, 19. September 2011 und 18. Oktober 2011; unter dem 17. Dezember 2011 ist vermerkt „100,- € wie gefordert eingegangen“. Mit Schreiben vom 28. Mai 2012 an die Beteiligte zu 1. ergänzte der Beschuldigte, der Patient S. habe zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form auffällig auf ihn gewirkt; unter Befund hätte er maximal notieren können: „Örtlich, zeitlich und psychisch völlig unauffällig wirkender Patient, der angeblich ohne Diazepam nicht schlafen kann aufgrund seiner vielfältigen Außendiensttätigkeit und schlafen in anderen Betten (Schiffbau-Ingenieur, pendelt zwischen B. und R. u. a.)“. Der Patient habe angegeben, mit 0-2 Tabletten Diazepam pro Nacht gut auszukommen, und er habe auch nie mehr verlangt, sondern auch weniger, es habe sogar ganze Pausen gegeben. Die Beteiligte zu 1. fragte den Beschuldigten mit Schreiben vom 1. Juni 2012 unter Bezugnahme auf die Patientendokumentation, was es mit den Einträgen über eingegangene Honorare auf sich habe. Da der Patient offenbar gesetzlich versichert und eine ärztliche Leistung nicht dokumentiert worden sei, sei eine Grundlage für die Honorarforderung nicht ersichtlich; dem Schreiben fügte sie eine Kopie der anonymen Anzeige bei. Der Beschuldigte nahm daraufhin mit Schreiben vom 31. Juli 2012 abschließend Stellung. Er habe den Patienten mehrfach auf die Gefahr einer Gewöhnung an Diazepam hingewiesen, aber keine Abhängigkeitsentwicklung erkennen können, da es keine Dosissteigerungen gegeben habe. Er habe mit dem Patienten von Anfang an mündlich eine rein privatärztliche Behandlung vereinbart; der Erstkontakt habe über den privatärztlichen Notdienst in H. stattgefunden. Er habe dem Patienten erklärt, dass die gesetzlichen Krankenkassen derlei Schlafmittel nur im absoluten Ausnahmefall und dann auch nur in kleinen Mengen und für kurze Zeit finanzierten, und sie ihm dies später als Regress in Rechnung stellen würden. Die aufgeführten Privathonorare habe er für die laufenden Untersuchungen, Beratungen und das Ausstellen der Rezepte vereinnahmt. Zu der anonymen Anzeige sei festzuhalten, dass entgegen der dortigen Behauptung der Patient in regelmäßigen Abständen in seiner Hamburger Praxis zur Untersuchung und Beratung erschienen sei, wenn er auf dem Weg von L. bei B. nach R. gewesen sei und er in Hamburg einen Zwischenstopp eingelegt habe.

57

Der mit der Sache befasste Referent der Beteiligten zu 1. erstellte daraufhin am 12. August 2012 eine Beschlussvorlage für den Kammervorstand. Er empfahl, in dieser Angelegenheit berufsgerichtliche Vorermittlungen zu beschließen. Fraglich sei zunächst die ärztliche Sorgfalt bei der Behandlung des Patienten. Offenbar habe eine Untersuchung des Patienten nicht stattgefunden; möglicherweise vorhandene Kontraindikationen der Diazepam-Verordnungen seien nicht geklärt worden. Fraglich sei auch, ob Diazepam zur Behandlung von Einschlafproblemen überhaupt indiziert sei. Des Weiteren sei die Darstellung des Beschuldigten, dass es keine Dosissteigerungen gegeben habe, nicht nachvollziehbar. Zwar sei zu Beginn der Behandlung ein Zwei-Monatsabstand zwischen den Verordnungen dokumentiert, die Verordnungsabstände seien aber mit zunehmender Dauer immer geringer geworden. Es bestehe der Verdacht, dass eine vorhandene, möglicherweise auch erst durch die Verordnung induzierte Sucht unterhalten worden sei. Ebenso bestehe der Verdacht, dass die Darstellung in der anonymen Anzeige über Verordnungen auf telefonische Anfrage zutreffend sei. Hinsichtlich der Honorarzahlungen des Patienten sei nicht erkennbar, wie die Pauschalbeträge mit der ärztlichen Gebührenordnung in Einklang zu bringen seien. Rechnungen habe der Beschuldigte nicht vorgelegt. Insofern bestehe der Verdacht, dass hier die Berufspflicht zur Abrechnung nach der Gebührenordnung nicht beachtet worden sei. Davon abgesehen sei die Zulässigkeit der privaten Inrechnungstellung an sich fraglich, da die Erbringung von privatärztlichen Leistungen bei gesetzlich Versicherten gemäß § 3 Abs. 1 BMV-Ä einer schriftlichen Vereinbarung bedürfe. Schließlich ließen die unterschiedlichen Versionen der vom Beschuldigten übersandten Dokumentationen es als fraglich erscheinen, ob er die Pflicht zur Sicherung und zum Schutz der elektronischen Dokumentation gegen Veränderungen (§ 10 Abs. 5 BO) hinreichend beachtet habe.

58

Der Vorstand der Beteiligten zu 1. beschloss am 20. August 2012, berufsgerichtliche Vorermittlungen einzuleiten. Er sehe in der Verordnung von Diazepam auf bloße telefonische Anforderung die ärztliche Sorgfalt verletzt. Er bewerte es als kritisch, dass eine Untersuchung nicht stattgefunden habe und die Verordnung von Diazepam auf Privatrezept erfolgt sei. Er könne sich der Stellungnahme des Beschuldigten, dass keine Abhängigkeitsproblematik vorliege, nicht anschließen.

59

Mit Anhörungsschreiben an den Beschuldigten vom 15. Januar 2013 informierte die Beteiligte zu 1. den Beschuldigten, dass der Vorstand beschlossen habe, in Sachen der vier o. g. Patienten gegen ihn berufsgerichtliche Vorermittlungen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen §§ 34 Abs. 4 und 1, 2 Abs. 2, Abs. 7, 12 Abs. 1 und 10 Abs. 1 der Berufsordnung für Hamburger Ärzte und Ärztinnen (BO) i. V. m. § 17 Nr. 2, § 5 Abs. 10 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) einzuleiten. Sie gab den sich aus ihrer Sicht ergebenden Ermittlungsstand in den Fällen der vier Patienten wieder und nahm daran anknüpfend eine rechtliche Bewertung vor: In den Fällen der Patienten SE, S. und G. bestehe der Verdacht, dass der Beschuldigte gegen § 34 Abs. 4 BO verstoßen habe. Im Fall S. bestehe der Verdacht, dass er entgegen § 34 Abs. 1 BO unzulässige Honorare für die Verordnung von Arzneien gefordert habe. In allen Fällen bestehe der Verdacht eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 BO, wonach der Arzt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm bei seiner Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen habe; so habe er den Patienten Medikamente verschrieben, ohne dass erkennbar sei, dass diese Verordnungen auf medizinischen Erwägungen beruht hätten. Außerdem bestehe in allen Fällen der Verdacht des Verstoßes gegen § 10 Abs. 1 BO, wonach der Arzt über die getroffenen Feststellungen und Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen habe. Im Fall G. sei er darüber hinaus gemäß § 10 Abs. 1 BO i. V. m. § 17 Nr. 2, § 5 Abs. 10 BtMVV verpflichtet gewesen, seine Beweggründe für die extremen Dosissteigerungen nachvollziehbar zu dokumentieren. Ferner bestehe der Verdacht des Verstoßes gegen § 12 Abs. 1 BO, wonach die Honorarforderung angemessen sein müsse, also der der GOÄ zu entsprechen habe; dies sei im Fall S. nicht geschehen. Schließlich bestehe der Verdacht eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 7 BO i. V. m. § 27 Abs. 2 Nr. 2 HmbKGH, wonach der Arzt verpflichtet sei, der Beteiligten zu 1. auf Anforderung seine Aufzeichnungen und Unterlagen vorzulegen. Er sei bereits mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 auf diese Verpflichtung hingewiesen worden (Anm.: im Fall G. ), ihr aber trotzdem nicht nachgekommen. Er erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. Februar 2013 (…).

60

Daraufhin legitimierte sich für den Beschuldigten ein Rechtsanwalt, der nach Akteneinsichtnahme und mehrfacher Fristverlängerung mit mehreren Schriftsätzen Stellung nahm und die Vorwürfe zurückwies.

61

Die stellvertretende Justiziarin der Beteiligte zu 1. fertigte am 12. August 2013 eine Beschlussvorlage für den Vorstand, in der sie anregte, in den Fällen aller vier Patienten einen Antrag auf Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens wegen Verstoßes gegen §§ 34 Abs. 1, 2 Abs. 2 und 10 Abs. 1 BO zu stellen.

62

Der Vorstand beschloss in seiner Sitzung vom 19. August 2013, entsprechend der Empfehlung der Rechtsabteilung, in allen Behandlungsfällen die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens zu beantragen, im Fall des Patienten L. allerdings mit der bereits erwähnten Einschränkung, dass insoweit lediglich die drei Verstöße gegen die Dokumentationspflicht zum Gegenstand der Anschuldigung gemacht werden sollten. In seiner Sitzung vom 28. Oktober 2013 beschloss der Vorstand sodann, den ihm von der Rechtsabteilung vorgelegten Entwurf einer Anschuldigungsschrift beim Hamburgischen Berufsgericht für die Heilberufe einzureichen.

63

Am 18. November 2013 hat die Beteiligte zu 1. mit der vorliegenden Anschuldigungsschrift beim Berufsgericht die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens gegen den Beschuldigten beantragt.

64

Sie wirft ihm vor, gegen das Gebot, erstens einer missbräuchlichen Anwendung seiner Verschreibungen keinen Vorschub zu leisten (§ 34 Abs. 4 BO), zweitens seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm bei seiner Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen sowie weder sein eigenes noch das Interesse Dritter über das Wohl des Patienten zu stellen (§ 2 Abs. 2 BO), und drittens über die in Ausübung seines Berufs gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen (§ 10 Abs. 1 BO), verstoßen zu haben.

65

Gegen § 34 Abs. 4 BO habe er mit seinem Verordnungsverhalten in den Fällen S. , G. und SE verstoßen. Seine Verordnungen seien nicht von einem Behandlungskonzept getragen und ihrer Höhe und Dauer nach nicht indiziert gewesen. In jedem der Fälle sei sein Verordnungsverhalten geeignet gewesen, eine Abhängigkeit des Patienten zu fördern, zu stützen oder auch zu verursachen.

66

Im Fall S. sei die Verordnung von Diazepam nicht indiziert gewesen; Grundlage der Verordnungen seien keine medizinischen Indikationen gewesen, sondern allein der Wunsch des Patienten. Schon aufgrund dessen Angabe, ohne Diazepam nicht schlafen zu können, sei eine Medikamentenabhängigkeit zu erwägen gewesen. Die kontinuierliche Versorgung des Patienten mit einer Tagesdosis von knapp 2 mg sei geeignet gewesen, eine Abhängigkeit zu verursachen bzw. ggf. zu stützen. Der Umstand, dass der Beschuldigte sich seine Verordnungen in der Regel mit 50,- Euro habe vergüten lassen (einmal auch mit 100,- Euro), wobei er andere Maßnahmen als das Ausstellen von Rezepten nicht dokumentiert habe, zeige deutlich, dass den Verordnungen keine medizinischen, sondern wirtschaftliche Erwägungen zugrunde gelegen hätten. Diese Vergütungen seien nach den Maßstäben der GOÄ deutlich überhöht. Außerdem sei der Patient gesetzlich versichert gewesen. Entgegen der Behauptung des Beschuldigten gehöre Diazepam zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen, vorausgesetzt die Einnahme sei indiziert.

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Im Fall G. habe der Beschuldigte Subutex in einer regelmäßigen Tagesdosis von 26 mg sowie zusätzlich als Regelmedikation Tramadol, Codein, Tavor, Oxycodon sowie Reaktine Duo bzw. Rhinopront verordnet, ohne dass dies, insbesondere der Höhe nach, indiziert gewesen wäre. Jedes dieser Medikamente weise ein Abhängigkeits- bzw. Missbrauchspotential auf, und die Wechselwirkungen dieser Medikamente hätten das Suchtverhalten des Patienten gefördert. Bei Subutex habe der Beschuldigte den Patienten im Januar 2009 mit einer Tagesdosis von 6 mg übernommen und diese Dosis bis Juni 2009 auf 24 mg und ab September 2010 auf 26 mg gesteigert, ohne dass diese Steigerung nachvollziehbar sei. Dieser Bewertung des Verordnungsverhaltens stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass sich im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eine Strafbarkeit nach der BtMVV nicht mit Sicherheit habe feststellen lassen. Gegenstand der im Zusammenhang mit Subutex erhobenen Anschuldigungen sei nicht die eigentliche Verordnung, sondern die in der Höhe medizinisch nicht nachvollziehbare Tagesdosis sowie das fehlende Therapiekonzept. Dementsprechend habe auch das rechtsmedizinische Gutachten diese Punkte als kritisch bewertet. In allen drei Gutachten sei die verordnete Tagesdosis Subutex als medizinisch nicht nachvollziehbar und deren Höhe als therapeutisch nicht begründbar bewertet worden. In diesem Zusammenhang sei dem Gutachten von Dr. BR. besonderes Gewicht beizumessen, der anders als die beiden Toxikologinnen des Instituts für Rechtsmedizin sowohl Arzt als auch Facharzt für Psychiatrie sei und damit über besondere Kompetenzen bezogen auf die Behandlung abhängigkeitskranker Patienten verfüge. Die Verordnungen seien auch nicht wegen der zusätzlich vorliegenden psychischen Erkrankung des Patienten gerechtfertigt; diese möge zwar besondere Anforderungen an eine Suchtbehandlung stellen, entbinde den Beschuldigten aber nicht davon, nur indizierte, in ein Behandlungskonzept eingebundene Verordnungen auszustellen. Die missbräuchliche Verwendung der Medikamente sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass deren Abgabe durch eine Apotheke oder einen Pflegedienst erfolge. Die Entscheidung, zu welchen Medikamenten in welchem Umfang der Patient Zugang erhalte, habe gleichwohl der Beschuldigte getroffen.

68

Im Fall SE -Erni habe der Beschuldigte die Abhängigkeit des Patienten durch sein Verordnungsverhalten gefördert. Er habe ihm langjährig und in hohen Dosen Medikamente mit Abhängigkeitspotential, insbesondere Codein, Adumbran und Chloraldurat verordnet, ohne dass diese Verordnungen indiziert und in ein Verhandlungskonzept eingebettet gewesen seien. Zudem habe er die Abhängigkeit des Patienten noch gefördert, indem er ihm dabei geholfen habe, seinen missbräuchlichen Konsum vor Dritten zu verbergen, etwa indem er der Bitte des Patienten entsprochen habe, die Verordnungen unter Umgehung einer bestimmten Apotheke auszustellen, bzw. selbst den Hinweis vermerkt habe: „Benutze eine andere Apotheke“. Sein Vortrag, er habe die Sedativa verordnet, um den Patienten vom Alkohol fernzuhalten, und eine Medikamentenabhängigkeit sei für das tägliche Leben und die Arbeit weniger belastend gewesen als die Alkoholabhängigkeit, sei weder überzeigend noch könne er die Verordnungspraxis rechtfertigen. Den Behandlungsunterlagen sei zu entnehmen, dass der Patient auch während der Behandlungszeit durch den Beschuldigten immer wieder Alkohol in großen Mengen konsumiert habe; zu seinem Todeszeitpunkt habe er einen BAK-Wert von 1,9 ‰ aufgewiesen. Seinen Arbeitsplatz habe der Patient im Verlauf der Behandlung verloren.

69

Das Verordnungsverhalten des Beschuldigten verstoße auch gegen die Pflicht aus § 2 Abs. 2 BO, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm bei seiner Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen; es habe nicht dem gesundheitlichen Wohl der Patienten entsprochen.

70

Des Weiteren habe der Beschuldigte in den Fällen S. , SE und L. gegen die Pflicht des § 10 Abs. 1 BO verstoßen, über die in Ausübung des Berufs gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen. Im Fall S. habe er zwei Patientendokumentationen gefertigt, von denen zumindest eine inhaltlich nicht zutreffend sei. Daneben habe er auch falsche Eintragungen vorgenommen (einen wohl nicht erfolgten „Notfall“, EBM-Nummern für Laborleistungen, die tatsächlich nicht erhoben worden seien). Im Fall SE habe er nicht sämtliche Verordnungen notiert; es ergäben sich Abweichungen zwischen den vorliegenden Rezepten und den Eintragungen in der Patientendokumentation. Im Fall L. sei zu Gunsten des Beschuldigten unterstellt worden, dass es zu fehlerhaften Einträgen gekommen sei und er nicht sämtliche der notierten Medikamente verordnet habe. Damit sei jedoch ein nachlässiger Umgang des Beschuldigten mit in Bezug auf seine Dokumentationspflichten festzustellen.

71

Die im Zusammenhang mit dem Patienten SE vorgeworfenen Verfehlungen seien in zeitlicher Hinsicht weiterhin verfolgbar. Der Sachverhalt liege nicht, wie der Beschuldigte vorgetragen habe, 13 Jahre zurück, denn die letzte Verordnung sei am 30. Dezember 2003 erfolgt. Vor allem aber fänden über die Verweisung des § 13 HeilBG disziplinarrechtliche Grundsätze ergänzend Anwendung. Dazu gehöre der Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens, wonach sich bei Feststellung mehrerer Einzelverfehlungen die Frage der Verjährung nach dem gesamten Dienstvergehen richte. Somit sei hier für die Frage der Verjährung nicht auf den Zeitpunkt der einzelnen Pflichtverletzungen abzustellen, sondern auf das Berufsvergehen insgesamt. Dem Beschuldigten werde insbesondere vorgeworfen, einer missbräuchlichen Anwendung seiner Verordnungen Vorschub geleistet zu haben. Entsprechende Pflichtverletzungen habe er nicht nur im Zusammenhang mit der Behandlung des Patienten SE begangen, sondern auch bei den Patienten G. und S. , zuletzt also im Jahr 2012.

72

Schließlich stehe auch die Bestimmung des § 14 Abs. 4 HeilBG der Verfolgung der mit der Behandlung des Patienten SE vorgeworfenen Pflichtverletzungen nicht entgegen. Gegen den Beschuldigten sei in diesem Zusammenhang keine Strafe oder Ordnungsmaßnahme verhängt, sondern das Strafverfahren nach § 153 a StPO eingestellt worden.

73

Mit Beschluss vom 4. April 2014 hat das Berufsgericht das berufsgerichtliche Verfahren gegen den Beschuldigten in Übereinstimmung mit der Anschuldigungsschrift vom 18. November 2013 eröffnet.

74

Das Berufsgericht hat am 25. März 2015 in der Sache mündlich verhandelt und dabei den Beschuldigten angehört; wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

75

Die Beteiligten zu 1. und 2. haben jeweils beantragt,

76

1. für den Beschuldigten die Berufsunwürdigkeit festzustellen,

77

2. eine Geldbuße auszusprechen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde.

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Der Beschuldigte hat beantragt,

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auf eine Geldbuße in Höhe von 1.000,- Euro zu erkennen.

80

Das Berufsgericht hat sodann am 25. März 2015 das vorliegend angefochtene Urteil verkündet. Damit hat es dem Beschuldigten wegen eines Berufsvergehens nach § 58 HmbKH, § 2 HeilBG, §§ 34 Abs. 4 und 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 BO i. V. m. der GOÄ, 10 Abs. 1 BO, § 27 Abs. 1 HmbKG eine Geldbuße von 25.500,- Euro auferlegt und festgestellt, dass er unwürdig sei, seinen Beruf auszuüben.

81

Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beschuldigte habe in den Fällen der Patienten S. , G. und SE durch sein Verschreibungsverhalten jeweils schuldhaft gegen die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung und gegen das Verbot, einer missbräuchlichen Anwendung der Verschreibung Vorschub zu leisten, verstoßen. Dies ergebe sich in den Fällen G. und SE nicht zuletzt aus den jeweiligen Gutachten der Rechtsmedizin. Dem Gutachten des Dr. B. vom 10. Mai 2008 zum Fall SE sei hingegen nicht zu folgen; es befasse sich weder mit dem Umfang und der Komposition der Medikamente noch mit dem Verschreibungsverhalten seitens des Beschuldigten im unmittelbaren Anschluss an die einzelnen Klinikaufenthalte des Patienten. Des Weiteren habe der Beschuldigte in den Fällen der Patienten S. , L. und SE gegen die Dokumentationspflicht des § 10 Abs. 1 BO verstoßen.

82

Der berufsgerichtlichen Sanktionierung dieser Verfehlungen stünden weder eine Verjährung noch eine überlange Verfahrensdauer entgegen. Einer Verjährung der Vorgänge des insoweit allein zu betrachtenden Falles SE stehe der ergänzend anwendbare disziplinarrechtliche Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens entgegen, wonach die Verfolgungsverjährung hier einheitlich an dem Tag begonnen habe, an dem die letzte Verordnung ausgestellt worden sei; dies sei der 1. Mai 2012 gewesen, als der Beschuldigte für den Patienten S. ein Diazepamrezept ausgestellt habe. Angesichts der fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 4 Abs. 1 HeilBG) und des Ruhens der Verjährung für längstens fünf Jahre während der Dauer des berufsgerichtlichen Verfahrens (§ 4 Abs. 3 HeilBG) sei somit keine Verjährung eingetreten. Es sei auch nicht nach Art. 6 EMRK geboten, das Verfahren einzustellen. Nach dieser Bestimmung habe jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem Gericht binnen angemessener Frist verhandelt werde. Das vorliegende berufsgerichtliche Verfahren falle jedoch nicht in den so bezeichneten Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK. Schließlich sei auch nicht gemäß § 14 Abs. 4 HeilBG von einer berufsgerichtlichen Ahndung abzusehen; die im Fall SE erfolgte Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a StPO habe zwar Sanktionscharakter, komme aber einer Strafe nicht gleich.

83

Bei der Bemessung der zu verhängenden Sanktion sei zum einen angesichts der Häufigkeit und der Dauer der pflichtwidrigen Verschreibungen von Medikamenten mit hohem Abhängigkeitspotential eine Geldbuße in Höhe von 25.500,- Euro schuldangemessen und erforderlich; dabei sei das Gericht von geordneten Vermögensverhältnissen des Beschuldigten ausgegangen. Zum anderen halte das Gericht die Feststellung für erforderlich, dass der Beschuldigte unwürdig sei, den Beruf des Arztes auszuüben. Eine solche Unwürdigkeit liege vor, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitze, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig sei. Hierfür erforderlich sei im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das unter Würdigung aller Umstände eine weitere Ausübung des ärztlichen Berufs als untragbar erscheinen lasse. Sei diese Voraussetzung gegeben, so sei der dem Ausspruch der Berufsunwürdigkeit innewohnende, schwerwiegende Eingriff in die Berufsfreiheit gerechtfertigt, ohne dass es noch einer zusätzlichen Abwägung mit individuellen Umständen des Beschuldigten bedürfe. Nach diesem Maßstab liege bei dem Beschuldigten Berufsunwürdigkeit vor. Die Verfehlungen des Beschuldigten beträfen nicht nur Sekundärpflichten der Berufsausübung, sondern den Kern ärztlicher Tätigkeit, und der Grad des Verschuldens sei in einem weit oberen Bereich anzusiedeln. Insbesondere in den Fällen der Patienten SE und G. habe er durch seine Verschreibungen deren Sucht nicht entgegengewirkt, sondern sie erzeugt und unterhalten. Außerdem habe er im Fall SE diesen Patienten direkt nach dessen Entlassungen aus stationären Entzugsaufenthalten durch sein Verschreibungsverhalten in die Lage versetzt, sofort Zugriff auf die Medikamente zu erhalten, bzgl. derer zuvor der Entzug versucht worden sei. Dies widerspreche in jeglicher Hinsicht genauso dem verantwortungsvollen Handeln eines Arztes wie die Verschreibung von Codein neben dem Substitutionsversuch durch Suboxone/Subitex.

84

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe Bezug genommen.

85

Nach Zustellung des Urteils am 8. April 2015 hat der Beschuldigte am 6. Mai 2015 gegen das Urteil Berufung eingelegt, diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 8. Juni 2015 begründet und diese Begründung mit mehreren weiteren Schriftsätzen ergänzt und vertieft. Er trägt u. a. vor:

86

Der Fall SE sei entgegen der Auffassung des Berufsgerichts zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils im März 2015 bereits verjährt gewesen. Die letzte Verfehlung in diesem Zusammenhang sei die Verordnung vom 30. Dezember 2003 gewesen. Die Regelung in § 4 Abs. 3 HeilBG über das Ruhen der Verjährung für insgesamt längstens fünf Jahre beziehe sich auf alle dort genannten Verfahrensarten. Somit sei ein Ruhen der Verjährung während der Dauer des berufsgerichtlichen Verfahrens nicht möglich gewesen, da die fünf Jahre bereits während der Dauer des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens verbraucht worden seien. Diese Rechtsfolge werde auch nicht über die Rechtskonstruktion des einheitlichen Dienstvergehens überwunden. Es bestehe jedenfalls kein innerer Zurechnungszusammenhang zwischen den hier maßgeblichen Tathandlungen. Der Beschuldigte habe die Qualifizierung in dem Bereich Suchtmedizin erst nach dem Ende der Behandlung des Patienten SE erlangt, nämlich im Frühjahr 2003. Danach habe er den Patienten SE nur noch sporadisch behandelt, so dass davon auszugehen sei, dass der Beschuldigte den Patienten in dem relevanten Zeitraum noch nicht mit der Expertise für Suchtmedizin behandelt habe. Diese Qualifikation habe er erst gehabt, als er fünf Jahre danach den Patienten G. behandelt habe. Um die Erfahrungen mit der Behandlung des Patienten SE und dessen tragisches Ende im Januar 2004 zu verarbeiten, habe er von Oktober 2008 bis September 2009 eine insgesamt 84 Fortbildungsstunden andauernde Weiterbildung im Bereich der psychosomatischen Grundversorgung absolviert, bei der es Schwerpunkt auch um den Missbrauch von Drogen und Alkohol gegangen sei. Damit seien die beiden fünf Jahre auseinander liegenden Behandlungen der Patienten SE und G. unter gänzlich verschiedenen Voraussetzungen abgelaufen, was den Ausbildungsstand und die Expertise im Bereich Suchtmedizin angehe. Der Fall G. sei darüber hinaus unter medizinischen Handlungsaspekten auf einer gänzlich anderen Ebene angesiedelt als der Fall SE. G. habe einer Substitutionsbehandlung bedurft und sei psychisch krank gewesen, während SE nach einer steilen Karriere im IT-Bereich über den beruflichen Stress sowie durch das Scheitern seiner Ehe alkoholabhängig geworden sei. Hinsichtlich der von der Beteiligten zu 1. hervorgehobenen Verordnung vom 30. Dezember 2003 von 10 Rezepten über jeweils 50 ml Codein bedürfe es einer Richtigstellung. Tatsächlich habe sich Folgendes zugetragen: Den letzten Kontakt zwischen ihm und dem Patienten SE habe es am 20. Dezember 2003 gegeben. Im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung sei an diesem Tag vereinbart worden, dass der Beschuldigte dem Patienten fünf Rezepte über jeweils 50 ml Codein ausstellen solle. Im Verlauf des Behandlungstermins habe er dies jedoch vergessen. Daraufhin habe er aus seinem Urlaub dem Patienten das Rezept mit dem bekannten Ausstellungsdatum übersendet. Der Patient habe ihm dann mitgeteilt, dass er kein Rezept erhalten habe; daraufhin habe er postalisch ein neues Rezept übersendet.

87

Im Fall L. hätten die Beteiligte zu 1. und das Berufsgericht sein rechtliches Gehör verletzt, weil er zu Recht habe davon ausgehen dürfen, dass die Ärztekammer das Verfahren hinsichtlich dieses Falls vollständig, also auch hinsichtlich der ihm nunmehr vorgehaltenen Dokumentationsmängel, eingestellt habe. Der Beschluss des Vorstands der Ärztekammer vom 19. August 2013 über die Fortführung des Verfahrens hinsichtlich der Dokumentationsmängel sei ihm nicht zugestellt worden.

88

Im Fall G. werfe das Berufsgericht ihm zu Unrecht vor, in der Zeit von Januar 2009 bis Juli 2012 bei der Medikamentenverordnung nicht einer gewissenhaften Berufsausübung entsprochen sowie der missbräuchlichen Anwendung der Verschreibungen Vorschub geleistet zu haben. Die vorgenommenen Dosissteigerungen bei dem Substitutionsmedikament Suboxone habe er zwar in der Patientendokumentation nicht begründet. Es sei aber bekannt, dass psychiatrisch komorbide Opiatabhängige bei der Substitutionsbehandlung höhere Dosierungen benötigten als psychiatrisch gesunde Opiatabhängige. Das Abhängigkeitspotential eines Medikaments spiele bei einem Patienten, der bereits von einer Substanz dieser Gruppe abhängig sei, keine Rolle. Selbst die Tagesdosis von 26 mg sei medizinisch vertretbar. Insoweit nehme der Beschuldigte Bezug auf eine von ihm (als Anlage zur Berufungsbegründungsschrift) eingereichte Stellungnahme des Arztes Dr. U. (einem Allgemeinmediziner, mit Zusatzausbildung für suchtmedizinische Grundversorgung) vom 1. Juni 2015 zu der Behandlung des Patienten G. . In dieser nach Auswertung von Gutachten und Krankenhausberichteten erstellten Stellungnahme gelange Dr. U. zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Substitutionsbehandlung auch mit sehr hohen Dosen Buprenorphin nicht kunstfehlerhaft gewesen sei und dem Patienten nicht geschadet habe.

89

Soweit ihm vorgeworfen werde, neben Subutex auch Medikamente wie Tramadol, Oxycodon und Talvosilen sowie Reactine Duo bzw. Rhinopront verschrieben zu haben, sei zunächst anzumerken, dass die beiden letztgenannten Medikamente nicht verschreibungspflichtig, sondern frei verkäuflich seien; er habe diese Medikamente dem Patienten nicht verschrieben. Die dem Patienten verschriebenen Medikamente Oxycodon und das codeinhaltige Talvosilen seien entgegen der Annahme des Berufsgerichts nicht zur Behandlung der Abhängigkeit des Patienten verschrieben worden, sondern zur Behandlung des Verdachts auf Interkostalneuralgie und Migräne.

90

Insgesamt sei festzuhalten, dass er bei der Verschreibung von Suboxone bzw. Subutex an den Patienten G. in der Zeit von Januar 2009 bis Juli 2012 seinen Beruf gewissenhaft ausgeübt und er auch nicht einer missbräuchlichen Anwendung seiner Verschreibungen Vorschub geleistet habe. Vorzuwerfen sei ihm unter berufsrechtlichen Aspekten lediglich, dass er die Behandlungsdokumentation nicht vollständig bzw. nicht ordnungsgemäß vorgenommen habe.

91

Im Fall S. habe er zugegebenermaßen den Fehler begangen, nicht die Zustimmung des Patienten dafür einzuholen, seine Verordnungen mit der Therapie des behandelnden Arztes zu koordinieren. Jedoch habe der Patient einen Hausarzt trotz Nachfrage nicht benannt. Bei einer fortdauernden Weigerung hätte er die Verordnung beenden müssen. Allerdings habe für ihn der Versuch im Vordergrund gestanden, dem Patienten in dessen Situation gerecht zu werden. Dabei habe er sich, was er auch als Fehler erkenne, zu lange von der Hoffnung leiten lassen, der Patient werde sich nach Reduzierung der beruflichen Belastung einer Entwöhnungsbehandlung stellen.

92

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die ggf. vorliegenden berufsrechtlichen Verfehlungen nicht die Feststellung der Berufsunwürdigkeit rechtfertigten; sie seien vielmehr mit einem Verweis und einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Geldbuße zu ahnden.

93

Der Beschuldigte beantragt,

94

das Urteil des Hamburgischen Berufsgerichts für die Heilberufe vom
25. März 2015 aufzuheben und dem Beschuldigten einen Verweis zu erteilen und ihm eine angemessene in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellte Geldbuße aufzuerlegen.

95

Die Beteiligte zu 1. beantragt,

96

die Berufung zurückzuweisen.

97

Sie trägt u. a. vor:

98

Im Fall SE seien die Verfehlungen des Beschuldigten nicht verjährt. Zu Recht habe das Berufsgericht den disziplinarrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens angewendet. Die dagegen vom Beschuldigten vorgetragenen Argumente seien unzutreffend. Die Verfehlungen des Beschuldigten wiesen im Hinblick auf das Verordnungsverhalten bei den Patienten SE, G. und S. durchaus einen inneren Zusammenhang auf: In all diesen Fällen habe der Beschuldigte Medikamente mit Abhängigkeitspotential verordnet, ohne dass dies auf einem Therapiekonzept beruht habe.

99

Im Fall L. liege der behauptete Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs nicht vor. Dem Beschuldigten habe der insoweit angeschuldigte Sachverhalt klar sein müssen; dies ergebe sich schon daraus, dass er in der Anschuldigungsschrift bereits im Anschuldigungssatz genannt und dann auf Seite 18 und 19 ausführlich dargestellt werde.

100

Im Fall G. habe der Beschuldigte gegen seine Berufspflichten verstoßen. Er habe nahezu jegliche Sorgfaltsanforderung, die an die Betreuung Suchtkranker gestellt werde, missachtet. Der Beschuldigte habe keinerlei Therapiekonzept und keinen Therapieplan gehabt; dementsprechend liege auch keine Vereinbarung mit dem Patienten über die Ziele der Substitution vor. Das Verordnungsverhalten im Fall G. habe zu einem deutlich erhöhten Konsum von Buprenorphin und zu einer missbräuchlichen Anwendung des Substitutionsmittels geführt. Die Argumente des Beschuldigten, aus denen sich eine gewissenhafte Berufsausübung ergeben solle, überzeugten nicht. Ob psychiatrisch komorbide Opiatabhängige einer höheren Dosierung bedürften als psychisch gesunde Opiatabhängige, sei unerheblich. Es bleibe dabei, dass der Patient bei der Behandlungsübernahme durch den Beschuldigten nur 6 mg Buprenorphin täglich benötigt habe und sein Bedarf binnen 10 Monaten rasant um 20 mg angestiegen sei, und zwar ohne diesbezügliche medizinische Indikation. Auch die Verordnung von Oxycodon und Talvosilen habe nicht den ärztlichen Sorgfaltspflichten entsprochen; sie sei ohne Indikationsstellung erfolgt. Aus welchen Gründen der Beschuldigte Tramadol verordnet habe, das Medikament, zu dem die originäre Abhängigkeit des Patienten bestanden habe, erschließe sich nicht. Das mit der Berufungsbegründung vorgelegte Gutachten des Dr. U. vermöge die Vorwürfe gegen den Beschuldigten nicht zu entkräften. Es beschränke sich im Wesentlichen auf allgemeine Ausführungen zur Substitutionsbehandlung, ohne auf den konkreten Einzelfall einzugehen.

101

Im Fall S. sei festzuhalten, dass keine der Diazepam-Verordnungen auf einer medizinischen Indikation beruht habe. Der Beschuldigte habe hier gleich einem Dealer gehandelt. Grund der Verordnungen seien nicht die gesundheitlichen Probleme des Patienten gewesen, sondern allein die Tatsache, dass er Vergütungen in Höhe von 50,- bzw. 100,- Euro erhalten habe.

102

Die Verfehlungen des Beschuldigten zeigten, dass er nicht würdig sei, den ärztlichen Beruf auszuüben.

103

Die Beteiligte zu 2. beantragt,

104

die Berufung zurückzuweisen.

105

Sie schließt sich den Ausführungen der Beteiligten zu 1. an und betont ihrerseits, die Beharrlichkeit und das Ausmaß der Pflichtverstöße des Beschuldigten ließen keine andere Maßnahme als die Feststellung der Berufsunwürdigkeit zu.

106

Das Berufsgerichtshof hat in der Berufungsverhandlung vom 11. April 2017 den Beschuldigten angehört; der ihn als ärztlicher Beistand begleitende Dr. U. hat hinsichtlich des Falls des Patienten G. eine Stellungnahme abgegeben. Mit einem in der Berufungsverhandlung verkündeten Beschluss hat der Berufungsgerichtshof nach Erörterung mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten den angeschuldigten Vorwurf im Hinblick auf den Fall des Patienten L. gemäß § 53 Abs. 1 HmbDG i. V. m. § 13 HeilBG aus dem berufsgerichtlichen Verfahren ausgeschieden.

107

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsverfahrensakte sowie auf die von der Beteiligten zu 1. überreichten Sachakten (6 Aktenordner) Bezug genommen, die zum Gegenstand der Berufungsverhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

108

Die Berufung hat Erfolg hinsichtlich der vom Berufsgericht vorgenommenen Feststellung der Berufsunwürdigkeit; im Übrigen bleibt sie erfolglos. Des Weiteren erteilt der Berufsgerichtshof dem Beschuldigten einen Verweis und entzieht ihm für die Dauer von fünf Jahren ab Verkündung des vorliegenden Urteils das aktive und passive Berufswahlrecht.

109

I. Die Beschuldigte hat bei der Behandlung der Patienten SE, G. und S. Verfehlungen begangen, die als Berufsvergehen einzustufen sind.

110

1. Ein Berufsvergehen ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 HmbHeilBG ein schuldhafter Verstoß eines Berufsangehörigen gegen seine Berufspflichten (vgl. ergänzend die fast identische Definition in § 58 Satz 1 des Hamburgischen Kammergesetzes für die Heilberufe – HmbKGH).

111

a) Die Verpflichtung, den ärztlichen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem im Zusammenhang mit der Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen, ist unmittelbar gesetzlich normiert in § 27 Abs. 1 HmbKGH (HmbGVBl. 2005 S. 495, in Kraft seit dem 21.12.2005). Gleiches gilt für die Pflicht zur Dokumentation der in Ausübung des Berufs gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen (§ 27 Abs. 2 Nr. 1 HmbKGH). Wegen näherer Bestimmungen zu den Berufspflichten verweist § 28 Abs. 1 Satz 1 HmbKGH auf die als Satzung zu erlassende Berufsordnung. Bis zum Inkrafttreten des HmbKGH regelte das Hamburgische Ärztegesetz vom 22. Mai 1978 (HmbGVBl. S. 152) die ärztlichen Pflichten. Die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung zur Dokumentation der erhobenen Befunde und getroffenen Maßnahmen ergab sich dort aus § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3; in § 5 nahm das Ärztegesetz auf die weitere Regelung von Berufspflichten durch die Berufsordnung Bezug.

112

b) Die im hier maßgeblichen Zeitraum geltenden Berufspflichten der hamburgischen Ärzte sind geregelt in der Berufsordnung der Hamburger Ärzte und Ärztinnen vom 27. März 2000 (BO), in Kraft getreten am 1. September 2000 (vgl. § 36 Abs. 1 BO: Inkrafttreten am ersten Tag des Monats, der auf die Verkündung im Hamburger Ärzteblatt folgt; die Verkündung der BO erfolgte in einer Sonderbeilage zum Heft 8/2000 des Hamburger Ärzteblatts). Soweit im Fall SE (vergleichsweise weniger) auch der vor dem 1. September 2000 liegende Zeitraum betroffen ist, ist die Berufsordnung vom 2. September 1996 (in Kraft gewesen ab dem 1.2.1997) maßgeblich (verkündet im Heft 1/1997 des Hamburger Ärzteblatts, S. 30); die neue Berufsordnung 2000 hat bei den hier interessierenden Bestimmungen aber lediglich zu redaktionellen Änderungen, nicht hingegen zu (relevanten) inhaltlichen Änderungen geführt. Die Pflicht zur gewissenhaften Ausübung des Berufs ist in der BO 2000 geregelt in § 2 Abs. 2, in der BO 1996 in § 1 Abs. 3 (die BO 2000 hat allerdings als Anhang ein zusätzliches Kapitel C über „Grundsätze korrekter ärztlicher Berufsausübung“ aufgenommen, auf das in § 2 Abs. 3 verwiesen wird). Die Pflicht, über die in Ausübung des Berufs gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen, ist in der BO 2000 in § 10 Abs. 1, in der BO 1996 in § 15 Abs. 1 geregelt. Das Verbot, einer missbräuchlichen Anwendung seiner Verschreibungen Vorschub zu leisten, ist in der BO 2000 in § 34 Abs. 4, in der BO 1997 in § 30 Abs. 3 geregelt.

113

Am 11. Mai 2012 ist eine erneute Änderung der Berufsordnung in Kraft getreten (verkündet im Heft 5/2012 des Hamburger Ärzteblatts vom 10.5.2012), die wieder zu Verschiebungen einzelner Regelungen geführt hat; so ist das Verbot, einer missbräuchlichen Anwendung seiner Verschreibungen Vorschub zu leisten, nunmehr in § 7 Abs. 8 geregelt (§ 34 wurde gestrichen). Das o. g. Kapitel C ist gestrichen worden. Diese Änderungen sind allerdings im vorliegenden Fall nicht maßgeblich, weil sie erst nach Abschluss der Behandlung des vierten Patienten S. erfolgten und somit in dem hier maßgeblichen Behandlungszeitraum noch nicht galten. Dem entspricht es, dass die Beteiligte zu 1. im vorliegenden gerichtlichen Verfahren stets § 34 Abs. 4 BO anführt und nicht die (identische, seit dem 11.5.2012 geltende) Norm des § 7 Abs. 8 BO.

114

Im Folgenden bezieht sich der Berufsgerichtshof daher ebenfalls im Wesentlichen auf die bis zum 10. Mai 2012 geltende Fassung der Berufsordnung vom 27. März 2000.

115

2. Im Fall des Patienten SE hat der Beschuldigte ein (schweres) Berufsvergehen begangen. Die insoweit von der Beteiligten zu 1. erhobene Anschuldigung ist vollen Umfangs begründet.

116

a) Der Verfolgung dieses Falls steht nicht bereits § 14 Abs. 4 HeilBG entgegen. Danach ist dann, wenn durch ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde rechtskräftig eine Strafe oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden ist, von einer berufsgerichtlichen Ahndung wegen desselben Sachverhalts abzusehen, wenn nicht wegen besonderer Umstände eine berufsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich ist, um den Berufsangehörigen zur Erfüllung seiner Berufspflichten anzuhalten.

117

Gegen den Beschuldigten ist im Fall SE weder eine Strafe noch eine Ordnungsmaßnahme verhängt worden. Die in seinem Fall erfolgte Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO gegen Zahlung eines Geldbetrags von 2.500 Euro,- zugunsten der Staatskasse war weder eine Strafe noch eine Ordnungsmaßnahme. Der Umstand, dass demgegenüber die entsprechende Regelung in § 16 Abs. 1 HmbDG auch Einstellungen nach § 153 a StPO erfasst, ist unerheblich, da § 14 Abs. 4 HeilBG insoweit spezieller und damit vorrangig gegenüber der ergänzenden Verweisung auf das HmbDG in § 13 HeilBG ist.

118

§ 14 Abs. 4 HeilBG ist auch nicht entsprechend auf Einstellungen nach § 153 a StPO anzuwenden. Insoweit nimmt der Berufsgerichtshof Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der bis Ende 2001 geltenden Regelung in § 14 BDO, die das dortige (relative) Verfolgungsverbot ebenfalls nur an Strafen oder Ordnungsmaßnahmen knüpfte (erst die Nachfolgebestimmung des am 1.1.2002 in Kraft getretenen § 14 Abs. 1 BDG hat auch Einstellungen nach § 153 a StPO mit als Verfolgungshindernis aufgenommen); § 14 Abs. 4 HeilBG entspricht insoweit im Wesentlichen dem § 14 BDO. Zu § 14 BDO hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass der dortige Katalog nicht analogiefähig sei (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1990, 1 D 13.90, BVerwGE 86, 379, juris Rn. 20 ff.; Urt. v. 24.11.1976, I D 27.76, BVerwGE 53, 211, juris Rn. 18 f.). Es hat zur Begründung ausgeführt, dass es an einer Vergleichbarkeit von Strafen oder Ordnungsmaßnahmen einerseits und der freiwilligen Befolgung einer Auflage andererseits fehle, und dass es auch kein praktisches Bedürfnis für eine solche Analogie gebe, weil die Verfolgung eines Dienstvergehens gemäß § 3 BDO im Ermessen des Dienstherrn stehe und sich „dasselbe Ergebnis“ (also keine Verfolgung) auch vor diesem Hintergrund erreichen lasse.

119

Angesichts dessen scheidet nach der Auffassung des Berufsgerichtshofs eine entsprechende Anwendung des Verfolgungsverbots in § 14 Abs. 4 HeilBG auf Einstellungen nach § 153 a StPO aus. Die Argumente des Bundesverwaltungsgerichts zu § 14 BDO lassen sich ohne weiteres auf § 14 Abs. 4 HeilBG übertragen (auch bzgl. § 3 BDO: im berufsgerichtlichen Verfahren steht die Verfolgung eines Berufsvergehens ebenfalls im pflichtgemäßen Ermessen der Beteiligten zu 1., vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 HeilBG). Hinzu kommt, dass der Hamburgische Gesetzgeber es ohne weiteres in der Hand hatte (bzw. nach wie vor hat), in Kenntnis der o. g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur fehlenden Analogiefähigkeit des § 14 BDO den Katalog in § 14 Abs. 4 HeilBG entsprechend zu erweitern, wie er dies auch bei der Schaffung des Hamburgischen Disziplinargesetzes (HmbDG) und dem dortigen § 16 Abs. 1 getan hat; dieses Gesetz datiert vom 18. Februar 2004 und ist am 1. März 2004 in Kraft getreten (die Vorgängerregelung in § 4 HmbDO erfasste - wie hier nach wie vor § 14 Abs. 4 HeilBG - keine Einstellungen nach § 153 a StPO). Spätestens als der Hamburgische Gesetzgeber mit dem letzten HeilBG-Änderungsgesetz vom 1. September 2005 (HmbGVBl. S. 387; zur Begründung des Gesetzentwurfs des Senats siehe Bü-Drs. 18/1884 v. 1.3.2005, S. 2) die Verjährungsvorschrift des § 4 HeilBG (in einem durchaus großzügigen Sinne gegenüber den betroffenen Berufsangehörigen) änderte, hätte es nahegelegen, auch den Katalog des § 14 Abs. 4 zu erweitern und diesen insoweit an die entsprechende Bestimmung des § 16 Abs. 1 HmbDG anzupassen. Dies gilt umso mehr, als mit diesem Änderungsgesetz auch die Verweisungsnorm des § 13 an die neue disziplinarrechtliche Lage angepasst wurde (Verweisung auf die Bestimmungen des Hamburgischen Disziplinargesetzes anstatt auf die Bestimmungen des abgeschafften „förmlichen Disziplinarverfahrens“). Hier hätte es sich bei einem entsprechenden gesetzgeberischen Willen angeboten, § 14 Abs. 4 HeilBG mit § 16 Abs. 1 HmbDG zu synchronisieren, da die allgemeine ergänzende Verweisung in § 13 HeilBG auf das HmbDG insoweit nicht weiter führt.

120

b) Die Behandlung des Patienten SE durch den Beschuldigten verstieß, wie die Beteiligte zu 1. dies zutreffend in ihrer Anschuldigungsschrift vom 18. November 2013 (S. 24 f., 28 und 29) ausgeführt hat, gegen mehrere ärztliche Berufspflichten.

121

aa) Mit der Behandlung des Patienten SE hat der Beschuldigte gegen die Pflicht verstoßen, seinen ärztlichen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm bei seiner Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BO 1996 bzw. § 2 Abs. 2 Satz 1 BO 2000). In der seit dem 1. September 2000 geltenden BO 2000 wird diese Pflicht in § 2 Abs. 3 dahin konkretisiert, dass zur gewissenhaften Berufsausübung auch die im Kapitel C (einem Anhang zur BO 2000) angeführten Grundsätze korrekter ärztlicher Berufsausübung zählen. Dort heißt es unter „2. Behandlungsgrundsätze“, dass „Übernahme und Durchführung der Behandlung … die gewissenhafte Ausführung der gebotenen medizinischen Maßnahmen nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ erfordern. Diese Konkretisierung hat allerdings keine konstitutive Bedeutung. Vielmehr hat die gewissenhafte Ausübung des Arztberufes es seit jeher erfordert, Behandlungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführen.

122

aaa) Der Beschuldigte hat mit der Behandlung des Patienten SE in den Jahren 2000 und 2001, aber auch noch am 30. Dezember 2003 (als er dem Patienten insgesamt zehn, laut seinen Angaben zweimal fünf, Rezepte über je 50 ml Codein-Tropfen postalisch zuschickte) die Regeln der ärztlichen Kunst verletzt. Insoweit nimmt der Berufsgerichtshof Bezug auf die seitens der Staatsanwaltschaft Hamburg erwirkten gutachterlichen Stellungnahmen der Rechtsmedizin vom 4. Juli 2005, 5. Dezember 2005 und 2. Januar 2008 sowie auf das psychiatrische Gutachten des Dr. P. vom 29. August 2008. Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die gutachterliche Stellungnahme vom 5. Dezember 2005, in der die zahlreichen stationären Klinikaufenthalte des Patienten mit den jeweiligen Anlässen und Verläufen dargestellt sind und die gleichwohl durchgehend massiv hohen Verschreibungsmengen durch den Beschuldigten bei den Medikamenten Adumbran Forte (Benzodiazepin, Wirkstoff Oxazepam) und Codeinum Phosphoricum, deren Missbrauch wiederholt der Anlass für die Einweisung des Patienten gewesen war, plastisch beschrieben werden.

123

Die Auswertung der Akten ergibt insbesondere für das Benzodiazepin-Medikament Adumbran Forte und für das Codeinum phosphoricum im Jahr 2001 sehr große Verschreibungsmengen:

124

So verschrieb der Beschuldigte dem Patienten an Adumbran forte: In der Zeit vom 5. Mai bis zum 4. Juni 2001 insgesamt 4 Rezepte á 50 mg, in der Zeit vom 10. Juni bis zum 18. Juni dreimal 50 mg und in dem Zeitraum vom 26. Juni bis 15. September insgesamt 17 Rezepte á 50 mg, was für den gut viermonatigen Zeitraum zu einer Gesamtmenge von 1.190 Tabletten a 50 mg geführt hat (das entspricht 8,95 Tabletten pro Tag). In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass der Patient in diesem Zeitraum bzw. kurz davor bzw. kurz danach wiederholt vom Beschuldigten in stationäre Aufenthalte eingewiesen wurde, die auf seinen Benzodiazepin-Missbrauch zurückzuführen waren. Im Einzelnen handelte es sich dabei um Aufenthalte im Klinikum N. (vom 27.4.2001 bis 28.4.2001 wegen Herzbeschwerden, dort Feststellung eines Benzodiazepin-Missbrauchs, was dem Beschuldigten mit Arztbrief vom 28.4.2001 mitgeteilt wurde, sowie vom 28.7.2001 bis 7.8.2001 wegen Alkohol- und Benzodiazepinmissbrauchs), im A-Krankenhaus (vom 23.9.2001 bis 14.10.2001, wegen Missbrauchs von Benzodiazepin, Codein und Alkohol (Whisky)) und im I. Krankenhaus (vom 12.11.2001 bis 23.11.2001, wegen Benzodiazepin-Intoxikation mit suizidaler Absicht). Beispielhaft mag herangezogen werden die Verschreibung von zweimal 50 mg am 8. August 2001, nachdem der Patient am 7. August 2001 nach elftägigem Aufenthalt aus dem Klinikum N. entlassen worden war, in das ihn der Beschuldigte zuvor wegen Benzodiazepin-Missbrauchs eingewiesen hatte.

125

An Codeinum phosphoricum verschrieb der Beschuldigte dem Patienten in der Zeit vom 14. Februar bis zum 16. Oktober 2001 insgesamt 940 Tabletten (3 mal 20, 19 mal 40, 2 mal 60). Die letzte Verschreibung von 60 Tabletten vom 16. Oktober erfolgte genau zwei Tage, nachdem der Patient nach 21-tägigem Aufenthalt aus dem A.-Krankenhaus entlassen worden war, in das ihn der Beschuldigte zuvor wegen Missbrauchs von Codein (sowie Benzodiazepin und Alkohol) eingewiesen hatte.

126

Aus alldem ergibt sich, dass der Beschuldigte die Entzugsbemühungen der Kliniken dadurch konterkarierte, dass er dem Patienten teilweise unmittelbar nach dessen Entlassung eben die Wirkstoffe in hohen Mengen verschrieb, die Anlass für den stationären Aufenthalt gewesen waren. Nicht zu bezweifeln ist insbesondere die Regelwidrigkeit der (in sehr hohen Dosierungen erfolgten) Verschreibung von Codein, für die es keinerlei ärztliche Indikation gab, und der nicht nachvollziehbaren, im Jahr 2001 erfolgten Verschreibungskombination von Adumbran und Codein, die bereits für sich genommen jeweils ein hohes Abhängigkeitspotential aufweisen.

127

Alle o. g. Gutachter (bis auf Dr. B.) haben sich dezidiert dahingehend geäußert, dass der Beschuldigte mit dieser Behandlung die Regeln der ärztlichen Kunst verlassen hat. Das von dem damaligen Verteidiger des Beschuldigten vorgelegte Gutachten des Dr. B. vom 15. Mai 2008 vermag dies nicht in Frage zu stellen. Es beginnt erst auf Seite 14 (von 20) mit der eigentlichen Stellungnahme, die allerdings teilweise wiederum aus einer Darstellung der Krankengeschichte besteht, dann aber (S. 18) zu der kaum nachvollziehbaren These gelangt, die Kombination aus Benzodiazepin und Codein sei der Depression des Patienten geschuldet gewesen und es habe die Gefahr bestanden, „bei Nichtversorgung mit der entsprechenden Medikation“ könne der Patient „dann unversorgterweise in ein lebensbedrohliches Delir geraten … und/oder in einen Status epilepticus“. Dem ist der psychiatrische Gutachter Dr. P. (Gutachten vom 29.8.2008, S. 11 oben) zu Recht entgegengetreten.

128

bbb) Auch die massive Verschreibung des Schlafmittels Chloraldurat 500 hat nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen, vgl. dazu die gutachterliche Stellungnahme der Rechtsmedizin vom 4. Juli 2005 (S. 3 f.). Dies gilt insbesondere für den Zeitraum ab Mai 2001, in dem der Beschuldigte dem Patienten außerdem, wie oben ausgeführt, die beträchtlichen Mengen an Adumbran verschrieben hat. Nach Auswertung der … Unterlagen hat der Beschuldigte in der Zeit ab dem 10. Mai bis zum 25. Juni 2001 (am 26.6.2001 erfolgte die nächste Verordnung über 60 Kapseln) dem Patienten 6 Verordnungen über insgesamt 270 Kapseln ausgestellt, was pro Tag rechnerisch 5,74 Kapseln (270 : 47 Tage, das entspricht knapp 2.900 mg) ergibt. In der gutachterlichen Stellungnahme der Rechtsmedizin vom 4. Juli 2005 heißt es, laut den Anwendungshinweisen zu diesem Medikament dürfe eine maximale Tagesdosis von 2000 mg (das entspricht vier Kapseln) nicht überschritten werden; in der von der Beteiligten zu 1. überreichten Fachinformation, Ziff. 4.2 (Bl. 102 d. A.), steht, eine Tagesdosis von 1.500 mg solle nicht überschritten werden. Damit hat diese Medikation in dem besagten Zeitraum schon für sich genommen die Höchstgrenzen deutlich überschritten. Die Kombination mit Adumbran macht sie noch fragwürdiger.

129

bb) Der Beschuldigte hat in diesem Fall außerdem gegen das Verbot verstoßen, einer missbräuchlichen Anwendung seiner Verschreibungen Vorschub zu leisten (§ 30 Abs. 3 BO 1996 bzw. § 34 Abs. 4 BO 2000).

130

Auch wenn ein Arzt nach der Rechtsauffassung des Berufsgerichtshofs nicht schon dadurch gegen dieses Verbot verstößt, dass er überhaupt Medikamente mit Abhängigkeitspotenzial verschreibt, die ärztlich nicht indiziert sind, oder er ein (möglicherweise an sich indiziertes) Medikament in einer zu hohen Dosierung verordnet (vgl. dazu die nachstehenden Ausführungen zum Fall des Patienten G. ), kommt es zum Vorschubleisten einer missbräuchlichen Anwendung einer Verschreibung dann, wenn der Arzt einem abhängigen oder suchtgefährdeten Patienten Medikamente in überhöhter Menge (Packungsgröße) verschreibt und es dem Patienten selbst überlässt, die ihm überlassenen Bestände zu „verwalten“; dies gilt insbesondere dann, wenn dieser Patient binnen (zu) kurzer Zeit erneut die Verschreibung des Medikaments begehrt und der Arzt dem entspricht.

131

Letzteres ist im Fall SE eindeutig der Fall gewesen. Auch insoweit nimmt der Berufsgerichtshof Bezug auf die gutachterlichen Stellungnahmen der Rechtsmedizin vom 5. Dezember 2005 (insbesondere S. 6 f.) und vom 2. Januar 2008 (S. 3 f.). Unterstrichen wird dies noch dadurch, dass der Beschuldigte und der Patient darin zusammenwirkten, die Verschreibungen in verschiedenen Apotheken einzulösen, damit der extrem hohe Konsum nicht allzu sehr auffiel (vgl. die o. g. gutachterliche Stellungnahme vom 5.12.2005, S. 7 f.).

132

Bemerkenswert in dieser Hinsicht sind auch die von dem Beschuldigten am 30. Dezember 2003 ausgestellten 10 Rezepte über je 50 ml Codein-Tropfen. Seine dazu erst im Berufungsverfahren (vgl. den Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 15.9.2015, S. 4) erfolgte „Richtigstellung“, er habe am 20. Dezember 2003 mit dem Patienten vereinbart, ihm fünf Rezepte über je 50 ml Codein-Tropfen auszustellen, dies dann im Laufe des Behandlungstermins „vergessen“, daraufhin aus seinem Urlaub „das Rezept mit dem bekannten Ausstellungsdatum“ postalisch versendet, dann von dem Patienten erfahren, dass dieser keine Rezepte erhalten habe und daraufhin „ein neues Rezept“ ausgestellt, welches er ebenfalls postalisch versendet habe, ist kaum nachvollziehbar. Es verwundert bereits, dass alle 10 Rezepte dasselbe Datum (30.12.2003) tragen, wenn zwischen den „fünf und fünf“ Rezepten eine gewisse Pause gelegen haben müsste, denn der Beschuldigte will die zweiten fünf Rezepte ja erst übersendet haben, nach dem der Patient reklamiert habe, die (ersten) fünf Rezepte nicht erhalten zu haben. Letzten Endes kommt es darauf aber nicht entscheidend an. Bereits fünf Rezepte dieses „Kalibers“ auf einmal zu versenden, ist verantwortungslos bei einem derart abhängigen Patienten. Dies gilt nicht weniger für ein unkritisches Nachsenden weiterer fünf Rezepte auf die schlichte Behauptung dieses abhängigen Patienten hin, die ersten fünf Rezepte nicht erhalten zu haben.

133

Die in diesem Zusammenhang zuletzt von dem Beschuldigten erstmals vorgetragene Ergänzung, die Haushälterin N. , die nicht bloß eine Reinigungskraft, sondern selbständige Altenpflegerin gewesen sei, habe den Auftrag gehabt, dem Patienten die Medikamente zuzuteilen, so dass dieser bei deren Dosierung nicht sich selbst überlassen gewesen sei, vermag an der o. g. rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Beschuldigten nichts zu ändern. Selbst wenn Frau N. pflegerisch qualifiziert gewesen sein sollte, war sie jedenfalls nicht in einer solchen Funktion bei dem Patienten beschäftigt, sondern eben als Haushälterin. Sie war in dieser Funktion gegenüber dem Patienten weisungsgebunden und (im Umfang ihrer Beschäftigung) wirtschaftlich abhängig, was es ihr ggf. schwer gemacht hätte, dem Patienten gegen dessen Willen Medikamente vorzuenthalten, wenn dies objektiv angezeigt gewesen wäre. Angesichts dessen durfte sich der Beschuldigte nicht darauf verlassen, dass Frau N. schon für eine angemessene Zuteilung der in hohen Dosen im Haus des Patienten vorhandenen Medikamente sorgen werde.

134

cc) Außerdem hat der Beschuldigte im Fall SE gegen die Dokumentationspflicht des § 10 Abs. 1 BO 2000 verstoßen. Die von der Staatsanwaltschaft im Jahr 2007 bei der … (dem privaten Krankenversicherer des Patienten) beigezogenen Unterlagen ergaben offenbar eine deutlich größere Anzahl von Rezepten des Beschuldigten, als dessen eigene Dokumentation erkennen ließ. Diese Diskrepanz ergibt sich aus einem Vergleich zwischen den in dem Beweismittelordner der Staatsanwalt im Abschnitt 8 … enthaltenen Rezepten und der Auswertung der …-Unterlagen seitens der Kriminalpolizei (vgl. die Auflistung in der StA-Ermittlungsakte Bl.).

135

Die Auswertung der …-Unterlagen ergibt allein 14 Codein-Rezepte in der Zeit vom 14. Februar 2001 bis zum 13. September 2001, die nicht im o. g. Abschnitt 8 enthalten sind. Hinzu kommen 14 Adumbran-Rezepte (Zeitraum 5.5.2001 bis 13.9.2001) und 18 Chloraldurat 500 Rezepte (Zeitraum 18.5.2000 bis 20.8.2001).

136

dd) Am Verschulden des Beschuldigten hinsichtlich der o. g. Verfehlungen bestehen keine Zweifel. Die nicht bloß vereinzelten Dokumentationsmängel beruhen zumindest auf einem nicht geringen Maß an Fahrlässigkeit und lassen auf grundlegende Mängel bei der damaligen Dokumentation schließen. Die Verletzung der Regeln der ärztlichen Kunst und der Verstoß gegen das Verbot, einer missbräuchlichen Anwendung seiner Verschreibungen Vorschub zu leisten, hat der Beschuldigte mindestens bedingt vorsätzlich begangen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, welche Indikation bzw. welches Behandlungskonzept eine solche Vorgehensweise hätte stützen können. Indizielle Bedeutung hat in diesem Zusammenhang auch die Einstellung des gegen den Beschuldigten wegen Körperverletzung zum Nachteil des Patienten SE geführten Strafverfahrens nach § 153 a StPO: Gemäß Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung setzt eine solche Einstellung nämlich voraus, dass „die Schwere der Schuld nicht entgegensteht“. Damit steht also die Schuld als solche fest, zu erwägen bleibt lediglich der Grad ihrer Schwere. Dies unterscheidet die Einstellung nach § 153 a StPO etwa von dem Absehen von der Verfolgung nach § 153 StPO, für die es darauf ankommt, ob „die Schuld des Täters als gering anzusehenwäre“ (Hervorhebung durch das Gericht).

137

Der Beschuldigte selbst hat hinsichtlich des Falls SE fast ausschließlich formal-juristische Argumente vorgebracht (Verjährung, Durchbrechung des Grundsatzes der Einheit des Berufsvergehens, vgl. die Berufungsbegründung vom 8.6.2015, S. 5 ff.). Im Übrigen hat er (wie hinsichtlich aller Patienten) allgemein vorgetragen, im Vordergrund habe sein Bemühen gestanden, den Patienten in seinem Lebensumfeld zu halten und ihm durch die eingesetzten abhängigkeitsfördernden Medikamente ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (a. a. O., S. 19), auch wenn ihm dabei Fehleinschätzungen und Versäumnisse unterlaufen seien (a. a. O., S. 2). Damit vermag er keine Zweifel an seinem Verschulden zu begründen.

138

3. Auch im Fall des Patienten G. hat der Beschuldigte ein Berufsvergehen begangen. Es beschränkt sich (entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1.) allerdings, anders als in den Fällen der Patienten SE und S. , auf das Verstoßen gegen die Regeln der ärztlichen Kunst, während ihm (nach der Rechtsauffassung des Berufsgerichtshofs) hier nicht vorzuwerfen ist, der missbräuchlichen Anwendung von Verschreibungen Vorschub geleistet zu haben.

139

Maßgeblich im Sinne der Anschuldigung ist hier der Zeitraum vom Januar 2009, als der Beschuldigte die Substitutionsbehandlung des Patienten übernahm, bis zum 9. Februar 2012, als die Patientenakte bei dem Beschuldigten beschlagnahmt wurde; der letzte Medikamentenplan des Beschuldigten in den drei Sonderbänden der Patiententakte G. datiert vom 5. Februar 2012 (Sonderband I, Bl. 50). Die Anschuldigungsschrift selbst verhält sich zu dieser Frage nicht konkret, legt aber jedenfalls keine andere Sichtweise nahe.

140

a) Der Beschuldigte hat durch die Behandlung des Patienten G. gegen die Pflicht aus § 2 Abs. 2 und 3 BO 2000 (i. V. m. Kapitel C Nr. 2, 1. Spiegelstrich) verstoßen, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm bei seiner Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen, da diese Behandlung teilweise nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprach. Dies ergibt sich hinreichend deutlich nicht zuletzt aus dem Gutachten der Rechtsmedizin vom 23. Juli 2012 (vgl. dazu die nachstehenden Ausführungen unter „ee)“).

141

aa) Als Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst einzustufen ist die massive Erhöhung der Suboxone-Dosis von 6,15 mg auf 24 mg bzw. 26 mg in dem Zeitraum von Anfang Januar 2009 bis zum 22. Mai 2009 bzw. zum 9. Oktober 2009 und das Aufrechterhalten ähnlich oder entsprechend hoher Dosierungen in dem Zeitraum danach.

142

So sah der Medikamentenplan vom 29. Januar 2009 (….) eine Suboxone-Dosis von täglich 10 mg, derjenige vom 30. April 2009 (….) eine Dosis von täglich 16 mg, derjenige vom 22. Mai 2009 eine Dosis von 24 mg (….) und derjenige vom 9. Oktober 2009 eine Dosis von täglich 26 mg (3 x 8 mg tagsüber plus 2 mg morgens, a. a. O., …) vor. Diese Dosierung von 26 mg blieb bis Ende Oktober 2011, unterbrochen vom Zeitraum 3. Juli 2010 bis 14. September 2010, in dem die Dosis 20 mg täglich betrug. Hintergrund für die zeitweise Reduzierung war die Bereitschaft des Patienten zur Mitwirkung an einer Studie des Zentrums für interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg, bei dem ein Teilnahmekriterium eine tägliche Subutexdosis von 14 bis 20 mg war; der Patient G. nahm dann aber doch nicht an der Studie teil (wohl deshalb, weil er wegen seiner Doppelabhängigkeit und seiner psychischen Erkrankung für die Teilnahme an dieser Studie nicht geeignet war).

143

Für diese Steigerung hat der Beschuldigte keinen nachvollziehbaren Grund angegeben, ein Therapiekonzept ist insoweit nicht erkennbar. In der Berufungsverhandlung hat der Beschuldigte hinsichtlich eines Therapiekonzepts im Wesentlichen nur auf seine Medikamentenpläne verwiesen. Seine (erstmals) in der Berufungsverhandlung vorgetragene Erklärung, er habe an eine Unterdosierung bei der Substitutionsmenge geglaubt und mit der Dosissteigerung den weiteren Heimaufenthalt für den Patienten ermöglichen wollen, ist schwer nachvollziehbar und nicht überzeugend. Weshalb insoweit bei der Übernahme des Patienten im Januar 2009 mit 6,15 mg täglich eine Unterdosierung vorgelegen haben und die „angemessene“ Dosis etwa viermal so hoch gewesen sein soll, erschließt sich nicht. Dem widerspricht im Übrigen die Einschätzung des Dr. BR. im o. g. Gutachten vom 7. April 2011, in dem dieser sehr kritisch auf die hohe Dosierung bei Subutex/Suboxone eingeht und gleichwohl zusammenfassend ausführt (S. 7), in den vergangenen vier bis fünf Jahren sei kaum eine grundlegende Stabilisierung erfolgt, sondern allenfalls eine zeitweise und milde Beruhigung der Symptomatik. Auch der Vortrag des Beschuldigten in der Berufungsverhandlung, in der Zeit von Dezember 2011 bis Dezember 2013 sei der Patient im AK O. unter Mitwirkung eines Psychiaters mit gleich hoher Dosis weiter behandelt worden, führt zu keiner anderen Bewertung. Letzteres erklärt nicht die extreme Dosissteigerung durch den Beschuldigten in den wenigen Monaten ab Januar 2009 und die Aufrechterhaltung dieser hohen Dosis bis Oktober 2011; allerdings spricht diese lange Phase hoch dosierter Substitutionsmittel dafür, dass der Patient sich an die hohe Dosis gewöhnt hatte und es auch nach dem Ende der Substitutionsbetreuung durch den Beschuldigten den weiter behandelnden Ärzten lange Zeit nicht möglich oder nicht sinnvoll erschien, die Dosis zu reduzieren.

144

Es handelt sich entgegen seiner Darstellung nicht bloß um einen Dokumentationsmangel. Der Mangel liegt vielmehr in der äußerlich nicht indizierten (vgl. den Hinweis in dem Gutachten der Rechtsmedizin, S. 6, dass bei einer bloßen Tramadol-Abhängigkeit im Gegensatz zu einer Heroinabhängigkeit eine solche Dosissteigerung „nicht ohne Weiteres nachvollziehbar“ sei) und auch sonst nicht nachvollziehbaren Behandlung selbst. Dass es möglicherweise irgendwelche Gründe für diese Vorgehensweise geben könnte, die der Beschuldigte aber weder dokumentiert noch sonst mitgeteilt hat, kann es nicht rechtfertigen, hier bloß von einem (tatsächlich auch nicht angeschuldigten) Dokumentationsmangel auszugehen. Die von dem Beschuldigten eingereichte Stellungnahme des Dr. U. vom 1. Juni 2015 und die diesbezüglichen, in den Schriftsätzen des Beschuldigtenvertreters vom 15. September 2015 (S. 7 ff.) und vom 16. Januar 2017 (S. 4 ff.) wörtlich zitierten Ergänzungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Sie halten zwar in eher allgemeiner Weise fest, dass derartig hohe Dosen von Buprenorphin bei psychisch-kranken Patienten nicht regelwidrig sind und angebracht sein können; sie erklären aber ebenfalls nicht, worin gerade beim Patienten G. der einleuchtende Grund für die enorme Steigerung der Dosis innerhalb weniger Monate liegen soll.

145

bb) Ebenfalls zu beanstanden ist die Verordnung des Psychostimulantiums Vigil ab Juni 2011. Der Beschuldigte hat dem Patienten (laut der Aufstellung) in der Zeit vom 22. Juni 2011 bis zum 16. Januar 2012 sieben Mal das Psychostimulansmittel Vigil 1,0 (Wirkstoff Modafinil) verordnet. Modafinil ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit exzessiver Schläfrigkeit, die mit Narkolepsie einhergeht. Laut den Präparatinformationen darf es nicht angewendet werden bei Patienten mit anamnestisch bekannten Abhängigkeitserkrankungen und nur mit Vorsicht bei Patienten mit psychotischen Vorerkrankungen. Diese Verordnungen sind möglicherweise erfolgt zur Bekämpfung der stark sedierenden Wirkung, die von den hohen Dosen Subutex und der gleichzeitigen Verordnung von Lorazepam ausgeht (zu letzterem vgl. das Gutachten der Rechtsmedizin vom 23.7.2012, S. 6 unten); gleichwohl waren sie angesichts der Abhängigkeiten und Vorerkrankungen des Patienten nicht lege artis.

146

cc) Ebenfalls nicht arte legis war die - nach den obigen Auswertungen in dem hier maßgeblichen etwa dreijährigen Zeitraum insgesamt elfmal erfolgte - gleichzeitige Verordnung von opiathaltigen Schmerzmitteln angesichts des Umstands, dass der Patient gerade aus einer Opiatabhängigkeit kam und eben das der Grund für die Substitution mit Suboxone/Subutex war (vgl. dazu das Gutachten der Rechtsmedizin, S. 7). Zusätzlich zu Suboxone/Subutex und Lorazepam, die laut den Medikamentenplänen zur Dauermedikation zählten, verordnete der Beschuldigte laut den Medikamentenplänen als „Bedarfsmedikation“ zeitweise auch die opiathaltigen Schmerzmittel Tramadol und Oxycodon (bei Migräne) sowie Talvosilen forte (Bestandteile: 1000 mg Paracetamol, 60 mg Codein, laut dem Medikamentenplan einzunehmen „bei Fußschmerzen“). Die Aufstellung der eingelösten Rezepte (….) ergibt fünf Rezepte für Tramadol in der Zeit von Januar bis August 2009 und weitere fünf Rezepte für Talvosilen forte in der Zeit November 2009 bis April 2011. Für Oxycodon findet sich dort ein Rezept am 8. Juni 2010.

147

dd) Hinsichtlich der Verordnung des Benzodiazepins Lorazepam in ebenfalls hoher Dosis (fast durchweg 4 mg pro Tag) ist dagegen kein Verstoß gegen die Regeln ärztlicher Kunst anzunehmen. Diese Dosis hatte der Patient bereits erhalten, bevor der Beschuldigte seine Behandlung übernahm; eine Herunterdosierung war von der Klinik AK N. .zumindest im Jahr 2008 wegen einer Verschlechterung der psychischen Symptome nicht für sinnvoll erachtet worden (vgl. das Gutachten der Rechtsmedizin, S. 6).

148

ee) Das Gutachten der Rechtsmedizin vom 23. Juli 2012 steht - entgegen der Darstellung des Beschuldigten - der Wertung, dass der Beschuldigte im o. g. Umfang ein Berufsvergehen begangen hat, nicht entgegen, sondern bestätigt diese Einschätzung. Dieses Gutachten ist vor dem Hintergrund des spezifisch betäubungsmittelrechtlichen Ermittlungsansatzes der Staatsanwaltschaft einzuordnen. Der Staatsanwaltschaft ging es darum, ob der Beschuldigte die Betäubungsmittel-Verschreibungshöchstgrenzen überschritten hatte, ohne gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BtMVV das Ziel einer schrittweisen Wiederherstellung der BtM-Abstinenz zu verfolgen, bzw. darum, ob für eine solche Überschreitung ein „begründeter Einzelfall“ im Sinne des § 2 Abs. 2 BtmVV vorlag. Die erste Frage in dem Gutachtenauftrag der Staatsanwaltschaft („Ergeben sich Anhaltspunkte für ein ärztliches Fehlverhalten des Beschuldigten, insbesondere für eine fehlerhafte Medikation namentlich unter dem Gesichtspunkt des Bestimmungszwecks der Substitution, nämlich der schrittweisen Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz … (vgl. § 5 I Nr. 1 BtMVV)?“) ist dementsprechend nicht dahin zu verstehen, dass damit jegliches ärztliches Fehlverhalten im Sinne des § 2 Abs. 2 (bzw. § 34 Abs. 4 BO 2000) angesprochen und geprüft werden sollte; vielmehr dürfte der mit „insbesondere“ eingeleitete Halbsatz den eigentlichen Prüfungsgegenstand umschrieben haben. Diese Frage haben die Gutachter der Rechtsmedizin (a. a. O., S. 7, unter „Zusammenfassung“) mit dem einleitenden Satz beantwortet, es ergäben sich „keine Anhaltspunkte für ein grundsätzliches ärztliches Fehlverhalten oder eine fehlerhafte Medikation mit Subutex“, und dazu (S. 8) ergänzend ausgeführt, das Therapieziel der schrittweisen Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz sei vor dem Hintergrund der Stabilisierung bzw. der Vermeidung der Destabilisierung des psychischen Gesundheitszustandes des Patienten vor dem Hintergrund der aufgetretenen Probleme bei dem Entzug von dem Benzodiazepin als nachrangig zu betrachten.

149

Im gleichen Atemzuge haben die Gutachter aber die „extremen“ und „nicht nachvollziehbaren“ Dosissteigerungen kritisiert und dazu abschließend ausgeführt, diese seien ebenso wie die zusätzliche Verordnung von Opioden/Opiaten sowie die zusätzliche Verordnung von Stimulanzien „als kritikwürdig und eher fördernd für das Suchtverhalten einzuschätzen“. Damit haben sie ärztliche Behandlungsfehler gekennzeichnet, die allerdings von den Kategorien des Betäubungsmittel-Strafrechts nicht erfasst wurden. Der andere – den Beschuldigten im strafrechtlichen Sinne entlastende – Satz, dass bei dem Beschuldigten aus rechtsmedizinisch-toxikologischer Sicht „kein grundsätzliches ärztliches Fehlverhalten“ vorliege, ist nach dem Dafürhalten des Berufsgerichtshofs unter besonderer Betonung des Worts „grundsätzliches“ (im Sinne von „grundlegendes“ oder „erhebliches“) Fehlverhalten zu verstehen. Ein teilweises ärztliches Fehlverhalten jenseits der strafrechtlichen Maßstäbe wird dadurch nicht ausgeschlossen.

150

ff) Die Frage, ob und ggf. wie stark der Patient im Ergebnis gesundheitlich geschädigt worden ist (was der Beschuldigte in diesem Fall bestreitet), ist für die tatbestandliche Prüfung, ob ein Verstoß gegen die Pflicht aus § 2 Abs. 2 und 3 BO 2000 (i. V. m. Kapitel C Nr. 2, 1. Spiegelstrich) vorliegt, unerheblich.

151

gg) Die von dem Beschuldigten eingereichte Stellungnahme des Dr. U. vom 1. Juni 2015 bestätigt, soweit es nicht um die Verordnung von Suboxone/Subutex, sondern anderer Medikamente geht, ausdrücklich fehlerhafte Behandlungen. Er führt dort (S. 5) zusammenfassend aus, die Verordnung verschiedener Amphetaminderivate sei zu lange und ohne Konzept durchgeführt worden, vor der Verordnung von Schmerzmitteln (Analgetika) seien diagnostische Maßnahmen nicht dokumentiert worden und die Verordnung sei nicht auf die Substitutionsbehandlung mit Buprenorphin abgestimmt worden.

152

b) Die zweite Anschuldigung, der missbräuchlichen Anwendung seiner Verschreibungen Vorschub geleistet zu haben (§ 34 Abs. 4 BO 2000), ist dagegen nach dem Verständnis des Berufsgerichtshofs im Fall des Patienten G. nicht begründet.

153

aa) Die o. g., nicht nachvollziehbar hohen Dosissteigerungen bei dem Medikament Suboxone/Subutex und die sonstigen o. g. kritikwürdigen Verordnungen erfüllen diesen Tatbestand nicht.

154

Der Berufsgerichtshof folgt nicht der Auffassung der Beteiligten zu 1., dass ein Arzt schon dadurch gegen dieses Verbot verstößt, dass er überhaupt Medikamente mit Abhängigkeitspotenzial verschreibt, die ärztlich nicht indiziert sind, oder er ein (möglicherweise an sich indiziertes) Medikament in einer zu hohen Dosierung verordnet. Dies mag zwar dazu führen, dass der Patient zu „Medikamentenmissbrauch“ veranlasst und damit bei ihm eine Medikamentenabhängigkeit gefördert oder gar erzeugt wird; dann ist die Verschreibung als solche (also die eigentliche Behandlung) nicht lege artis und verstößt gegen das Gebot gewissenhafter Ausübung des ärztlichen Berufs, was bereits ein erhebliches Berufsvergehen darstellen kann. Allein dies führt jedoch noch nicht (zusätzlich) zum „Vorschubleisten“ einer „missbräuchlichen Anwendung der Verschreibung“ im Sinne von § 34 Abs. 4 BO 2000.

155

Bei dem „Vorschubleisten“ einer „missbräuchlichen Anwendung der Verschreibung“ im Sinne von § 34 Abs. 4 BO 2000 handelt es sich um etwas Anderes als die ärztliche Richtigkeit oder Vertretbarkeit der Verschreibung selbst. Die Besonderheit dieses Fehlverhaltens liegt vielmehr darin, dass der Arzt (vorsätzlich oder zumindest leichtfertig) die Kontrolle über den Patienten aus der Hand gibt, indem er diesem die Möglichkeit eröffnet, ein Medikament zu Zwecken zu verwenden, die ärztlich nicht indiziert sind (und die der Verordnung nicht entsprechen), oder das Medikament (wiederholt und über längere Zeiträume) in deutlich höheren Dosen einzunehmen, als es die Verordnung vorsieht. So liegt es aber nicht in Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein Patient gerade die ihm verschriebene Dosis des ihm verschriebenen Medikaments unter der Aufsicht von Pflegepersonal in einer Einrichtung einnimmt. Dann mag die Verschreibung als solche gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen, aber die „Anwendung“ dieser Verschreibung ist dann nicht „missbräuchlich“, sondern ordnungsgemäß.

156

bb) Ein Ansatz für den Tatbestand des Vorschubleistens im o. g. Sinn könnte allerdings im Hinblick auf die im August 2009 ohne weitere eigene Kontrollen seitens des Beschuldigten erfolgte Umstellung von Suboxone auf Subutex zu erkennen sein. Seinerzeit (vgl. die Rezeptaufstellung ) wurde „auf Wunsch (des) Patient(en)“ (vgl. die vom Beschuldigten erstellte Verlaufsdokumentation vom 27.4.2010, …) das Mittel Suboxone durch das Mittel Subutex ausgetauscht. Der Wirkstoff (Buprenorphin) ist bei beiden Mitteln derselbe, jedoch enthält Suboxone im Gegensatz zu Subutex den weiteren Wirkstoff Naloxon, einen Opiatantagonisten, der eine missbräuchliche nasale Anwendung verhindern soll, da er erst bei dieser Anwendungsform seine opiat-antagonistischen Eigenschaften entfaltet (vgl. das Gutachten der Rechtsmedizin vom 23.7.2012, S. 6). Diese Umstellung hat sich offenbar nachteilig in dem Sinne ausgewirkt, dass der Patient das neue Mittel geschnupft statt geschluckt hat, was, wie der Beschuldigte in seiner o. g. ärztlichen Anweisung vom 13. Oktober 2011 es selbst formuliert hat, „den Zug der Anwendung eines Suchtmittels (trägt)“. Somit hat das Schnupfen des Subutex in der Tat eine missbräuchliche Anwendung der Verschreibung dargestellt.

157

Unklar ist allerdings, unter welchen Umständen und wie oft der Patient das Subutex überhaupt missbräuchlich anwenden, also schnupfen konnte. Denn die Einnahme des Substitutionsmittels erfolgte laut dem nicht zu widerlegenden Vortrag des Beschuldigten morgens und abends direkt in der betreffenden Apotheke in P. unter Aufsicht des dortigen Personals; lediglich an den Wochenenden war es offenbar so, dass der Patient den betreffenden Vorrat in der Apotheke ausgehändigt bekam und diesen mit in die Einrichtung nahm. Dies hat der Beschuldigte auch in der Berufungsverhandlung so dargestellt.

158

Im Übrigen gibt es keine hinreichend greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte einem solchen Missbrauch durch den Patienten „Vorschub geleistet“ hätte. Die Umstellung von Suboxone auf Subutex als solche war insofern nicht völlig unmotiviert, als der Patient bereits vor der Übernahme der Substitutionsbehandlung durch den Beschuldigten zeitweise mit Subutex behandelt worden war (vgl. die Entlassungsberichte der Klinik N.-O. vom 22.1.2008, ……, bzgl. der jeweiligen Entlassungsmedikation), so dass dieser Wunsch des Patienten nicht aus der Luft gegriffen erschienen sein mag. Gegen Vorsatz oder Leichtfertigkeit des Beschuldigten in diesem Zusammenhang spricht schließlich seine ärztliche Anweisung vom 13. Oktober 2011 (….), mit er gegen das missbräuchliche Schnupfen des Subutex eingeschritten ist, unmittelbar nachdem er (laut seiner nicht zu widerlegenden Darstellung) durch die Heimleitung davon erfahren hatte.

159

cc) Ein weiterer Ansatz für ein „Vorschubleisten“ im Sinne des § 34 Abs. 4 BO 2000 könnte sich noch aus einer jahrelangen Verordnung der Stimulanzien enthaltenen, aber bedarfsweise für Erkältungen bzw. Rhinitis indizierten Mittel Reactine Duo bzw. Rhinopront ergeben. Eine Verordnung dieser Mittel ist für die in den Medikamentenplänen genannte Indikation (allergische Rhinitis) an sich nicht regelwidrig. Bei einem suchtkranken und stark sedierten Patienten wie G. mit einem entsprechenden Stimulanzbedarf mag es allerdings nahe liegen, dass dieser solche Mittel zweckwidrig zur Stimulation, also „missbräuchlich“ anwendet.

160

Es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass der Beschuldigte dem Patienten diese - rezeptfreien - Mittel überhaupt verordnet hätte. Der Beschuldigte bestreitet dies, und entsprechende privatärztliche Rezepte sind nicht aktenkundig. Er trägt vor, dass der Patient sich diese Medikamente nur selbst besorgt haben könne. Die seit April 2010 durchweg erfolgte Aufnahme dieser Mittel als Bedarfsmedikation in die Medikamentenpläne sei nur nachrichtlicher Natur gegenüber der Einrichtung bzw. für Notärzte gewesen. Dies ist dem Beschuldigten nicht zu widerlegen; somit ist auch insoweit ein (schuldhafter) Verstoß gegen § 34 Abs.4 BO 2000 nicht erwiesen.

161

c) Der Beschuldigte hat auch dieses Berufsvergehen schuldhaft begangen (§ 2 Abs. 1 HeilBG).

162

Die laut dem o. g. Gutachten der Rechtsmedizin „kritikwürdige“ und „suchtfördernde“ Medikation (extreme Dosissteigerung bei Suboxone/Subutex, gleichzeitige Verordnung von Opiaten und Stimulanzien) muss der Beschuldigte in ihrer Kritikwürdigkeit und ihrem Suchtförderungspotential zumindest „bedingt vorsätzlich“ erkannt und die potentiell gravierenden Folgen billigend in Kauf genommen haben. Seine diesbezüglichen Einlassungen sind vage und allgemein geblieben (bzgl. der Dosissteigerung) bzw. sie haben sich zu dem Thema gar nicht verhalten (gleichzeitige Verordnung von Opiaten und Stimulanzien).

163

Schuldvermindernd ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Patient einerseits doppelt suchtkrank (Opiate und Benzodiazepin) und andererseits schwer psychisch krank war (schweres Borderline-Syndrom). Die Behandlung dieses Patienten ist damit außerordentlich schwierig gewesen (vgl. das Gutachten der Rechtsmedizin, S. 7 unten: „… sehr schwierige Ausgangssituation …“), was diese Behandlung von vornherein besonders fehleranfällig gemacht haben dürfte.

164

4. Im Fall des Patienten S. hat der Beschuldigte entsprechend der von der Beteiligten zu 1. erhobenen Anschuldigung in dreierlei Hinsicht ein Berufsvergehen begangen.

165

a) Der Beschuldigte hat durch die Behandlung des Patienten gegen die Pflicht aus § 2 Abs. 2 und 3 BO 2000 (i. V. m. Kapitel C Nr. 2, 1. Spiegelstrich) verstoßen, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm bei seiner Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen, da diese Behandlung nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprach. Zudem hat er durch das wiederholte Kassieren von jeweils 50,- Euro bzw. einmal von 100,- Euro im Rahmen der Rezeptgaben sein eigenes wirtschaftliches Interesse über das Wohl des Patienten gestellt und damit gegen § 2 Abs. 2 Satz 2 BO 2000 verstoßen.

166

aa) Der Beschuldigte hat laut seiner der Beteiligten zu 1. am 19. Mai 2012 übersandten Dokumentation (…..) dem Patienten in der Zeit vom 27. Mai 2011 bis zum 19. April 2012 unter insgesamt 11 Daten 12 Mal das Medikament Diazepam Stada 10, Packungsgröße N3 (50 Stück), verschrieben (unter dem 8.12.2011 verschrieb er gleich zweimal eine Packung der Größe N3). Für den genannten Zeitraum mit einer Dauer von insgesamt 327 Tagen ergibt sich, wenn man die letzte Verschreibung außer Acht lässt (es ist unbekannt, wie lange der Patient mit diesen letzten 50 Tabletten ab dem 19.4.2012 ausgekommen ist), eine Gesamtmenge von 550 Tabletten (11 x 50), was einer Tagesdosis von 1,68 Tabletten (also 16,8 mg des Wirkstoffs) entspricht. Bis zu dem Termin vom 8. Dezember 2011 errechnet sich (ohne die an diesem Tag erfolgte Doppelverschreibung) für einen Zeitraum von 195 Tagen eine Gesamtmenge von 300 Tabletten, was einer Tagesdosis von 1,54 Tabletten (15,4 mg des Wirkstoffs) entspricht.

167

Die Verschreibung erfolgte auf Grund der Diagnose „Psychovegetative Dysregulation“ (vgl. dazu die Einschätzung in der Studie „Medikamentenabhängigkeit“ der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen - DHS – August 2015, S. 18: „Verlegenheitsdiagnose ohne wirkliche medizinische Grundlage“, im Internet frei veröffentlicht unter: http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Broschueren/Suchtmed_Reihe_5_Medikamente.pdf), tatsächlich geklagt hatte der Patient offenbar über Schlafstörungen. Laut der Fachinformation des Herstellers zu Diazepam AbZ 10 mg (überreicht von der Beteiligten zu 1. mit Schriftsatz vom 28.1.2015 an das Berufsgericht) sind Anwendungsgebiete für dieses Medikament Spannungs-, Erregungs- und Angstzustände, Zustände mit erhöhtem Muskeltonus (etwa nach schweren epileptischen Anfällen) sowie die Prämedikation für diagnostische oder chirurgische Eingriffe. Weiter heißt es dort unter „Anwendungsgebiete“: „Der Einsatz von Diazepam AbZ 10 mg als Schlafmittel ist nur dann gerechtfertigt, wenn gleichzeitig die Diazepam-Wirkungen am Tage erwünscht sind.“ Für die Behandlung von Spannungs-, Erregungs- und Angstzuständen (dies dürfte den Beschwerden des Patienten S. noch am nächsten kommen) bei ambulanter Therapie heißt es dort unter „4.2 Dosierung und Art der Anwendung“, die Behandlung sollte in der Regel mit einer halben Tablette am Tag (also 5 mg) begonnen werden; bei fehlendem Erfolg könne die Dosis auf eine Tablette pro Tag (10 mg) erhöht werden. Weiter wird dort ausgeführt: „Höhere Dosierungen sind nur in seltenen Fällen notwendig (z. B. psychiatrische oder neurologische Erkrankungen) und sollten in der Regel nur stationär verabreicht werden“. Zur „Art und Dauer der Anwendung“ heißt es dort, bei akuten Krankheitsbildern sei die Anwendung auf Einzelgaben oder wenige Tage zu beschränken. Bei chronischen Krankheitsbildern solle nach zweiwöchiger täglicher Einnahme vom Arzt durch eine schrittweise Verringerung der Dosis geklärt werden, ob eine weitere Behandlung mit Diazepam angezeigt sei; „Jedoch sollte die Behandlungsdauer 4 Wochen nicht übersteigen“.

168

Soweit der Beschuldigte in der Berufungsverhandlung darauf hingewiesen hat, dass laut dem „Kompendium der Psychiatrischen Pharmakologie“ (2011) von Benkert/Hippius bei der Diagnose Schlafstörung oder Angstzustände bis zu 20 mg täglich zulässig sein könnten, vermag ihn dies nicht zu entlasten. Eine derartig massive Überschreitung der von dem Hersteller selbst gegebenen Dosierungsempfehlungen könnte allenfalls in besonders gelagerten Einzelfällen lege artis sein und bedürfte jedenfalls einer eingehenden Begründung sowie einer besonders sorgfältigen Kontrolle. Davon kann hier nicht die Rede sein.

169

Angesichts dessen bleibt festzuhalten, dass der Beschuldigte hier durch seine Verschreibungen sowohl die vom Hersteller empfohlene Dauer der Anwendung („nicht länger als vier Wochen“) als auch die vom Hersteller empfohlene Tagesdosis (bei Spannungszuständen in der Regel eine halbe, ausnahmsweise maximal eine ganze Tablette am Tag) massiv überschritten hat. Dies ist geschehen, ohne dass der Beschuldigte hierfür nachvollziehbare Gründe genannt hätte (laut seinem Schreiben an die Beteiligte zu 1. vom 31.7.2012, ….., hielt er allerdings die „vorgeschlagene medizinische Hilfe mit 0 – 2 Diazepam pro Nacht für absolut indiziert“), und dies ohne dokumentierte oder sonst nachvollziehbare regelmäßige Untersuchungen des Patienten. Der von ihm an die Beteiligte zu 1. gesendeten Dokumentation sind keine Untersuchungen zu entnehmen. Ansonsten hat er insoweit mit Schreiben seines späteren Bevollmächtigten vom 15. Mai 2013, S. 2 (…), gegenüber der Beteiligten zu 1. im Rahmen der dortigen Vorermittlungen vortragen lassen, er habe den Patienten dreimal untersucht; der erste Kontakt habe am 18. Februar 2011 in Form eines Hausbesuchs stattgefunden, darüber hinaus sei der Patient am 5. Oktober 2011 und 8. Dezember 2011 in der Praxis des Beschuldigten behandelt worden (die von ihm überreichte Dokumentation beginnt allerdings erst am 27.5.2011). Mit weiterem Schreiben des damaligen Bevollmächtigten vom 12. September 2013, S. 5 (….), hat er dies dahingehend bestätigt, „über den bereits erwähnten Hotelbesuch“ hinaus sei der Patient zweimal in seiner Praxis gewesen. Davon ausgehend, dass es diese drei Untersuchungen gegeben hat, ist dies angesichts der hier erfolgten, mit einer hohen Gefahr der Unterhaltung oder Schaffung einer Diazepam-Abhängigkeit des Patienten verbundenen Medikation allerdings völlig unzureichend gewesen. Somit hat der Beschuldigte mindestens unter neun von den seinerseits dokumentierten elf Daten in der Zeit vom 27. Mai 2011 bis zum 19. April 2012 dem Patienten Diazepam 10 mg in der Packungsgröße N3 verschrieben, ohne ihm dabei persönlich begegnet zu sein; offenbar ist dies auf schlichte telefonische Anforderung des Patienten geschehen (für den „22.02.2012“ ist dort auch ausdrücklich vermerkt: „Wie telefonisch am 17.02.2012 erbeten“).

170

Diese Vorgehensweise war angesichts des hohen Abhängigkeitspotentials dieses Wirkstoffs unverantwortlich. In der Berufungsbegründung (S. 19 unten) hat der Beschuldigte vortragen lassen, dass der Patient S. „bereits abhängig“ gewesen sei von Benzodiazepin; demnach bestand die Abhängigkeit bereits bei Beginn des ärztlichen Kontakts. Jedenfalls am Ende des hier maßgeblichen Zeitraums war der Patient S. offenbar tatsächlich in eine Diazepam-Abhängigkeit hineingeraten. In den Akten (…) befindet sich die Kopie eines Schreibens des Beschuldigten an diesen Patienten vom 28. Mai 2012, mit dem er die o. g. Anfrage der Beteiligten zu 1. vom 16. Mai 2012 und sein Antwortschreiben „zur Information und Durchsicht“ übersendete. Auf dem Schreiben hat der Beschuldigte handschriftlich vermerkt: „1. ÜW-Schein für die Psychiatrie liegt bei“. Dabei handelte es sich um einen Überweisungsschein vom 28. Mai 2012 (kein Privat-, sondern ein Kassenrezept), mit einer „kurativen“ Überweisung „an Psychiatrie“, gültig für das zweite Quartal 2012; unter „Diagnose/Verdachtsdiagnose“ hieß es: „V.a. Diazepam-Abhängigkeit“ (Anm.: „V.a.“ bedeutet „Verdacht auf“). In der Verhandlung vor dem Berufsgericht hat der seinerzeitige Verteidiger das (allerdings nicht vom Beschuldigten unterschriebene) Original eines Überweisungsscheins vom 28. Mai 2012 überreicht, das der o. g. Kopie im Wesentlichen entspricht (Sitzungsprotokoll vom 25.3.2015, S. 5).

171

bb) Der Beschuldigte hat laut seiner eigenen Dokumentation jedenfalls dadurch gegen § 2 Abs. 2 Satz 2 BO 2000 (Verbot, sein eigenes wirtschaftliches Interesse über das des Patienten zu stellen) verstoßen, dass er von dem Patienten insgesamt fünfmal ein „Honorar“ von 50,- Euro und einmal ein „Honorar“ von 100,- Euro kassiert hat, ohne dass es hierfür Rechnungen bzw. nachvollziehbare Berechnungen gäbe. Sein damaliger Bevollmächtigter hat dies in dem o. g. Schriftsatz an die Beteiligte zu 1. vom 12. September 2013, S. 5, so bestätigt: „Auch gegenüber dem Patienten S. wurde niemals privat liquidiert. Derartige Rechnungen sind nie geschrieben worden und daher nicht existent.“ Rezeptgebühren für Privatpatienten hätten niemals diese Höhen erreicht (und wären auch nicht auf diese glatten Beträge hinausgelaufen). Der Beschuldigte hat dem (gesetzlich krankenversicherten) Patienten S. das Diazepam aber auch nicht auf Rezepten für Kassenpatienten verordnet (vgl. sein o. g. Schreiben an die Beteiligte zu 1. vom 31.7.2012).

172

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch ein vom seinerzeitigen Verteidiger des Beschuldigten in der Verhandlung vor dem Berufsgericht in Kopie zur Akte gereichtes Schreiben des Patienten an den Beschuldigten vom 19. April 2012 (vgl. Sitzungsprotokoll S. 5. Dort schreibt der Patient: „… vielen Dank für das Rezept. Anbei die Versichertenkarte, 10 € und das Honorar.“ (Außerdem schreibt er noch: „Bei der nächsten Verordnung werde ich dann aber wirklich mal wieder persönlich vorbeikommen.“) Demnach hat der Beschuldigte den Patienten einerseits als gesetzlich Versicherten behandelt (Versichertenkarte, 10 Euro Praxisgebühr), andererseits aber auch noch ein „Honorar“ entgegengenommen (das allerdings in der mit Schreiben vom 19.5.2012 übersendeten „vollständigen“ Dokumentation nicht aufgeführt ist).

173

Angesichts dessen kann es sich bei den o. g. „Honoraren“ nur um „Schwarzgelder“ gehandelt haben, für die es keine rechtliche Grundlage gab. Sie waren offenbar der Preis, den der Patient zahlen musste, um über den Beschuldigten das Diazepam zu bekommen, von dem er wahrscheinlich bereits abhängig war und das ein verantwortungsvoller Arzt (etwa der ihn eigentlich behandelnde Arzt in B. ) nicht verordnet hätte. Damit hat der Beschuldigte sich selbst unzulässige wirtschaftliche Vorteile verschafft und zugleich das gesundheitliche Wohl des Patienten beeinträchtigt.

174

b) Der Beschuldigte hat im Fall S. auch gegen das Verbot des § 34 Abs. 4 BO 2000 verstoßen, einer missbräuchlichen Anwendung der Verschreibung Vorschub zu leisten.

175

Die zahlreichen Verschreibungen mit jeweils der größten Packungsgröße N3 ohne begleitende Untersuchungen und Patientengespräche haben es dem Patienten ermöglicht, die in der Fachinformation zu Diazepam 10 mg enthaltenen Empfehlungen zur Tagesdosis (bei Spannungszuständen etc. maximal 1 Tablette pro Tag) deutlich zu überschreiten und damit das Medikament in einer missbräuchlichen Menge einzunehmen. Es ist zwar nicht aktenkundig, welche ärztliche Anweisung an den Patienten zur Tagesdosis den jeweiligen Verschreibungen zu Grunde lag. Es ist aber nicht anzunehmen, dass der Beschuldigte eine Überschreitung der an sich maximalen Tagesdosis von einer Tablette um mehr als 50 v. H. (die durchschnittliche Tagesdosis nach Maßgabe der Verordnungen betrug, wie oben bereits ausgeführt, 1,54 Tabletten für den Zeitraum vom 27.5.2011 bis 7.12.2011 und 1,68 Tabletten für den Zeitraum vom 27.5.2011 bis 18.4.2012) angeordnet hat.

176

c) Der Beschuldigte hat hier außerdem gegen die Dokumentationspflicht des § 10 Abs. 1 BO 2000 verstoßen.

177

Dies ergibt sich zum einen aus dem (kuriosen) Verlauf, dass er der Beteiligte zu 1. auf deren Anforderung hin mit jeweiligen Schreiben vom 19. Mai 2012 zwei verschiedene Dokumentationsausdrucke übersendet hat (….), von denen der zweite nur einen kleinen Teil der ersten enthielt, und er auf Nachfrage der Beteiligten zu 1. erklärte, dass „die längere Fassung die vollständige Fassung“ sei (……). Wie die Beteiligte zu 1. in ihrer Anschuldigungsschrift (S. 29) ausführt, enthielt allerdings die „vollständige“ Fassung auch unzutreffende Eintragungen; auf diese Ausführungen nimmt der Berufsgerichtshof Bezug (der dort von der Beteiligten zu 1. erwähnte Screenshot befindet sich im Aktenordner…….. Hinzu kommen noch der angebliche Untersuchungstermin vom 18. Februar 2011, der in der „vollständigen“ Fassung der Dokumentation nicht vorkommen kann, weil diese erst am 27. Mai 2011 beginnt, und das nicht dokumentierte „Honorar“, das der Patient seinem Schreiben vom 19. April 2012 beigefügt hatte (….).

178

d) Am Verschulden des Beschuldigten besteht hinsichtlich aller o. g. Verstöße angesichts der dargelegten Umstände kein Zweifel.

179

Der Beschuldigte hat zu dem Fall S. nichts Entlastendes vorgebracht. In der Berufungsbegründung (S. 19) hat er ausschließlich eine vermeintlich falsche Berechnung des Berufsgerichts hinsichtlich der Gesamtzahl der verordneten Tabletten gerügt (vgl. dazu die zutreffende Berufungserwiderung der Beteiligte zu 1., S. 12 vorletzter Absatz). In seiner Replik vom 15. September 2015 (S. 9) räumt er ausdrücklich (allerdings in eher allgemeiner Weise) ein, Fehler bei der Behandlung des Patienten S. begangen zu haben, etwa im Hinblick darauf, nicht die Zustimmung des Patienten dafür eingeholt zu haben, seine Verordnungen „mit der Therapie des behandelnden Arztes in B. zu koordinieren“; demnach wusste er, dass der Patient eigentlich in B. therapiert wurde und dort offenbar kein Diazepam erhielt, was er mit seinen Verschreibungen konterkariert hat. Im Übrigen hat er ausgeführt, der Vorwurf der Beteiligten zu 1., „wie ein Dealer gehandelt“ zu haben, sei falsch, weil sich kein Vorsatz seinerseits beweisen lasse, die Verordnung der Medikamente von der Zahlung der Geldbeträge abhängig gemacht zu haben. Mit all diesem Vorbringen kann er keine Zweifel an seiner Schuld begründen.

180

II. Der Fall des Patienten SE ist trotz des seitdem verstrichenen Zeitraums weiterhin verfolgbar. Dem stehen nicht die heilberufsgerichtlichen Bestimmungen zur Verjährung entgegen.

181

Gemäß § 4 Abs. 1 des Hamburgischen Gesetzes über die Berufsgerichtsbarkeit der Heilberufe (i. F.: HeilBG) vom 20. Juni 1972 in der Fassung vom 1. September 2005 verjährt die Verfolgung von Berufsvergehen in fünf Jahren; die Verjährung beginnt gemäß § 4 Abs. 2 HeilBG „mit dem Tage, an dem die Verfehlung begangen worden ist“. Gemäß § 4 Abs. 3 HeilBG ruht die Verjährung „für insgesamt längstens fünf Jahre“ während der Dauer des berufsgerichtlichen Verfahrens, beginnend mit der Stellung des Antrages auf Einleitung des Verfahrens (§ 17), während der Dauer eines strafgerichtlichen oder anderen gerichtlichen Verfahrens (§ 14) sowie während der Dauer eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens.

182

1. Der Fall SE wäre demnach für sich allein betrachtet inzwischen nicht mehr verfolgbar, weil dem der Eintritt der Verjährung entgegenstünde. In diesem Fall fand die letzte von der Anschuldigung umfasste Pflichtverletzung des Beschuldigten am 30. Dezember 2003 statt (Ausstellung der 10 bzw. 2 x 5 Rezepte über Codein ct 50 ml). Somit hat er im Sinne des § 4 Abs. 2 HeilBG im Fall SE „die Verfehlung“ am 30. Dezember 2003 begangen, und die Verjährung wäre gemäß § 4 Abs. 1 HeilBG am 30. Dezember 2008 eingetreten. Die Verjährung hat allerdings in jedem Fall gemäß § 4 Abs. 3 HeilBG geruht für eine Dauer von insgesamt längstens fünf Jahren ab Anfang März 2004, als die Staatsanwaltschaft nach der am 1. März 2004 erfolgten Anzeige der Haushälterin Nebelung ihre Ermittlungen aufnahm; „ruhen“ bedeutet in Anlehnung an die Begrifflichkeit des § 78 b StGB, dass der Weiterlauf der Verjährung gehemmt (nicht: unterbrochen) wird (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 78 b Rn. 2). Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten verblieb im Bereich der Staatsanwaltschaft bis zu dem dort am 28. November 2008 beantragten Strafbefehl; ab dann handelte es sich um ein strafgerichtliches Verfahren, wodurch die „insgesamt längstens fünf Jahre“ im März 2009 ausgeschöpft waren und ab dann die Verjährung weiterlief. Die insgesamt 10 Jahre (5 Jahre Verjährung plus 5 Jahre Ruhenszeit) bis zum Eintritt der Verjährung wären am 30. Dezember 2013 abgelaufen, also mehr als ein Jahr vor dem hier angefochtenen Urteil des Berufsgerichts. Die Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens am 18. November 2013 hätte nicht etwa zu einem erneuten Ruhen der Verjährung geführt, da wegen derselben Verfehlung die Verjährung durch die in § 4 Abs.3 HeilBG angeführten verschiedenen Verfahrensarten nur „für insgesamt längstens fünf Jahre“ zum Ruhen gebracht werden kann und diese fünf Jahre hier schon durch das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und das sich daran anschließende strafgerichtliche Verfahren verbraucht waren.

183

2. Der Fall des Patienten SE ist aber gleichwohl unter dem Gesichtspunkt der „Einheitlichkeit des Berufsvergehens“ verfolgbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Grundsätzen der „Einheitlichkeit des Dienstvergehens“ im Disziplinarrecht ist dort die Bedeutung der Verjährung deutlich eingeschränkt (a). Diese Grundsätze sind auf das berufsgerichtliche Verfahren zu übertragen (b). Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass der Beschuldigte bei den hier streitgegenständlichen drei Fällen ein einheitliches Berufsvergehen begangen hat, weil zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht (c).

184

a) Das Bundesverwaltungsgericht steht beim Disziplinarrecht der Beamten bereits seit über 40 Jahren auf dem Standpunkt, dass es dort nicht darum gehe, Verfehlungen als solche einzeln zu sanktionieren, sondern bei mehreren Verfehlungen das Gesamtverhalten des Beamten zu bewerten und auf dieser Grundlage (sofern er nicht bereits für das Beamtenverhältnis untragbar geworden ist) erzieherisch auf ihn einzuwirken, damit er sich künftig pflichtgemäß verhalte. Der Beamte werde nicht disziplinarisch gemaßregelt, weil er bestimmte Pflichten verletzt habe, sondern weil er dadurch Persönlichkeitsmängel offenbare, die eine Pflichtenmahnung oder eine Beendigung des Beamtenstatus für geboten erscheinen ließen. Aus der gebotenen einheitlichen Betrachtungsweise seien nur solche Verfehlungen auszunehmen, die mit den anderen weder in einem äußeren (zeitlichen) noch in einem inneren (sachlichen) Zusammenhang stünden. Damit verbunden sei eine relativ geringe Bedeutung des Zeitablaufs seit den jeweils begangenen Verfehlungen, in den auch der Verjährungsgedanke „einzubetten“ sei. So hat es ausgeführt (BVerwG, Urt. v. 22.6.1978, I D 46.77, BVerwGE 63, 88, juris Rn. 18):

185

„Der auch auf der Vorstellung sühnender oder heilender Kraft des Zeitablaufs beruhende Verjährungsgedanke setzt begrifflich fest umrissene Tatbestände voraus, an denen es im Disziplinarrecht fehlt. Zudem wird ein Beamter bei richtigem Verständnis des Disziplinarrechts nicht dienstlich gemaßregelt, weil er bestimmte Pflichten verletzt und dadurch das Erfordernis für einen Ausgleich der gestörten sittlichen Wertordnung begründet hätte, sondern weil er durch die Pflichtverletzung Persönlichkeitsmängel offenbart hat, die ihn für den öffentlichen Dienst untragbar erscheinen oder die eine Erziehungsmaßnahme geboten sein lassen. Gegenstand disziplinarrechtlicher Beurteilung ist mithin nicht eine bestimmte Tat, sondern die durch die Tat offenbar werdende Persönlichkeit des Beamten, orientiert an der Frage, ob und inwieweit er für den öffentlichen Dienst noch tragbar sei. Für den Verlust des disziplinarrechtlichen "Strafanspruchs" kann hiernach nicht der bloße Zeitablauf bestimmend sein, sondern allein das Wissen darum, ob das Verhalten des Beamten in seiner Persönlichkeit wurzelt oder nur als ein wesensfremdes Versagen zu werten sei. Der Zeitablauf dient in diesem Zusammenhang nur als Beweisanzeichen dafür, ob ein bestimmtes Missverhalten ein von der Täterpersönlichkeit weitgehend unabhängiges, dieser vielmehr wesensfremdes, situationsbedingtes, einmaliges Versagen darstellt. Diese Einbettung des Verjährungsgedankens in das das Disziplinarrecht beherrschende Prinzip von der Einheit des Dienstvergehens führt dazu, dass auch lange zurückliegende Pflichtverletzungen, die für sich alleine betrachtet die in § 4 BDO aufgezählten Disziplinarmaßnahmen wegen Zeitablaufs nicht gerechtfertigt hätten, erneut in die disziplinare Betrachtung einbezogen werden können und müssen, wenn weitere Pflichtverletzungen hinzutreten, die für sich allein oder zusammen mit den älteren eine nicht der "Verjährung" unterliegende Disziplinarmaßnahme notwendig machen. Die spätere Wiederholung ähnlicher Pflichtverletzungen zeigt nämlich, dass die an die ursprüngliche Nichtverfolgung geknüpfte Vorstellung, es handele sich um persönlichkeitsfremdes Missverhalten, nicht gerechtfertigt war, das Verhalten vielmehr doch in der Persönlichkeit des Beamten wurzelte. Folgerichtig sind aus der einheitlichen Betrachtungsweise nur solche Pflichtverletzungen auszuscheiden, die mit den übrigen, später hinzugetretenen in keinem inneren oder äußeren Zusammenhang stehen.“

186

Die Rechtsfigur der Einheitlichkeit des Dienstvergehens führt demnach dazu, dass auch solche Verfehlungen mit zu berücksichtigen und in die Maßnahmenbemessung einzubeziehen sind, die für sich genommen eigentlich bereits verjährt waren. Anders als im Strafrecht wirkt eine disziplinarrechtliche „Verjährung“ somit nicht absolut und endgültig, sondern sie steht unter dem Vorbehalt, dass der Beamte nicht später erneut Verfehlungen begeht, die mit der früheren Verfehlung in einem inneren oder äußeren Zusammenhang stehen. Denn geschieht Letzteres, so verliert der Zeitablauf seit der früheren Verfehlung seine Qualität als „Beweiszeichen“ dafür, dass die frühere Verfehlung sich als wesensfremdes Versagen des Beamten darstellt, und es zeigt sich, dass diese frühere Verfehlung eben doch wesenstypisch war und daher bei der Bemessung der „Erziehungsmaßnahme“ zu berücksichtigen ist (sofern der Beamte denn überhaupt noch „erzogen“ werden kann). Zugleich führt dies dazu, dass für das gesamte einheitliche Dienstvergehen ab der zeitlich letzten Pflichtverletzung eine neue (dem Gewicht dieser Verfehlung entsprechende) Verjährungsfrist zu laufen beginnt (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.9.1988, 1 D 70.87, DokBer B 1989, 21, juris Rn. 76).

187

Der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die „Einbettung“ des Verjährungsgedankens in den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens und die damit verbundene Relativität der Bedeutung des Zeitablaufs nach Verfehlungen bis zuletzt betont (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 14.11.2007, 1 D 6.06, NVwZ 2008, 1375, juris Rn. 58). Der mittlerweile seit der Ablösung der früheren Disziplinarordnung (BDO) durch das Bundesdisziplinargesetz (BDG) für die nach diesem Gesetz geführten Disziplinarverfahren zuständige 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat sich speziell dazu bisher nicht ausdrücklich positioniert; den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens an sich hat aber auch der 2. Senat immer wieder hervorgehoben (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 11.2.2014, 2 B 37.12, juris Rn. 17). Im neueren Schrifttum hält man diese Grundsätze auch unter Geltung von § 15 BDG („Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs“) für einschlägig (vgl. Hermann in: Hermann/Sandkuhl, Beamtendisziplinarrecht, 2014, Rn. 348 ff.).

188

Bei mehreren Tatkomplexen, die sich über einige Jahre verteilen und teilweise bei isolierter Betrachtung bereits verjährt wären, ist der innere Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Wirken sich bestimmte Charakterschwächen oder Pflichtvergessenheiten des Beamten wiederholt in Gestalt von Dienstvergehen aus, die auch teilweise dienstlich und teilweise außerdienstlich begangen worden sein mögen, so bilden sie wegen des „inneren“ Zusammenhangs eine disziplinarrechtlich eine Einheit. So hat das Bundesverwaltungsgericht etwa ein einheitliches Dienstvergehen angenommen bei einem Beamten, der einerseits in einer Vielzahl von Fällen dem Dienst unerlaubt ferngeblieben war und der andererseits außerdienstlich als Fahrer eines PKW im Zustande alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit den Tod eines Schülers verursacht hatte, weil bei allen Verfehlungen (also auch dem unerlaubten Fernbleiben) der unkontrollierte Alkoholkonsum eine wesentliche Rolle beim Verhalten des Beamten gespielt habe (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.1981, 1 D 7.80, BVerwGE 73, 166, juris Rn. 14). Einen inneren Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls angenommen im Fall eines Beamten (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.9.2004, 1 D 18.03, NVwZ-RR 2006, 45, juris Rn. 42 – 44), der wegen langjähriger unerlaubter Nebentätigkeit als Versicherungsmakler über Jahre hin seine Mittagspausen mehrmals pro Woche deutlich überzog und der dann auch noch verurteilt wurde wegen Steuerhinterziehung in vier aufeinander folgenden Jahren, weil er die durch die nicht genehmigte Nebentätigkeit erzielten Einkünfte nicht steuerlich deklariert hatte; all diese Dienstvergehen hingen letztlich mit der nicht genehmigten Nebentätigkeit des Beamten zusammen.

189

b) Der disziplinarrechtliche Grundsatz der „Einheit des Dienstvergehens“ gilt im berufsgerichtlichen Verfahren entsprechend als „Einheit des Berufsvergehens“.

190

aa) Bei der Heilberufsgerichtsbarkeit handelt es sich gleichsam um die Disziplinargerichtsbarkeit für die Heilberufe. Das HeilBG trägt dem dadurch Rechnung, dass es in § 13 ergänzend auf die Bestimmungen des hamburgischen Disziplinarrechts verweist (soweit nicht die Eigenart des berufsgerichtlichen Verfahrens entgegensteht). Darin ist zugleich eine Inkorporierung des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens, entsprechend bezeichnet als Einheit des Berufsvergehens (vgl. „VG Münster“, gemeint ist wohl das Berufsgericht beim VG Münster, Urt. v. 4.2.2015, 17 K 840/11.T, juris Rn. 20, zum Thema Verjährung; Landesberufsgericht für Heilberufe Münster, Beschl. v. 10.2.2014, 13 E 494/12.T, juris Rn. 23; Urt. v. 7.11.2007, 6t A 3788/05.T, juris Rn. 57; Landesberufsgericht für die Heilberufe München, Urt. v. 20.11.2000, LBG-Ä 10/00, juris Rn. 27; Landesberufsgericht für die Heilberufe Koblenz, Urt. v. 12.5.1993, LBGH A 10094/93, juris Rn. 32, zur Verjährung).

191

Der Hamburgische Berufsgerichtshof für die Heilberufe hat bereits bisher angenommen, dass im berufsgerichtlichen Verfahren der Grundsatz der Einheit des Berufsvergehens gilt, und dabei die Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Disziplinarrecht für die Prüfung des inneren und äußeren Zusammenhangs der einzelnen Pflichtverletzungen übernommen (vgl. Hmb. Berufsgerichtshof für die Heilberufe, Urt. v. 3.1.2006, 6 Bf 82/05, UA S. 7 f., n. v.). Daran hält er fest. Die Verweisung in § 13 HeilBG auf das Disziplinarrecht, „soweit nicht die Eigenart des berufsgerichtlichen Verfahrens entgegensteht“, spricht dafür, auch von einem Grundsatz der Einheit des Berufsvergehens auszugehen. Das HeilBG enthält keine Bestimmung, die dem entgegenstünde. Es handelt sich insoweit nicht um eine Frage, die vom HeilBG gegenüber dem HmbDG spezieller geregelt würde, wie der Berufsgerichtshof dies etwa in seinem Urteil vom 18. Juni 2014 (6 Bf 292/13.HBG, juris Rn. 27) unter Bezugnahme auf § 26 Abs. 3 HeilBG hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit einer auf die Maßnahmenbemessung beschränkten Berufung angenommen hat.

192

bb) Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Bestimmung über die Verfolgungsverjährung in § 4 HeilBG. Sie enthält zwar eine relativ großzügige Verjährungsregelung, die in Absatz 3 eine vergleichsweise geringe Einschränkung durch die dortige (auf „insgesamt längstens fünf Jahre“ begrenzte) Ruhensregelung erfährt. Das spricht aber nicht dagegen, vom Grundsatz der Einheit des Berufsvergehens und einer darin liegenden „Einbettung des Verjährungsgedankens“ auszugehen, wie das Bundesverwaltungsgericht dies für den Bereich des Beamten-Disziplinarrechts annimmt (s. o.). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass auch die Disziplinargesetze schon immer Regelungen über Verfolgungsverbote wegen Zeitablaufs enthalten haben (vgl. nunmehr die ausgesprochen differenzierte Bestimmung des § 15 BDG), die für sich genommen (ohne Kenntnis von der Rechtsfigur der Einheit des Dienstvergehens) den Eindruck vermitteln, als ob ein Beamter in den dort geregelten Fällen nach einem bestimmten Zeitablauf seit der „Tatbegehung“ vor Verfolgung absolut sicher wäre, während dies in der Rechtswirklichkeit wegen des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens und der diesbezüglichen „Einbettung“ der Verjährung nur begrenzt der Fall ist. Auch der Wortlaut von § 4 Abs. 2 HeilBG steht insoweit nicht entgegen. Als „Tag, an dem die Verfehlung begangen worden ist“, ist nach den Maßstäben der Einheitlichkeit des Dienst- bzw. des Berufsvergehens der Tag zu verstehen, an dem der Betreffende die letzte der insgesamt zu berücksichtigenden Verfehlungen begangen hat. Dies hat zur Folge, dass (im Rahmen der Einheitlichkeit des Berufsvergehens) mit jeder neuen Verfehlung eine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt, die an die Stelle der durch frühere Verfehlungen ausgelösten Verjährungsfrist tritt und diese früheren Verfehlungen mit umfasst.

193

c) Der Fall SE steht im inneren Zusammenhang mit den Fällen G. und S. . In all diesen Fällen hat sich dieselbe oder eine zumindest vergleichbare Persönlichkeitsschwäche und Pflichtvergessenheit des Beschuldigten in ähnlicher Weise ausgewirkt.

194

Im Fall SE hat der Beschuldigte das Wohl des Patienten beeinträchtigt, indem er diesem ärztlich gar nicht indizierte Medikamente mit hohem Abhängigkeitspotenzial in hohen Dosen (Codein) bzw. möglicherweise indizierte Medikamente (Adumbran forte), diese aber in viel zu hohen Dosen verordnet und er zudem durch die Art und Weise der Verordnung deren missbräuchlicher Anwendung durch den Patienten Vorschub geleistet hat; zudem hat er die Verordnungen nicht vollständig dokumentiert.

195

Im Fall G. hat der Beschuldigte das Wohl des Patienten beeinträchtigt, indem er ihm ein dem Grunde nach indiziertes Substitutions-Medikament (Suboxone/Subutex) ohne nachvollziehbare Gründe in extrem hohen Dosen verschrieben und zugleich weitere Medikamente mit Abhängigkeitspotential (Opiate) verordnet hat, die gerade den Substitutionsbedarf ausgelöst hatten.

196

Im Fall S. hat der Beschuldigte dem Patienten ein Medikament von zweifelhafter Indikation (Diazepam zur Behandlung von Schlafstörungen) mit hohem Abhängigkeitspotenzial in viel zu großer Menge, in zu großen Packungsgrößen (N3) und für einen viel zu langen Zeitraum verordnet; damit hat er das Wohl des Patienten beeinträchtigt und der missbräuchlichen Anwendung der Verschreibungen durch den Patienten Vorschub geleistet. Zudem hat er (auch) in diesem Fall keine vollständige bzw. uneingeschränkt zutreffende Dokumentation vorgelegt.

197

Damit hat sich in allen drei Fällen die Neigung des Beschuldigten ausgewirkt, das Wohl des Patienten zu beeinträchtigen, indem er nicht indizierte Medikamente bzw. Medikamente mit vielleicht oder zweifelhaft gegebener Indikation in viel zu hoher Dosis verordnete und damit eine Medikamentenabhängigkeit der Patienten unterhielt, förderte oder sogar verursachte. Dies genügt nach den vom Bundesverwaltungsgericht im Disziplinarrecht geformten Maßstäben ohne weiteres für die Annahme eines inneren Zusammenhangs zwischen diesen Fällen.

198

Die insoweit von dem Beschuldigten vorgetragenen Argumente greifen nicht durch. Sie verhalten sich gar nicht zum Fall S. , der mindestens ebenso große Ähnlichkeiten mit dem Fall SE aufweist wie der Fall G. und der bereits für sich genommen zur Aufnahme des Falls SE in das einheitliche Berufsvergehen genügt. Aber auch die in diesem Zusammenhang vorgetragenen Argumente zum Fall G. im Vergleich zum Fall SE sind unzutreffend. Für die Annahme des inneren Zusammenhanges ist es unerheblich, dass diese beiden Patienten sehr unterschiedliche Lebensläufe aufwiesen, ihre jeweiligen Abhängigkeiten unterschiedliche Ursachen hatten, sie nicht unter genau denselben Abhängigkeiten litten und dementsprechend auch nicht dieselben Behandlungen und Medikationen indiziert waren. Es genügt in diesem Zusammenhang, wie oben ausgeführt, dass der Beschuldigte bei diesen Patienten durch massiv überhöhte Dosierungen von Medikamenten mit Abhängigkeitspotential die jeweiligen Abhängigkeiten der Patienten gefördert bzw. verursacht hat.

199

d) Folglich ist mit dem Ende der Behandlung des Patienten S. (19.4.2012) auch eine neue fünfjährige Verjährungsfrist angelaufen (§ 4 Abs. 1 und 2 HeilBG), die das gesamte einheitliche Berufsvergehen einbezieht.

200

Diese Frist ist wiederum gemäß § 4 Abs. 3 HeilBG (für längstens 5 Jahre) zum Ruhen gelangt durch die Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens am 18. November 2013. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 4 Abs. 3 HeilBG bereits die Verjährung der Verfolgung im Fall SE durch die Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen im März 2004 und die Beantragung des Strafbefehls im Dezember 2008 zum Ruhen gelangt war, und in dieser Bestimmung von einem „insgesamt längstens fünf Jahre“ dauernden Ruhen der Verjährung die Rede ist: Dies hat nicht etwa dazu geführt, dass das Ruhen „verbraucht“ wäre und dass die Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens kein erneutes Ruhen der Verjährung mehr hätte bewirken können. Wird mit jeder neuen Verfehlung eine neue, das gesamte einheitliche Berufsvergehen betreffende Verjährungsfrist ausgelöst, so muss auch die Ruhensbestimmung des § 4 Abs. 3 HeilBG jeweils neu zur Anwendung gelangen. Es wäre inkonsequent, im Hinblick auf eine neu ausgelöste Verjährungsfrist kein Ruhen durch – neue – Verfahrensakte im Sinne des § 4 Abs. 3 HeilBG mehr zulassen zu wollen, weil eine durch eine frühere Verfehlung ausgelöste (nunmehr überholte) Verjährungsfrist bereits durch einen (anderen) Verfahrensakt im Sinne des § 4 Abs. 3 HeilBG geruht hatte. Vielmehr kann sich das Ruhen einer Verjährung immer nur auf eine durch eine bestimmte Verfehlung ausgelöste Verjährungsfrist beziehen. Ist eine früher ausgelöste Verjährungsfrist durch eine neue Verfehlung mit neuer Verjährungsfrist überholt, so haben bezüglich der alten Verjährungsfrist eingetretene Ruhensphasen ebenso ihre Bedeutung verloren wie diese Verjährungsfrist selbst. Dem entspricht es, dass die durch den neuen Akt des einheitlichen Dienst-/Berufsvergehens ausgelöste Verjährungsfrist sogar solche früheren Akte mit umfasst, die für sich genommen bereits verjährt gewesen waren.

201

IV. Der Verfolgbarkeit des vorliegenden einheitlichen Berufsvergehens steht nicht das aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Gebot einer Entscheidung innerhalb angemessener Frist entgegen. Zwar ist diese Bestimmung - entgegen der Auffassung des Berufsgerichts - auch im berufsgerichtlichen Verfahren anzuwenden (1.). Die seit den vom Beschuldigten im Fall SE begangenen Verfehlungen bis zum Erlass des vorliegenden Urteils verstrichene Zeit und die Verfahrensführung durch die Beteiligte zu 1. bzw. durch das Berufsgericht und den Berufsgerichtshof führen jedoch nicht zu einer Verletzung des aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Gebots der Entscheidung innerhalb angemessener Frist (2.).

202

1. Es handelt sich bei einem berufsgerichtlichen Verfahren um eine „Streitigkeit in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK.

203

a) Der Anwendungsbereich dieser Tatbestandsvariante ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), welcher der Berufsgerichtshof insoweit folgt, sehr weit zu fassen. So fallen nach dessen neuerer Rechtsprechung seit seinem Urteil vom 19. April 2007 (vgl. EGMR, Urt. v. 19.4.2007, 63235/00, Eskelinen gegen Finnland, NJOZ 2008, 1188, Rn. 62 f.) auch beamtenrechtliche Streitigkeiten darunter, und zwar unabhängig davon, ob der Beamte funktionell im Kernbereich hoheitlichen Handelns tätig oder seine Funktion mit der eines Angestellten vergleichbar ist. Dies gilt (in Anlehnung an arbeitsrechtliche Streitigkeiten, bei denen die Einordnung als „zivilrechtlich“ ohnehin unzweifelhaft ist) namentlich für Streitigkeiten über Gehalt, Zulagen oder ähnliche Rechte; bei anderen Streitigkeiten spricht eine Vermutung für die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 EMRK. Diese Vermutung kann der betreffende Staat nur widerlegen, in dem er darlegt, dass die betreffende Streitigkeit für den Angehörigen des öffentlichen Dienstes nach dem innerstaatlichen Recht nicht justiziabel ist und es für den Ausschluss der Verfahrensgarantien aus Art. 6 EMRK ausnahmsweise tragfähige Gründe gibt, weil sich der Gegenstand des Streits auf die Ausübung von staatlicher Gewalt bezieht oder das Vertrauensverhältnis gefährdet (EGMR. Urt. v. 19.4.2007, a. a. O.). In dem betreffenden Urteil hat der EGMR diese Kriterien auf die folgende (schlichte) Weise angewendet: „Im vorliegenden Fall hatten die Bf. unstreitig nach finnischem Recht Zugang zu einem Gericht. Also ist Art. 6 Abs. 1 EMRK anwendbar.“ (a. a. O., Rn. 63). Damit hat der EGMR von seiner früheren, im Bereich der beamtenrechtlichen Streitigkeiten restriktiveren Rechtsprechung (vgl. etwa EGMR, Entscheidung vom 9.2.2006, ZBR 2007, 409, 410; Urt. v. 8.12.1999, 28541/95, Pellegrin gegen Frankreich, NVwZ 2000, 661) Abstand genommen.

204

Daran anknüpfend hat der EGMR den Anwendungsbereich der „zivilrechtlichen“ Streitigkeiten im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK auf beamtenrechtliche Disziplinarverfahren ausgedehnt (vgl. EGMR, Urt. v. 16.7.2009, 8453/04, NVwZ 2010, 1015, juris Rn. 37 ff.). Er hat auch insoweit (in dem Fall einer auf die Entfernung aus dem Dienst gerichteten, vom hessischen Dienstherrn erhobenen Disziplinarklage) entscheidend darauf abgestellt, dass das innerstaatliche (hier: deutsche) Recht dem Beschwerdeführer das Recht gibt, „die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vor zwei verwaltungsgerichtlichen Instanzen anzufechten“, und dann gefolgert: „Daraus folgt, dass Artikel 6 in seiner zivilrechtlichen Bedeutung für das folgende Verfahren anwendbar ist“. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist wiederum das Bundesverfassungsgericht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen getretenen, das bis dahin davon abgesehen hatte, Art. 6 Abs. 1 EMRK auf das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren anzuwenden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.10.2011, 2 BvR 754/10, juris Rn. 17).

205

Der EGMR hatte im Übrigen den Bereich der „zivilrechtlichen Streitigkeiten“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK schon in früheren Zeiten auf verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten von Ärzten gegen Gesundheitsbehörden wegen Widerrufs der Approbation erweitert (vgl. EGMR, Urt. v. 28.6.1978, EuGRZ 1978, 406, 416, Rn. 93 ff., König gegen Deutschland). Zur Begründung hatte er ausgeführt, der Beruf des Arztes sei in Deutschland ein freier Beruf, auch ein Kassenarzt sei kein Angehöriger des öffentlichen Dienstes. Die Verantwortung, die der Arzt gegenüber der Allgemeinheit habe, ändere nichts am privaten Charakter seiner Tätigkeit. Der Umstand, dass der Widerruf der ärztlichen Approbation ein Verwaltungsakt sei und von deutschen Behörden in Ausübung hoheitlicher Gewalt verfügt werde, sei demgegenüber von geringer Bedeutung. Da somit die von dem Approbationswiderruf berührten Rechte privatrechtlicher Natur seien, betreffe das dagegen gerichtete verwaltungsgerichtliche Verfahren „zivilrechtliche Ansprüche“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK.

206

b) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EGMR hat der Berufsgerichtshof keine Zweifel an der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK auf berufsgerichtliche Verfahren wie das Vorliegende in dem Sinne, dass dieses „zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“ betrifft (vgl. auch: Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 17). Es geht hier um die Ausübung des Arztberufs, der als solcher privatrechtlicher Natur ist (vgl. EGMR, Urt. v. 28.6.1978, a. a. O., Rn. 93). Diese Ausübung eines privaten Rechts durch den Beschuldigten soll durch berufsgerichtliche Sanktionen (Bußgeld und Feststellung der Berufsunwürdigkeit) „erzieherisch“ beeinflusst werden, und das Verfahren soll mittelbar den Weg für den Widerruf der Approbation bereiten. Die Feststellung der Berufsunwürdigkeit hätte zudem den Verlust des aktiven und passiven Berufswahlrechts des Beschuldigten für mindestens fünf Jahre zur Folge (§ 3 Abs. 5 HeilBG). Das sind Sanktionen, die ohne Weiteres mit solchen im Beamtendisziplinarrecht vergleichbar sind, dessen Verfahren nach der neueren Rechtsprechung des EGMR ebenfalls den Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK unterfallen. Im Übrigen dürfte es nach der oben dargestellten neueren Rechtsprechung des EGMR bereits maßgeblich sein, dass das hamburgische (also staatliche) Recht für die Entscheidung über heilberufsgerichtliche Sanktionen ein förmliches, bei staatlichen, organisatorisch den Verwaltungsgerichten angegliederten Gerichten durchzuführendes Gerichtsverfahren vorsieht, das sich an den Regelungen des HmbDG und der VwGO orientiert. Damit sichert die staatliche Rechtsordnung das Recht des betroffenen Arztes auf ein Gericht zu; „daraus folgt, dass Artikel 6 in seiner zivilrechtlichen Bedeutung für das folgende Verfahren anwendbar ist“ (vgl. EGMR, Urt. v. 16.7.2009, a. a. O., Rn. 39).

207

2. Das vorliegende berufsgerichtliche Verfahren leidet aber nicht unter einer unangemessen langen Dauer im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK.

208

a) Das eigentliche Verfahren hat begonnen mit der Einreichung der Anschuldigungsschrift beim Berufsgericht am 18. November 2013 (§ 17 HeilBG).

209

Das unter dem Blickwinkel des Art. 6 Abs. 1 EMRK mit einzubeziehende Vorverfahren (§ 16 HeilBG) hatte die folgenden zeitlichen Abläufe: Im Fall SE erfuhr die Beteiligte zu 1. im November 2008 von dem seitens der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl und im März 2012 von der endgültigen Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153 a StPO. Daraufhin forderte sie bei der Staatsanwaltschaft mehrfach die Akten an, die sie schließlich im September 2012 erhielt. Am 15. Oktober 2012 beschloss der Kammervorstand die Einleitung berufsgerichtlicher Vorermittlungen. Von dem Fall G. erfuhr die Beteiligte zu 1. durch das Hinweisschreiben des Amtsgerichts P. vom 26. August 2011, dem die Gutachten von Dr. BR. vom 7. April 2011 und von M. vom 24. August 2011 beigefügt waren. Am 12. Dezember 2011 beschloss der Vorstand (nachdem der Beschuldigte auf mehrere Aufforderungen zur Stellungnahme nicht reagiert hatte) die Einleitung berufsgerichtlicher Vorermittlungen. Von dem Fall S. erfuhr die Beteiligte zu 1. durch den Eingang der anonymen Beschwerde am 14. Mai 2012. Sie forderte umgehend bei dem Beschuldigten die Patientendokumentation an. Nach deren Erhalt und weiterem Schriftwechsel mit dem Beschuldigten beschloss der Vorstand am 20. August 2012 die Einleitung berufsgerichtlicher Vorermittlungen. Mit Schreiben vom 15. Januar 2013 teilte die Beteiligte zu 1. dem Beschuldigten die Einleitung der Vorermittlungen mit und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme, die dessen damaliger Bevollmächtigter nach mehrfacher Fristverlängerung mit Schreiben vom 17. Mai 2013 und 12. September 2013 wahrnahm. Am 19. August 2013 beschloss der Vorstand, die Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens in den vier Fällen zu beantragen.

210

Insbesondere angesichts der Komplexität der Fälle hat die Beteiligte zu 1. das Verfahren relativ zügig betrieben; dort ist keine zögerliche Bearbeitung erkennbar. Der Zeitraum von der Einleitung berufsgerichtlicher Vorermittlungen im Fall G. (insoweit erging der erste aller Vorstandsbeschlüsse am 12.12.2011) bis zur Berufungsverhandlung im April 2017 beträgt gut fünf Jahre. Auch dies erreicht längst nicht die Dimension anderer Fälle, in denen der EGMR - unter zusätzlicher Berücksichtigung längerer Phasen behördlicher Untätigkeit – eine unangemessene Verfahrensdauer angenommen hat (zu einem beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren vgl. EGMR, Urt. v. 16.7.2009, 8453/04, a. a. O., Rn. 49 ff.: insgesamt gut dreizehn Jahre bis zur Berufungsentscheidung, bei mehrjähriger nicht nachvollziehbarer Untätigkeit der disziplinarrechtlichen Ermittlungsbehörde). Im Fall G. ist zudem zu berücksichtigen, dass die Beteiligte zu 1. zunächst wegen der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Beschuldigten bis zur Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft im September 2012 die Ermittlungen nicht fortführen durfte (§ 16 Abs. 3 HeilBG).

211

Auch die Dauer des Verfahrens vor dem Berufsgericht und dem Berufsgerichtshof ist noch nicht unangemessen lang (knapp dreieinhalb Jahre für zwei Tatsacheninstanzen in einem sehr komplexen Fall).

212

b) Die Dauer des strafrechtlichen Ermittlungs- bzw. des strafgerichtlichen Verfahrens gegen den Beschuldigten im Fall SE (März 2004 bis März 2012), dessen Erkenntnisse erst die später im Oktober 2012 erfolgte Einleitung berufsgerichtlicher Vorermittlungen durch die Beteiligte zu 1. veranlasst haben, ist dem vorliegenden berufsgerichtlichen Verfahren nicht als eigene Verfahrensdauer zuzurechnen. Es handelt sich dabei um zwei selbständige Verfahren mit grundlegend unterschiedlichen Verfahrenszielen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.12.2007, 1 BvR 2536/07, juris Rn. 12 f.). Dem entspricht es, dass der EGMR auch die Dauer der Aussetzung eines Disziplinarverfahrens wegen eines sich auf denselben Sachverhalt beziehenden Strafverfahrens als angemessenen Teil des disziplinarrechtlichen Verfahrensverlaufs bewertet hat (vgl. EGMR, Urt. v. 16.7.2009, a. a. O., Rn. 53: dort wird die jahrelange Untätigkeit der Behörde nach Abschluss des Strafverfahrens beanstandet). Der Beteiligten zu 1. ist auch nicht etwa vorzuhalten, dass sie im Fall SE frühzeitiger selbst hätte ermitteln sollen. Als sie im November 2008 von dem Fall durch den von der Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht … gegen den Beschuldigten beantragten Strafbefehl erfuhr, war sie gemäß § 16 Abs. 3 HeilBG an der Einleitung eigener Vorermittlungen gehindert; dieser Zustand dauerte an bis zur Einstellung des Strafverfahrens Anfang März 2012.

213

V. Der Berufsgerichtshof verhängt gegen den Beschuldigten die Maßnahmen der (höchstmöglichen) Geldbuße, des Verweises und der Entziehung des aktiven und passiven Berufswahlrechts für die Dauer von fünf Jahren ab Verkündung des vorliegenden Urteils; er gelangt jedoch nicht dazu, die Berufsunwürdigkeit des Beschuldigten festzustellen.

214

1. Die bei der Verhängung der Maßnahmen anzulegenden Maßstäbe ergeben sich nicht unmittelbar aus dem HeilBG, das insoweit keine Regelungen enthält. Der Berufsgerichtshof zieht daher gemäß § 13 Satz 2 HeilBG ergänzend den Katalog in § 11 Abs. 1 HmbDG bzw. einzelne dort genannte Kriterien heran. Als Kriterium übertragbar ist etwa das Maß der Pflichtwidrigkeit und der Grad des Verschuldens (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 HmbDG). Das Kriterium in der dortigen Nr. 2 (das Ausmaß des Vertrauensschadens und des außerdienstlichen Ansehensverlustes) lässt sich dahin entsprechend anwenden, dass auch auf das Ausmaß der Beeinträchtigung des gesundheitlichen Wohls der Patienten bzw. auf das Ausmaß gesundheitlicher Schäden (im Extremfall bis zur Todesfolge) bzw. auf das Ausmaß anderer Schäden abzustellen ist.

215

Für die Prüfung der Feststellung der Berufsunwürdigkeit zieht der Berufsgerichtshof, wie noch näher auszuführen sein wird, die von der Rechtsprechung zum Widerruf der Approbation wegen berufsunwürdigen Verhaltens (§ 5 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO) entwickelten Maßstäbe heran.

216

2. Zur Einstufung der drei Fälle je nach dem Maß der Pflichtwidrigkeit, dem Grad des Verschuldens und dem Ausmaß des gesundheitlichen Schadens bei den Patienten bzw. anderer Schäden, ist folgendes festzuhalten:

217

a) Das Berufsvergehen des Beschuldigten im Fall SE ist in all den genannten Hinsichten als schwerwiegend einzuschätzen. Sowohl die Pflichtwidrigkeiten als solche (vor allem die Verstöße gegen § 2 Abs. 2 und 3 sowie gegen § 34 Abs. 4 BO 2000) als auch der Grad des Verschuldens sind erheblich; auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Die Aufrechterhaltung bzw. Förderung bzw. (beim Codein) sogar Verursachung der Abhängigkeiten des Patienten von den Wirkstoffen Oxazepam, Codein und Chloraldurat, ohne dass es „dadurch“ gelungen wäre, die Alkoholkrankheit des Patienten in den Griff zu bekommen, hat das gesundheitliche Wohl des Patienten stark beeinträchtigt, wie sich nicht zuletzt aus seinen wiederholten Klinikaufenthalten, die einige Male wegen Missbrauchs der genannten Wirkstoffe veranlasst waren, ergibt. Auch zum Zeitpunkt seines Todes Ende 2003 / Anfang 2004, in dem seine BAK 1,9 ‰ betrug, fand sich laut dem Ergebnis der chemisch-toxikologischen Untersuchung im Venenblut, im Kleinhirngewebe und in den Haaren Codein.

218

b) Das Berufsvergehen des Beschuldigten im Fall G. ist als weniger schwerwiegend einzustufen.

219

Das Maß der Pflichtwidrigkeit (Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst bei der Medikation, begrenztes Vorschubleisten für eine missbräuchliche Anwendung der Verschreibungen) ist zwar nicht geringfügig, aber längst nicht so gravierend wie im Fall SE. Die nicht nachvollziehbare Steigerung der Dosis beim Substitutionswirkstoff Buprenorphin ist kritikwürdig, erscheint angesichts der besonderen Schwierigkeiten dieses Falles (Doppelabhängigkeit des Patienten von Benzodiazepin und Opiaten, bei gleichzeitiger schwerer psychischer Erkrankung) aber als nicht schon vom Ansatz her kontraproduktiv, wobei laut dem Gutachten der Rechtsmedizin vom 23. Juli 2012 (S. 6) Dosierungen bis zu 16 mg pro Tag „typisch“ sind, bei einem Maximum von 24 mg pro Tag. Die ebenfalls kritikwürdige Verschreibung von Opiaten (u. a. Tramadol, dessen Abhängigkeit des Patienten gerade den Substitutionsbedarf ausgelöst hatte) ist in dem hier zu beurteilenden etwa dreijährigen Zeitraum quantitativ nicht allzu sehr ins Gewicht gefallen. So gab es fünf Verordnungen von Tramadol 150 mg (1 x 20 St., 4 x 50 St., empfohlene Dosis max. 2 St. täglich) im Zeitraum 9. Januar bis 7. Juli 2009, fünf Verordnungen von Talvolsilen forte (je 100 St., maximale Tagesdosis 4 Zäpfchen) in der Zeit vom 23. November 2009 und dem 4. April 2011 sowie eine Verordnung für Oxycodon 10 mg am 8. Juni 2010 (50 St., Anfangsdosis für nicht-opoid gewöhnte Patienten: 1 Tablette für ca. 12 Stunden). Die ebenfalls kritikwürdige Verschreibung von Stimulansmitteln (sieben Mal Vigil im Zeitraum vom 11.7.2011 bis 16.1.2012), die wohl die sedierende Wirkung der überhöhten Buprenorphin-Dosis kompensieren sollte, betrifft ebenfalls nur einen begrenzten Abschnitt des hier zu beurteilenden Zeitraums; es hat den Anwendungshinweisen nach (vgl. etwa http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Modafinil) kein spezifisches Abhängigkeits-potenzial.

220

Der Grad des Verschuldens ist, wie bereits ausgeführt, in diesem Fall vermindert durch die außergewöhnliche Schwierigkeit der Behandlung dieses Patienten (vgl. das Gutachten der Rechtsmedizin vom 23.7.2012, S. 7: „sehr schwierige Ausgangssituation“).

221

Der ggf. bei dem Patienten angerichtete Schaden ist schwer zu bestimmen. Für eine nachhaltige Verschlechterung seines Gesundheitszustands durch die kritikwürdigen Verschreibungen ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte. Es scheint über das Jahr 2013 hinaus keine Buprenorphin-Abhängigkeit auf dem hohen Niveau von 24 mg pro Tag entstanden zu sein: Der Beschuldigte trägt (insoweit ohne Widerspruch seitens der Beteiligten zu 1.) vor, er habe die Dosis in der Zeit von Mai 2013 bis April 2014 von 24 mg auf 16 mg täglich reduziert (Berufungsbegründung vom 8.6.2015, S. 18, und Stellungnahme Dr. U. vom 1.6.2015, S. 2 oben). Laut dem im Rahmen der Vorermittlungen vom Beschuldigten bei der Beteiligte zu 1. eingereichten Medikamentenplan vom 18. Juli 2013 (…….) betrug die täglich Subutex-Dosis zu jenem Zeitpunkt 18 mg (morgens 2 mg, mittags und abends je 8 mg).

222

c) Das vom Beschuldigten im Fall S. begangene Berufsvergehen wiegt ebenfalls nicht so schwer wie im Fall SE , aber doch schwerer als im Fall G. .

223

Das Maß der Pflichtwidrigkeit ist gekennzeichnet durch den Verstoß gegen drei Berufspflichten (s. o.), wobei der Beschuldigte anders als im Fall G. auch den Tatbestand des „Vorschubleistens“ (§ 34 Abs. 4 BO 2000) verwirklicht hat. Die verglichen mit den Empfehlungen in den Anwendungshinweisen deutlich überhöhte Dauer der Anwendung bei zugleich ebenfalls deutlich überhöhter Menge des Wirkstoffs begründet insbesondere angesichts dessen schon nach relativ kurzer Anwendungsdauer bestehenden Abhängigkeitspotenzials ein erhöhtes Maß an Pflichtwidrigkeit. Außerdem hat er mit den sog. „Honoraren“ für die Rezeptausstellung offenbar Schwarzgelder kassiert und damit sein wirtschaftliches Interesse über das Wohl des Patienten gestellt (sowie zusätzlich gegen § 34 Abs. 1 BO 2000 verstoßen).

224

Der Grad des Verschuldens ist nicht gering. Anders als der Fall G. war dieser Fall nicht durch besondere Schwierigkeiten gekennzeichnet. Es handelte sich um einen, laut Angaben des Beschuldigten (Berufungsbegründung, S. 19 unten), bereits bei den ersten Kontakten benzodiazepinabhängigen Patienten, der offenbar diesen Wirkstoff bei seinem eigentlich therapierenden Arzt in B. nicht (mehr?) erhielt, und dessen Behandlung er mit seinen Diazepam-Verordnungen (unter Annahme der o. g. Schwarzgelder) konterkariert hat (vgl. den Schriftsatz vom 15.9.2015, S. 9). Die regelmäßige Versendung der Rezepte auf bloße telefonische Anforderung des Patienten bei insgesamt gerade einmal drei persönlichen Untersuchungen in einem Zeitraum von mindestens 15 Monaten in einer insgesamt deutlich überhöhten Menge war sehr leichtfertig und damit unverantwortlich.

225

Das Behandlungsverhalten des Beschuldigten dürfte den Patienten gesundheitlich geschädigt haben. Unterstellt man zugunsten des Beschuldigten, dass er die Abhängigkeit des Patienten nicht erzeugt, sondern „nur“ unterhalten oder gefördert hat, so hat er gleichwohl dessen Abhängigkeit verfestigt durch die Verschreibung des Mittels in deutlich überhöhter Menge in einem massiv überlangen Zeitraum, womit er zugleich dem Versuch des Kollegen in Bremen entgegengewirkt haben dürfte, die Schlafstörungen des Patienten ohne Diazepam zu behandeln. Damit hat er die Aussichten verringert, den Patienten von seiner Diazepamabhängigkeit zu heilen.

226

3. Der Berufsgerichtshof hält die Verhängung der einleitend (unter „V.“) genannten Maßnahmen für tat- und schuldangemessen.

227

a) Eine empfindliche Geldbuße ist angebracht.

228

aa) Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 HeilBG kann die Geldbuße bis zu 25.500,- Euro betragen. Für die Festsetzung der konkreten Höhe bietet das HeilBG keinen Maßstab, der somit durch eine etwas weiter greifende Auslegung zu ermitteln ist. Insoweit nimmt der Berufsgerichtshof Bezug auf sein bereits erwähntes Urteil vom 18. Juni 2014 (a. a. O., Rn. 31 f.), in dem Folgendes ausgeführt ist:

229

„Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 HeilBG kann eine Geldbuße bis zum Betrag von 25.500 Euro verhängt werden, ohne dass das HeilBG weitere Anhaltspunkte für die mit der Berufung vom Beschuldigten aufgeworfene Frage enthält, ob und in welcher Weise die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten neben der Schwere des Berufsvergehens bei der Bemessung der Höhe der Buße zu berücksichtigen sind. § 3 Abs. 4 HeilBG entspricht insoweit in seiner Struktur - eines bloßen Strafrahmens ohne weitere Konkretisierung zur Bedeutung der Verfehlung, der Schuld und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit - weiterhin im Prinzip der Regelung des § 27 Abs. 2 Nr. 1 StGB zur Geldstrafe in der bis Ende 1974 geltenden Fassung. Diese Vorschrift sah bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls keine Differenzierung zwischen der Schwere der Tat und der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Über die notwendige Berücksichtigung beider Elemente bei der Festlegung der Höhe einer Geldstrafe bestand jedoch auch für diese Fassung der Vorschrift Einigkeit (vgl. z.B. Schönke/Schröder, StGB, Kommentar, 15. Aufl. 1970, § 13 Rn. 54, § 27 b Rn. 6; Horn, Das Geldstrafensystem des neuen Allgemeinen Teils des StGB und die Ratenzahlungsbewilligung, NJW 1974, S. 625 ff.). Die seit 1975 im Strafrecht geltende ausdrückliche Differenzierung zwischen der Berücksichtigung der Schwere einer Tat in der Anzahl der Tagessätze und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten bei der Bemessung ihrer Höhe, hat dieses Zusammenspiel nur deutlicher gemacht (vgl. Horn, a. a. O., S. 625 f.).

230

Auch die Höhe der möglichen Geldbuße nach § 3 Abs. 4 HeilBG entsprach im Jahre 1965 bei der Schaffung des HeilBG mit damals 10.000 DM (vgl. Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Nr. 81 v. 18.5.1965, S. 11), jener der im Regelfall höchstzulässigen Geldstrafe nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 StGB a. F.. Durch das Änderungsgesetz zur Änderung des Gesetzes über die Berufsgerichtsbarkeit der Heilberufe vom 1. Dezember 1987 (HmbGVBl. S. 210) wurde dieser Betrag 1987 auf 50.000 DM erhöht und im Rahmen der Euro-Einführung wertgleich auf 25.500 Euro umgestellt (Gesetz v. 18.7.2001, HmbGVBl. S. 251, 255). Mit dieser Regelung zur Höhe der Geldbuße bleibt die zulässige Buße inzwischen deutlich hinter den vergleichbaren Heilberufsgerichtsgesetzen in den meisten anderen Bundesländern, insbesondere aber auch hinter der zulässigen Höhe einer Geldstrafe im Strafrecht deutlich zurück. Allerdings wäre es verfehlt, eine Geldbuße nach dem HeilBG mit der Verhängung einer Geldstrafe nach dem Strafgesetzbuch gleichzusetzen. Die Geldbuße wegen eines Verstoßes gegen die Berufspflichten hat disziplinarischen Charakter. Gleichzeitig nimmt § 3 HeilBG allerdings seit jeher nicht die gesetzgeberische Wertung zu den Vorschriften über die Verhängung einer Geldbuße nach den Regelungen des hamburgischen Disziplinarrechts auf. Nach § 5 HmbDG darf die Höhe einer Geldbuße einen Monatsbetrag der Dienstbezüge des jeweiligen Beamten nicht übersteigen. Vor dem Hintergrund der Regelungsgeschichte des § 3 HeilBG ist deshalb trotz des Verweises in § 13 HeilBG davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des Heilberufsgesetzes die Höhe der Geldbuße nicht auf dem Betrag der durchschnittlichen Monatseinkünfte eines Beschuldigten beschränkt hat. Gänzlich außer Acht darf dies jedoch nicht bleiben. Denn sowohl das Disziplinarrecht wie das Strafrecht gehen davon aus, dass die wirtschaftlichen Umstände des Strafbetroffenen (bereits) bei der Bemessung der Höhe der Leistungspflicht Berücksichtigung finden müssen. Im Disziplinarrecht kommt dies sowohl in der Anknüpfung an die jeweilige konkrete Besoldungshöhe (§ 5 Satz 1 HmbDG) als auch ausdrücklich in § 3 Abs. 5 Satz 2 HmbDG zum Ausdruck. Die Höchstgrenze der Geldbuße in § 3 Abs. 4 Satz 1 HeilBG ist deshalb sowohl in Bezug zu setzen zur möglichen Schwere zu ahndender Berufsvergehen als auch zu dem Umstand, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten in einer Weise zu berücksichtigen sind, die wirtschaftlich durchschnittlich bis gut gestellte Berufsangehörige bei einer Verfehlung wegen der Höhenbegrenzung der Geldbuße nicht typischerweise bevorteilt.“

231

bb) Vor diesem Hintergrund gelangt der Berufsgerichtshof zu der Einschätzung, dass dem Beschuldigten die gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 HeilBG höchstmögliche Geldbuße von 25.500,- Euro aufzuerlegen ist.

232

Das aus den drei Fällen bestehende einheitliche Berufsvergehen enthält schwerwiegende und weniger schwerwiegende Verfehlungen. Die von dem Beschuldigten begangenen Verfehlungen im Fall SE sind, wie bereits ausgeführt, besonders schwerwiegend, und würden (die Verjährungsfrage ausgeblendet) bereits für sich genommen eine hohe Geldbuße rechtfertigen. Die Verfehlungen im Fall G. sind zwar nicht marginal, aber deutlich weniger gravierend als im Fall SE ; sie würden für sich betrachtet eine Geldbuße im unteren Bereich veranlassen. Die Verfehlungen im Fall S. sind, wie oben ausgeführt, zwar ebenfalls nicht mit denjenigen im Fall SE vergleichbar, aber doch gravierender als im Fall G. ; sie würden für sich betrachtet eine Geldbuße im mittleren Bereich rechtfertigen.

233

Bei der Zuordnung der Verfehlungen zu konkreten Geldbeträgen orientiert sich der Berufsgerichtshof im Fall SE an dem (später durch den Einspruch des Beschuldigten und die Einstellung des Strafverfahrens gegenstandslos gewordenen) Strafbefehl des Amtsgerichts .. vom 29. Mai 2009 in Höhe von 70 Tagessätzen. Tat- und schuldangemessen wären nach dem Dafürhalten des Berufsgerichtshofs im Fall G. jedenfalls 25 Tagessätze und im Fall S. jedenfalls 45 Tagessätze. Aus dem kumulierten Wert (140 Tagessätze) würde der Berufsgerichtshof (in gedanklicher Anlehnung an die Regeln bei der Gesamtstrafenbildung im Strafrecht, vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 StGB) eine einheitliche Geldbuße von jedenfalls 130 Tagessätzen bilden.

234

Bei der Berechnung der Höhe der Tagessätze geht der Berufsgerichtshof von dem Jahres-Nettoeinkommen (vgl. § 40 Abs. 2 StGB) aus, das der Beschuldigte laut dem seinerseits (mit Schriftsatz vom 14.2.2017) vorgelegten Bescheid des Finanzamts O. vom 1. Juni 2016 für 2014 über Einkommenssteuer und Solidaritätszuschlag erzielt hat; die von dem Beschuldigten in der Berufungsverhandlung überreichten Unterlagen („Vorjahresvergleich Juni 2015“ etc.) sind demgegenüber weniger belastbar und weniger aussagekräftig. Als somit maßgebliches Jahresnettoeinkommen ergibt sich aus diesem Bescheid ein Betrag in Höhe von 74.227,02 Euro (zu versteuerndes Einkommen i. H. v. 119.775 Euro minus 43.231 Euro Einkommenssteuer und 2.316,98 Euro Solidaritätszuschlag), was zu einem monatlichen Nettoeinkommen von 6.185,58 Euro und damit (dividiert durch „30“) zu einem Tagessatz in Höhe von 206,19 Euro führt. Daraus errechnet sich (mal „130“) ein Gesamtstrafenbetrag von 26.804,70 Euro, der gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 HeilBG auf den dort normierten Höchstgeldbußenbetrag von 25.500,- Euro zu begrenzen ist.

235

b) Im Gegensatz zum Berufsgericht gelangt der Berufsgerichtshof nicht gemäß § 3 Abs. 1 lit. c) HeilBG zu der Feststellung, dass der Beschuldigte unwürdig ist, den ärztlichen Beruf auszuüben.

236

aa) Für die diesbezügliche Maßstabbildung greift der Berufsgerichtshof zurück auf die seitens der Rechtsprechung zur Versagung bzw. Entziehung der Approbation wegen berufsunwürdigen Verhaltens (zum Approbationswiderruf vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO) entwickelten Kriterien, weil insoweit derselbe Begriff verwendet und dieselbe tatbestandliche Voraussetzung aufgestellt wird (so bereits Hmb. Berufsgerichtshof für die Heilberufe, Urt. v. 1.6.1994, HeilBHof 1/93, auszugsweise wörtlich zitiert in: OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2000, 5 Bf 82/97, juris Rn. 19 – 33, maßgeblich hier: Rn. 30). Gründe für einen eigenen berufsgerichtlichen, vom approbationsrechtlichen Terminus abweichenden „Unwürdigkeitsbegriff“ sind weder von den Verfahrensbeteiligten vorgetragen noch sonst ersichtlich.

237

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Maßstäbe für die Prüfung einer Berufsunwürdigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO zuletzt wie folgt zusammengefasst (BVerwG, Beschl. v. 27.1.2011, NJW 2011, 1830, juris Rn. 4):

238

„Der Widerruf der Approbation stellt einen besonders schweren Eingriff in die Berufsfreiheit dar, der nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig ist. Das gilt auch für den Widerruf wegen Unwürdigkeit. Strafzwecke, auch generalpräventive Zwecke im Sinne einer Abschreckung anderer Angehöriger des Berufsstandes vor ähnlichen Verfehlungen, wären damit nicht vereinbar (vgl. …). Es geht bei einem Widerruf wegen Unwürdigkeit nicht um eine Sanktion, sondern vielmehr darum, das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit zu schützen, dies freilich nicht als Selbstzweck, sondern um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde bzw. Zahnheilkunde verliehen ist und in deren Behandlung sich die Patienten begeben. Dieses Vertrauen würde zerstört durch eine fortdauernde Berufstätigkeit von Ärzten, die ein Fehlverhalten gezeigt haben, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist (vgl. nur Beschlüsse vom … ). Freilich muss der Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit, der nach seiner Zielrichtung keine auf die Person des Betroffenen bezogene Gefahrenprognose erfordert, in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs in die Berufsfreiheit stehen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom … ). Anlass für den Widerruf wegen Unwürdigkeit können deshalb nur gravierende Verfehlungen sein, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos, nachhaltig zu erschüttern.“

239

Die in der veröffentlichten Rechtsprechung vorhandenen Fälle, in denen ein zur Berufsunwürdigkeit führendes Verhalten angenommen wurde, betreffen verschiedenartige Konstellationen. Sie reichen von sexuellen Übergriffen des Arztes auf Patientinnen (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2000, 5 Bf 82/97, juris Rn. 20 ff.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.2.2015, 8 LA 102/14, juris) über schwere Fälle der Veruntreuung, Vorteilsannahme und Betrugs seitens eines Klinik-Chefarztes (vgl. VGH München, Urt. v. 30.9.2010, 21 BV 09.1279, juris Rn. 2 – 7) bis zur Verschreibung von 900 Tabletten des Medikaments Fluninoc (Wirkstoff: Flunitrazepam 1 mg) an einen von diesem Wirkstoff sowie von Heroin und Kokain abhängigen Patienten (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 11.5.2015, 8 LC 123/14, juris Rn. 3 ff.); dabei handelt es sich um ein sehr starkes Benzodiazepin, das auch von Räubern und Vergewaltigern als KO-Tropfen eingesetzt und oft von Heroinsüchtigen zur Verstärkung der Opioidwirkung verwendet wird (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Flunitrazepam) und dessen regelhafte Dosis ½ bis 1 Tablette pro Tag beträgt (vgl. http://www.apotheken-umschau.de/Medikamente/Beipackzettel/Fluninoc-1-6151450.html). Die Berufsunwürdigkeit eines Arztes kann sich demnach sowohl aus seinem Verhalten gegenüber Patienten als auch aus seinem sonstigen beruflichen oder außerberuflichem Verhalten ergeben. Dabei gibt es keinen Rechtssatz des Inhalts, dass nur wiederholte oder bekannt gewordene berufliche Verfehlungen oder nur nicht minderschwere Straftaten einen Widerruf wegen Berufsunwürdigkeit rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.1.2011, a. a. O., Rn. 3). Ebenso wenig lässt sich ein Rechtssatz aufstellen, dass das Merkmal der Berufsunwürdigkeit die Verhängung eines bestimmten Mindeststrafmaßes voraussetzt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2011, 3 B 6.11, juris Rn. 8).

240

bb) Von den hier einzubeziehenden drei Fällen hat allein das Verhalten des Beschuldigten im Fall SE das Potential, als berufsunwürdigkeitsbegründend bewertet zu werden. Die Fälle G. und S. sind dagegen von dieser Tragweite deutlich entfernt; man wird kaum annehmen können, dass das Ansehen und der Ruf der Ärzteschaft nachhaltigen Schaden nehmen würden, wenn öffentlich würde, dass der Beschuldigte die Verfehlungen in diesen beiden Fällen begangen hat und er „trotzdem“ weiter praktizieren dürfte. Weniger klar ist, ob Letzteres auch im Hinblick auf den Fall SE gilt (aaa). Jedenfalls aber hat der seitdem verstrichene Zeitraum von mehr als dreizehn Jahren, in denen der Beschuldigte weiter praktiziert hat, ohne weitere Verfehlungen von vergleichbarem Gewicht zu begehen, Auswirkungen auf die vorzunehmende Bewertung, die im Rahmen der gebotenen Prüfung der Verhältnismäßigkeit das Gewicht dieser Verfehlung maßgeblich verringert (bbb).

241

aaa) Das Verhalten des Beschuldigten im Fall SE liegt für sich betrachtet im Grenzbereich dessen, was das Verdikt der Berufsunwürdigkeit rechtfertigen könnte. Das Ausmaß der dort begangenen Verfehlungen ist, wie oben ausführlich dargestellt, erheblich. Auch wenn der Tod des Patienten unmittelbar wohl nicht auf die verfehlte, abhängigkeitsfördernde bzw. –begründende Medikation, sondern auf einen Alkoholmissbrauch zurückzuführen war, bleibt festzuhalten, dass der Beschuldigte diesen Patienten in eine polivalente Abhängigkeit gesteuert hat, ohne im Hinblick auf dessen vorgegebene chronische Alkoholkrankheit Fortschritte zu erzielen. Diese Umstände rücken den Fall in die Nähe des bereits erwähnten, vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschiedenen Falls, in dem ein Arzt einem polivalent drogenabhängigem Patienten innerhalb von fünf Tagen 900 Tabletten Flunitrazepam 1 mg verschrieben hatte, was nach den Dosierungshinweisen einem Vorrat für mehrere Jahre entsprach. Damit war jener Fall allerdings noch gravierender als hier der Fall SE , wobei in jenem Fall der Patient sich sofort nach Einlösung eines Teils der Rezepte eine aufgelöste Tablette gemeinsam mit einer Konsumeinheit Heroin spritzte und daraufhin in eine mehrstündige Ohnmacht verfiel (OVG Lüneburg, Urt. v. 11.5.2015, a. a. O., Rn. 4), die unverantwortliche Fehlmedikation des dortigen Arztes sich somit zeitnah und unmittelbar lebensgefährdend auswirkte.

242

bbb) Jedenfalls führt nach der Rechtsauffassung des Berufsgerichtshofs der seit dem Ende des Falls SE verstrichene Zeitraum von mehr als dreizehn Jahren (wobei der Schwerpunkt des dem Beschuldigten nachgewiesenen Fehlverhaltens in den Jahren 2000 und 2001 gelegen hat, also mehr als 15 Jahre zurückliegt), in denen der Beschuldigte weiter praktiziert hat, ohne weitere Verfehlungen von vergleichbarem Gewicht zu begehen, dazu, dass hier von der Feststellung der Berufsunwürdigkeit abzusehen ist.

243

Dem steht nicht bereits entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Disziplinarrecht weder eine (hier nicht gegebene) überlange Verfahrensdauer noch die Dauer des seit der Verfehlung vergangenen Zeitraums von Bedeutung sind, wenn das Dienstvergehen des Beamten wegen endgültiger Zerstörung des Vertrauensverhältnisses seine Entfernung aus dem Dienst gebietet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.12.2015, 2 B 21.15, juris Rn. 10; Urt. v. 25.7.2013, BVerwGE 147, 229, juris Rn. 40; Urt. v. 28.2.2013, ZBR 2013, 257, juris Rn. 44 ff.). Auch wenn man annimmt, dass der Entfernung des Beamten aus dem Dienst hier die Feststellung der ärztlichen Berufsunwürdigkeit entspräche (wobei der Entfernung des Beamten aus dem Dienst eher der Widerruf der Approbation als Arzt entspricht, die im berufsgerichtlichen Verfahren aber nicht verhängt werden kann), lässt sich nach der Rechtsauffassung des Berufsgerichtshofs diese Rechtsprechung auf berufsgerichtliche Verfahren nach dem HeilBG nicht übertragen. Zu berücksichtigen ist ein erheblicher Unterschied in den gesetzlichen Konzeptionen des Disziplinarrechts hinsichtlich der Entfernung von Beamten aus dem Dienst einerseits und der Feststellung der Berufsunwürdigkeit nach dem HeilBG andererseits. Dieser Unterschied besteht darin, dass im Disziplinarrecht solche Dienstvergehen, die die Entfernung aus dem Dienst gebieten, nicht verjähren, also zeitlich unbegrenzt verfolgbar sind, während nach § 4 HeilBGalle Berufsvergehen, auch die schwersten, an sich nach fünf Jahren der Verfolgungsverjährung unterliegen und auch bei einer maximal fünfjährigen Ruhensphase jedenfalls nach Ablauf von zehn Jahren nach Vollendung des Berufsvergehens eigentlich nicht mehr verfolgbar sind. Daraus ergeben sich unterschiedliche Wertvorstellungen der jeweiligen Gesetzgeber über die rechtliche Bedeutung des Zeitablaufs nach Vollendung der Verfehlung (vgl. Willems, Das Verfahren vor den Heilberufsgerichten, 2009, Rn. 535). Mit der Verjährungsregelung in § 4 HeilBG hat der Gesetzgeber (im Gegensatz zu der Regelung über das Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs in § 17 HmbDG) die Wertung zum Ausdruck gebracht, dass grundsätzlichjede Verfehlung im berufsgerichtlichen Zusammenhang ihre Ahndungswürdigkeit durch 10 Jahre Zeitablauf (5 Jahre Verjährung plus maximal 5 Jahre Ruhen) verliert. Auch wenn über das Rechtskonstrukt des einheitlichen Berufsvergehens die Verfolgbarkeit eines eigentlich schon verjährten Berufsvergehens durch neue Verfehlungen wieder aufleben kann, bedeutet dies nicht, dass man hier auf der Rechtsfolgenseite bei der Maßnahmenbemessung nicht doch berücksichtigen dürfte bzw. müsste, dass dasjenige Verhalten, das allein die Annahme der Berufsunwürdigkeit rechtfertigen könnte, hier bereits vor über 13 Jahren sein Ende gefunden hat, der Arzt seit dem weiter praktiziert hat und er zwar vom Ansatz her ähnliche (daher die Einheitlichkeit des Berufsvergehens begründende), vom Maß der Pflichtwidrigkeit, dem Grad des Verschuldens und dem Ausmaß des bei den Patienten angerichteten Schadens her aber deutlich weniger gravierende Verfehlungen begangen hat.

244

Zum Verdikt der Berufsunwürdigkeit darf nur ein außerordentlich schwerwiegendes Fehlverhalten führen, wobei bei der Bewertung dieses Fehlverhaltens dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (wegen der Auswirkungen auf die Berufsfreiheit und der fehlenden Berücksichtigungsmöglichkeit persönlicher, nicht „tatbezogener“ Umstände des Arztes) erhebliche Bedeutung zukommt (vgl. VGH München, Urt. v. 30.9.2010, a. a. O., Rn. 34 - 36). Bringt der Gesetzgeber für die Heilberufsgerichtsbarkeit durch eine Verjährungsregelung zum Ausdruck, dass ein Fehlverhalten durch den Ablauf langer Zeiträume an Gewicht verliert, so ist dies, sofern dieses Fehlverhalten trotz eigentlich gegebener Verjährung wegen des Grundsatzes des einheitlichen Berufsvergehens doch noch verfolgbar ist, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bei der Bemessung der Maßnahme zu berücksichtigen. Ein über 13 Jahre zurückliegendes Fehlverhalten schlägt dann nicht mehr mit derselben „Wucht“ in die Waagschale ein, wie wenn es für sich betrachtet noch nicht verjährt wäre. Gleichwohl kann auch ein so lange zurückliegendes Fehlverhalten je nach den Umständen des Einzelfalls auch unter Berücksichtigung der verstrichenen Zeit weiterhin schwerwiegend genug sein, um die Einschätzung der Berufsunwürdigkeit zu tragen.

245

Angesichts dessen genügt das Verhalten des Beschuldigten im Fall SE nicht mehr für die Annahme der Berufsunwürdigkeit. Dieses Fehlverhalten ist nicht von einer Qualität, die - in den Augen der Öffentlichkeit, sofern es dort bekannt würde - auch noch „nach Jahrzehnten“ nichts von ihrer Dramatik eingebüßt hätte, wie dies etwa bei einer Vergewaltigung einer Patientin in der Arztpraxis anzunehmen wäre. Die - gravierende - Fehlbehandlung eines suchtkranken Patienten durch einen Arzt, der seitdem über 13 Jahre lang weiter praktiziert hat, ohne vergleichbare Verfehlungen zu begehen, ist damit nicht zu vergleichen.

246

Gleiches gilt auch für das gesamte einheitliche Berufsvergehen des Beschuldigten. Zwar spricht es gegen ihn, dass er in den Fällen G. und S. weitere Verfehlungen begangen hat, die vom Ansatz her eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Fall SE aufweisen und ihrerseits nicht bloß geringfügig sind. Jedoch sind diese Verfehlungen gerade der Grund dafür, dass der Fall SE (über die Rechtsfigur des einheitlichen Berufsvergehens) hier überhaupt noch zu in die Prüfung und in die Maßnahmenbemessung einzubeziehen ist; dies spricht dagegen, insoweit gegenüber dem Beschuldigten eine Verschärfung der Maßnahme vorzunehmen, weil er gleichsam ein „Rückfalltäter“ ist.

247

c) Der Berufsgerichtshof erteilt dem Beschuldigten neben der Geldbuße noch einen Verweis (vgl. § 3 Abs. 2, 1. Alt. HeilBG). Bei der Kombination aus Geldbuße und Verweis handelt es sich gegenüber dem Urteil des Berufsgerichts (das zwar keinen Verweis enthält, diesen aber wegen der Feststellung der Berufsunwürdigkeit auch nicht enthalten konnte, vgl. § 3 Abs. 2 HeilBG) nicht um eine „Verböserung“, sondern um Milderung. (Das „Verböserungsverbot“ ergibt sich aus § 13 Satz 1 HeilBG i. V. m. § 22 HmbDG i. V. m. § 129 VwGO). Dem entspricht es, dass der Beschuldigte dies selbst so beantragt hat.

248

d) Neben den bisher geprüften Maßnahmen sieht § 3 HeilBG noch weitere Sanktionsmöglichkeiten vor. So besteht bei der Verurteilung zu einer Geldbuße die zusätzliche Möglichkeit, dem Beschuldigten für eine Dauer zwischen fünf und zehn Jahren das aktive und passive Berufswahlrecht zu entziehen (§ 3 Abs. 3 HeilBG). Der Berufsgerichtshof macht von dieser Möglichkeit für die gesetzliche Mindestdauer von fünf Jahren Gebrauch.

249

Auch angesichts des Umstands, dass hier allein der Beschuldigte Berufung eingelegt hat, stellt dieser Ausspruch im Berufungsurteil keine prozessual unzulässige „Verböserung“ gegenüber dem Urteil des Berufsgerichts dar. Das Urteil des Berufsgerichts enthält zwar keinen Ausspruch über eine Entziehung des Berufswahlrechts, doch war dies auch gar nicht möglich, weil das Berufsgericht auf die Feststellung der Berufsunwürdigkeit erkannt hat und sich daraus unmittelbar kraft Gesetzes ein unbefristeter Verlust des aktiven und passiven Berufswahlrechts ergibt (§ 3 Abs. 5 Satz 1 HeilBG), das ihm frühestens nach fünf Jahren durch Beschluss des Berufsgerichts wieder zuerkannt werden könnte (§ 3 Abs. 5 Satz 1 HeilBG). Eine Kombination aus Geldbuße und Entziehung des Berufswahlrechts für fünf Jahre ist daher gegenüber der Kombination aus Geldbuße und Feststellung der Berufsunwürdigkeit keine schärfere, sondern eine mildere Maßnahme.

250

Dem Gesetz lassen sich keine unmittelbaren Maßstäbe dafür entnehmen, unter welchen Voraussetzungen diese Maßnahme angebracht sein soll. Nach dem Dafürhalten des Berufsgerichtshofs ist sie dann geboten, wenn das betreffende Fehlverhalten nahe an die Feststellung der Berufsunwürdigkeit heranreicht, ohne sie ganz zu erreichen, und der Eindruck bleibt, dass die Geldbuße allein noch nicht genügt, um angemessen auf den Arzt einzuwirken. So liegt der Fall hier; auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen.

251

e) Schließlich sieht das Gesetz als weitere Maßnahme in § 3 Abs. 6 HeilBG „in besonderen Fällen“ vor, auf die Veröffentlichung des Urteils im Hamburger Ärzteblatt zu erkennen. Entsprechende Regelungen finden sich auch in anderen Bundesländern, u. a. in § 60 Abs. 3 HeilBerG/NRW. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 3. März 2014 (BVerfG, Beschl. v. 3.3.2014, EuGRZ 2014, 370 ff.; siehe dazu auch die Anmerkung von Bonvie vom 24.4.2014 in juris) die betreffende Regelung aus Nordrhein-Westfalen für verfassungskonform erachtet sowohl im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot als auch hinsichtlich der dadurch ermöglichten Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betreffenden Berufsangehörigen („Prangerwirkung“).

252

Im vorliegenden Berufungsverfahren stellt sich diese Frage aber schon deshalb nicht, weil einem solchen „Erkenntnis“ jedenfalls das „Verböserungsverbot“ entgegenstünde. Denn bei der Anordnung der Veröffentlichung des Urteils handelt es sich um eine zusätzliche Sanktion, die auch gegenüber der vom Berufsgericht vorgenommenen Feststellung der Berufsunwürdigkeit einen eigenständigen belastenden Charakter hätte; das Berufsgericht hat auf die Maßnahme der Veröffentlichung nicht erkannt. Dementsprechend hätte der Berufsgerichtshof sie nur auf eine entsprechende Berufung der Beteiligten zu 1. oder der Beteiligten zu 2. hin in Erwägung ziehen dürfen; hier hat aber allein der Beschuldigte Berufung eingelegt.

253

VI. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 34 und § 35 HeilBG.

254

1. Die Kosten des gesamten Verfahrens sind gemäß §§ 34 Abs. 4 Satz 1 und 4, 34 Abs. 5 Satz 2 HeilBG zwischen dem Beschuldigten und der Freien und Hansestadt Hamburg entsprechend dem Obsiegensanteil des Beschuldigten zu verteilen. Der Berufsgerichtshof veranschlagt diesen Anteil mit einem Drittel, da gegen den Beschuldigten einerseits mehrere einschneidende Maßnahmen verhängt werden, er andererseits aber bei der Frage der Feststellung der Berufsunwürdigkeit in einem wichtigen Punkt obsiegt hat.

255

2. Seine eigenen Auslagen hat der Beschuldigte gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 HeilBG trotz des teilweisen Erfolgs seiner Berufung für beide Instanzen vollständig selbst zu tragen, da er weder freigesprochen noch das Verfahren eingestellt worden ist. Insoweit nimmt der Berufsgerichtshof ergänzend Bezug auf sein o. g. Urteil vom 18. Juni 2014 (a. a. O., Rn. 42):

256

„Seine notwendigen Auslagen hat der Beschuldigte nach § 35 Abs. 1 HeilBG selbst zu tragen, weil das Berufungsgericht nach den detaillierten Kostenregelungen des Gesetzes und der – im Gegensatz zu § 34 Abs. 5 HeilBG - fehlenden Differenzierung in dieser Vorschrift in Bezug auf ein erfolgreiches Rechtsmittel keine Möglichkeit sieht, die Erstattung dieser Auslagen – jedenfalls für das erfolgreiche Berufungsverfahren – einem anderen Kostenträger aufzuerlegen. Die solches ermöglichende Regelung des § 473 Abs. 3 StPO kann mangels einer erkennbaren Gesetzeslücke nicht analog angewendet werden. Verfassungsrechtlich ist eine Übernahme der notwendigen Auslagen nicht geboten, da der Beschuldigte auch nach dem Erfolg des Berufungsverfahrens in der Sache eines Berufsgehens schuldig bleibt.“

257

3. Die Festsetzung der Gebühr für das Berufungsverfahren beruht auf § 34 Abs. 2 HeilBG. Eine für das Berufungsverfahren festzusetzende Gebühr entsteht, sofern die Berufung ganz oder teilweise erfolglos bleibt, § 34 Abs. 2 Satz 2 HeilBG; hier ist die Berufung des Beschuldigten teilweise erfolglos geblieben. Die Höhe der Gebühr hängt vom Umfang und der Schwierigkeit der Sache sowie von der Schwere des Berufsvergehens ab (§ 34 Abs. 2 Satz 3 HeilbG). Sie beträgt für jede Instanz zwischen 50 und 255 Euro (§ 34 Abs. 2 Satz 1 HeilbG), dieser Höchstsatz kann in ungewöhnlich umfangreichen oder schwierigen Sachen bis zum Doppelten überschritten werden (§ 34 Abs. 2 Satz 4 HeilbG). Angesichts der besonderen Komplexität dieses Falles erscheint dem Berufsgerichtshof die tenorierte Gebühr in Höhe von 400 Euro als angemessen; dies entspricht in etwa dem eineinhalbfachen Wert des normalen Höchstbetrags von 255 Euro.

(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer körperlichen Krankheit oder Behinderung zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut ist, unter Mißbrauch des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm zur psychotherapeutischen Behandlung anvertraut ist, unter Mißbrauch des Behandlungsverhältnisses vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

Tenor

1.

Die Anträge werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.500,00 Euro festgesetzt.


1 234567891011121314151617181920212223242526272829303132333435363738394041424344454647

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn

1.
gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist,
2.
nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 weggefallen ist,
3.
Zweifel bestehen, ob die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 noch erfüllt ist und der Arzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
4.
sich ergibt, dass der Arzt nicht über die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die für die Ausübung der Berufstätigkeit in Deutschland erforderlich sind oder
5.
sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht.

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, daß die Praxis eines Arztes, dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes den ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf der Approbation als Arzt.

(2) Eine vorübergehende oder eine auf bestimmte Tätigkeiten beschränkte Ausübung des ärztlichen Berufs im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist auch aufgrund einer Erlaubnis zulässig.

(3) Ärzte, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates sind, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, dürfen den ärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ohne Approbation als Arzt oder ohne Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs ausüben, sofern sie vorübergehend und gelegentlich als Erbringer von Dienstleistungen im Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages im Geltungsbereich dieses Gesetzes tätig werden. Sie unterliegen jedoch der Meldepflicht nach diesem Gesetz.

(4) Für die Ausübung des ärztlichen Berufs in Grenzgebieten durch im Inland nicht niedergelassene Ärzte gelten die hierfür abgeschlossenen zwischenstaatlichen Verträge.

(5) Ausübung des ärztlichen Berufs ist die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin".

(1) Die Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs kann auf Antrag Personen erteilt werden, die eine abgeschlossene Ausbildung für den ärztlichen Beruf nachweisen. Eine Erlaubnis nach Satz 1 wird Antragstellern, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz ausgestellt wurde, nicht erteilt. Eine Erlaubnis wird auch nicht in den Fällen des § 3 Absatz 2 Satz 10 erteilt. § 8 bleibt unberührt.

(1a) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 und 3 kann auf Antrag eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs erteilt werden, wenn mit dem Antrag dargelegt wird, dass im Hinblick auf die beabsichtigte ärztliche Tätigkeit ein besonderes Interesse an der Erteilung der Erlaubnis besteht. Die Erlaubnis steht der Erteilung einer Approbation nicht entgegen.

(2) Die Erlaubnis kann auf bestimmte Tätigkeiten und Beschäftigungsstellen beschränkt werden. Sie darf nur widerruflich und nur bis zu einer Gesamtdauer der ärztlichen Tätigkeit von höchstens zwei Jahren im Geltungsbereich dieses Gesetzes erteilt oder verlängert werden.

(3) Eine Erlaubnis darf ausnahmsweise über den in Absatz 2 genannten Zeitraum hinaus im besonderen Einzelfall oder aus Gründen der ärztlichen Versorgung erteilt oder verlängert werden, wenn eine Approbation wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 3 Absatz 1 Nummer 4 nicht erteilt werden kann. Die Erteilung oder Verlängerung aus Gründen der ärztlichen Versorgung ist nur zulässig, wenn in dem Gebiet, in dem die ärztliche Tätigkeit ausgeübt werden soll, ein gleichwertiger Ausbildungsstand nachgewiesen ist. Die Erlaubnis ist in diesem Fall auf das Gebiet zu beschränken. Die §§ 5, 6, 8, 9 und 13 finden entsprechende Anwendung.

(4) Erlaubnisse nach Absatz 1 Satz 1, die vor dem 1. April 2012 erteilt wurden, bleiben wirksam. Für sie ist Absatz 3 in seiner bis dahin geltenden Fassung bis zum 1. April 2014 für solche Inhaber der Erlaubnis weiter anzuwenden, die bis zum 1. Juli 2012 einen Antrag auf Erteilung der Approbation nach § 3 Absatz 1 Satz 1 gestellt haben. Satz 2 findet auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz, die über einen Ausbildungsnachweis nach Absatz 1 Satz 2 oder Satz 3 verfügen, sowie auf Drittstaatsangehörige, soweit sich nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft eine Gleichstellung ergibt, keine Anwendung.

(5) In Ausnahmefällen kann eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs auf Antrag auch Personen erteilt werden, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes eine ärztliche Ausbildung erworben, diese Ausbildung aber noch nicht abgeschlossen haben, wenn

1.
der Antragsteller auf Grund einer das Hochschulstudium abschließenden Prüfung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes die Berechtigung zur beschränkten Ausübung des ärztlichen Berufs erworben hat und
2.
die auf Grund der Erlaubnis auszuübende Tätigkeit zum Abschluß einer ärztlichen Ausbildung erforderlich ist.

(6) Personen, denen eine Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs nach den vorstehenden Vorschriften erteilt worden ist, haben im übrigen die Rechte und Pflichten eines Arztes.

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn

1.
gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist,
2.
nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 weggefallen ist,
3.
Zweifel bestehen, ob die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 noch erfüllt ist und der Arzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
4.
sich ergibt, dass der Arzt nicht über die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die für die Ausübung der Berufstätigkeit in Deutschland erforderlich sind oder
5.
sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht.

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, daß die Praxis eines Arztes, dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn

1.
gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist,
2.
nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 weggefallen ist,
3.
Zweifel bestehen, ob die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 noch erfüllt ist und der Arzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
4.
sich ergibt, dass der Arzt nicht über die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die für die Ausübung der Berufstätigkeit in Deutschland erforderlich sind oder
5.
sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht.

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, daß die Praxis eines Arztes, dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.