Verwaltungsgericht Aachen Beschluss, 27. Feb. 2015 - 4 L 68/15.A
Gericht
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 4 K 173/15.A gegen die unter Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Januar 2015 verfügte Abschiebungsanordnung wird bis acht Wochen nach der Entbindung der Antragstellerin zu 2. angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Antragsteller zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3.
1
G r ü n d e
2Der - sinngemäß gestellte - Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 4 K 173/15.A gegen die unter Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Januar 2015 verfügte Abschiebungsanordnung anzuordnen,
4hat lediglich in dem tenorierten Umfang Erfolg.
5Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist gemäß § 34a Abs. 2 S. 1 AsylVfG statthaft, da die in der Hauptsache erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylVfG).
6Die Antragsteller haben den Aussetzungsantrag auch innerhalb von einer Woche nach der Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 16. Januar 2015 und damit fristgerecht im Sinne des § 34a Abs. 2 S. 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde den Antragstellern ausweislich der Zustellungsurkunde am 21. Januar 2015 persönlich zugestellt (vgl. § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG). Sie haben den vorliegenden Antrag am 27. Januar 2015 und damit fristgerecht gestellt.
7Der Antrag ist jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
8Im Rahmen eines Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse einerseits und dem privaten Interesse des Antragstellers andererseits, von einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben.
9Dabei darf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts erfolgen, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet in § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vorgeschrieben ist. Eine derartige Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabes hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem gesetzgeberischen Willen, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG fand im Bundesrat keine Mehrheit.
10Vgl. hierzu: VG Trier, Beschluss vom 18. September 2013 - 5 L 1234/13.TR -, juris, Rn. 5 ff. m.w.N.; VG Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - 2 B 844/13 -, juris, Rn. 3 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 13 148/14.A -, juris, Rn. 7.
11Die Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses mit dem privaten Aussetzungsinteresse hat sich vielmehr maßgeblich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, soweit sich diese bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung abschätzen lassen.
12Diese Interessenabwägung fällt vorliegend für einen Zeitraum von acht Wochen nach der Entbindung der Antragstellerin zu 2. zugunsten der Antragsteller und im Übrigen zu deren Lasten aus. Denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben nur für den vorgenannten Zeitraum rechtlichen Bedenken, ist ansonsten jedoch nicht zu beanstanden.
13Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift hat das Bundesamt u.a. dann eine Abschiebungsanordnung zu erlassen, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll (1.), sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann (2.).
14Die zuerst genannte Voraussetzung ist zwar erfüllt, es fehlt zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch an der Durchführbarkeit der Abschiebung.
151. Das Bundesamt hat in dem angefochtenen Bescheid (Ziffer 1) den Asylantrag der Antragsteller gemäß § 27a AsylVfG mit der Begründung als unzulässig abgelehnt, dass nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei.
16Diese Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
17Anwendbar für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Prüfung des Asylantrags ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. Nr. L 180 S. 31) zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutzes zuständig ist (Dublin-III-VO), die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 49 Abs. 1 Dublin-III-VO). Gemäß Art. 49 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO findet diese Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, die - wie hier - ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt ‑ ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern.
18In Anwendung der Vorschriften der Dublin-III-VO ist Spanien für die Prüfung des Asylantrags der Antragsteller gemäß Art. 12 Abs. 2 sowie Art. 20 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung zuständig.
19Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO gilt der Grundsatz, dass ein im Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten gestellter Asylantrag nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird. Greifen vorrangige Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates (Art. 7 bis 15 der Dublin-III-VO) nicht ein, so gilt nach der Generalklausel des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO der weitere Grundsatz, dass der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig ist.
20Vorliegend ist die Zuständigkeit Spaniens für die Antragsteller zu 1. und zu 2. gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO begründet. Danach ist für den Fall, dass ein Antragsteller ein gültiges Visum besitzt, der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. Aufgrund der eigenen Angaben der Antragsteller zu 1. und zu 2. vor dem Bundesamt sowie des Treffers in dem Visa-Informations-System VIS (ESP 007137511 und ESP 007137512) nach einem Abgleich der Fingerabdrücke steht fest, dass den Antragsteller zu 1. und zu 2. am 30. Mai 2014 spanische Schengenvisa für Kurzaufenthalte (90 Tage) mit einer Gültigkeitsdauer vom 10. Juni 2014 bis zum 9. Juni 2015 erteilt worden sind. Diese waren nach der nach den eigenen Angaben der Antragsteller am 26. Juli 2014 erfolgten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am 14. August 2014 (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO) nach wie vor gültig. Anhaltspunkte dafür, dass die Visa im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates ausgestellt worden sind, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
21Die Zuständigkeit Spaniens für die Antragsteller zu 3. und 4. ergibt sich aus Art. 20 Abs. 3 S. 1 Dublin-III-VO. Danach ist für die Zwecke dieser Verordnung die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der – wie hier – der Definition des Familienangehörigen entspricht (vgl. Art. 2 Buchst. g, 2. Spiegelstrich Dublin-III-VO), untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaates, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen entspricht. Anhaltspunkte dafür, dass hier Gründe des Kindeswohls einer gemeinsamen Behandlung des Asylantrages der Antragsteller zu 3. und 4. mit dem ihrer Eltern entgegenstehen, bestehen nicht.
22Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a Dublin-III-VO ist Spanien als der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat daher verpflichtet, die Antragsteller nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 Dublin-III-VO aufzunehmen. Dementsprechend haben die spanischen Behörden dem - fristgerecht binnen 3 Monaten nach der Asylantragstellung (vgl. Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) gestellten - Aufnahmegesuch des Bundesamtes vom 11. November 2014 auch - fristgerecht binnen zwei Monaten (vgl. Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO) - mit Schreiben vom 29. Dezember 2014 unter Bezugnahme auf Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO zugestimmt.
23Gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO ist Spanien verpflichtet, die Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahmegesuchs oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser gemäß Art. 27 Abs. 3 aufschiebende Wirkung hat, aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen und wird auch zum Zeitpunkt des Ablaufs der lediglich befristet angeordneten aufschiebenden Wirkung der Klage nicht abgelaufen sein, so dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags auch nicht auf die Antragsgegnerin übergegangen ist bzw. zum Zeitpunkt der Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung übergegangen sein wird (vgl. Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO).
24In einer Situation, in der - wie hier - ein Mitgliedstaat der (Wieder-)Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe eines in der Dublin-III-VO niedergelegten Kriteriums ‑ hier Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO - zugestimmt hat, kann der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums - unionsrechtlich - grundsätzlich nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GR-Charta ausgesetzt zu werden. Eine - objektive - Überprüfung, ob der die (Wieder-)Aufnahme erklärende Mitgliedstaat tatsächlich nach Maßgabe der Kriterien der Dublin-III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, kann der Asylbewerber hingegen nicht verlangen, da es den Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO, soweit sie nicht ausnahmsweise grundrechtlich "aufgeladen" sind (wie etwa Art. 8 bis 11 oder 16 Dublin-III-VO), an der hierfür erforderlichen drittschützenden Wirkung fehlt. Dies folgt einerseits aus der Erwägung, dass die Dublin-Verordnung ebenso wie das gesamte Gemeinsame Europäische Asylsystem auf der Annahme beruht, dass alle beteiligten Staaten - Mitgliedstaaten wie Drittstaaten - die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (Prinzip des gegenseitigen Vertrauens). Andererseits sprechen hierfür auch die Ziele der Dublin-VO, nämlich - erstens - durch organisatorische Vorschriften die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu regeln, so wie dies schon im Dubliner Übereinkommen der Fall war, - zweitens - im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Asylbewerber eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten sowie - drittens - ein "forum shopping" zu verhindern.
25Vgl. zur Dublin II-VO: EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 - "Abdullahi", Rn. 52 ff., in Fortführung der Urteile vom 21. Januar 2011 - RS. C-411/10 und 493/10 - "N.S.", Rn. 78 ff. und vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 - "Puid", Rn. 26 ff.; im Anschluss daran: VG Stuttgart, Urteil vom 28. Februar 2014 - A 12 K 383/14 -, juris, Rn. 17 ff.; zum fehlenden Drittschutz von Fristregelungen auch: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 ‑ 10 A 10656/13 -, juris, Rn. 17.
26Diese zur Dublin-II-VO ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) beansprucht in gleicher Weise Gültigkeit für die hier anzuwendende Dublin-III-VO. Denn Letzterer liegen als Nachfolgeregelwerk dieselben Prinzipien und Zielsetzungen wie der Dublin-II-VO zugrunde. Sie behält das bestehende Zuständigkeitssystem im Wesentlichen bei und enthält lediglich einige Verbesserungen im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Dublin-Systems und den auf der Grundlage dieses Systems gewährten Schutz der Antragsteller (vgl. u.a. 9. Erwägungsgrund der Dublin-III-VO). Im Übrigen hat die Rechtsprechung des EuGH zur Verfahrensweise bei Vorliegen sog. "systemischer Schwachstellen" in einem Mitgliedstaat der EU nunmehr in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin-III-VO eine ausdrückliche Regelung gefunden.
27Gemessen daran ist die Antragsgegnerin grundsätzlich nicht an der Überstellung der Antragsteller nach Spanien gehindert.
28Die Antragsteller haben im vorliegenden Verfahren nichts dafür vorgetragen, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen, die die Annahme der konkreten Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GR-Charta dort nahelegen könnten. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Mängel im spanischen Asylsystem. Es ist daher entsprechend dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens davon auszugehen, dass in Spanien die Anwendung der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Das spanische Asylsystem steht im Grundsatz im Einklang mit den europäischen Vorgaben.
29Vgl. VG Aachen, Beschlüsse vom 14. Januar 2015 - 4 L 786/14.A -, vom 15. Dezember 2014 - 4 L 805/14.A -, 30. Juni 2014 - 4 L 398/14.A-, vom 16. Juni 2014 - 4 L 216/14.A -, vom 1. April 2014 - 4 L 110/14.A - und - 4 L 673/13.A -; ebenso: VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 11 K 900/14.A, juris, Rn. 68; Beschlüsse vom 25. August 2014 - 13 L 1834/14.A und vom 17. April 2014 - 13 L 247/14.A -, juris, Rn. 22 f.; VG Minden, Urteil vom 14. März 2014 - 10 K 55/14.A -, juris; VG Potsdam, Beschluss vom 23. Juni 2014 - 6 L 551/14.A -, juris, Rn. 9 ff.; VG Augsburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 - Au 7 S 14.50094‑ , juris, Rn. 50 f.
30Den Antragstellern steht gegen die Antragsgegnerin insbesondere auch kein Anspruch auf Übernahme der Zuständigkeit und Prüfung des Asylantrags im Wege des Selbsteintrittsrechts aus humanitären Gesichtspunkten zu. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO begründet diese Vorschrift ‑ selbst im vorgenannten Ausnahmefall der Unmöglichkeit der Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat wegen dort gegebener systemischer Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen - keine Verpflichtung des Mitgliedstaates des Aufenthalts des Asylbewerbers, das Selbsteintrittsrecht auszuüben. Entsprechend besteht auch kein durchsetzbarer Anspruch des Asylbewerbers, dass der Mitgliedstaat das ihm eingeräumte weite Ermessen in einer bestimmten Weise ausübt. Denn die Souveränitätsklausel des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO dient maßgeblich dazu, die Prärogative der Mitgliedstaaten zu wahren, das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Dublin-II-VO festgelegten Kriterien für die Prüfung des Antrags zuständig ist. Aufgrund dieser Zielrichtung vermag sie daher keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers zu begründen.
31Vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 - "Puid", Rn. 26 ff.; fortgeführt durch Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 - "Abdullahi", Rn. 52 ff., insb. 57, in einem Verfahren, in dem der EuGH ausdrücklich zum Drittschutz der Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO gefragt wurde.
32Diese Rechtsprechung ist entsprechend auf das nunmehr in Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO normierte Selbsteintrittsrecht zu übertragen. Denn diese Vorschrift ist mit Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO nahezu wortgleich und ihr liegt darüber hinaus auch dieselbe Zielsetzung wie Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zugrunde.
33Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat die Antragsgegnerin auch nicht rechtsfehlerhaft eine Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes oder über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG unterlassen. Wird der Asylantrag – wie hier – nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung lediglich mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG erlassen (vgl. § 31 Abs. 6 AsylVfG). Gemäß § 13 Abs. 2 AsylVfG wird mit jedem Asylantrag die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG beantragt, der sowohl den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention - (vgl. § 3 ff. AsylVfG) als auch den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU bzw. der Vorgängerrichtlinie 2004/83/EG (vgl. § 4 AsylVfG) umfasst. Darüber hinaus obliegt dem Bundesamt nach Stellung eines Asylantrags auch die Entscheidung, ob ein – nationales – Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG vorliegt (vgl. § 13 Abs. 2 S. 4 i.V.m. § 24 Abs. 2 AsylVfG). Stellt sich in Anwendung der Dublin-III-VO jedoch – wie hier – heraus, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, ist damit die Prüfungskompetenz für den Asylantrag mit allen seinen vorstehend umschriebenen Bestandteilen hinsichtlich des Herkunftsstaates des Antragstellers der Antragsgegnerin entzogen und allein dem anderen Mitgliedstaat zugewiesen. Eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags im vorgenannten Sinne erfolgt seitens der Antragsgegnerin nicht. Dies beruht letztlich sowohl auf dem Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG zu Grunde liegenden "Prinzip der normativen Vergewisserung",
34vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BVR 1938/93 -, BVerfGE 94, 49 = juris, Rn. 179 ff.,
35als auch dem bereits erwähnten der Dublin-Verordnung und dem gesamten Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zu Grunde liegenden "Prinzip des gegenseitigen Vertrauens", wonach davon auszugehen ist, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden.
362. Die Abschiebung kann allerdings derzeit nicht – wie von § 34a Abs. 1 AsylVfG außerdem vorausgesetzt – durchgeführt werden.
37Soweit in § 34a Abs. 1 AsylVfG bestimmt ist, dass das Bundesamt die Abschiebung anordnet, "sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann", folgt daraus, dass das Bundesamt vor Erlass einer Abschiebungsanordnung auch zu prüfen hat, ob inlandsbezogene Abschiebungshindernisse oder Duldungsgründe vorliegen, die der Abschiebung entgegenstehen können. Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits vor Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch für etwa danach entstandene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe. Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung beurteilt sich nämlich nicht abschließend nach der im Zeitpunkt ihres Erlasses gegebenen Sachlage (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG). Vielmehr hat das Bundesamt die weitere Entwicklung mit Unterstützung der Ausländerbehörde unter Kontrolle zu halten und darauf im Einzelfall entsprechend – sei es durch Aufhebung der Anordnung, sei es durch eine Anweisung der Ausländerbehörde, von der Vollziehung vorübergehend abzusehen – zu reagieren.
38Vgl. in ständiger Rechtsprechung: OVG NRW, etwa Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060 -, juris, Rn. 4; nunmehr auch: BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris.
39Vorliegend erweist sich die Abschiebung der Antragstellerin zu 2. mit Blick auf ihre unmittelbar bevorstehende Niederkunft und einer daraus folgenden Reiseunfähigkeit gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG derzeit als rechtlich unmöglich.
40Im Hinblick auf die aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgenden staatlichen Schutzpflichten in Bezug auf das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit sind die mit der Abschiebung betrauten Behörden verpflichtet, von einer Abschiebung abzusehen, wenn diese mit einer erheblichen konkreten Gefahr für die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit des Ausländers verbunden wäre. Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis führende Reiseunfähigkeit nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist – was hier nicht der Fall ist –, sondern vielmehr auch dann, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 S. 1 MuSchG. In Anlehnung daran ist der Abschiebungsschutz jedoch grundsätzlich auf den Zeitraum von acht Wochen nach der Entbindung der Kindesmutter zu begrenzen.
41Vgl. ebenso: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 2 M 127/14 -, juris, Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. September 2012 - OVG 11 S 40.12 -, juris Rn. 27.
42Aufgrund des vorgelegten Mutterpasses der Antragstellerin zu 2. steht fest, dass sich diese am 5. Februar 2015 bereits in der 35. (+ 6) Schwangerschaftswoche befunden hat, so dass die Schwangerschaft nunmehr unmittelbar bevorsteht und damit die gesetzlichen Schutzzeiten der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 S. 1 MuSchG zu beachten sind.
43Ist die Abschiebung der Antragstellerin zu 2. danach vorübergehend rechtlich unmöglich, erweist sich auch die Abschiebung der Antragsteller zu 1., zu 3. und zu 4. vorübergehend als rechtlich unmöglich im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG. Denn eine getrennte Abschiebung der Familie ist mit Blick auf den aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK folgenden Schutz der familiären Lebensgemeinschaft, der zudem tragendes Prinzip der Zuständigkeitsbestimmungen nach der Dublin-Verordnung ist (vgl. Art. 8-11 Dublin-III-VO), insbesondere hinsichtlich der Kernfamilie von Eltern und minderjährigen Kindern – wie sie hier besteht – unzumutbar.
44Soweit die Antragsteller darüber hinaus die Aussetzung der Vollziehung ihrer Klage gegen die Abschiebungsanordnung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens begehren, bleibt der Antrag hingegen ohne Erfolg. Denn aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Abschiebungsanordnung im Übrigen rechtmäßig ist.
45Insbesondere geht die Kammer - schon mit Blick auf das Beschleunigungsgebot, das den Dublin-Vorschriften immanent ist - davon aus, dass das Bundesamt in der Lage sein wird, nach der Geburt des Kindes der Antragstellerin zu 2. und der diesbezüglichen Anzeige durch die zuständige Ausländerbehörde (vgl. § 14a Abs. 2 AsylVfG) zeitnah, namentlich innerhalb des Zeitraums, für den die Vollziehung vorübergehend ausgesetzt worden ist, auch für das neugeborene Kind einen Dublin-Bescheid mit entsprechender Abschiebungsanordnung zu erlassen. Diese Annahme rechtfertigt sich zudem daraus, dass gemäß Art. 20 Abs. 3 S. 2 Dublin-III-VO auch bei Kindern, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, deren Situation untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden ist und in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats fallen, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss. Das Bundesamt muss in diesem Fall damit kein weiteres (Wieder-)Aufnahmeersuchen an den zuständigen Mitgliedstaat richten, sondern diesem vor der Abschiebung lediglich die Geburt des Neugeborenen melden,
46vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin-III-Verordnung, Das europäische Asylzuständigkeitssystem, 2014, K11 zu Art. 20,
47um so eine gemeinsame Überstellung der Antragsteller zusammen mit dem Neugeborenen zur Wahrung der Familieneinheit zu ermöglichen.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
49Der Wert des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 30 RVG.
50Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigen (Schutzfrist vor der Entbindung), soweit sie sich nicht zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklärt. Sie kann die Erklärung nach Satz 1 jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Für die Berechnung der Schutzfrist vor der Entbindung ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt. Entbindet eine Frau nicht am voraussichtlichen Tag, verkürzt oder verlängert sich die Schutzfrist vor der Entbindung entsprechend.
(2) Der Arbeitgeber darf eine Frau bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigen (Schutzfrist nach der Entbindung). Die Schutzfrist nach der Entbindung verlängert sich auf zwölf Wochen
- 1.
bei Frühgeburten, - 2.
bei Mehrlingsgeburten und, - 3.
wenn vor Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung bei dem Kind eine Behinderung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ärztlich festgestellt wird.
(3) Die Ausbildungsstelle darf eine Frau im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 bereits in der Schutzfrist nach der Entbindung im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung tätig werden lassen, wenn die Frau dies ausdrücklich gegenüber ihrer Ausbildungsstelle verlangt. Die Frau kann ihre Erklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.
(4) Der Arbeitgeber darf eine Frau nach dem Tod ihres Kindes bereits nach Ablauf der ersten zwei Wochen nach der Entbindung beschäftigen, wenn
Sie kann ihre Erklärung nach Satz 1 Nummer 1 jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.(1) Der Arbeitgeber darf eine schwangere oder stillende Frau nicht an Sonn- und Feiertagen beschäftigen. Er darf sie an Sonn- und Feiertagen nur dann beschäftigen, wenn
- 1.
sich die Frau dazu ausdrücklich bereit erklärt, - 2.
eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot der Arbeit an Sonn- und Feiertagen nach § 10 des Arbeitszeitgesetzes zugelassen ist, - 3.
der Frau in jeder Woche im Anschluss an eine ununterbrochene Nachtruhezeit von mindestens elf Stunden ein Ersatzruhetag gewährt wird und - 4.
insbesondere eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
(2) Die Ausbildungsstelle darf eine schwangere oder stillende Frau im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 nicht an Sonn- und Feiertagen im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung tätig werden lassen. Die Ausbildungsstelle darf sie an Ausbildungsveranstaltungen an Sonn- und Feiertagen teilnehmen lassen, wenn
- 1.
sich die Frau dazu ausdrücklich bereit erklärt, - 2.
die Teilnahme zu Ausbildungszwecken zu dieser Zeit erforderlich ist, - 3.
der Frau in jeder Woche im Anschluss an eine ununterbrochene Nachtruhezeit von mindestens elf Stunden ein Ersatzruhetag gewährt wird und - 4.
insbesondere eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.