Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil, 31. März 2017 - VGH N 4/16, VGH N 5/16

ECLI:ECLI:DE:VERFGRP:2017:0331.VGHN4.16.0A
bei uns veröffentlicht am31.03.2017

Tenor

Die Vorlagen sind unzulässig.

Gründe

A.

1

Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren der konkreten Normenkontrolle betreffen die Frage, ob § 21 Abs. 2 des rheinland-pfälzischen Heilberufsgesetzes vom 19. Dezember 2014 (GVBl. S. 302) mit der Maßgabe, dass hiernach eine freiberufliche ärztliche Tätigkeit in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) in Rheinland-Pfalz nicht zulässig ist, mit der Landesverfassung vereinbar ist.

I.

2

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Heilberufsgesetzes – HeilBG – gehören in Rheinland-Pfalz Ärzte, Zahnärzte, Psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten öffentlichen Berufsvertretungen (Kammern) an. Die Ausübung der Berufstätigkeit durch die Angehörigen dieser Berufe außerhalb von Krankenhäusern und Privatkrankenanstalten ist nach § 21 Abs. 2 HeilBG grundsätzlich an die Niederlassung in eigener Praxis gebunden. Entsprechendes gilt für die Ausübung der Berufstätigkeit der Tierärzte.

3

Die maßgeblichen Regelungen der § 1 Abs. 1 und § 21 Abs. 2 HeilBG lauten wie folgt:

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§ 1 Mitgliedschaft

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(1) Die

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1. Ärztinnen und Ärzte

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2. Zahnärztinnen und Zahnärzte

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3. Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychologische Psychotherapeuten

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4. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten

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5. Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und Gesundheits- und Krankenpfleger

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6. Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger

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7. Altenpflegerinnen und Altenpfleger

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8. Apothekerinnen und Apotheker und

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9. Tierärztinnen und Tierärzte

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in Rheinland-Pfalz gehören öffentlichen Berufsvertretungen (Kammern) an.

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§ 21 Allgemeine Berufspflichten

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[…]

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(2) Die Ausübung der Berufstätigkeit durch die Berufsangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 außerhalb von Krankenhäusern und von Privatkrankenanstalten nach § 30 der Gewerbeordnung in der Fassung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202) in der jeweils geltenden Fassung ist an die Niederlassung in eigener Praxis gebunden, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen etwas anderes zulassen oder eine unselbständige Tätigkeit in der Praxis von Berufsangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ausgeübt wird. Ausgenommen sind Tätigkeiten von Berufsangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 bei Trägern, die nicht gewerbs- oder berufsmäßig medizinische Leistungen erbringen. Für die Berufsangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 gelten für die Ausübung ihrer Berufstätigkeit die Berufspflichten nach den Sätzen 1 und 2 entsprechend. Satz 1 gilt für die Ausübung der Berufstätigkeit der Tierärztinnen und Tierärzte entsprechend. Die Kammern können in besonderen Einzelfällen Ausnahmen von Satz 1 zulassen, wenn sichergestellt ist, dass berufsrechtliche Belange nicht beeinträchtigt sind.

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II.

20

1. a) Im Normenkontrollverfahren VGH N 4/16 begehrt die Antragstellerin und Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens die Eintragung ihrer Sitzverlegung von A. nach B. in das Handelsregister beim Amtsgericht – Registergericht – Mainz.

21

Sie ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mit Gesellschaftsvertrag vom 17. Mai 1979 mit Sitz in A. gegründet wurde und seit dem Jahr ihrer Gründung im Handelsregister beim Amtsgericht A. eingetragen ist. Alleiniger Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter ist seit Juni 1998 der Arzt Dr. B. Zweck der Gesellschaft ist die Ausführung von kosmetischer Chirurgie und Haarwurzeltransplantationen. Die ärztlichen Leistungen werden nach dem Gesellschaftsvertrag ausschließlich durch Ärzte ausgeführt. Die Ärzte sind bei Ausführung ihrer Tätigkeit keinen Weisungen von Nichtärzten unterworfen.

22

Nach einem Beschluss der Gesellschafterversammlung zur Verlegung des Sitzes der Gesellschaft von A. nach B. beantragte diese im Januar 2015 die Eintragung ihrer Sitzverlegung beim Amtsgericht Mainz. Auf Frage der Rechtspflegerin, ob Bedenken gegen die Eintragung in das Handelsregister bestünden, erklärte die Bezirksärztekammer Rheinhessen mit Schreiben vom 5. August 2015, in Rheinland-Pfalz sei die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern und Privatkrankenanstalten im Rahmen einer juristischen Person berufsrechtlich unzulässig. Mit Beschluss vom 16. November 2015 wies die Rechtspflegerin beim Amtsgericht – Registergericht – Mainz den Eintragungsantrag mit der Begründung zurück, das Registergericht sei an die Genehmigung der Verwaltungsbehörde ebenso wie an ein Negativattest gebunden. Hiergegen legte die Antragstellerin Beschwerde zum Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken ein.

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b) Im Normenkontrollverfahren VGH N 5/16 begehrt die Antragstellerin und Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens ihre erstmalige Eintragung in das Handelsregister beim Amtsgericht – Registergericht – Mainz.

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Sie ist mit Gesellschaftsvertrag und notarieller Urkunde vom 10. Juni 2015 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in B. errichtet worden. Alleiniger Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter ist der Arzt Dr. K. Zweck der Gesellschaft ist die Erbringung ambulanter Heilkundeleistungen durch Ärzte im dermatologischen Bereich sowie aller damit im Zusammenhang stehender Tätigkeiten.

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Im Juni 2015 beantragte sie ihre Ersteintragung beim Amtsgericht Mainz. Auf Frage der Rechtspflegerin, ob Bedenken gegen die Eintragung in das Handelsregister bestünden, erklärte die Bezirksärztekammer Rheinhessen mit Schreiben vom 5. August 2015, in Rheinland-Pfalz sei die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern und Privatkrankenanstalten im Rahmen einer juristischen Person berufsrechtlich unzulässig. Mit Beschluss vom 15. Oktober 2015 wies die Rechtspflegerin beim Amtsgericht – Registergericht – Mainz deshalb den Eintragungsantrag zurück. Hiergegen legte die Antragstellerin Beschwerde zum Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken ein.

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2. Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hat jeweils mit Beschluss vom 21. Januar 2016 die Beschwerdeverfahren ausgesetzt und begehrt eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs darüber, ob § 21 Abs. 2 HeilBG mit der Maßgabe, dass hiernach eine freiberufliche ärztliche Tätigkeit in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) in Rheinland-Pfalz nicht zulässig ist, mit der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV –, namentlich mit der Berufsfreiheit (Art. 58 LV), der Vereinigungsfreiheit (Art. 13 Abs. 1 LV), der Eigentumsfreiheit (Art. 60 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LV), der allgemeinen und wirtschaftlichen Handlungsfreiheit (Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Art. 52 Abs. 1 LV) und dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 17 Abs. 1 und 2 LV) vereinbar ist.

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Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, zwar sei das Registergericht entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin an rechtliche Einschätzungen berufsständischer Vereinigungen wie der Bezirksärztekammer Rheinhessen nicht gebunden, die diese im Rahmen ihrer Anhörung nach § 380 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen GerichtsbarkeitFamFG – abgegeben habe. Der Landesgesetzgeber habe jedoch ein Verbot freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit in der Rechtsform einer GmbH statuiert.

28

Es existierten keine bundesrechtlichen Regeln, die die Ausübung einer freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in der Rechtsform der GmbH untersagten. Diese Rechtsform stehe grundsätzlich zur Verfolgung jedes gesetzlich zulässigen Zwecks zur Verfügung und könne auch – wie im vorliegenden Fall – durch nur einen Gesellschafter gegründet und betrieben werden. Der Zweck oder Unternehmensgegenstand einer GmbH sei nicht auf den Betrieb einer gewerblichen Tätigkeit beschränkt, sondern könne auch auf nichtgewerbliche, insbesondere freiberufliche Tätigkeiten gerichtet sein.

29

Allerdings verbiete § 21 Abs. 2 HeilBG freiberufliche ärztliche Tätigkeiten in der Rechtsform einer GmbH. Die Vorschrift binde die freiberufliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in der Regel an eine „Niederlassung in eigener Praxis“. Unter einer ärztlichen Praxis werde herkömmlicherweise eine mit den notwendigen räumlichen, sachlichen und personellen Mitteln ausgestattete Einrichtung verstanden, in welcher durch approbierte Ärzte Patienten ambulant behandelt würden. Aus dem Wort „Niederlassung“ folge, dass Ärzte ihre Tätigkeiten nicht in reisender Weise erbringen dürften. Der Wortlaut des § 21 Abs. 2 HeilBG enthalte zwar nicht ausdrücklich weitere Verbote oder Einschränkungen. Die Auslegung der Vorschrift ergebe jedoch, dass nach dem Willen des Gesetzgebers freiberufliche ärztliche Tätigkeiten nicht in der Rechtsform einer GmbH erbracht werden dürften. Die Regelung gehe im Kern auf die Novelle des Heilberufsgesetzes von 1995 zurück, zu der in der Begründung des Gesetzentwurfs erläutert worden sei, dass Zusammenschlüsse in Form von Kapitalgesellschaften ausgeschlossen werden sollten. Die mehrfach lediglich redaktionell angepasste Vorschrift entspreche noch dem Willen des aktuellen Gesetzgebers.

30

Das Verbot freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit in der Rechtsform einer GmbH verstoße aber in mehrfacher Hinsicht gegen die Landesverfassung.

31

Dabei könne offen bleiben, ob die Regelung des § 21 Abs. 2 HeilBG im Hinblick auf das Verbot freiberuflicher Tätigkeit in der Rechtsform einer GmbH, das sich lediglich im Wege der Auslegung durch Rückgriff auf den Willen des Gesetzgebers entnehmen lasse, dem verfassungsrechtlichen Gebot genüge, dass zum Grundrechtseingriff berechtigende Gesetze hinreichend bestimmt Voraussetzungen, Umfang und Grenzen beabsichtigter Rechtsverkürzungen benennen müssten. Denn das Verbot greife in nicht zu rechtfertigender Weise in die verfassungsrechtlich verbürgte Berufsfreiheit (Art. 58 LV), die Vereinigungsfreiheit (Art. 13 Abs. 1 LV), die Eigentumsfreiheit (Art. 60 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LV) sowie die allgemeine und wirtschaftliche Handlungsfreiheit (Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Art. 52 Abs. 1 LV) ein. Diese Grundfreiheiten stünden auch der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens als im Entstehen begriffener, selbst rechtsfähiger juristischer Person zu. Der Gesetzgeber habe zwar die Befugnis, Berufe rechtlich zu ordnen und ihre Berufsbilder zu fixieren, wobei ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme. Gesetzliche Regelungen der Berufsausübung müssten jedoch durch legitime Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein. Solche Gründe bestünden für das Verbot einer Ärzte-GmbH nicht mehr. Die ursprünglichen Bedenken des Gesetzgebers gegen einen Zusammenschluss von Ärzten in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften, weil für Patienten erkennbar sein müsse, wer für die Behandlung verantwortlich sei, die Bundesärzteordnung nur natürlichen Personen eine Approbation ermögliche und die Führung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung bei der Überwachung der Berufsausübung durch die Kammern zu erheblichen Problemen geführt habe, seien jedenfalls überholt. Heilbehandlungen dürften, unabhängig davon, in welcher Rechtsform sich Ärzte zusammenschlössen, nur durch sie selbst und nicht durch den Verband als solchen erbracht werden. Die Identität des Behandelnden trete dabei offen zutage. Die Approbation sei unabhängig davon, dass der Heilbehandlungsvertrag nur mit der Gesellschaft als solcher zustande komme. Im Übrigen stehe es dem Gesetzgeber frei, fortbestehenden Bedenken bei der Überwachung dadurch zu begegnen, dass der Kreis der Gesellschafter derartiger Gesellschaften auf Ärzte beschränkt werde und gegebenenfalls auch deren Geschäftsführung Ärzten vorbehalten bleibe. Dass sich die vormaligen Bedenken als unberechtigt herausgestellt hätten, ergebe sich auch daraus, dass Rechtsanwälte und Zahnärzte seit langem in dieser Rechtsform tätig werden dürften. Die Praxis im Bereich der Krankenhäuser, Privatkrankenanstalten und medizinischen Versorgungszentren zeige ebenfalls, dass eine ärztliche Zusammenarbeit in Form einer GmbH keine besonderen Gefahren für Patienten berge oder eine Überwachung durch die Kammern erschwere. Ärzte könnten sich zudem seit jeher in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und mittlerweile auch in einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenschließen.

32

Besondere wirtschaftliche Risiken für Patienten, Kammern oder die Allgemeinheit, die einem ärztlichen Zusammenschluss in der Rechtsform einer GmbH entgegenstehen könnten, bestünden nicht. Seit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts komme der Behandlungsvertrag nur mit dieser zustande. Diese hafte, wie auch der allein praktizierende Arzt, mit ihrem gesamten Vermögen. Im Bereich der deliktischen Haftung stehe der Patient einer Ärzte-GmbH sogar besser, da neben dem behandelnden Arzt auch der Verband hafte. Das Risiko etwaiger wirtschaftlich orientierter Weisungen von Seiten der juristischen Person sei ein jeder Vergesellschaftung immanentes Risiko und spräche letztlich gegen jede unselbständige Beschäftigung von Ärzten. Die Berufspflicht des Arztes zur ausreichenden Absicherung durch eine Haftpflichtversicherung knüpfe an diesem und nicht an der Gesellschaft als solcher an.

33

Die Möglichkeit, einerseits in der Rechtsform einer GmbH Krankenhäuser, Privatkrankenanstalten und medizinische Versorgungszentren zu betreiben und auch insoweit ambulante Heilbehandlungen anzubieten, und sich auch ganz generell zur ärztlichen Berufsausübung in Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder Partnerschaftsgesellschaft zusammenschließen zu können, sowie andererseits das Verbot, (sonstige) ärztliche Tätigkeiten in der Rechtsform einer GmbH erbringen zu dürfen, begründe einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 17 Abs. 1 und 2 LV. Ein vernünftiger, aus der Sache folgender oder sonst einleuchtender Grund für die Differenzierung sei aus den oben dargelegten Erwägungen nicht erkennbar.

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Schließlich verbiete auch die Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 2. Dezember 2015 eine ärztliche Zusammenarbeit in der Rechtsform einer GmbH nicht. Nach der Berufsordnung könnten Ärztinnen und Ärzte auch in der Form der juristischen Person des Privatrechts ärztlich tätig sein, soweit dies durch formelles Gesetz zugelassen sei.

III.

35

Der Landtag, die Landesregierung und die Beschwerdeführerinnen der Ausgangsverfahren haben zu den Vorlagebeschlüssen Stellung genommen. Die beurkundenden Notare in den Ausgangsverfahren sowie die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz und die Bundesärztekammer haben von einer Stellungnahme abgesehen.

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1. Nach Auffassung des Landtags dürften sich die Vorlagen als zulässig erweisen. Die vom Bundesverfassungsgericht für das vergleichbare Verfahren auf Bundesebene gestellten Anforderungen an die Begründungspflichten des vorlegenden Gerichts gälten grundsätzlich auch für das konkrete Normenkontrollverfahren auf Landesebene. Hierzu gehöre die Erörterung einer verfassungskonformen Auslegung, wenn offensichtlich mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kämen, die zu unterschiedlich starken Eingriffen in grundrechtlich geschützte Positionen führten und den verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts nicht in gleicher Weise ausgesetzt seien. Letztlich sei ein umfassendes verfassungsrechtliches Gutachten des vorlegenden Gerichts erforderlich. Jedenfalls in Bezug auf den behaupteten Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 58 LV) und das Gleichheitsgebot (Art. 17 Abs. 1 und 2 LV) habe das Oberlandesgericht der Begründungspflicht genügt. Gegen die Zulässigkeit spreche auch nicht, dass das vorlegende Gericht die behauptete Verfassungswidrigkeit durch eine verfassungskonforme Auslegung von § 21 HeilBG hätte beseitigen können. Eine verfassungskonforme Auslegung finde dort ihre Grenze, wo sie zum Wortlaut und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch stehe. Im Vorlagebeschluss habe das Oberlandesgericht ausführlich herausgearbeitet, dass das Verbot dem noch heute aktuellen Willen des historischen Gesetzgebers entspreche. Darüber hinaus folge das Verbot auch unmittelbar aus dem Wortlaut von § 21 Abs. 2 HeilBG, das die Ausübung der Berufstätigkeit „an die Niederlassung in eigener Praxis“ binde. Der Begriff der Praxis werde durch das Adjektiv „eigener“ eingegrenzt. Danach sei die ärztliche Tätigkeit in voller eigener Verantwortung des betreffenden Arztes auszuführen. Dies erfordere, dass der Arzt den medizinischen Auftrag selbst nach eigenem Ermessen übernehmen und gestalten können müsse, wozu ihm – unabhängig von der Eigentumsfrage – auch die räumlichen und sächlichen Mittel zur Verfügung stehen müssten. Des Weiteren sei unabdingbare Voraussetzung für das Handeln in „eigener“ Praxis der Abschluss der Behandlungsverträge in eigenem Namen sowie die Liquidation im eigenen Namen. Letzteres sei bei Ausübung der Berufstätigkeit eines Arztes in einer GmbH nicht der Fall, da die Behandlungsverträge mit der juristischen Person geschlossen würden und der Arzt über die Übernahme des medizinischen Auftrags regelmäßig nicht selbst entscheiden könne. Eine gegenteilige verfassungskonforme Auslegung, nach der § 21 Abs. 2 HeilBG der Ausübung ärztliche Tätigkeiten in der Rechtsform einer GmbH nicht entgegenstehe, komme deshalb nicht in Betracht.

37

Die Vorlage sei jedoch unbegründet. Die in Rede stehende Bestimmung des § 21 Abs. 2 HeilBG stehe mit der Landesverfassung in Einklang. Sie verstoße insbesondere nicht gegen Art. 58 LV, der die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung schütze. Die Berufsausübungsregelung des § 21 Abs. 2 HeilBG sei durch vernünftige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe dem Schutz des Patienten und der Aufrechterhaltung des Berufsstandes des Arztes in eigener Praxis Rechnung tragen wollen. Besondere Gefahren bezüglich der Erkennbarkeit des für die Behandlung Verantwortlichen bestünden bei Ausübung ärztlicher Tätigkeiten in Form einer GmbH bereits deshalb, weil für die Patienten als juristische Laien nicht ohne weiteres erkennbar sei, wer Gesellschafter der GmbH und als Geschäftsführer für die Behandlung letztlich auch verantwortlich sei. Hinzu komme, dass die GmbH eine Form der Kapitalgesellschaft bilde, bei der Entscheidungen der Gesellschafter und Geschäftsführer oft unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen würden. Die Gesundheit der Patienten erfordere jedoch Entscheidungen rein aus medizinischen, nicht aus wirtschaftlichen Gründen.

38

2. Nach Auffassung der Landesregierung dürften die Vorlagen im Ergebnis zulässig sein. Die strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungspflichten des vorlegenden Gerichts in dem vergleichbaren Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG müsse sich der Verfassungsgerichtshof für das Normenkontrollverfahren nach Art. 130 Abs. 3 LV nicht notwendigerweise und in jeder Hinsicht zu Eigen machen. Er habe es für ausreichend erachtet, dass das vorlegende Gericht die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten landesgesetzlichen Bestimmungen aufgezeigt und eingehend dargetan habe, weshalb es diese für unvereinbar mit den Vorschriften der Landesverfassung erachte. Es dürfte ausreichen, sich mit naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen. Zumindest im Hinblick auf den angenommenen Verstoß gegen Art. 58 LV habe das Oberlandesgericht dies getan und damit seiner Darlegungspflicht genügt.

39

Die Vorlage sei jedoch unbegründet. § 21 Abs. 2 HeilBG sei mit der Landesverfassung vereinbar. Insbesondere ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 58 LV) liege nicht vor. Die Berufsausübungsregelung – das Verbot einer Praxisführung durch eine juristische Person in der Rechtsform der GmbH – lasse sich durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls rechtfertigen. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber insbesondere den Schutz der Patienten stärken wollen. Die Beschränkung der Berufsausübung durch die angegriffene Norm sei auch den betroffenen Ärzten und juristischen Personen zumutbar, die sich schon bei ihrer Berufswahl darauf hätten einstellen können. Ferner sehe § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Erbringung freiberuflicher Leistungen in der Form einer Kapitalgesellschaft vor, wenn sichergestellt sei, dass berufsrechtliche Belange nicht beeinträchtigt seien.

40

3. Die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens trägt vor, die Vorlage sei zulässig. Nach den in der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Begründung der Richtervorlage müsse das vorlegende Gericht sich unter Berücksichtigung von Literatur und Rechtsprechung eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen, insbesondere auf die unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten eingehen und die hierzu entwickelten Auffassungen bezüglich der zur Prüfung gestellten Norm berücksichtigen. Ein umfassendes verfassungsrechtliches Gutachten werde hingegen nicht verlangt. Der Vorlagebeschluss genüge diesen Anforderungen, indem das Oberlandesgericht in der gebotenen Kürze auf alle wesentlichen Aspekte und Auslegungsmöglichkeiten eingegangen sei.

41

Das vorlegende Gericht gehe zutreffend davon aus, dass ein durch § 21 Abs. 2 HeilBG normiertes Verbot einer freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts (GmbH) verfassungswidrig sei. Diese Auffassung werde auch in der Rechtslehre geteilt. Die Bedenken des historischen Gesetzgebers, welche zum Verbot einer Ärzte-GmbH geführt hätten, seien mit dem heutigen Wortlaut des § 23a der Berufsordnung für Ärzte Rheinland-Pfalz ausgeräumt. Darin würden klare Voraussetzungen normiert für eine Ärztegesellschaft in der Form der juristischen Person des Privatrechts hinsichtlich ihrer Gesellschafter, Geschäftsführung, Gesellschaftsanteile, Stimmrechte, Gewinnbeteiligung, Berufshaftpflichtversicherung und ihres Namens. Gleiches gelte für die Musterberufsordnung für Ärzte, die seit ihrer Neufassung im Jahr 2004 in § 23a entsprechende Kriterien für die Gründung einer Ärztegesellschaft als juristische Person des Privatrechts enthalte, die insbesondere gewährleisteten, dass der bestehende Patientenschutz auch bei Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in der Rechtsform einer GmbH gewahrt bleibe. Die in der Berufsordnung aufgestellten Voraussetzungen für eine Ärzte-GmbH würden von ihnen – den Beschwerdeführerinnen – erfüllt.

42

Im Übrigen sei bereits zweifelhaft, ob es im Heilberufsgesetz eine hinreichend klar normierte Regelung gebe, die als Beschränkung der betroffenen Grundrechte geeignet wäre. Denn der Wortlaut der Norm enthalte anders als die gesetzliche Regelung in Bayern kein ausdrückliches Verbot einer ärztlichen Tätigkeit in der Form einer GmbH oder allgemein in der Form einer juristischen Person des Privatrechts.

B.

43

Die Vorlagen – mit denen das Oberlandesgericht dem Verfassungsgerichtshof die Frage vorgelegt hat, ob § 21 Abs. 2 HeilBG mit der Maßgabe, dass hiernach eine freiberufliche ärztliche Tätigkeit in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) in Rheinland-Pfalz nicht zulässig ist, mit der Landesverfassung vereinbar ist – sind unzureichend begründet und daher unzulässig. Denn sie erörtern die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung nicht, obwohl sie nahe liegt.

I.

44

Hält ein Gericht ein Landesgesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, mit der Landesverfassung nicht für vereinbar, so ist das Verfahren nach Art. 130 Abs. 3 LV auszusetzen und die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs einzuholen. Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – ist in der Begründung der Richtervorlage anzugeben, inwiefern von der Gültigkeit des Landesgesetzes die – im Ausgangsverfahren zu treffende – Entscheidung des Gerichts abhängt und mit welcher Vorschrift der Landesverfassung das Landesgesetz unvereinbar ist.

45

Das Gericht muss daher in seinem Vorlagebeschlusses die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten landesgesetzlichen Bestimmung aufzeigen und eingehend dartun, weshalb es diese für unvereinbar mit der Landesverfassung hält (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 14. Februar 2012 – VGH N 3/11 –, AS 41, 29 [36]; Urteil vom 4. Mai 2016 – VGH N 22/15 –, AS 44, 423 [432]). Zur Begründung der Vorlage nach § 24 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG muss das Gericht jedenfalls die Entscheidungserheblichkeit und seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der zur Überprüfung gestellten Norm nachvollziehbar darlegen und sich dabei mit naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten auseinandersetzen (vgl. Jutzi, in: Brocker/Droege/ Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 130 Rn. 92; HessStGH, Beschluss vom 13. März 2013 – P.St. 2344 –, juris Rn. 52; vgl. auch ThürVerfGH, Beschluss vom 7. September 2010 – 27/07 –, juris Rn. 53).

46

Hierzu zählt, dass das vorlegende Gericht, wenn die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung nahe liegt, diese Möglichkeit prüfen und vertretbar begründen muss, weshalb sie ausscheidet (vgl. HessStGH, Beschluss vom 13. März 2013 – P.St. 2344 –, juris Rn. 54 f.; ThürVerfGH, Beschluss vom 7. September 2010 – 27/07 –, juris Rn. 53). Da eine Vorlage nur zulässig ist, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm überzeugt ist, muss eine verfassungskonforme Auslegung ausgeschlossen werden (vgl. Jutzi, in: Brocker/ Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 130 Rn. 89). Zur Darlegung der Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Regelung gehört daher auch die Erörterung einer verfassungskonformen Auslegung, wenn offensichtlich mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen, die zu unterschiedlich starken Eingriffen in grundrechtlich geschützte Positionen führen und den verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts nicht in gleicher Weise ausgesetzt sind. Eine Richtervorlage ist demnach unzureichend begründet, wenn die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung nicht erörtert wird, obwohl sie nahe liegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 – 1 BvL 21/88 –, BVerfGE 85, 329 [333 f.] und Leitsatz; vgl. auch LVerfG SH, Beschluss vom 21. Mai 2012 – LVerfG 1/11 –, juris Rn. 29; Bier, in: Grimm/Caesar [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 130 Rn. 41). Möglich und notwendig kann auch die verfassungskonforme Auslegung einer Ausnahmeregelung von einem gesetzlich vorgesehenen Verbot sein, um der Bedeutung des durch das Verbot beschränkten Grundrechts Rechnung zu tragen und dessen unverhältnismäßige Beschränkung zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Januar 2002 – 1 BvR 1783/99 –, BVerfGE 104, 337 [356]).

II.

47

Diesen Anforderungen genügen die Vorlagebeschlüsse nicht. Das vorlegende Gericht hat nicht begründet, weshalb eine verfassungskonforme Auslegung des § 21 Abs. 2 HeilBG ausgeschlossen sein soll, obwohl eine solche Möglichkeit nahe liegt.

48

1. Nach dem Wortlaut der Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 1 HeilBG ist die Ausübung der ärztlichen Berufstätigkeit – außerhalb von Krankenhäusern und Privatkrankenanstalten – an die Niederlassung in eigener Praxis gebunden, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen etwas anderes zulassen oder eine unselbständige Tätigkeit in der Praxis von Berufsangehörigen ausgeübt wird. Ein ausdrückliches Verbot, dass die Führung einer ärztlichen Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts nicht statthaft ist, enthält diese Vorschrift im Gegensatz zur bayerischen Regelung (vgl. Art. 18 Abs. 1 Satz 2 des bayerischen Heilberufe-Kammergesetzes – BayHKaG – i.d.F. vom 20. Juli 1994, GVBl. 1994, S. 853) nicht.

49

Das vorlegende Oberlandesgericht geht davon aus, dass nach § 21 Abs. 2 Satz 1 HeilBG eine freiberufliche ärztliche Tätigkeit in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) in Rheinland-Pfalz nicht zulässig ist. Es begründet dies wie folgt: Die Vorschrift binde die freiberufliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in der Regel an eine „Niederlassung in eigener Praxis“. Unter einer ärztlichen Praxis werde herkömmlicherweise eine mit den notwendigen räumlichen, sachlichen und personellen Mitteln ausgestattete Einrichtung verstanden, in welcher durch approbierte Ärzte Patienten ambulant behandelt würden. Aus dem Wort „Niederlassung“ folge, dass Ärzte ihre Tätigkeiten nicht in reisender Weise erbringen dürften. Der Wortlaut des § 21 Abs. 2 HeilBG enthalte zwar nicht ausdrücklich weitere Verbote oder Einschränkungen. Die Auslegung der Vorschrift ergebe jedoch, dass nach dem Willen des Gesetzgebers freiberufliche ärztliche Tätigkeiten nicht in der Rechtsform einer GmbH erbracht werden dürften. Die Regelung gehe im Kern auf die Novelle des Heilberufsgesetzes von 1995 zurück, zu der in der Begründung des Gesetzentwurfs erläutert worden sei, dass Zusammenschlüsse in Form von Kapitalgesellschaften ausgeschlossen werden sollten. Die mehrfach lediglich redaktionell angepasste Vorschrift entspreche noch dem Willen des aktuellen Gesetzgebers.

50

Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 21 Abs. 2 Satz 1 HeilBG erörtert das vorlegende Gericht in seinem Vorlagebeschluss nicht. Als solche könnte hier in Betracht kommen, der Vorschrift kein Verbot der freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts – und damit auch einer GmbH – zu entnehmen, da sie ein ausdrückliches Verbot dieses Inhalts nicht enthält.

51

Allerdings findet die verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 –, BVerfGE 122, 39 [60 f.] = juris Rn. 57 m.w.N.; HessStGH, Beschluss vom 13. März 2013 – P.St. 2344 –, juris Rn. 112 f.). Das vorlegende Gericht hat zutreffend dargelegt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Novellierung des Heilberufsgesetzes im Jahr 1995 freiberufliche ärztliche Tätigkeiten in der Rechtsform einer GmbH nicht zulässig sein sollen. Denn in der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich ausgeführt, dass mit der Regelung Zusammenschlüsse in Form von Kapitalgesellschaften ausgeschlossen werden sollen (vgl. LT-Drucks. 12/7097, S. 23). Zwar nicht das vorlegende Gericht, aber der Landtag weist in seiner Stellungnahme zudem zutreffend darauf hin, dass nach dem Wortlaut von § 21 Abs. 2 Satz 1 HeilBG, der die Ausübung der Berufstätigkeit „an die Niederlassung in eigener Praxis“ bindet, der Begriff der Praxis durch das Adjektiv „eigener“ eingegrenzt wird. Nach Auffassung des Landtags folgt das Verbot freiberuflicher ärztlicher Tätigkeiten in der Rechtsform einer GmbH daher auch aus dem Wortlaut des § 21 Abs. 2 Satz 1 HeilBG, so dass eine gegenteilige verfassungskonforme Auslegung, nach der die vorgelegte Norm der Ausübung ärztliche Tätigkeiten in der Rechtsform einer GmbH nicht entgegenstehe, nicht in Betracht komme. Diese Auffassung ist in der Rechtslehre nicht unbestritten (vgl. Eisenberg, Ärztliche Kooperations- und Organisationsformen, 2002, S. 240 Fn. 986).

52

Es kann jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 21 Abs. 2 Satz 1 HeilBG angesichts des klaren Willens des historischen Gesetzgebers und des Wortlauts dieser Vorschrift als ausgeschlossen oder zumindest als nicht naheliegend anzusehen ist, so dass das Oberlandesgericht sich mit einer solchen Möglichkeit nicht näher befassen musste.

53

2. Denn das vorlegende Gericht hat die Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG nicht berücksichtigt, die Ausnahmen von der Vorschrift des Satzes 1 des § 21 Abs. 2 HeilBG zulässt. Es hat nicht geprüft, ob durch die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung seinen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das – dem Satz 1 des § 21 Abs. 2 HeilBG entnommene – Verbot freiberuflicher ärztlicher Tätigkeiten in der Rechtsform einer GmbH Rechnung getragen werden kann, obwohl dies nahe liegt. Es hat mithin nicht begründet, weshalb eine verfassungskonforme Auslegung des § 21 Abs. 2 HeilBG auch bei Anwendung der Regelung des Satzes 5 über die Zulassung einer Ausnahme von dem Verbot des Satzes 1 ausgeschlossen sein soll. Das Oberlandesgericht hat demnach eine naheliegende Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 21 Abs. 2 HeilBG nicht erörtert und daher seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm nicht entsprechend den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG begründet.

54

a) Nach § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG können die Kammern in besonderen Einzelfällen Ausnahmen von Satz 1 zulassen, wenn sichergestellt ist, dass berufsrechtliche Belange nicht beeinträchtigt sind. Die auf der gesetzlichen Grundlage des § 23 HeilBG ergangene Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 20. April 2005, zuletzt geändert am 23. September 2015 mit Wirkung zum 2. Dezember 2015, trifft in § 23a Abs. 1 für Ärztegesellschaften folgende Regelung: Ärztinnen und Ärzte können auch in der Form der juristischen Person des Privatrechts tätig sein, soweit dies durch formelles Gesetz zugelassen ist (Satz 1). Gesellschafter einer Ärztegesellschaft können nur Ärztinnen und Ärzte und Angehörige der in § 23b Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung genannten Berufe sein (Satz 2), also Angehörige anderer akademischer Heilberufe, andere Naturwissenschaftler und Mitarbeiter aus sozialpädagogischen Berufen. Sie müssen in der Gesellschaft beruflich tätig sein (Satz 3). Gewährleistet sein muss zudem, dass (a) die Gesellschaft verantwortlich von einer Ärztin oder einem Arzt geführt wird; Geschäftsführer müssen mehrheitlich Ärztinnen und Ärzte sein, (b) die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte Ärztinnen und Ärzten zustehen, (c) Dritte nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt sind, (d) eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung für alle in der Gesellschaft tätigen Ärztinnen und Ärzte besteht (Satz 4). § 23a Abs. 2 Satz 1 der Berufsordnung verlangt zudem, dass der Name der Ärztegesellschaft des Privatrechts nur die Namen der in der Gesellschaft tätigen ärztlichen Gesellschafter enthalten darf. Die Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte in der Fassung des 118. Deutschen Ärztetages 2015 – MBO – enthält eine weitgehend inhaltsgleiche Bestimmung (vgl. § 23a MBO).

55

Die aktuelle ärztliche Berufsordnung in Rheinland-Pfalz steht demnach einer freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in der Rechtsform einer GmbH nicht entgegen, wenn dies durch formelles Gesetz zugelassen ist und die genannten weiteren berufsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Als formelles Gesetz in diesem Sinne kann § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG angesehen werden, das Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot des Satzes 1 zulässt. Es spricht daher alles dafür, dass berufsrechtliche Belange nicht beeinträchtigt sind, wenn eine Ärztegesellschaft in der Form einer GmbH die genannten, in § 23a der Berufsordnung aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. In diesem Fall sind damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot des Satzes 1 durch die Kammern nach Satz 5 des § 21 Abs. 2 HeilBG gegeben.

56

b) Es liegt demnach nahe, dass den verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts, wonach das Verbot des § 21 Abs. 2 Satz 1 HeilBG in nicht zu rechtfertigender Weise insbesondere in die verfassungsrechtlich verbürgte Berufsfreiheit (Art. 58 LV) eingreife, durch die Zulassung einer Ausnahme nach § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG Rechnung getragen werden kann.

57

Dem steht nicht entgegen, dass § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG keine gebundene Entscheidung der Kammer bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen vorsieht. Die Kammern „können“ lediglich Ausnahmen in besonderen Einzelfällen zulassen. Sie entscheiden mithin nach Ermessen. Ein Anspruch auf Zulassung besteht nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Dennoch kann sich das den Kammern eingeräumte Ermessen dahingehend verdichten, dass allein die Zulassung einer Ausnahme verfassungsgemäß ist. Hier kommt insbesondere in Betracht, dass die Verweigerung, eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot zuzulassen, jedenfalls dann gegen die Berufsfreiheit (Art. 58 LV) verstößt, wenn die GmbH die in § 23a Abs. 1 Satz 2 bis 4 der Berufsordnung genannten Voraussetzungen für eine Ärztegesellschaft in der Form einer juristischen Person des Privatrechts erfüllt. So wird im rechtswissenschaftlichen Schrifttum mit beachtlichen Gründen vertreten, dass im Wege verfassungskonformer Auslegung gleichlautende Ausnahmevorschriften in den Heilberufsgesetzen anderer Bundesländer als Muss-Vorschriften zu interpretieren sind (vgl. Taupitz, NJW 1996, 3033 [3041]; Attermeyer, Die ambulante Arztpraxis in der Rechtsform der GmbH, 2005, S. 57 f. und 212).

58

Die Annahme, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG in Verbindung mit § 23a der ärztlichen Berufsordnung in Rheinland-Pfalz die Kammer eine Ausnahme vom Verbot der Ärzte-GmbH nicht nur zulassen kann, sondern zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes zulassen muss, liegt zudem gerade vom rechtlichen Standpunkt des vorlegenden Gerichts nahe. Denn das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Verbots einer Ärzte-GmbH in erster Linie damit begründet, dass die ursprünglichen Bedenken des Gesetzgebers – wie sie in der Gesetzesbegründung im Jahre 1995 geäußert wurden – gegen einen Zusammenschluss von Ärzten in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften vor allem im Hinblick auf den Schutz des Patienten überholt seien; im Übrigen stehe es dem Gesetzgeber frei, fortbestehenden Bedenken dadurch zu begegnen, dass der Kreis der Gesellschafter derartiger Gesellschaften auf Ärzte beschränkt werde und gegebenenfalls auch deren Geschäftsführung Ärzten vorbehalten bleibe. Entsprechende Anforderungen an eine freiberufliche ärztliche Tätigkeit in der Form einer GmbH werden in § 23a Abs. 1 Satz 2 bis 4 der Berufsordnung hinsichtlich der Gesellschafter, Geschäftsführung, Gesellschaftsanteile und Stimmrechte, Gewinnbeteiligung sowie Berufshaftpflichtversicherung indes im Einzelnen bestimmt. Diese Voraussetzungen für eine solche GmbH verfolgen ersichtlich das Ziel, den Schutz der Patienten gegenüber den sie behandelnden Ärzten auch dann zu gewährleisten, wenn diese in der Form einer juristischen Person der Privatrechts organisiert und ärztlich tätig sind. Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass auch das Oberlandesgericht bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme nach § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG bejaht hätte, wenn es diese Bestimmung berücksichtigt hätte.

59

c) Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung der vorgelegten Norm ist schließlich auch nicht deswegen als ausgeschlossen oder zumindest als nicht naheliegend anzusehen, weil nach § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG die Zulassung einer Ausnahme durch die Kammern erfolgt und in den beiden vorliegenden Fällen die Bezirksärztekammer mit Schreiben vom 5. August 2015 erklärt hat, in Rheinland-Pfalz sei die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern und Privatkrankenanstalten im Rahmen einer juristischen Person berufsrechtlich unzulässig.

60

aa) Wie das Oberlandesgericht in den Vorlagebeschlüssen ausgeführt hat, ist das Registergericht – entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts – an allgemeine rechtliche Einschätzungen berufsständischer Vereinigungen wie der Bezirksärztekammer Rheinhessen nicht gebunden, die diese im Rahmen ihrer Anhörung nach § 380 FamFG abgegeben hat. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts handelt es sich bei den Schreiben der Bezirksärztekammer vom 5. August 2015 daher lediglich um eine nicht bindende rechtliche Stellungnahme. Folglich liegt eine Entscheidung der Ärztekammer über die Zulassung einer Ausnahme nach § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG noch nicht vor. Diese Bewertung der Schreiben der Bezirksärztekammer erscheint auch plausibel angesichts dessen, dass weder in der Anfrage der Rechtspflegerin des Amtsgerichts noch in den Antwortschreiben der Bezirksärztekammer die Möglichkeit einer Ausnahmezulassung nach § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG angesprochen wird.

61

bb) Im Übrigen ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG auch in den Fällen nicht ausgeschlossen, in denen die Zulassung einer Ausnahme nach dieser Bestimmung durch die Kammer abgelehnt wird. Dies liegt auf der Hand, sofern das Registergericht an eine solche Ablehnung nicht gebunden sein sollte und diese in eigener Zuständigkeit überprüfen könnte.

62

Doch auch, wenn das Registergericht an eine förmliche Ablehnungsentscheidung der Ärztekammer hinsichtlich der Zulassung einer Ausnahme nach § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG gebunden sein sollte, gilt im Ergebnis nichts anderes.

63

Für eine solche Bindung könnte sprechen, dass in dem – möglicherweise vergleichbaren – Fall der Genehmigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG in der bis 31. Oktober 2008 geltenden Fassung (a.F.) in Rechtsprechung und Rechtslehre angenommen wurde, das Registergericht sei im Eintragungsverfahren an die Genehmigung ebenso wie an ein Negativattest der Verwaltungsbehörde gebunden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 1987 – II ZB 49/87 –, BGHZ 102, 209 = juris Rn. 4 ff.; BayObLG, Beschluss vom 7. Juni 2000 – 3Z BR 26/00 –, juris Rn. 16 m.w.N.). Nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG a.F. war der Anmeldung der GmbH in dem Fall, dass der Gegenstand des Unternehmens staatlicher Hilfe bedarf, auch die Genehmigungsurkunde beizufügen. Ohne die Genehmigung durfte die Gesellschaft nicht eingetragen werden. Die Prüfung und Genehmigung der dem öffentlichen Recht angehörenden Fragen gehörte nicht zu dem Aufgabenkreis des Registerrichters, da sie ihn in zahlreichen Fällen sachlich überfordern würde und zudem ein Eingriff in die Zuständigkeit der staatlichen Genehmigungsbehörden und der mit ihrer Kontrolle betrauten Verwaltungsgerichte wäre, deren Entscheidungen für das Handelsregister bindend sind (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 1987 – II ZB 49/87 –, BGHZ 102, 209 = juris Rn. 7).

64

Sofern diese Erwägungen auf die Entscheidung der Ärztekammer über die Zulassung einer Ausnahme nach § 21 Abs. 2 Satz 5 HeilBG übertragbar sein und eine Bindung des Registergerichts an eine Ablehnungsentscheidung der Kammer im Eintragungsverfahren begründen sollten, könnte eine Antragstellerin, welche die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme erfüllt, diesen Anspruch im Wege der Verpflichtungsklage gegenüber der Kammer bei den Verwaltungsgerichten durchsetzen. Das Registergericht könnte die fehlende Ausnahmezulassung nach einer Ablehnungsentscheidung der Kammer zum Gegenstand einer Zwischenverfügung machen, mit der der Antragstellerin die Beseitigung behebbarer Eintragungshindernisse aufgegeben werden kann (vgl. § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23. Februar 2011 – 3 W 22/11 –, juris Rn. 6).

C.

65

Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG gerichtskostenfrei. Auslagen werden nicht erstattet (vgl. § 21a Abs. 3 VerfGHG).

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1.
Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Unternehmers in Beziehung auf die Leitung oder Verwaltung der Anstalt oder Klinik dartun,
1a.
Tatsachen vorliegen, welche die ausreichende medizinische und pflegerische Versorgung der Patienten als nicht gewährleistet erscheinen lassen,
2.
nach den von dem Unternehmer einzureichenden Beschreibungen und Plänen die baulichen und die sonstigen technischen Einrichtungen der Anstalt oder Klinik den gesundheitspolizeilichen Anforderungen nicht entsprechen,
3.
die Anstalt oder Klinik nur in einem Teil eines auch von anderen Personen bewohnten Gebäudes untergebracht werden soll und durch ihren Betrieb für die Mitbewohner dieses Gebäudes erhebliche Nachteile oder Gefahren hervorrufen kann oder
4.
die Anstalt oder Klinik zur Aufnahme von Personen mit ansteckenden Krankheiten oder von Geisteskranken bestimmt ist und durch ihre örtliche Lage für die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke erhebliche Nachteile oder Gefahren hervorrufen kann.

(2) Vor Erteilung der Konzession sind über die Fragen zu Absatz 1 Nr. 3 und 4 die Ortspolizei- und die Gemeindebehörden zu hören.

(1) Die Registergerichte werden bei der Vermeidung unrichtiger Eintragungen, der Berichtigung und Vervollständigung des Handels- und Partnerschaftsregisters, der Löschung von Eintragungen in diesen Registern und beim Einschreiten gegen unzulässigen Firmengebrauch oder unzulässigen Gebrauch eines Partnerschaftsnamens von

1.
den Organen des Handelsstandes,
2.
den Organen des Handwerksstandes, soweit es sich um die Eintragung von Handwerkern handelt,
3.
den Organen des land- und forstwirtschaftlichen Berufsstandes, soweit es sich um die Eintragung von Land- oder Forstwirten handelt,
4.
den berufsständischen Organen der freien Berufe, soweit es sich um die Eintragung von Angehörigen dieser Berufe handelt,
(berufsständische Organe) unterstützt.

(2) Das Gericht kann in zweifelhaften Fällen die berufsständischen Organe anhören, soweit dies zur Vornahme der gesetzlich vorgeschriebenen Eintragungen sowie zur Vermeidung unrichtiger Eintragungen in das Register erforderlich ist. Auf ihren Antrag sind die berufsständischen Organe als Beteiligte hinzuzuziehen.

(3) In Genossenschaftsregistersachen beschränkt sich die Anhörung nach Absatz 2 auf die Frage der Zulässigkeit des Firmengebrauchs.

(4) Soweit die berufsständischen Organe angehört wurden, ist ihnen die Entscheidung des Gerichts bekannt zu geben.

(5) Gegen einen Beschluss steht den berufsständischen Organen die Beschwerde zu.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Tenor

1. Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

A.

1

Das Vorlageverfahren betrifft die Vereinbarkeit von § 3 Abs. 3 Nr. 4 des Gesetzes zur Vorbeugung und Abwehr der von Hunden ausgehenden Gefahren (Gefahrhundegesetz -GefHG) vom 28. Januar 2005 (GVOBl S. 51) mit der schleswigholsteinischen Landesverfassung (LV).

I.

2

Das schleswig-holsteinische Gefahrhundegesetz hat den Zweck, Gefahren für die öffentliche Sicherheit vorzubeugen und abzuwehren, die mit dem Halten und Führen von Hunden verbunden sind (§ 1 GefHG). Es enthält zum einen Regelungen über Pflichten, die alle treffen, wie etwa den Leinenzwang für Hunde an bestimmten Orten. Zum anderen werden Halterinnen und Haltern von gefährlichen Hunden besondere Pflichten auferlegt. So bedarf die Haltung eines gefährlichen Hundes einer Erlaubnis, die an besondere Voraussetzungen geknüpft ist, wie etwa die Volljährigkeit, Zuverlässigkeit, persönliche Eignung und Sachkunde der Halterin oder des Halters, die Kennzeichnung des Hundes und der Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Diese Voraussetzungen sind teils durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.

3

Nach § 10 Abs. 1 GefHG sind gefährliche Hunde so zu halten, dass sie ein befriedetes Besitztum gegen den Willen der Hundehalterin oder des Hundehalters nicht verlassen können. Außerhalb des befriedeten Besitztums darf ein gefährlicher Hund nur an einer höchstens zwei Meter langen Leine geführt werden, außer in eingezäunten Hundeauslaufgebieten, wenn er einen Maulkorb trägt. Zudem ist dem Hund außerhalb des befriedeten Besitztums ein leuchtend hellblaues Halsband anzulegen. Gemäß § 10 Abs. 5 GefHG ist gefährlichen Hunden, die mindestens sechs Monate alt sind, außerhalb des befriedeten Besitztums ein Maulkorb anzulegen. Von dieser Maulkorbpflicht erteilt die Behörde eine Ausnahme, wenn die Fähigkeit des Hundes zu sozialverträglichem Verhalten durch einen Wesenstest nachgewiesen ist. Die Ausnahme wird nicht erteilt, wenn der Hund als gefährlich eingestuft wurde, weil er einen Menschen gebissen hat. Von der Leinenpflicht und der Pflicht zum Anlegen eines kennzeichnenden Halsbandes können hingegen keine Ausnahmen erteilt werden.

4

Gemäß § 3 Abs. 1 GefHG ist das Halten eines gefährlichen Hundes erlaubnispflichtig. Wann ein Hund als gefährlich anzusehen ist, regeln § 3 Abs. 2 und 3 GefHG. Nach Absatz 2 gelten die im Gesetz zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland vom 12. April 2001 (BGBl I

5

S. 530) genannten Hunderassen stets als gefährlich (derzeit: Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander). Absatz 3 führt enumerativ Tatbestände auf, bei deren Vorliegen ein Hund als gefährlich gilt. Nummer 1 betrifft Hunde, die gefährliche Eigenschaften besitzen, wie eine über das natürliche Maß hinaus gehende Kampfbereitschaft, Angriffslust und so weiter. Unter Nummer 2 fallen Hunde, die einen Menschen gebissen haben, soweit dies nicht zur Verteidigung gegen eine strafbare Handlung geschah. Nummer 3 gilt für Hunde, die außerhalb des befriedeten Besitztums Menschen wiederholt in gefahrdrohender Weise angesprungen oder sonst geängstigt haben. Nach Nummer 5 gelten Hunde als gefährlich, die unkontrolliert Wild, Vieh oder andere Tiere hetzen oder reißen.

6

Als gefährlich gelten nach der mit der Vorlage gerügten Vorschrift des § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG ferner:

7

Hunde, die ein anderes Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben.

8

Nach § 3 Abs. 5 GefHG kann die Behörde zur Prüfung, ob es sich um einen gefährlichen Hund nach Absatz 2 (Rassenliste) oder Absatz 3 Nr. 1 (gefährliche Eigenschaften) handelt, eine Begutachtung des Hundes anordnen.

II.

9

Der Kläger des Ausgangsverfahrens vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht -3 A 27/11 -ist Halter eines Schäferhundes. Er wendet sich gegen eine Ordnungsverfügung des Amtes Schlei-Ostsee, mit der festgestellt wurde, dass sein Hund ein gefährlicher Hund im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG sei und mit der klarstellend die in § 10 GefHG genannten Pflichten angeordnet wurden. Zur Begründung der Verfügung heißt es, der Hund des Klägers sei am

10

22. Juni 2010 über den Zaun des klägerischen Grundstücks gesprungen und habe den von den Eheleuten W. geführten Cairn-Terrier durch einen Biss in den Nacken verletzt. Beweise für die klägerische Behauptung, der Schäferhund sei zuerst durch den Terrier angegriffen worden und habe sich lediglich verteidigt, lägen nicht vor. Weder habe der Kläger eine Tierarztrechnung vorgelegt noch Fotos von angeblichen Verletzungen seines Hundes.

11

Noch während des laufenden Widerspruchsverfahrens erhielt der Kläger antragsgemäß eine Erlaubnis zum Führen eines gefährlichen Hundes gemäß § 3 Abs. 1 GefHG, eine Bescheinigung über die Eignung zum Führen eines gefährlichen Hundes nach § 10 Abs. 7 GefHG sowie eine Befreiung von der Maulkorbpflicht nach § 10 Abs. 5 Satz 3 GefHG. Dem Antrag hatte der Kläger ein Gutachten eines Fachtierarztes für Verhaltenskunde beigefügt, nach dem von seinem Hund derzeit keinerlei erhöhtes Gefährdungspotential ausgehe, so dass er nicht als gefährlicher Hund eingestuft werden sollte.

12

Im gegen die Ordnungsverfügung gerichteten Klageverfahren hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. März 2011 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und auch keine grundsätzliche Bedeutung habe.

13

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2011 Beweis erhoben über den Vorfall vom 22. Juni 2010 durch Vernehmung der Eheleute W. Diese haben angegeben, sie seien mit ihrem angeleinten Hund an dem Grundstück des Klägers vorbeigegangen, als dessen Hund plötzlich über den Zaun gesprungen sei und den Hund der Eheleute W. in den Nacken gebissen habe. Der Hund der Eheleute W. habe vor dem Vorfall und während des Vorfalles nicht gebellt und den klägerischen Hund nicht angegriffen.

III.

14

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren mit Beschluss der Einzelrichterin vom 7. November 2011 ausgesetzt und dem Landesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG in der seit 28. Januar 2005 geltenden Fassung mit Art. 2a der Landesverfassung in Verbindung mit Art. 1 und 2 Grundgesetz (GG) sowie dem Bestimmtheitsgebot für Gesetze (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) vereinbar ist.

15

Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG entspreche nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Gesetzen und die Anwendung der Vorschrift sei in dieser Form nicht praktikabel (1). Zudem sei der Normzweck, Gefahren für die öffentliche Sicherheit vorzubeugen und abzuwehren, die mit dem Halten und Führen von Hunden verbunden seien, nicht erreichbar (2).

16

1. Es handele sich bei den Tatbestandsmerkmalen von § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG, die die Gefährlichkeit des Hundes begründen sollten, um unbestimmte Rechtsbegriffe, die durch Behörden und Gerichte nicht näher konkretisiert werden könnten, so dass das Gesetz nicht in rechtsstaatlicher Weise anzuwenden sei. Es sei nicht möglich, einen angezeigten Beißvorfall unter die gerügte Regelung zu subsumieren. Der Ablauf des Geschehens einer Beißerei werde in der Regel von den beobachtenden Personen höchst kontrovers geschildert. Beobachtungen seien oft ungenau und das Ausdrucksverhalten der Hunde so differenziert und variabel, dass Menschen dieses Verhalten oft fehl deuteten.

17

2. Durch die Regelung in § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG werde in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit eingegriffen, das die allgemeine Handlungsfreiheit in einem umfassenden Sinne schütze, wozu auch das Interesse der Hundehalterinnen und -halter an einem unreglementierten Umgang mit ihren Tieren gehöre. Dieser Umgang werde im Falle der Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes erheblich eingeschränkt, unter anderem durch weitgehende Mitwirkungspflichten und ein behördliches Wohnungsbetretungsrecht. Zudem stellten der in § 10 Abs. 3 GefHG geregelte Leinenzwang einen Verstoß gegen das Tierschutzrecht und die Einhaltung dieser Leinenpflicht durch die Halterin oder den Halter einen Verstoß gegen die Würde des Menschen dar. Grundrechtseinschränkungen seien zulässig im Bereich der Gefahrenabwehr, also dann, wenn von einem Hund tatsächlich eine Gefahr ausgehe. Ob dies der Fall sei, könne aber nicht mittels der in § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG gewählten Formulierungen festgestellt werden. Da die Norm auf der Rechtsfolgenseite kein Ermessen eröffne, verstoße sie gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dabei sei besonders schwerwiegend, dass die Gefährlichkeitseinstufung für das gesamte Leben des betroffenen Hundes gelte, ohne dass die Möglichkeit bestehe, durch Entwicklung und Ausbildung des Hundes nachzuweisen, dass sich eine nachhaltige Verhaltensänderung ergeben habe. Die Unverhältnismäßigkeit folge auch daraus, dass unter einem "Tier" im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG jedes Tier zu

18

verstehen sei, so dass jeder Hund, der irgendein Tier (zum Beispiel eine Maus, einen Vogel oder ähnliches) beiße, als gefährlich gelte. Dass ein solcher Biss nicht

19

Ausdruck eines gesteigerten Aggressionspotentials eines Hundes sei, vor dem die Öffentlichkeit geschützt werden müsse, bedürfe keiner weiteren Erörterung.

IV.

20

1. Die Landesregierung hält den Antrag für unzulässig, jedenfalls für unbegründet. Das Verwaltungsgericht habe den angeblichen Verstoß des § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG gegen Art. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 2a LV nicht in einer den Vorgaben des § 44 Abs. 2 Satz 1 LVerfGG genügenden Weise dargelegt. Der Vorlagebeschluss setze sich nicht eingehend mit der Rechtslage auseinander und berücksichtige nicht die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsauffassungen insbesondere auch des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts. Dies gelte auch für die behaupteten Verstöße gegen das Tierschutzrecht und das Bestimmtheitsgebot. In der Sache begegne die angegriffene Vorschrift keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie diene dem legitimen Zweck der Gefahrenabwehr im Sinne eines Schutzes von Leib und Leben vor gefährlichen Hunden. Vor diesem Hintergrund sei die Regelung auch verhältnismäßig. Sie sei auch hinreichend bestimmt, denn die Auslegung der Vorschrift durch die Gerichte habe gezeigt, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale ausreichend konkret und objektivierbar seien.

21

2. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens teilen die Auffassung des Vorlagebeschlusses. Der Landtag hat von einer Stellungnahme abgesehen.

B.

22

Die Vorlage ist unzulässig.

I.

23

Die Vorlage ist bereits mangels Vorlageberechtigung unzulässig, denn den Aussetzungs-und Vorlagebeschluss hat die Einzelrichterin und nicht die hierzu allein berufene Kammer des Verwaltungsgerichts erlassen.

24

Ein Gericht kann einen Aussetzungs-und Vorlagebeschluss gemäß Art. 44 Abs. 2 Nr. 3 LV in Verbindung mit Art. 100 Abs. 1 GG und § 44 Abs. 1 Landesverfassungsgerichtsgesetz (LVerfGG) grundsätzlich nur durch den Spruchkörper in seiner vollen Besetzung fassen (vgl. stRspr. zu § 80 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz -BVerfGG -zuletzt BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2010 -2 BvL 21/08 -Juris Rn. 5 m.w.N.). Zwar kann ein Mitglied eines Kollegialorgans, das zur Sachentscheidung als Einzelrichterin oder als Einzelrichter berufen ist, auch zur Entscheidung über die Vorlage berechtigt sein. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Einzelrichterin oder der Einzelrichter aufgrund einer Ermessensnorm zur Entscheidung berufen ist, sei es aufgrund einer Übertragung durch den Spruchkörper oder aufgrund eines Konsenses der Beteiligten. In diesen Fällen ist vielmehr grundsätzlich zu verlangen, dass die Einzelrichterin oder der Einzelrichter einen Beschluss der Kammer beziehungsweise des Senats herbeiführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1998 -1 BvL 23/97 -Juris Rn. 17 für finanzgerichtliche Verfahren; BVerfG, Beschluss vom 15. November 2010 -1 BvL 12/10 -Juris Rn. 6 zu § 348 Abs. 1 ZPO).

25

Der Einzelrichterin ist gemäß der Ermessensnorm des § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen worden. Sie hätte den Rechtsstreit daher zunächst nach § 6 Abs. 3 VwGO auf die Kammer zurückübertragen müssen. Eine wesentliche Änderung der Prozesslage im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn die Einzelrichterin oder der Einzelrichter nach Würdigung des Sachvortrages der Beteiligten, Kenntnisnahme der Verwaltungsvorgänge und vertiefter rechtlicher Prüfung zu der Auffassung gelangt, eine streitentscheidende Norm sei verfassungswidrig und der Rechtsstreit daher dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen (vgl. Kaiser, in: Bader/ Kaiser/ Stuhlfauth/ Albedyll, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 6 Rn. 20; Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 6 Rn. 21; Stelkens/ Clausing, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/ Pietzner , VwGO, § 6 Rn. 71 ; Wysk, in: Wysk , VwGO, 2011, § 6 Rn. 39). Dies gilt auch bei einer Vorlage an das Landesverfassungsgericht.

26

Es bestand keine Veranlassung, dem Verwaltungsgericht die Möglichkeit zu geben, diesem Mangel vor einer Entscheidung des Landesverfassungsgerichts abzuhelfen. Zum einen erfüllt der Vorlagebeschluss auch im Übrigen nicht die Voraussetzungen einer zulässigen Richtervorlage. Zum anderen hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts in voller Besetzung inzwischen in zwei Klageverfahren von einer Vorlage an das Landesverfassungsgericht abgesehen und ausdrücklich festgestellt, dass § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG nicht verfassungswidrig sei (Urteile vom

27

14. Februar 2012 -3 A 212/10 -und -3 A 105/11 -). Die Einzelrichterin hat auf anschließende Anfrage des Landesverfassungsgerichts eine Aufhebung des Vorlagebeschlusses ausdrücklich abgelehnt.

II.

28

Der Vorlagebeschluss genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen nach § 44 Abs. 2 Satz 1 LVerfGG. Nach dieser, dem § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nachgebildeten Vorschrift muss die Begründung des Vorlagebeschlusses angeben, inwiefern von der Gültigkeit des Landesgesetzes die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher Vorschrift der Landesverfassung das Landesgesetz unvereinbar ist. Hierfür muss das vorlegende Gericht die für seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen und sich dabei eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen. Mit der Norm in Zusammenhang stehende Vorschriften müssen in die rechtlichen Erwägungen einbezogen werden, wenn sie zu ihr in einem ergänzenden Verhältnis stehen, so dass sie nur mit ihr zusammen die entscheidungserhebliche Regelung bilden (grundlegend: BVerfG, Beschluss vom

29

14. November 1990 -1 BvL 10/89 -BVerfGE 83, 111 ff., Juris Rn. 26 m.w.N.; stRspr.). Der Beschluss hat den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab anzugeben. Dabei hat er die in der Literatur und in der Rechtsprechung, insbesondere der des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise des Landesverfassungsgerichts, entwickelten Rechtsauffassungen zu berücksichtigen. Zudem ist darzulegen, dass eine verfassungskonforme Auslegung erwogen und in vertretbarer Weise ausgeschlossen worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 1 BvL 21/88 -BVerfGE 85, 329 ff., Juris Rn. 20 m.w.N.; stRspr.). Die Ausführungen müssen schließlich mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht bei Gültigkeit der Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (siehe zu Darlegungsanforderungen bei Richtervorlagen allgemein: Hamdorf, NordÖR 2011, 301 <304> = SchlHA 2011, 213 <215>; Dollinger, in: Umbach/ Clemens/ Dollinger , Bundesverfassungsgerichtsgesetz -Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 2. Aufl. 2005, § 80 Rn. 77 ff.; jeweils m.w.N.).

30

1. Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG nicht den Anforderungen des § 44 Abs. 2 Satz 1 LVerfGG genügend dargelegt. Diese erfordern, dass das Gericht den Inhalt der vorgelegten Norm durch Auslegung erschließt (a), den Inhalt der Verfassungsnorm wiedergibt (b) und feststellt, dass die vorgelegte Norm mit der Verfassungsnorm nicht vereinbar ist (c), wobei die Möglichkeiten einer verfassungskonformen Auslegung der Norm zu erörtern sind (d) (siehe zu diesem Prüfungs-und Darlegungsaufbau Hamdorf, a.a.O, <306> = <217>; Dollinger, a.a.O., Rn. 54).

31

a) Der Inhalt der einfachgesetzlichen Norm des § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG wäre anhand der herkömmlichen Auslegungsregeln (Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte) zu erschließen gewesen. Zudem wären die hierzu in Bezug stehenden Regelungen insbesondere auf der Rechtsfolgenseite darzustellen gewesen. Hierbei wären die hierzu ergangene Rechtsprechung und vorhandene Kommentarliteratur auszuwerten gewesen. Hieran fehlt es bereits. Stattdessen behauptet der Vorlagebeschluss, die Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG seien nicht praktikabel auslegbar.

32

aa) Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind beim Merkmal "ohne selbst angegriffen worden zu sein" Behörden und Gerichte in der Regel auf Zeugenaussagen angewiesen. Deren Angaben beschränkten sich zumeist auf die Feststellung, welcher Hund zuerst gebissen oder zuerst geknurrt habe. In der Hundesprache gebe es aber zahlreiche andere Ausdrucksformen, die einen Angriff darstellen könnten, ohne dass ein solcher "Angriff" für Menschen erkennbar sei.

33

Das vorlegende Gericht scheint von vornherein davon auszugehen, dass eine praktikable Auslegung des Begriffes "Angriff" nicht in Betracht komme, weil sich Behörden und Gerichte auf die Angaben von Zeugen stützen und verlassen müssten. Hierbei wird jedoch die Auslegung gesetzlicher Tatbestandsmerkmale mit deren Beweisbarkeit vermengt. Dabei wird die Frage der Beweislast für das Nichtvorliegen eines Angriffs nicht erörtert. Ebenso wenig wird mitgeteilt, worin nach Auffassung des Gerichts ein Angriff "in der Hundesprache" zu sehen sein könnte.

34

Die einschlägige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts und anderer Gerichte sowie die Kommentarliteratur werden nicht ausgewertet. Unabhängig davon ist das Tatbestandsmerkmal eines Angriffs aus verschiedenen Rechtsgebieten bekannt (vgl. zur Definition eines gegenwärtigen Angriffs nach § 32 Abs. 1 StGB: BGH, Urteile vom 7. November 1972 -1 StR 489/72 -NJW 1973, 255, Juris Rn. 5 und vom 26. August 1987 -3 StR 303/87 -BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 1, Juris Rn. 5; Perron, in: Schönke/ Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Aufl. 2010, § 32 Rn. 3), so dass die dort verwandten Definitionen sinngemäß hätten herangezogen werden können.

35

bb) Ähnliches gilt für den Begriff der "Unterwerfungsgestik". Eine solche festzustellen, sei dem Nicht-Fachmann nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht möglich. Aus diesem Grunde könnten die unbestimmten Rechtsbegriffe in der Vorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 4 GefHG zur Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes nicht ausgelegt werden. Die Ausführungen zeigen, dass das Gericht die Möglichkeiten einer praktikablen Auslegung der Tatbestandsmerkmale der vorgelegten Norm nicht ausgeschöpft hat. Das vorlegende Gericht teilt nicht mit, wodurch Hunde nach seiner Auffassung eine Unterwerfung -für die im Übrigen die Behörde die Beweislast tragen dürfte -zum Ausdruck bringen. Der bloße Verweis auf Fachliteratur zum Ausdrucksverhalten des Hundes genügt an dieser Stelle nicht.

36

cc) Auf den ersten Blick hegt das vorlegende Gericht zurecht Bedenken gegen den sehr weiten Wortlaut des § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG, soweit es dort heißt: "ein anderes Tier durch Biss geschädigt haben". Dieser Teil der Norm wäre zwar kaum zu rechtfertigen, wenn unter einem Tier jedes nichtmenschliche Geschöpf, "von der Mücke bis zum Elefanten" zu verstehen wäre. Jedoch steht vorliegend ausschließlich ein gegen einen anderen Hund gerichteter Hundebiss im Raum, so dass dies schon nicht entscheidungserheblich ist.

37

Unabhängig davon prüft das vorlegende Gericht nicht die Möglichkeiten einer Auslegung der Norm, die dem Gesetz zu einer sinnvollen und praktikablen Anwendung verhelfen würde. Der Begriff des Tieres wird in Art. 20a GG und in verschiedenen einfachen Gesetzen verwendet. Er ist zwar zunächst umfassend, die Gesetze gehen aber durchweg davon aus, dass nicht alle Tiere den gleichen gesetzlichen Schutz verdienen. So differenziert das Schutzprogramm des Tierschutzgesetzes zwischen Wirbeltieren und wirbellosen Tieren, warmblütigen und kaltblütigen Tieren. Auch mit der Aufnahme der Tiere in den grundgesetzlich verankerten Umweltschutz des Art. 20a GG sind in erster Linie höher entwickelte Tiere gemeint, deren Leidens-und Empfindungsfähigkeit ein "ethisches Mindestmaß" für einen verantwortungsvollen Umgang erfordern (Epiney, in: v. Mangoldt/ Klein/ Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 20a Rn. 19; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/ Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 20a Rn. 22). Der Wortlaut des § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG steht einer solchen differenzierenden Auslegung nicht entgegen. Auch die Kommentarliteratur zu § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG geht davon aus, dass insbesondere bei kleineren Wirbeltieren das Beißverhalten eines Hundes arttypisch sein und im Hinblick auf die Belange der Gefahrenabwehr als unschädlich angesehen werden kann. Eine Gefährlichkeitseinstufung würde in diesem Fall gegen das Übermaßverbot verstoßen und sei daher unzulässig (Lehmann, GefHG, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Juni 2006, § 3 Anm. 3.4). Das vorlegende Gericht hätte auf diese Auslegungsmöglichkeiten eingehen und sich mit ihnen auseinandersetzen müssen.

38

b) Der Inhalt der herangezogenen Verfassungsnormen wird unzureichend wiedergegeben. So ist dem Vorlagebeschluss zumindest hinsichtlich Art. 1 und 2 GG nicht hinreichend klar zu entnehmen, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen an die vorgelegte Norm das Gericht aus den herangezogenen Verfassungsbestimmungen ableitet.

39

c) Der Beschluss enthält keine hinreichende Subsumtion, aus der sich ein Verfassungsverstoß schlüssig ableiten ließe.

40

aa) Der Vorlagebeschluss hätte sich damit auseinandersetzen müssen, dass in der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts ein Verstoß von § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG gegen das Bestimmtheitsgebot ausdrücklich verneint wurde (Urteil vom 29. Mai 2001 -4 K 8/00 -NVwZ 2001, 1300 ff., Juris Rn. 114 ff., zum damaligen § 3 Abs. 2 der Gefahrhundeverordnung).

41

bb) Im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen die allgemeine Handlungsfreiheit geht das vorlegende Gericht auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu gesetzlichen Regelungen in Bezug auf gefährliche Hunde nicht ein. Dabei wäre zu erörtern gewesen, ob die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung der Entscheidung des Bundesgesetzgebers für die Verbote nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland und die sogenannte "Rasseliste" zur Anwendung gebracht hat (BVerfG, Urteil vom

42

16. März 2004 -1 BvR 1778/01 -BVerfGE 110, 141 ff.), auf die hier in Rede stehenden gefahrpräventiven Maßnahmen übertragen werden können und welche Folgerungen sich daraus ergeben. Der Vorlagebeschluss lässt auch unerwähnt, dass das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht bislang ausdrücklich einen Verstoß gegen die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit verneint hat (Urteil vom 29. Mai 2001, a.a.O., Juris Rn. 130 f.). Hieran hat das Oberverwaltungsgericht nach Verkündung des Vorlagebeschlusses durch das Verwaltungsgericht ausdrücklich festgehalten (Beschluss vom 13. Februar 2012 -4 LA 5/12 -, bislang nicht veröffentlicht).

43

cc) In Bezug auf Art. 1 GG erschöpft sich die Darlegung in dem Satz, die Einhaltung der Leinenpflicht durch den Halter des Hundes verstoße gegen die Würde des Menschen. Diese Behauptung ist aus sich heraus, ohne Erläuterung und ohne Auseinandersetzung mit dem Begriff der Menschenwürde nicht nachvollziehbar.

44

dd) Soweit schließlich ein Verstoß gegen das "Tierschutzrecht" gerügt wird, wird nicht erörtert, welchen Schutzgehalt die einschlägige Verfassungsvorschrift, namentlich Art. 7 LV hat. Dies wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil es sich um eine Staatszielbestimmung handelt, die dem Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungs-und Konkretisierungsspielraum einräumt (Kämpfer, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 7 Rn. 5 und 11).

45

d) Das Gericht hätte die Möglichkeiten einer verfassungskonformen Auslegung von § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG prüfen und darlegen müssen, weshalb eine solche nicht in Betracht kommt. Dies ist ebenfalls unterblieben.

46

2. Das Verwaltungsgericht hat auch die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm für den Ausgangsrechtsstreit nicht ausreichend dargelegt.

47

Der Vorlagebeschluss lässt nicht zweifelsfrei erkennen, weshalb die Klage abgewiesen werden muss, wenn § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG als verfassungsgemäß anzusehen sein sollte. Das Gericht geht davon aus, dass es "nicht die Möglichkeit [hat], festzustellen, dass der Schäferhund nicht als Erster angegriffen worden ist." Es wird aber nicht klar, weshalb die Entscheidung auf dieser Grundlage zu Lasten des Klägers ausgehen muss. Angesichts des Wortlautes von § 3 Abs. 3 Nr. 4 ("durch Biss geschädigt hat, ohne selbst angegriffen worden zu sein") erscheint es jedenfalls denkbar, das Fehlen eines Angriffs als negatives Tatbestandsmerkmal zu verstehen, mit der Folge, dass die Behörde den Beweis zu führen hätte, dass kein Angriff vorlag. Das Gericht setzt sich mit dieser Möglichkeit nicht auseinander.

III.

48

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckbarkeit entfällt (§ 34 LVerfGG).


(1) Die Registergerichte werden bei der Vermeidung unrichtiger Eintragungen, der Berichtigung und Vervollständigung des Handels- und Partnerschaftsregisters, der Löschung von Eintragungen in diesen Registern und beim Einschreiten gegen unzulässigen Firmengebrauch oder unzulässigen Gebrauch eines Partnerschaftsnamens von

1.
den Organen des Handelsstandes,
2.
den Organen des Handwerksstandes, soweit es sich um die Eintragung von Handwerkern handelt,
3.
den Organen des land- und forstwirtschaftlichen Berufsstandes, soweit es sich um die Eintragung von Land- oder Forstwirten handelt,
4.
den berufsständischen Organen der freien Berufe, soweit es sich um die Eintragung von Angehörigen dieser Berufe handelt,
(berufsständische Organe) unterstützt.

(2) Das Gericht kann in zweifelhaften Fällen die berufsständischen Organe anhören, soweit dies zur Vornahme der gesetzlich vorgeschriebenen Eintragungen sowie zur Vermeidung unrichtiger Eintragungen in das Register erforderlich ist. Auf ihren Antrag sind die berufsständischen Organe als Beteiligte hinzuzuziehen.

(3) In Genossenschaftsregistersachen beschränkt sich die Anhörung nach Absatz 2 auf die Frage der Zulässigkeit des Firmengebrauchs.

(4) Soweit die berufsständischen Organe angehört wurden, ist ihnen die Entscheidung des Gerichts bekannt zu geben.

(5) Gegen einen Beschluss steht den berufsständischen Organen die Beschwerde zu.

(1) Der Anmeldung müssen beigefügt sein:

1.
der Gesellschaftsvertrag und im Fall des § 2 Abs. 2 die Vollmachten der Vertreter, welche den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet haben, oder eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunden,
2.
die Legitimation der Geschäftsführer, sofern dieselben nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt sind,
3.
eine von den Anmeldenden unterschriebene oder mit den qualifizierten elektronischen Signaturen der Anmeldenden versehene Liste der Gesellschafter nach den Vorgaben des § 40,
4.
im Fall des § 5 Abs. 4 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, und der Sachgründungsbericht,
5.
wenn Sacheinlagen vereinbart sind, Unterlagen darüber, daß der Wert der Sacheinlagen den Nennbetrag der dafür übernommenen Geschäftsanteile erreicht.
6.
(weggefallen)

(2) In der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, daß die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und daß der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet. Das Gericht kann bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung Nachweise wie insbesondere die Vorlage von Einzahlungsbelegen eines in der Europäischen Union niedergelassenen Finanzinstituts oder Zahlungsdienstleisters verlangen.

(3) In der Anmeldung haben die Geschäftsführer zu versichern, daß keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 und 4 entgegenstehen, und daß sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. Die Belehrung nach § 53 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes kann schriftlich vorgenommen werden; sie kann auch durch einen Notar oder einen im Ausland bestellten Notar, durch einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten erfolgen.

(4) In der Anmeldung sind ferner anzugeben:

1.
eine inländische Geschäftsanschrift,
2.
Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer.

(5) Für die Einreichung von Unterlagen nach diesem Gesetz gilt § 12 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs entsprechend.

(1) Das Registergericht gibt einem Eintragungsantrag durch die Eintragung in das Register statt. Die Eintragung wird mit ihrem Vollzug im Register wirksam.

(2) Die Eintragung soll den Tag, an welchem sie vollzogen worden ist, angeben; sie ist mit der Unterschrift oder der elektronischen Signatur des zuständigen Richters oder Beamten zu versehen.

(3) Die einen Eintragungsantrag ablehnende Entscheidung ergeht durch Beschluss.

(4) Ist eine Anmeldung zur Eintragung in die in § 374 genannten Register unvollständig oder steht der Eintragung ein anderes durch den Antragsteller behebbares Hindernis entgegen, hat das Registergericht dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Beseitigung des Hindernisses zu bestimmen. Die Entscheidung ist mit der Beschwerde anfechtbar.

Auf die Beschwerde wird die Zwischenverfügung der Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht – Registergericht - Wittlich vom 5. Januar 2011 aufgehoben, soweit darin die fehlende positive Stellungnahme der IHK ... angemahnt wird.

Im Übrigen, soweit die Eintragung von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht wird, wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin hat eine Verlegung ihres Sitzes von H... nach W..... zur Eintragung im Handelsregister angemeldet. Die Anforderung eines Kostenvorschusses für die Eintragung sowie ein von der IHK ..... übersandter Fragebogen konnten ihr indes unter der neuen Anschrift nicht zugestellt werden, weil ein solcher Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war. Die IHK teilte dem Registergericht daraufhin mit, eine abschließende positive Stellungnahme zu der Sitzverlegung sei ihr nicht möglich. Der Vorschuss wurde nicht eingezahlt.

2

Mit der angegriffenen Zwischenverfügung hat das Registergericht die fehlende positive Stellungnahme der IHK zur Sitzverlegung sowie die fehlende Vorschusszahlung moniert.

3

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen und die dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

4

Das Rechtsmittel ist insgesamt statthaft und in zulässiger Weise eingelegt. In der Sache führt es zu einem Teilerfolg.

5

1. Gegen eine Zwischenverfügung des Handelsregistergerichts, die die Vornahme einer Eintragung von der Einzahlung eines Vorschusses abhängig macht (§ 8 Abs. 2 Satz 1 KostO), ist nach § 8 Abs. 3 KostO die Beschwerde statthaft. Im Übrigen ist die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung nach §§ 58, 382 Abs. 4 FamFG statthaft. Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist in beiden Fällen nach § 8 Abs. 3 KostO, § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG der Senat.

6

2. Die Beschwerde hat Erfolg, soweit in der Zwischenverfügung die fehlende positive Stellungnahme der IHK zur beantragten Sitzverlegung moniert wird. In einer solchen fehlenden (positiven) Stellungnahme liegt schon kein Eintragungshindernis; im Übrigen hat aber auch die Beteiligte hierauf keinen unmittelbaren Einfluss. Die berufsständischen Organe sind nach § 380 FamFG verpflichtet, das Registergericht zur Vermeidung unrichtiger Eintragungen in das Handelsregister zu unterstützen. Das Registergericht ist umgekehrt verpflichtet, diesen Organen rechtliches Gehör zu gewähren und von Verfahren in Kenntnis zu setzen, an denen sie sich beteiligen dürfen (OLG Stuttgart, MDR 83, 407). Gebunden ist das Registergericht aber an die Stellungnahme der berufsständischen Organe nicht (Ammon/Ries in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 3. Aufl., § 8 Rn 16), eine negative, eine „nicht positive“ oder eine fehlende Stellungnahme mithin kein Eintragungshindernis. Die von der Antragstellerin im Übrigen unmittelbar nicht zu beeinflussende Stellungnahme der IHK kann deshalb nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein, mit der der Antragstellerin nur die Beseitigung behebbarer Hindernisse aufgegeben werden kann.

7

Unbenommen ist es dem Registergericht allerdings, die begehrte Eintragung endgültig abzulehnen, eben weil der IHK eine Stellungnahme aus den hier genannten Gründen nicht möglich ist. Die Pflicht zur Anmeldung der Geschäftsanschrift bzw. von deren Änderung gem. §§ 13 Abs. 3 GmbhG, 31 HGB dient dem Gläubigerschutz. Sie soll sicherstellen, dass die Gläubiger dem Handelsregister eine Anschrift entnehmen können, unter der zuverlässig wirksame Zustellungen an die Gesellschaft erfolgen können. Dies setzt voraus, dass die Anschrift richtig und so gefasst ist, dass sie es zuverlässig ermöglicht, den Zustellungsort aufzufinden (OLG Naumburg, NZG 2009, 956). Fehlt es hieran oder bestehen Zweifel an der Richtigkeit einer Anschrift, ist der Antrag auf Eintragung einer Sitzverlegung abweisungsreif.

8

3. Dagegen hat das Registergericht der Beteiligten zu Recht die Zahlung eines Vorschusses aufgegeben und die Eintragung der (behaupteten) neuen Geschäftsanschrift vom Nachweis der Einzahlung im Wege der Zwischenverfügung abhängig gemacht (vgl. LG Wiesbaden, Beschluss vom 16.2.2006; 12 T 5/06; LG Chemnitz, Rpfleger 2005, 422; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 18. Aufl., § 8 Rn. 22). Die Antragstellerin ist zur Zahlung des angeforderten Kostenvorschusses nach §§ 8 Abs. 1, 79a KostO i.v.m. § 1 HRegGebV verpflichtet. Ein auf Antrag vorzunehmendes Geschäft im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 KostO ist auch ein „auf Anmeldung“ vorzunehmendes Geschäft des Registergerichts (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 2 Rn 12), denn das Tatbestandsmerkmal des Antragserfordernisses dient nur zur Abgrenzung der (auch) von Amts wegen vorzunehmenden Geschäfte.

9

4. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (§ 131c KostO i.V.m. § 4 HRegGebV und Nr. 2300 der Anlage zu § 1 HRegGebV). Ebenso erübrigt sich die Festsetzung eines Wertes des Beschwerdeverfahrens.