Sozialgericht Mainz Urteil, 10. Feb. 2015 - S 14 KR 549/13

ECLI:ECLI:DE:SGMAINZ:2015:0210.S14KR549.13.0A
bei uns veröffentlicht am10.02.2015

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme aus der KKV für das Produkt Lactrase.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten gegen das Risiko einer Erkrankung versichert. Er reichte bei der Beklagten ein ärztliches Attest des Facharztes für Ernährungsmedizin Herr K. vom 7. August 2012 ein, aus dem hervorgeht, dass er unter Lactoseintoleranz leidet. Als Therapieempfehlung wird eine laktosefreie oder laktosearme Kost empfohlen. Es werden Lactrase (Lactase) und NICApur MagnaCuB6 (Magnesium) empfohlen. Das Attest enthält den Hinweis, Lactrase sei gemäß § 12 Abs. 6 AMR erstattungsfähig. Die entsprechenden Urteile der Sozialgerichte seien der Beklagten bekannt. Der Arzt stellte ein Rezept für Lactrase 12000 Fcc Kap 60 St aus, das der Kläger unter Vorauszahlung von 17,50 Euro in der Apotheke einlöste.

3

Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme mit Bescheid vom 24. August 2012 ab. Sie ist der Ansicht, Lactrase gehöre zu der Gruppe der Lebensmittel/Diätikum. Nahrungsergänzungsmittel und diätische Lebensmittel seien durch die Arzneimittelrichtlinie von der Leistungspflicht ausgenommen.

4

Mit Widerspruchsschreiben vom 6. September 2012 bat der Kläger um Überprüfung. Es handele sich um ein Arzneimittel. Die Beklagte schaltete zur Überprüfung den MDK ein. Der MDK teilte am 24. September 2012 mit, Lactrase werde im Handel nicht als Arzneimittel sondern als Nahrungsmittel geführt. Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel seien nicht verordnungsfähig. Die Alternative zur Einnahme von Lactrase bestehe in einer Umstellung der Ernährung auf milchzuckerarme oder milchzuckerfreie Kost.

5

Die Beklagte wies nach mehrfachem Briefwechsel den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2013 zurück.

6

Hiergegen richtet sich die Klage vom 25. September 2013. Der Kläger verweist darauf, dass nach dem Attest des behandelnden Arztes Lactrase erstattungsfähig sei. Laktoseintoleranz sei eine nicht beeinflussbare Krankheit. Laktosefreie Nahrungsmittel seien wesentlich teurer. Er ist der Auffassung bei Lactrase handele es sich nicht um ein Nahrungsmittel sondern um ein Heilmittel. Er könne seine Ernährung nicht völlig umstellen, da nicht auf allen Produkten angegeben sei, ob sie Milchzucker enthielten. Die Kosten für Unfälle in Extremsportarten würden auch übernommen, daher sei es gleichheitswidrig, wenn die Kosten für Lactrase nicht übernommen werden.

7

Der Kläger erschien in der mündlichen Verhandlung nicht. Er beantragte schriftsätzlich sinngemäß,

8

den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für Lactrase 12000 Fcc in Höhe von 17,50 Euro zu erstatten.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie bezieht sich auf den Inhalt der Verwaltungsakte und ihres Widerspruchsbescheids.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

1. Die Kammer konnte die Streitsache auch in Abwesenheit des Klägers nach Lage der Akten verhandeln und entscheiden (§ 126 Sozialgerichtsgesetz). Auf diese Möglichkeit ist der Kläger in der Terminsmitteilung hingewiesen worden. Die Beklagte war damit einverstanden.

14

2. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2013 war rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Erstattung von Lactrase 12000 Fcc ist vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfasst.

15

a) Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Gemäß § 2 Abs. 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) stellen die Krankenkassen den Versicherten ihre Leistungen nach dem Dritten Kapitel unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Diese grundlegende Unterscheidung setzt sich bei den Anspruchsnormen des Dritten Kapitels, das die Leistungen der Krankenkassen regelt, fort. Die Leistungsmöglichkeiten der Krankenkassen zu Behandlung von Krankheiten sind ausgehend von dieser Systematik durch den Gesetzgeber nicht unbegrenzt gewährleistet sondern im Nachgang zu vielfältigen Kostendämpfungsgesetze in einzelnen Anspruchsnormen im Dritten Kapitel des SGB V genau umschrieben. Ein Anspruch auf Leistung besteht grundsätzlich nur bei den vom Gesetzgeber vorgesehenen und vom Gemeinsamen Bundesausschuss konkretisierten Leistungen. Über diesen Leistungskatalog hinausgehende Leistungen sind der Eigenverantwortung zuzurechnen, soweit nicht besondere Notfällen vorliegen (vgl. etwa § 2 Abs. 1 SGB V für lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen).

16

b) Die Erstattung von Lactrase 12000 Fcc ist von den Ansprüchen des Dritten Kapitels des SGB V nicht umfasst. Ein Notfall, der zur Erstattung führen müsste, besteht beim Kläger nicht.

17

aa) Laktoseintoleranz ist eine Erkrankung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft die Laktoseintoleranz als eine Krankheit in Form einer Stoffwechselstörung ein (Vgl. VG Köln, Urteil vom 29.09.2006 - 19 K 624/05 -, juris, Rdn. 23 ff., VG Minden, Urteil vom 27. September 2012 – 4 K 88/12 –, Rn. 27, juris). Sie wird im ICD-10 unter E73 geführt.

18

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei Lactrase nicht um ein Heilmittel, auf das der Kläger nach § 32 SGB V einen Anspruch haben könnte. Nach der an § 30 SGB VII orientierten Rechtsprechung des BSG sind Heilmittel persönliche medizinische Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmen der physikalischen Therapie sowie der Sprach- und Beschäftigungstherapie (Beck in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 32 SGB V, Rn. 14). Hierunter fallen Lactrase-Tabletten augenscheinlich nicht.

19

cc) Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V auf Arzneimittelversorgung mit Lactrase. Versicherte haben nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Lactrase 12000 Fcc ist nicht apothekenpflichtig, wodurch der Anspruch ausscheidet. Lactrase 12000 Fcc wird auch in Drogerien, Reformhäusern oder bei Kaufportalen im Internet vertrieben.

20

dd) Der Kläger hat auch keinen Anspruch nach § 34 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 12 Abs. 6 der Arzneimittelrichtlinie (AMR).

21

(1) Gemäß § 34 Abs. 1 SGB V sind zwar nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 SGB V grundsätzlich ausgeschlossen. Sie können aber von der Krankenkasse finanziert werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss sie in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 aufgenommen hat, weil sie die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, der behandelnde Vertragsarzt sie zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung ausnahmsweise verordnet hat, und kein Ausschluss besteht.

22

Nach § 12 Abs. 6 der vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Arzneimittelrichtlinie kann der behandelnde Arzt bei schwerwiegenden Erkrankungen auch Arzneimittel für Anthroposophie und Homöopathie verordnen, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete und Anwendungsvoraussetzungen nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist.

23

(2) Ob ein Ausschluss im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V besteht, wonach von der Versorgung solche Arzneimittel ausgeschlossen sind, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, kann dahinstehen. Bei Lactrase handelt es sich schon um kein Arzneimittel, sondern um ein Lebensmittel.

24

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat überzeugend entschieden, dass Lactrase nicht dem europarechtlich geprägten Begriff des Arzneimittels sondern dem ebenfalls europarechtlich geprägten Begriff des Lebensmittels entspricht (OLG Stuttgart, Urteil v. 14. Februar 2008 – Az. 2 U 81/07 = OLGR Stuttgart 2008, 335-337). Die erkennende Kammer schließt sich dieser Entscheidung aus den nachfolgenden Gründen an.

25

Das europäische Recht unterscheidet zwischen Lebensmittel und Arzneimittel. Nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden und unter anderem keine Arzneimittel sind. Lactrase erfüllt alle Merkmale dieser Definition. Es ist kein Arzneimittel.

26

Arzneimittel sind gemäß § 2 Arzneimittelgesetz in europarechtskonformer Auslegung gemäß Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 2001/83/EG alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bezeichnet werden. Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden, gelten ebenfalls als Arzneimittel.

27

Laktoseintoleranz wird von Lactrase, das überwiegend aus Laktase besteht, nicht geheilt oder verhütet. Lactrase dient auch nicht dazu, zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden. Das Unvermögen des Körpers bleibt auch bei Lactrase-Einnahme unverändert vorhanden.

28

Die Möglichkeit Laktase zu produzieren ist eine menschliche physiologische Funktion. Laktase kann im Verdauungstrakt Laktose (Milchzucker) spalten. Wer Laktase im ausreichenden Maße produziert kann milchzuckerhaltige Produkte ohne sonst auftretende Beschwerden wie Durchfall und/oder Blähungen zu sich nehmen. Das OLG Stuttgart gibt den Forschungsstand nach Erkenntnis der Kammer zutreffend wieder, wonach jeder Mensch ursprünglich mit fortschreitendem Alter die Fähigkeit verloren hat, das Enzym Laktase zu produzieren. Durch eine genetische Anpassung hat sich jedoch bei Teilen der Menschheit, und insbesondere bei der großen Mehrzahl der Zentral- und Nordeuropäer (bei den Deutschen 85-95 % laut Sachverständigengutachten im Verfahren beim OLG Stuttgart), aber auch der Mehrheit der Südeuropäer (bei 70 % laut Sachverständigengutachten) die Eigenschaft herausgebildet, auch im Erwachsenenalter noch Laktase bilden zu können. Manche Menschen verlieren diese Möglichkeit des Körpers mit fortschreitendem Alter dennoch.

29

Die in Lactrase enthaltene Laktase spaltet vielmehr die Laktose unmittelbar im Speisebrei. Es wird nicht die Verdauung beeinflusst, sondern vielmehr der Nahrungsbrei verdaulicher gemacht (OLGR Stuttgart 2008, 335, 337). Somit ist Lactrase kein Arzneimittel.

30

c) Eine Regelung im SGB V, wonach Leistungen in Form von Lebensmitteln durch die Beklagte erstattet werden dürfen, existiert nicht. Lactrase ist daher dem Bereich der Selbstverantwortung zuzurechnen.

31

d) Eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Grundgesetz (GG) liegt nicht vor. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln und ist verletzt, wenn gesetzliche Bestimmungen, eine Gruppe im Vergleich zu einer zweiten Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14.03.2000 – 1 BvR 284/96, 1 BvR 11 BvR 1659/96 Rn. 41). Risikosportler werden nach einem Unfall zur Heilung mit Arzneimitteln behandelt. Laktoseintolerante können kein Arzneimittel zur Heilung der fehlenden Möglichkeit ihres Körpers zur Laktaseproduktion erhalten, da es ein solches nicht gibt. Lactrase heilt nicht sondern macht eigentlich unverträgliche Lebensmittel verträglich. Insofern werden beide Gruppen, die sich in unterschiedlicher Situation befinden, zu Recht unterschiedlich behandelt werden.

32

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

33

4. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 92 Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erforder

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 31 Arznei- und Verbandmittel, Verordnungsermächtigung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 34 Ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel


(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 32 Heilmittel


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht nach § 34 ausgeschlossen sind. Ein Anspruch besteht auch auf Versorgung mit Heilmitteln, die telemedizinisch erbracht werden. Für nicht nach Satz 1 ausgeschlossene Heilmi

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 30 Heilmittel


Heilmittel sind alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmen der physikalischen Ther

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Tenor Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 14. Juli 2014 und vom 22. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2014 verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu seinen Aufwendungen für das Präparat LactoStop 33

Referenzen

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht nach § 34 ausgeschlossen sind. Ein Anspruch besteht auch auf Versorgung mit Heilmitteln, die telemedizinisch erbracht werden. Für nicht nach Satz 1 ausgeschlossene Heilmittel bleibt § 92 unberührt.

(1a) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 das Nähere zur Heilmittelversorgung von Versicherten mit langfristigem Behandlungsbedarf. Er hat insbesondere zu bestimmen, wann ein langfristiger Heilmittelbedarf vorliegt, und festzulegen, ob und inwieweit ein Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. Ist in der Richtlinie ein Genehmigungsverfahren vorgesehen, so ist über die Anträge innerhalb von vier Wochen zu entscheiden; ansonsten gilt die Genehmigung nach Ablauf der Frist als erteilt. Soweit zur Entscheidung ergänzende Informationen des Antragstellers erforderlich sind, ist der Lauf der Frist bis zum Eingang dieser Informationen unterbrochen.

(1b) Verordnungen, die über die in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in Verbindung mit Absatz 6 Satz 1 Nummer 3 geregelte orientierende Behandlungsmenge hinausgehen, bedürfen keiner Genehmigung durch die Krankenkasse.

(1c) (weggefallen)

(2) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, haben zu den Kosten der Heilmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag an die abgebende Stelle zu leisten. Dies gilt auch, wenn Massagen, Bäder und Krankengymnastik als Bestandteil der ärztlichen Behandlung (§ 27 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1) oder bei ambulanter Behandlung in Krankenhäusern, Rehabilitations- oder anderen Einrichtungen abgegeben werden. Die Zuzahlung für die in Satz 2 genannten Heilmittel, die als Bestandteil der ärztlichen Behandlung abgegeben werden, errechnet sich nach den Preisen, die nach § 125 vereinbart oder nach § 125b Absatz 2 festgesetzt worden sind.

Heilmittel sind alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmen der physikalischen Therapie sowie der Sprach- und Beschäftigungstherapie.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Vorsitzenden der 40. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 05.09.2007 – 40 O 55/07 KfH – wird

zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 20.000,-- EUR

Gründe

 
I.
Der Kläger macht gegen den Beklagten einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.
1. Der Kläger ist Arzt und vertreibt über das Internet Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel. Er beabsichtigt, ein Mittel zur Milchzuckerspaltung in Pulverform zu vertreiben, das den milchzuckerhaltigen Nahrungsmitteln vor dem Verzehr beizugeben ist.
Die Beklagte vertreibt bundesweit über Apotheken in Kapselform das Mittel „L.®“, das im wesentlichen aus dem Enzym Laktase besteht und beim Verzehr milchzuckerhaltiger Lebensmittel eingenommen werden soll, wobei der Kapselinhalt auch direkt in milchzuckerhaltige Speisen oder Getränke eingerührt werden kann. „L.®“ ist nicht als Arzneimittel zugelassen.
Das Enzym Laktase wird bei Menschen, die keine sog. Laktoseintoleranz aufweisen, vom Körper produziert. Es spaltet Milchzucker (Laktose, ein Disaccharid) in die Monosaccharide Glucose (Traubenzucker) und Galaktose und macht diesen dadurch verdaulich.
Der Kläger hat behauptet, bei „L.®“ handle es sich um ein zulassungspflichtiges Funktionsarzneimittel, weshalb die Beklagte durch dessen ohne Arzneimittelzulassung erfolgenden Vertrieb wettbewerbswidrig handle.
Demgegenüber hat die Beklagte die Auffassung vertreten, bei „L.®“ handle es sich um ein diätetisches Lebensmittel und nicht um ein Arzneimittel. Es fehle an der Beeinflussung physiologischer Funktionen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens in erster Instanz wird auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. ZPO.
2. Die Vorsitzende der 40. Kammer für Handelssachen beim Landgericht Stuttgart hat durch das vom Kläger angegriffene Urteil die Unterlassungsklage abgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG liege nicht vor, weil das Mittel „L.®“ kein zulassungspflichtiges Arzneimittel i. S. v. §§ 2 Abs. 1, 21 AMG sei.
10 
Maßgeblich sei der einheitliche europäische Arzneimittelbebgriff (Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG, im Folgenden: Richtlinie), dessen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
11 
„L.®“ sei weder ein Präsentationsarzneimittel noch ein Funktionsarzneimittel. Die Unfähigkeit, Milchzucker zu verdauen, sei keine Krankheit, so dass Art. 1 Nr. 2a) der Richtlinie nicht eingreife. Die Voraussetzungen von Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie seien ebenfalls nicht erfüllt. Auch wenn durch die Einnahme von „L.®“ bewirkt werde, dass sonst unverdaulicher Milchzucker verdaut werden könne und damit eine Beeinflussung der physiologischen Funktion Verdauung vorliege, so beruhe dies nicht auf pharmakologischer Wirkung, weil „L.®“ nicht die körpereigene Produktion des Enzyms Laktase ermögliche, sondern dieses ersetze. Eine „metabolische“ Wirkung i. S. v. Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie sei zwar gegeben, weil der Stoffwechsel mittelbar beeinflusst werde. Es fehle aber an einer nennenswerten Beeinflussung der Funktionsbedingungen des Körpers, was Voraussetzung für das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels sei.
12 
3. Mit der Berufung wendet sich der Kläger unter vollumfänglicher Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen gegen die Zurückweisung seines Unterlassungsantrags und verfolgt diesen weiter.
13 
Das Landgericht habe den Arzneimittelbegriff in § 2 AMG falsch ausgelegt. „L.®“ sei nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 AMG ein Arzneimittel, weil es dazu bestimmt sei, durch Anwendung im menschlichen Körper von diesem erzeugte Wirkstoffe (Laktase) zu ersetzen. Diese Auslegung stehe auch nicht im Widerspruch zu der genannten Richtlinie, denn das Kriterium des „Ersetzens“ vom Körper erzeugter Wirkstoffe lasse sich ohne weiteres dem Wiederherstellen einer menschlichen physiologischen Funktion i. S. v. Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie zuordnen.
14 
Zu Unrecht fordere das Landgericht eine „nennenswerte“ Beeinflussung der Funktionsbedingungen des Körpers. Der Bundesgesetzgeber sei nicht verpflichtet gewesen, bei der Definition des Arzneimittels das Tatbestandsmerkmal der „wesentlichen oder relevanten Funktionsbeeinflussung“ aufzunehmen. Abgesehen davon liege eine solche auch vor, weil ohne das Enzym Laktase auch die geringste Menge Milchzucker nicht verdaulich sei.
15 
Außerdem sei der Laktasemangel ein krankhafter Zustand, dessen Beeinflussung die Wiederherstellung des normalen physiologischen Zustands bedeute. Auch wenn die körpereigene Laktaseproduktion durch „L.®“ nicht beeinflusst werde, liege eine Beeinflussung der physiologischen Funktionen vor, da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25.07.2007, 3 C 22.6) hierfür die Beseitigung der Symptome einer Krankheit als auch die Verhinderung von Folgeerkrankungen - hier etwa Blähungen oder Durchfall - durch Veränderung der organischen Abläufe ausreiche. Die Beeinflussung erfolge auch durch eine pharmakologische Wirkung, beruhe nämlich auf dem gezielten Einsatz einer arzneilich wirksamen Substanz.
16 
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter pauschaler Bezugnahme auf ihr gesamtes Vorbringen in erster Instanz.
17 
Das Landgericht habe zu Recht die Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 AMG nicht angewandt, denn durch die Verweisung in Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sei die Definition des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie unmittelbar geltendes und vorrangig anzuwendendes Gemeinschaftsrecht geworden.
18 
Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung liege aber deshalb keine metabolische Beeinflussung von Körperfunktionen vor, weil die Verdauung nicht pauschal als eine solche Funktion i. S. von Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie bezeichnet werden könne, was sich auch aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15.11.2007 (C-319/05) ergebe.
19 
Jedenfalls fehle es, wie das Landgericht zu Recht angenommen habe, an einer „relevanten“ Auswirkung auf dem menschlichen Körper. Nicht in den Begriff des Arzneimittels einzubeziehen seien deshalb Stoffe, die sich nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirkten und somit dessen Funktionsbedingungen nicht wirklich beeinflussten. Ein Erzeugnis, dessen physiologische Funktionen nicht über die Wirkungen eines in angemessener Weise verzehrten Lebensmittels hinausgingen, unterfalle nach der Rechtsprechung des EuGH nicht Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie. Ein Erzeugnis müsse nicht nur im Allgemeinen für die Gesundheit förderlich sein, sondern wirklich die Funktionen der Verhütung oder Heilung besitzen.
20 
Das Produkt „L.®“ beeinflusse aber die physiologischen Funktionen des Menschen gar nicht, sondern wirke durch das darin enthaltene Enzym Laktase nur auf den Speisebrei. Jedenfalls rufe es keine Wirkungen hervor, die außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Vorgänge lägen, was aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25.07.2007, 3 C 23.6, Tz. 28) erforderlich sei, um ein Funktionsarzneimittel annehmen zu können. Vier Kapseln „L.®“ reichten z. B. aus, um ein Glas Milch zu trinken und entsprächen 10g Laktose. Die Gesamtmenge an verzehrbarem Milchzucker bleibe also weit hinter den 50g zurück, die Menschen ohne Laktosemangel in einer Portion verzehren könnten. Die Wirkung von „L.®“ gehe damit nicht über die Wirkungen hinaus, die Lebensmittel wie etwa Joghurt mit probiotischen Mikroorganismen hätten, die ebenfalls zum Abbau von Milchzucker beitrügen und damit teilweise den Laktasemangel kompensierten.
21 
Laktasemangel sei auch keine organische Störung, sondern ein bei dem größten Teil der Menschheit vorzufindender Normalzustand. Infolgedessen beim Verzehr von Milchprodukten eintretende Verdauungsstörungen stellten keine (behandlungsbedürftige) Krankheit dar, sondern bloße Befindlichkeitsstörungen.
22 
Menschen mit Laktasemangel könnten im Übrigen durchaus fast immer Milchzucker verwerten, da eine Restaktivität fast immer erhalten bleibe, nur eben in deutlich kleineren Mengen.
23 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2008 (Bl. 156f) verwiesen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
II.
24 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet, weil es sich bei dem von der Beklagten vertriebenen Produkt „L.®“ nicht um ein nach § 21 Abs. 1 AMG zulassungspflichtiges Arzneimittel handelt und damit dessen Vertrieb ohne Zulassung kein wettbewerbswidriges Verhalten i. S. v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG darstellt.
25 
1. Zwischen den Parteien besteht ein Wettbewerbsverhältnis, da der Kläger Mitbewerber der Beklagten i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist.
26 
Wie auch die Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger beabsichtigt, ebenfalls ein Produkt vertreiben, das wie das angegriffene Produkt der Beklagten das Enzym Laktase beinhaltet und dadurch Laktose (Milchzucker) spaltet.
27 
Aufgrund dessen besteht zwischen den Parteien - wie das Landgericht unangegriffen und zu Recht unter Ziff. 2 der Entscheidungsgründe seines Urteils (S. 6) festgestellt hat - ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, da es erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Markteintritt auf dem jeweils relevanten Markt bevorsteht bzw. der potentielle Mitbewerber sich tatsächlich anschickt, auf einem bestimmten Markt tätig zu werden (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 26. Aufl., § 2 Rn. 71; KG NJW-RR 2006, 1633, 1634).
28 
2. Bei den Vorschriften, welche die Zulassungspflicht von Arzneimitteln begründen - insbesondere § 21 (i.V.m. § 2) AMG -, handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i. S. v. § 4 Nr. 11 UWG (vgl. nur Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 11.147 mit zahlr. Nachw. aus der Rspr.).
29 
3. Ein Wettbewerbsverstoß liegt jedoch nicht vor, weil es sich bei dem Produkt „L.®“ nicht um ein Arzneimittel handelt.
30 
a) Für die Frage, ob ein Arzneimittel vorliegt, ist die Definition des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG vom 06.11.2001 (Gemeinschaftskodex für Arzneimittel) i. d. F. der Richtlinie 2004/27/EG vom 30.04.2004 (im Folgenden: Richtlinie) maßgebend.
31 
aa) Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass durch die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 30.04.2004 nach Ablauf der in deren Art. 3 bestimmten Umsetzungsfrist am 30.10.2005 eine Vollharmonisierung des Arzneimittelbegriffs für Funktionsarzneimittel i. S. v. Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie erfolgt ist und deshalb § 2 AMG richtlinienkonform ausgelegt werden muss (GRUR 2006, 513, 516f - Tz. 33). Es kann dahinstehen, ob - wie die Beklagte meint - eine solche Vollharmonisierung bereits durch das Inkrafttreten der Verordnung Nr. 178/2002/EG vom 28.01.2002 (Lebensmittelbasisverordnung) mit ihrer in Art. 2 Abs. 3 enthaltenen Verweisung auf die Arzneimitteldefinition in Art. 1 der Richtlinie 2001/83/EG eingetreten ist (so Fezer/Meyer, UWG, Lauterkeitsrecht, §§ 1-4, § 4-S2 Rn. 75f; Doepner/Hüttebräuker WRP 2005, 1195, 1196 und 1202 und wohl auch Meyer/Reinhart WRP 2005, 1437, 1444). Jedenfalls ist seit dem 30.10.2005 für die Abgrenzung zwischen Arznei- und Lebensmitteln und damit auch für die Definition derselben von einer Vollharmonisierung auszugehen.
32 
Die Vollharmonisierung ist dabei für alle Arzneimittel, also für Funktions-, aber auch für Präsentationsarzneimittel i. S. v. Art. 1 Nr. 2a) der Richtlinie erfolgt. Aus der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen; die Beschränkung seiner Aussage auf Funktionsarzneimittel ergibt sich daraus, dass die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG für Präsentationsarzneimittel ohnehin keine inhaltliche Änderung brachte (vgl. Göhring WRP 2005, 709, 711f; im Ergebnis auch BVerwG NVwZ 2007, 591, 592 - Tz. 18).
33 
Zu Recht geht der Bundesgerichtshof (a.a.O. Tz. 33) dabei davon aus, dass für die Abgrenzung von Lebens- und Arzneimitteln auch die Definition des Lebensmittels heranzuziehen ist: nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG sind nämlich Lebensmittel keine Arzneimittel. Lebensmittel i. S. des LFGB sind wiederum nach § 2 Abs. 2 LFGB Lebensmittel i. S. von Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, und nach Art. 2 Satz 3 lit. d) dieser Verordnung sind Arzneimittel i. S. der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG keine Lebensmittel. An die Stelle der beiden zuletzt genannten Richtlinien ist die Richtlinie 2001/83/EG getreten, nach deren Art. 128 Satz 2 Bezugnahmen auf die aufgehobenen Richtlinien als solche auf die Richtlinie 2001/83/EG gelten.
34 
bb) Die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 14.12.2006 (3 C 40/05, NVwZ 2007, 591, 592 - Tz. 15f) sowie in drei Urteilen vom 25.07.2007 (3 C 23.06, Tz. 15-17, 3 C 22.06 = A & R 2008, 43, Tz. 16-19 und 3 C 21.06 - Tz. 21-23) vorgenommene direkte Anwendung der Normenkette § 2 Abs. 2 LFGB; Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002; Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 2001/83/EG führt zu keinem anderen Ergebnis, so dass dahinstehen kann, welche Begründung vorzugswürdig ist.
35 
Im Übrigen geht auch das Bundesverwaltungsgericht - und zwar ganz selbstverständlich („steht außer Frage“; BVerwG NVwZ 2007, 591, 592 - Tz. 15) - davon aus, dass gegebenenfalls eine richtlinienkonforme Auslegung von § 2 Abs. 1 AMG möglich und geboten ist.
36 
cc) Zu Unrecht erachtet es die Berufung daher als rechtfehlerhaft, dass das Landgericht § 2 Abs. 1 Nr. 3 AMG nicht angewandt hat. Zutreffend hat das Landgericht vielmehr allein geprüft, ob das Produkt „L.®“ unter den Arzneimittelbegriff der Richtlinie 2001/83/EG (i. d. F. der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG) fällt. Denn sowohl nach der oben geschilderten Auffassung des Bundesgerichtshofs als auch des Bundesverwaltungsgerichts darf infolge der Vollharmonisierung des Arznei- und Lebensmittelbegriffs ein Produkt nur dann als Arzneimittel behandelt werden, wenn es die Kriterien der Richtlinie erfüllt. Für die Definition des Arzneimittels und seine Abgrenzung zum Lebensmittel ist also Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG maßgebend.
37 
Entgegen der offenbar vom Kläger vertretenen Auffassung kann der nationale Gesetzgeber aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts den Anwendungsbereich des Arzneimittelrechts nicht erweitern, ohne gegen Gemeinschaftsrecht zu verstoßen. M. a. W.: Auch nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 AMG darf ein Produkt nur dann als Arzneimittel behandelt werden, wenn es die Kriterien von Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 2001/83/EG erfüllt.
38 
Ob dabei aufgrund der Normenkette § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG i.V.m. § 2 Abs. 2 LFGB i. V. m. Art. 2 Satz 3 lit. d) der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 i.V.m. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG (i. d. F. der Richtlinie 2004/27/EG) § 2 Abs. 1 Nr. 3 AMG gar nicht mehr anwendbar ist (wie die Beklagte meint), oder ob man diesen richtlinienkonform auslegen muss, weil § 2 Abs. 1 AMG sonst der Richtlinie nicht voll entspricht, kann, weil zum gleichen Ergebnis führend, dahinstehen.
39 
Das Produkt „L.®“ ersetzt zwar nun - unstreitig - das vom Körper laktoseintoleranter Menschen nicht (mehr) produzierte Enzym Laktase, so dass nach seinem Wortlaut § 2 Abs. 1 Nr. 3 AMG (wohl) eingreifen würde (vgl. allgemein dazu, dass Enzympräparate unter § 2 Abs. 1 Nr. 3 AMG fallen Kloesel/Cyran, Arzneimittelgesetz, 104. Akt.-Lief., § 2 A. 1.0 Rn. 55). Entscheidend ist aber nach dem Gesagten, ob die Kriterien von Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie erfüllt sind.
40 
b) Das Landgericht hat unter 3.a) der Entscheidungsgründe (S. 6f des Urteils) festgestellt, dass es sich bei „L.®“ nicht um ein „Präsentationsarzneimittel“ i. S. v. Art. 1 Nr. 1a) der Richtlinie handelt. Diese Feststellungen greift die Berufung nicht an; sie sind auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Kläger hat im Übrigen auch in erster Instanz nicht behauptet, dass „L.®“ die Kriterien von Art. 1 Nr. 1a) der Richtlinie erfülle, sondern immer nur vorgetragen, das Produkte der Beklagten sei ein Funktionsarzneimittel i. S. v. Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie.
41 
c) „L.®“ erfüllt aber auch nicht die Kriterien für ein Funktionsarzneimittel.
42 
Nach Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie sind Funktionsarzneimittel „alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verabreicht werden, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen…“.
43 
Diese Voraussetzungen sind unter Anlegung der von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsmaßstäbe nicht erfüllt:
44 
aa) Physiologische Funktionen sind die normalen Lebensvorgänge, die im Körper ablaufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 3 C 23/06, Tz. 20). Diese müssen also wiederhergestellt, korrigiert oder beeinflusst werden.
45 
(1) Die „Wiederherstellung“ einer physiologischen Funktion setzt voraus, dass sie nicht mehr ordnungsgemäß abläuft.
46 
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dies hinsichtlich der Fähigkeit des Körpers, Laktose durch körpereigene Laktase zu spalten, anzunehmen. Zwar entsprach es - unstreitig - an sich beim Menschen einem „normalen“ Vorgang, dass er als Erwachsener das Enzym Laktase nicht mehr produziert und daher die Fähigkeit verliert, Laktose zu spalten. Durch eine genetische Anpassung hat sich jedoch bei Teilen der Menschheit, und insbesondere bei der großen Mehrzahl der Zentral- und Nordeuropäer (bei den Deutschen nach den von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten von Prof. Dr. B. und Univ.-Prof. Dr. habil. F. - Anlagen B 2 und B 3 - 85-95 %), aber auch der Mehrheit der Südeuropäer (nach dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. habil. F. bei 70%) die Eigenschaft herausgebildet, auch im Erwachsenenalter (selbst bei 70 % der über 60jährigen Europäer, Anlage B 3) noch Laktase bilden zu können, somit Laktose (Milchzucker) spalten und infolgedessen milchzuckerhaltige Produkte ohne sonst auftretende Beschwerden wie Durchfall und/oder Blähungen zu sich nehmen zu können.
47 
Aufgrund dieser genetischen Veränderung ist die Fähigkeit, auch als Erwachsener bis ins Alter Laktase bilden und Laktose spalten zu können, Teil der bei den Bewohnern Deutschlands (und der EU) „ordnungsgemäß ablaufenden Lebensvorgänge“. Unerheblich ist demgegenüber, dass in anderen Teilen der Welt, insbesondere in Südostasien, die Laktoseintoleranz nach wie vor den (ursprünglich offenbar bei der ganzen Menschheit gegebenen) Normalfall darstellt.
48 
(2) Es fehlt an einer „Wiederherstellung“ dieser Fähigkeit durch „L.®“:
49 
Ausweislich S. 7 des landgerichtlichen Urteils ermöglicht das Produkt der Beklagten nicht die Produktion von Laktase durch den Körper, sondern ersetzt diese. Der Kläger hat diese Feststellung nicht angegriffen - auch nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 31.01.2008 -, sie vielmehr auf S. 1 seines Schriftsatzes vom 29.11.2007 (Bl. 76) bestätigt.
50 
Danach ist von dem Vortrag der Beklagten auszugehen, wonach die unstreitig in dem Produkt enthaltene Laktase in den im Magen-Darm-Trakt befindlichen Speisebrei gelangt und etwaigen sich in diesem befindenden Milchzucker spaltet, bevor dieser von der Darmschleimhaut aufgenommen wird. Die Funktion der Darmzotten oder der Verdauungssekrete wird hingegen nicht beeinflusst.
51 
Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es somit mangels streitigen entscheidungserheblichen Vortrags nicht.
52 
Die vom Beklagten in erster Instanz (S. 7 der Klageschrift, Bl. 7) pauschal und ohne konkreten Bezug auf „L.®“ vorgetragenen Auswirkungen der Einnahme von Laktaseprodukten hätten ohnehin allenfalls - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat (Klagerwiderung S. 8, Bl 24) - die Wirksamkeit dieser Produkte belegt und beruhen offenbar darauf, dass die durch die verzehrte Laktase infolge der Aufspaltung der Laktose entstandenen Einfachzucker vom Körper (Darm) aufgenommen werden.
53 
(3) Angesichts dessen scheidet auch eine „Korrektur“ physiologischer Funktionen aus.
54 
(4) Es fehlt aber auch an der „Beeinflussung“ einer physiologischen Funktion.
55 
Zwar hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Urteil vom 19.07.2006 (14 A 135.97, veröffentlicht in Juris) ebenso wie Landgericht (Urteil S. 7), angenommen, durch die Ermöglichung der Verdauung von Milchzucker würden solche Produkte, die wie das der Beklagten Laktase zuführen, die physiologische Funktion (Körperfunktion) „Verdauung“ beeinflussen.
56 
Abgesehen von dem beachtlichen Einwand der Beklagten, dass die „Verdauung“ ein viel zu komplexer Vorgang ist, als dass sie ohne weiteres pauschal als „eine“ Funktion des Körpers betrachtet werden könnte, ist jedoch die Begründung, mit der eine „Beeinflussung“ durch „metabolische“ Wirkung bejaht wurde (vgl. Rn. 42 in Juris), im Ergebnis nicht tragfähig:
57 
Danach war für das Verwaltungsgericht Berlin die Überlegung maßgebend, dass Laktaseprodukte wie das der Beklagten nach der Einnahme die Aufspaltung der Laktose im Darm, die ansonsten nicht oder nicht vollständig erfolgen würde, ermöglichen; dadurch würde die normale Darmfunktion beeinflusst oder zumindest wiederhergestellt (a.a.O.).
58 
Tatsächlich wird aber nach der Schilderung der Wirkung der in „L.®“ enthaltenen Laktase durch die Beklagte, welcher der Kläger - trotz Fachkunde - keine abweichende gegenüber gestellt und die er auch in der Erörterung der Sache in der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2008 nicht in Frage gestellt hat, dem laktoseintoleranten Körper nicht die Aufspaltung der Laktose ermöglicht, vielmehr spaltet die „künstlich“ zugeführte Laktase die Laktose selbst; die Körperfunktionen als solche bleiben dabei unverändert.
59 
M. a. W. : Die Laktase spaltet die Laktose und verändert dabei unmittelbar den Speisebrei, nicht die Körperfunktionen. Es wird nicht die Verdauung beeinflusst, sondern vielmehr der Nahrungsbrei verdaulicher gemacht. Die Wirkung von „L.®“ besteht also nicht in der Beeinflussung des Verdauungsvorgangs, sondern in der (bloßen) Veränderung des Zustands der (erst noch) zu verdauenden Nahrung (des zu verdauenden Speisebreis).
60 
Dettling (Pharma-Recht 2006, 58, 64) spricht zu Recht davon, dass „Beeinflussung“ i. S. v. Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie (also die pharmakologische Wirkung im weiteren, metabolische, immunologische und pharmakologische Wirkung i. e. S. und damit sämtliche Möglichkeiten einer „Beeinflussung physiologischer Funktionen“ umfassenden Sinne, vgl. zu dieser Unterscheidung Dettling a.a.O. 65) eine gezielte Steuerung von Körperfunktionen verlangt. Dieses vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. NVwZ-RR 2007, 771, 773 unter Tz. 22) offenbar gebilligte Konzept der „Funktionssteuerungstheorie“ verlangt für die pharmakologische Wirkung (im weiteren Sinne) einen „aktiven Bioeffekt“, d. h. der von außen kommende Stoff muss eine aktive, steuernde Rolle im Körperprogramm spielen, indem er auf die physiologischen Funktionen des Körpers aktiv verändernd einwirkt, also modifizierende Bioeffekte auslöst. „Die Testfrage lautet damit: Steuert der Körper den Stoff oder steuert der Stoff den Körper?“ (Dettling a.a.O. 63).
61 
Die mit „L.®“ aufgenommene Laktase „steuert“ aber den Körper (die Verdauungsorgane) des laktoseintoleranten Menschen gerade nicht.
62 
bb) Fehlt es an der „Beeinflussung physiologischer Funktionen“ i. S. v. Art. 1 Nr. 2b) der Richtlinie, so kommt es nicht mehr darauf an, ob eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung vorliegt (BVerwG, Urteil vom 25.07.2007, 3 C 23.06 - Tz. 21).
63 
Derartige Wirkungen liegen aber auch nicht vor:
64 
(1) Eine „immunologische“ Wirkung ist unstreitig nicht gegeben.
65 
(2) In Übereinstimmung mit dem Landgericht und entgegen der Auffassung des Klägers fehlt es aber auch an einer „pharmakologischen“ Wirkung (im engeren Sinn). Eine pharmakologische Wirkung setzt nämlich die gezielte Steuerung von Körperfunktionen durch eine „arzneilich wirksame Substanz“ voraus (BVerwG, Urteil vom 25.07.2007, 3 C 22.06 = A & R 2008, 43 Tz. 32). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass eine solche bei der Einnahme von „L.®“ vorläge. Erforderlich wäre zumindest eine Wechselwirkung zwischen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz (Laktase) und einem zellulären Bestandteil des menschlichen Körpers (vgl. Dettling a.a.O. 64). Die mit „L.®“ zugeführte Laktose gelangt aber gar nicht bis in die Darmzellen.
66 
(3) Zu verneinen ist auch eine „metabolische Wirkung“. Soweit das Verwaltungsgericht Berlin diese allerdings in seinem Urteil vom 14.07.2006 (a.a.O., Rn. 44 in Juris) für Laktase-Präparate unter Berufung auf Dettling (a.a.O. S. 63, 65) bejahte, geschah dies aufgrund der Behauptung, für die metabolische Wirkung sei der Ort des Wirkungseintritts belanglos (a.a.O. Rn. 45). Dies trifft aber nicht zu: physiologischer Metabolismus ist die Gesamtheit der in den Zellen des Organismus ablaufenden Stoffwechselvorgänge; der „pharmakologische Metabolismus“ ist demgegenüber sogar noch enger (Dettling, a.a.O., 61f). Eine Beeinflussung der Vorgänge in den (Darm-)Zellen des laktoseintoleranten Menschen findet aber ja gerade nicht statt.
67 
Jedenfalls fehlt es insoweit an dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entwickelten Erfordernis, dass sich das Produkt „nennenswert auf den Stoffwechsel“ auswirken und die Funktionsbedingungen des Körpers „wirklich“ beeinflussen muss, damit es als Funktionsarzneimittel eingestuft werden kann (EuGH, Urteil vom 15.11.2007, C-319/05 - Tz. 60; ebenso bereits Urteil vom 15.04.1991, C 112/89 - Tz. 22). Das Bundesverwaltungsgericht spricht insoweit zutreffend von einer „Erheblichkeitsschwelle“, wonach die Wirkungen eines Produkts über diejenigen hinausgehen müssen, die auch durch die Nahrungsaufnahme ausgelöst werden (BVerwG, NVwZ-RR 2007, 771, 773 - Tz. 29; NVwZ 2007, 591, 593 - Tz. 22 und Urteil vom 25.07.2007, 3 C 21.06 - Tz. 29).
68 
Die Wirkungen, welche durch die Einnahme von „L.®“ ausgelöst werden, entsprechen aber im Ergebnis denen, die erzielt werden, wenn Produkte wie dasjenige, das der Kläger als diätetisches Lebensmittel auf den Markt zu bringen beabsichtigt, unmittelbar in die anschließend verzehrten milchzuckerhaltigen Produkte eingebracht werden. Auch hier spaltet die Laktase den Milchzucker mit der Folge, dass von den Darmzellen die gespaltenen Einfachzucker aufgenommen werden, ohne dass die Funktion(sweise) der Darmzellen verändert würde und ohne dass der ansonsten nicht aufgelöste und in seinen Bestandteilen aufgenommene Milchzucker im Dickdarm mit den Folgen Blähungen und/oder Durchfall von den dortigen Darmbakterien verstoffwechselt werden müssten (vgl. das von der Beklagten vorgelegte Privatgutachten von Prof. Dr. Ru., Anlage B 8).
69 
Dementsprechend wird auch in der Literatur die Laktoseintoleranz zu den „Krankheiten, Störungen und Beschwerden“ gerechnet (Fezer/Meyer, a.a.O., § 4-S4 Rn. 60; vgl. auch § 1 Abs. 2 Nr. 1a) Diätverordnung), für die „ergänzende bilanzierte Diäten“ i. S. v. § 1 Abs. 4a Nr. 2b) Diätverordnung angeboten werden können. Auch dies spricht dafür, „L.®“ nicht als Arzneimittel, sondern als (diätetisches) Lebensmittel oder als Nahrungsergänzungsmittel einzustufen; diese Abgrenzung kann hier aber dahinstehen.
70 
d) Streitig ist, ob aufgrund der Neufassung von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG durch die Richtlinie 2004/27/EG bei der Einordnung als Arzneimittel die in der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. nur EuGH, Urteil vom 09.06.2005 - C-211/03, C-299/03, C-316/03,C-317/03, C-318/03 -, Rn. 30 m.w.N., veröffentlicht etwa in WRP 2005, 863ff) neben der pharmakologischen Wirkung im weiteren (also immunologische, metabolische oder pharmakologische Wirkung i. e. S. umfassende) Sinne entwickelten weiteren Merkmale wie „Modalitäten seines (= des Produktes) Gebrauchs, Umfang der Verbreitung, Bekanntheit bei den Verbrauchern und mögliche Risiken seiner Verwendung“ nach wie vor zu berücksichtigen sind.
71 
Diese Frage hat das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof mit Beschluss vom 14.12.2006 (3 C 38.06, veröffentlicht etwa in Juris) in einem Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt.
72 
Sie ist aber für den vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich, denn auch wenn diese Kriterien weiter von Relevanz sein sollten, ergibt sich aus dem Parteivortrag nichts, was in Anwendung dieser Kriterien abweichend von der (nach o. G. fehlenden) Beeinflussung physiologischer Funktionen bzw. der fehlenden pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkung vorgenommenen Beurteilung eine Einstufung als Arzneimittel rechtfertigen würde. Ein Zuwarten bis zur Entscheidung des EuGH ist daher nicht veranlasst (so ist das vorlegende Bundesverwaltungsgericht im Übrigen selbst in den Urteilen vom 14.12.2006 - 3 C 40/05, NVwZ 2007, 591, 594 - Tz. 28 und vom 16.05.2007 - 3 C 34/06, NVwZ-RR 2007, 771, 773f - Tz. 35f, verfahren).
III.
73 
Die Berufung ist aufgrund dessen mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
74 
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
75 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Der festgesetzte Betrag von 20.000,-- EUR entspricht sowohl der Streitwertangabe in der Klageschrift als auch der von keiner Partei angegriffenen Festsetzung in erster Instanz.
76 
Ein Grund, die Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, besteht entgegen der vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 06.02.2008 vertretenen Auffassung nicht, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
77 
Die hier entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Arzneimittelbegriffs sind durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. die oben zitierten Entscheidungen) hinreichend geklärt. Der Senat folgt bei der Auslegung des Arzneimittelbegriffs den von diesen Gerichten entwickelten Grundsätzen.
78 
Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 27.04.2000 (6 U 17/99, LRE 38, 368ff) erfordert keine Zulassung der Revision. Zwar wurde dort ein Laktase-Präparat als Arzneimittel und nicht als (diätetisches) Lebensmittel eingestuft, doch zum einen erging diese Entscheidung noch zu einer Zeit, als es noch keinen (frühestens durch die Richtlinie 2001/83/EG sowie die Verordnung (EG) Nr. 178/02 und spätestens durch die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG geschaffenen) vollharmonisierten europäischen Arzneimittelbegriff gab, so dass diese Entscheidung insoweit zu einer noch anderen Rechtslage erging, und zum anderen war für die Entscheidung zumindest auch maßgebend, dass das damals zu beurteilende Produkt die Anforderungen an ein „Präsentationsarzneimittel“ erfüllte (vgl. a.a.O. 372f).
79 
Allein der Umstand, dass in einer erstinstanzlichen Entscheidung, nämlich der des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19.07.2006 (14 A 135.97) zur Frage einer „metabolischen Wirkung“ von Laktase-Präparaten eine andere - nach Auffassung des Senats aus o. g. Gründen unzutreffende, weil den Anforderungen an die „physiologische Beeinflussung“ nicht gerecht werdende Auffassung - vertreten wird, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, zumal sich der Senat bei seiner Auslegung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sieht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.