Sozialgericht Köln Urteil, 28. Juni 2016 - S 34 KR 515/15
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 05.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin stationäre Behandlung in Gestalt zirkulärer Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion beidseits, Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseits und Oberarmrekonstruktion beidseits als Sachleistung zu gewähren. Die Beklagte trägt die der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Kosten.
1
Tatbestand:
2Die am 03.08.64 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei der Klägerin liegt ein Zustand nach Magenbypass-Operation 2009 mit Revision 2012 vor. Unter dem 08.03.2015, eingegangen bei der Beklagten am 12.03.2015, beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung in Gestalt zirkulärer Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion beidseits, Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseits und Oberarmrekonstruktion beidseits. Sie nahm Bezug auf eine ärztliche Bescheinigung des Dr. XXXXXXXXXXXX vom 05.02.2015. Unter dem 13.03.2015 führte die Beklagte gegenüber der Klägerin aus:
3"[ ]Ihren Antrag auf Körperstraffung im St. Martinus Krankenhaus XXXXXXXXXX haben wir erhalten.
4Für eine Weiterleitung an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) benötigen wir weitere medizinische Unterlagen:
5Ärztliches Attest vom behandelnden Arzt
6Vorgeschichte: Indikation, Datum, Krankenhausentlassungsbericht, MDK – Vorgutachten
7Angabe der Behandlungen in den letzten 6-12 Monaten (Zeitangabe und Therapieverlauf) z.B. Hilfsmittelverordnung, Reha-Sport etc.
8Zeitpunkt, Häufigkeit von Hausarzt–/Facharztbehandlungen, insbesondere Hautarztbehandlungen
9Fotodokumentation und Angabe der BH-Größe
10Für weitere Fragen stehen wir Ihnen unter der oben genannten Rufnummer selbstverständlich gerne zur Verfügung. [ ]"
11Die Klägerin legte die begehrten Unterlagen vor. Unter dem 29.04.2015 führte Fr. XXXXXXXXXXX vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) gutachterlich aus, es seien vorliegend die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht erfüllt. Mit Bescheid vom 05.05.2015 lehnte die Beklagte dem folgend den Antrag der Klägerin ab. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 02.06.2015 Widerspruch ein.
12Die Klägerin hat am 12.06.2015 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben.
13In der mündlichen Verhandlung am 10.11.2015 hat das Gericht den Rechtsstreit bis zum Abschluss des bei der Beklagten noch anhängigen Vorverfahrens ausgesetzt. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2015 hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.
14Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Der Anspruch bestehe bereits aus § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Beklagte habe vorliegend die Frist von fünf Wochen nicht eingehalten und die Klägerin hierüber zu keinem Zeitpunkt informiert. Insbesondere erfülle das Schreiben der Beklagten vom 13.03.2015 nicht die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V. § 13 Abs. 3a SGB V sei nicht auf Erstattungsansprüche begrenzt. Der über § 13 Abs. 3a SGB V fingierte Sachleistungsanspruch sei nicht auf notwendige Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt. Mit Einwendung dergestalt, dass es sich um eine medizinisch nicht notwendige Behandlung handelte, sei die Beklagte ausgeschlossen. Auf das Vorliegen eines vollständigen Antrags komme es nicht an.
15Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
16den Bescheid der Beklagten vom 05.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin stationäre Behandlung in Gestalt zirkulärer Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion beidseits, Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseits und Oberarmrekonstruktion beidseits als Sachleistung zu gewähren.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide sowie der eingeholten Stellungnahme. Ergänzend trägt sie vor: Ein vollständiger Antrag sei erst am 15.04.2015 bei der Beklagten eingegangen. Sie habe dann innerhalb von fünf Wochen hierüber entschieden und den Bescheid vom 05.05.2015 auch innerhalb von fünf Wochen ab Eingang des vollständigen Antrags der Klägerin bekanntgegeben. Anspruch auf Kostenerstattung bestehe auch nach Ablauf der Fünf-Wochen-Frist nur, wenn sich der Versicherte nach Ablauf der Frist die Leistung selbst beschaffte. Dies sei bislang nicht geschehen. Das Begehren müsse sich darüber hinaus auf eine grundsätzlich von der Kasse innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete und dem Qualitätsgebot und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechende Leistung beziehen.
20In der mündlichen Verhandlung am 10.11.2015 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG) erklärt.
21Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben der Kammer vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Darauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Das Gericht konnte im vorliegenden Fall durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
24Die form- und fristgerecht erhobene Klage (§§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Mit der Leistungsklage kann eine Leistung begehrt werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht, soweit ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Diese Prozesssituation ist vorliegend gegeben, da die Klägerin ihren Anspruch auf § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) stützt. Mit Eintritt der darin geregelten Fiktion besteht der Rechtsanspruch auf die beantragte Leistung, ohne dass hierüber noch ein Bescheid der Beklagten zu erteilen wäre (vgl. SG Gelsenkirchen 02.10.2014 – S 11 KR 180/14 m.w.N.). Mit der Anfechtungsklage verfolgt die Klägerin zulässigerweise das Ziel, einen Verwaltungsakt, zu dessen Erlass die Beklagte nicht (mehr) befugt war, zu beseitigen, um sich nicht mit dem Risiko zu belasten, dass dieser später in anderem Zusammenhang unzutreffend als bestandskräftiger Verwaltungsakt qualifiziert wird (vgl. SG Gelsenkirchen 02.10.2014 – S 11 KR 180/14 m.w.N.).
25Der Bescheid der Beklagten vom 05.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 hält einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand; die Klägerin wird hierdurch beschwert (§ 54 SGG). Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung stationärer Behandlung in Gestalt zirkulärer Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion beidseits, Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseits und Oberarmrekonstruktion beidseits als Sachleistung.
26Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Gewährung stationärer Behandlung in Gestalt zirkulärer Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion beidseits, Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseits und Oberarmrekonstruktion beidseits ist § 13 Abs. 3a SGB V. Hiernach hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
27Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind im Hinblick auf die Überschreitung der Fünfwochenfrist, die die Beklagte zwischen Antragseingang und Entscheidung nach Einholung des Gutachtens einzuhalten gehabt hätte, erfüllt. Die Beklagte hat den nach eigenem Bekunden am 12.03.2015 bei ihr eingegangenen Antrag auf stationäre Behandlung in Gestalt zirkulärer Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion beidseits, Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseits und Oberarmrekonstruktion beidseits mit Bescheid vom 05.05.2015, und damit weit nach Ablauf der Fünf-Wochen-Frist am 16.04.2015, beschieden.
28Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es auch auf den Antragseingang am 12.03.2015 und nicht auf den Eingang der letzten, nach Ansicht der Beklagten noch fehlenden Antragsunterlage (vollständiger Antrag) an. Dies ergibt sich schon aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Norm (§ 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V), wonach die Krankenkasse über "einen Antrag auf Leistungen" zügig zu entscheiden hat. Auf die Vollständigkeit des Antrags ist danach nicht abzustellen. Dies ist auch insofern nicht erforderlich, als der Krankenkasse in § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V die Möglichkeit eingeräumt ist, dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mitzuteilen, dass sie die Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht einhalten kann, wobei zu den Gründen regelmäßig die Unvollständigkeit der Antragsunterlagen gehören dürfte. Die Beklagte hat die Klägerin im Vorfeld jedoch nicht schriftlich unter Angabe von Gründen darüber informiert, dass sie die Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht einhalten konnte.
29Mit Schreiben der Beklagten vom 13.03.2015 wurde die Klägerin entsprechend § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V über die beabsichtigte Beauftragung des MDK durch die Beklagte informiert und um Hergabe ergänzender Unterlagen gebeten. Eine weitergehende Information ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Dem Schreiben fehlte es insbesondere an jeglicher Andeutung, dass zum 16.04.2015 die hier geltende 5-Wochen-Frist ablaufen werde sowie an einem Hinweis darauf, dass eine verspätete Entscheidung außerhalb der 5-Wochen-Frist erfolgen werde. Das Schreiben der Beklagten vom 13.03.2015 stellt weder eine Mitteilung an die Klägerin über die Verzögerung der Entscheidung im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V dar, noch die Darlegung hinreichender Gründe hierfür.
30§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V fordert eine rechtzeitige schriftliche Mitteilung an die Versicherten, dass die Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 oder 4 SGB V (hier: die 5-Wochen-Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V) nicht eingehalten werden kann sowie die Darlegung der Gründe für die Verzögerung. Der Normzweck besteht darin, den Versicherten Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Entscheidung fristgerecht erfolgt oder eine Selbstbeschaffung zulässig sein wird (SG Gießen 26.06.2015 – S 7 KR 429/14 m.w.N.).
31Vorliegend hat die Beklagte noch nicht einmal gegenüber der Klägerin kenntlich gemacht, dass sie binnen einer 5-Wochen-Frist zu entscheiden hat. Die Beklagte hat - entgegen dem Gesetzeswortlaut ("Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies ") - weder klargestellt, dass die gesetzliche vorgesehene 5-Wochen-Frist einschlägig ist noch dass sie nicht eingehalten werden kann. Ebenso fehlt es an einer ausdrücklichen und verständlichen Mitteilung eines Grundes für die fehlende Einhaltung der Frist. Der Gesetzgeber fordert an dieser Stelle gerade einen expliziten Hinweis, an dem es hier aber fehlt.
32Nach dem klaren Wortlaut von § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V folgt die Genehmigung der Leistung, die die Klägerin auch beantragt hat (stationäre Behandlung in Gestalt zirkulärer Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion beidseits, Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseits und Oberarmrekonstruktion beidseits).
33Die Rechtsauffassung der Beklagten, dass § 13 Abs. 3a SGB V den Anspruch auf eine Kostenerstattung beschränkt, wird von der Kammer nicht geteilt. Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER) führt insoweit aus:
34"Nach dem klaren Wortlaut der Norm gewähren Satz 6 und Satz 7 mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch oder einen Kostenerstattungsanspruch für die erforderliche Leistung. Zwar hatte der Gesetzgeber zunächst lediglich einen Kostenerstattungsanspruch für erforderliche Leistungen ins Auge gefasst, wie es sich aus dem Entwurf des Patientenrechtsgesetz (PatRechtG) ergibt (BR-Drucks. 312/12, S.46, siehe auch BT-Drucks. 17/10488, S. 32). Nachdem durch den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags im November 2012 mit dem Satz 6 eine Genehmigungsfiktion der Leistung bei Nichteinhaltung der Fristen neben der in Satz 7 geregelten Kostenerstattung aufgenommen worden war (BT-Drucks. 17/11710 S.30), um es dem Versicherten zu erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen, wurden Satz 6 und Satz 7 - ohne weitere den klaren Wortlaut im Sinne der Beklagten einschränkende Erläuterungen - in der Gesetzesänderung aufgenommen. Beide Sätze stehen ihrem Wortlaut nach gleichberechtigt nebeneinander. Wäre der Geltungsbereich des § 13 Abs. 3 a SGB V lediglich auf einen Kostenerstattungsanspruch beschränkt, käme Satz 6 kein eigener Regelungsgehalt zu. Zudem schlösse eine solche Auslegung mittellose Versicherte, die nach Ablauf der Frist nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, entgegen des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) praktisch aus dem Schutzbereich des § 13 Abs. 3 a SGB V aus (so im Ergebnis auch SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 18.12.2013 - S 21 KR 282/13 - , SG Nürnberg, Beschluss vom 25.3.2014 - S 7 KR 100/14 ER - und Urteil vom 27.3.2014 - S 7 KR 520/13 - und wohl auch SG Dortmund, Beschluss vom 31.1.2014 - S 28 KR 1/14 ER - sowie Noftz in Hauck/Haines, SGB V, Erg.-Lfg. 1/14, § 13 S. 78g ff.; a.A. wohl Dalichau in Dalichau "SGB V", Stand 1.7.2013, S. 51)."
35Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an und macht sie sich zu Eigen.
36Die Rechtsauffassung der Beklagten, dass von § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V lediglich "erforderliche" Leistungen umfasst seien, wird von der Kammer nicht geteilt. Das Landessozialgericht für das Saarland (LSG Saarland 17.06.2015 – L 2 KR 180/14 – nicht rechtskräftig) führt insoweit aus:
37"Der Gesetzgeber hatte im Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten zunächst lediglich einen Kostenerstattungsanspruch für erforderliche Leistungen (und keine unmittelbar zu beanspruchende Sachleistung) ins Auge gefasst, diesen aber nur nach Fristsetzung durch den Patienten (Bundestagsdrucksache 17/10488 S, 32). Im Rahmen der Gesundheitsausschussberatung wurde schließlich das Vorhaben geändert und die Genehmigungsfiktion in den Gesetzestext übernommen (Bundestagsdrucksache 17/11710, S. 30). Diese Änderung wird in der Begründung hervorgehoben. Dort wird ausdrücklich erwähnt, dass die Leistung nach Ablauf der Frist ohne eigene Fristsetzung des Versicherten als genehmigt gilt. Mit der Genehmigungsfiktion wollte der Gesetzgeber offensichtlich die im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG zu vermeidende Benachteiligung eines Versicherten, der finanziell nicht dazu in der Lage ist, die begehrte Leistung sich selbst zu beschaffen, damit vorzufinanzieren und später einen Kostenerstattungsanspruch geltend zu machen, gegenüber einem finanziell gut gestellten Versicherten, der hierzu in der Lage wäre, beseitigen. Die Norm umfasst daher nicht nur die sekundäre Kostenerstattung, sondern dem klaren Wortlaut folgend auch die Verpflichtung zur Gewährung der primären Sachleistung. Der Gesetzgeber wollte offensichtlich innerhalb der zur Entscheidung eingeräumten Fristen zu Gunsten der Versicherten zügig Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen. Nur auf oben genannte Weise kann der Wunsch des Gesetzgebers, generalpräventiv die zügige Durchführung des Verwaltungsverfahrens zu verbessern, umgesetzt werden. Dieses Ziel würde ins Leere laufen, wenn die Genehmigungsfiktion durch eine außerhalb der Frist erfolgende nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder erlöschen könnte. Ein solcher fingierter Verwaltungsakt hat dabei die gleichen Rechtswirkungen wie ein tatsächlich erlassener. Durch die Genehmigungsfiktion wird die Leistungsberechtigung des Versicherten wirksam verfügt. Die Krankenkasse ist daher mit allen Einwendungen gegen den Anspruch ausgeschlossen (so die hM.: LSG Essen 5. Senat, Beschluss vom 23.5.2014, L 5 KR 222/14 B ER, Rn. 7, Rn. 9; aus der Rechtsprechung der Sozialgerichte: SG Heilbronn, Urteil vom 10.3.2015, S 11 KR 2425/14, Rn. 31; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 29.1.2015, S 17 KR 479/14, Rn. 14; SG Marburg, Urteil vom 15.1.2015, S 6 KR 160/13, Rn. 34; SG Karlsruhe, Urteil vom 15.12.2014, S 5 KR 2284/14, Rn. 20; SG Augsburg, Urteil vom 27.11.2014, S 12 KR 183/14, Rn. 32 ff.; SG Nürnberg, Beschluss vom 25.3.2014, S 7 KR 100/14 ER und Urteil vom 27.3.2014, S 7 KR 520/13; SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 18.12.2013, S 21 KR 282/13; Noftz in Hauck/Haines, SGB V, Erg.-Lfg. 1/14, § 13 S. 78g ff. mwN.).
38Die hiervon abweichende Rechtsansicht (vor allem LSG Essen, 16. Senat, Beschluss vom 26.5.2014, L 16 KR 154 und 155/14 B ER, Rn. 26 ff., SG Würzburg, Urteil vom 15.1.2015, S 11 KR 100/14, Rn. 37 ff.; Rieker, NZS 2015, 294, 297. Knispel, SGb 2014, 374 ff.) übersieht, dass es mit dem Ziel der Gesetzesnovellierung nicht vereinbar ist, wenn dieselbe Situation eintritt bzw. eintreten kann, wie sie vor der Einführung der Genehmigungsfiktion im Rahmen der Freistellung nach § 13 Abs. 3 SGB V bestanden hat, dass nämlich der Anspruch auf die erforderliche Leistung innerhalb des Systems der GKV zu überprüfen ist. Wenn Prüfungsumfang und Zeitdauer des Verfahrens durch eine nachträgliche Überprüfung praktisch wieder identisch mit den Verfahren vor Inkrafttreten der Regelung werden, hätte die Neuregelung in der Praxis keine spürbar positiven Effekte für den Schutz der Patientenrechte. Ausgehend von Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung kann die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V daher nur so zu verstehen sein, dass nach Ablauf der Fristen der geltend gemachte Anspruch von der Krankenkasse ohne weitere Prüfungen zu erfüllen ist (vgl. die o.a. hM in der Rechtsprechung)." Auch diesen Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an und macht sie sich zu Eigen.
39Die beantragten Leistungen gelten damit als genehmigt. Der Verfügungssatz eines genehmigenden begünstigenden Verwaltungsakts regelt, dass der Antragsteller die beantragte Leistung in Anspruch nehmen darf und sich die Kasse unter Ausschluss aller Einwendungen zur Leistung verpflichtet (BSG SozR 4-2500 § 125 Nr.4, Rz. 23); die Regelung wird mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts gemäß § 39 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegenüber dem Adressaten wirksam. Durch die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen (s. LSG NRW 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER m.w.N.). Fingierte Verwaltungsakte haben die gleichen Rechtswirkungen wie tatsächlich erlassene Verwaltungsakte (s. LSG NRW 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER m.w.N.). Durch die Fiktion der Genehmigung ist die Leistungsberechtigung der Klägerin wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen (wie hier der Frage, ob es sich bei der begehrten stationären Behandlung in Gestalt zirkulärer Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion beidseits, Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseits und Oberarmrekonstruktion beidseits um eine Leistung der GKV handelt, die im vorliegenden Einzelfall notwendig ist) ausgeschlossen. Nur auf diese Weise kann der Wunsch des Gesetzgebers, generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahrens zu verbessern, umgesetzt werden (s. LSG NRW 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER). Dieses Ziel würde ins Leere laufen, könnte die Genehmigungsfiktion durch eine (außerhalb der Frist erfolgende) nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder erlöschen (s. LSG NRW 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER). Soweit bei der Kostenerstattungsregel des § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V von der "erforderlichen" Leistung die Rede ist und in der Sachleistungsregelung des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V das Wort "erforderlich" fehlt, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Trotz dieser Formulierung wird im Text ein uneingeschränkter Sachleistungsanspruch festgelegt, der schon eintritt, wenn die Krankenkasse die Fristvorschriften nicht beachtet. Auf materielle Inhalte wird gerade nicht abgestellt (s. LSG Saarland 17.06.2015 – L 2 KR 180/14 – nicht rechtskräftig). Die Erforderlichkeit der Leistung folgt schon aus der Rechtswirkung der Genehmigungsfiktion. Die Gesetzesnovellierung entgegen dem klaren Wortlaut im Sinne des – letztlich nicht umgesetzten – Entwurfs des Gesetzes auszulegen, würde den im Wortlaut klar ausgedrückten Willen des Gesetzgebers missachten (s. LSG Saarland 17.06.2015 – L 2 KR 180/14 – nicht rechtskräftig).
40Die Kammer kann offen lassen, ob die Fiktionswirkung auch bei klar von dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfassten Leistungen (wie z.B. Gegenständen des täglichen Lebens oder Genussmitteln) eingreift. Eine klar von dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfasste Leistung stellt die beantragte stationäre Behandlung in Gestalt zirkulärer Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion beidseits, Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseits und Oberarmrekonstruktion beidseits nicht dar. Hierbei handelt es sich um stationäre Behandlung und damit um eine grundsätzlich innerhalb des Systems des SGB V liegende Leistung.
41Soweit teilweise darauf hingewiesen wird, dass auch fiktive Verwaltungsakte grundsätzlich der Aufhebung (Rücknahme nach § 45 SGB X) zugänglich sind und unbillige Ergebnisse dadurch wieder beseitigt werden könnten (vgl. LSG NRW 23.5.2014 – L 5 KR 222/14 B ER) ist vorliegend lediglich auszuführen, dass eine Umdeutung des Bescheids der Beklagten vom 05.05.2015 in eine Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X schon deshalb ausscheidet, weil die Beklagte ein Rücknahmeermessen nicht ausgeübt hat.
42Mit dem angefochtenen Bescheid setzt sich die Beklagte über die fingierte Genehmigung der streitgegenständlichen stationären Behandlung in Gestalt zirkulärer Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) mit T-Schnitt, Oberschenkelrekonstruktion beidseits, Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseits und Oberarmrekonstruktion beidseits hinweg. Dies verletzt die Klägerin in ihren Rechten mit der Folge, dass der Bescheid der Beklagten vom 05.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 aufzuheben war.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Köln Urteil, 28. Juni 2016 - S 34 KR 515/15
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(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.
(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.
(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.
(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.
(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.
(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.
(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.
(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.
(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.
(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.
(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.
(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.
(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2014 verurteilt, den Kläger mit dem Elekt-rorollstuhl C 1000 DS/S zu versorgen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Elektrorollstuhl des Modells C 1000 DS/S streitig.
3Der 1982 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Nachdem zunächst mit Kostenvoranschlag vom 01.07.2013 ein Elektrorollstuhl begehrt wurde, wur-de dem Kläger mit Schreiben vom 26.11.2013 geschildert, dass er nach Auffassung der Beklagten über einen für seine Bedürfnisse individuellen angepassten voll funktionstüchtigen Elektrorollstuhl verfüge. Da der zur Verfügung stehende Rollstuhl aktuell genutzt werden könne und keine Defekte aufweise, könne eine Ersatzbeschaffung nicht beauftragt werden. Vorrangig komme bei auftretenden Defekten immer eine Instandsetzung in Betracht. Die jetzige Ausstattung mit einem weiteren Elektrorollstuhl würde eine gesetzlich unzulässige Doppelversorgung darstellen.
4Mit einer auf den 22.01.2014, bei der Beklagten eingegangen am 24.01.2014, Verordnung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. U. begehrt der Kläger erneut einen neuen Elektrorollstuhl als Austausch für den vorhandenen Elektrorollstuhl bei nicht näher als schlaff oder spastisch bezeichnete Aparese und Tetraplegie. Gleichzeitig wurde ein Kostenvoranschlag, datiert auf den 23.01.2014, für den Elektrorollstuhl C 1000 DS/S in Höhe von insgesamt 55.257,65 Euro eingereicht. Dem Kostenvoranschlag ist insbesondere zu entnehmen, dass für den vorhandenen Elektrorollstuhl keine Ersatzteile mehr lieferbar seien und dass der Kläger mit der neuen Steuerung mehr Selbständigkeit erreiche und damit eine bessere Teilnahme auf öffentlichen Leben gewährleistet werden könne. Ausweislich dem Inhalt der Verwaltungsakte hatte die Beklagte erstmalig am 31.01.2014 in der bei ihr zuständigen Fachabteilung nachgefragt, wie weiter vorzugehen sei, da es sich um eine Ersatzbeschaffung handele und extrem hohe Kosten in Rede stehen würden.
5Weiter ist der Verwaltungsakte eine erneute Erinnerung an die Fachabteilung vom 14.03.2014 zu entnehmen.
6Mit Schreiben vom 13.03.2014, bei der Beklagten eingegangen am 14.03.2014, erinnerte der Kläger nochmals an die Bearbeitung seines Antrages vom 23.01.2014. Das begehrte Modell sei mit Kopf- und Fußsteuerung ausgerüstet und sei auf dem derzeitigen Roll-stuhlmarkt das einzig erhältliche Modell, welches die schweren Einschränkungen des Klägers adaptieren könnte. Der Rollstuhl sei beispielsweise um 90 Grad drehbar und die Kurvengängigkeit sei größer. Zudem werde das Modell erstmalig eine Sitzhöhenverstel-lung und Sitzkippung mit elektronischer Regelung enthalten, welches für den Kläger eine neue Selbständigkeit bedeute. Das genutzte Modell sei 16 Jahre alt und erheblich störungsanfällig. Es werde nunmehr um Bearbeitung des Antrages binnen 3 Wochen gebeten; andernfalls müsse der Rechtsweg beschritten werden.
7Mit der bei dem hiesigen Gericht am 14.04.2014 eingegangenen Leistungsklage verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Unter Hinweis auf die bereits im Verwaltungsverfahren geschilderten Vorteile weist der Kläger darauf hin, dass die gesetzliche Frist zur Bearbeitung derartiger Anträge gemäß § 13 Abs. 3 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) abgelaufen sei und die Beklagte auch nach einer weiteren Erinnerung vom 13.03.2014 nicht binnen Dreiwochenfrist auf den Antrag reagiert habe. Bei dem Rollstuhl handele es sich auch um eine Leistung innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung. Zudem entspreche die Leistung dem Qualitäts- als auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Der Rollstuhl des Klägers sei in die Jahre gekommen und erfülle bestimmte Voraussetzungen nicht.
8Mit Bescheid vom 17.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2014 lehnte die Beklagte das Begehren des Klägers ab. Es bestehe keine Leis-tungspflicht, da das begehrte Hilfsmittel nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V entspreche. Die Mehrfachausstattung mit Hilfsmitteln könne nur dann erfolgen, wenn das Hilfsmittel aus hygienischen Gründen häufiger gewechselt werden müsse oder wenn sich dieses wegen der besonderen Beanspruchung als zweckmäßig und wirtschaftlich erweise. Diese Ausnahmetatbestände lägen nicht vor.
9Der Kläger beantragt,
101. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einem Rollstuhl der Fa. P. N. C 1000 DS/S zu versorgen,
112. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2014 zu verurteilen, dem Kläger den Elektrorollstuhl der Fa. P. N. Modell C 1000 DS/S zu bewilligen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hält zunächst die Leistungsklage als unzulässig. Der neuerliche Antrag des Klägers sei mit Bescheid vom 17.04.2014 abgelehnt worden. Zwischen dem Kläger und der Be-klagten liege kein Gleichordnungsverhältnis vor, so dass eine Leistungsklage ausge-schlossen sei. Zudem müsse auch eine Leistung, die nicht innerhalb der gesetzlichen Frist genehmigt worden sei, dem Qualitätsgebot und dem Wirtschaftlichkeitsgebot ent-sprechen. Erst dann könne eine Leistung als genehmigt gelten. Das sei bei dem vorlie-genden Begehren des Klägers jedoch nicht der Fall. Die begehrte Versorgung entspreche nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot, da ein Anspruch auf Hilfsmittel grundsätzlich nur die Versorgung in einfacher Stückzahl umfasse.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Verwaltungsakte, die das Gericht beigezogen hat sowie auf den Inhalt der Ge-richtsakte.
16Entscheidungsgründe:
17Die als Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Leis-tungsklage ist begründet.
18Die Klage ist als Leistungsklage entgegen der Auffassung der Beklagten zunächst zuläs-sig. Mit der Leistungsklage kann eine Leistung begehrt werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht, soweit ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Diese Prozesssituation ist vorliegend gegeben, da der Kläger seinen Versorgungsan-spruch auf die seit dem 26.02.2013 bestehende Regelung des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V stützt. Diese hat den Wortlaut, dass, soweit keine Mitteilung eines hinreichenden Grun-des erfolgt, die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt. Dies kann nur so ver-standen werden, dass mit Eintritt der Fiktion der Rechtsanspruch auf die beantragte Leis-tung besteht, ohne dass hierüber noch ein Bescheid der Beklagten zu erteilen wäre. Die Fiktion der Genehmigung ersetzt somit den Genehmigungsbescheid (siehe auch Sozial-gericht Augsburg, Urteil vom 03.06.2014, Az.: S 6 KR 339/13) sowie im Ergebnis Be-schluss des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 23.05.2014, Az.: L 5 KR 222/14 B). Mit der Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG konnte auch eine Anfechtungsklage er-hoben werden, da dem Kläger der gerichtliche Rechtsschutz dafür zustehen muss, einen formellen Verwaltungsakt, also einen Verwaltungsakt, zu dem die Beklagte nicht (mehr) befugt war, zu beseitigen, um sich nicht mit dem Risiko zu belasten, dass dieser später einen anderen Zusammenhang unzutreffend als bestandskräftiger Verwaltungsakt qualifiziert wird.
19Die Klage ist auch begründet.
20Der Anspruch des Klägers auf Versorgung mit dem begehrten Elektrorollstuhl beruht auf § 13 Abs. 3 a Satz 6 i.V.m. Satz 1 und Satz 5 SGB V.
21Zunächst begehrt der Kläger nach Überzeugung des Gerichtes eine Leistung, auf die er grundsätzlich im Rahmen des gesetzlichen Krankenversicherungsrechts einen Anspruch haben könnte. Hierbei kann das Gericht offen lassen, ob es sich, so die Auffassung der Beklagten, um eine Doppelversorgung handelt, oder aber um eine Neuversorgung mit einem den Ansprüchen des Klägers besser gerecht werdenden Hilfsmittel. Denn auch eine Doppelversorgung ist gegebenenfalls im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung durchaus möglich und nicht von vorn herein ausgeschlossen.
22Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Beklagte die gesetzliche Frist von drei Wochen überschritten hat. Die Beklagte hat selbst auf eine weitere Erinnerung des Klä-gers mit erneuter Fristsetzung nicht reagiert. Hieraus resultierend tritt die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V ein.
23Das Erfordernis einer Leistungsgenehmigung ist in dem auf Sach- und Naturalleistungs-verschaffung ausgerichteten System der gesetzlichen Krankenversicherung auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen die Prüfung aller formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen vorab erfolgt. Der Verfügungssatz eines genehmigenden begünstigenden Verwaltungsaktes regelt, dass der Antragsteller die beantragte Leistung in Anspruch nehmen darf und sich die Kasse unter Ausschlusse aller Einwendungen zur Leistung verpflichtet; die Regelung wird mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes gemäß § 39 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gegenüber dem Adressaten wirksam. Durch die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen. Fingierte Verwaltungsakte haben die gleiche Rechtswirkung wie tatsächlich erlassene Verwal-tungsakte und sind dem Sozialrecht nicht fremd. Durch die Fiktion der Genehmigung ist die Leistungsberechtigung des Antragstellers wirksam verfügt und die Krankenkasse mit allen Einwendungen (wie hier, ob es sich ggfs. um eine Doppelversorgung handele) ausgeschlossen.
24Mit dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und dem Sinn und Zweck des Gesetzes ist es nicht vereinbar, die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass hier, wie im Falle einer Selbstbeschaffung, noch zu prüfen wäre, ob die Leistung erforderlich ist. Der Gesetzgeber spricht in § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V nicht von einer erforderlichen Leistung. Es dient dem offensichtlichen Sinn und Zweck des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten. Der Gesetzgeber wollte offenbar innerhalb der genannten Fristen zugunsten der Versicherten zügige Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen. Mit diesem Ziel ist es nicht vereinbar, dass die selbe Rechtssituation eintritt bzw. eintreten wird, wie sie bestanden hat, als die Regelung des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V noch nicht geschaffen war. Entsprechend hätte die Neuregelung in der Praxis keinen spürbar positiven Effekt für den gewollten Schutz der Patientenrechte. Das Ziel würde ins Leere laufen, könnte die Genehmigungsfiktion durch eine (außerhalb der Frist erfolgende) nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder erlöschen (siehe Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen a.a.O.).
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.
(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.
(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.
(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.
(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.
(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.
(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Antrag der Klägerin vom 19.03.2013 auf Versorgung mit einer Oberschenkelprothese mit Genium-Kniegelenkspassteil genehmigt ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
- 1
Streitig ist, ob ein Antrag der Klägerin auf Versorgung mit einem Hilfsmittel als genehmigt gilt.
- 2
Der 1951 geborenen Klägerin musste 1962 nach einem Knochentumor das linke Bein im Oberschenkel amputiert werden. Seitdem trägt sie eine Beinprothese. Zuletzt wurde sie durch die beklagte Krankenkasse, deren Mitglied sie ist, mit einer C-Leg Beinprothese versorgt.
- 3
Am 05.03.2013 verordnete der Facharzt für Orthopädie Dr. W. der Klägerin "1 OS-Prothese in HTV Silikontechnik und Silikon Liner, M.A.S. Schafttechnik mit Genium Kniegelenksystem bei MOB 3". Mit Schreiben vom 14.03.2013 reichte die Fa. Orthopädie + V. Zentrum P. GmbH die Verordnung und einen Kostenvoranschlag bei der Beklagten ein. Die in der beigezogenen Akte der Beklagten enthaltenen Unterlagen weisen keinen Eingangsstempel auf. Nach einem Aktenvermerk vom 26.04.2013 (Blatt 48 der Kassenakte der Beklagten) gingen die in dem Vermerk als Antrag bezeichneten Unterlagen am 19.03.2013 bei der Beklagten ein.
- 4
Mit Schriftsatz vom 24.04.2013 wandte sich die Bevollmächtigte der Klägerin per Telefax an die Beklagte. Sie trug vor, die Klägerin habe am 21.03.2013 über das Sanitätshaus X. die Kostenübernahme für eine Oberschenkelprothese mit Genium Kniegelenk beantragt. Auf den Antrag habe die Beklagte nicht reagiert. Gemäß § 13 Abs. 3a SGB V sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Antrag innerhalb von drei Wochen zu bearbeiten. Zureichende Gründe für eine Überschreitung der Frist seien nicht mitgeteilt. Damit gelte der Antrag als genehmigt. Die Beklagte - so die Bevollmächtigte - werde aufgefordert, binnen einer Woche die Kostenzusage gegenüber dem Sanitätshaus zu erklären, damit mit der medizinisch notwendigen Versorgung begonnen werden könne. Am 30.04.2013 erfolgte ein Hausbesuch bei der Klägerin. Mit Bescheid vom 03.05.2013 lehnte die Beklagte sinngemäß den Antrag auf Versorgung mit der verordneten Prothese ab. Zur Begründung führte sie aus, ein eine Neuversorgung rechtfertigender Mehrwert des Genium-Kniegelenks gegenüber der derzeitigen Prothesenversorgung sei nicht eindeutig dargelegt worden. Die Klägerin legte Widerspruch ein und wies auf Gebrauchsvorteile der verordneten Prothese hin. Der Facharzt für Orthopädie Dr. W. erstattete den Bericht vom 03.07.2013 und teilte mit, die verordnete Prothese weise gegenüber anderen Modellen erhebliche Gebrauchsvorteile auf.
- 5
Nach Anhörung der Klägerin nahm die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2013 die "fiktive Genehmigung" nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die auf rein formellen Erwägungen basierende fiktive Genehmigung sei rechtswidrig. Die sozialrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Versorgung seien nicht nachgewiesen. Die Klägerin legte durch ihre Bevollmächtigte Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
- 6
Bereits am 24.09.2013 hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte Feststellungsklage erhoben. Sie trägt vor, da es sich um ein hochpreisiges Hilfsmittel handele, benötige sie die Bestätigung der Genehmigungsfiktion, um den Auftrag zur Auslieferung des Hilfsmittels zu erteilen. Es bestehe damit ein Feststellungsinteresse.
- 7
Sie beantragt,
- 8
1. Es wird festgestellt, dass der Antrag der Klägerin vom 21.03.2013 auf Versorgung mit einer Oberschenkelprothese mit Genium-Kniegelenkspassteil genehmigt ist.
- 9
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 10
Die Beklagte beantragt,
- 11
die Klage abzuweisen.
- 12
Sie hält die Klage für unzulässig. Obwohl - so die Beklagte - das Sozialgerichtsgesetz die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber den anderen Klagearten nicht ausdrücklich postuliere, sei sie grundsätzlich auch im sozialgerichtlichen Verfahren nur zulässig, wenn die Klägerin ihr Begehren nicht mit einer Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage verfolgen könne, anderenfalls fehle das Rechtsschutzbedürfnis.
- 13
In der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2013 ist die Frage der Zulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage, die Frage der Anwendbarkeit des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch auf eine gesetzliche Genehmigungsfiktion sowie die Frage, ob § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V einen Sachleistungsanspruch oder lediglich einen Kostenerstattungsanspruch regelt, erörtert worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
- 14
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 15
Die Klage ist zulässig. Die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Die Klägerin begehrt mit der Feststellungsklage auch im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses und sie hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des behaupteten Eintritts der Genehmigung der Versorgung mit einem Hilfsmittel. Es liegt kein Fall des Ausschlusses einer Feststellungsklage vor. Insbesondere ist die Feststellungsklage nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin ihr Ziel durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen könnte. Zwar ist ein Grundsatz der Subsidiarität/Nachrangigkeit der Feststellungsklage im Sozialgerichtsgesetz nicht ausdrücklich niedergelegt. Die Beklagte weist aber zu Recht darauf hin, dass nach allgemeiner Meinung (Nachweise bei Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 55 Randnr. 19) eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dieser Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage soll der Vermeidung überflüssiger Klagen dienen. Der Vorrang der Gestaltungs- oder Leistungsklage gilt aber nur dann, wenn im konkreten Fall eine solche Klage zulässig ist bzw. wäre (ebenda, Randnr. 19a). Dies ist hier nicht der Fall: Der Zulässigkeit einer auf Versorgung mit dem verordneten Hilfsmittel gerichteten (reinen) Leistungsklage steht entgegen, dass die Beklagte ihre Leistungspflicht durch Verwaltungsakt abgelehnt hat. Der ablehnende Verwaltungsakt müsste im Wege der mit der Leistungsklage kombinierten Anfechtungsklage angefochten werden, um seine Aufhebung zu erreichen. Eine solche kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage wäre aber derzeit nicht zulässig, weil zunächst das bereits eingeleitete Widerspruchsverfahren durchgeführt werden muss. Daher gilt hier der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage nicht. Zudem gilt dieser Grundsatz nach wohl herrschender Meinung (Nachweise ebenda, Randnr. 19c) ohnehin im Grundsatz dann nicht, wenn auf Beklagtenseite eine juristische Person des öffentlichen Rechts steht. In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass die an Recht und Gesetz gebundene Verwaltung auch ohne den Druck der Vollstreckung aus einem Leistungsurteil den festgestellten Anspruch des Klägers befriedigt.
- 16
Zudem spricht auch der Grundsatz der Prozessökonomie hier für die Annahme der Zulässigkeit der Feststellungsklage. Denn die Klägerin müsste sonst - bei noch "laufendem" Widerspruchsverfahren - zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes einstweiligen Rechtsschutz beantragen. Ein solches zusätzliches Verfahren kann durch eine Feststellungsklage vermieden werden.
- 17
Die Klage ist auch begründet. Die beantragte Hilfsmittelversorgung gilt von Gesetzes wegen als genehmigt. Grundlage hierfür ist § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der seit dem 26.02.2013 geltenden Fassung vom 20.02.2013 ("Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten", Bundesgesetzblatt I 2013, S. 277). Die Regelung lautet: "Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt." Die Regelung ist nur im Zusammenhang mit § 13 Abs. 3a Sätze 1 bis 5 SGB V verständlich. Diese lauten: "Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit."
- 18
Die Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ist eingetreten, weil die Voraussetzungen dieser Rechtsnorm erfüllt sind: Bei der Beklagten ist am 19.03.2013 ein Antrag der Klägerin auf Versorgung mit der ärztlich verordneten Prothese eingegangen. Jedenfalls mit dem Eingang des Kostenvoranschlags des Sanitätshauses bei der Beklagten lag dieser ein Leistungsbegehren und damit ein Antrag der Klägerin im Sinne des § 19 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch vor (vgl. zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der im Rahmen der Hilfsmittelversorgung üblichen Verfahrensweise Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, veröffentlicht bei Juris). Über diesen Antrag hätte die Beklagte innerhalb von drei Wochen entscheiden müssen (§ 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V) oder der Klägerin unter Darlegung der Gründe schriftlich mitteilen müssen, dass sie die Frist nicht einhalten kann (§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V). Weder das Eine noch das Andere ist geschehen. Eine Fristsetzung durch die Klägerin ist nach der in Kraft getretenen Gesetzesfassung nicht erforderlich. Demnach gilt die beantragte Leistung gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt. Die Vorschrift ist auf das verordnete Hilfsmittel auch anwendbar. Dieses war "die beantragte Leistung". Die Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ist entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht der Beklagten nicht auf eine Kostenerstattung beschränkt. Angesichts des klaren Wortlauts ("die beantragte Leistung") besteht kein Auslegungsbedarf. Auch steht der Anwendbarkeit des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V auf das beantragte Hilfsmittel nicht die Regelung des § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V entgegen. Diese verweist lediglich hinsichtlich der Zuständigkeitserklärung des Leistungsträgers und der Erstattung auf die besonderen Regelungen der §§ 14 und 15 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch und erklärt diese für anwendbar. Ein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V auf die durch die Klägerin beantragte Leistung lässt sich dem nicht entnehmen.
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Auch die Beklagte geht davon aus, dass die Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten ist. Denn sonst ergäbe die mit Bescheid vom 26.09.2013 ausgesprochene und auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützte Rücknahme der "fiktiven Genehmigung" keinen Sinn. Diese Rücknahme hat allerdings keinen Einfluss auf die Begründetheit der erhobenen Feststellungsklage. Denn zum Einen ist der Rücknahmebescheid vom 26.09.2013 wegen des eingelegten Widerspruchs bislang zwischen den Beteiligten nicht bindend geworden (§ 77 SGG). Zum Anderen sind die Regelungen der §§ 44 ff. SGB X über die Rücknahme, den Widerruf und die Aufhebung von Verwaltungsakten auf die hier eingetretene gesetzliche Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nicht anwendbar. Denn diese ist kein Verwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt ist nach § 31 Satz 1 SGB X jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ist keine Verfügung oder Entscheidung einer Behörde; sie tritt von Gesetzes wegen ein, weil die Behörde gerade nicht entscheidet. Eine analoge Anwendung der §§ 44 ff. SGB X kommt nicht in Betracht, weil keine planwidrige Regelungslücke zu erkennen ist. Zudem würde eine solche analoge Anwendung der §§ 44 ff. SGB X die Absicht, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 13 Abs. 3a SGB V verfolgte ("Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten") geradezu unterlaufen. Sie entspräche folglich auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, dem es offenkundig um eine Beschleunigung der Antragsbearbeitung ging. Diese Auffassung wird durch die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angeführte Regelung des § 42a Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG-Bund) nicht erschüttert, sondern bestätigt. Gemeint ist § 42a Absatz 1 Satz 2 VwVfG-Bund. § 42a Abs. 1 VwVfG-Bund lautet: "Eine beantragte Genehmigung gilt nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (Genehmigungsfiktion), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist. Die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend." Die durch den Gesetzgeber im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes getroffene Anordnung einer entsprechenden Regelung bedeutet, dass die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten bei gesetzlichen Genehmigungsfiktionen nicht unmittelbar anwendbar sind und auch nicht im Wege der Analogie herangezogen werden können. Ansonsten wäre die Anordnung des Gesetzgebers überflüssig. In den Verfahrensregelungen des hier maßgeblichen Sozialgesetzbuch (Fünftes oder Zehntes Buch) fehlt eine vergleichbare Regelung. Aus Sicht der Sozialleistungsträger mag eine Regelungslücke bestehen. Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 42a Abs. 1 VwVfG-Bund (und in der Folge der §§ 44 ff. SGB X) wäre aber eine Planwidrigkeit der Regelungslücke, mithin eine unbeabsichtigte, versehentliche Unterlassung des Gesetzgebers. Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Wenn der Gesetzgeber für einen bestimmten Regelungsbereich (hier das VwVfG-Bund) eine Rechtsfolge (die entsprechende Geltung der Vorschriften über die Rücknahme und Aufhebung von Verwaltungsakten) anordnet, für einen anderen Regelungsbereich (das SGB X) aber nicht, so kann ihm nicht einfach unterstellt werden, er habe es vergessen, die für den einen Regelungsbereich geltende Rechtsfolge auch in dem anderen Regelungsbereich anzuordnen. Vielmehr gibt es auch aus Sicht des Gesetzgebers gute Gründe dafür, die Verfahrensregeln für Fälle, in denen es um die Versorgung mit Leistungen der Sozialversicherung geht, anders zu regeln als die Verfahrensregeln für Fälle, in denen es etwa um die Errichtung von Bauwerken oder Tiergehegen geht (z. B. Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 14.01.2013, 2 A 130/12, veröffentlicht bei Juris). Es besteht daher kein Grund, von den Vorgaben des Gesetzgebers abzuweichen. Die § 44 ff. SGB X sind vorliegend nicht anwendbar.
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Aus den dargelegten Gründen war der Klage antragsgemäß stattzugeben. Die Kammer ist von dem gestellten Klageantrag geringfügig abgewichen, weil nach der beigezogenen Akte der Beklagten der Antrag der Klägerin auf Versorgung mit dem verordneten Hilfsmittel schon am 19.03.2013 bei der Beklagten eingegangen ist. Für den geltend gemachten Anspruch ergibt sich hieraus keine Änderung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klägerin obsiegt, hat ihr die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Das Gerichtsverfahren als solches ist für die Klägerin gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 SGG kostenfrei.
(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.
(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.
(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.
(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.
(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.
(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.
(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.03.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2014 verurteilt, den Kläger mit einem Speedy-Elektra 2 Zuggerät zu versorgen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten hinsichtlich der Versorgung des Klägers mit einem Speedy-Elektra 2 Zuggerät.
3Den entsprechenden Antrag stellte der am 00.00.0000 geborene Kläger bei der Beklagten am 20.12.2013 unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung und eines Kostenvoranschlags für die Versorgung in Höhe von 7.537,59 EUR. Nach einer Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) nach Hausbesuch am 17.03.2014 lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 29.03.2014 ab, da ein konventionelles Schubgerät oder ein Elektrorollstuhl ausreichend und zweckmäßig seien, da die Wohnung mit dem vorhandenen Adaptivrollstuhl verlassen werden könne und das Zuggerät für größere Strecken benötigt werde, da das Auto verkauft werde.
4Hiergegen erhob der Kläger am 02.05.2014 Widerspruch und machte geltend, durch das begehrte Hilfsmittel werde ein Umsetzen vom Adaptivrollstuhl in einen Elektrorollstuhl entbehrlich. Das Zuggerät könne man abkoppeln und dann den Adaptivrollstuhl wie gewohnt nutzen. Insoweit stehe ihm ein Wahlrecht zu. Mit Bescheid vom 21.08.2014 hat der Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers abgewiesen. Die Leistungsvoraussetzungen des § 33 Abs. 1 SGB V lägen für das begehrte Hilfsmittel nicht vor. Die Versorgung des Klägers könne vielmehr durch den vorhandenen Adaptivrollstuhl oder die Zurverfügungstellung eines Elektrorollstuhls sichergestellt werden.
5Die hiergegen gerichtete Klage ist am 10.09.2014 bei Gericht eingegangen.
6Der Kläger ist der Auffassung, das beantragte Hilfsmittel stehe ihm zu, da es sich hierbei um das im Einzelfall erforderliche Hilfsmittel zur Aufrechterhaltung seiner Mobilität im Nahbereich im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BSG handle. Dies aber müsse durch die Beklagte sichergestellt werden. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen nach § 13 Abs. 3 a SGB V vor. Antragseingang sei der 20.12.2013 gewesen. Die ablehnende Entscheidung datiere vom 29.03.2014. Folglich habe die Beklagte weder die Frist von 3 noch die Frist von 5 Wochen eingehalten. Da auch keine anders lautende Zwischennachricht erfolgt sei, gelte die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Der Kläger habe sich die Leistung nicht selbst beschafft. Für die Genehmigungsfiktion komme es hierauf nicht an. Neben dem in § 13 Abs. 3 a SGB V geregelten Anspruch auf Kostenerstattung unterfalle auch ein bestehender Sachleistungsanspruch der Genehmigungsfiktion. Insoweit sei auf die Rechtsprechung des 5. Senats des LSG NRW vom 23.05.2014 (L 5 KR 222/14 B ER) zu verweisen.
7Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 29.03.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einem Speedy-Elektra 2 Zuggerät zu versorgen.
8Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
9Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und vertritt darüber hinaus die Auffassung, hier sei nicht allein maßgeblich, dass die Fristen des § 13 Abs. 3 a SGB V abgelaufen seien, denn allein die Erfüllung dieser Voraussetzungen begründe noch keinen Anspruch aus einer fingierten Genehmigung gem. § 13 Abs. 3 a S. 6 SGB V. Von der Fiktionswirkung seien nur solche beantragten Leistungen erfasst, die die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hätten. Wie bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt, sei das beantragte Speedy-Elektra 2 Zuggerät nicht erforderlich, um eines der Ziele des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V zu erreichen. Danach folge auch kein Anspruch gem. § 13 Abs. 3 a SGB V. Insoweit sei auf die Beschlüsse des LSG NRW vom 26.05.2014 (L 16 KR 154/14 B ER und L 16 KR 155/14 B) zu verweisen. Aus der Neuregelung folge hiernach nicht, dass eine nicht dem Qualitätsgebot und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechende und damit an sich nicht geschuldete Leistung als genehmigt gelten würde. Die auf Satz 6 verengte Wortlautbetrachtung lasse sich mit dem Regelungsgehalt des Satzes 7, der einen Kostenerstattungsanspruch nur für die Selbstbeschaffung einer "erforderlichen" Leistung einräume, zur Überzeugung des o.g. Senats nicht vereinbaren. Die Genehmigungsfiktion solle nur die Beschaffung der zustehenden Leistungen einfacher machen und nicht dazu führen, dass insoweit "nicht zustehende" Leistungen fiktiv bewilligt werden.
10Der Kläger verbleibt demgegenüber bei seiner Auffassung. Die Beklagte übersehe, dass es sich bei dem beantragten Hilfsmittel um ein im Hilfsmittelverzeichnis gelistetes Produkt handele, das grundsätzlich in der Leistungspflicht der Krankenkassen stehe und auch dem Qualitätsgebot entspreche. Die Rechtsauffassung der Beklagten unter Berufung auf die Beschlüsse des 16. Senats des LSG NRW führten gerade dazu, dass die gesetzgeberische Intention zur Beschleunigung der Verfahren ins Leere liefe.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen und die Verwaltungsakte der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung war, Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte war unter Aufhebung der entgegenstehenden anspruchsverneinenden Bescheide antragsgemäß zu verurteilen. Die Bescheide verletzen den Kläger rechtswidrig in seinen Rechten, da ihm der geltend gemachte Anspruch als Sachleistungsanspruch aus § 13 Abs. 3 a, S. 6 i.V.m. § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V zusteht.
14Insoweit ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die formalen Gründe zum Eintritt der Genehmigungsfiktion nach Ablauf der vom Gesetz vorgesehenen Fristen vorliegen. Zu Recht verweist der Kläger darauf, dass ihm nach der Rechtsprechung des 5. Senats des LSG NRW hieraus nicht nur ein Anspruch auf Kostenerstattung für die Selbstbeschaffung des begehrten Hilfsmittels, sondern auch der hier geltend gemachte Versorgungsanspruch als Sachleistungsanspruch zusteht. Nach dieser zutreffend zitierten Entscheidung vom 23.05.2014 (L 5 KR 222/14 B ER) ist durch die Fiktion der Genehmigung die Leistungsberechtigung des Klägers wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen (wie z. B. der Frage, ob es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt und ob die Leistung erforderlich im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 1 SGB V ist) ausgeschlossen. Nur auf diese Weise kann der Wunsch des Gesetzgebers, generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahrens zu verbessern, umgesetzt werden. Dieses Ziel würde ins Leere laufen, könnte die Genehmigungsfiktion durch eine (außerhalb der Frist erfolgende) nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder erlöschen (vgl. LSG NRW a.a.O.,m.w.N.).
15Die Kammer folgt insoweit nicht der abweichenden, von Knispel (SGB 2014, 374 ff. und ihm folgend LSG NRW, 26.05.2014, L 16 KR 154/14 B ER) vertretenen Auffassung, dass die Genehmigungsfiktion nur dann eingreift, wenn eine grundsätzlich von der Kasse innerhalb des Leistungssystems der GKV geschuldete Leistung dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht. Zu dieser – auch von der Beklagten vertretenen – Auffassung hat der Kläger zutreffend hingewiesen, dass hiernach die Intention zur Neuschaffung des § 13 Abs. 3 a unterlaufen würde und es durchaus bei der bisherigen Rechtslage hätte verbleiben können.
16Auch der GKV-Spitzenverband sieht die Neuregelung nicht derart einschränkend wie der 16. Senat des LSG NRW. Die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene und der GKV-Spitzenverband haben ein Gemeinsames Rundschreiben vom 15.05.2013 herausgegeben, um die Neuregelung zu kommentieren und die Grundlage für eine einheitliche Anwendung durch die Krankenkassen zu schaffen. Das Rundschreiben legt für die Kassen bundeseinheitlich u.a. fest, in welchen Fällen die Fristenregelung zur Leistungsgewährung nicht anzuwenden ist. Ein solcher Leistungsausschluss, wie hier von der Beklagten angewandt, findet sich in diesem Gemeinsamen Rundschreiben nicht. Als von § 13 Abs. 3 a SGB V erfasste Sozialleistungen werden unter 2.3 Abs. 6 Nr. 20 Hilfsmittel nach § 33 SGB V ausdrücklich benannt. Die Ausnahmen für bestimmte Produkte sind bezeichnet, liegen hier jedoch nicht vor. Wenn aber unter 2.3 Abs. 6 Nr. 3 des Rundschreibens sogar außervertragliche Leistungen (z.B. neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode) als von § 13 Abs. 3 a SGB V erfasste Sozialleistungen benannt werden, kann der einschränkenden Auslegung durch den 16. Senat und ihm folgend die Beklagte kein Raum gegeben werden (vgl. mit diesem Ergebnis ebenso SG Gelsenkirchen, 02.10.2014, S 11 KR 180/14 sowie SG Augsburg, 27.11.2014, S 12 KR 183/14).
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Antrag der Klägerin vom 19.03.2013 auf Versorgung mit einer Oberschenkelprothese mit Genium-Kniegelenkspassteil genehmigt ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
- 1
Streitig ist, ob ein Antrag der Klägerin auf Versorgung mit einem Hilfsmittel als genehmigt gilt.
- 2
Der 1951 geborenen Klägerin musste 1962 nach einem Knochentumor das linke Bein im Oberschenkel amputiert werden. Seitdem trägt sie eine Beinprothese. Zuletzt wurde sie durch die beklagte Krankenkasse, deren Mitglied sie ist, mit einer C-Leg Beinprothese versorgt.
- 3
Am 05.03.2013 verordnete der Facharzt für Orthopädie Dr. W. der Klägerin "1 OS-Prothese in HTV Silikontechnik und Silikon Liner, M.A.S. Schafttechnik mit Genium Kniegelenksystem bei MOB 3". Mit Schreiben vom 14.03.2013 reichte die Fa. Orthopädie + V. Zentrum P. GmbH die Verordnung und einen Kostenvoranschlag bei der Beklagten ein. Die in der beigezogenen Akte der Beklagten enthaltenen Unterlagen weisen keinen Eingangsstempel auf. Nach einem Aktenvermerk vom 26.04.2013 (Blatt 48 der Kassenakte der Beklagten) gingen die in dem Vermerk als Antrag bezeichneten Unterlagen am 19.03.2013 bei der Beklagten ein.
- 4
Mit Schriftsatz vom 24.04.2013 wandte sich die Bevollmächtigte der Klägerin per Telefax an die Beklagte. Sie trug vor, die Klägerin habe am 21.03.2013 über das Sanitätshaus X. die Kostenübernahme für eine Oberschenkelprothese mit Genium Kniegelenk beantragt. Auf den Antrag habe die Beklagte nicht reagiert. Gemäß § 13 Abs. 3a SGB V sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Antrag innerhalb von drei Wochen zu bearbeiten. Zureichende Gründe für eine Überschreitung der Frist seien nicht mitgeteilt. Damit gelte der Antrag als genehmigt. Die Beklagte - so die Bevollmächtigte - werde aufgefordert, binnen einer Woche die Kostenzusage gegenüber dem Sanitätshaus zu erklären, damit mit der medizinisch notwendigen Versorgung begonnen werden könne. Am 30.04.2013 erfolgte ein Hausbesuch bei der Klägerin. Mit Bescheid vom 03.05.2013 lehnte die Beklagte sinngemäß den Antrag auf Versorgung mit der verordneten Prothese ab. Zur Begründung führte sie aus, ein eine Neuversorgung rechtfertigender Mehrwert des Genium-Kniegelenks gegenüber der derzeitigen Prothesenversorgung sei nicht eindeutig dargelegt worden. Die Klägerin legte Widerspruch ein und wies auf Gebrauchsvorteile der verordneten Prothese hin. Der Facharzt für Orthopädie Dr. W. erstattete den Bericht vom 03.07.2013 und teilte mit, die verordnete Prothese weise gegenüber anderen Modellen erhebliche Gebrauchsvorteile auf.
- 5
Nach Anhörung der Klägerin nahm die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2013 die "fiktive Genehmigung" nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die auf rein formellen Erwägungen basierende fiktive Genehmigung sei rechtswidrig. Die sozialrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Versorgung seien nicht nachgewiesen. Die Klägerin legte durch ihre Bevollmächtigte Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
- 6
Bereits am 24.09.2013 hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte Feststellungsklage erhoben. Sie trägt vor, da es sich um ein hochpreisiges Hilfsmittel handele, benötige sie die Bestätigung der Genehmigungsfiktion, um den Auftrag zur Auslieferung des Hilfsmittels zu erteilen. Es bestehe damit ein Feststellungsinteresse.
- 7
Sie beantragt,
- 8
1. Es wird festgestellt, dass der Antrag der Klägerin vom 21.03.2013 auf Versorgung mit einer Oberschenkelprothese mit Genium-Kniegelenkspassteil genehmigt ist.
- 9
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 10
Die Beklagte beantragt,
- 11
die Klage abzuweisen.
- 12
Sie hält die Klage für unzulässig. Obwohl - so die Beklagte - das Sozialgerichtsgesetz die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber den anderen Klagearten nicht ausdrücklich postuliere, sei sie grundsätzlich auch im sozialgerichtlichen Verfahren nur zulässig, wenn die Klägerin ihr Begehren nicht mit einer Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage verfolgen könne, anderenfalls fehle das Rechtsschutzbedürfnis.
- 13
In der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2013 ist die Frage der Zulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage, die Frage der Anwendbarkeit des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch auf eine gesetzliche Genehmigungsfiktion sowie die Frage, ob § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V einen Sachleistungsanspruch oder lediglich einen Kostenerstattungsanspruch regelt, erörtert worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
- 14
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 15
Die Klage ist zulässig. Die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Die Klägerin begehrt mit der Feststellungsklage auch im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses und sie hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des behaupteten Eintritts der Genehmigung der Versorgung mit einem Hilfsmittel. Es liegt kein Fall des Ausschlusses einer Feststellungsklage vor. Insbesondere ist die Feststellungsklage nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin ihr Ziel durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen könnte. Zwar ist ein Grundsatz der Subsidiarität/Nachrangigkeit der Feststellungsklage im Sozialgerichtsgesetz nicht ausdrücklich niedergelegt. Die Beklagte weist aber zu Recht darauf hin, dass nach allgemeiner Meinung (Nachweise bei Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 55 Randnr. 19) eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dieser Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage soll der Vermeidung überflüssiger Klagen dienen. Der Vorrang der Gestaltungs- oder Leistungsklage gilt aber nur dann, wenn im konkreten Fall eine solche Klage zulässig ist bzw. wäre (ebenda, Randnr. 19a). Dies ist hier nicht der Fall: Der Zulässigkeit einer auf Versorgung mit dem verordneten Hilfsmittel gerichteten (reinen) Leistungsklage steht entgegen, dass die Beklagte ihre Leistungspflicht durch Verwaltungsakt abgelehnt hat. Der ablehnende Verwaltungsakt müsste im Wege der mit der Leistungsklage kombinierten Anfechtungsklage angefochten werden, um seine Aufhebung zu erreichen. Eine solche kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage wäre aber derzeit nicht zulässig, weil zunächst das bereits eingeleitete Widerspruchsverfahren durchgeführt werden muss. Daher gilt hier der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage nicht. Zudem gilt dieser Grundsatz nach wohl herrschender Meinung (Nachweise ebenda, Randnr. 19c) ohnehin im Grundsatz dann nicht, wenn auf Beklagtenseite eine juristische Person des öffentlichen Rechts steht. In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass die an Recht und Gesetz gebundene Verwaltung auch ohne den Druck der Vollstreckung aus einem Leistungsurteil den festgestellten Anspruch des Klägers befriedigt.
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Zudem spricht auch der Grundsatz der Prozessökonomie hier für die Annahme der Zulässigkeit der Feststellungsklage. Denn die Klägerin müsste sonst - bei noch "laufendem" Widerspruchsverfahren - zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes einstweiligen Rechtsschutz beantragen. Ein solches zusätzliches Verfahren kann durch eine Feststellungsklage vermieden werden.
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Die Klage ist auch begründet. Die beantragte Hilfsmittelversorgung gilt von Gesetzes wegen als genehmigt. Grundlage hierfür ist § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der seit dem 26.02.2013 geltenden Fassung vom 20.02.2013 ("Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten", Bundesgesetzblatt I 2013, S. 277). Die Regelung lautet: "Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt." Die Regelung ist nur im Zusammenhang mit § 13 Abs. 3a Sätze 1 bis 5 SGB V verständlich. Diese lauten: "Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit."
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Die Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ist eingetreten, weil die Voraussetzungen dieser Rechtsnorm erfüllt sind: Bei der Beklagten ist am 19.03.2013 ein Antrag der Klägerin auf Versorgung mit der ärztlich verordneten Prothese eingegangen. Jedenfalls mit dem Eingang des Kostenvoranschlags des Sanitätshauses bei der Beklagten lag dieser ein Leistungsbegehren und damit ein Antrag der Klägerin im Sinne des § 19 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch vor (vgl. zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der im Rahmen der Hilfsmittelversorgung üblichen Verfahrensweise Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, veröffentlicht bei Juris). Über diesen Antrag hätte die Beklagte innerhalb von drei Wochen entscheiden müssen (§ 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V) oder der Klägerin unter Darlegung der Gründe schriftlich mitteilen müssen, dass sie die Frist nicht einhalten kann (§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V). Weder das Eine noch das Andere ist geschehen. Eine Fristsetzung durch die Klägerin ist nach der in Kraft getretenen Gesetzesfassung nicht erforderlich. Demnach gilt die beantragte Leistung gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt. Die Vorschrift ist auf das verordnete Hilfsmittel auch anwendbar. Dieses war "die beantragte Leistung". Die Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ist entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht der Beklagten nicht auf eine Kostenerstattung beschränkt. Angesichts des klaren Wortlauts ("die beantragte Leistung") besteht kein Auslegungsbedarf. Auch steht der Anwendbarkeit des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V auf das beantragte Hilfsmittel nicht die Regelung des § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V entgegen. Diese verweist lediglich hinsichtlich der Zuständigkeitserklärung des Leistungsträgers und der Erstattung auf die besonderen Regelungen der §§ 14 und 15 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch und erklärt diese für anwendbar. Ein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V auf die durch die Klägerin beantragte Leistung lässt sich dem nicht entnehmen.
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Auch die Beklagte geht davon aus, dass die Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten ist. Denn sonst ergäbe die mit Bescheid vom 26.09.2013 ausgesprochene und auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützte Rücknahme der "fiktiven Genehmigung" keinen Sinn. Diese Rücknahme hat allerdings keinen Einfluss auf die Begründetheit der erhobenen Feststellungsklage. Denn zum Einen ist der Rücknahmebescheid vom 26.09.2013 wegen des eingelegten Widerspruchs bislang zwischen den Beteiligten nicht bindend geworden (§ 77 SGG). Zum Anderen sind die Regelungen der §§ 44 ff. SGB X über die Rücknahme, den Widerruf und die Aufhebung von Verwaltungsakten auf die hier eingetretene gesetzliche Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nicht anwendbar. Denn diese ist kein Verwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt ist nach § 31 Satz 1 SGB X jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ist keine Verfügung oder Entscheidung einer Behörde; sie tritt von Gesetzes wegen ein, weil die Behörde gerade nicht entscheidet. Eine analoge Anwendung der §§ 44 ff. SGB X kommt nicht in Betracht, weil keine planwidrige Regelungslücke zu erkennen ist. Zudem würde eine solche analoge Anwendung der §§ 44 ff. SGB X die Absicht, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 13 Abs. 3a SGB V verfolgte ("Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten") geradezu unterlaufen. Sie entspräche folglich auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, dem es offenkundig um eine Beschleunigung der Antragsbearbeitung ging. Diese Auffassung wird durch die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angeführte Regelung des § 42a Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG-Bund) nicht erschüttert, sondern bestätigt. Gemeint ist § 42a Absatz 1 Satz 2 VwVfG-Bund. § 42a Abs. 1 VwVfG-Bund lautet: "Eine beantragte Genehmigung gilt nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (Genehmigungsfiktion), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist. Die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend." Die durch den Gesetzgeber im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes getroffene Anordnung einer entsprechenden Regelung bedeutet, dass die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten bei gesetzlichen Genehmigungsfiktionen nicht unmittelbar anwendbar sind und auch nicht im Wege der Analogie herangezogen werden können. Ansonsten wäre die Anordnung des Gesetzgebers überflüssig. In den Verfahrensregelungen des hier maßgeblichen Sozialgesetzbuch (Fünftes oder Zehntes Buch) fehlt eine vergleichbare Regelung. Aus Sicht der Sozialleistungsträger mag eine Regelungslücke bestehen. Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 42a Abs. 1 VwVfG-Bund (und in der Folge der §§ 44 ff. SGB X) wäre aber eine Planwidrigkeit der Regelungslücke, mithin eine unbeabsichtigte, versehentliche Unterlassung des Gesetzgebers. Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Wenn der Gesetzgeber für einen bestimmten Regelungsbereich (hier das VwVfG-Bund) eine Rechtsfolge (die entsprechende Geltung der Vorschriften über die Rücknahme und Aufhebung von Verwaltungsakten) anordnet, für einen anderen Regelungsbereich (das SGB X) aber nicht, so kann ihm nicht einfach unterstellt werden, er habe es vergessen, die für den einen Regelungsbereich geltende Rechtsfolge auch in dem anderen Regelungsbereich anzuordnen. Vielmehr gibt es auch aus Sicht des Gesetzgebers gute Gründe dafür, die Verfahrensregeln für Fälle, in denen es um die Versorgung mit Leistungen der Sozialversicherung geht, anders zu regeln als die Verfahrensregeln für Fälle, in denen es etwa um die Errichtung von Bauwerken oder Tiergehegen geht (z. B. Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 14.01.2013, 2 A 130/12, veröffentlicht bei Juris). Es besteht daher kein Grund, von den Vorgaben des Gesetzgebers abzuweichen. Die § 44 ff. SGB X sind vorliegend nicht anwendbar.
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Aus den dargelegten Gründen war der Klage antragsgemäß stattzugeben. Die Kammer ist von dem gestellten Klageantrag geringfügig abgewichen, weil nach der beigezogenen Akte der Beklagten der Antrag der Klägerin auf Versorgung mit dem verordneten Hilfsmittel schon am 19.03.2013 bei der Beklagten eingegangen ist. Für den geltend gemachten Anspruch ergibt sich hieraus keine Änderung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klägerin obsiegt, hat ihr die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Das Gerichtsverfahren als solches ist für die Klägerin gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 SGG kostenfrei.
(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.
(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.
(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.
(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.
(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.
(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.
(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.
(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.
(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.
(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.
(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.
(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.
(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
- 1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, - 2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder - 3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder - 2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.