Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 09. Aug. 2018 - 1 OLG 2 Ss 23/18

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2018:0809.1OLG2SS23.18.00
bei uns veröffentlicht am09.08.2018

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. (kleinen) Strafkammer vom 6. Februar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein hat den Angeklagten am 26. Juli 2017 wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 124 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt. Ihre am 1. August 2017 dagegen - zunächst unbeschränkt - eingelegte Berufung hat die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 4. Oktober 2017 auf „die Frage der Einziehung von Wertersatz gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c StGB“ beschränkt. Das Landgericht hat die Beschränkung der Berufung für wirksam erachtet und auf das Rechtsmittel das angefochtene Urteil dahingehend ergänzt, dass gegen den Angeklagten die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 47.443,98 EUR angeordnet wurde.

2

Die dagegen gerichtete, mit der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten ist begründet.

I.

3

Nach den - aufgrund der Rechtsmittelbeschränkung bindend gewordenen - Feststellungen des Amtsgerichts eröffnete der Angeklagte im Jahr 2009 eine Einzelfirma, die europaweit Kurierdienste von Medikamenten und Zeitungen durchführte. Spätestens zum 1. Januar 2011 übernahm die Ehefrau des Angeklagten den Betrieb als alleinige Betriebsinhaberin. Der Angeklagte wirkte auch danach noch neben seiner Ehefrau maßgeblich an der Betriebsführung mit, so übernahm er die Disposition, die Kundenakquise und die Bearbeitung der Gehaltszahlungen der Mitarbeiter. Da sie aufgrund wachsender familiärer Lebenshaltungskosten in einen finanziellen Engpass gerieten, entschlossen sich der Angeklagte und seine Ehefrau betriebliche Ausgaben zu minimieren um dadurch mehr Einkünfte zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten zu erzielen. Hierzu unterließen sie es, versicherungspflichtige Beschäftigte den Einzugsstellen zu melden, wodurch sie erreichten, dass die zuständigen Krankenversicherungsträger eine Geltendmachung der Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 47.443,98 EUR (Zeitraum: Januar 2011 bis Dezember 2013) unterließen.

4

Das Landgericht hat sich aufgrund der Rechtsmittelbeschränkung an die Feststellung einer (faktischen) Arbeitgebereigenschaft des Angeklagten gebunden gesehen und darüber hinaus eine Arbeitgebereigenschaft des Angeklagten auf der Grundlage der vom Amtsgericht hierzu getroffenen Feststellungen auch selbst bejaht. Als Arbeitgeber sei der Angeklagte persönlich verpflichtet gewesen, Sozialversicherungsbeiträge an die Einzugsstellen abzuführen. Indem er dies in strafbarer Weise unterlassen habe, habe er Aufwendungen in entsprechender Höhe erspart, die der Einziehung unterlägen.

II.

5

Auch nach der Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat diese - mit Ausnahme der Einziehung gemäß §§ 74, 74a StGB - wie bereits nach vormaligem Recht keinen strafenden oder strafähnlichen Charakter. Die rückwirkende Anwendung der (geänderten) Vorschriften verstößt nicht gegen das Rückwirkungsverbot (BGH, Urteil vom 15.05.2018 - 1 StR 651/17, juris Rn. 48 ff.; OLG Köln, Urteil vom 23.01.2018 - III-1 RVs 274/17, juris Rn. 13; zu Art. 7 Abs. 1 S. 2 EMRK vgl. BGH, Beschluss vom 22.03.2018 - 3 StR 42/18, juris).

III.

6

Die bisher getroffenen Feststellungen belegen entgegen der Wertung des Landgerichts allerdings nicht, dass der Angeklagte „etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB [in der Fassung vom 13.04.2017] erlangt hat.

1.

7

Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet bereits die Annahme, der Angeklagte sei „als Arbeitgeber (..) persönlich verpflichtet (gewesen), die Sozialversicherungsbeiträge an die Einzugsstellen abzuführen“ und habe daher Aufwendungen in entsprechender Höhe erspart.

8

a) Die bislang getroffenen Feststellungen belegen das persönliche Merkmal der Arbeitgebereigenschaft i.S.d. § 266a StGB auf Seiten des Angeklagten und damit eine ihn persönlich treffende Melde- und Beitragsabführungspflicht nicht.

9

Wer Arbeitgeber i.S.d. § 266a StGB ist, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Sozialversicherungsrecht (Wiedner in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., StGB § 266a Rn. 1; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 266a Rn. 4). Nach den einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Maßgaben ist als Arbeitgeber jede natürliche oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts anzusehen, die Arbeit unmittelbar an andere vergibt und der die Verfügung über die Arbeitskraft, die Einstellung, Verwendung und Entlassung zusteht, für deren Rechnung das Arbeitsentgelt gezahlt wird und der der Erfolg der Arbeitsleistung zugutekommt (Pietrek in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl., § 28a Rn. 78; vgl. a.: BGH, Beschluss vom 24.06.2015 - 1 StR 76/15, NStZ 2015, 648). Arbeitgeber im sozialrechtlichen Sinne ist mithin also derjenige, dem der Anspruch auf die vom Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.01.2012 - L 8 R 67/09, juris Rn. 27 m.w.N.).

10

b) Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen, die das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, waren die der Beitragspflicht unterfallenden Personen nicht bei dem Angeklagten selbst, sondern bei der von seiner Ehefrau betriebenen Einzelfirma i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt. Dabei ist - mangels näherer Feststellungen zur Rechtsform des Betriebs - davon auszugehen, dass diese das Unternehmen als Einzelkauffrau i.S.d. §§ 1 ff HGB betrieben hat und sozialversicherungsrechtlich meldeverpflichtet war. Etwas Anderes würde sich im Ergebnis im Übrigen auch dann nicht ergeben, wenn der Angeklagte gemeinsam mit seiner Ehefrau den Betrieb in Form eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) betrieben hätte. Denn nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist Arbeitgeber der bei einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts beschäftigten Personen (allein) die GbR selbst, nicht aber (auch) deren Gesellschafter (LSG Nordrhein-Westfalen aaO. Rn. 27 m.w.N.; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 01.06.2017 - L 3 R 99/16, juris Rn. 51; s.a. OLG Celle, Beschluss vom 12.01.2016 - 2 Ss 188/15, juris Rn. 18).

11

Ausgehend von der Melde- und Beitragspflicht hat nach alledem lediglich die Ehefrau des Angeklagten bzw. deren Unternehmen (als Drittbegünstigte i.S.d. § 73b StGB) Aufwendungen erspart.

12

c) Die danach lückenhafte Begründung der Arbeitgebereigenschaft des Angeklagten stellt die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung nicht in Frage. Denn auch wenn dessen Ehefrau und/oder das von dieser betriebene Unternehmen Arbeitgeber i.S.d. § 266a StGB gewesen ist, wäre eine - strafrechtliche - Verantwortlichkeit des Angeklagten über § 14 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Nr. 1 oder 2 StGB begründet (weiterführend: Wiedner aaO. Rn. 14 ff.).

2.

13

§ 73 Abs. 1 StGB bezweckt die Abschöpfung desjenigen Vermögenswerts, den der Tatbeteiligte durch die rechtswidrige Tat erlangt hat, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine Verfügungsgewalt übergegangen und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugeflossen ist (BGH, Urteil vom 08.02.2018 - 3 StR 560/17, juris Rn. 10). Aus dem Umstand, dass der Angeklagte bei der Führung des Betriebs mitgewirkt hatte und (u.a.) mit der Auszahlung der Gehälter beauftragt gewesen war, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht bereits auf eine Erlangung eines Vermögenszuwachses auf Seiten des Angeklagten schließen. Bewirkt der Täter als Organ, Vertreter oder Beauftragter einer juristischen oder natürlichen Person einen Vermögenszuwachs bei dem Vertretenen, kann er grundsätzlich nur dann etwas aus der Tat erlangt haben, wenn er Verfügungsgewalt über das Erlangte innegehabt hat (BGH, Beschluss vom 22.07.2014 - 1 StR 53/14, juris Rn. 6). Es bedarf daher stets der Feststellung tatsächlicher Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Täter persönlich etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat, etwa weil eine Trennung von Privatvermögen des Täters und dem Vermögen des Beauftragenden tatsächlich nicht besteht (BGH, Beschluss vom 13.02.2014 - 1 StR 336/13, juris Rn. 75). Eine allein faktische Zugriffsmöglichkeit des Täters auf das Vermögen des Vertretenen bzw. Beauftragenden (§ 14 Abs. 2 StGB) reicht in diesem Zusammenhang nicht aus (BGH, Urteil vom 23.10.2013 - 5 StR 505/12, NStZ 2014, 89, 93). Auch eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung kommt nur in Betracht, wenn dem Angeklagten zumindest Mitverfügungsgewalt über die jeweiligen Taterlöse zukommen sollte und er diese auch tatsächlich hatte (BGH, Beschlüsse vom 13.11.1996 - 3 StR 482, juris Rn.3, vom 13.12.2006 - 4 StR 421/06, juris Rn. 6 und vom 07.06.2018 - 4 StR 63/18, juris Rn. 12).

14

Eine fehlende Trennung zwischen dem Vermögen des von der Ehefrau des Angeklagten betriebenen Unternehmens einerseits und dem Privatvermögen des Angeklagten andererseits wird durch die bisher getroffenen Feststellungen indes nicht belegt. Die Feststellung, dass der Angeklagte und seine Ehefrau durch die Taten mehr Einkünfte aus dem Betrieb zur Deckung ihrer Lebensunterhaltskosten erzielen wollten [und offenbar auch haben] (UA S. 3) belegt nicht, dass jeder aus den Taten folgende Vermögenszufluss auf Seiten des Betriebes sogleich einen Vermögenszuwachs auf Seiten des Angeklagten bewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13.02.2014 - 1 StR 336/13, juris Rn. 75 m.w.N.). Insoweit hätte es näherer Feststellungen zu Art und Umfang der Mitverfügungsgewalt des Angeklagten über das Vermögen seiner Ehefrau bzw. ihres Unternehmens bedurft.

3.

15

Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird ggfs. Feststellungen zum Ausschluss der Einziehung gem. § 73e Abs. 1 StGB zu treffen haben.

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(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

Verweist ein Gesetz auf diese Vorschrift, können Gegenstände abweichend von § 74 Absatz 3 auch dann eingezogen werden, wenn derjenige, dem sie zur Zeit der Entscheidung gehören oder zustehen,

1.
mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass sie als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen sind, oder
2.
sie in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erworben hat.

48
a) Ein Verstoß gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte strafrechtliche Rückwirkungsverbot ist damit nicht verbunden (BGH, Beschluss vom 22. März 2018 – 3 StR 577/17). Weder die Einziehung von Taterträgen noch die hier fragliche Wertersatzeinziehung sind Strafen oder weisen strafähnlichen Charakter auf (oben Rn. 40; BT-Drucks. 18/11640 S. 84; zum früheren Recht BVerfG aaO, BVerfGE 110, 1, 14 ff.).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 42/18
vom
22. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges
ECLI:DE:BGH:2018:220318B3STR42.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. März 2018
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 28. September 2017 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei die Einziehung des Werts der Taterträge von 208.118 € angeordnet. Die Strafkammer hat nach Art. 306h EGStGB zutreffend die Vorschriften der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d Abs. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) angewendet, weil sie erst nach dessen Inkrafttreten am 1. Juli 2017 über die Abschöpfung der Tatgewinne befunden hat und in dem Verfahren zuvor keine andere Entscheidung zum früheren Verfall oder Wertersatzverfall ergangen war. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers steht Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK der Anwendung der - § 2 Abs. 5 StGB abbedingenden - Übergangsregelung nicht entgegen, auch wenn nach altem Recht eine Anordnung des Wertersatzverfalls wegen § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF ausgeschlossen, vielmehr nur eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 Satz 1, 3 StPO aF möglich gewesen wäre; denn die von der Strafkammer getroffene Einziehungsentscheidung hat keinen Strafcharakter. Dies ergibt sich hier bereits daraus, dass die Anordnung der Wertersatzeinziehung der Befriedigung von Ersatzansprüchen der Tatopfer dient. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurden in den sieben Fällen des vollendeten gewerbsmäßigen Bandenbetruges die Verletzten um insgesamt mindestens 208.118 € geschädigt. Jedenfalls in dieser Höhe ist der Angeklagte ihnen gegenüber zivilrechtlich zum Schadensersatz verpflichtet. Erfüllt er (teilweise) seine Verbindlichkeiten oder kommt es - etwa im Vergleichswege - zu einem (Teil-)Erlass, so ordnet im Vollstreckungsverfahren das Gericht nach § 459g Abs. 4 StPO nF im jeweiligen Umfang den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung an. Zahlt hingegen der Angeklagte auf die Wertersatzeinziehung oder führt die hieraus gegen ihn betriebene Vollstreckung zu für die Opferentschädigung ausreichenden Erlösen, werden sie gemäß § 459h Abs. 2, § 459n StPO nF bzw. § 459h Abs. 2 StPO nF an die Verletzten ausgekehrt. In der bloßen Wiedergutmachung der Betrugsschäden, zu der der Angeklagte ohnehin zivilrechtlich verpflichtet ist, vermag der Senat kein Strafübel zu erkennen. Zwar kann nach dem neuen Vermögensabschöpfungsrecht die Opferentschädigung auch eine Insolvenzantragstellung erforderlich machen (näher hierzu Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 680 f.; Korte, wistra 2018, 1, 2). Dies berührt jedoch nicht den Zweck der von der Strafkammer angeordneten Wertersatzeinziehung und verleiht ihr (entgegen LG Kaiserslautern, Urteil vom 20. September 2017 - 7 KLs 6052 Js 8343/16 (3), wistra 2018, 94 f.) keinen Strafcharakter. Becker Spaniol Tiemann Berg Leplow

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR76/15
vom
24. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 7. Oktober 2014, soweit dort das Verfahren nicht eingestellt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Landshut zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat beide Angeklagte wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 501 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt verurteilt. Gegen den Angeklagten B. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten und gegen die Angeklagte K. eine solche von zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verhängt. Im Übrigen ist das Verfahren wegen Verjährung eingestellt worden. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls in Höhe von 471.932,98 Euro bei beiden Angeklagten Ansprüche der Geschädigten entgegenstehen.
2
Auf die vom Angeklagten B. erhobenen Verfahrensrügen, denen auch Gewicht beizumessen ist, kommt es vorliegend nicht an, da die Revisionen bereits auf die von beiden Angeklagten erhobene Sachrüge hin in vollem Umfang Erfolg haben (§ 349 Abs. 4 StPO).
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1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
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Der Angeklagte B. bat die Angeklagte K. im November 2005, einen Gewerbebetrieb zu eröffnen, da er „Probleme mit Behörden“ habe. Die Angeklagte K. meldete sodann unter der Firma „E. “ einen Gewerbebetrieb an, dessen Zweck mit Bühnenaufbau angegeben wurde. Unter dieser Firma schloss der Angeklagte B. unter Verwendung seiner aus seiner früheren Einzelfirma resultierenden Datenbank mit Kontakten zu Aufbaufirmen und arbeitswilligen Personen Verträge mit diversen Aufbaufirmen, in denen er sich verpflichtete, die geforderte Anzahl an Arbeitern zur Verfügung zu stellen. Diese Arbeiter verstanden sich selber als Selbständige, hatten einen Gewerbeschein für Bühnenaufbauarbeiten und konnten die Aufträge des Angeklagten B. aus freien Stücken annehmen oder ablehnen. Einige Arbeiter waren regelmäßig, zum Teil auch mehrere Monate oder Jahre - allerdings in sehr unterschiedlichem Umfang - am Stück, für die Firma „E. “ tätig, andere nur ganz vereinzelt. Eine Lohnsteuerkarte bzw. Arbeitspapiere gaben die Arbeiter weder bei den Angeklagten noch bei den Aufbaufirmen ab. Alle Arbeiter waren auch für andere Auftraggeber tätig. Der Angeklagte B. teilte den Arbeitern die Einsatzorte und Zeitpunkte von Fall zu Fall entspre- chend seiner Verträge mit den Aufbaufirmen mit. Die Arbeiter hatten sich bei Annahme des Auftrags sodann an diese Vorgaben zu halten, konnten insbesondere keine anderen Einsatzzeitpunkte oder -orte auswählen. Grundsätzlich oblag es den Arbeitern, selbständig zum Einsatzort zu kommen, zum Teil bildeten diese Fahrgemeinschaften. In Einzelfällen erhielten sie die Fahrtkosten erstattet oder der Angeklagte B. stellte Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung und kam für die Verpflegung vor Ort auf. Bei größeren Veranstaltungen kontrollierte der Angeklagte B. oder ein von ihm eingesetzter „Crew-Chief“ die Anwesenheit der Arbeiter und teilte diese in verschiedene Ar- beitsgruppen ein. Nach dieser Einteilung arbeiteten die Arbeiter auf Weisung der vor Ort verantwortlichen Techniker bzw. Produktionsleiter der Aufbaufirmen. Konkrete Arbeitsanweisungen des Angeklagten B. gab es nicht. Die von den Arbeitern auszuführenden Verrichtungen waren durchweg einfache Helfertätigkeiten wie z.B. das Ent- und Beladen von Lkws und der Auf- und Abbau der Bühnen. Letztverantwortlich hierfür waren die Techniker und Produktionsleiter der Aufbaufirmen. Weder der Angeklagte B. noch die eingesetzten Arbeiter schuldeten einen Erfolg. Die wenigen Werkzeuge, die die Arbeiter vor Ort benötigten, brachten sie in aller Regel zusammen mit gegebenenfalls benötigter Schutzbekleidung selber mit. Der Angeklagte B. gewährte ihnen weder Urlaub noch Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Es existierten keinerlei schriftliche Vereinbarungen über die zu erbringende Tätigkeit zwischen den Arbeitern und der Firma „E. “, insbesondere auch keine Rahmenvereinbarung dahingehend, dass die Arbeiter eine bestimmte Mindeststundenzahl pro Monat erbringen müssten. Die Firma „E. “ zahlte ihnen auch kein Mindestentgelt. In einem Fall sorgte der Angeklagte B. dafür, dass seine Haftpflichtversicherung einen von einem von ihm eingesetzten Arbeiter verursachten Schaden an einem Plasma-Bildschirm regulierte.
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Der Angeklagte B. war nach der Wertung des Landgerichts „faktischer Geschäftsführer“, während die Angeklagte K. als reine „Strohfrau“ nur Sekretärinnentätigkeiten verrichtete und auf Anweisung des Angeklag- ten B. die Rechnungen der Arbeiter beglich und Rechnungen an die Auftraggeberfirmen stellte, die lediglich die geleisteten Stunden enthielten, eine Aufschlüsselung nach einzelnen Arbeitern fand nicht statt. Hierfür erhielt die Angeklagte K. ein Gehalt in Höhe von 1.000 Euro monatlich. Die Bankkarte des Firmenkontos stellte sie dem Angeklagten B. zur Verfügung. Eine kaufmännisch ordnungsgemäße Betriebsführung existierte nicht, Rechnungen wurden nicht über den erforderlichen Zeitraum aufgehoben. Lediglich für den letzten Abrechnungszeitraum hatte der Angeklagte B. in seinem Pkw einen Leitzordner mit Rechnungen.
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Der Angeklagte B. war sich nach den Feststellungen des Landgerichts in allen Fällen dessen bewusst, dass es sich bei den von ihm eingesetzten Arbeitern um seine Arbeitnehmer handelte, für die er Sozialversicherungsbeiträge abführen musste.
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Die Angeklagte K. nahm danach zumindest billigend in Kauf, dass die eingesetzten Arbeiter Arbeitnehmer der Firma „E. “ waren. Sie kannte insbesondere den Umfang der Arbeitseinsätze und war sich auch der Sozialversicherungspflicht bewusst.
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Es wurden auf diese Weise im Zeitraum von Juni 2006 bis Juli 2011 in 501 Fällen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 471.932,98 Euro vorenthalten.
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2. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Das Landgericht hat bei der Bestimmung der Arbeitgebereigenschaft nicht den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgestellten Maßstab zugrunde gelegt.
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Ob eine Person Arbeitgeber ist, richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht , das wiederum auf das Arbeitsrecht Bezug nimmt. Arbeitgeber ist danach derjenige, dem der Arbeitnehmer nicht selbständige Dienste gegen Entgelt leistet und zu dem er in einem Verhältnis persönlicher Abhängigkeit steht, wobei besondere Bedeutung dem Weisungsrecht sowie der Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers zukommt. Entscheidend sind hierbei allein die tatsächlichen Gegebenheiten (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - 1 StR 626/12, NStZ-RR 2013, 278). Grundsätzlich ist der Wille der Vertragsparteien zwar ausschlaggebend, eine nach den tatsächlichen Verhältnissen bestehende Sozialversicherungspflicht können die Beteiligten jedoch nicht durch abweichende Vertragsgestaltung umgehen. Maßgeblich ist eine abwägende Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände (BGH, Beschluss vom 4. September 2013 - 1 StR 94/13, NStZ 2014, 321, 322). Diese hat das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht hinreichend vorgenommen.
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Zwar schuldeten die eingesetzten Arbeiter nach den Feststellungen des Landgerichts keinen Erfolg, sondern nur ihre Dienste und trugen keinerlei unternehmerisches Risiko. Sie stellten selber auch keine weiteren Arbeiter an. Nach Annahme des Auftrags hatten die Arbeiter keinerlei Dispositionsfreiheit mehr und wurden zum Teil vor Ort auf ihre Anwesenheit hin von dem Angeklagten B. kontrolliert. Sie führten einfachste Helfertätigkeiten aus und rechneten nach Stunden ab. Abrechnungen nach Pauschalen erfolgten nur aufgrund der Vereinbarung, dass mindestens sechs Stunden abgerechnet werden durften. Die Rechnungen stellten die Arbeiter an die Firma „E. “, von der sie auch bezahlt wurden. Die Firma „E. “ rechnete dann wiede- rum mit den Auftraggeberfirmen ab, wobei eine bloße Stundenauflistung erfolgte , keine Aufspaltung nach den einzelnen Arbeitern. Deren Namen waren den Auftraggebern nur in den Fällen bekannt, in denen sie sich diese aus Sicherheitsgründen nennen ließen. Auch andersherum kannten die Arbeiter die Auftraggeberfirmen in aller Regel nicht. Vor allem mit diesem Argument schließt das Landgericht eine Arbeitgeberstellung der Auftraggeberfirmen aus.
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Allerdings war es nach den Feststellungen des Landgerichts der Wille der Arbeiter, nicht als Arbeitnehmer, sondern als Selbständige tätig zu werden. Die Arbeiter waren ferner absolut frei darin, die Aufträge vom Angeklagten B. anzunehmen oder abzulehnen. Dementsprechend wurden sie auch in sehr unterschiedlichem Umfang - selbst bei den länger Beschäftigten ohne erkennbare Regelmäßigkeit im Ausmaß - für die Firma „E. “ tätig. Ferner erfüllten sie alle formalen Kriterien der Selbständigkeit, hatten insbesondere einen Gewerbeschein und zum Teil auch eigene Betriebs- und Steuernummern , und schlossen auch Verträge mit anderen Auftraggebern. Weisungen im Einzelfall vor Ort wurden von dem Angeklagten B. nicht erteilt. Auch beanstandete weder das Gewerbeamt noch das Finanzamt das Geschäftsmodell.
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Das Landgericht hat sich rechtsfehlerhaft nicht damit auseinandergesetzt , welchen Umfang die von den Arbeitern bei anderen Auftraggebern verrichteten Tätigkeiten hatten. Dies wäre jedoch in Anbetracht der aufgezeigten anderweitigen, widersprüchlichen Kriterien erforderlich gewesen, um abschließend beurteilen zu können, ob die Arbeiter als Arbeitnehmer der Firma „E. “ oder als Selbständige tätig waren.
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Vor diesem Hintergrund bestehen nach den bisher getroffenen Feststel- lungen Bedenken, dass es sich bei den Arbeitern tatsächlich um „Scheinselbständige“ handelte, deren Arbeitgeber die Angeklagten waren. Die Arbeit- nehmerstellung zeichnet sich gemeinhin vor allem dadurch aus, dass der Arbeiter weisungsabhängig und in den Betrieb des Arbeitgebers eingebunden ist (vgl. vor allem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, aber auch die strafrechtliche Rechtsprechung wie z.B. BGH, Urteil vom 16. April 2014 - 1 StR 638/13, NStZ-RR 2014, 246, 247 f.; Beschluss vom 11. August 2011 - 1 StR 295/11, NJW 2011, 3047). Hier fehlt es völlig an einer Einbindung in den Betrieb. Viel- mehr bestand die Firma „E. “ quasi nur aus einer im Pkw des Ange- klagten B. aufbewahrten Datenbank mit Adressen von möglicherweise arbeitswilligen Personen und möglichen Auftraggeberfirmen. Deshalb wird auch der „Sonderfall M. “ von dem Rechtsfehler erfasst, der von den Angeklagten selbst als Arbeitnehmer gemeldet war (UA S. 61).
15
Der Schuldspruch, der ohnehin nicht der Rechtsprechung des Senats entspricht, wonach bei gleichzeitigem Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen nach § 266a Abs. 1 StGB und Arbeitnehmerbeiträgen nach § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB keine Tateinheit, sondern eine einheitliche Tat vorliegt, bei der die zusätzliche Verwirklichung von § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB lediglich im Rahmen des Schuldumfangs Berücksichtigung findet (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 - 1 StR 111/10, wistra 2010, 408; so auch MüKoStGB/Radtke, 2. Aufl., § 266a Rn. 99), war daher insgesamt aufzuheben.
16
Danach hat auch die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO keinen Bestand.
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Die jeweils zugrundeliegenden Feststellungen waren ebenfalls aufzuheben , da diese vom Landgericht unter Zugrundelegung eines rechtsfehlerhaften Maßstabes getroffen wurden und die Gefahr widersprüchlicher Feststellungen vermieden werden muss.
18
Da der Senat nicht ausschließen kann, dass ein neuer Tatrichter Feststellungen treffen kann, die erneut zu einer Verurteilung führen, war die Sache im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen.
19
3. Der Senat weist darauf hin, dass - sollte das Landgericht bei Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung erneut zur Arbeitgebereigenschaft der Angeklagten gelangen - zur Beurteilung der Frage, ob es sich möglicherweise bei einzelnen Arbeitern um nur geringfügig oder unständig Beschäftigte mit entsprechend geringeren Sozialversicherungspflichten (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. August 2010 - 1 StR 199/10, NStZ-RR 2010, 376) gehandelt hat, auch die Tätigkeiten und Verdienste bei anderen Auftraggebern von Bedeutung sein können.
20
4. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 StPO). Hierbei ist die Zurückverweisung an eine Wirtschaftsstrafkammer angezeigt, da zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erfor- derlich sind (vgl. BGH, Urteile vom 13. April 2010 - 5 StR 428/09, wistra 2010, 268, 270; und vom 26. August 2014 - 5 StR 185/14, wistra 2015, 18, 20; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 355 Rn. 2).
Raum Rothfuß Graf
Cirener Radtke

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 1. Dezember 2015 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 und des Bescheides vom 22. April 2013 wird insoweit aufgehoben, als der Zahlbetrag der dem Kläger gewährten Altersrente um eine Verrechnung zu Gunsten der Beigeladenen vom 1. Juli 2011 (ab dem 1. Januar 2012 tatsächlich umgesetzt) bis zum 30. April 2013 in Höhe von 265,29 EUR und vom 1. Mai 2013 bis zum 28. Februar 2014 in Höhe von 111,46 EUR monatlich vermindert sowie einmalig eine Verrechnung mit einer Rentennachzahlung in Höhe von 262,68 EUR angeordnet worden ist.

Die Beigeladene hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte einen Teilbetrag der dem Kläger gewährten Altersrente mit einer das Jahr 1992 betreffenden Forderung der beigeladenen Krankenkasse in Höhe von 12.261,34 EUR (23.981,10 DM) nebst Säumniszuschlägen, Gebühren und Kosten vom 1. Juli 2011 (ab dem 1. Januar 2012 tatsächlich umgesetzt) bis zum 30. April 2013 in Höhe von 265,29 EUR und vom 1. Mai 2013 bis zum 28. Februar 2014 in Höhe von 111,46 EUR monatlich sowie einmalig in Höhe von 262,68 EUR (tatsächlich nicht umgesetzt) hat verrechnen können.

2

Dem am ... 1946 geborenen Kläger ist nach seinen Angaben im Berufungsverfahren von A. S. die Gründung einer gemeinsamen Offenen Handelsgesellschaft (OHG) in Aussicht gestellt worden, ohne dass dieses Vorhaben konkret umgesetzt worden sei. Der Steuerberater T. S. bestätigte dem Kläger unter dem 31. Juli 1996 in Bezug auf eine "S. und D. OHG", dass er - der Kläger - am 31. März 1992 mit A. S., einem Rechtsanwalt und dem Verfasser des Schreibens über die Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und Herrn S. verhandelt habe. Die Gesprächsteilnehmer seien in beiderseitigem Einverständnis zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger mit sofortiger Wirkung aus der OHG ausscheide und A. S. die OHG fortführe, wobei dieser die gesamten Schulden der OHG übernehme und den Kläger von sämtlichen Verbindlichkeiten der OHG freistelle.

3

Die erkennbar unvollständige und teilweise mehrfach paginierte Verwaltungsakte der Beigeladenen enthält das an "D. und S. City-Snack, Weg, H." adressierte Schreiben der Beigeladenen vom 13. November 1996, in dem mitgeteilt wird, die Durchsicht der ("Ihrer") Geschäftsunterlagen für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1992 sei am Tag des Schreibens abgeschlossen worden. Dabei seien insbesondere die Lohn- und Gehaltskonten mit den Unterlagen der Beigeladenen abgestimmt worden. Die Nachberechnung betrage 26.063,96 DM. Nähere Angaben zum Grund der Nachberechnung, der Zuordnung zu Versicherten etc. enthält das Schreiben nicht. Das Schreiben, das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, ist nach der Verwaltungsakte am 18. November 1996. d.h. fünf Tage nach dessen Abfassung, öffentlich ausgehängt worden mit der Angabe, es handele sich um eine öffentliche Zustellung nach § 15 Verwaltungszustellungsgesetz des Bundes (VwZG)/des Landes Sachsen Anhalt. Unter der auf dem Schreiben angegebenen Anschrift soll bei einer versuchten Pfändung in den Geschäftsräumen am 5. März 1997 ein Haus nicht vorgefunden worden sein.

4

Die Beigeladene erteilte am 30. Dezember 1996 einen Vollstreckungsauftrag gegenüber einer "D. und S. City-Snack Betriebs- und Verwaltungs GmbH", ...Weg in H., für "Beitr.-Betriebsprü. (01.01.92-31.12.92)" in Höhe von 26.063,96 DM, abzüglich "Saldo Vormonat" in Höhe eines Guthaben von 2.082,86 DM (im Ergebnis 23.981,09 DM) nebst Säumniszuschlägen, Mahn- und Vollstreckungsgebühren.

5

Unter dem 6. Februar 1997 forderte die Beigeladene einen Gewerberegisterauszug bei der Stadt H. für ein Unternehmen des Klägers "D. und S. City-Snack" an. Die Stadt H. teilte der Beigeladenen unter dem 17. Februar 1997 mit, die dortige Gewerbedatei enthalte als Eintragung für den Kläger einen Groß- und Einzelhandel mit Lebensmitteln in der Betriebsstätte H.-v.-G.-Straße in H. mit zwölf Arbeitnehmern. Das Gewerbe sei am 20. April 1991 angemeldet und am 29. März 1993 wegen Einstellung des Betriebs abgemeldet worden. Als Blatt 13 Bd. I der Verwaltungsakte der Beigeladenen liegt ein "Maskenausdruck" vom 24. März 1997 vor, in dem eine Einzelfirma des Klägers mit der Betriebsstätte und Hauptniederlassung Weg in H. mit Anmeldung am 1. Januar 1991 und Abmeldung am 1. Mai 1993 angegeben ist. Die Stadt H. teilte der Beigeladenen unter dem 24. März 1997 mit, die dortige Gewerbedatei enthalte als Eintragung für A. S. einen Großhandel und Einzelhandel mit Imbiss- und Gastronomiebedarf in der Betriebsstätte H.-v.-G.-Straße in H. mit drei Arbeitnehmern. Das Gewerbe sei am 1. Oktober 1990 angemeldet und am 24. November 1994 wegen Einstellung des Betriebs abgemeldet worden. Unter dem 20. August 1997 enthält die Verwaltungsakte der Beigeladenen den internen Vermerk "Bitte Rechtsform feststellen! GmbH?". Die Beigeladene forderte unter dem 20. August 1997 bei dem Amtsgericht H. einen Handelsregisterauszug für eine "D. und S. City-Snack Betriebs- und Verwaltungs GmbH, Weg, H." an. Diese wurde urschriftlich mit dem Hinweis vom 22. August 1997 zurückgesandt, die Firma unter diesem Namen sei im Register B/Namensverzeichnis des hiesigen Handelsregisters nicht feststellbar bzw. nicht eingetragen.

6

Unter dem 22. Dezember 1997 richtete die Beigeladene Verrechnungsersuchen nach § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) u.a. an die ehemalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Diese betrafen einerseits jeweils einen Beitragsrückstand von A. S. als ehemaligem Arbeitgeber in Höhe von 27.130,60 DM und andererseits jeweils einen Beitragsrückstand des Klägers als ehemaligem Arbeitgeber in dieser Höhe. Einen Hinweis auf ein in der Form einer Gesellschaft geführtes Unternehmen enthalten diese Anschreiben jeweils nicht. Die BfA bestätigte unter dem 13. Januar 1998 die Vormerkung des Verrechnungsersuchens für den Kläger. Das Arbeitsamt S. teilte der Beigeladenen mit Schreiben vom 22. Januar 1998 mit, der Kläger habe im Rahmen seiner Anhörung auf das Schreiben des Steuerberaters T. S. vom 31. Juli 1996 verwiesen. Aus der laufenden Zahlung ergebe sich kein pfändbarer Betrag.

7

Unter dem 22. Dezember 1997 wurden bei der Beigeladenen die von einer "D. und S. OHG, City-Snack, Weg, H." geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 23.981,10 DM nebst Gebühren, Kosten und Säumniszuschlägen "befristet niedergeschlagen".

8

Nach weiteren fruchtlosen Pfändungen bei dem Kläger vom 21. Oktober 1997 und 29. Juni 1998 richtete die Beigeladene unter dem 4. August 1998 eine Anfrage an den Steuerberater T. S., ob die in dem Schreiben vom 31. Juli 1996 angesprochene Absprache schriftlich niedergelegt worden sei. Hierzu nahm dieser Steuerberater unter dem 6. August 1998 dahingehend Stellung, die Absprache, dass Herr S. für die Verbindlichkeiten der OHG aufkomme, sei bei dem Rechtsanwalt S. in H. getroffen worden. Sämtliche Unterlagen seien an Herrn S. zurückgegeben worden.

9

Nach einer weiteren fruchtlosen Pfändung bei dem Kläger am 16. Oktober 2000 richtete die Beigeladene unter dem 27. Dezember 2002 an diesen eine Zahlungsaufforderung für Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen und Gebühren für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1992 in Höhe von insgesamt 21.250,63 EUR. In dem Protokoll über einen fruchtlosen Pfändungsversuch der AOK B. bei dem Kläger vom 22. März 2004 wurde aufgenommen, der Kläger habe auf seine im Jahr 2002 in P. abgegebene eidesstattliche Versicherung verwiesen. Er besitze keinerlei pfändbare Gegenstände. Am 10. Mai 2005 gab der Kläger erneut die eidesstattliche Versicherung ab.

10

Die Beigeladene bat A. S. unter dem 13. November 2000 - im Ergebnis erfolglos - um Stellungnahme zu der in dem Schreiben des Steuerberaters T. S. vom 31. Juli 1996 mitgeteilten Vereinbarung und führte nachfolgend mehrere erfolglose Pfändungen, zuletzt für Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 21.250,63 EUR bzw. 26.974,63 EUR (einschließlich der bislang entstandenen Säumniszuschläge, Gebühren und Kosten), bei diesem durch.

11

Unter dem 1. Februar 2008 erließ die Beigeladene einen an den Kläger adressierten "Feststellungs- und Leistungsbescheid", der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und dem Kläger am 13. Februar 2008 zugestellt wurde. Aus der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1992 schulde der Kläger "als ehemaliger Inhaber der Firma D. und S. OHG, City-Snack, Weg, H." (in einer ersten Fassung des Bescheides, dessen Zustellung missglückte: "als ehemaliger Gesellschafter der Firma D. und S. OHG, City-Snack") der Beigeladenen für die in der Anlage aufgeführten Arbeitnehmer die nachfolgenden Beiträge in Höhe von 28.812,13 EUR (Gesamtsozialversicherungsbeiträge 12.261,35 EUR, Säumniszuschläge bis 30. September 2007 16.248,12 EUR, Mahngebühren/Pfändungsgebühren 260,84 EUR, Kosten der Rechtsverfolgung 41,82 EUR). Hinzu kämen ab dem 1. Januar 2008 weitere Säumniszuschläge nach § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) in Höhe von monatlich 1 vom Hundert der Beiträge. Auf diesen Betrag werde die von dem Kläger zu zahlende Schuld festgestellt. In der Forderung enthalten seien vorenthaltene Arbeitnehmeranteile in Höhe von 5.654,35 EUR, die von einer möglichen Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) ausgenommen seien, da sie aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, hier nach § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 266a Strafgesetzbuch (StGB), resultierten. Nach Aktenlage besteht der dem Kläger übersandte Bescheid lediglich aus zwei Seiten, ohne die im Text in Bezug genommene Anlage. Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 18 Bd. II der Verwaltungsakte der Beigeladenen Bezug genommen.

12

Am 25. Februar 2008 ging bei der Beigeladenen ein Schreiben des Klägers ein, in dem dieser darauf verwies, von 345 EUR im Monat zu leben und nur bis zum 15. des Monats "hinzukommen". Er habe fünf Bypässe und Diabetes. Er reichte das Schreiben des Steuerberaters T. S. vom 31. Juli 1996 und den Bescheid der ARGE SGB II H. GmbH vom 14. November 2007 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 zu den Akten der Beigeladenen. Unter dem 10. Mai 2010 teilte die Beigeladene dem Kläger formlos mit (nicht im Rahmen einer Entscheidung der Widerspruchsbehörde), nach nochmaliger Prüfung des Sachverhalts werde dem Kläger mitgeteilt, dass die Beigeladene ihre Forderung aufrechterhalte. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist den Verwaltungsakten der Beigeladenen nicht zu entnehmen.

13

Die Beklagte reichte das an sie als Rechtsnachfolgerin der Landesversicherungsanstalt S.-A. von der BfA weitergereichte Verrechnungsersuchen der Beigeladenen vom 22. Dezember 1997 mit Schreiben vom 24. März 2011 mit dem Hinweis zurück, dieses entspreche nicht den rechtlichen Voraussetzungen einer wirksamen Verrechnungsermächtigung. Mit Schreiben vom 29. März 2011 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, der Kläger (ohne Hinweis auf eine Gesellschafterstellung) schulde der Beigeladenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge aus der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1992 in Höhe von 12.261,35 EUR nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 20.903,12 EUR und Kosten und Gebühren in Höhe von 546,16 EUR, insgesamt 33.710,63 EUR. Die Säumniszuschläge seien gemäß § 24 Abs. 1 SGB IV berechnet worden. Ab dem 1. März 2011 kämen weitere Säumniszuschläge dazu. Die genauen Beträge würden der Beklagten zu gegebener Zeit mitgeteilt. Die Forderung sei nicht verjährt. Die Beklagte werde hiermit ermächtigt, die vorgenannte Forderung gegen die Leistungen der Beklagten zu verrechnen bzw. die Verrechnung vorzumerken.

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Mit Schreiben vom 14. April 2011 setzte die Beklagte den Kläger in Kenntnis, sie beabsichtige, die Forderung der Beigeladenen in Höhe von 33.710,63 EUR zuzüglich weiterer Säumniszuschläge und Zinsen mit dessen laufender Altersrente bis zur Hälfte der Nachzahlung seiner Altersrente sowie in monatlichen Raten in Höhe von 286,68 EUR zu verrechnen. Dem Kläger werde Gelegenheit zur Äußerung und Vorlage einer Bedarfsbescheinigung des entsprechenden Leistungsträgers als Nachweis für die durch die Verrechnung eintretende Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des SGB II oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) gegeben. Der Kläger verwies auf das Schreiben des Steuerberaters T. S. vom 31. Juli 1996 und teilte der Beklagten mit, er werde keine Bedarfsbescheinigung einreichen, weil seine Lebensgefährtin nicht bereit sei, die notwendigen Angaben zur Bedarfsgemeinschaft zu machen.

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Am 4. Mai 2011 teilte der Kläger der Beigeladenen mit, er habe "nie Unterschriften gemacht", weder beim Gewerbe- noch beim Finanzamt. Der "Mann" habe nur seinen Namen gebraucht. Er habe auch nie Geld bekommen. In der Verwaltungsakte der Beigeladenen ist hierzu unter dem 10. Mai 2011 zu der Überschrift "Vollhafter einer OHG - Rücksprache mit Herrn R. vermerkt, laut den vorliegenden Unterlagen könne der Kläger nicht aus der Haftung entlassen werden. Er müsse ein privatrechtliches Klageverfahren anstreben. Am 18. Mai 2011 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen den Erlass der Forderung. Hierzu verwies die Beigeladene den Kläger mit unzutreffend datiertem Schreiben, wohl von Juni 2011, darauf, später auf sein Schreiben zurückzukommen. Der Erlassantrag ist indes bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats nicht bearbeitet worden.

16

Mit Bescheid vom 16. Mai 2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der bestandskräftig festgestellte Anspruch der Beigeladenen in Höhe von 33.710,63 EUR zuzüglich weiterer Säumniszuschläge werde mit der dem Kläger bewilligten Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I verrechnet. Die Verrechnung erfolge einmalig in Höhe der einbehaltenen Nachzahlung von 262,68 EUR und ab dem 1. Juli 2011 in monatlichen Raten von 265,29 EUR bis zur Tilgung der Forderung. Die Beigeladene habe mit Schreiben vom 22. Dezember 1997 und 29. März 2011 mitgeteilt, gegen den Kläger bestehe ein Anspruch auf Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 33.710,63 EUR zuzüglich noch zu berechnender Säumniszuschläge, und die Verrechnung beantragt. Die Forderung betreffe den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1992. Diese sei erstmalig zum 15. Februar 1992 fällig gewesen und bestandskräftig festgestellt worden. Die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen ausgeübt.

17

Hiergegen legte der Kläger am 30. Mai 2011 Widerspruch ein und verwies auf das inzwischen eingeleitete Insolvenzverfahren. Er benötige seine Rente zum Leben. Den Fragebogen zur Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten füllte er nur in Bezug auf seine Mietkosten aus. Nachfolgend ging bei der Beklagten eine Entgeltabrechnung für die Lebensgefährtin des Klägers ein. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 13a bis 14a, 17a bis 19a, 21a bis 25a, 28a bis 39a und 34 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

18

Mit Beschluss des Amtsgerichts H. (im Folgenden: AG) vom 23. Juni 2011 (Geschäfts-Nr. 59 IN 379/11) wurde über das Vermögen des Klägers wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 11. Juli 2011 meldete die Beigeladene eine Gesamtforderung an rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen einschließlich Säumniszuschlägen, Mahngebühren und Kosten aus der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1992 in Höhe von 34.200,63 EUR zur Aufnahme in die Insolvenztabelle an. Das AG stellte sowohl für die angemeldeten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 28.546,30 EUR als auch für die von der Beigeladenen mitgeteilten Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung (Arbeitnehmerbeiträge in Höhe von 5.654,33 EUR) am 23. September 2011 den Ausfall in voller Höhe fest. Der Schuldner - d.h. der Kläger - widersprach der Forderungsanmeldung wegen des angemeldeten Grundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung und hielt auch im Prüftermin vor dem AG am 12. Oktober 2011 daran fest. Mit Schreiben vom 11. November 2011 bat die Beklagte den Kläger erfolglos, "in Bezug auf die unerlaubte Handlung des Herrn L. D. als Gesellschafter der D. und S. OHG, Weg, H." seinen Widerspruch zur Forderungsanmeldung der unerlaubten Handlung zurückzunehmen. Der Vorgang wurde von der Beigeladenen vor dem Hintergrund der Verjährung der angemeldeten Forderung wegen einer unerlaubten Handlung entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteile des Bundesgerichtshofs vom 6. April 2006 - IX ZR 240/04 und IX ZR 240/04 -, juris) nicht mehr weiterverfolgt.

19

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2011 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. Mai 2011 zurück. Zu der einmaligen Verrechnung der Rentennachzahlung wurde auf die auf den Widerspruch des Klägers vorgenommene Auszahlung der Rentennachzahlung Bezug genommen. Auch sei von der Verrechnung der laufenden Rentenzahlung vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2011 Abstand genommen worden. Die angeordnete Verrechnung sei nicht zu beanstanden. Auch im Rahmen der Ermessensausübung spreche nach der Aktenlage kein Sachverhalt zu Gunsten des Klägers.

20

Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 25. Oktober 2011 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage gewandt und geltend gemacht, die Verrechnung sei unter Berücksichtigung des Schreibens des Steuerberaters S. vom 31. Juli 1996 unzulässig. Er habe mit der Firma nichts zu tun gehabt, keine Leute eingestellt und kenne diese Leute auch nicht. Er habe nur seinen Namen gegeben und auch kein Geld bekommen. A. S. habe ihm mitgeteilt, dass er - der Kläger - später eingestellt werde. Er verstehe nicht, warum er Zahlungen an die Beigeladene leisten müsse.

21

Die Beklagte hat ab dem 1. Januar 2012 die dem Kläger gewährte Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Abzug des Verrechnungsbetrages in Höhe von 265,29 EUR - in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember in Höhe von monatlich 265,29 EUR und ab dem 1. Januar 1993 in Höhe von monatlich 276,32 EUR - an den Kläger ausgezahlt. Der Kläger hat nachfolgend die Bedarfsbescheinigung des Landkreises Saalekreis vom 27. März 2013 bei der Beklagten eingereicht hat, zu der auf Blatt 36 bis 38 der Gerichtsakten Bezug genommen wird. Mit Bescheid vom 22. April 2013 hat die Beklagte ab dem 1. Mai 2013 die Verrechnung in Höhe von 111,46 EUR vorgenommen, dem Kläger die Altersrente mit einem Zahlbetrag in Höhe von monatlich 541,61 EUR monatlich bewilligt und in Höhe von 430,15 EUR monatlich ausgezahlt. Mit Beginn des Bezuges von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Kläger am 1. März 2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11. Februar 2014 die Altersrente ohne Abzug eines Verrechnungsbetrages.

22

Nach Beiladung der die Verrechnung betreibenden Krankenkasse hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 1. Dezember 2015 abgewiesen. Rechtsgrundlage für die vorgenommene Verrechnung der Beigeladenen sei die Regelung in § 52 SGB I. Die Beklagte sei ordnungsgemäß zur Verrechnung ermächtigt worden. Der Kläger sei Schuldner der von der Beigeladenen beanspruchten Gesamtforderung. Nach seiner Einlassung habe er mit A. S. eine OHG gegründet. Deren Bestehen werde durch das von dem Kläger vorgelegte Schreiben des Steuerberaters T. S. vom 31. Juli 1996 bestätigt. Die Bemühungen der Beigeladenen, entsprechende schriftliche Vereinbarungen des Klägers mit Herrn S. beizuziehen, seien nicht erfolgreich gewesen. Für das anhängige Klageverfahren komme es hierauf auch nicht an, da in dem vom AG durchgeführten schriftlichen Verfahren über die Insolvenz des Klägers dieser der Anmeldung der Beigeladenen zur Insolvenztabelle hinsichtlich der Gesamtsozialversicherungsbeiträge, Säumniszuschläge sowie Kosten und Gebühren in Höhe von 28.546,30 EUR nicht widersprochen habe. Zutreffend habe die Beigeladene darauf hingewiesen, dass die dort festgestellte Forderung die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils habe und der Kläger als Schuldner dieses gegen sich nach § 178 Abs. 3 InsO wirken lassen müsse. Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung sei auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

23

Der Kläger hat gegen das ihm am 11. Februar 2016 zugestellte Urteil am 7. März 2016 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Auf die an ihn gerichtete gerichtliche Anfrage, ob ein bestimmter Rechtsanwalt für eine mögliche Beiordnung benannt werde, und eine entsprechende Erinnerung hat der Kläger dem Senat am 1. September 2016 die "Beendigung Berufungsverfahren" mitgeteilt. Da er keinen vertretungsbereiten Rechtsanwalt gefunden habe und gesundheitlich sehr angeschlagen sei, ziehe er die Berufung zurück. Zu dem Schreiben wird auf Blatt 166 Bd. II der Gerichtsakten Bezug genommen. Dem Kläger ist mit Beschluss des Senats vom 5. September 2016 der Prozessbevollmächtigte im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden, nachdem die gerichtliche Anfrage bei dem Prozess-bevollmächtigten zu dessen Vertretungsbereitschaft auf Grund dessen urlaubsbedingter Abwesenheit vor Eingang des Schreibens des Klägers nicht hat abgeschlossen werden können. Der dann beigeordnete Prozessbevollmächtigte hat mitgeteilt, der Kläger fechte die Erklärung, wonach er die Berufung zurückziehe, an. Er habe sich im Irrtum darüber befunden, dass das Gericht ihm selbst einen Rechtsanwalt beiordne. Er verweise in Bezug auf die materiell-rechtliche Rechtslage darauf, dass eine OHG, deren Gesellschafter er gewesen sei, nicht existiert habe. Der "Feststellungs- und Leistungsbescheid" vom 1. Februar 2008 sei bereits unter dem Gesichtspunkt nichtig, dass es einen "Inhaber" einer OHG nicht gebe, sodass er - der Kläger - auch für eine Haftung als solcher nicht in Anspruch genommen werden könne.

24

Der Kläger beantragt,

25

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 1. Dezember 2015 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 und des Bescheides vom 22. April 2013 insoweit aufzuheben, als der Zahlbetrag der ihm gewährten Altersrente um eine Verrechnung zu Gunsten der Beigeladenen vom 1. Juli 2011 (ab dem 1. Januar 2012 tatsächlich umgesetzt) bis zum 30. April 2013 in Höhe von 265,29 EUR und vom 1. Mai 2013 bis zum 28. Februar 2014 in Höhe von 111,46 EUR monatlich vermindert sowie einmalig eine Verrechnung mit einer Rentennachzahlung in Höhe von 262,68 EUR angeordnet worden ist.

26

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Beklagte hat auf das fortbestehende Verrechnungsersuchen der Beigeladenen verwiesen. Die Beigeladene meint, dass der Kläger die Berufung wirksam zurückgenommen habe.

29

Sowohl der Beklagten als auch der Beigeladenen ist - im Ergebnis ohne Erfolg -aufgegeben worden, einen Handelsregisterauszug für eine D. und S. OHG vorzulegen oder die diesbezügliche Handelsregisternummer mitzuteilen.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

31

Das Berufungsverfahren ist nicht durch eine Zurücknahme des Rechtsmittels nach § 102 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erledigt.

32

Bei der Auslegung von Prozesserklärungen, zu denen auch die Erklärung über die Rücknahme der Berufung gehört, ist das wirklich Gewollte zu ermitteln (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 15. Juni 2016 - B 4 AS 651/15 B -, juris). Der erkennbar mit der Besorgung von Rechtsangelegenheiten überforderte Kläger hat die Rücknahme des Rechtsmittels als Konsequenz seiner vergeblichen Suche, einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt zu finden, erklärt. Die Erklärung über die Beendigung des Berufungsverfahrens ist damit zur Überzeugung des Senats als Reaktion auf die an den Kläger gerichteten Aufforderung zu sehen, einen Prozessbevollmächtigten für die Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu benennen, und damit ausschließlich dem Prozesskostenhilfeverfahren zuzuordnen. Denn die Rücknahmeerklärung bezieht sich nicht auf ein aus Sicht des Klägers nicht mehr zielführendes Rechtsmittel an sich, sondern die von ihm angenommene Verschlossenheit des Rechtsschutzes mangels einer anwaltlichen Vertretung. Das dieser Einschätzung zugrunde liegende Fehlverständnis des Klägers, die Anfrage des Senats, er solle einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt benennen, dokumentiere eine fehlende Bereitschaft des Senats, einen Prozessbevollmächtigten beizuordnen, ist hier erst durch die Beiordnung eines vom Senat angefragten vertretungsbereiten Rechtsanwaltes ausgeräumt worden. Der Kläger hat nachfolgend unmittelbar klargestellt, an seiner Berufung festhalten zu wollen. Im Rahmen des verfassungsrechtlich garantierten Justizgewährungsanspruchs (Art. 19 Abs. 4 und 20 Abs. 3 Grundgesetz) kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, dass die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten nicht früher hat erfolgen können und sich zeitlich mit der in dem Kläger gereiften Auffassung, sich in der Rechtsverfolgung nicht rechtskundig vertreten lassen zu können, überschnitten hat.

33

Die Berufung ist zulässig und begründet.

34

Der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 und des Bescheides vom 22. April 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), soweit der Zahlbetrag der Altersrente bzw. die Rentennachzahlung durch eine Verrechnung zu Gunsten der Beigeladenen vermindert werden sollte bzw. vermindert worden ist. Dabei sieht der Senat den Kläger auch insoweit als beschwert an, als die Verrechnung zwar mit Bescheid festgestellt, aber aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht im Rahmen der Auszahlung der Rente umgesetzt und damit ggf. nur zurückgestellt worden ist.

35

Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Voraussetzung einer Aufrechnung ist nach § 51 Abs. 1 SGB I, dass ein Leistungsträger Ansprüche auf Geldleistungen gegen den Betroffenen und dieser gegen den Leistungsträger nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbare Ansprüche auf Geldleistungen hat. Unter anderem mit Beitragsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs. 2 SGB I in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Art. 2 des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2014) gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.

36

Nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte die Verrechnung gegenüber dem Kläger durch Bescheid im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) vorgenommen hat (vgl. hierzu BSG Großer Senat, Beschluss vom 31. August 2011 - GS 2/10 -, juris). Der Verrechnungsbescheid der Beklagten vom 16. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 und des Bescheides vom 22. April 2013 war auch gemäß § 33 Abs. 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt. Er erklärt die Verrechnung der Altersrente mit einer - nach Art und Umfang - bestimmten betragsmäßig genau bezifferten Gesamtforderung der Beigeladenen aus Beiträgen und Nebenforderungen in Höhe von insgesamt von 33.710,63 EUR. Für die hinreichende Bestimmtheit des angefochtenen Verrechnungsverwaltungsaktes der Beklagten ist es nicht notwendig, dass diese die zur Verrechnung gestellte Forderung im Einzelnen aufschlüsselt (BSG, Urteil vom 7. Februar 2012 - B 13 R 85/09 R -, juris).

37

Allein die Vorschriften über die Einschränkung einer während des Insolvenzverfahrens erfolgten Aufrechnung, insbesondere die eine zeitliche Beschränkung der Aufrechnung mit laufenden Bezügen regelnde Vorschrift des § 114 Abs. 1 InsO, stehen einer Verrechnung nicht entgegen. Gegenstand des Insolvenzverfahrens können nur solche Sozialleistungen sein, die über der Pfändungsfreigrenze liegen (vgl. § 36 Abs. 1 InsO und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2009 - L 33 R 204/09 B ER/L 33 207/09 PKH -, juris m.w.N.). Die Altersrente des Klägers lag während des hier maßgebenden Zeitraums stets unter der Pfändungsfreigrenze gemäß § 850c Zivilprozessordnung (ZPO) (vom 21. Oktober 2005 bis zum 7. September 2015: 930,00 EUR allein für die Person des Schuldners).

38

Eine Verrechnungslage hat hier ab dem Zeitraum, auf den die Verrechnung in dem angefochtenen Bescheid bezogen worden ist, indes nicht vorgelegen.

39

Der Senat prüft die zur Verrechnung gestellte Gegenforderung nicht in Bezug auf ihre materielle Rechtmäßigkeit, soweit diese bestandkräftig festgestellt ist (vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 17. März 2010 - L 13 R 856/09 -, juris). Eine wirksame Beitragsforderung nach dem Sozialgesetzbuch der Beigeladenen im Sinne des § 52 Abs. 2 SGB I lag der Verrechnungsentscheidung der Beklagten hier jedoch nicht zugrunde. Eine Beitragsschuld des Klägers ist hier weder durch das Schreiben der Beigeladenen vom 13. November 1996 noch durch den Feststellungs- und Leistungsbescheid vom 1. Februar 2008 begründet worden.

40

Allein die dem Schreiben über die Betriebsprüfung vom 13. November 1996 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung lässt den Schluss zu, dass es sich bei dem nicht als Bescheid gekennzeichneten Schreiben um einen Bescheid und nicht um eine Anhörung § 24 Abs. 1 SGB X handeln sollte. Dieses Schreiben ist dem Kläger nicht bekannt gegeben worden. Das vorliegende Schreiben unter diesem Datum ist an eine "D. und S. City-Snack, Weg, H." adressiert und bereits am 18. November 1996 für eine öffentliche Zustellung ausgehängt worden.

41

Die Beigeladene war und ist sich im Unklaren, wer Adressat einer Beitragsnachforderung sein sollte. Die Beigeladene hat die Forderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen scheinbar - unter Berücksichtigung des im Wesentlichen gleichbleibenden Gesamtbetrages der Beträge - für wohl dieselben (aber nicht namentlich irgendeinem der Schriftstücke zugeordneten) Arbeitnehmer für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1992 hier gegenüber erstens "D. und S. City-Snack", zweitens "D. und S. City-Snack Betriebs- und Verwaltungs GmbH", drittens dem Kläger als natürlicher Person, viertens A. S. als natürlicher Person, fünftens dem Kläger als ehemaligem Gesellschafter einer "D. und S. OHG, City-Snack" und sechstens dem Kläger als ehemaligem "Inhaber" dieser Firma geltend gemacht. Die maßgebende Arbeitgeberstellung des Klägers bzw. Haftung für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge dürfte bereits unter diesem Gesichtspunkt hier für die Beigeladene zu keinem Zeitpunkt festgestanden haben.

42

Das lässt die Bewertung des am 18. November 1996 vorgenommenen Aushangs auch in dem Sinne zu, dass eine an einen tatsächlich nicht bekannten Adressaten gerichtete Bekanntmachung durchgeführt werden sollte. Ein Verwaltungsakt kann nach § 37 Abs. 3 Satz 1 SGB X nur öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen worden ist. Da es sich bei einem Beitragsnachforderungsbescheid offenkundig nicht um eine Allgemeinverfügung handelt, ist eine Rechtsgrundlage für eine öffentliche Bekanntgabe hier nicht erkennbar. Wertet man den am 18. November 1996 durchgeführten Aushang als öffentliche Zustellung, ist diese unwirksam. Bei der öffentlichen Zustellung wird ein konkreter Adressat benannt, d.h. nur auf den tatsächlichen Zugang verzichtet. Die öffentliche Zustellung setzt nach § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG in der ab dem 1. Januar 1977 geltenden Fassung, auf welches das Verwaltungszustellungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt seit seinem In-Kraft-Treten verweist, bei einer Zustellung im Inland voraus, dass der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist. Sowohl für diese Fassung des Gesetzes als auch für die entsprechende aktuelle Regelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZG entspricht es der übereinstimmenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass der Aufenthaltsort eines Empfängers im Sinne der vorgenannten Regelungen nicht unbekannt ist, wenn nur die Behörde seine Anschrift nicht kennt. Die Anschrift muss vielmehr allgemein unbekannt sein, damit eine öffentliche Zustellung wirksam erfolgen kann (vgl. z.B. zu § 15 Abs. 1 Buchst. a a.F. VwZG Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 -, BVerwGE 104, 301 und juris RdNr. 17ff.; Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 16. Februar 2002 - VII S 22/01 (PKH) -, juris; Sächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 14. Mai 2002 - 3 V 109/02 -, juris, m.w.N.; zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZG n.F. z.B. Schlatmann, Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz, VwZG Kommentar, 10. Aufl. 2014, § 10 VwZG, RdNr. 3). Geht man davon aus, dass hier ein Adressat des Schreibens vom 13. November 1996 abgrenzbar bezeichnet wurde, lägen die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung des Bescheides nicht vor. Für welchen Empfänger hier der Aufenthalt allgemein unbekannt gewesen sein könnte, ist nicht erkennbar. Anfragen beim Handels- und Gewerberegister sind hier erst für das Jahr 1997 dokumentiert. Soweit die Beigeladene eine Verantwortlichkeit des Klägers für die Beitragszahlung sieht, ist nicht erkennbar, dass diesen betreffende Ermittlungen zur Feststellung seiner Anschrift vor der öffentlichen Zustellung durchgeführt wurden. Die jeweiligen Meldeadressen des Klägers sind von Seiten der Meldebehörden mitgeteilt worden und zum Gegenstand der Verwaltungsakte geworden sowie im Rahmen diverser Vollstreckungsmaßnahmen auch verwertet worden. Soweit teilweise eine tatsächliche Kenntnis des Bescheidinhalts im Rahmen der Akteneinsicht durch einen Prozessbevollmächtigten für relevant angesehen wird (vgl. hierzu Schlatmann, a.a.O., § 10 VwZG RdNr. 19), können sich hieraus für den Kläger bereits unter dem Gesichtspunkt keine negativen Rechtsfolgen ergeben, als er erstmals im Klageverfahren am 7. März 2012 durch den im erstinstanzlichen Verfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt Akteneinsicht in die Verwaltungsakte genommen hat. Auch die in der Verwaltungsakte dokumentierten Mahnungen und Vollstreckungsmaßnahmen beinhalten nicht die Bekanntgabe des Schreibens vom 13. November 1996 über die Betriebsprüfung.

43

Hier ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger Kenntnis von einer offenen Beitragsschuld hätte haben müssen. Die genauen Umstände der Beschäftigung von Arbeitnehmern als Grundlage der Nachberechnung von Beiträgen lassen sich aus dem Inhalt der Verwaltungsakten der Beigeladenen nicht entnehmen. Der Kläger hat bestritten, überhaupt von der Beschäftigung von Arbeitnehmern, die Gegenstand der Nachforderung von Beiträgen gewesen ist, Kenntnis gehabt zu haben. Die Beweislast trägt insoweit hier die Beigeladene.

44

Der an den Kläger adressierte "Feststellungs- und Leistungsbescheid" vom 1. Februar 2008 wurde von dem Kläger fristgerecht am 25. Februar 2008 angefochten, sodass dieser nicht die von der Beigeladenen mitgeteilte bestandskräftig festgestellte Beitragsforderung begründet haben dürfte. Ein Widerspruch liegt vor, wenn jemand sich von einer Verwaltungsentscheidung betroffen fühlt, von der Behörde die nochmalige Überprüfung der von ihr getroffenen Entscheidung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht oder im Hinblick auf die Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit der getroffenen Regelung verlangt (so Becker in Roos/Wahrendorf, SGG Kommentar 2014, § 83 RdNr. 8 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das am 25. Februar 2008 bei der Beigeladenen eingegangene Schreiben des Klägers, der offenkundig ohne Rechtsbeistand mit der schriftlichen Formulierung seines Anliegens überfordert ist.

45

Der "Feststellungs- und Leistungsbescheid" vom 1. Februar 2008 ist im Übrigen bereits nichtig. Der Bescheid ist dem Kläger nicht vollständig bekannt gegeben worden, da die in Bezug genommene Anlage dem Bescheid nach Aktenlage nicht beigefügt war. Weder diesem Bescheid noch dem Akteninhalt ist im Übrigen zu entnehmen, welcher konkrete Beitragssachverhalt betroffen sein sollte. Insoweit ist insbesondere dem an eine GmbH gerichteten Vollstreckungsauftrag vom 30. Dezember 1996 zu entnehmen, dass sich der ursprüngliche Nachforderungsbetrag wohl aus einer Saldierung einer Beitragsschuld mit einem Guthaben ergab, die für den Senat nicht im Einzelnen nachvollziehbar ist. Der Bescheid dürfte bereits unter diesem Gesichtspunkt einen so schwerwiegenden Mangel aufweisen, dass dies die Nichtigkeitsfolge haben dürfte. Diese Rechtsfolge ergibt sich aber zumindest unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein Haftungsbescheid für die Forderung gegen eine Gesellschaft nur dann hinreichend bestimmt ist, wenn sich die zugrunde liegende Forderung der Gesellschaft zuordnen lässt. Andernfalls lässt sich der Umfang der akzessorischen Forderung, die von dem jeweiligen Stand der Forderung gegenüber der Gesellschaft abhängig ist, nicht ermitteln. Ist der ursprüngliche Beitragsschuldner nicht zutreffend benannt, führt das nur dann nicht zur Nichtigkeit eines Haftungsbescheides, wenn die Schuld für die gehaftet werden soll, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in anderer Weise konkretisiert werden kann (vgl. zu § 191 Abgabenordnung (AO): BFH, Urteil vom 3. Dezember 1996 - I B 44/96 -, juris; Koenig, AO Kommentar, 3. Aufl. 2014, § 191 RdNr. 64). Eine solche anderweitige Konkretisierung ist hier nicht gegeben. Der Kläger hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung als "Inhaber" einer OHG nicht eindeutig ist. Etwas anderes ergibt sich aber auch dann nicht, wenn man den Begriff Inhaber mit dem des Gesellschafters gleichsetzt.

46

Weder hat die in dem Bescheid vom 1. Februar 2008 genannte OHG rechtlich bestanden noch hat der Kläger hier den Rechtsschein einer bestehenden OHG gesetzt.

47

Eine Handelsgesellschaft setzt grundsätzlich den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages voraus. Diesbezüglich hat der Senat hier indes keine weiteren Ermittlungen durchführen müssen, weil nach den im Jahr 1992 geltenden Regelungen hier eine OHG nur bei Eintragung in das Handelsregister als Kaufmann kraft Eintragung entstanden wäre. Denn sog. "Minderkaufleute" konnten eine OHG nicht gründen. Nach § 4 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) in der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Fassung fanden die Vorschriften über die Firmen, die Handelsbücher und die Prokura keine Anwendung auf Personen, deren Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erforderten. Durch die Vereinigung zum Betrieb eines Gewerbes, auf welches die bezeichneten Vorschriften keine Anwendung finden, kann eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft nach § 4 Abs. 2 HGB a.F. nicht begründet werden.

48

In Bezug auf den Betrieb, auf den sich die Betriebsprüfung hier erstreckte, ist bekannt, dass die Geschäftsunterlagen wohl von A. S. persönlich geführt worden sein sollen und dass es sich um ein als "City Snack" benanntes Gewerbe im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Handelsgesetzbuch gehandelt haben dürfte. Entscheidend für einen Minderkaufmann war, ob der Betrieb bereits so kompliziert, umfangreich und verwickelt ist, dass er nur auf Grund einer ausgebauten kaufmännischen Organisation überschaubar, lenkbar und planbar bleibt (vgl. Münchener Kommentar zum HGB, 1996, § 4 RdNr. 4). Maßgebend war insoweit insbesondere, ob kaufmännisch geschultes Personal erforderlich und tatsächlich beschäftigt wurde. Da A. S. scheinbar selbst die Geschäftsunterlagen betreute, dürfte diese Voraussetzung hier nicht erfüllt zu sein. Ein Geschäftsbetrieb, der hier wohl etwas mit dem Verkauf von Nahrung zu tun gehabt hat, soll hier nach den Angaben in der Verwaltungsakte der Beigeladenen nur für einen Zeitraum von weniger als zwei Jahren stattgefunden haben, sodass bereits unter diesem Gesichtspunkt auch eine etablierte Handelsorganisation fernliegend ist (Vgl. zur Minderkaufmannseigenschaft eines Pächters einer größeren Kantine mit einem Jahresumsatz von 500.000 DM: Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 16. November 1962 - 9 Wx 8/62 -, NJW 1963, 540, 541).

49

Nach § 5 HGB käme hier über die Eintragung in das Handelsregister die Inanspruchnahme einer OHG als Arbeitgeberin in Betracht. Die Beteiligten haben hier weder einen Handelsregisterauszug vorgelegt noch eine Nummer des Handelsregister mitgeteilt. Der Senat hat auch im Rahmen eigener Ermittlungen im Handelsregister, für das ein gerichtsinterner Zugang freigeschaltet ist, eine OHG mit dem von der Beigeladenen angegebenen Namen nicht ermitteln können. Der Senat geht davon aus, dass der Beigeladenen dieser Umstand auch bei Erlass des Haftungsbescheides gegen den Kläger bekannt war.

50

In dem wiederholten Hinweis des Klägers auf das Schreiben des Steuerberaters T. S. ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Kläger von seiner tatsächlichen Gesellschafterstellung in der vorgenannten OHG ausging. Vielmehr wollte der Kläger offensichtlich dokumentieren, von A. S. von jeglicher Haftung freigestellt worden zu sein.

51

Voraussetzung einer Haftung ist im Übrigen, dass eine Schuld besteht (sog. Akzessorietät). Bei einer zwischen dem Kläger und A. S. aufgenommenen gemeinschaftlichen Tätigkeit würde eine Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger als Gesellschafter nicht mehr bestehen. In einem solchen Fall wäre hier am ehesten von einer zwischen beiden Gesellschaftern begründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auszugehen. In Bezug auf eine Nachhaftung des Klägers aus einer Gesellschafterstellung bei einer GbR mit A. S., die nicht als OHG eingetragen worden ist, würde für eine Nachhaftung des ausscheidenden Gesellschafters nach § 736 Abs. 2 BGB § 160 HGB sinngemäß gelten. Nach Auflösung der Gesellschaft richtet sich die Haftung der Gesellschafter in entsprechender Anwendung nach § 159 HGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 9 C 11/14 -, juris, m.w.N.). Nach § 159 Abs. 1 HGB verjähren die Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt. Da die Auflösung bei der GbR nicht in das Handelsregister eingetragen wird, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Gläubiger Kenntnis von der Auflösung der GbR erlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2015, a.a.O.). Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge verjähren nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in der vom 1. Januar 1983 bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge nach Satz 2 dieser Vorschrift in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Für die lange Verjährungsfrist ist es ausreichend, dass der Schuldner zum Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der Beiträge oder innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV bösgläubig ist bzw. wird (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2000 - B 12 KR 14/99 -, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Beiträge zur Sozialversicherung, die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen sind, wurden nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Fassung spätestens zum 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Bei Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für das Jahr 1992 lief die vierjährige Verjährungsfrist für die Beiträge für Januar bis November 1992 am 31. Dezember 1996 und für die Beiträge für Dezember 1992 am 31. Dezember 1997 ab, sodass die Verjährungsfrist nach dem HGB hier länger als die kurze Verjährungsfrist für die Beitragsforderung nach der spezialgesetzlichen Regelung wäre. Denn die Beigeladene hatte hier wohl im März 1997 Kenntnis, dass eine Gesellschaft zwischen dem Kläger und A. S. nicht (mehr) bestand. In Bezug auf eine Bösgläubigkeit des Klägers ist zu berücksichtigen, dass dieser über Jahre von Mahnungen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Beigeladenen, die im Übrigen ihrerseits einem Ablauf einer Verjährung entgegengestanden hätten, betroffen war. Andererseits bestritt der erkennbar einfach strukturierte Kläger stets sein Einstehenmüssen für Schulden einer OHG. Würde man von dem Schreiben des Steuerberaters vom 31. Juli 1996 ausgehen, wäre für den überwiegenden Zeitraum des Jahres 1992 von einer Auflösung der Gesellschaft auszugehen, da eine aus nur zwei Personen bestehende GbR mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters nicht mehr fortbestehen kann. Ein Haftungsbescheid ist dem Kläger indes erst am 13. Februar 2008 zugestellt worden. Für sämtliche Vollstreckungshandlungen der Beigeladenen, die zwischen der Betriebsprüfung und dem Haftungsbescheid lagen, ist für den Senat nicht erkennbar, dass diese die Verjährung gegenüber der Gesellschaft hemmen oder unterbrechen hätten können. Denn insoweit ist nicht deutlich geworden, für welche Forderung der Kläger genau in Anspruch genommen werden sollte. Da eine GbR Rechtsfähigkeit besitzt, ist diese, d.h. nicht der einzelne Gesellschafter, als Arbeitgeber anzusehen (vgl. z.B. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Januar 2012 - L 8 R 67/09 -, juris). Das hätte im Rahmen der jeweiligen Vollstreckungsmaßnahmen deutlich gemacht werden müssen, wenn die Forderungen gegen eine GbR Grundlage hierfür sein sollten. Soweit die Beigeladene scheinbar meint, dass sämtliche Maßnahmen hier eine Einheit bilden, die durch die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Jahr 1992 verknüpft werden, genügt dies den rechtlichen Anforderungen nicht. Würde man sich dieser Auffassung anschließen, würden im vorliegenden Verfahren insgesamt sechs Schuldner (eine behauptete OHG, eine behauptete GmbH, eine GbR - abhängig davon, wer mit D. und S. City-Snack gemeint ist -, der Kläger als Inhaber (oder möglicherweise Gesellschafter) einer OHG und der Kläger und A. S. als Einzelpersonen) für dieselben Beiträge zur Sozialversicherung in Anspruch genommen.

52

Soweit die Beigeladene aus der Anmeldung zur Insolvenztabelle eine hinreichende Grundlage für die vorgenommene Verrechnung ableitet, trifft dies zur Überzeugung des Senats nicht zu. Nach § 178 Abs. 3 InsO wirkt die Eintragung in die Tabelle für die festgestellten Forderungen ihrem Bestand und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Für die Verrechnung genügt nach § 52 Abs. 2 SGB I nicht ein Titel, der sich nach der Benennung in der Insolvenztabelle auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge bezieht, sondern nur eine tatsächliche Forderung von Beiträgen nach dem Sozialgesetzbuch gegenüber dem Leistungsberechtigten. Eine solche Forderung ist hier nicht belegt. Im Übrigen wäre die Forderung der Beigeladenen, würde man ihrer Rechtsauffassung folgen, erst im 11. Juli 2011, d.h. zeitlich nach der Verrechnung, begründet worden.

53

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG. Kostenschuldner kann auch der Beigeladene sein (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 193 RdNr. 11). Da es für das dem Rechtsstreit zugrunde liegende Verrechnungsersuchen der Beigeladenen erkennbar an einer Grundlage fehlte, ist es billig, der Beigeladenen die Kostenerstattung aufzuerlegen, da sie den Rechtsstreit veranlasst hat.

54

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


(1) Die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73a richtet sich gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn

1.
er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(2) Erlangt der andere unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 einen Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht, oder gezogene Nutzungen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 kann das Gericht auch die Einziehung dessen anordnen, was erworben wurde

1.
durch Veräußerung des erlangten Gegenstandes oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

10
Die Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB nF ersetzt die Vorschrift über den Verfall nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF, wobei die Formulierung "aus" der Tat erlangt durch die Worte "durch eine rechtswidrige Tat" erlangt ersetzt wurde. Abzuschöpfen ist damit jeder Vermögenswert, den der Tatbeteiligte durch die rechtswidrige Tat erlangt hat, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine Verfügungsgewalt übergegangen und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist (BT-Drucks. 18/9525, S. 62; vgl. auch Köhler NStZ 2017, 497, 503). Allerdings erstreckt sich die Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB nF - wie der frühere Verfall - nach seinem Umfang grundsätzlich nur auf das unmittelbar erlangte Etwas (vgl. LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 17). Mittelbar durch die Verwertung der Tatbeute erlangte Vermögenszuwächse können weiterhin nur als Surrogat aufgrund einer Anordnung nach § 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB nF (früher § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB aF) eingezogen werden. Die vom Gesetz getroffene Unterscheidung zwischen der Einziehung des Erlangten nach § 73 Abs. 1 StGB nF und der Einziehung des Surrogats nach § 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB nF ergäbe keinen Sinn, wenn - wie die Staatsanwaltschaft meint - der mittelbar durch die Verwertung der Tatbeute er- zielte Gewinn ebenfalls "durch die Tat" erlangt und damit Gegenstand einer Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB nF wäre. Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit dem Wortlaut der Regelung des § 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB nF klarstellen, dass die Anordnung der Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB nF sich nicht ohne weiteres auf die Surrogate "erstreckt" (BT-Drucks. 18/9525, S. 62). Einer Auslegung des § 73 Abs. 1 StGB nF, wonach neben der Einziehung des unmittelbar Erlangten bzw. des Wertersatzes auch eine solche des Surrogats aus der Verwertung der Beute anzuordnen wäre, steht zudem der unmissverständliche Wortlaut des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB nF entgegen, wonach der Wert des Erlangten (nur) einzuziehen ist, wenn entweder die Einziehung des Erlangten nicht möglich ist oder aber von der Einziehung des Surrogats abgesehen wird.
6
Zwar können auch ersparte Aufwendungen erlangtes „etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sein (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 73 Rn. 9 mwN; zur Steuerhinterziehung vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Juli 2010 – 1 StR 239/10, wistra 2010, 406). Diese geldwerten Vorteile sind jedoch allein dem Vermögen des Angeklagten D. , der die Bordelle betrieben hat, zuge- flossen. Die Angeklagte G. hat den Angeklagten D. bei den Straftaten der Steuerhinterziehung und des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt lediglich unterstützt und damit erreicht, dass dieser sich Aufwendungen erspart hat. Eine Verfallsanordnung gegen sie käme daher nur dann in Betracht, wenn sie Mitverfügungsgewalt an dem aus diesen Straftaten Erlangten gehabt hätte (vgl. Fischer, aaO, Rn. 16; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006, 4 StR 421/06, NStZ-RR 2007, 121). Dies war jedoch nicht der Fall.
75
b) Allein aus dem Umstand, dass die I. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Angeklagte war, etwas als Drittbegünstigte gemäß § 73 Abs. 3 StGB aus den Taten erlangt hat, lässt sich nicht auf eine Erlangung durch den Angeklagten selbst schließen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 505/12, NStZ 2014, 89, 93 Rn. 47; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2004 – 2 BvR 1136/03, StV 2004, 409, 411). Bewirkt der Täter in den Fällen des § 73 Abs. 3 StGB als Organ, Vertreter oder Beauftragter einer juristischen Person einen Vermögenszuwachs bei dem Vertretenen , kann der handelnde Vertreter selbst grundsätzlich lediglich dann etwas aus der Tat erlangt haben, wenn er Verfügungsgewalt über das Erlangte innehat (BVerfG und BGH jeweils aaO; BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 – 1StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256 Rn. 126). Im Hinblick auf die Trennung der Vermögen der Gesellschaft einerseits und des Gesellschafters und/oder Geschäftsführers andererseits genügt dafür die aus dieser Stellung resultierende Zugriffsmöglichkeit auf das Gesellschaftsvermögen für die Begründung der erforderlichen Verfügungsgewalt regelmäßig nicht; vielmehr bedarf es tatsächlicher Umstände, aus denen sich ergibt, dass der die begünstigte juristische Person vertretende Täter selbst etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat (BGH, aaO). Solche Umstände sind in der Rechtsprechung etwa dann angenommen worden, wenn der Täter entweder die juristische Person lediglich als formalen Mantel nutzt, eine Trennung von Gesellschafts- und Privatvermögen tatsächlich mithin gerade nicht vornimmt oder wenn jeder aus der Tat folgende Zufluss an die juristische Person sogleich an den Täter weitergeleitet wird (BGH, aaO und NStZ 2014, 89, 93 Rn. 47 mwN).

(1) Handelt jemand

1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder
3.
als gesetzlicher Vertreter eines anderen,
so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.

(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten

1.
beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder
2.
ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen,
und handelt er auf Grund dieses Auftrags, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebs vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden Auftrags für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Zu der im Rahmen des Tatbestands des unerlaubten Betreibens von Anlagen
gemäß § 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorzunehmenden Abgrenzung zwischen
Beseitigung und Verwertung von Abfall.
2. Zu den Voraussetzungen einer nachhaltigen Verunreinigung des Grundwassers
als eigenständigen Schutzgutes des § 326 Abs. 1 Nr. 4 lit. a
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 505/12 –
Landgericht Cottbus

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 23. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen vorsätzlichen unerlaubten Betreibens einer Abfallentsorgungsanlage
u.a.
Verfallsbeteiligte:
1.
2.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Oktober
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin S.
als Verteidigerin für den Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt A.
als Verteidiger für den Angeklagten N. ,
Rechtsanwalt H.
als Vertreter der Verfallsbeteiligten zu 1.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 14. Dezember 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten K. betrifft.
Im Übrigen werden die Revisionen der Staatsanwaltschaft verworfen.
Die Staatskasse hat die durch die Revisionen der Staatsanwaltschaft entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten N. und beider Verfallsbeteiligter zu tragen.
2. Auf die Revisionen des Angeklagten K. und der Verfallsbeteiligten zu 1. wird das genannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten und diese Verfallsbeteiligte betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Rechtsmittelkosten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen vorsätzlichen unerlaubten Betreibens einer Abfallentsorgungsanlage zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten N. hat es vom Vorwurf der Beihilfe zum unerlaubten Umgang mit gefährlichen Abfällen in Tateinheit mit unerlaubtem Betreiben einer Abfallentsorgungsanlage freigesprochen. Des Weiteren hat das Landgericht gegen die N. GmbH (im folgenden N. GmbH) „den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 600.000 €“ angeordnet.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten K. und N. sowie der beiden Verfallsbeteiligten N. GmbH und der Kr. GbR eingelegten, auf eine Verfahrensrüge sowie auf die Sachrüge gestützten Revisionen, die vom Generalbundesanwalt lediglich hinsichtlich des Angeklagten K. und derKr. GbR vertreten werden. Der Angeklagte K. und die N. GmbH fechten das Urteil jeweils mit ihren unbeschränkten, ebenfalls auf eine Verfahrens - und auf die Sachrüge gestützten Revisionen an.
3
Die Revisionen des Angeklagten K. und der N. GmbH haben jeweils mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt auch zu Ungunsten des Angeklagten K. zur umfassenden Aufhebung des Urteils. Soweit die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sich gegen die Freisprechung des Angeklagten N. richten und zum Nachteil der Verfallsbeteiligten geführt werden, bleiben sie ohne Erfolg.

I.


4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verfüllte der Angeklagte K. als Geschäftsführer der N. GmbH von November 2003 bis Novem- ber 2008 ohne abfallrechtliche Genehmigung eine Teilfläche des Kiessandtagebaus Sc. mit mindestens 200.000 Tonnen zuvor aufbereiteter Klärschlammkomposte, um sich so des schadstoffhaltigen Materials zu entledigen. Im Einzelnen hat die Strafkammer Folgendes festgestellt:
5
a) Der Angeklagte K. war und ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der N. GmbH, deren Unternehmenstätigkeit in der Herstellung von Kompost aus Abfällen sowie in der Vermarktung des Kompostmaterials bestand. Seit 1999 betrieb die N. GmbH eine – zuvor von anderen Unternehmen, ebenfalls unter Beteiligung des Angeklagten K. unterhaltene – Kompostieranlage in B. , wo mit entsprechender immissionsschutzrechtlicher Genehmigung Klärschlammkompost hergestellt wurde. Daneben betrieb die N. GmbH – jedenfalls seit 2003 – ein sogenanntes Erdenwerk zur weiteren Bearbeitung des Kompostmaterials.
6
b) Die N. GmbH nahm gegen Bezahlung in großen Mengen Klärschlämme von verschiedenen Kläranlagen aus ganz Deutschland, teilweise auch aus dem europäischen Ausland an. Die hierfür von den Anlieferern gezahlten Entgelte stellten die Haupteinnahmequelle des Unternehmens dar. Die Klärschlämme wurden in der Kompostieranlage durch Vermischung mit Strukturmaterial, Lagerung auf sogenannten Mieten und durch einen Siebvorgang zu einer als Klärschlammkompost bezeichneten Substanz verarbeitet. Bei entsprechender Reife, die regelmäßig erst nach mehreren Jahren eines während der Lagerung auf den Mieten stattfindenden Zersetzungsprozesses (der sogenannten Rotte) eintrat, ordnete meist der Angeklagte K. selbst den Siebvorgang als Ende des in der Kompostieranlage stattfindenden Prozesses an. Anschließend wurde der gesiebte Klärschlammkompost in dem Erdenwerk weiter behandelt, indem er mit Mineralstoffen gemischt und zur Homogenisierung des Materials erneut gesiebt wurde. Kleinere Mengen des am Ende dieses Prozesses anfallenden und als „Rekultivie- rungserde“ bezeichneten Materials wurden an verschiedene Kunden ver- kauft. Ganz überwiegend wurde das Material im Tatzeitraum unter der Regie des Angeklagten K. jedoch zu dem Kiessandtagebau in Sc. geschafft und dort verkippt, um es auf diese Weise kostengünstig „loszuwerden“. Für eine anderweitige Entsorgung des Materials aus dem Erdenwerk wären der N. GmbH nach Schätzung des Landgerichts im Tatzeitraum Mehrkosten in Höhe von 3 € pro Tonne entstanden, die bei einer Abnahme durch Drittunternehmen angefallen wären.
7
c) Für eine Nutzung der Tagebaufläche zu einer Verfüllung mit Kippmassen verfügte die N. GmbH zwar über eine beschränkte bergrechtliche Zulassung des zuständigen Landesbergamts, nicht jedoch über eine abfallrechtliche Genehmigung.
8
Erstmals hatte die N. GmbH am 3. Juni 2002 gemäß § 53 BBergG die Zulassung eines Abschlussbetriebsplans beantragt, der die Einstellung des Betriebs hinsichtlich einer Teilfläche des Kiessandtagebaus Sc. betraf. In dem der Antragstellung zugrunde liegenden Teilabschlussbetriebsplan hieß es unter Bezugnahme auf Zuordnungswerte im Sinne der Technischen Regeln der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) unter anderem : „Zur Schaffung einer 5 m mächtigen durchwurzelbaren Schicht wird zur besseren Erfüllung der Rekultivierungsziele die im Eigenbetrieb N. hergestellte Komposterde aufgebracht. Diese Komposterde entspricht der LAGA Zuordnung Z 0 bis Z 1.1“. Vorwiegend wegen Bedenken des Landesumweltamtes , das hinsichtlich einer Aufschüttung von fünf Metern Kompost /Kompostgemischen unter anderem auf Beschränkungen nach der Bioabfallverordnung verwiesen hatte, sah sich das Landesbergamt gehindert, die beantragte Zulassung dieses ursprünglichen Teilabschlussbetriebsplans zu erteilen. In einer Besprechung im Landesbergamt am 25. November 2002 sagte der Angeklagte K. zu, den Bedenken in einem neuen Teilabschlussbetriebsplan Rechnung zu tragen. Hierzu fasste der zuständige Mitarbeiter des Landesbergamtes in einem Gesprächsvermerk zusammen, dass in dem angekündigten neuen Antrag die Versagungsgründe berücksichtigt werden sollten; dies betraf insbesondere auch den Wegfall einer ursprünglich ausdrücklich vorgesehenen Verkippung von Kompost-Erdengemischen.
9
Mit Bescheid des Landesbergamts Brandenburg vom 2. Juni 2003 wurde ein neuer Abschlussbetriebsplan vom 18. März 2003 nach den Vorschriften des Bundesberggesetzes unter Aufnahme von Nebenbestimmungen zugelassen, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Zulassung „andere erforderliche Genehmigungen, Erlaubnisse, Bewilligungen und Ausnahmebewilligungen nach anderen Gesetzen“ nicht einschließe. Der dem Zulassungsbescheid zugrunde liegende und von ihm in Bezug genommene Teilabschlussbetriebsplan vom 18. März 2003 enthielt eine Aufbringung von „Komposterde“ nicht mehr; die entsprechende Passage aus dem Betriebsplan vom 22. März 2002 war ersatzlos gestrichen worden.
10
Die Nebenbestimmungen des Zulassungsbescheids vom 2. Juni 2003 sahen unter anderem vor, dass „für die durchwurzelbare Oberschicht nur eine kulturfähige Bodenschicht von unbelastetem Bodenaushub des Zuordnungswertes Z 0 verwendet werden“ dürfe und „die Mächtigkeit der Bodenschicht“ maximal 2,0 Meter zu betragen habe. Weiter enthielten die Nebenbestimmungen eine Beschränkung der für eine Verfüllung des Tagebaus möglichen Abfälle. Danach waren nur „nachfolgende Abfallarten mit folgenden Codenummern nach Europäischem Abfallverzeichnis zur Verbringung zugelassen: 17 01 01 Abfallbezeichnung Beton, 17 01 02 Abfallbezeichnung Ziegel, 17 01 03 Abfallbezeichnung Fliesen, Ziegel, Keramik, 17 01 07 Abfallbezeichnung Gemisch aus Beton, Ziegeln, Fliesen und Keramik mit Ausnahme derjenigen, die unter 17 01 06 fallen, 17 05 04 Boden und Steine mit Ausnahme derjenigen, die unter 17 05 03 fallen“.
11
d) In den im November 2008 im Kiessandtagebau Sc. ent- nommenen Proben wurden „teilweise erhebliche Überschreitungen der jewei- ligen Zuordnungswerte ‚Z 1.1’ festgestellt, wobei hier insbesondere Auffälligkeiten aus der Gruppe der Mineralölkohlenwasserstoffe, der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe und bei dem Schwermetall Kupfer zu ver- zeichnen waren“ (UA S. 16). Zu den Folgen der Schadstoffbelastung hat die Strafkammer festgestellt, dass „nur das Grundwasser in einem gleichsam abgeschlossenen Gebiet im unmittelbaren Bereich des Kiessandtagebaus latent gefährdet“ sei; hingegen sei „für jeden einzelnen der Schadstoffe und auch der vorgefundenen Keimarten ausgeschlossen, dass sich eine Gefähr- dung oder auch nur eine Belästigung von Menschen und Tieren ergibt“ (UA S. 16).
12
e) Der Angeklagte N. nahm im November 2005 die Arbeit als Werksleiter bei der N. GmbH zum Monatslohn von 2.000 € brutto auf und wies seit Ende des Jahres 2005 die Mitarbeiter in B. im Einzelnen an, soweit dies nicht der Angeklagte K. selbst übernahm. Gelegentlich gab der Angeklagte N. auch in Sc. Anweisungen zur Verfüllung der Kiesgrube.
13
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist das Landgericht zu folgenden Wertungen gelangt:
14
a) Nach Auffassung des Landgerichts hat der Angeklagte K. den Tatbestand des vorsätzlichen unerlaubten Betreibens einer Abfallentsorgungsanlage gemäß § 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB erfüllt. Es hat im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2006 (BVerwGE 127, 250) angenommen, dass es sich bei dem in den Kiessandtagebau eingebrachten Material um Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) gehandelt habe, weil die Abfalleigenschaft des Ausgangsmaterials mangels einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung fortbestanden habe. Da das Material aus dem Erdenwerk beständig in derart großen Mengen angefallen sei, dass sich – neben dem Verkauf vergleichsweise geringer Mengen – kontinuierlich die Notwendigkeit ergeben habe, große Mengen „loszuwerden“, sei aus Sicht des Angeklagten K. die Entledigung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG erforderlich gewesen. Der Kiessandtagebau habe der Beseitigung und nicht der Verwertung dieses Materials gedient und hätte daher als Deponie einer Genehmigung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz bedurft. Der Angeklagte K. habe insbesondere angesichts der Vorgeschichte der schließlich vom Landesbergamt erteilten Zulassung die Abfalleigenschaft der „Komposterde“ und damit das Erfordernis einer abfallrechtlichen Genehmigung billigend in Kauf genommen.
15
b) Eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen gemäß § 326 Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB hat das Landgericht hingegen verneint. Abstrakt gefährdet sei nur das Grundwasser im unmittelbaren Bereich der Kiesgrube. Es fehle insoweit an der Gefahr einer nachhaltigen Veränderung eines Gewässers, weil es wegen der hydrogeologischen Verhält- nisse im Bereich der Kiesgrube ausgeschlossen sei, „dass Mensch und Tier in Gefahr geraten oder auch nur belästigt werden“ (UA S. 34).
16
c) Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass auch der Angeklagte N. hinsichtlich der Haupttat des Angeklagten K. vorsätzlich gehandelt habe. Schon angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte N. seine Tätigkeit in dem Unternehmen erst gegen Ende des Jahres 2005 aufgenommen habe, sei es eher unwahrscheinlich, dass er über die Genehmigungslage und etwaige Ungereimtheiten informiert gewesen sei. Dies gelte umso mehr, als der Angeklagte K. als „Chef“ eine durchweg dominante Stellung in dem Unternehmen gehabt habe und es ferner angesichts der ausgeprägten Hierarchie plausibel sei, dass der Angeklagte K. alleiniger Ansprechpartner für die entscheidenden Diskussionen im Zusammenhang mit der Entnahme von Proben und deren Analyse gewesen sei. Weit weniger als der umfassend informierte und unmittelbar verantwortliche Angeklagte K. habe der Angeklagte N. im Übrigen die Abfalleigenschaft des Materials aus dem Erdenwerk erkennen können.
17
d) Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die N. GmbH in Höhe von 600.000 € hat die Strafkammer auf eine Schätzung gestützt, wonach das Unternehmen durch die Verbringung der Abfälle nach Sc. Aufwendungen in dieser Höhe erspart habe, die es für eine ordnungsgemäße Entsorgung hätte tätigen müssen. Hingegen könnten die mit der Annahme der Klärschlämme erzielten Einnahmen nicht als für das unerlaubte Betreiben der Deponie oder als hieraus erlangt angesehen werden.
18
e) Die Voraussetzungen einer Verfallsanordnung gemäß § 73 Abs. 3 StGB gegen die Kr. GbR hat das Landgericht mit der Begründung verneint, es fehle an einem hinreichenden Zusammenhang zwischen der Tat und der Bereicherung der Gesellschaft als Dritter. Zwischen der N. GmbH und der Kr. GbR geschlossene Mietverträge über Baumaschinen stellten nicht bemakelte entgeltliche Rechtsgeschäfte dar und bildeten daher eine Zäsur entsprechend dem Rechtsgedanken des § 822 BGB.
19
Eine Verfallsanordnung gegen den Angeklagten K. persönlich ist im Urteil nicht erörtert worden.

II.


20
1. Die Verfahrensrüge, mit der die Staatsanwaltschaft das Urteil in Bezug auf beide Angeklagte anficht, dringt nicht durch. Ob sich die Urteilsfeststellungen , namentlich diejenigen zur Beschaffenheit des in den Kiessandtagebau eingebrachten Materials, mit den in der Revisionsbegründung wiedergegebenen Lichtbildern und Urkunden vereinbaren lassen, kann ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht beurteilt werden. Eine solche ist dem Revisionsgericht jedoch ebenso wie eine eigene Bewertung des Beweisergebnisses von Rechts wegen untersagt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 261 Rn. 38a und § 337 Rn. 15, mwN; Diemer, NStZ 2002, 16, 17 f.). Ein Fall, in dem sich ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme allein mit den Mitteln des Revisionsrechts durch Rückgriff auf objektive Grundlagen wie Urkunden oder Abbildungen feststellen lässt, dass die im Urteil getroffenen Feststellungen nicht durch die in der Hauptverhandlung benutzten Beweismittel gewonnen werden konnten (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 261 Rn. 38a), liegt nicht vor. Welche Schlüsse aus den Abbildungen, die im Kiessandtagebau aufgefundenes Material zeigen, und aus den Entsorgungsbilanzen des Kompostierwerks zu ziehen sind, kann nur das Tatgericht im Rahmen der ihm obliegenden Gesamtwürdigung entscheiden, zumal deren Ergebnis zusätzlich von den übrigen erhobenen Beweisen, insbesondere von den Zeugenaussagen und dem Gutachten des Sachverständigen über Art und Menge des in den Kiessandtagebau eingebauten Materials abhängig ist. Eine zur Begründung der Rüge nach § 261 StPO unter Umständen geeignete unzutreffende Wiedergabe des Gegenstandes der Abbildungen oder des Inhalts der Urkunden in den Urteilsgründen zeigt die Revision nicht auf.
21
2. Soweit sich die Revision der Staatsanwaltschaft gegen die Verurteilung des Angeklagten K. richtet, führt sie aufgrund der Sachrüge zu Ungunsten des Angeklagten – aber auch zu seinen Gunsten (§ 301 StPO) – zur umfassenden Aufhebung des Urteils. Die Revision des Angeklagten K. gegen seine Verurteilung hat mithin ihrerseits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf seine Verfahrensrüge nicht ankommt.
22
a) Die Feststellungen des Landgerichts sind nicht geeignet, den Schuldspruch wegen unerlaubten Betreibens einer Abfallentsorgungsanlage gemäß § 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu tragen.
23
aa) Zu Recht geht das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen davon aus, dass es sich bei dem verarbeiteten Klärschlammkompost zum Zeitpunkt der Einbringung in den Kiessandtagebau in Sc. um Abfall handelte. Der strafrechtliche Abfallbegriff ist in Anlehnung an das Abfallverwaltungsrecht selbständig zu bestimmen (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 1990 – 4 StR 24/90, BGHSt 37, 21, 24, 26, und vom 26. Februar 1991 – 5 StR 444/90, BGHSt 37, 333, 335; NK-StGB-Ransiek, 3. Aufl., § 326 Rn. 6 ff.; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 326 Rn. 5 f.). Abfall sind danach alle Stoffe und Gegenstände, deren sich der Besitzer durch Beseitigung oder Verwertung entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Diese Definition entspricht sowohl dem zur Tatzeit geltenden § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG als auch der Neuregelung des § 3 Abs. 1 KrWG. Danach handelte es sich bei den gegen Entgeltzahlung von der N. GmbH ursprünglich in ihre Kompostieranlage aufgenommenen Klärschlämmen unzweifelhaft um Abfall (vgl. BVerwGE 127, 250). Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, war die Abfalleigenschaft dieses Materials trotz seiner weiteren Verarbeitung auch zum Zeitpunkt der Einbringung in den Kiessandtagebau nicht entfallen. Dementsprechend wollte sich der Angeklagte K. als Geschäftsführer der N. GmbH nach den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts der beständig in großen Mengen anfallenden Klärschlammkomposte entledigen, um den Geschäftsbetrieb in der Kompostieranlage und im Erdenwerk weiter führen zu können (UA S. 14, 31).
24
Das Ende der Abfalleigenschaft eines Stoffes infolge Verwertung gemäß dem zur Tatzeit geltenden § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG setzt die Beendigung des Verwertungsverfahrens bei gleichzeitiger Erfüllung der sich aus dem Abfallrecht ergebenden Pflichten des Abfallbesitzers in Bezug auf die Schadlosigkeit der Verwertung voraus. Erst mit der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung des Abfalls endet das Regime des Abfallrechts (BVerwG, aaO, S. 253). Werden stoffliche Eigenschaften von Abfällen nicht für den ursprünglichen , sondern für andere Zwecke genutzt – wie hier durch den Einsatz von Klärschlammkomposten im Landschaftsbau –, ohne dass mangels identischer oder vergleichbarer Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Abfalls oder mangels Identität oder Vergleichbarkeit mit einem zu substituierenden Rohstoff von vornherein auf die Schadlosigkeit der Verwertung geschlossen werden kann, so bedarf der Abfall bis zum abschließenden Eintritt des Verwertungserfolges der Überwachung, um die Schadlosigkeit der Verwertung zu gewährleisten. Die Abfalleigenschaft eines nunmehr zu anderen Zwecken genutzten Stoffes endet dann nicht bereits mit einem Bereitstellen oder in einem ersten Behandlungs-/Verwertungsschritt, vielmehr muss die Schadlosigkeit der Verwertung bis zur abschließenden Verwendung des Abfalls (für den anderen Zweck) sichergestellt sein. Für Klärschlammkompost, der in ersten Verwertungsschritten erzeugt wurde, gilt daher, dass seine Abfalleigenschaft erst mit dem Aufbringen oder dem Einbringen in geeignete Böden entfällt (vgl. BVerwG, aaO, S. 256 ff.).
25
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Verarbeitung der Klärschlämme im Kompostierwerk und im Erdenwerk der N. GmbH allein nicht geeignet war, die Abfalleigenschaft des hierdurch gewonnen Materials zu beenden, da hierin nach den landgerichtlichen Feststellungen noch kein Abschluss einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung gesehen werden kann. Es fehlt insoweit sowohl an der erforderlichen abschließenden Verwendung als auch an der Gewährleistung der Schadlosigkeit der Verwertung. Selbst wenn die Einbringung in den Kiessandtagebau zu einem ordnungsgemäßen Abschluss eines etwa anzunehmenden Verwertungsverfahrens hätte führen können – was allerdings angesichts des vorhandenen Schadstoffgehalts ohnehin zweifelhaft erscheint –, so handelte es sich bei dem fraglichen Material im Moment der möglichen Tathandlung im Sinne des § 327 StGB, also während des Betreibens der Anlage durch fortlaufende Einbringung des Materials, gleichwohl noch um Abfall.
26
Auch die am 1. Juni 2012 in K. getretene Neuregelung des § 5 KrWG, die im Hinblick auf das in § 2 Abs. 3 StGB verankerte Meistbegünstigungsprinzip in die Prüfung einzubeziehen ist, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Denn auch nach dieser Vorschrift ist das Durchlaufen des Verwertungsverfahrens ebenso Voraussetzung für die Beendigung der Abfalleigenschaft wie eine bestimmte, im Gesetz näher geregelte Beschaffenheit des Stoffes oder Gegenstandes, dessen Verwendung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führen darf.
27
bb) Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme der Strafkammer, dass der Angeklagte hinsichtlich der Abfalleigenschaft des Materials mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Die dieser Bewertung zugrunde liegende Beweiswürdigung ist sachlich-rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere stellen die Vorgeschichte der durch das Landesbergamt erteilten Genehmigung, der Inhalt des Genehmigungsbescheides und die Formulierungen in dem von der N. GmbH selbst beim Landesbergamt eingereichten Abschlussbetriebsplan , in dem „das Einbringen von Fremdstoffen“ in den Tagebau Sc. ausdrücklich als Verwertung im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes bezeichnet wird (UA S. 22), eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Schlussfolgerung des Tatgerichts dar, der Angeklagte K. habe zumindest mit der Möglichkeit gerechnet, dass es sich bei dem in den Kiessandtagebau eingebrachten Material rechtlich um Abfall handelte.
28
cc) Die landgerichtlichen Feststellungen ermöglichen dem Senat jedoch keine abschließende Beurteilung der für den Schuldspruch wegen unerlaubten Betreibens einer Abfallentsorgungsanlage entscheidenden Frage, ob es sich bei dem in den Kiessandtagebau eingebrachten Material um Abfall zur Beseitigung oder aber um Abfall zur Verwertung gehandelt hat.
29
(1) Eine Strafbarkeit nach § 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB (aF) setzt voraus, dass der Täter eine Abfallentsorgungsanlage betrieben hat, für die es einer Genehmigung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz bedurfte. Dies ist nur bei Abfallbeseitigungsanlagen im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG zur Endablagerung von Abfällen (Deponien, vgl. § 3 Abs. 10 KrW-/AbfG) der Fall, für die in § 31 Abs. 2 KrW-/AbfG das Planfeststellungsverfahren und in § 31 Abs. 3 KrW-/AbfG für unbedeutende Anlagen eine Genehmigung vorgesehen ist. Alle sonstigen Abfallbeseitigungsanlagen sind in § 31 Abs. 1 Hs. 2 KrW-/AbfG dem Regime des Bundesimmissionsschutzgesetzes unterstellt (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 7. März 2002 – 1Ss 222/01, LRE 43, 280; Heine in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 327 Rn. 17). Verwertungsvorgänge im Sinne des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG bedürfen demnach unter keinen Umständen einer Genehmigung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (sondern gegebenenfalls einer solchen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz) und können somit nicht dem § 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB unterfallen.
30
(2) Für die Abgrenzung, ob es sich bei einer Abfallentsorgungsmaßnahme um einen Beseitigungsvorgang oder um eine Maßnahme der Abfallverwertung handelt, ist zunächst der zur Tatzeit geltende § 4 KrW-/AbfG maßgeblich. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG liegt eine stoffliche Verwertung vor, wenn nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt. Für die stoffliche Verwertung von Abfällen ist hiernach kennzeichnend, dass ihre Eigenschaften zu einem bestimmten Zweck genutzt werden und dass sich diese Nutzung wirtschaftlich als Hauptzweck der Maßnahme darstellt (vgl. BVerwGE 123, 247, 250).
31
Auch nach europäischem Gemeinschaftsrecht richtet sich die Abgrenzung für solche Vorgänge, die nicht in eine einzige Verfahrenskategorie der Anhänge I oder II der Richtlinie 2008/98/EG (Abfallrahmenrichtlinie) bzw. der Anhänge II A oder II B der zur Tatzeit geltenden Richtlinien 75/442/EWG bzw. 2006/12/EG eingestuft werden können, sondern bei denen – wie im vorliegenden Fall, in dem sowohl das Beseitigungsverfahren D1 (Ablagerungen in oder auf dem Boden, z.B. Deponien usw.) als auch das Verwertungsverfahren R3 (Recycling/Rückgewinnung organischer Stoffe) in Frage steht – mehrere Zuordnungen in Betracht kommen, nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Abfallrahmenrichtlinie aF (der weitgehend Art. 3 Nr. 15 der Richtlinie 2008/98/EG entspricht). Danach kommt es darauf an, ob ihr Hauptzweck darauf gerichtet ist, dass die Abfälle eine sinnvolle Aufgabe erfüllen können, indem sie andere Materialien ersetzen, die für diese Aufgabe verwendet werden, wodurch natürliche Rohstoffquellen erhalten werden können (vgl. EuGH, NVwZ 2002, 579, 582 Rn. 69). Demgemäß setzt die stoffliche Ver- wertung voraus, dass aus den Eigenschaften des Stoffes ein konkreter wirtschaftlicher oder sonstiger Nutzen gezogen wird. Das unterscheidet sie von der Beseitigung, die darauf gerichtet ist, den wegen seiner Schadstoffhaltigkeit oder aus anderen Gründen nicht weiter nutzbaren Stoff dauerhaft von der Kreislaufwirtschaft auszuschließen. Für die wertende Betrachtung, ob eine Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Materials oder die Beseitigung des Stoffes im Vordergrund steht, ist von der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der Vorstellungen desjenigen auszugehen, der die Maßnahme durchführt (BVerwG, aaO, mwN).
32
(3) Im zu entscheidenden Fall lassen die Feststellungen des Landgerichts schon nicht erkennen, inwieweit die Verfüllung des Kiessandtagebaus jenseits der Beseitigung des Klärschlammkomposts (weiteren) Zwecken diente. Als möglicher Zweck kommt insbesondere die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche des Tagebaus gemäß § 4 Abs. 4 BBergG in Betracht. Sollte die N. GmbH als (Einstellungs-)Betreiberin des Kiessandtagebaus hierzu verpflichtet gewesen sein, würden durch die Verfüllung mit den in Rede stehenden Materialien deren stoffliche Eigenschaften genutzt und zugleich Rohstoffe substituiert, mit denen der Tagebau verfüllt werden müsste, wenn nicht der Klärschlammkompost – oder anderer Abfall – zur Verfügung stünde (vgl. BVerwG, aaO, S. 251). Damit wäre freilich noch nicht entschieden , ob der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Abfalls oder aber gleichwohl in deren Beseitigung zu sehen wäre. Es bedürfte in diesem Fall noch einer tatgerichtlichen Beurteilung dieser Frage unter Berücksichtigung aller insoweit relevanten Umstände. Im Urteil wird indessen schon nicht mitgeteilt, ob und inwieweit eine Verpflichtung der N. GmbH zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche des Kiessandtagebaus bestand. Die gebotene an der Verkehrsanschauung auszurichtende Beurteilung des Hauptzwecks der Maßnahme lässt das Urteil gänzlich vermissen. Der Senat kann die notwendige Bewertung auch nicht etwa unter der Annahme einer Verfüllungspflicht selbst vornehmen, da es hierfür an ausreichenden Feststellungen, insbesondere zu den näheren Ge- gebenheiten des Kiessandtagebaus, zum Umfang einer etwa notwendigen Verfüllung und zu anderweitigen Verfüllungsmöglichkeiten fehlt.
33
(4) Umstände, die es ohne weitergehende Feststellungen als ausgeschlossen erscheinen ließen, die Verfüllung des Kiessandtagebaus mit den in Rede stehenden Klärschlammkomposten als Verwertungsvorgang im Sinne des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG zu bewerten, sind dem Urteil nicht in ausreichendem Maße zu entnehmen.
34
(a) Der Schadstoffgehalt der Abfälle steht für sich genommen der Einstufung der Entsorgungsmaßnahme als Verwertungsvorgang nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Einwand der Schadstoffhaltigkeit der Abfälle allein nicht bewirken, dass eine Verfüllung als Vorgang der Abfallbeseitigung einzustufen ist (BVerwGE 123, 247, 252). Zuvor hatte bereits der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass sich weder aus Art. 3 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 75/442/EWG noch aus irgendeiner anderen Vorschrift dieser Richtlinie ergebe, dass die Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit der Abfälle als solche entscheidend für die Frage wäre, ob ein Verfahren der Abfallbehandlung als Verwertung im Sinne von Art. 1 lit. f der Richtlinie 75/442/EWG einzustufen ist (EuGH, aaO Rn. 68). Dies bedeutet, dass es für die Abgrenzung eines Verwertungsvorgangs von einem Beseitigungsvorgang auch nicht maßgeblich darauf ankommt, ob die Verwertung ordnungsgemäß und schadlos im Sinne des § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG erfolgt, da diese Vorschrift lediglich qualitative Anforderungen an die Entsorgung von Abfällen stellt und daher erst zur Anwendung kommt, wenn die Entsorgungsmaßnahme nach den Kriterien des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG eine Verwertung ist; die Abgrenzung zwischen Abfall zur Verwertung und Beseitigung hat somit ausschließlich nach § 4 Abs. 3 (oder Abs. 4) KrW-/AbfG zu erfolgen (vgl. auch Dazert, AbfallR 2005, 223, 224 f.; Versteyl /Jacobj, AbfallR 2008, 247, 248; aA OVG Lüneburg, UPR 2006, 37).
35
Allerdings kann der Schadstoffgehalt innerhalb der nach § 4 Abs. 3 Krw-/AbfG vorzunehmenden Gesamtbewertung insofern indizielle Bedeutung gewinnen, als er zu einem – mit einer entsprechenden Verpflichtung korrespondierenden – erhöhten Entsorgungsinteresse des Abfallbesitzers führt. Für diese Bewertung bedarf es aber neben einer Aufklärung der übrigen Umstände einer näheren Kenntnis des Schadstoffgehalts, als sie durch das angefochtene Urteil vermittelt wird.
36
(b) Sollte der Angeklagte K. weitaus größere Mengen Klärschlammkompost in den Kiessandtagebau eingebracht haben, als zur Wiederherstellung der Oberfläche erforderlich gewesen wären, könnte dies zwar entscheidend gegen die Annahme sprechen, der Hauptzweck der Maßnahme liege in der Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Abfalls (vgl. VG Halle, ZfB 2008, 289). Auch dies ist dem Urteil jedoch nicht in ausreichend tatsachenfundierter , überprüfbarer Weise zu entnehmen, da es in der Beweiswürdigung lediglich heißt, der Angeklagte K. habe im Laufe der Zeit die Vorgaben aus dem Teilabschlussbetriebsplan zur Dicke der durchwurzelbaren Schicht gravierend überschritten (UA S. 20).
37
dd) Schließlich kann der Schuldspruch nach § 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB ungeachtet der nicht tragfähig begründeten abfallrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit der Anlage auch deshalb keinen Bestand haben, weil der subjektive Tatbestand nicht hinreichend belegt ist. Der Vorsatz muss sich neben Tatobjekt und Tathandlung auch auf deren Verbotswidrigkeit beziehen (Fischer , aaO, § 327 Rn. 16; Heine, aaO Rn. 20). Er hat damit grundsätzlich die Genehmigungsbedürftigkeit der Anlage zu umfassen, weil es sich bei dem Genehmigungserfordernis um ein zum objektiven Tatbestand gehörendes pflichtbegründendes Merkmal handelt (OLG Braunschweig, NStZ-RR 1998, 175, 177). Dies hat das Landgericht zwar im Ansatz nicht verkannt. Es hat jedoch keine eigenständige Bewertung des auf das Genehmigungserfordernis bezogenen Vorsatzes vorgenommen, sondern diesen unmittelbar daraus gefolgert, dass der Angeklagte die Abfalleigenschaft des Materials für mög- lich gehalten und billigend in Kauf genommen habe (UA S. 23). Dies ist schon deshalb unzulänglich, weil sich eine etwa objektiv gegebene Genehmigungspflicht – wie dargelegt – nicht bereits aus der Abfalleigenschaft ergibt, sondern zusätzlich davon abhängt, dass es sich bei der Entsorgungsmaßnahme um einen Beseitigungs- und nicht um einen Verwertungsvorgang handelt. Das Landgericht hätte mithin darlegen müssen, aufgrund welcher Umstände es sich davon überzeugt hat, dass der Angeklagte nicht nur die Abfalleigenschaft zumindest billigend in Kauf genommen hat, sondern auch die Tatsache, dass er für die Einbringung der Abfälle in den Kiessandtagebau eine abfallrechtliche Genehmigung benötigt hätte. Dabei hätte es sich auch mit der im zugelassenen Abschlussbetriebsplan enthaltenen Bezugnahme auf eine „Verwertung im Sinne des KrW-/AbfG“ (UA S. 22) und den beschriebenen „Verwertungszielen“ (UAS. 13) auseinandersetzen müs- sen.
38
ee) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Strafbarkeit nach § 327 Abs. 2 Nr. 1, Variante 1 StGB nach den landgerichtlichen Feststellungen nicht in Betracht kommt. Hierfür müsste es sich bei der vom Angeklagten K. genutzten Tagebaufläche aufgrund der Einbringung des Klärschlammkomposts um eine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des § 4 BImSchG gehandelt haben (Fischer, aaO, § 327 Rn. 9 mwN). Die danach genehmigungsbedürftigen Anlagen sind im Anhang 1 zur 4. BImSchV abschließend bezeichnet, § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, § 1 Abs. 1 4. BImSchV. Im Anhang nicht aufgeführte Anlagen sind nicht genehmigungsbedürftig, selbst wenn sie zu erheblichen Umweltbeeinträchtigungen führen (Jarass, BImSchG, 9. Aufl., § 4 Rn. 17). Anlagen, in die wie im vorliegenden Fall Abfälle zur endgültigen Ablagerung in einen Tagebau eingebracht werden, bedürfen danach keiner immissionsschutzrechtlichen – sondern nur einer bergrechtlichen – Genehmigung, da sie im Anhang 1 zur 4. BImSchV nicht aufgeführt sind (vgl. auch § 4 Abs. 2 BImSchG).
39
b) Andererseits hält die Begründung, mit der das Landgericht eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen gemäß § 326 Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB verneint hat, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand und führt insoweit zu Ungunsten des Angeklagten zur Aufhebung des Urteils.
40
Entgegen der Auffassung der Strafkammer ist es nicht Voraussetzung einer nachhaltigen Verunreinigung des Grundwassers, dass infolge der Schadstoffbelastung gegenwärtig zumindest die generelle Möglichkeit einer Gefährdung oder einer ganz erheblichen Belästigung von Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert besteht. Auf die Streitfrage, ob eine Strafbarkeit über den Strafausschließungsgrund des § 326 Abs. 6 StGB hinaus auch dann entfällt, wenn schädliche Einwirkungen auf die Umwelt wegen der Art der Ablagerung oder des Ortes der Beseitigung ausgeschlossen sind (so etwa Fischer, aaO, § 326 Rn. 25), kommt es im vorliegenden Fall nicht an.
41
Wie sich aus der Legaldefinition des § 330d Abs. 1 Nr. 1 StGB ergibt, ist das von den im Urteil erwähnten Verunreinigungen unmittelbar betroffene Grundwasser eigenständiges Schutzgut des § 326 Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB, wonach die Umwelt als solche in ihren verschiedenen Medien geschützt wird (Heine, aaO, § 326 Rn. 1a; MüKo/Alt, StGB, § 326 Rn. 2). Es reicht daher zur Erfüllung des Tatbestandes aus, wenn das Grundwasser in dem betroffenen Gebiet durch die außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage abgelagerten Abfälle nachhaltig verunreinigt oder sonst nachteilig verändert wird. Feststellbare Auswirkungen auf andere Umweltmedien, Mensch oder Tier sind insoweit nicht erforderlich.
42
Für die Frage, ob eine nachhaltige Gewässerverunreinigung vorliegt, ist maßgebend, ob ein Gewässer (gleich welcher Art und Güte) angesichts der konkret festgestellten unzulässigen Einwirkungen so verunreinigt wurde, dass sein biologischer Wert nachhaltig gemindert werden konnte (BGH, Urteil vom 20. November 1996 – 2 StR 323/96, NStZ 1997, 189). Da sich auch das Erfordernis der Nachhaltigkeit auf das verunreinigte Schutzgut als solches bezieht, betrifft es nur die Intensität und Dauer der Beeinträchtigung und bedeutet nicht, dass über das betroffene Umweltmedium hinausgehende Gefahren feststellbar sein müssen. Es scheiden daher nur solche Beeinträchtigungen aus, in deren Folge für das konkret betroffene Medium selbst lediglich eine vorübergehende oder geringfügige Schadenswirkung droht (vgl. MüKo/Alt, aaO Rn. 36 mwN).
43
Um beurteilen zu können, ob nach den vorgenannten Kriterien eine nachhaltige Verunreinigung des Grundwassers im Bereich der Kiesgrube vorliegt, bedarf es näherer Feststellungen zur Schadstoffkonzentration und zur Intensität und Dauerhaftigkeit der aus dieser resultierenden Veränderung des biologischen Werts des betroffenen Grundwassers, an denen es im angefochtenen Urteil fehlt.
44
c) Hinsichtlich des Strafausspruchs ist das neue Tatgericht infolge der auch zum Nachteil des Angeklagten K. erfolgreichen Revision der Staatsanwaltschaft für den Fall eines erneuten Schuldspruchs frei und nicht etwa durch ein Verschlechterungsverbot beschränkt.
45
d) Auch das Absehen von einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB, § 73a StGB gegen den Angeklagten K. hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat es versäumt zu prüfen, ob der Angeklagte K. selbst aus der bislang ausgeurteilten Tat etwas erlangt hat. Auch insoweit greift die sachlich-rechtliche Beanstandung der Staatsanwaltschaft zu seinem Nachteil durch.
46
aa) Als Gegenstand des Erlangten kommen auch ersparte Aufwendungen in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79; Beschluss vom 28. Juni 2011 – 1 StR 37/11, wistra 2011, 394). Sollte der Angeklagte K. eine rechtswidrige Tat gemäß § 326 Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB oder § 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB begangen und hierdurch – wie in dem angefochtenen Urteil festgestellt – für die N. GmbH Aufwendungen für die sonst erforderliche Entsorgung des Klärschlammkomposts erspart haben, kämen diese daher grundsätzlich als Anknüpfungspunkt für eine Verfallsanordnung in Betracht.
47
bb) Die Verfallsanordnung gegen den Angeklagten K. würde allerdings voraussetzen, dass neben der N. GmbH auch dieser als deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer aus der Tat tatsächlich etwas erlangt hat. Erforderlich ist insoweit die tatsächliche Verfügungsgewalt. In Vertretungsfällen gemäß § 73 Abs. 3 StGB, in denen der Täter als Organ, Vertreter oder Beauftragter (§ 14 StGB) oder als sonstiger Angehöriger einer juristischen Person für diese handelt und die Vermögensmehrung bei der juristischen Person eintritt, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Täter Verfügungsgewalt an dem Erlangten hat. Regelmäßig ist vielmehr davon auszugehen, dass die juristische Person über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die vom Privatvermögen des Täters zu trennen ist. Für eine Verfallsanordnung gegen den Täter bedarf es daher auch in Fällen einer – legalen – Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen einer über die faktische Verfügungsgewalt hinausgehenden Feststellung, dass dieser selbst etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat. Eine solche Feststellung rechtfertigende Umstände können etwa darin liegen, dass der Täter die juristische Person nur als formalen Mantel seiner Tat nutzt, eine Trennung zwischen seiner eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der Gesellschaft aber nicht vornimmt, oder darin, dass jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird (BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256 Rn. 126, und vom 29. Juni 2010 – 1 StR 245/09, NStZ 2011, 83, 86; BVerfG [Kammer], StV 2004, 409).
48
cc) Ob die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Senat anhand der Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht beurteilen. Das Urteil teilt lediglich mit, der Angeklagte K. sei alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der N. GmbH gewesen, nicht aber, inwieweit eine Trennung zwischen seiner privaten Vermögenssphäre und derjenigen der Gesellschaft auch faktisch bestand und in welchem Umfang die – die ersparten Aufwendungen wirtschaftlich einschließenden – Einnahmen der Gesellschaft an den Angeklagten weitergeleitet wurden. Das Geschäftsführergehalt allein kann insoweit nicht ohne weiteres herangezogen werden, denn dieses stellt zunächst lediglich die in dem Geschäftsführerverhältnis wurzelnde Vergütung für die vom Angeklagten entfaltete Tätigkeit für die N. GmbH dar. Eine andere Beurteilung kommt diesbezüglich nur dann in Betracht, wenn das aus der Tat Erlangte lediglich unter dem Deckmantel des Geschäftsführergehalts gezielt an den Angeklagten weitergeleitet worden sein sollte. Solches geben die bisherigen Feststellungen indessen nicht her.
49
3. Die gegen die die N. GmbH betreffende Verfallsanordnung gerichtete Revision, mit der die Staatsanwaltschaft die nach ihrer Ansicht zu geringe Höhe des Verfallsbetrages beanstandet, ist zum Nachteil dieser Verfallsbeteiligten (vgl. aber § 301 StPO) unbegründet. Hingegen führt die Revision dieser Verfallsbeteiligten zur Aufhebung der gegen sie ergangenen Verfallsanordnung.
50
a) Die Verfallsanordnung hat keinen Bestand, weil die ihr zugrunde liegende rechtswidrige Tat entsprechend den obigen Ausführungen nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist.
51
b) Ohne Erfolg bleibt die Revision der Staatsanwaltschaft, soweit diese die Festsetzung eines höheren Verfallsbetrages erstrebt. Als Erlangtes im Sinne des § 73 StGB kommen hier nur die vom Landgericht rechtsfehlerfrei geschätzten (§ 73b StGB) Aufwendungen in Betracht, die die N. GmbH dadurch erspart hat, dass sie die in den Kiessandtagebau eingebrachten Materialien nicht durch einen Fachbetrieb entsorgen lassen musste. Die für die Annahme der Klärschlämme in der Kompostieranlage gezahlten Entgelte sind hingegen weder aus der – hier unterstellten – Tat noch für diese erlangt.
Aus der Tat sind alle Vermögenswerte erlangt, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen. Dies kommt hinsichtlich der hier gezahlten Entgelte von vornherein nicht in Betracht. Für die Tat sind Vorteile dann erlangt, wenn sie dem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen. Die für die Annahme der Klärschlämme gezahlten Entgelte sind indessen – das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat nach § 326 Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB und/oder § 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB wiederum unterstellt – nicht für das rechtswidrige Handeln gewährt. Ausgehend von den Feststellungen des Landgerichts war die Annahme der Klärschlämme weder als solche rechtswidrig noch kann in ihr bereits der Beginn der in der Einbringung der Klärschlammkomposte in den Kiessandtagebau liegenden tatbestandlichen Handlung gesehen werden. Denn der Verbringung in den Tagebau ging ein mehrjähriger – als solcher legaler – Aufbereitungsprozess in dem Kompostierwerk und im Erdenwerk voraus. Die aufbereiteten Komposte hätte der Angeklagte sodann lediglich anderweitig entsorgen müssen. Insofern mündete die Annahme der Klärschlämme auch nicht etwa unmittelbar oder zwangsläufig in die Tatbestandsverwirklichung. Die gezahlten Entgelte stellten somit keine Gegenleistung für das rechtswidrige, sondern für ein als solches rechtmäßiges Handeln dar.
52
4. Ohne Erfolg bleibt die Revision der Staatsanwaltschaft ferner insoweit , als sie sich gegen die Nichtanordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Kr. GbR wegen von der N. GmbH zwischen 2005 und September 2008 an diese gezahlter 350.000 € richtet.
53
Nach § 73 Abs. 3 StGB kann der Verfall oder der Verfall von Wertersatz nach § 73a StGB auch gegen einen Dritten angeordnet werden, wenn der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt hat und dieser dadurch etwas erlangt hat. Dies ist bei der Kr. GbR nach den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall.
54
a) Handeln „für einen anderen“ verlangt zwar keinen echten oder gar offenen, nach außen erkennbaren Vertretungsfall, aber der Handelnde muss bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Tat auch, und sei es nur faktisch, im Interesse des Dritten gehandelt haben. „Dadurch“ bedeutet schon vom Wortlaut her nicht „unmittelbar durch ein- und dieselbe Handlung“, verlangt aber immerhin einen Bereicherungszusammenhang zwi- schen der Tat und dem Eintritt des Vorteils bei dem Dritten. Die notwendige Konkretisierung dieser Merkmale hat dabei nach Fallgruppen zu erfolgen, namentlich Vertretungsfälle im weiteren Sinn und Verschiebungsfälle (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235).
55
b) Obwohl der Angeklagte K. selbst Gesellschafter der Kr. GbR war und ist, scheidet ein Vertretungsfall aus. Das betriebliche Zurechnungsverhältnis vermag hier einen Bereicherungszusammenhang noch nicht zu begründen (vgl. hierzu allgemein BGH, aaO). Der Angeklagte K. hat im Rahmen der Verfüllung des Kiessandtagebaus mit Klärschlammkompost als Geschäftsführer der als Abfallbesitzerin für die Entsorgung verantwortlichen N. GmbH für diese und primär in deren Interesse gehandelt, so dass – bezogen auf die (hier erneut als rechtswidrig zu unterstellende) Tathandlung – ein Tätigwerden im Organisationsinteresse der Kr. GbR allein aufgrund der Gesellschafterstellung des Angeklagten K. nicht angenommen werden kann.
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c) Auch die Voraussetzungen eines die Verfallsanordnung rechtfertigenden Verschiebungsfalls liegen nicht vor. Ein solcher ist gegeben, wenn der Täter dem Dritten Tatvorteile unentgeltlich oder aufgrund eines jedenfalls bemakelten Rechtsgeschäfts zukommen lässt, um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder um die Tat zu verschleiern (BGH, aaO, und Beschluss vom 13. Juli 2010 – 1 StR 239/10, wistra 2010, 406).
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Zwar kann solches unter Umständen auch dann angenommen werden , wenn das Erlangte vor der Weiterleitung an den Dritten mit legalem Vermögen vermischt worden ist (vgl. OLG Hamburg, wistra 2005, 157) oder wenn es – wie hier – lediglich aus ersparten Aufwendungen besteht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. April 2009 – 1 Ws 119/09). Der für die Anwendung des § 73 Abs. 3 StGB erforderliche Bereicherungszusammenhang besteht aber nur dann, wenn sich aufgrund weiterer Umstände – etwa durch eine Gesamtschau der Zahlungsflüsse (vgl. OLG Hamburg, aaO; vgl. hierzu aber auch – im selben Verfahren – BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 – 1 StR 245/09, NStZ 2011, 83, 85 f.) – gleichwohl feststellen lässt, dass mit den in Frage stehenden Transaktionen das Ziel verfolgt wurde, das durch die Tat unmittelbar begünstigte Vermögen des Täters oder – wie hier – eines weiteren Dritten dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen oder die Tat zu verschleiern.
58
Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Aus den Geldflüssen selbst lässt sich ein entsprechender Schluss nicht ziehen, denn die Zahlungen an die Kr. GbR blieben in der Höhe deutlich hinter den durch die nicht genehmigte Abfallentsorgung ersparten Aufwendungen zurück und ließen eine eindeutige Verbindung zu diesen weder zeitlich noch betragsmäßig erkennen (vgl. BGH, aaO). Zudem hatte der Angeklagte aufgrund der vom Landgericht angenommenen Taten weder den Zugriff von Gläubigern zu befürchten , noch waren die Geldzahlungen an die Kr. GbR in irgendeiner Weise zur Verschleierung der Taten geeignet. Dass der Angeklagte K. zum Zeitpunkt der Zahlungen an die Kr. GbR bereits mit einer Verfallsanordnung rechnete, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Somit scheidet die Annahme eines Bereicherungszusammenhangs bereits mangels Bestehens einer hinreichenden Verknüpfung zwischen dem durch die Straftat unmittelbar Erlangten und dem der Kr. GbR Zugewendeten aus. Auf die für sich genommen jedenfalls wegen des der GbR zuzurechnenden Wissens des Angeklagten K. zweifelhafte Begründung des Landgerichts, die nicht bemakelten Mietverträge zwischen der N. GmbH und der Kr. GbR bildeten eine den Bereicherungszusammenhang unterbrechende Zäsur, kommt es mithin nicht mehr an.
59
5. Schließlich vermag auch die gegen den Freispruch des Angeklagten N. gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft nicht durchzudringen. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
60
Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist (§ 261 StPO). Die Beweiswürdigung ist nur dann rechtsfehlerhaft, wenn sie widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 StR 466/12 mwN).
61
Das Landgericht geht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zutreffend davon aus, dass eine Verurteilung des Angeklagten N. nur wegen Beihilfe zum unerlaubten Betreiben einer Abfallentsorgungsanlage in Betracht kommt und seine Strafbarkeit somit in jedem Fall vorsätzliches Handeln voraussetzt. Es hat ferner rechtsfehlerfrei begründet, weshalb es sich nicht davon zu überzeugen vermochte, dass der Angeklagte N. mindestens billigend in Kauf genommen hat, dass der Kiessandtagebau ohne die erforderliche abfallrechtliche Genehmigung betrieben wurde. Das Landgericht hat seine Erwägungen auf eine ausreichende Tatsachengrundlage gestützt, indem es zutreffend hervorgehoben hat, dass der Angeklagte N. erst Ende des Jahres 2005 in den laufenden Betrieb der N. GmbH eingestiegen ist, als die Verkippung der Klärschlammkomposte in den Kiessandtagebau schon seit zwei Jahren betrieben wurde. Zu Recht hat die Strafkammer zudem auf die dominante Stellung des Angeklagten K. und die ausgeprägt hierarchische Struktur der N. GmbH abgestellt.
62
Die rechtsfehlerhafte Verneinung einer Strafbarkeit des Angeklagten K. nach § 326 Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB wirkt sich nicht dahingehend aus, dass auch der Freispruch des Angeklagten N. von diesem Rechtsfehler erfasst wäre. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht einen diesbezüglichen Gehilfenvorsatz des Angeklagten N. bejaht hätte. Die in Bezug auf die Kenntnis von der Genehmigungslage angeführte Argumentation der Strafkammer greift in gleicher Weise gegenüber der Abfalleigenschaft des Materials und der – für eine Verwirklichung des § 326 Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB objektiv möglicherweise ausreichenden – Schadstoffbelastung. Da der Angeklagte N. in die Vorgänge um die Erteilung der Genehmigung für den Kiessandtagebau Sc. in keiner Weise eingebunden, der Angeklagte K. zudem offenbar „alleiniger Ansprechpartner für die entscheidenden Diskussionen im Zusammenhang mit den Proben und Analysen ... gewesen“ ist (UA S. 28), ist nicht ersichtlich, wie sich das Tatgericht die Überzeugung von einem zumindest bedingten Vorsatz des Angeklagten N. hinsichtlich der Abfalleigenschaft des Materials und einer nachhaltigen Gewässerverunreinigung hätte verschaffen sollen.
Basdorf Sander Schneider Berger Bellay

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

6
3. Die Verfalls- und die Einziehungsanordnung müssen allerdings aufgehoben werden. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt: "Die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes gemäß §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a Satz 1 StGB in der erkannten Höhe kann... keinen Bestand haben.
12
1. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB knüpft an § 73 Abs. 1 StGB an und setzt voraus, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat. Hierzu ist in Fällen der Beteiligung mehrerer an einer Tat nach der bereits zu § 73a StGB aF ergangenen und unverändert fortgeltenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von folgenden Grundsätzen auszugehen: Erforderlich ist, dass die mehreren Tatbeteiligten faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über die Diebesbeute erlangt haben (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 14/11, NJW 2012, 92 f.). Dabei kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB nur in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem jeweiligen Mittäter zumindest Mitverfügungsgewalt über die Beute zukommen sollte und er diese auch tatsächlich hatte (BGH, Beschlüsse vom 10. September 2002 – 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199, vom 1. März 2007 – 4 StR 544/06, vom 12. Mai 2009 – 4 StR 102/09, NStZ-RR 2009, 320, vom 27. April 2010 – 3 StR 112/10, NStZ 2010, 568, vom 22. Juli 2014 – 1 StR 53/14 und vom 17. März 2016 – 1 StR 628/15, BGHR StGB § 73 Erlangtes 19). Die bloße Annahme mittäterschaftlichen Handelns vermag die fehlende Darlegung des tatsächlichen Geschehens hierzu nicht zu ersetzen (BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86, 87; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 44 f.). Eine gemeinsame Mitverfügungsmacht über die gesamte Beute ist daher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verneint worden, wenn der Angeklagte den Gesamtbetrag nur kurzfristig und transitorisch erhalten und sodann an seine Mittäter deren Beuteanteile weitergeleitet hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2009, aaO; Urteil vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 14/11, NJW 2012, 92).
75
b) Allein aus dem Umstand, dass die I. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Angeklagte war, etwas als Drittbegünstigte gemäß § 73 Abs. 3 StGB aus den Taten erlangt hat, lässt sich nicht auf eine Erlangung durch den Angeklagten selbst schließen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 505/12, NStZ 2014, 89, 93 Rn. 47; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2004 – 2 BvR 1136/03, StV 2004, 409, 411). Bewirkt der Täter in den Fällen des § 73 Abs. 3 StGB als Organ, Vertreter oder Beauftragter einer juristischen Person einen Vermögenszuwachs bei dem Vertretenen , kann der handelnde Vertreter selbst grundsätzlich lediglich dann etwas aus der Tat erlangt haben, wenn er Verfügungsgewalt über das Erlangte innehat (BVerfG und BGH jeweils aaO; BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 – 1StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256 Rn. 126). Im Hinblick auf die Trennung der Vermögen der Gesellschaft einerseits und des Gesellschafters und/oder Geschäftsführers andererseits genügt dafür die aus dieser Stellung resultierende Zugriffsmöglichkeit auf das Gesellschaftsvermögen für die Begründung der erforderlichen Verfügungsgewalt regelmäßig nicht; vielmehr bedarf es tatsächlicher Umstände, aus denen sich ergibt, dass der die begünstigte juristische Person vertretende Täter selbst etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat (BGH, aaO). Solche Umstände sind in der Rechtsprechung etwa dann angenommen worden, wenn der Täter entweder die juristische Person lediglich als formalen Mantel nutzt, eine Trennung von Gesellschafts- und Privatvermögen tatsächlich mithin gerade nicht vornimmt oder wenn jeder aus der Tat folgende Zufluss an die juristische Person sogleich an den Täter weitergeleitet wird (BGH, aaO und NStZ 2014, 89, 93 Rn. 47 mwN).

(1) Die Einziehung nach den §§ 73 bis 73c ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist. Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.

(2) In den Fällen des § 73b, auch in Verbindung mit § 73c, ist die Einziehung darüber hinaus ausgeschlossen, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, es sei denn, dem Betroffenen waren die Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen den Täter oder Teilnehmer ansonsten zugelassen hätten, zum Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung bekannt oder infolge von Leichtfertigkeit unbekannt.