Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Sept. 2018 - 4 L 194/17

bei uns veröffentlicht am13.09.2018

Gründe

1

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle hat keinen Erfolg, weil die Darlegungen, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), nicht geeignet sind, die Annahme der geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO zu rechtfertigen. Auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.

2

1. Die Klägerin begehrt die Überprüfung eines bestandskräftigen Bescheids des Beklagten, durch den sie zum Ersatz von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) i. H. v. 186,– € für die Zeit vom 30. Juli 2015 bis zum 31. August 2015 verpflichtet wird. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 2 SGB X. Danach ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1); er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). Die Ersatzzahlungsverfügung der Beklagten sei rechtmäßig. Die Klägerin habe im Zeitraum vom 30. Juli 2015 bis zum 31. August 2015 mit dem Vater des gemeinsamen Kindes zusammengelebt, womit die Anspruchsvoraussetzung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG in dieser Zeit nicht erfüllt gewesen sei. Die Klägerin könne den Beklagten auch nicht darauf verweisen, seinen - gegen die Klägerin gerichteten Anspruch - im Wege der Erstattung gegenüber dem Jobcenter geltend zu machen, weil der Zufluss von Unterhaltsvorschussleistungen in den Monaten Juli und August 2015 bedarfsmindernd auf ihre Leistungen nach dem SGB II angerechnet worden seien. Der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X setze u. a. voraus, dass zu einer bereits rechtmäßig erbrachten Sozialleistung nachträglich eine weitere Sozialleistung hinzutrete und allein die hinzutretende Sozialleistung den Anspruch auf die bereits erbrachte Sozialleistung ganz oder teilweise entfallen lasse. Daran fehle es hier, weil der Beklagte die Leistungen nach dem UVG für die Zeit vom 30. Juli bis zum 31. August 2015 wegen des Zuzugs des Kindesvaters in die Wohnung der Klägerin zur Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft unrechtmäßig erbracht habe. Das Arbeitslosengeld II sei für diesen Zeitraum auch nicht nachträglich als weitere Sozialleistung hinzugetreten. Auch der Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X greife nicht ein, wenn die Sozialleistungserbringung - wie hier - gegen das für den Leistungserbringer geltende materielle Leistungsrecht verstoße. Insoweit komme lediglich ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Leistungsempfänger in Betracht.

3

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden, wenn die Klägerin im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>). Dies ist nicht der Fall.

4

a) Die Klägerin macht geltend, weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des Erstattungsanspruchs gemäß § 103 Abs. 1 SGB X lasse sich eine Begrenzung auf den Fall rechtfertigen, dass zu einer rechtmäßig erbrachten Sozialleistung nachträglich eine weitere Sozialleistung hinzutrete und allein diese Sozialleistung den Anspruch auf die bereits erbrachte Sozialleistung ganz oder teilweise entfallen lasse. Maßgeblich sei allein, ob die Leistung zunächst rechtmäßig erfolgt sei, wobei hier dahinstehen könne, ob für diese Frage auf den Zeitpunkt der Leistungsgewährung (Bescheiderteilung) oder den Zeitpunkt der Leistungserbringung (Auszahlung) abzustellen sei, da die Rechtmäßigkeit in beiden Zeitpunkten vorgelegen habe. Damit vermag die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht zu begründen.

5

Ein Erstattungsanspruch nach § 103 Abs. 1 SGB X, der infolge der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X eine Rückabwicklung im Verhältnis zum Leistungsberechtigten ausschließen würde (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 5 C 10.91 -, juris, Rn. 15), steht dem Beklagten gegenüber dem Jobcenter (…) entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu. § 103 Abs. 1 SGB X bestimmt für den Fall, dass ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat und der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist, den für die entsprechende Leistung zuständigen Leistungsträger als erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nach einhelliger Ansicht setzt der Erstattungsanspruch gemäß § 103 SGB X - wie sämtliche Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern nach den §§ 102 ff. SGB X - voraus, dass der Leistungsträger die Leistungen materiell rechtmäßig erbracht hat (vgl. BTDrucks 9/95, S. 25; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 - B 13 R 11/11 R -, juris, Rn. 34; Böttiger, in: Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl. 2016, § 103 Rn. 11; Klattenhoff, in: Hauck/Noftz, K § 103 Rn. 7 ; Roos, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 103 Rn. 5). Bereits daran fehlt es hier. Die Leistungen nach dem UVG sind für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 30. Juli 2015 bis zum 31. August 2015 zu Unrecht gezahlt worden, weil die Klägerin und der Kindsvater in dieser Zeit zusammengelebt haben und damit die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nicht erfüllt waren. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob im Zeitpunkt der Leistungsgewährung oder der Leistungserbringung ein Anspruch auf Leistungen nach dem UVG bestanden hat, sondern darauf, ob ein Leistungsträger für einen bestimmten Zeitraum Sozialleistungen materiell rechtmäßig erbracht und der Anspruch für diesen Zeitraum nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist (vgl. hierzu auch OVG Sachsen, Beschluss vom 11. Februar 2015 - 5 A 17/13 -, juris, Rn. 4). Dies ist bezogen auf die Zeit vom 30. Juli 2015 bis zum 31. August 2018 hier nicht der Fall. Darüber hinaus entfällt ein sozialrechtlicher Leistungsanspruch im Sinne von § 103 Abs. 1 SGB X nach richtiger Ansicht des Verwaltungsgerichts nur, wenn durch die Erfüllung des (zweiten) Leistungsanspruchs der von einem zuständigen Leistungsträger erbrachte (erste) Leistungsanspruch (durch eine Wegfallregelung) zum Wegfall kommt (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 - B 13 R 9/12 R -, juris, Rn. 41; Klattenhoff, in: Hauck/Noftz, K § 103 Rn. 11 >; Roos, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 103 Rn. 7). Der Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem UVG ist nicht durch die rückwirkende Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nachträglich ganz oder teilweise entfallen, sondern bestand - wie ausgeführt - mangels des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG im streitgegenständlichen Zeitraum vom 30. Juli 2015 bis zum 31. August 2018 von vornherein nicht.

6

b) Die Klägerin macht weiterhin geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts greife die Erstattungsregelung gemäß § 105 Abs. 1 SGB X ein, weil der Beklagte als sachlich unzuständiger Leistungsträger geleistet habe. Bei dem Unterhaltsvorschuss handele es sich um eine existenzsichernde Leistung und somit um eine gleich gerichtete Leistung zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Für die Sicherung des Existenzminimums der Klägerin und ihrer minderjährigen Kinder sei im August 2015 nicht der Beklagte, sondern das Jobcenter (...) zuständig gewesen. Auch liege kein Verstoß gegen das materielle Sozialrecht vor, da zum Zeitpunkt der Bewilligung der Leistungen die Voraussetzungen des UVG vorgelegen hätten. Auch damit kann die Klägerin nicht durchdringen.

7

§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X regelt den Erstattungsanspruch des (von Beginn an) unzuständigen Leistungsträgers gegen den zuständigen Leistungsträger. Die Vorschrift lautet: Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Von § 105 SGB X erfasst wird ausschließlich ein Verstoß gegen (örtliche oder sachliche) Zuständigkeitsvorschriften des Sozialrechts; liegt darüber hinaus auch eine dem materiellen Sozialrecht widersprechende Leistung vor, ist § 105 SGB X nicht anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 - B 13 R 11/11 R -, juris, Rn. 38; Roos, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 105 Rn. 7; Böttiger, in: Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl. 2016, § 105 Rn. 14). Für die Leistung zuständig ist der Sozialleistungsträger, der im Hinblick auf den erhobenen Sozialleistungsanspruch nach materiellem Recht richtigerweise anzugehen, das heißt sachlich befugt (passiv legitimiert) ist (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 - B 1 KR 29/15 R -, juris, Rn. 10). Daran gemessen fehlt es vorliegend bereits an einer Leistung des unzuständigen Leistungsträgers, da der Beklagte für die Leistungen nach dem UVG örtlich und sachlich zuständig ist (vgl. § 23 Abs. 1 Familien- und Beratungsförderungsstellengesetz Sachsen-Anhalt – FamFöG LSA). Dass die Leistungen nach dem UVG den Unterhalt des betroffenen Kindes sichern sollen und insoweit dem gleichen Zweck dienen wie die Leistungen nach dem SGB II, hat entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zur Folge, dass der Beklagte für die Leistungen nach dem UVG sachlich unzuständig ist. Der Beklagte ist insoweit sachlich zuständig, da ihm gegenüber bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 UVG ein Leistungsanspruch besteht. Darüber hinaus scheidet ein Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X vorliegend auch deshalb aus, weil die Leistungen nach dem UVG für die Zeit vom 30. Juli 2015 bis zum 31. August 2018 - wie ausgeführt - materiell unrechtmäßig erbracht worden sind.

8

c) Nach Ansicht der Klägerin führt die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu einer massiven Unterschreitung des soziokulturellen Existenzminimums der Klägerin und ihrer Kinder und damit zu einem Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme im Fall einer rechtswidrigen Leistungsgewährung durch einen anderen Leistungsträger weder eine nachträgliche Gewährung höherer Leistungen in Betracht, da der Bedarf im fraglichen Monat vollständig gedeckt gewesen sei, noch die Anerkennung eines gesonderten Bedarfs im Monat der Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen, da hierfür keine gesetzliche Grundlage bestehe. Ein Verschulden der Klägerin, welches unter Umständen ein zeitweises Unterschreiten des Existenzminimums ausnahmsweise rechtfertigen könne, liege nicht vor. Auch dies weckt keine Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.

9

(Materiell) zu Unrecht erbrachte Leistungen hat der Leistungsträger vom Leistungsempfänger zurückzufordern (vgl. Böttiger, in: Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl. 2016, Vor §§ 102-114 Rn. 24; Becker, in: Hauck/Noftz, K §§ 102-114, Rn. 63 i.V.m Rn. 37 f. ). Für zu Unrecht erbrachte Leistungen nach dem UVG folgt die Erstattungspflicht aus § 5 Abs. 1 UVG. Die Vorschrift räumt der Behörde keinen Ermessensspielraum ein. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist für eine verfassungskonforme Auslegung der Erstattungsregelungen gemäß §§ 102 ff. SGB X in dem Sinne, dass der Beklagte die Erstattung der von ihm zu Unrecht erbrachten Leistungen nach dem UVG vom Jobcenter (...) verlangen müsse, kein Raum. Verfassungskonforme Auslegung ist dort nicht statthaft, wo sie zu dem Gesetzeswortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. BVerfGE 71, 81 <105>; 95, 64 <93>). Den Gerichten ist es verwehrt, im Wege der Auslegung einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten Sinn zu geben oder den normativen Gehalt einer Vorschrift grundlegend neu zu bestimmen (vgl. BVerfGE 90, 263 <275>). Eine Auslegung der §§ 102 ff. SGB X in dem von der Klägerin gewünschten Sinne scheidet damit aus. Denn es entspricht dem im Gesetzestext niedergelegten eindeutigen Willen des Gesetzgebers, dass die Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X nicht solche Leistungen erfassen, die - wie hier - (materiell) zu Unrecht erbracht worden sind (vgl. BTDrucks 9/95, S. 25).

10

Der Einwand der Klägerin, die Anwendung der §§ 102 ff. SGB X führe vorliegend zu einem nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gemäß Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG, überzeugt im Übrigen auch in der Sache nicht. Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>; 132, 134 <160, Rn. 64>). Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums die entsprechenden Bedarfe der Hilfebedürftigen zeit- und realitätsgerecht erfassen. Ihm kommt ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung von Art und Höhe der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Er hat einen Entscheidungsspielraum bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichtet (vgl. BVerfGE 125, 175 <224 f.>; 132, 134 <160 f., Rn. 67>) und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs tragfähig begründet werden können (vgl. BVerfGE 132, 134 <162, Rn. 69> unter Verweis auf BVerfGE 125, 175 <225>).

11

Dass das menschenwürdige Existenzminimum der Klägerin oder ihrer Kinder durch die - einmalige - Erstattungsforderung des Beklagten i.H.v. 180,– € beeinträchtigt ist, legt die Klägerin schon nicht substantiiert dar und ist auch nicht ersichtlich. Sie hätte sich insoweit auch damit auseinandersetzen müssen, dass ihr der Beklagte in dem streitgegenständlichen Rückforderungsbescheid eine einvernehmliche Möglichkeit zur Tilgung der Rückstände in Aussicht gestellt hat. Auch geht die Klägerin nicht darauf ein, dass eine Vollstreckung der Forderung aufgrund der Pfändungsfreigrenzen für das Arbeitslosengeld II (§ 54 Abs. 4 SGB I i.V.m. § 850c ZPO) eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Sicherung des Existenzminimums nicht besorgen ließe (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2012 - VII ZB 74/11 -, juris, Rn. 21 ff.).

12

3. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist eine Rechtssache, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich und im Sinne der Rechtseinheit klärungsbedürftig ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Februar 2008 - 2 BvR 2575/07 -, juris, Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

13

Die Klägerin wirft die Frage auf, ob im Falle der rechtswidrigen Leistungsgewährung eines Leistungsträgers, in denen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für den Leistungsberechtigten weder ein Anspruch auf nachträgliche Gewährung höherer Leistungen noch ein Anspruch auf die Zuerkennung eines gesonderten Bedarfs besteht, die Leistung vom Leistungsberechtigten zurückgefordert werden darf, auch wenn dies zu einer verschuldensunabhängigen erheblichen Bedarfsunterdeckung im Erstattungsmonat führt oder ob die Erstattungsvorschriften gemäß §§ 102 ff. SGB X verfassungskonform dahingehend auszulegen sind, dass einer Rückforderung vom Leistungsberechtigten § 107 SGB X entgegensteht, wenn zugleich ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung bestanden hat.

14

Diese Rechtsfrage würde sich in einem Berufungsverfahren so nicht stellen und ist deshalb nicht klärungsfähig. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass es trotz der Pfändungsfreigrenzen für das Arbeitslosengeld II (§ 54 Abs. 4 SGB I i.V.m. § 850c ZPO) zu einer erheblichen Bedarfsunterdeckung komme. Auch ist die verfassungskonforme Auslegung der §§ 102 ff. SGB X im Sinne der Klägerin - wie ausgeführt - weder zulässig noch geboten.

15

4. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten im Sinne von § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO (s. oben) scheidet auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren aus.

16

Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 VwGO.

17

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Sept. 2018 - 4 L 194/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Sept. 2018 - 4 L 194/17

Referenzen - Gesetze

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Sept. 2018 - 4 L 194/17 zitiert 18 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 188


Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850c Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen


(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als1.1 178,59 Euro monatlich,2.271,24 Euro wöchentlich oder3.54,25 Euro täglichbeträgt. (2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 103 Anspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist


(1) Hat ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht und ist der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen, ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbs

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 107 Erfüllung


(1) Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt. (2) Hat der Berechtigte Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger, gilt der Anspruch als erfüllt, den der

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 105 Anspruch des unzuständigen Leistungsträgers


(1) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleist

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 54 Pfändung


(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden. (2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Sept. 2018 - 4 L 194/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Sept. 2018 - 4 L 194/17 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 13. Dez. 2016 - B 1 KR 29/15 R

bei uns veröffentlicht am 13.12.2016

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 31. Okt. 2012 - B 13 R 9/12 R

bei uns veröffentlicht am 31.10.2012

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30. Januar 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere 1872,44 Euro zu zahlen.

Bundessozialgericht Urteil, 31. Okt. 2012 - B 13 R 11/11 R

bei uns veröffentlicht am 31.10.2012

Tenor Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. September 2010 sowie das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. Mai 2009 aufgehoben

Referenzen

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Hat ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht und ist der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen, ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.

(1) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.

(1) Hat ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht und ist der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen, ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.

(1) Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.

(2) Hat der Berechtigte Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger, gilt der Anspruch als erfüllt, den der Träger, der die Sozialleistung erbracht hat, bestimmt. Die Bestimmung ist dem Berechtigten gegenüber unverzüglich vorzunehmen und den übrigen Leistungsträgern mitzuteilen.

(1) Hat ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht und ist der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen, ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. September 2010 sowie das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. Mai 2009 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere 54,55 Euro zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens aller Rechtszüge tragen die Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 54,55 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rangfolge von Erstattungsansprüchen in der Zeit vom 1.7.2005 bis zum 12.7.2005 und vom 3.11.2005 bis zum 30.11.2005.

2

Die im Jahre 1963 geborene Leistungsempfängerin bezog von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund; im Folgenden: Beklagte) eine vom 1.12.2003 bis zum 31.5.2005 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid vom 21.10.2003). Den Antrag von September 2004 auf Weitergewährung der Rente lehnte diese ab (Bescheid vom 10.5.2005; Widerspruchsbescheid vom 21.10.2005). Im Klageverfahren vor dem SG Lübeck (S 18 R 820/05) erkannte die Beklagte über den Monat Mai 2005 hinaus bis zum 30.9.2008 Leistungen wegen voller Erwerbsminderung an (Teilanerkenntnis vom 27.9.2006; entsprechender Ausführungsbescheid vom 30.10.2006). Die monatliche Rentenzahlung begann am 1.12.2006 (591,55 Euro zzgl Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung = insgesamt 657,64 Euro). Die für den Zeitraum vom 1.6.2005 bis zum 30.11.2006 errechnete Rentennachzahlung iHv 9800,01 Euro behielt sie vorläufig ein (täglicher Leistungsbetrag im Juli 2005: 19,17 Euro; im November 2005: 19,81 Euro).

3

Auf ihre Arbeitslosmeldung im Mai 2005 bezog die Leistungsempfängerin von der Bundesagentur für Arbeit (BA; im Folgenden: Klägerin) im Zeitraum vom 1.6.2005 bis zum 12.7.2005 Arbeitslosengeld (Alg; täglicher Leistungsbetrag 17,37 Euro). Vom 13.7.2005 bis zum 2.11.2005 erhielt sie Krankengeld. Am 2.11.2005 meldete sie sich erneut arbeitslos und bezog Alg vom 3.11.2005 bis zum 3.3.2006 (täglicher Leistungsbetrag 23,77 Euro). Jeweils aufstockend zum Alg und zum Krankengeld bezog sie im Zeitraum vom 1.6.2005 bis zum 30.11.2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (für Unterkunft und Heizung) von der Arbeitsgemeinschaft Lübeck (Rechtsvorgängerin des Jobcenters Lübeck, im Folgenden: Beigeladener).

4

Die Klägerin machte mit Schreiben vom 9.11.2006 und 23.2.2007 bei der Beklagten Erstattungsansprüche wegen des Alg iHv 3124,15 Euro für die Zeiträume vom 1.6.2005 bis zum 12.7.2005 und vom 3.11.2005 bis zum 3.3.2006 geltend (unter Einschluss nicht streitgegenständlicher Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung insgesamt 3710,18 Euro). Der Beigeladene machte mit Schreiben vom 13.12.2006, 17.1. und 29.1.2007 eine Erstattungsforderung iHv 364,84 Euro gegen die Beklagte für die im Zeitraum vom 1.6.2005 bis zum 30.11.2005 an die Leistungsempfängerin aufstockend gezahlten Leistungen nach dem SGB II geltend.

5

Mit Schreiben vom 19.2. und 10.4.2007 bezifferte die Beklagte die Höhe des Erstattungsanspruchs der Klägerin wegen des Alg auf nur 3069,60 Euro. Der Rentennachzahlbetrag reiche nicht für die vollständige Befriedigung beider Erstattungsansprüche. Der Erstattungsanspruch der Klägerin sei nur anteilsmäßig zu befriedigen, weil dem Beigeladenen ein gleichrangiger Erstattungsanspruch für dieselben Zeiträume zustehe. Entsprechend erstatte die Beklagte dem Beigeladenen nur 358,96 Euro.

6

Im Verhältnis zum Beigeladenen hielt sich die Klägerin jedoch weiterhin für vorrangig erstattungsberechtigt. Das auf die Erstattung des Restbetrags von 54,55 Euro gerichtete Klage- und Berufungsverfahren blieb erfolglos (Urteile SG Lübeck vom 26.5.2009; Schleswig-Holsteinisches LSG vom 10.9.2010). Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt, dass kein weiterer Erstattungsanspruch bestehe, weil sich die Ansprüche der Klägerin und des Beigeladenen gleichrangig - jeweils gestützt auf § 103 SGB X - gegenüberstünden. Deshalb habe die Beklagte die Erstattungsforderungen zutreffend nach § 106 Abs 2 S 1 SGB X anteilsmäßig beglichen. Die Ansicht der Klägerin, wonach der Erstattungsanspruch des Beigeladenen auf § 104 SGB X beruhe und deshalb nachrangig sei, könne nicht auf Rechtsprechung des BSG zu Erstattungsansprüchen des Sozialhilfeträgers alten Rechts gestützt werden(Hinweis auf BSGE 81, 30 = SozR 3-1300 § 104 Nr 12). Wegen fehlender Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin habe kein Anspruch auf Leistungen des Beigeladenen bestanden (§ 8 Abs 1 SGB II). Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung führe bei einer Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft - wie hier - dazu, dass der Anspruch nach dem SGB II nachträglich entfalle, sodass sich der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X richte, anders bei bloßer Anrechnung der Rente auf die Leistungen nach dem SGB II(dann § 104 SGB X). Im Übrigen scheide ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X auch deshalb aus, weil der Beigeladene weder institutionell nachrangig noch hier im Einzelfall subsidiär zur Leistung verpflichtet gewesen sei. Schließlich folge aus § 44a Abs 2 SGB II (aF) kein anderslautendes Ergebnis. Der in dieser Vorschrift normierte Erstattungsanspruch setze eine Entscheidung der Einigungsstelle darüber voraus, dass ein Grundsicherungsanspruch nicht bestehe. Ein Kompetenzkonflikt um die Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin habe hier nicht vorgelegen.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§§ 103, 104, 106 Abs 1 Nr 3 und 4, Abs 2 S 1 SGB X). Ihr stehe ein vorrangiger Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X zu, der voll und nicht nur anteilsmäßig zu befriedigen sei, weil sich der Erstattungsanspruch des Beigeladenen nach § 104 SGB X richte. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende sei eine institutionell nachrangige Leistung, wie schon die Sozialhilfe (Hinweis auf BSGE 82, 143 = SozR 3-2600 § 13 Nr 1; BSGE 70, 186 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4; BSGE 58, 119 = SozR 1300 § 104 Nr 7). Der Grundsatz der Nachrangigkeit folge aus § 5 Abs 1 SGB II(Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 15)und klarstellend aus § 12a SGB II. Deshalb sei nicht zu prüfen, ob das materielle Recht die Subsidiarität der konkreten Leistung im Einzelfall bestimme. Zwar schließe Erwerbsunfähigkeit Leistungen nach dem SGB II aus (§§ 7, 8 SGB II). Für die grundsätzliche Nachrangigkeit der Leistungen nach dem SGB II könne es jedoch keinen Unterschied machen, ob der Leistungsanspruch wegen fehlender Erwerbsfähigkeit voll oder wegen Einkommensanrechnung nur teilweise entfalle. Die zur Nachrangigkeit der Sozialhilfe ergangene Rechtsprechung (Hinweis auf BSGE 81, 30 = SozR 3-1300 § 104 Nr 12; BSG SozR 3-5870 § 11a Nr 1) stehe dem nicht entgegen. Auch aus § 44a Abs 2 SGB II (aF) könne der Beigeladene keinen Erstattungsanspruch herleiten, weil kein Konflikt über die Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin im Sinne dieser Vorschrift bestanden habe.

8

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. September 2010 sowie das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 54,55 Euro zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie ist der Ansicht, dass die Nachrangigkeit von Leistungen des SGB II gegenüber denen des SGB III nicht von vornherein die Rangfolge der Erstattungsansprüche im Verhältnis des Beigeladenen zur Beklagten bestimme. Jedenfalls kenne das SGB II keinen Nachrang "sui generis". Vielmehr sehe § 5 Abs 2 S 1 SGB II sogar einen partiellen Vorrang der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende vor.

11

Der Beigeladene hat im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt und sich in der Sache nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung des an die Leistungsempfängerin in den Zeiträumen vom 1.7.2005 bis zum 12.7.2005 und vom 3.11.2005 bis zum 30.11.2005 gezahlten Alg, weil die Beklagte der Leistungsempfängerin für dieselben Zeiträume rückwirkend Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt hat (1). Dieser Erstattungsanspruch ist voll und nicht nur anteilsmäßig zu befriedigen, weil dem Beigeladenen gegen die Beklagte kein gleichrangiger Erstattungsanspruch für die von ihm zeitgleich gezahlten aufstockenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (hier für Unterkunft und Heizung) zusteht (2). Für eine richterliche Rechtsfortbildung besteht kein Grund (3). Einer Beiladung der Leistungsempfängerin bedurfte es nicht (4).

13

Die von der BA erhobene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) ist zulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis für ihre Erhebung besteht; insbesondere steht der Klage nicht die Bagatellgrenze von 50 Euro (§ 110 S 2 SGB X) entgegen, für die keine Erstattung erfolgt. Diese bezieht sich nicht auf den geltend gemachten Einzelbetrag, sondern auf den Gesamtbetrag pro Erstattungsfall (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 4 S 6), der hier weit überschritten ist.

14

Ob und wieweit Erstattungsansprüche mehrerer Sozialleistungsträger zu befriedigen sind, bestimmt § 106 SGB X. Während §§ 102 bis 105 SGB X die Erstattungsansprüche für Sozialleistungen im Verhältnis zweier Sozialleistungsträger normieren, regelt § 106 SGB X den Fall, dass ein Leistungsträger mehreren Leistungsträgern zur Erstattung verpflichtet ist. Gemäß § 106 Abs 1 SGB X sind die Ansprüche nach der in den Nr 1 bis 5 genannten Rangfolge wie folgt zu befriedigen: Zunächst der Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers nach § 102(§ 106 Abs 1 Nr 2 SGB X), dann der Anspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist, nach § 103(§ 106 Abs 1 Nr 3 SGB X), dann der Anspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers nach § 104(§ 106 Abs 1 Nr 4 SGB X) und zuletzt der Anspruch des unzuständigen Leistungsträgers nach § 105(§ 106 Abs 1 Nr 5 SGB X). Die im Rahmen des § 106 Abs 1 SGB X angeordnete Rangfolge ist von Bedeutung, wenn - wie hier - die Erstattung eines Leistungsträgers nicht zur Erfüllung der Ansprüche aller Erstattungsberechtigten ausreicht(vgl BT-Drucks 9/95, S 25 f zu § 112). Treffen ranggleiche Erstattungsansprüche mehrerer Sozialleistungsträger zusammen, sind sie nach der Grundregel des § 106 Abs 2 S 1 SGB X anteilsmäßig zu befriedigen, sofern es sich nicht um solche nach § 104 SGB X handelt(§ 106 Abs 2 S 2 SGB X). Die Erstattungspflicht ist nach § 106 Abs 3 SGB X begrenzt, so dass nicht mehr zu leisten ist, als der Erstattungspflichtige nach den für ihn geltenden Erstattungsvorschriften einzeln zu erbringen hätte.

15

Die in § 106 Abs 1 SGB X normierte Rangfolge ergibt sich mithin aus der Einordnung des jeweiligen Erstattungsanspruchs nach §§ 102 ff SGB X und richtet sich damit nach den entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen("sachlogische Hierarchie", vgl Kater in Kasseler Komm, Stand März 2001, SGB X, § 106 RdNr 6; Becker in Hauck/Noftz, Stand 2012, SGB X, K § 106 RdNr 10). Bestehen außerhalb des Normenkomplexes von §§ 102 ff SGB X Erstattungsregelungen in den anderen Büchern des SGB, sind diese speziellen Regelungen vorrangig anzuwenden, wenn sie Abweichendes regeln(§ 37 S 1 SGB I).

16

Daher kommt es für die Rangfolge der hier streitigen Erstattungsansprüche - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht darauf an, ob Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II generell nachrangig (systemsubsidiär) gegenüber anderen Leistungen wie dem Alg nach dem SGB III sind. Denn es ist nicht etwa über einen Erstattungsanspruch der klagenden BA gegen das beigeladene Jobcenter zu entscheiden. Vielmehr ist zu klären, welcher Erstattungsanspruch im Verhältnis der klagenden BA zum beklagten Rentenversicherungsträger besteht (1) und welcher im Verhältnis des beigeladenen Jobcenters zum beklagten Rentenversicherungsträger (2); etwaige Erstattungsansprüche sind dann in die in § 106 SGB X vorgesehene Rangfolge einzuordnen. Hieraus folgt ihre Vor-, Gleich- oder Nachrangigkeit und mit ihr deren volle oder nur anteilsmäßige Befriedigung.

17

1. Der Klägerin steht ein spezialgesetzlich normierter Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in entsprechender Anwendung von § 103 SGB X zu.

18

Dieser ergibt sich aus § 142 Abs 1 S 1 Nr 3, Abs 2 S 1 Nr 2, S 2 iVm § 125 Abs 3 S 1 SGB III(letztgenannte Vorschrift idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2828 ). Danach steht der BA ein Erstattungsanspruch entsprechend § 103 SGB X zu, wenn dem Arbeitslosen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist. Der Anspruch auf Alg ruht während dieser Zeit erst vom Beginn der laufenden Zahlung der Rente an.

19

a) Dieser spezielle Erstattungsanspruch der BA ist in § 142 Abs 2 S 2 SGB III aF eingefügt worden(durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl I 1827 mWv 1.1.2001, als Folgeänderung zur Änderung von § 96a SGB VI, vgl BT-Drucks 14/4630, S 26, 50), um auch den Ersatz des "regulär" - und nicht als Sonderform der "Nahtlosigkeitsregelung" von § 125 SGB III aF im Rahmen eines Kompetenzkonflikts zwischen den Leistungsträgern(vgl dazu noch unten 2a) - gezahlten Alg bei rückwirkender Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung für deckungsgleiche Zeiträume vom Rentenversicherungsträger zu gewährleisten. Damit hat die BA bei rückwirkender Rentenbewilligung stets einen Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger (vgl dazu BSG vom 30.1.2002 - B 5 RJ 6/01 R - Juris RdNr 16). Dies gilt unabhängig davon, ob sie das Alg zu Recht oder (wie hier wegen der medizinisch vollen Erwerbsminderung der Leistungsempfängerin) im Widerspruch zum materiellen Recht gezahlt hat.

20

Anders als es die direkte Anwendung von § 103 Abs 1 SGB X voraussetzt, entfällt der Anspruch auf das Alg im Fall rückwirkender Gewährung einer zeitgleichen Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht nachträglich. Vielmehr ruht der Anspruch auf Alg erst ab Beginn der laufenden Rentenzahlung (§ 142 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB III aF, vgl BSG SozR 4-2600 § 89 Nr 2 RdNr 20). Der Rechtsgrund des davor erbrachten Alg wird dadurch weder beseitigt noch im Sinne der Feststellungen des Rentenversicherungsträgers nachträglich ersetzt (vgl BSG vom 30.1.2002 - B 5 RJ 6/01 R - Juris RdNr 19). Die Klägerin hat die Bewilligung des Alg in den streitigen Zeiträumen auch nicht nachträglich gegenüber der Leistungsempfängerin aufgehoben.

21

Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs entsprechend § 103 SGB X nach § 142 Abs 2 S 2 iVm § 125 Abs 3 S 1 SGB III aF sind erfüllt. Die Klägerin hat in den Zeiträumen vom 1.7.2005 bis zum 12.7.2005 und vom 3.11.2005 bis zum 30.11.2005 Alg an die Leistungsempfängerin gezahlt. Für den Zeitraum ab 1.6.2005 ist der Leistungsempfängerin nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) rückwirkend eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen (§ 43 Abs 2 SGB VI) zuerkannt worden. Die Beklagte hatte auch nicht bereits selbst an die Leistungsempfängerin geleistet, bevor sie von der Leistungspflicht der Klägerin Kenntnis erlangt hat (entsprechende Anwendung von § 103 Abs 1 Halbs 2 SGB X); vielmehr hat sie nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG den Rentennachzahlungsbetrag für den Zeitraum vom 1.6.2005 bis zum 30.11.2006 vorläufig einbehalten.

22

Der Erstattungsanspruch (entsprechend § 103 SGB X) ist auch nicht nach § 111 S 1 SGB X ausgeschlossen. Die dort genannte Frist zur Geltendmachung ist eingehalten.

23

b) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (entsprechend § 103 Abs 2 SGB X). Dies sind die für die Beklagte geltenden Vorschriften des SGB VI zur Rentenhöhe. Der von der Beklagten geleistete Rentenzahlbetrag im Zeitraum vom 1.7.2005 bis zum 12.7.2005 (täglich 19,17 Euro) reichte aus, um das von der Klägerin gezahlte Alg (täglich 17,37 Euro) zu erstatten. Für die Zeit vom 3.11.2005 bis zum 30.11.2005, in dem das Alg (täglich 23,77 Euro) den Rentenzahlbetrag (täglich 19,81 Euro) überstieg, hat die Klägerin zutreffend den Erstattungsanspruch nur in Höhe der von der Beklagten gezahlten Rente geltend gemacht.

24

2. Dem Beigeladenen steht kein gleichrangiger Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu.

25

Das beigeladene Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Nach § 76 Abs 3 S 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung(Jobcenter, §§ 6d, 44b SGB II) als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beigeladenen Arbeitsgemeinschaft getreten. Diesem kraft Gesetzes eintretenden Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II war von Amts wegen durch Berichtigung des Rubrums Rechnung zu tragen (BSG SozR 4-1300 § 107 Nr 4 RdNr 10; BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, nur in Juris RdNr 14).

26

Der Beigeladene hat für die Zeiträume vom 1.7.2005 bis zum 12.7.2005 und vom 3.11.2005 bis zum 30.11.2005 in Wahrnehmungszuständigkeit für den kommunalen Träger (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II, § 44b Abs 3 S 2 SGB II in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung; vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 20; dazu BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 RdNr 165, 207)Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (hier für Unterkunft und Heizung, § 22 SGB II) erbracht. Er ist daher auch berechtigt, die Erstattung dieser Leistungen für den kommunalen Träger zu verlangen.

27

a) Der Beigeladene kann nicht die spezielle Erstattungsregelung nach § 44a Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB II(in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706 ) für sich beanspruchen. Hiernach steht den Leistungsträgern des SGB II ein Erstattungsanspruch entsprechend § 103 SGB X zu, wenn dem Hilfebedürftigen eine andere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes zuerkannt wird. Nach § 44a Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB II (Fassung 2006) setzte dies voraus, dass die gemeinsame Einigungsstelle entschied, dass ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht besteht. Die Vorgängernorm von § 44a SGB II(in der bis zum 31.7.2006 gültigen Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014 ) sah hingegen einen solchen Erstattungsanspruch noch nicht vor. Mit der Ergänzung der Erstattungsregelung in § 44a Abs 2 S 1 SGB II (Fassung 2006) sollte klargestellt werden, dass in den Fällen, in denen ein anderer als die SGB II-Träger leistungspflichtig ist, dieser den Trägern der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechend § 103 SGB X erstattungspflichtig ist(vgl BT-Drucks 16/1410, S 27).

28

Der Senat kann offen lassen, ob hier § 44a SGB II in der Fassung 2004 oder Fassung 2006 gilt. Selbst bei Anwendbarkeit der Fassung 2006 lägen deren Voraussetzungen nicht vor.

29

Die Vorschrift des § 44a Abs 1 S 3 SGB II(in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006, BGBl I 2742 ) ordnete an, dass die zuständigen Träger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis zur Entscheidung der nach S 2 der Vorschrift angerufenen Einigungsstelle zu erbringen hatten. Sie ist als Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125 Abs 1 SGB III aF interpretiert worden, und nicht als nur vorläufige Leistungspflicht der SGB II-Träger(vgl BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 19 f - zu § 44a S 3 SGB II). Jedenfalls aber griff sie nur dann, wenn die zuständigen SGB II-Leistungsträger sich nicht für zuständig erachteten oder zwischen den Leistungsträgern Uneinigkeit über die Erwerbsfähigkeit bestand.

30

Eine derartige Konstellation lag hier jedoch nicht vor. Denn übereinstimmend (wenn auch irrtümlich) sind sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene von der Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin ausgegangen. Mangels Streits oder eines Dissenses zwischen den Leistungsträgern über die Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin ist der Anwendungsbereich von § 44a SGB II (Fassung 2006) nicht eröffnet (vgl BSG SozR 4-2500 § 9 Nr 3 RdNr 13; Chojetzki, NZS 2010, 662, 667). Die Leistungsempfängerin war zu keinem Zeitpunkt in einer Situation (bildlich gesprochen "zwischen zwei Stühlen", BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 20), in der keiner der Leistungsträger Leistungen erbringen wollte (vgl BSG aaO RdNr 21; Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 44a RdNr 33).

31

b) Ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte nach § 102 SGB X kommt nicht in Betracht, weil die Leistungen nach dem SGB II nicht vorläufig iS von § 43 SGB I geleistet worden sind. Denn hierfür bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung; es reicht nicht aus, vorläufige Leistungen freiwillig zu erbringen (vgl BSGE 58, 119, 121 = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 19). § 44a Abs 1 S 3 SGB II (Fassung 2006) enthielt aber keine Anordnung einer vorläufigen Leistung(s oben a).

32

c) Dem Beigeladenen steht gegen die Beklagte auch kein Erstattungsanspruch in direkter Anwendung von § 103 Abs 1 SGB X zu. Diese Norm setzt ua voraus, dass ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat und der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist. Ein sozialrechtlicher Leistungsanspruch entfällt iS von § 103 Abs 1 Halbs 1 SGB X nur, wenn durch die Erfüllung des (zweiten) Leistungsanspruchs der von einem zuständigen Leistungsträger erbrachte (erste) Leistungsanspruch(durch eine "Wegfallregelung" oder "-bestimmung": vgl BSG SozR 1300 § 103 Nr 5 S 24 f) zum Wegfall kommt (vgl ferner BSGE 72, 163, 165 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 14; BSGE 57, 146, 148 = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 1, 4; Kater in Kasseler Komm, Stand April 2012, SGB X, § 103 RdNr 20; zB auch § 50 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V, wonach der Anspruch auf Krankengeld vom Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung an endet).

33

Der Anspruch der Leistungsempfängerin auf die Leistungen nach dem SGB II ist aber weder durch die rückwirkende Gewährung noch durch die Auszahlung der vollen Erwerbsminderungsrente an sie nachträglich ganz oder teilweise iS von § 103 Abs 1 SGB X entfallen. Im SGB II existiert keine - § 142 Abs 1 S 1 Nr 3, Abs 2 S 1 Nr 2 SGB III aF oder dem § 50 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V vergleichbare - Regelung, die den Wegfall, das Ende bzw das Ruhen der Leistungen nach dem SGB II für den Fall anordnet, dass eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend zeitgleich gewährt wird.

34

Hingegen regelt § 103 SGB X nicht den Fall, dass ein Leistungsträger Leistungen zu Unrecht erbracht hat(vgl BT-Drucks 9/95, S 25 zu § 109; vgl Kater in Kasseler Komm, Stand April 2012, § 103 SGB X RdNr 27; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 2012, K §§ 102 - 114 RdNr 9a, c). Denn dann entfällt ein Anspruch auf Sozialleistungen nicht "nachträglich", wie Abs 1 der Vorschrift verlangt; vielmehr bestand ein solcher von vornherein nicht. So liegt der Fall hier. Die Leistungen nach dem SGB II sind zu Unrecht gezahlt worden, weil die allein lebende Leistungsempfängerin die Anspruchsvoraussetzung des § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II von Anfang an nicht erfüllt hat und auch andere Leistungsansprüche nach dem SGB II für sie nicht in Betracht kamen. Die Leistungsempfängerin war nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG ab Beginn der SGB II-Leistungen wegen Krankheit auf absehbare Zeit außer Stande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, mithin nicht erwerbsfähig nach § 8 Abs 1 SGB II. Dass das Fehlen der Erwerbsfähigkeit erst später festgestellt wurde, steht dem nicht entgegen.

35

d) Hat das beigeladene Jobcenter im Ergebnis weder einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 103 SGB X noch einen Erstattungsanspruch nach §§ 102, 103 SGB X gegen den beklagten Rentenversicherungsträger, folgt daraus, dass ihm im Verhältnis zur klagenden BA kein (zumindest) gleichrangiger Erstattungsanspruch zusteht, der anteilsmäßig zu befriedigen wäre(§ 106 Abs 2 S 1 SGB X).

36

Der Senat kann daher offen lassen, ob das beigeladene Jobcenter für den nachrangig verpflichteten Leistungsträger einen Erstattungsanspruch gegen den beklagten Rentenversicherungsträger auf § 104 Abs 1 S 1 SGB X stützen könnte. Dieser Erstattungsanspruch wäre nach der in § 106 Abs 1 SGB X normierten Rangfolge(dort Nr 4) immer nachrangig gegenüber dem auf § 103 SGB X (in entsprechender Anwendung) gestützten Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte (§ 106 Abs 1 Nr 3 vor Nr 4 SGB X). Ebenso wenig muss der Senat entscheiden, ob sich die Klägerin für ihre Rechtsmeinung auf einen aus § 5 bzw § 12a SGB II folgenden Grundsatz der generellen Nachrangigkeit von Leistungen nach dem SGB II - wie für die Sozialhilfe nach § 2 Abs 1 SGB XII(vormals § 2 Abs 2 BSHG)- berufen kann(zur "Systemsubsidiarität" des SGB II: vgl BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 14 ff, 16 im Verhältnis zu Leistungen nach dem SGB V; vgl BSG SozR 4-3250 § 51 Nr 2 RdNr 15 im Verhältnis zu Leistungen nach dem SGB III, dort wohl nicht tragend; s aber BSG SozR 4-1300 § 107 Nr 4 RdNr 14 und BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 203/10 R - SozR 4-1300 § 107 Nr 5 RdNr 18).

37

3. Der Senat sieht sich ferner nicht veranlasst, dem Beigeladenen im Wege richterlicher Rechtsfortbildung einen Erstattungsanspruch in der hier vorliegenden Fallkonstellation zuzubilligen.

38

Dies gilt selbst dann, wenn den SGB II-Trägern bei nachträglicher Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung (die Fälle einer sog "Arbeitsmarkt-Rente" ausgenommen) auch ohne konkurrierenden Erstattungsanspruch der BA eine Erstattung vom Rentenversicherungsträger nach § 104 oder § 105 SGB X verwehrt bliebe. Ein solches Ergebnis ließe sich damit begründen, dass auch im Rahmen dieser Vorschriften die konkreten Leistungen des nachrangig verpflichteten bzw unzuständigen Leistungsträgers materiell rechtmäßig erbracht worden sein müssten ("ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 104 SGB X", BSG SozR 3-1300 § 104 Nr 12 S 38; vgl auch BSGE 58, 119, 123 = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 21; BSGE 70, 186, 195 f = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 S 26; BSGE 74, 36, 39 = SozR 3-1300 § 104 Nr 8 S 18; BSG BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 7; aA BSG SozR 3-1300 § 107 Nr 10 S 12 ff, 15; BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 12 S 109 f mwN; zu § 105 SGB X zB BSG SozR 3-5670 § 3 Nr 4 S 21). Einer näheren Überprüfung dieser Argumentation bedarf es hier nicht. Selbst wenn sie zuträfe, schiede eine richterliche Rechtsfortbildung aus.

39

Ein derartiges Vorgehen ist allenfalls dort angebracht, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden müssen oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist (BVerfG - Kammerbeschluss vom 26.9.2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 42 BvR 469/07 - NJW 2012, 669 RdNr 45; BVerfGE 126, 286, 306). Das lässt sich hier nicht feststellen.

40

Denn der Gesetzgeber hat Erstattungsansprüche bei Erbringung von Leistungen an nicht Erwerbsfähige durch die - hierfür an sich nicht leistungsverpflichteten - SGB II-Träger geregelt. Er hat, wie bereits oben (bei 2 a) ausgeführt, im Jahre 2006 den speziellen Erstattungstatbestand des § 44a Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB II (Fassung 2006) geschaffen. Diese ausdrückliche Erstattungsregelung erfasst erkennbar nur einen engen Teilbereich der Fälle, in denen SGB II-Leistungen rechtsgrundlos an nicht Erwerbsfähige gezahlt werden. Damit sieht sich der Senat aber daran gehindert, sie im Wege der Rechtsfortbildung auf jene Fälle zu erweitern, in denen die SGB II-Träger ohne nähere Prüfung fälschlicherweise von der Erwerbsfähigkeit eines Antragstellers ausgehen.

41

4. Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass das LSG von einer Beiladung (§ 75 SGG) der Leistungsempfängerin abgesehen hat, obwohl diese von der Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X betroffen ist. Zwar ist eine Beiladung des Leistungsempfängers im Erstattungsstreit (zwischen Sozialhilfeträger und Rentenversicherungsträger vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 80; BSG vom 15.11.1989 - 5 RJ 78/88 - Juris; zwischen Sozialhilfeträger und Krankenkasse vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 60; BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 7; s hierzu auch Becker, SGb 2011, 84) als notwendig erachtet worden. Eine unterbliebene notwendige Beiladung zieht dann aber keine Aufhebung des angefochtenen Urteils und keine Zurückverweisung nach sich, wenn sich im Revisionsverfahren ergibt, dass die zu treffende Entscheidung aus Sicht des Revisionsgerichts den Beizuladenden nicht benachteiligen kann (vgl BSG SozR 4-3250 § 51 Nr 2 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 6 RdNr 18; BSGE 66, 144, 146 f = SozR 3-5795 § 6 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 68; BSGE 96, 190 f = SozR 4-4300 § 421g Nr 1 RdNr 20). Eine mögliche Benachteiligung der Leistungsempfängerin ist hier nicht ersichtlich.

42

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1, § 159 S 1 VwGO und § 100 Abs 1 ZPO. Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 S 1 GKG.

(1) Hat ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht und ist der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen, ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30. Januar 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere 1872,44 Euro zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 1872,44 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, in welchem Umfang der Bundesagentur für Arbeit (BA) bzw für Leistungen nach dem SGB II dem Jobcenter Erstattungsansprüche gegen den Rentenversicherungsträger aufgrund einer rückwirkend bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung zustehen.

2

Die beklagte Trägerin der Rentenversicherung bewilligte der im Jahr 1956 geborenen Versicherten (Leistungsempfängerin) mit Bescheid vom 9.1.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen (unter dreistündiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt) für den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 31.3.2008. Die laufende Rentenzahlung iHv monatlich 362,72 Euro begann am 1.3.2007. Die Beklagte behielt die Nachzahlung für den Zeitraum von Juni 2006 bis Februar 2007 iHv 3264,48 Euro bis zur Klärung der Ansprüche anderer Stellen zunächst ein.

3

Zuvor hatten die Leistungsempfängerin und ihr Ehemann aufgrund eines Antrags vom September 2004, in dem beide angegeben hatten, noch mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen zu können, seit Januar 2005 vom Beigeladenen (Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II, dessen Rechtsnachfolge später das Jobcenter team.arbeit.hamburg antrat - im Folgenden einheitlich als Beigeladener bezeichnet) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II bezogen. Zudem hatte die Leistungsempfängerin vom 22.7.2004 bis zum 7.12.2005 Krankengeld erhalten, das der Beigeladene, nachdem er hiervon im Februar 2006 Kenntnis erlangt hatte, als Einkommen auf das Alg II zur Anrechnung gebracht hat. Außerdem hatte ihr die klagende BA aufgrund einer Anfang April 2006 vorgenommenen (erneuten) Arbeitslosmeldung, in der die Leistungsempfängerin angab, aus gesundheitlichen Gründen höchstens noch 20 Stunden in der Woche erwerbstätig sein zu können, gemäß der Nahtlosigkeitsregelung (§ 125 SGB III) ab dem 3.4.2006 bis zum 15.8.2007 Alg iHv kalendertäglich 12,36 Euro bzw monatlich 370,80 Euro gezahlt (Bescheid vom 10.4.2006).

4

Ebenfalls im April 2006 hatten die Leistungsempfängerin und ihr Ehemann einen Antrag auf Fortzahlung der SGB II-Leistungen gestellt, wobei sie als einzige gegenüber früheren Anträgen eingetretene Änderung der maßgeblichen Verhältnisse den Bezug von Alg ab 3.4.2006 erwähnten. Der Beigeladene hatte daraufhin den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zunächst für den Zeitraum vom 1.5. bis zum 30.9.2006 und sodann unverändert auch für die daran anschließende Zeit bis zum 31.3.2007 "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)" iHv monatlich 716,82 Euro bewilligt; hiervon entfielen auf die Leistungsempfängerin nach anteiliger Anrechnung des Alg 341,30 Euro (Bescheid vom 2.5.2006 idF des Änderungsbescheids vom 5.7.2006 sowie Bescheid vom 12.9.2006: Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv 134,32 Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung iHv 206,98 Euro). Zuvor hatten der Beigeladene und die Leistungsempfängerin am 20.3.2006 eine "Eingliederungsvereinbarung" geschlossen, in der sich diese zur Beantragung einer Rente und der Beigeladene zum Abwarten der Entscheidung der Rentenstelle verpflichtete.

5

Aufgrund der Rentenbewilligung hob die Klägerin in zwei Bescheiden vom 6.3.2007 die gegenüber der Leistungsempfängerin ausgesprochene Bewilligung des Alg für den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 sowie gesondert für den Zeitraum ab 1.3.2007 auf. Zugleich stellte sie fest, dass bis zum 28.2.2007 eine Überzahlung iHv 3264,48 Euro eingetreten sei; eine Rückzahlung dieses Betrags durch die Leistungsempfängerin sei aber nur erforderlich, wenn und soweit der Rentenversicherungsträger den Erstattungsanspruch nicht erfülle. Die Leistungsempfängerin focht die Bescheide vom 6.3.2007 nicht an.

6

Der Beigeladene erließ nach Kenntnis der Rentenbewilligung zunächst am 23.2.2007 einen Änderungsbescheid mit der Feststellung, dass die Leistungsempfängerin aufgrund des Bezugs von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.3.2007 lediglich Anspruch auf Sozialgeld habe; zugleich erfolgte für den Monat März 2007 eine Anrechnung sowohl des bislang gezahlten Alg als auch des Rentenzahlbetrags als Einkommen. Nach Widerspruch nahm der Beigeladene im Änderungsbescheid vom 16.3.2007 eine Korrektur dahingehend vor, dass - wie bisher - nur der (höhere) Zahlbetrag des (ab März 2007 nicht mehr gezahlten) Alg Anrechnung fand. Zugleich kündigte der Beigeladene an, er werde den Rentenzahlbetrag ab April 2007 mit monatlich 332,72 Euro berücksichtigen, sofern ein Fortzahlungsantrag gestellt werde.

7

Der Beigeladene meldete mit Schreiben vom 22.1.2007 bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch für die von ihm im Zeitraum März 2005 bis Februar 2007 an die Leistungsempfängerin gezahlten Beträge (Regelleistung, KdU, Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung) iHv insgesamt 11 524,30 Euro an (davon Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung iHv zuletzt monatlich 132,15 Euro). Die Klägerin forderte im Schreiben vom 6.3.2007 von der Beklagten für das im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 an die Leistungsempfängerin gezahlte Alg die Erstattung des gesamten Rentennachzahlungsbetrags iHv 3264,48 Euro zuzüglich der in diesem Zeitraum von ihr entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (monatlich 71,22 Euro, insgesamt 640,98 Euro).

8

Die Beklagte teilte den zur Verfügung stehenden Nachzahlungsbetrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen auf. Sie bestimmte den maßgeblichen Anteil nach dem Verhältnis der für den Nachzahlungszeitraum jeweils angeforderten Erstattungsbeträge (Klägerin: monatlich 362,72 Euro an Stelle des monatlich gezahlten Alg iHv 370,40 Euro; Beigeladener: monatlich 341,30 Euro für gezahlte Regelleistung und KdU) zu der insgesamt geforderten Erstattungssumme (monatlich 362,72 Euro + 341,30 Euro = 704,02 Euro); dies ergab für die Klägerin einen Anteil von 51,52 % (monatlich 186,88 Euro, insgesamt 1681,82 Euro) und für den Beigeladenen von 48,48 % (monatlich 175,84 Euro, insgesamt 1582,56 Euro). Hingegen kehrte die Beklagte die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die sie für den Nachzahlungszeitraum zu entrichten gehabt hätte (monatlich 64,42 Euro, insgesamt 579,78 Euro), ohne Berücksichtigung des Umfangs der von diesen tatsächlich geleisteten Beitragszahlungen je zur Hälfte (iHv 289,88 Euro - statt zutreffend 289,89 Euro) an die Klägerin und den Beigeladenen aus. Mit Schreiben vom 23.4.2007 teilte sie der Klägerin und dem Beigeladenen mit, dass wegen des Vorliegens gleichrangiger Erstattungsansprüche der BA bzw des Jobcenters nach § 103 SGB X nur eine anteilige Erstattung gemäß § 106 Abs 2 S 1 SGB X erfolgen könne; zugleich informierte sie die Leistungsempfängerin, dass der Rentennachzahlungsbetrag aufgrund der Erstattungen erschöpft sei.

9

Die Klägerin hat ihre zunächst zum ArbG Berlin erhobene Klage gegen die Beklagte zurückgenommen. Auf die sodann erhobene sozialgerichtliche Leistungsklage hat das SG das Jobcenter gemäß § 75 Abs 1 SGG beigeladen und die zuletzt auf Zahlung weiterer 1872,44 Euro gerichtete Klage abgewiesen(Urteil vom 30.1.2012).

10

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe kein weitergehender Erstattungsanspruch zu, weil die Beklagte zu Recht ihren Erstattungsanspruch und den des Beigeladenen iS von § 106 Abs 2 S 1 SGB X als ranggleich behandelt habe. Beide Ansprüche hätten ihre Rechtsgrundlage in § 103 SGB X. Für die Zuordnung zu dieser Vorschrift oder zu § 104 SGB X sei nicht das Verhältnis der Leistungen der Klägerin und des Beigeladenen untereinander maßgeblich; vielmehr komme es entscheidend auf das Verhältnis der Leistung des Erstattungsberechtigten zu der Leistung des erstattungspflichtigen Sozialleistungsträgers an. Insoweit bestehe zwischen der Leistung des Beigeladenen (Grundsicherung) und derjenigen der Beklagten (Rente) weder ein institutionelles Nachrang-Vorrang-Verhältnis noch eine Einzelanspruchssubsidiarität (Hinweis auf Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 10.9.2010 - L 3 AL 43/09 - s hierzu das Urteil im Parallelverfahren B 13 R 11/11 R vom heutigen Tage). Abzustellen sei auf den jeweiligen Einzelfall. Dieser sei hier durch ein Ausschlussverhältnis gekennzeichnet, da der Anspruch auf Alg II entfalle, wenn - wie hier - die Voraussetzungen einer vollen Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen vorlägen. Das gelte auch dann, wenn der Leistungsempfänger in einer Mehrpersonen-Bedarfsgemeinschaft lebe. Auf die Besonderheit des vorliegenden Falles, die darin bestehe, dass der Leistungsempfängerin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrem erwerbsfähigen Ehemann bei nachträglicher Betrachtung ein Anspruch auf Sozialgeld in gleicher Höhe wie das gezahlte Alg II zugestanden habe, komme es hingegen nicht an. Denn es sei nur auf die konkreten ursprünglichen Leistungsansprüche - hier Alg und aufstockend Alg II - abzustellen. Das verhindere, dass der Erstattungspflichtige alle denkbaren Ansprüche des Leistungsempfängers prüfen müsse und die einschlägige Erstattungsnorm von den Zufälligkeiten der Familienkonstellation bzw von der Größe und Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft abhänge. Da hiernach infolge der Feststellung einer vollen Erwerbsminderung der Leistungsempfängerin aus medizinischen Gründen mit Wirkung für die Vergangenheit sowohl ihr Anspruch auf Alg als auch derjenige auf Alg II aus dem gleichen Grund nachträglich entfallen sei, beruhten die Erstattungsansprüche der Klägerin und des Beigeladenen jeweils auf § 103 SGB X und seien deshalb von der Beklagten zu Recht anteilsmäßig befriedigt worden. Ebenfalls nicht zu beanstanden sei die hälftige Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

11

Die Klägerin rügt mit ihrer Sprungrevision, die das SG in seinem Urteil zugelassen und deren Einlegung die Beklagte zugestimmt hat, eine Verletzung der §§ 103, 104 und 106 SGB X. Ihr stehe ein vorrangiger Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X zu, der voll und nicht nur anteilsmäßig zu befriedigen sei, weil sich der Erstattungsanspruch des Beigeladenen nach § 104 SGB X richte. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende sei eine institutionell nachrangige Leistung, wie schon die Sozialhilfe. Dies folge aus § 5 Abs 1 SGB II und den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zu dieser Vorschrift sowie klarstellend aus § 12a SGB II(idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 8.4.2008 - BGBl I 681). Die Erbringung der Grundsicherung als Aufstockungsleistung zum Alg nach Maßgabe des § 22 Abs 4 SGB III(idF des GSiFoG vom 20.7.2006 - BGBl I 1706) ändere daran ebenso wenig wie der Umstand, dass die Leistungsempfängerin bei Erwerbsunfähigkeit an Stelle des Anspruchs auf Alg II einen solchen auf Sozialgeld gemäß § 28 Abs 1 S 2 SGB II(in den bis zum 31.12.2010 geltenden Fassungen) gehabt habe. Das SG habe dagegen im Ergebnis eine Einzelfallsubsidiarität der Leistung des Beigeladenen im Verhältnis zu der von ihr - der Klägerin - erbrachten Leistung bejaht, obwohl das bei bestehender Systemsubsidiarität ausgeschlossen sei. Ihrem danach vorrangig zu befriedigenden Erstattungsanspruch stehe auch nicht entgegen, dass sie - die Klägerin - die Bewilligung von Alg gegenüber der Leistungsempfängerin rückwirkend aufgehoben habe.

12

Die Klägerin ist zudem der Meinung, dass auch hinsichtlich der Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung die Rangfolge des § 106 SGB X maßgeblich sei. Danach sei - wie hier - beim Zusammentreffen eines vorrangigen Erstattungsanspruchs (§ 103 SGB X) mit einem nachrangigen Erstattungsanspruch des Jobcenters (§ 104 SGB X) zuerst der Beitragserstattungsanspruch des Trägers zu befriedigen, der sich auf § 103 SGB X berufen könne.

13

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 1872,44 Euro zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

15

Sie macht geltend, dass es aus dem Blickwinkel der finanziellen Belastung für sie unerheblich sei, ob sie die Rentennachzahlung nur an die Klägerin auskehre oder aber zwischen dieser und dem Beigeladenen aufteile. Für beide Lösungen sprächen vertretbare Gründe. Sie habe sich in ihrer Verwaltungspraxis für eine dieser Lösungen entscheiden müssen und wolle lediglich geklärt wissen, ob der von ihr beschrittene Weg der richtige sei. Die Beklagte weist allerdings darauf hin, dass im Sozialrecht ein genereller Nachrang der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Verhältnis zu anderen Sozialleistungen nicht normiert sei. Vielmehr sehe § 5 Abs 2 S 1 SGB II sogar einen partiellen Vorrang der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vor.

16

Der Beigeladene schließt sich dem Antrag und den Ausführungen der Beklagten an.

Entscheidungsgründe

17

Die (Sprung-)Revision der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin weitere 1872,44 Euro zu erstatten, denn ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen, der den Anspruch der Klägerin begrenzen könnte, besteht nicht. Das anderslautende Urteil des SG ist daher aufzuheben (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).

18

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.

19

a) Dem Senat ist eine Entscheidung in der Sache nicht aufgrund des Umstands verwehrt, dass die Klägerin ihre Leistungsklage gegen die Beklagte zunächst beim ArbG erhoben, anschließend aber den Rechtsbehelf dort zurückgenommen und sodann beim SG angebracht hat. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BSG zu § 102 SGG jedenfalls bei einer nicht fristgebundenen Klage nach deren Rücknahme eine erneute Klage in derselben Sache grundsätzlich unzulässig(BSG SozR 1500 § 102 Nr 5 S 10 mwN; BSGE 57, 184, 185 = SozR 2200 § 385 Nr 10 S 39 f; Senatsurteil vom 31.3.1993 - 13 RJ 33/91 - Juris RdNr 17; s aber Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 102 RdNr 11). Dieser Grundsatz kann jedoch keine Anwendung finden, wenn - wie hier - die Klagerücknahme nach den Regeln einer Prozessordnung erfolgte, die eine solche Rechtsfolge nicht vorsieht (§ 46 Abs 2 S 1 ArbGG iVm § 269 Abs 6 ZPO). Nichts anderes gilt, wenn die Klagerücknahme auf eine entsprechende Anregung des Gerichts hin erklärt wurde, um - wie ebenfalls hier - eine an sich gebotene Rechtswegverweisung (§ 17a Abs 2 GVG, hier iVm § 48 ArbGG) zu vermeiden (vgl BSGE 57, 184, 185 f = SozR 2200 § 385 Nr 10 S 39 f; BSG SozR 4-4200 § 16 Nr 8 RdNr 13).

20

b) Einer Sachentscheidung steht als Hindernis auch nicht entgegen, dass das SG die Beiladung des Jobcenters auf § 75 Abs 1 SGG (sog einfache Beiladung) gestützt hat.

21

Das Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Nach § 76 Abs 3 S 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung(Jobcenter, §§ 6d, 44b SGB II) als Rechtsnachfolger an die Stelle der ursprünglich beigeladenen Arbeitsgemeinschaft getreten. Diesem kraft Gesetzes eintretenden Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II hat das SG zutreffend durch Berichtigung des Rubrums Rechnung getragen (BSG SozR 4-1300 § 107 Nr 4 RdNr 10; BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, nur in Juris RdNr 14).

22

Allerdings spricht viel dafür, dass bei einem Streit zwischen der BA und dem Rentenversicherungsträger um die Rangfolge und den Umfang konkurrierender Erstattungsansprüche von Trägern nach dem SGB III bzw SGB II das Jobcenter iS des § 75 Abs 2 Alt 1 SGG notwendig beizuladen ist. Denn dieses ist aufgrund der den Erstattungsumfang begrenzenden Regelung in § 106 Abs 3 SGB X an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt, dass die Entscheidung letztlich auch ihm gegenüber nur einheitlich getroffen werden kann(Böttiger in Diering/Timme/Waschull, LPK SGB X, 3. Aufl 2011, § 106 RdNr 20; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, K § 106 RdNr 34, Stand Einzelkommentierung April 2012; Breitkreuz in Breitkreuz/ Fichte, SGG, 2009, § 75 RdNr 10; zur Notwendigkeit einer Beiladung in Konstellationen eng miteinander zusammenhängender, aus demselben Bestand an Mitteln zu befriedigender Ansprüche s auch Loytved, SGb 1984, 510, 512; Hänlein, SGb 1989, 337, 338; Zeihe, SGG, Stand November 2010, § 75 Anm 15b aa) bzw ee)).

23

Der Senat ist jedoch nicht gehalten, insoweit eine notwendige Beiladung nachzuholen (§ 168 S 2 letzte Alt SGG). Die Angabe einer unzutreffenden Rechtsgrundlage in dem Beiladungsbeschluss ändert nichts daran, dass die prozessual erforderliche Beteiligung des Jobcenters an dem Verfahren durch Einräumung der Rechtsstellung eines Beigeladenen tatsächlich erfolgt ist (s Zeihe, SGb 1994, 363, 364; Ulmer in Hennig, SGG, § 75 RdNr 15, Stand Einzelkommentierung November 2006, RdNr 15, 20). Soweit der 6. Senat (BSGE 67, 256, 259 = SozR 3-2500 § 92 Nr 1 S 4)und der 5. Senat (BSGE 108, 158 = SozR 4-3250 § 17 Nr 1, RdNr 20) des BSG im Hinblick auf § 75 Abs 4 S 2 SGG darauf abstellen, ob der Beigeladene in der Vorinstanz möglicherweise abweichende Sachanträge gestellt hätte, kommt es darauf hier nicht an. Denn der Beigeladene hat sich bereits vor dem SG dem Sachantrag der Beklagten angeschlossen und überdies zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, er hätte dies anders gehandhabt, wäre er vom SG ausdrücklich unter Berufung auf § 75 Abs 2 SGG beigeladen worden.

24

c) Eine Sachentscheidung ist aber auch nicht aufgrund des Umstands ausgeschlossen, dass das SG von einer Beiladung (§ 75 SGG) der Leistungsempfängerin abgesehen hat, obwohl diese von der Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X betroffen ist. Zwar ist eine Beiladung des Leistungsempfängers im Erstattungsstreit als notwendig erachtet worden (zwischen Sozialhilfeträger und Rentenversicherungsträger vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 80; BSG vom 15.11.1989 - 5 RJ 78/88 - Juris; zwischen Sozialhilfeträger und Krankenkasse vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 60; BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 7 S 20; s hierzu auch Becker, SGb 2011, 84). Eine unterbliebene notwendige Beiladung zieht dann aber keine Aufhebung des angefochtenen Urteils und keine Zurückverweisung nach sich, wenn sich im Revisionsverfahren ergibt, dass die zu treffende Entscheidung aus Sicht des Revisionsgerichts den Beizuladenden nicht benachteiligen kann (stRspr, vgl BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 6 RdNr 18; BSG SozR 4-3250 § 51 Nr 2 RdNr 15; BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 20; BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 68; BSGE 66, 144, 146 f = SozR 3-5795 § 6 Nr 1 S 3 f). So verhält es sich auf der Grundlage der vom Senat getroffenen Sachentscheidung hier. Denn der Beigeladene kann die von ihm gezahlten SGB II-Leistungen, die von der Beklagten nicht zu erstatten sind, auch von der Leistungsempfängerin nicht zurückfordern, da er sie zu Recht erbracht hat (dazu sogleich).

25

d) Für die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) besteht auch ein uneingeschränktes Rechtsschutzbedürfnis. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch aufgrund des erbrachten Alg ist nicht - teilweise - bereits durch die Zahlung der Beklagten an den Beigeladenen erfüllt. Zwar hatte die Leistungsempfängerin auch solche Leistungen nach dem SGB II (zB zur Sicherung des Lebensunterhalts) erhalten, für die die Klägerin zuständiger Träger war (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II); für die hier abgedeckten Bedarfe war nicht lediglich der kommunale Träger (aaO Nr 2) zuständig. Soweit jedoch die Klägerin Leistungen nach dem SGB II erbringt, trägt der Bund die Aufwendungen (§ 46 Abs 1 S 1 SGB II, § 251 Abs 4 SGB V, § 59 Abs 1 S 1 SGB XI). Ihm haben damit auch die entsprechenden Erstattungsleistungen zugutezukommen. Dagegen bestreitet die BA die Leistungen nach dem SGB III, für die sie eine höhere Erstattung begehrt, aus den ihr als Selbstverwaltungskörperschaft (§ 367 Abs 1 SGB III) zustehenden eigenen Mitteln (§ 340 SGB III; s auch § 251 Abs 4a SGB V).

26

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung des an die Leistungsempfängerin im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 gezahlten Alg, weil die Beklagte der Leistungsempfängerin für denselben Zeitraum rückwirkend Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt hat (dazu nachfolgend unter a). Dieser Erstattungsanspruch ist voll und nicht nur anteilsmäßig zu befriedigen, denn dem Beigeladenen steht gegen die Beklagte kein Erstattungsanspruch für die von ihm zeitgleich gezahlten aufstockenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (hier: zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie für Unterkunft und Heizung) zu (b). Aus diesem Grund ist der Beigeladene auch nicht an den von der Beklagten zu ersetzenden Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung zu beteiligen (c).

27

a) Der Klägerin steht ein spezialgesetzlich normierter Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in entsprechender Anwendung von § 103 SGB X zu.

28

Dieser ergibt sich aus § 142 Abs 1 S 1 Nr 3, Abs 2 S 1 Nr 2, S 2 iVm § 125 Abs 3 S 1 SGB III(letztgenannte Vorschrift idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2828 ). Danach steht der BA ein Erstattungsanspruch entsprechend § 103 SGB X zu, wenn dem Arbeitslosen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist. Der Anspruch auf Alg ruht während dieser Zeit erst vom Beginn der laufenden Zahlung der Rente an.

29

Dieser spezielle Erstattungsanspruch der BA ist in § 142 Abs 2 S 2 SGB III aF eingefügt worden(durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl I 1827, mWv 1.1.2001 - als Folgeänderung zur Änderung von § 96a SGB VI, vgl BT-Drucks 14/4630 S 26, 50), um auch den Ersatz des "regulär" - und nicht als Sonderform der "Nahtlosigkeitsregelung" von § 125 SGB III aF im Rahmen eines Kompetenzkonflikts zwischen den Leistungsträgern - gezahlten Alg bei rückwirkender Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung für deckungsgleiche Zeiträume vom Rentenversicherungsträger zu gewährleisten. Damit hat die BA bei rückwirkender Rentenbewilligung stets einen Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger (vgl dazu BSG vom 30.1.2002 - B 5 RJ 6/01 R - Juris RdNr 16). Dies gilt unabhängig davon, ob sie das Alg zu Recht oder (wie hier wegen der medizinisch vollen Erwerbsminderung der Leistungsempfängerin) im Widerspruch zum materiellen Recht gezahlt hat.

30

Anders als es die direkte Anwendung von § 103 Abs 1 SGB X voraussetzt, entfällt der Anspruch auf das Alg im Fall rückwirkender Gewährung einer zeitgleichen Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht nachträglich. Vielmehr ruht der Anspruch auf Alg erst ab Beginn der laufenden Rentenzahlung (§ 142 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB III aF, vgl BSG SozR 4-2600 § 89 Nr 2 RdNr 20). Der Rechtsgrund des davor erbrachten Alg wird dadurch weder beseitigt noch iS der Feststellungen des Rentenversicherungsträgers nachträglich ersetzt (vgl BSG vom 30.1.2002 - B 5 RJ 6/01 R - Juris RdNr 19).

31

Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs entsprechend § 103 SGB X nach § 142 Abs 2 S 2 iVm § 125 Abs 3 S 1 SGB III aF sind hier erfüllt. Die Klägerin hat im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 Alg an die Leistungsempfängerin gezahlt. Für den Zeitraum ab 1.6.2006 ist dieser nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) rückwirkend eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen (§ 43 Abs 2 SGB VI) zuerkannt worden. Die Beklagte hatte auch nicht bereits selbst an die Leistungsempfängerin geleistet, bevor sie von der Leistungspflicht der Klägerin Kenntnis erlangt hat (entsprechende Anwendung von § 103 Abs 1 Halbs 2 SGB X); vielmehr hat sie nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG den Rentennachzahlungsbetrag für den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 vorläufig einbehalten.

32

Für den speziellen Erstattungsanspruch nach § 142 Abs 2 S 2 iVm § 125 Abs 3 S 1 SGB III aF ist unschädlich, dass die Klägerin nach Kenntnis der mit Bescheid vom 9.1.2007 erfolgten Rentenbewilligung gegenüber der Leistungsempfängerin im Bescheid vom 6.3.2007 die Zuerkennung des Alg rückwirkend ab 1.6.2006 aufgehoben hat. Ob diese Aufhebung rechtmäßig war (vgl BSG Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 10/06 R - Juris RdNr 18; BSG SozR 4-1300 § 107 Nr 5 RdNr 18 f), ist hier nicht zu beurteilen, zumal die Leistungsempfängerin selbst dagegen keinen Rechtsbehelf erhoben hat. Der Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist jedenfalls bereits zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung - somit vor Erlass des Aufhebungsbescheids vom 6.3.2007 - entstanden. Die später zusätzlich vorgenommene Aufhebung der Leistungsbewilligung lässt ihn unberührt, weil dem erstattungsberechtigten Träger kein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gegen den leistungsverpflichteten Träger oder einem Vorgehen gegen den Leistungsempfänger (Versicherten) nach den §§ 45, 48, 50 SGB X zusteht(BSG SozR 3-1300 § 107 Nr 10 S 13 f).

33

Der Erstattungsanspruch (entsprechend § 103 SGB X) ist schließlich nicht nach § 111 S 1 SGB X ausgeschlossen. Die dort genannte Frist zur Geltendmachung ist eingehalten.

34

Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (entsprechend § 103 Abs 2 SGB X). Dies sind die für die Beklagte geltenden Vorschriften des SGB VI zur Rentenhöhe. Der von der Beklagten geleistete Rentenzahlbetrag im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 (monatlich 362,72 Euro) reicht nicht aus, um das von der Klägerin gezahlte Alg (je vollem Kalendermonat 370,80 Euro, vgl § 134 S 2 SGB III aF) in voller Höhe zu erstatten. Die Klägerin hat daher zutreffend ihren Erstattungsanspruch nur in Höhe der von der Beklagten gezahlten Rente geltend gemacht (zu Einzelheiten sowie zum Ersatz der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge s nachfolgend unter d)).

35

b) Dem Beigeladenen steht nach den hier maßgeblichen Umständen kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu.

36

Der Beigeladene hat für den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 in Wahrnehmungszuständigkeit sowohl für die BA als auch für den kommunalen Träger (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 und 2, § 44b Abs 3 S 1 und 2 SGB II in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung; vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 20; dazu BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 RdNr 165, 207)Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung, §§ 20, 22 SGB II) erbracht. Er ist daher auch berechtigt, die Erstattung dieser Leistungen zu verlangen.

37

aa) Der Beigeladene kann nicht die spezielle Erstattungsregelung nach § 44a Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB II(in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung des GSiFoG vom 20.7.2006, BGBl I 1706 ) für sich beanspruchen. Hiernach steht den Leistungsträgern des SGB II ein Erstattungsanspruch entsprechend § 103 SGB X zu, wenn dem Hilfebedürftigen eine andere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes zuerkannt wird. Nach § 44a Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB II (Fassung 2006) setzte dies voraus, dass die gemeinsame Einigungsstelle entschied, dass ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht besteht. Die Vorgängernorm von § 44a SGB II(in der bis zum 31.7.2006 gültigen Fassung des KomOptG vom 30.7.2004, BGBl I 2014 ) sah hingegen einen solchen Erstattungsanspruch noch nicht vor. Mit der Ergänzung der Erstattungsregelung in § 44a Abs 2 S 1 SGB II (Fassung 2006) sollte klargestellt werden, dass in den Fällen, in denen ein anderer als die SGB II-Träger leistungspflichtig ist, dieser den Trägern der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechend § 103 SGB X erstattungspflichtig ist(vgl BT-Drucks 16/1410 S 27). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44a Abs 1 S 3 SGB II(in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006, BGBl I 2742 ) liegen hier jedoch nicht vor.

38

Die genannte Vorschrift ordnete an, dass die zuständigen Träger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis zur Entscheidung der nach S 2 der Vorschrift angerufenen Einigungsstelle zu erbringen hatten. Sie ist als Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125 Abs 1 SGB III aF interpretiert worden und nicht als nur vorläufige Leistungspflicht der SGB II-Träger(vgl BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 19 f - zu § 44a S 3 SGB II). Jedenfalls aber griff sie nur dann, wenn die zuständigen SGB II-Leistungsträger sich nicht für zuständig erachteten oder zwischen den Leistungsträgern Uneinigkeit über die Erwerbsfähigkeit bestand.

39

Eine derartige Konstellation lag hier jedoch nicht vor. Denn übereinstimmend (wenn auch irrtümlich) sind sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene von einer noch bestehenden Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin ausgegangen. Der Beigeladene hat selbst ab dem Zeitpunkt, als er - im März 2006 - die Leistungsempfängerin im Rahmen einer "Eingliederungsvereinbarung" zur Beantragung einer Rente anhielt, seine Pflicht zur Zahlung von Alg II nicht in Frage gestellt. Mangels Streits oder eines Dissenses zwischen den Leistungsträgern über die Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin ist der Anwendungsbereich von § 44a SGB II (Fassung 2006) mithin nicht eröffnet (vgl BSG SozR 4-2500 § 9 Nr 3 RdNr 13; Chojetzki, NZS 2010, 662, 667). Die Leistungsempfängerin war zu keinem Zeitpunkt in einer Situation (bildlich gesprochen "zwischen zwei Stühlen", BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 20), in der keiner der Leistungsträger Leistungen erbringen wollte (vgl BSG aaO RdNr 21; Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 44a RdNr 33).

40

bb) Ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte nach § 102 SGB X kommt nicht in Betracht, weil er die Leistungen nach dem SGB II nicht vorläufig iS von § 43 SGB I erbracht hat. Denn hierfür bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung; es reicht nicht aus, vorläufige Leistungen freiwillig zu erbringen (vgl BSGE 58, 119, 121 = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 19). § 44a Abs 1 S 3 SGB II (Fassung 2006) enthielt aber keine Anordnung einer vorläufigen Leistung(s oben aa)).

41

cc) Dem Beigeladenen steht gegen die Beklagte auch kein Erstattungsanspruch in direkter Anwendung von § 103 Abs 1 SGB X zu. Diese Norm setzt ua voraus, dass ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat und der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist. Ein sozialrechtlicher Leistungsanspruch entfällt iS von § 103 Abs 1 Halbs 1 SGB X nur, wenn durch die Erfüllung des (zweiten) Leistungsanspruchs der von einem zuständigen Leistungsträger erbrachte (erste) Leistungsanspruch(durch eine "Wegfallregelung" oder "-bestimmung": vgl BSG SozR 1300 § 103 Nr 5 S 24 f) zum Wegfall kommt (vgl ferner BSGE 72, 163, 165 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 14; BSGE 57, 146, 148 = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 1, 4; Kater in Kasseler Komm, Stand April 2012, § 103 SGB X RdNr 20; zB auch § 50 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V, wonach der Anspruch auf Krankengeld vom Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung an endet).

42

Der Anspruch der Leistungsempfängerin auf die Leistungen nach dem SGB II ist aber weder durch die rückwirkende Gewährung noch durch die Auszahlung der vollen Erwerbsminderungsrente an sie nachträglich ganz oder teilweise iS von § 103 Abs 1 SGB X entfallen. Im SGB II existiert keine - § 142 Abs 1 S 1 Nr 3, Abs 2 S 1 Nr 2 SGB III aF oder § 50 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V vergleichbare - Regelung, die den Wegfall, das Ende oder das Ruhen der Leistungen nach dem SGB II für den Fall anordnet, dass eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend zeitgleich gewährt wird. Entgegen der Rechtsmeinung des SG liegt ein nachträgliches "Entfallen" eines Anspruchs auf Sozialleistungen nicht bereits dann vor, wenn sich nachträglich herausstellt, dass ein bei Bewilligung als gegeben angesehener anspruchsbegründender Umstand für die konkret gewährte Leistung (hier: Erwerbsfähigkeit für den Anspruch auf Alg II) in Wirklichkeit nicht vorgelegen hat.

43

dd) Der Beigeladene kann in der hier zu beurteilenden Konstellation aber auch keinen Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers nach § 104 SGB X geltend machen. "Nachrangig verpflichtet" ist gemäß § 104 Abs 1 S 2 SGB X ein Leistungsträger nur, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers (hier: des Rentenversicherungsträgers) selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Dementsprechend ist für einen Erstattungsanspruch nach dieser Vorschrift kein Raum, soweit ein Träger seine Leistungen auch bei (rechtzeitiger) Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen (§ 104 Abs 1 S 3 SGB X - s allgemein zu den Grundvoraussetzungen eines Erstattungsanspruchs auch BSGE 106, 206 = SozR 4-1300 § 103 Nr 3, RdNr 9 f).

44

So verhält es sich hier. Der Beigeladene war zur Erbringung von SGB II-Leistungen an die Leistungsempfängerin auch dann verpflichtet, wenn diese nicht zu dem Personenkreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) gehörte, da bei ihr nach den Feststellungen der Beklagten eine volle Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen bestand. In diesem Fall stand der Leistungsempfängerin, wie es sowohl der Beigeladene (Änderungsbescheide vom 23.2. bzw 16.3.2007) als auch das SG zugrunde gelegt haben, an Stelle des gezahlten Alg II ein Anspruch auf Sozialgeld (§ 28 SGB II aF; ab 1.1.2011: § 19 Abs 1 S 2 SGB II idF des Gesetzes vom 24.3.2011, BGBl I 453) zumindest in derselben Höhe zu. Denn sie lebte mit ihrem (erwerbsfähigen) Ehemann in Bedarfsgemeinschaft, hatte aber noch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung), weil sie aufgrund der lediglich befristet - für knapp zwei Jahre - zuerkannten Rente wegen (unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage) voller Erwerbsminderung (vgl § 102 Abs 2 S 5 SGB VI)die Voraussetzungen einer "dauerhaften vollen Erwerbsminderung" iS des § 41 Abs 1 Nr 2 SGB XII(hier noch anzuwenden in der ab 1.1.2005 geltenden aF; ab 1.1.2008: § 41 Abs 1 S 1 iVm Abs 3 SGB XII idF des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.4.2007, BGBl I 554) noch nicht erfüllte.

45

Hat aber der Beigeladene die von ihm in den Bescheiden vom 2.5., 5.7. und 12.9.2006 bewilligten aufstockenden "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II" (vgl die Überschrift des Abschn 2 in Kap 3 SGB II aF, der sowohl das Alg II als auch das Sozialgeld umfasste) unabhängig von der Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in jedem Fall gegenüber der Leistungsempfängerin erbringen müssen (hat er sie also endgültig zu Recht erbracht), so fehlt es von vornherein an den Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch sowohl nach § 104 SGB X(vgl Störmann in Jahn/Jansen, SGB für die Praxis, Stand September 2012, § 106 SGB X RdNr 7) als auch nach § 105 SGB X. Unter diesen Voraussetzungen würde die vom SG für zutreffend erachtete Zuerkennung eines Erstattungsanspruchs an den Beigeladenen nur zu dessen ungerechtfertigter Bereicherung führen.

46

Ein solches Ergebnis kann nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, dass der Erstattungspflichtige davor zu schützen sei, alle Ansprüche des Leistungsempfängers - auch solche subsidiärer oder alternativer Art - prüfen zu müssen. Der um Erstattung angegangene (Rentenversicherungs-)Träger bedarf insoweit keines besonderen Schutzes. Denn er hat die Möglichkeit, von dem Erstattung begehrenden Träger eine Spezifizierung seiner Forderungen und auch Auskunft darüber zu verlangen, ob der Leistungsempfänger bei rechtzeitiger Rentenzahlung weiterhin Anspruch auf Leistungen gehabt hätte, sofern ihm entsprechende Erkenntnisse nicht bereits aufgrund einer Zuziehung des Leistungsempfängers zum Erstattungsverfahren (vgl § 12 Abs 1 Nr 4, Abs 2 iVm § 107 sowie § 24 Abs 1 SGB X)bekannt sind. Im Übrigen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine zum Schutz der erstattungsverpflichteten Behörde befürwortete pauschale Bejahung von Erstattungsansprüchen anderer Träger wegen der in § 107 SGB X angeordneten Erfüllungswirkung dem Leistungsempfänger auch zum Nachteil gereichen könnte.

47

c) Der Beigeladene hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Ersatz eines Teils der von ihm im Zeitraum Juni 2006 bis Februar 2007 entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Leistungsempfängerin.

48

Spezialgesetzliche Anspruchsgrundlagen (§ 37 S 1 SGB I)hierfür sind die Regelungen in § 335 Abs 2 S 1 bzw Abs 5 iVm Abs 2 S 1 SGB III (in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954), die im Bereich des SGB II gemäß § 40 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB II(ebenfalls idF des genannten Gesetzes vom 24.12.2003; ab 1.4.2011: § 40 Abs 2 Nr 5 SGB II idF des Gesetzes vom 24.3.2011, BGBl I 453) entsprechend anzuwenden sind. Nach den genannten Vorschriften hat der Rentenversicherungsträger die für einen Versicherungspflichtigen nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V bzw § 20 Abs 1 S 2 Nr 2a SGB XI (dh für Personen, die Alg II beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind) entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (KV: § 251 Abs 4 iVm § 252 S 2 SGB V in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung; PV: § 59 Abs 1 S 1 iVm § 60 Abs 1 S 2 SGB XI)zu ersetzen, sofern dem Versicherungspflichtigen eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt worden ist (s hierzu Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 81 ff; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 40 RdNr 567, 637 ff, Stand Einzelkommentierung Juni 2012).

49

Ein Ersatzanspruch für gezahlte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge besteht allerdings gemäß § 335 Abs 2 S 1 Teils 2 SGB III nur, "wenn und soweit" dem betreffenden Träger auch ein Erstattungsanspruch gegen den Träger der Rentenversicherung "wegen der Gewährung" von Alg II zusteht. Es handelt sich somit hinsichtlich erbrachter Nebenleistungen zum Alg II um die Ergänzung (Annex) eines nach den §§ 102 ff SGB X bestehenden Erstattungsanspruchs(Eicher, aaO RdNr 98; s auch Conradis in Münder, LPK SGB II, 4. Aufl 2011, § 40 RdNr 21 f). Wenn daher - wie hier (s oben unter 2. b) - dem Jobcenter schon kein Erstattungsanspruch für die von ihm erbrachte Hauptleistung nach dem SGB II zusteht, kann es auch keinen Ersatz hinsichtlich der (vom Bund getragenen) Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verlangen. Danach ist über die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung als vordringlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage nach der zutreffenden Aufteilung der vom Rentenversicherungsträger gemäß § 335 Abs 2 S 3 Nr 1 SGB III zu ersetzenden Beträge auf die BA und das Jobcenter (hälftig oder im Verhältnis der jeweils gezahlten Beiträge) hier nicht zu entscheiden.

50

d) Im Ergebnis kann somit nur die Klägerin von der Beklagten die Erstattung des von ihr im Zeitraum Juni 2006 bis Februar 2007 an die Leistungsempfängerin gezahlten Alg und zusätzlich gemäß § 335 Abs 2 S 1, Abs 5 SGB III Ersatz der für diese entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verlangen; dem Beigeladenen steht weder ein Erstattungs- noch ein Ersatzanspruch zu. Damit ist hier über die Rangfolge bei mehreren Erstattungsberechtigten iS des § 106 SGB X nicht zu befinden(s dazu näher die Senatsentscheidung vom heutigen Tage im Verfahren B 13 R 11/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

51

Wie bereits ausgeführt (s oben unter 2. a) am Ende), kann die Klägerin das von ihr an die Leistungsempfängerin vom 1.6.2006 bis 28.2.2007 gezahlte Alg nur im Umfang des geringeren Rentenzahlbetrags von der Beklagten erstattet erhalten, also iHv (9 x 362,72 Euro =) 3264,48 Euro. Hinzu kommen als Ersatz für die von der Klägerin entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 335 Abs 2 S 1, S 3 Nr 1 SGB III diejenigen Beitragsanteile, die der Rentenversicherungsträger (die Beklagte) und der versicherte Rentner (die Leistungsempfängerin) für diesen Zeitraum aus der Rente zu entrichten gehabt hätten; das sind hier (9 x =) 579,78 Euro. Mithin stehen der Klägerin insgesamt (3264,48 + 579,78 =) 3844,26 Euro als Erstattung bzw Ersatz zu; die Beklagte, die bereits einen Betrag iHv 1971,80 Euro an die Klägerin gezahlt hat, schuldet ihr noch weitere 1872,46 Euro. Weil die Klägerin aber mit ihrer Revision nur die Zahlung von 1872,44 Euro geltend gemacht hat, war die Beklagte nach dem Grundsatz "ne ultra petita" (§ 123 SGG) lediglich zur Zahlung dieses Betrags zu verurteilen (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).

52

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1, § 159 S 1 VwGO und § 100 Abs 1 ZPO. Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 S 1 GKG.

(1) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. September 2010 sowie das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. Mai 2009 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere 54,55 Euro zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens aller Rechtszüge tragen die Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 54,55 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rangfolge von Erstattungsansprüchen in der Zeit vom 1.7.2005 bis zum 12.7.2005 und vom 3.11.2005 bis zum 30.11.2005.

2

Die im Jahre 1963 geborene Leistungsempfängerin bezog von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund; im Folgenden: Beklagte) eine vom 1.12.2003 bis zum 31.5.2005 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid vom 21.10.2003). Den Antrag von September 2004 auf Weitergewährung der Rente lehnte diese ab (Bescheid vom 10.5.2005; Widerspruchsbescheid vom 21.10.2005). Im Klageverfahren vor dem SG Lübeck (S 18 R 820/05) erkannte die Beklagte über den Monat Mai 2005 hinaus bis zum 30.9.2008 Leistungen wegen voller Erwerbsminderung an (Teilanerkenntnis vom 27.9.2006; entsprechender Ausführungsbescheid vom 30.10.2006). Die monatliche Rentenzahlung begann am 1.12.2006 (591,55 Euro zzgl Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung = insgesamt 657,64 Euro). Die für den Zeitraum vom 1.6.2005 bis zum 30.11.2006 errechnete Rentennachzahlung iHv 9800,01 Euro behielt sie vorläufig ein (täglicher Leistungsbetrag im Juli 2005: 19,17 Euro; im November 2005: 19,81 Euro).

3

Auf ihre Arbeitslosmeldung im Mai 2005 bezog die Leistungsempfängerin von der Bundesagentur für Arbeit (BA; im Folgenden: Klägerin) im Zeitraum vom 1.6.2005 bis zum 12.7.2005 Arbeitslosengeld (Alg; täglicher Leistungsbetrag 17,37 Euro). Vom 13.7.2005 bis zum 2.11.2005 erhielt sie Krankengeld. Am 2.11.2005 meldete sie sich erneut arbeitslos und bezog Alg vom 3.11.2005 bis zum 3.3.2006 (täglicher Leistungsbetrag 23,77 Euro). Jeweils aufstockend zum Alg und zum Krankengeld bezog sie im Zeitraum vom 1.6.2005 bis zum 30.11.2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (für Unterkunft und Heizung) von der Arbeitsgemeinschaft Lübeck (Rechtsvorgängerin des Jobcenters Lübeck, im Folgenden: Beigeladener).

4

Die Klägerin machte mit Schreiben vom 9.11.2006 und 23.2.2007 bei der Beklagten Erstattungsansprüche wegen des Alg iHv 3124,15 Euro für die Zeiträume vom 1.6.2005 bis zum 12.7.2005 und vom 3.11.2005 bis zum 3.3.2006 geltend (unter Einschluss nicht streitgegenständlicher Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung insgesamt 3710,18 Euro). Der Beigeladene machte mit Schreiben vom 13.12.2006, 17.1. und 29.1.2007 eine Erstattungsforderung iHv 364,84 Euro gegen die Beklagte für die im Zeitraum vom 1.6.2005 bis zum 30.11.2005 an die Leistungsempfängerin aufstockend gezahlten Leistungen nach dem SGB II geltend.

5

Mit Schreiben vom 19.2. und 10.4.2007 bezifferte die Beklagte die Höhe des Erstattungsanspruchs der Klägerin wegen des Alg auf nur 3069,60 Euro. Der Rentennachzahlbetrag reiche nicht für die vollständige Befriedigung beider Erstattungsansprüche. Der Erstattungsanspruch der Klägerin sei nur anteilsmäßig zu befriedigen, weil dem Beigeladenen ein gleichrangiger Erstattungsanspruch für dieselben Zeiträume zustehe. Entsprechend erstatte die Beklagte dem Beigeladenen nur 358,96 Euro.

6

Im Verhältnis zum Beigeladenen hielt sich die Klägerin jedoch weiterhin für vorrangig erstattungsberechtigt. Das auf die Erstattung des Restbetrags von 54,55 Euro gerichtete Klage- und Berufungsverfahren blieb erfolglos (Urteile SG Lübeck vom 26.5.2009; Schleswig-Holsteinisches LSG vom 10.9.2010). Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt, dass kein weiterer Erstattungsanspruch bestehe, weil sich die Ansprüche der Klägerin und des Beigeladenen gleichrangig - jeweils gestützt auf § 103 SGB X - gegenüberstünden. Deshalb habe die Beklagte die Erstattungsforderungen zutreffend nach § 106 Abs 2 S 1 SGB X anteilsmäßig beglichen. Die Ansicht der Klägerin, wonach der Erstattungsanspruch des Beigeladenen auf § 104 SGB X beruhe und deshalb nachrangig sei, könne nicht auf Rechtsprechung des BSG zu Erstattungsansprüchen des Sozialhilfeträgers alten Rechts gestützt werden(Hinweis auf BSGE 81, 30 = SozR 3-1300 § 104 Nr 12). Wegen fehlender Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin habe kein Anspruch auf Leistungen des Beigeladenen bestanden (§ 8 Abs 1 SGB II). Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung führe bei einer Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft - wie hier - dazu, dass der Anspruch nach dem SGB II nachträglich entfalle, sodass sich der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X richte, anders bei bloßer Anrechnung der Rente auf die Leistungen nach dem SGB II(dann § 104 SGB X). Im Übrigen scheide ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X auch deshalb aus, weil der Beigeladene weder institutionell nachrangig noch hier im Einzelfall subsidiär zur Leistung verpflichtet gewesen sei. Schließlich folge aus § 44a Abs 2 SGB II (aF) kein anderslautendes Ergebnis. Der in dieser Vorschrift normierte Erstattungsanspruch setze eine Entscheidung der Einigungsstelle darüber voraus, dass ein Grundsicherungsanspruch nicht bestehe. Ein Kompetenzkonflikt um die Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin habe hier nicht vorgelegen.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§§ 103, 104, 106 Abs 1 Nr 3 und 4, Abs 2 S 1 SGB X). Ihr stehe ein vorrangiger Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X zu, der voll und nicht nur anteilsmäßig zu befriedigen sei, weil sich der Erstattungsanspruch des Beigeladenen nach § 104 SGB X richte. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende sei eine institutionell nachrangige Leistung, wie schon die Sozialhilfe (Hinweis auf BSGE 82, 143 = SozR 3-2600 § 13 Nr 1; BSGE 70, 186 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4; BSGE 58, 119 = SozR 1300 § 104 Nr 7). Der Grundsatz der Nachrangigkeit folge aus § 5 Abs 1 SGB II(Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 15)und klarstellend aus § 12a SGB II. Deshalb sei nicht zu prüfen, ob das materielle Recht die Subsidiarität der konkreten Leistung im Einzelfall bestimme. Zwar schließe Erwerbsunfähigkeit Leistungen nach dem SGB II aus (§§ 7, 8 SGB II). Für die grundsätzliche Nachrangigkeit der Leistungen nach dem SGB II könne es jedoch keinen Unterschied machen, ob der Leistungsanspruch wegen fehlender Erwerbsfähigkeit voll oder wegen Einkommensanrechnung nur teilweise entfalle. Die zur Nachrangigkeit der Sozialhilfe ergangene Rechtsprechung (Hinweis auf BSGE 81, 30 = SozR 3-1300 § 104 Nr 12; BSG SozR 3-5870 § 11a Nr 1) stehe dem nicht entgegen. Auch aus § 44a Abs 2 SGB II (aF) könne der Beigeladene keinen Erstattungsanspruch herleiten, weil kein Konflikt über die Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin im Sinne dieser Vorschrift bestanden habe.

8

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. September 2010 sowie das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 54,55 Euro zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie ist der Ansicht, dass die Nachrangigkeit von Leistungen des SGB II gegenüber denen des SGB III nicht von vornherein die Rangfolge der Erstattungsansprüche im Verhältnis des Beigeladenen zur Beklagten bestimme. Jedenfalls kenne das SGB II keinen Nachrang "sui generis". Vielmehr sehe § 5 Abs 2 S 1 SGB II sogar einen partiellen Vorrang der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende vor.

11

Der Beigeladene hat im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt und sich in der Sache nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung des an die Leistungsempfängerin in den Zeiträumen vom 1.7.2005 bis zum 12.7.2005 und vom 3.11.2005 bis zum 30.11.2005 gezahlten Alg, weil die Beklagte der Leistungsempfängerin für dieselben Zeiträume rückwirkend Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt hat (1). Dieser Erstattungsanspruch ist voll und nicht nur anteilsmäßig zu befriedigen, weil dem Beigeladenen gegen die Beklagte kein gleichrangiger Erstattungsanspruch für die von ihm zeitgleich gezahlten aufstockenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (hier für Unterkunft und Heizung) zusteht (2). Für eine richterliche Rechtsfortbildung besteht kein Grund (3). Einer Beiladung der Leistungsempfängerin bedurfte es nicht (4).

13

Die von der BA erhobene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) ist zulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis für ihre Erhebung besteht; insbesondere steht der Klage nicht die Bagatellgrenze von 50 Euro (§ 110 S 2 SGB X) entgegen, für die keine Erstattung erfolgt. Diese bezieht sich nicht auf den geltend gemachten Einzelbetrag, sondern auf den Gesamtbetrag pro Erstattungsfall (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 4 S 6), der hier weit überschritten ist.

14

Ob und wieweit Erstattungsansprüche mehrerer Sozialleistungsträger zu befriedigen sind, bestimmt § 106 SGB X. Während §§ 102 bis 105 SGB X die Erstattungsansprüche für Sozialleistungen im Verhältnis zweier Sozialleistungsträger normieren, regelt § 106 SGB X den Fall, dass ein Leistungsträger mehreren Leistungsträgern zur Erstattung verpflichtet ist. Gemäß § 106 Abs 1 SGB X sind die Ansprüche nach der in den Nr 1 bis 5 genannten Rangfolge wie folgt zu befriedigen: Zunächst der Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers nach § 102(§ 106 Abs 1 Nr 2 SGB X), dann der Anspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist, nach § 103(§ 106 Abs 1 Nr 3 SGB X), dann der Anspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers nach § 104(§ 106 Abs 1 Nr 4 SGB X) und zuletzt der Anspruch des unzuständigen Leistungsträgers nach § 105(§ 106 Abs 1 Nr 5 SGB X). Die im Rahmen des § 106 Abs 1 SGB X angeordnete Rangfolge ist von Bedeutung, wenn - wie hier - die Erstattung eines Leistungsträgers nicht zur Erfüllung der Ansprüche aller Erstattungsberechtigten ausreicht(vgl BT-Drucks 9/95, S 25 f zu § 112). Treffen ranggleiche Erstattungsansprüche mehrerer Sozialleistungsträger zusammen, sind sie nach der Grundregel des § 106 Abs 2 S 1 SGB X anteilsmäßig zu befriedigen, sofern es sich nicht um solche nach § 104 SGB X handelt(§ 106 Abs 2 S 2 SGB X). Die Erstattungspflicht ist nach § 106 Abs 3 SGB X begrenzt, so dass nicht mehr zu leisten ist, als der Erstattungspflichtige nach den für ihn geltenden Erstattungsvorschriften einzeln zu erbringen hätte.

15

Die in § 106 Abs 1 SGB X normierte Rangfolge ergibt sich mithin aus der Einordnung des jeweiligen Erstattungsanspruchs nach §§ 102 ff SGB X und richtet sich damit nach den entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen("sachlogische Hierarchie", vgl Kater in Kasseler Komm, Stand März 2001, SGB X, § 106 RdNr 6; Becker in Hauck/Noftz, Stand 2012, SGB X, K § 106 RdNr 10). Bestehen außerhalb des Normenkomplexes von §§ 102 ff SGB X Erstattungsregelungen in den anderen Büchern des SGB, sind diese speziellen Regelungen vorrangig anzuwenden, wenn sie Abweichendes regeln(§ 37 S 1 SGB I).

16

Daher kommt es für die Rangfolge der hier streitigen Erstattungsansprüche - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht darauf an, ob Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II generell nachrangig (systemsubsidiär) gegenüber anderen Leistungen wie dem Alg nach dem SGB III sind. Denn es ist nicht etwa über einen Erstattungsanspruch der klagenden BA gegen das beigeladene Jobcenter zu entscheiden. Vielmehr ist zu klären, welcher Erstattungsanspruch im Verhältnis der klagenden BA zum beklagten Rentenversicherungsträger besteht (1) und welcher im Verhältnis des beigeladenen Jobcenters zum beklagten Rentenversicherungsträger (2); etwaige Erstattungsansprüche sind dann in die in § 106 SGB X vorgesehene Rangfolge einzuordnen. Hieraus folgt ihre Vor-, Gleich- oder Nachrangigkeit und mit ihr deren volle oder nur anteilsmäßige Befriedigung.

17

1. Der Klägerin steht ein spezialgesetzlich normierter Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in entsprechender Anwendung von § 103 SGB X zu.

18

Dieser ergibt sich aus § 142 Abs 1 S 1 Nr 3, Abs 2 S 1 Nr 2, S 2 iVm § 125 Abs 3 S 1 SGB III(letztgenannte Vorschrift idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2828 ). Danach steht der BA ein Erstattungsanspruch entsprechend § 103 SGB X zu, wenn dem Arbeitslosen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist. Der Anspruch auf Alg ruht während dieser Zeit erst vom Beginn der laufenden Zahlung der Rente an.

19

a) Dieser spezielle Erstattungsanspruch der BA ist in § 142 Abs 2 S 2 SGB III aF eingefügt worden(durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl I 1827 mWv 1.1.2001, als Folgeänderung zur Änderung von § 96a SGB VI, vgl BT-Drucks 14/4630, S 26, 50), um auch den Ersatz des "regulär" - und nicht als Sonderform der "Nahtlosigkeitsregelung" von § 125 SGB III aF im Rahmen eines Kompetenzkonflikts zwischen den Leistungsträgern(vgl dazu noch unten 2a) - gezahlten Alg bei rückwirkender Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung für deckungsgleiche Zeiträume vom Rentenversicherungsträger zu gewährleisten. Damit hat die BA bei rückwirkender Rentenbewilligung stets einen Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger (vgl dazu BSG vom 30.1.2002 - B 5 RJ 6/01 R - Juris RdNr 16). Dies gilt unabhängig davon, ob sie das Alg zu Recht oder (wie hier wegen der medizinisch vollen Erwerbsminderung der Leistungsempfängerin) im Widerspruch zum materiellen Recht gezahlt hat.

20

Anders als es die direkte Anwendung von § 103 Abs 1 SGB X voraussetzt, entfällt der Anspruch auf das Alg im Fall rückwirkender Gewährung einer zeitgleichen Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht nachträglich. Vielmehr ruht der Anspruch auf Alg erst ab Beginn der laufenden Rentenzahlung (§ 142 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB III aF, vgl BSG SozR 4-2600 § 89 Nr 2 RdNr 20). Der Rechtsgrund des davor erbrachten Alg wird dadurch weder beseitigt noch im Sinne der Feststellungen des Rentenversicherungsträgers nachträglich ersetzt (vgl BSG vom 30.1.2002 - B 5 RJ 6/01 R - Juris RdNr 19). Die Klägerin hat die Bewilligung des Alg in den streitigen Zeiträumen auch nicht nachträglich gegenüber der Leistungsempfängerin aufgehoben.

21

Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs entsprechend § 103 SGB X nach § 142 Abs 2 S 2 iVm § 125 Abs 3 S 1 SGB III aF sind erfüllt. Die Klägerin hat in den Zeiträumen vom 1.7.2005 bis zum 12.7.2005 und vom 3.11.2005 bis zum 30.11.2005 Alg an die Leistungsempfängerin gezahlt. Für den Zeitraum ab 1.6.2005 ist der Leistungsempfängerin nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) rückwirkend eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen (§ 43 Abs 2 SGB VI) zuerkannt worden. Die Beklagte hatte auch nicht bereits selbst an die Leistungsempfängerin geleistet, bevor sie von der Leistungspflicht der Klägerin Kenntnis erlangt hat (entsprechende Anwendung von § 103 Abs 1 Halbs 2 SGB X); vielmehr hat sie nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG den Rentennachzahlungsbetrag für den Zeitraum vom 1.6.2005 bis zum 30.11.2006 vorläufig einbehalten.

22

Der Erstattungsanspruch (entsprechend § 103 SGB X) ist auch nicht nach § 111 S 1 SGB X ausgeschlossen. Die dort genannte Frist zur Geltendmachung ist eingehalten.

23

b) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (entsprechend § 103 Abs 2 SGB X). Dies sind die für die Beklagte geltenden Vorschriften des SGB VI zur Rentenhöhe. Der von der Beklagten geleistete Rentenzahlbetrag im Zeitraum vom 1.7.2005 bis zum 12.7.2005 (täglich 19,17 Euro) reichte aus, um das von der Klägerin gezahlte Alg (täglich 17,37 Euro) zu erstatten. Für die Zeit vom 3.11.2005 bis zum 30.11.2005, in dem das Alg (täglich 23,77 Euro) den Rentenzahlbetrag (täglich 19,81 Euro) überstieg, hat die Klägerin zutreffend den Erstattungsanspruch nur in Höhe der von der Beklagten gezahlten Rente geltend gemacht.

24

2. Dem Beigeladenen steht kein gleichrangiger Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu.

25

Das beigeladene Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Nach § 76 Abs 3 S 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung(Jobcenter, §§ 6d, 44b SGB II) als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beigeladenen Arbeitsgemeinschaft getreten. Diesem kraft Gesetzes eintretenden Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II war von Amts wegen durch Berichtigung des Rubrums Rechnung zu tragen (BSG SozR 4-1300 § 107 Nr 4 RdNr 10; BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, nur in Juris RdNr 14).

26

Der Beigeladene hat für die Zeiträume vom 1.7.2005 bis zum 12.7.2005 und vom 3.11.2005 bis zum 30.11.2005 in Wahrnehmungszuständigkeit für den kommunalen Träger (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II, § 44b Abs 3 S 2 SGB II in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung; vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 20; dazu BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 RdNr 165, 207)Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (hier für Unterkunft und Heizung, § 22 SGB II) erbracht. Er ist daher auch berechtigt, die Erstattung dieser Leistungen für den kommunalen Träger zu verlangen.

27

a) Der Beigeladene kann nicht die spezielle Erstattungsregelung nach § 44a Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB II(in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706 ) für sich beanspruchen. Hiernach steht den Leistungsträgern des SGB II ein Erstattungsanspruch entsprechend § 103 SGB X zu, wenn dem Hilfebedürftigen eine andere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes zuerkannt wird. Nach § 44a Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB II (Fassung 2006) setzte dies voraus, dass die gemeinsame Einigungsstelle entschied, dass ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht besteht. Die Vorgängernorm von § 44a SGB II(in der bis zum 31.7.2006 gültigen Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014 ) sah hingegen einen solchen Erstattungsanspruch noch nicht vor. Mit der Ergänzung der Erstattungsregelung in § 44a Abs 2 S 1 SGB II (Fassung 2006) sollte klargestellt werden, dass in den Fällen, in denen ein anderer als die SGB II-Träger leistungspflichtig ist, dieser den Trägern der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechend § 103 SGB X erstattungspflichtig ist(vgl BT-Drucks 16/1410, S 27).

28

Der Senat kann offen lassen, ob hier § 44a SGB II in der Fassung 2004 oder Fassung 2006 gilt. Selbst bei Anwendbarkeit der Fassung 2006 lägen deren Voraussetzungen nicht vor.

29

Die Vorschrift des § 44a Abs 1 S 3 SGB II(in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006, BGBl I 2742 ) ordnete an, dass die zuständigen Träger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis zur Entscheidung der nach S 2 der Vorschrift angerufenen Einigungsstelle zu erbringen hatten. Sie ist als Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125 Abs 1 SGB III aF interpretiert worden, und nicht als nur vorläufige Leistungspflicht der SGB II-Träger(vgl BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 19 f - zu § 44a S 3 SGB II). Jedenfalls aber griff sie nur dann, wenn die zuständigen SGB II-Leistungsträger sich nicht für zuständig erachteten oder zwischen den Leistungsträgern Uneinigkeit über die Erwerbsfähigkeit bestand.

30

Eine derartige Konstellation lag hier jedoch nicht vor. Denn übereinstimmend (wenn auch irrtümlich) sind sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene von der Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin ausgegangen. Mangels Streits oder eines Dissenses zwischen den Leistungsträgern über die Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin ist der Anwendungsbereich von § 44a SGB II (Fassung 2006) nicht eröffnet (vgl BSG SozR 4-2500 § 9 Nr 3 RdNr 13; Chojetzki, NZS 2010, 662, 667). Die Leistungsempfängerin war zu keinem Zeitpunkt in einer Situation (bildlich gesprochen "zwischen zwei Stühlen", BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 20), in der keiner der Leistungsträger Leistungen erbringen wollte (vgl BSG aaO RdNr 21; Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 44a RdNr 33).

31

b) Ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte nach § 102 SGB X kommt nicht in Betracht, weil die Leistungen nach dem SGB II nicht vorläufig iS von § 43 SGB I geleistet worden sind. Denn hierfür bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung; es reicht nicht aus, vorläufige Leistungen freiwillig zu erbringen (vgl BSGE 58, 119, 121 = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 19). § 44a Abs 1 S 3 SGB II (Fassung 2006) enthielt aber keine Anordnung einer vorläufigen Leistung(s oben a).

32

c) Dem Beigeladenen steht gegen die Beklagte auch kein Erstattungsanspruch in direkter Anwendung von § 103 Abs 1 SGB X zu. Diese Norm setzt ua voraus, dass ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat und der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist. Ein sozialrechtlicher Leistungsanspruch entfällt iS von § 103 Abs 1 Halbs 1 SGB X nur, wenn durch die Erfüllung des (zweiten) Leistungsanspruchs der von einem zuständigen Leistungsträger erbrachte (erste) Leistungsanspruch(durch eine "Wegfallregelung" oder "-bestimmung": vgl BSG SozR 1300 § 103 Nr 5 S 24 f) zum Wegfall kommt (vgl ferner BSGE 72, 163, 165 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 14; BSGE 57, 146, 148 = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 1, 4; Kater in Kasseler Komm, Stand April 2012, SGB X, § 103 RdNr 20; zB auch § 50 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V, wonach der Anspruch auf Krankengeld vom Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung an endet).

33

Der Anspruch der Leistungsempfängerin auf die Leistungen nach dem SGB II ist aber weder durch die rückwirkende Gewährung noch durch die Auszahlung der vollen Erwerbsminderungsrente an sie nachträglich ganz oder teilweise iS von § 103 Abs 1 SGB X entfallen. Im SGB II existiert keine - § 142 Abs 1 S 1 Nr 3, Abs 2 S 1 Nr 2 SGB III aF oder dem § 50 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V vergleichbare - Regelung, die den Wegfall, das Ende bzw das Ruhen der Leistungen nach dem SGB II für den Fall anordnet, dass eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend zeitgleich gewährt wird.

34

Hingegen regelt § 103 SGB X nicht den Fall, dass ein Leistungsträger Leistungen zu Unrecht erbracht hat(vgl BT-Drucks 9/95, S 25 zu § 109; vgl Kater in Kasseler Komm, Stand April 2012, § 103 SGB X RdNr 27; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 2012, K §§ 102 - 114 RdNr 9a, c). Denn dann entfällt ein Anspruch auf Sozialleistungen nicht "nachträglich", wie Abs 1 der Vorschrift verlangt; vielmehr bestand ein solcher von vornherein nicht. So liegt der Fall hier. Die Leistungen nach dem SGB II sind zu Unrecht gezahlt worden, weil die allein lebende Leistungsempfängerin die Anspruchsvoraussetzung des § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II von Anfang an nicht erfüllt hat und auch andere Leistungsansprüche nach dem SGB II für sie nicht in Betracht kamen. Die Leistungsempfängerin war nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG ab Beginn der SGB II-Leistungen wegen Krankheit auf absehbare Zeit außer Stande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, mithin nicht erwerbsfähig nach § 8 Abs 1 SGB II. Dass das Fehlen der Erwerbsfähigkeit erst später festgestellt wurde, steht dem nicht entgegen.

35

d) Hat das beigeladene Jobcenter im Ergebnis weder einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 103 SGB X noch einen Erstattungsanspruch nach §§ 102, 103 SGB X gegen den beklagten Rentenversicherungsträger, folgt daraus, dass ihm im Verhältnis zur klagenden BA kein (zumindest) gleichrangiger Erstattungsanspruch zusteht, der anteilsmäßig zu befriedigen wäre(§ 106 Abs 2 S 1 SGB X).

36

Der Senat kann daher offen lassen, ob das beigeladene Jobcenter für den nachrangig verpflichteten Leistungsträger einen Erstattungsanspruch gegen den beklagten Rentenversicherungsträger auf § 104 Abs 1 S 1 SGB X stützen könnte. Dieser Erstattungsanspruch wäre nach der in § 106 Abs 1 SGB X normierten Rangfolge(dort Nr 4) immer nachrangig gegenüber dem auf § 103 SGB X (in entsprechender Anwendung) gestützten Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte (§ 106 Abs 1 Nr 3 vor Nr 4 SGB X). Ebenso wenig muss der Senat entscheiden, ob sich die Klägerin für ihre Rechtsmeinung auf einen aus § 5 bzw § 12a SGB II folgenden Grundsatz der generellen Nachrangigkeit von Leistungen nach dem SGB II - wie für die Sozialhilfe nach § 2 Abs 1 SGB XII(vormals § 2 Abs 2 BSHG)- berufen kann(zur "Systemsubsidiarität" des SGB II: vgl BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 14 ff, 16 im Verhältnis zu Leistungen nach dem SGB V; vgl BSG SozR 4-3250 § 51 Nr 2 RdNr 15 im Verhältnis zu Leistungen nach dem SGB III, dort wohl nicht tragend; s aber BSG SozR 4-1300 § 107 Nr 4 RdNr 14 und BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 203/10 R - SozR 4-1300 § 107 Nr 5 RdNr 18).

37

3. Der Senat sieht sich ferner nicht veranlasst, dem Beigeladenen im Wege richterlicher Rechtsfortbildung einen Erstattungsanspruch in der hier vorliegenden Fallkonstellation zuzubilligen.

38

Dies gilt selbst dann, wenn den SGB II-Trägern bei nachträglicher Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung (die Fälle einer sog "Arbeitsmarkt-Rente" ausgenommen) auch ohne konkurrierenden Erstattungsanspruch der BA eine Erstattung vom Rentenversicherungsträger nach § 104 oder § 105 SGB X verwehrt bliebe. Ein solches Ergebnis ließe sich damit begründen, dass auch im Rahmen dieser Vorschriften die konkreten Leistungen des nachrangig verpflichteten bzw unzuständigen Leistungsträgers materiell rechtmäßig erbracht worden sein müssten ("ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 104 SGB X", BSG SozR 3-1300 § 104 Nr 12 S 38; vgl auch BSGE 58, 119, 123 = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 21; BSGE 70, 186, 195 f = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 S 26; BSGE 74, 36, 39 = SozR 3-1300 § 104 Nr 8 S 18; BSG BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 7; aA BSG SozR 3-1300 § 107 Nr 10 S 12 ff, 15; BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 12 S 109 f mwN; zu § 105 SGB X zB BSG SozR 3-5670 § 3 Nr 4 S 21). Einer näheren Überprüfung dieser Argumentation bedarf es hier nicht. Selbst wenn sie zuträfe, schiede eine richterliche Rechtsfortbildung aus.

39

Ein derartiges Vorgehen ist allenfalls dort angebracht, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden müssen oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist (BVerfG - Kammerbeschluss vom 26.9.2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 42 BvR 469/07 - NJW 2012, 669 RdNr 45; BVerfGE 126, 286, 306). Das lässt sich hier nicht feststellen.

40

Denn der Gesetzgeber hat Erstattungsansprüche bei Erbringung von Leistungen an nicht Erwerbsfähige durch die - hierfür an sich nicht leistungsverpflichteten - SGB II-Träger geregelt. Er hat, wie bereits oben (bei 2 a) ausgeführt, im Jahre 2006 den speziellen Erstattungstatbestand des § 44a Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB II (Fassung 2006) geschaffen. Diese ausdrückliche Erstattungsregelung erfasst erkennbar nur einen engen Teilbereich der Fälle, in denen SGB II-Leistungen rechtsgrundlos an nicht Erwerbsfähige gezahlt werden. Damit sieht sich der Senat aber daran gehindert, sie im Wege der Rechtsfortbildung auf jene Fälle zu erweitern, in denen die SGB II-Träger ohne nähere Prüfung fälschlicherweise von der Erwerbsfähigkeit eines Antragstellers ausgehen.

41

4. Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass das LSG von einer Beiladung (§ 75 SGG) der Leistungsempfängerin abgesehen hat, obwohl diese von der Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X betroffen ist. Zwar ist eine Beiladung des Leistungsempfängers im Erstattungsstreit (zwischen Sozialhilfeträger und Rentenversicherungsträger vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 80; BSG vom 15.11.1989 - 5 RJ 78/88 - Juris; zwischen Sozialhilfeträger und Krankenkasse vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 60; BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 7; s hierzu auch Becker, SGb 2011, 84) als notwendig erachtet worden. Eine unterbliebene notwendige Beiladung zieht dann aber keine Aufhebung des angefochtenen Urteils und keine Zurückverweisung nach sich, wenn sich im Revisionsverfahren ergibt, dass die zu treffende Entscheidung aus Sicht des Revisionsgerichts den Beizuladenden nicht benachteiligen kann (vgl BSG SozR 4-3250 § 51 Nr 2 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 6 RdNr 18; BSGE 66, 144, 146 f = SozR 3-5795 § 6 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 68; BSGE 96, 190 f = SozR 4-4300 § 421g Nr 1 RdNr 20). Eine mögliche Benachteiligung der Leistungsempfängerin ist hier nicht ersichtlich.

42

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1, § 159 S 1 VwGO und § 100 Abs 1 ZPO. Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 S 1 GKG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 12 838,53 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Aufwendungen für Sozialleistungen.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) Versicherte rutschte am 10.10.2008 im Rahmen seiner entgeltlichen Beschäftigung als Maschineneinrichter beim Absteigen von seinem Gabelstapler seitlich ab und verdrehte sich das linke Knie. Die klagende Berufsgenossenschaft gewährte dem Versicherten Heilbehandlung und bis 28.12.2009 Verletztengeld nebst den Beiträgen zur Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und Arbeitsförderung. Sie erkannte das Ereignis vom 10.10.2008 als Arbeitsunfall an und stellte fest, Folge des Arbeitsunfalls sei eine nach arthroskopisch erfolgter Innenmeniskusresektion eingetretene Thrombose der tiefen Venen im linken Bein. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit (AU) habe vom 10.10.2008 bis 31.7.2009 bestanden. Keine Unfallfolgen seien am linken Bein degenerative Veränderungen im Bereich des Innenmeniskus und des Knorpels, Bewegungseinschränkung des Kniegelenks, Muskelminderung des Beines mit vorderer Instabilität im Bereich des Kniegelenks, Umfangsvermehrung im Bereich des Kniegelenks und reizlose Narben nach Arthroskopie (Bescheid vom 12.8.2010; Widerspruchsbescheid vom 5.11.2010). Die Beklagte lehnte es ab, die Erstattungsforderung der Klägerin zu bezahlen. Das SG hat die mit 12 173,11 Euro bezifferte Klage abgewiesen (Urteil vom 27.2.2014). Das LSG hat die Berufung der Klägerin, mit der die den Erstattungsbetrag auf 12 838,53 Euro rechnerisch korrigiert hat, zurückgewiesen: Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung von 12 838,53 Euro für die in der Zeit vom 1.8. bis 28.12.2009 erbrachten Sozialleistungen (stationäre Krankenhausbehandlung, Heilmittel, Verletztengeld und getragene Sozialversicherungsbeiträge). Sie könne sich gegenüber der Beklagten nicht auf ihre gegenüber dem Versicherten erlassenen bestandskräftigen Bescheide berufen, denn sie entfalteten ihr gegenüber keine Bindungswirkung. Die Klägerin sei für die im betroffenen Zeitraum erbrachten Sozialleistungen zuständig. Mittelbare Folgen des Arbeitsunfalls mit Distorsion des linken Knies seien die Behandlung und AU infolge der Beschwerden aufgrund der mehrfachen Arthroskopien. Sie seien als unfallbedingte Heilbehandlung und als zur Aufklärung des Versicherungsfalls angeordnete Untersuchungen erfolgt (Urteil vom 21.7.2015).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 105 SGB X. Das LSG habe zu Unrecht die Bindungswirkung ihrer Bescheide verneint. Ihre im Streitzeitraum erbrachten Sozialleistungen seien bei zutreffender Würdigung der Gutachten nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen.

4

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juli 2015 und des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 12 838,53 Euro zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Zu Recht hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, denn das SG hat ihre Klage zutreffend abgewiesen. Der erkennende 1. Senat des BSG ist für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig und prozessual an einer Entscheidung nicht gehindert (dazu 1.). Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die erbrachten Sozialleistungen keinen Erstattungsanspruch (dazu 2.).

8

1. Der erkennende 1. Senat des BSG ist geschäftsplanmäßig für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Das Präsidium des BSG hat zutreffend die Zuständigkeit des 1. Senats bejaht (Sitzung vom 20.9.2016). In Streitigkeiten zwischen dem Bund, den Ländern, Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Behörden entscheidet nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG (GVPl) - vorbehaltlich der Regelungen unter Abschnitt I - derjenige Senat, der für das Rechtsgebiet zuständig ist, dem der erhobene Anspruch angehört. Bei Erstattungsstreitigkeiten ist der zugrunde liegende Leistungsanspruch maßgeblich; im Zweifel entscheidet derjenige Senat, der für die Streitigkeiten aus dem Aufgabengebiet des Beklagten zuständig ist (vgl RdNr 24 aller Fassungen des GVPl 2016, entsprechend RdNr 23 aller Fassungen des GVPl 2015). Das entspricht auch den Grundsätzen der Rechtsprechung des BSG: Ein Erstattungsanspruch ist demjenigen Rechtsgebiet zuzuordnen, aus dem sich die Leistungspflicht ergibt, auf die der Erstattungsanspruch letztlich gründet; denn dieses Rechtsgebiet gibt dem Erstattungsbegehren sein Gepräge (stRspr, vgl BSGE 18, 18, 21 = SozR Nr 2 zu § 31 SGG; BSGE 44, 133, 134 f = SozR 1500 § 31 Nr 1; BSGE 57, 15 = SozR 4100 § 105b Nr 1). Der GVPl trifft unter Abschnitt I für das streitige Erstattungsbegehren keine Regelung. Die Klägerin stützt ihren Erstattungsanspruch auf die Rechtsbehauptung, sie habe den Leistungsanspruch des Versicherten aus dem SGB V auf Krankenbehandlung und Krankengeld vom 1.8. bis 28.12.2009 erfüllt. Dieser behauptete Leistungsanspruch liegt dem geltend gemachten Erstattungsanspruch zugrunde. Es bedarf auch keiner Anrufung des Großen Senats wegen Divergenz (vgl § 41 Abs 2 SGG). Soweit der 2. Senat des BSG über einen Erstattungsanspruch einer Berufsgenossenschaft gegen eine KK entschieden hat, hat er keinen von Vorstehendem abweichenden Rechtssatz aufgestellt (vgl BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 49).

9

Im Revisionsverfahren fortwirkende prozessrechtliche Umstände, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. Der Versicherte war nicht notwendig beizuladen, weil der Versicherte die Natural- und Geldleistungen von der Klägerin bereits erhalten hatte und er diese Leistungen - unabhängig vom Ausgang des vorliegenden Erstattungsrechtsstreits - weder nochmals von der Beklagten beanspruchen könnte noch in Betracht kommt, dass er deren Wert der Klägerin wegen § 107 SGB X erstatten muss(vgl BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 3 RdNr 3 mwN; BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 6 RdNr 9; Becker SGb 2011, 84, 87). Einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG bedarf es im Erstattungsstreit nur dann, wenn sich die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X - anders als hier - auf weitere Rechte des Leistungsempfängers auswirkt(BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 6 RdNr 9; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 10a; vgl auch Röhl in Zeihe/Hauck, SGG, Stand 1.8.2016, Anm 15c aa zu § 75).

10

2. Die Klägerin hat keinen zulässigerweise mit der echten Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG, vgl BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 23 RdNr 7)verfolgten Anspruch auf Erstattung gegen die Beklagte, denn die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Regelung des § 105 Abs 1 S 1 SGB X sind nicht erfüllt. § 105 Abs 1 S 1 SGB X regelt, dass wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs 1 SGB X vorliegen, der zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig ist, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Der Erstattungsanspruch setzt ua voraus, dass ein unzuständiger Leistungsträger in der Annahme seiner Leistungszuständigkeit Sozialleistungen an den Leistungsberechtigten nicht nur vorläufig erbracht hat (dazu BSGE 58, 263, 273 f = SozR 2200 § 1237 Nr 20 S 55 f). Für die Leistung zuständig ist der Sozialleistungsträger, der im Hinblick auf den erhobenen Sozialleistungsanspruch nach materiellem Recht richtigerweise anzugehen, dh sachlich befugt (passiv legitimiert) ist (vgl BSG SozR 1300 § 105 Nr 5 S 13; BSGE 65, 31, 33 = SozR 1300 § 111 Nr 6 S 19; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 43 S 176; BSGE 84, 61, 62 = SozR 3-1300 § 105 Nr 5 S 14; BSG SozR 4-4300 § 126 Nr 3 RdNr 11). Die Klägerin ist in diesem Sinne für die in der Zeit vom 1.8. bis 28.12.2009 erbrachten Sozialleistungen stationäre Krankenhausbehandlung und Heilmittel weder aufgrund ihrer Entscheidung gegenüber dem Versicherten (dazu a) noch aus anderem Grund unzuständiger Leistungsträger (dazu b). Gleiches gilt für das in diesem Zeitraum gezahlte Verletztengeld nebst Beitragstragung (dazu c).

11

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie nicht schon wegen ihrer Verwaltungsentscheidung gegenüber dem Versicherten über stationäre Krankenhausbehandlung und Heilmittel ab 1.8.2009 "unzuständiger Leistungsträger". Die Beklagte war an der Verwaltungsentscheidung der Klägerin nicht beteiligt (§ 12 SGB X). Die "Tatbestandswirkung" der Entscheidung der Klägerin gegenüber dem Versicherten ist ohne Belang. Eine denkbare Tatbestandswirkung der Entscheidung ist allein auf den Verfügungssatz beschränkt, hier also das Bestehen der festgestellten Leistungsansprüche des Versicherten gegen die Klägerin bis zum 31.7.2009. Die Tatbestandswirkung (Drittbindungswirkung) von Verwaltungsakten besagt lediglich, dass Behörden und Gerichte die in einem bindenden Bescheid getroffene Regelung, solange sie Bestand hat, als verbindlich hinzunehmen und ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit ihren Entscheidungen zugrunde zu legen haben (vgl BSG SozR 4-1300 § 48 Nr 11 RdNr 16; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 42 f; BSGE 119, 298 = SozR 4-2500 § 16 Nr 1, RdNr 22 mwN). Die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff SGB X sind keine von der Rechtsposition des Berechtigten abgeleiteten, sondern eigenständige Ansprüche(stRspr, vgl zB BSGE 57, 146, 147 = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 3; BSGE 58, 119, 125 f mwN = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 24 mwN; BSG SozR 1300 § 104 Nr 6; BSGE 61, 66, 68 mwN = SozR 2200 § 182 Nr 104 S 222 mwN; BVerwGE 89, 39, 45 f; BVerwGE 91, 177, 185; BVerwGE 118, 52, 57 f). Eine Feststellungswirkung der Entscheidung besteht nicht. Sie müsste gesetzlich geregelt sei. Dies sieht das Gesetz aber nicht vor. Nur die Feststellungswirkung schließt auch Sachverhaltsmerkmale und rechtliche Wertungen in die "Bindung" mit ein (vgl BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 29 S 136; BSGE 119, 298 = SozR 4-2500 § 16 Nr 1, RdNr 22 mwN).

12

Das Gesetz steckt die Systemgrenzen der einzelnen Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuches - vorbehaltlich abweichender Spezialregelungen - regelmäßig nach objektiv zu ermittelnden Kriterien ab und nicht schon danach, was zB ein anderer Leistungsträger insoweit für zutreffend oder vertretbar erachtet hat; dies gilt im Kern in gleicher Weise für die sich dann ergebenden Konsequenzen in Gestalt von Erstattungsansprüchen (vgl bereits BSG Urteil vom 16.11.1984 - 8 RK 33/84 - USK 84213; BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 30). Es gibt keine durchgreifenden Gründe, die es rechtfertigen, in Fällen der vorliegenden Art ausnahmsweise von der Maßgeblichkeit objektiver Kriterien abzuweichen. Die Beklagte hat nur eine objektiv rechtmäßige Leistungsentscheidung der Klägerin hinzunehmen.

13

Anders, als die Klägerin meint, greift die Rechtsprechung nicht ein, wonach der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger diejenigen Einwendungen, die ihm gegenüber dem Leistungsanspruch des Berechtigten zustehen, im Falle der Geltendmachung auch gegenüber dem Erstattung begehrenden Leistungsträger erheben kann (BSGE 58, 119, 126 = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 24; BSGE 70, 99, 104 = SozR 3-1500 § 54 Nr 15 S 41; BSG SozR 1300 § 105 Nr 5 S 12; BFH Urteil vom 14.5.2002 - VIII R 88/01 - Juris RdNr 16 ff). Diese Rspr, die auch für den Einwand gilt, dass der Bescheid des auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträgers gegenüber dem Berechtigten in "Rechtskraft" erwachsen ist (vgl BSGE 58, 119, 126 = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 24 f), stützt sich darauf, dass der nachrangige oder unzuständige Leistungsträger bei der Geltendmachung der Erstattung die Entscheidung des vorrangigen oder zuständigen Leistungsträgers zu beachten hat. Dem korrespondiert das Recht des in Anspruch genommenen Leistungsträgers, sich auf seine bindenden Verwaltungsakte zu berufen (vgl BSGE 101, 86 = SozR 4-2500 § 51 Nr 2, RdNr 14; BSG SozR 4-2600 § 116 Nr 1 RdNr 13; BSGE 84, 80, 83 f = SozR 3-1300 § 104 Nr 15 S 56 f; BSGE 82, 226, 228 = SozR 3-2600 § 99 Nr 2 S 4; BSGE 72, 163, 166 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 14 f; BSGE 57, 146, 149 f = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 5). Hierbei handelt es sich um Erfordernisse der Funktionsfähigkeit des auf dem Prinzip der Aufgabenteilung beruhenden gegliederten Sozialleistungssystems (vgl BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 30; BSGE 84, 80, 83 f = SozR 3-1300 § 104 Nr 15 S 57; BSG SozR 3-1300 § 112 Nr 2 S 5; BSGE 57, 146, 149 f = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 5). Eine entsprechende Bindungswirkung im Erstattungsstreit besteht hierbei grundsätzlich selbst dann, wenn der Verwaltungsakt fehlerhaft ist (vgl BSGE 72, 163, 166 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 15; BSGE 82, 226, 228 = SozR 3-2600 § 99 Nr 2 S 4). Der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger ist nur dann nicht befugt, auf der Bindungswirkung seiner Entscheidung zu beharren, wenn diese sich als offensichtlich fehlerhaft erweist und sich dies zum Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirkt (vgl BSGE 101, 86 = SozR 4-2500 § 51 Nr 2, RdNr 14; BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 30; BSGE 72, 163, 168 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 17; BSGE 57, 146, 149 f = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 6). Um aufwendige Ermittlungen im Erstattungsstreit und damit Doppelprüfungen zu vermeiden, ist bei der Beurteilung einer offensichtlichen Unrichtigkeit (nur) auf die verfügbaren Entscheidungsgrundlagen abzustellen (vgl BSGE 101, 86 = SozR 4-2500 § 51 Nr 2, RdNr 15; BSG SozR 4-2600 § 116 Nr 1 RdNr 14, 18; BSG SozR 3-1300 § 86 Nr 3 S 6).

14

Vorliegend geht es demgegenüber um die Erheblichkeit der Verwaltungsentscheidung des als Erstattungsgläubiger Auftretenden. Insoweit bedarf es keiner Vertiefung, inwieweit die generelle Kritik an der aufgezeigten Rechtsprechung berechtigt ist (vgl dazu Kater in Kasseler Komm, Stand Juni 2016, § 105 SGB X RdNr 49; Krasney, KrV 2014, 1 ff; Prange in juris-PK-SGB X, Online-Ausgabe, § 105 RdNr 64 ff, Stand 1.9.2016).

15

Der faktisch in Vorleistung getretene (vermeintlich unzuständige) Leistungsträger ist weniger schutzwürdig als der Leistungsträger, der von diesem auf Erstattung in Anspruch genommen wird. Dem Erstattungsbegehren des (vermeintlich unzuständigen) Leistungsträgers nach § 105 SGB X geht nämlich ein Verwaltungsverfahren voraus, in dem dieser seine Leistungszuständigkeit prüfte und (zunächst) bejahte. Er hatte hierbei den Sachverhalt von Amts wegen bis zur Entscheidungsreife aufzuklären (§ 20 SGB X). Bei unklarer Zuständigkeit konnte er eine (nur) vorläufige Leistungsbewilligung nach Maßgabe des § 43 SGB I vornehmen(dazu BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 3 RdNr 5). Bejaht ein solcher Leistungsträger danach seine Zuständigkeit und bewilligt er dem Berechtigten Sozialleistungen, setzt er selbst die Ursache für den späteren Erstattungsstreit, falls er im Nachhinein zur Auffassung gelangt, doch nicht leistungszuständig zu sein. Der Umstand, dass der Erstattungsstreit aus der Sphäre des Erstattung begehrenden Trägers herrührt, ist ein wesentlicher Grund für die Auffassung, dass dem auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträger der Einwand erhalten bleiben muss, bestandskräftig über den Leistungsanspruch des Versicherten entschieden zu haben. Würde man auch dem Erstattung begehrenden Leistungsträger das Recht einräumen, sich im Erstattungsstreit gegenüber dem auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträger auf die Bindungswirkung seiner Bescheide zu berufen, würde dieser Gesichtspunkt ausgeblendet.

16

Auch erlangt in einem solchen Fall der grundsätzliche Einwand besonderes Gewicht, dass die Bindungswirkung die Rechtsschutzmöglichkeiten des anderen Leistungsträgers einschränkt (vgl Krasney, KrV 2014, 1, 4, 9). Dem bislang nicht mit dem Leistungsbegehren des Berechtigten konfrontierten (vermeintlich zuständigen) Leistungsträger würden hierdurch regelmäßig sämtliche Einwendungen genommen, die er dem Berechtigten hätte entgegenhalten können. Diese Folge träte ein, obwohl er keine Möglichkeit hatte, den Sachverhalt eigenständig aufzuklären. Das wäre besonders gravierend, wenn er sich nur auf eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung des Erstattungsgläubigers berufen könnte und bei dieser Prüfung (nur) auf die vorhandenen Ermittlungsergebnisse abzustellen wäre. Der als Erstattungsgläubiger Auftretende hätte es in der Hand, den Ausgang des Erstattungsstreits durch den Umfang der eigenen Sachverhaltsermittlungen zu determinieren. Eine solch weitgehende einseitige Gestaltungsmöglichkeit ist missbrauchsanfällig. Sie gäbe Leistungsträgern die Gelegenheit, eine der gesetzlichen Aufgabenverteilung im gegliederten Leistungssystem entsprechende Lastenverteilung zu vereiteln. Dies widerspräche erkennbar der Pflicht der Leistungsträger, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch eng zusammenzuarbeiten (§ 86 SGB X), und der Zielsetzung der Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff SGB X. Auch die Funktionsfähigkeit des gegliederten Systems spricht dafür, im Erstattungsstreit der Verwaltungsentscheidung des als Erstattungsgläubiger Auftretenden gegenüber dem Leistungsberechtigten keine Bedeutung beizumessen.

17

Das Ergebnis steht in Einklang mit der früheren Rechtsprechung des BSG zum spezialgesetzlich geregelten Erstattungsanspruch des unzuständigen Krankenversicherungsträgers gegenüber dem zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 1504 RVO. Hiernach entfalteten auch bestandskräftige Verwaltungsakte des Unfallversicherungsträgers gegenüber dem Versicherten für das Erstattungsbegehren der KK keine Bindung. Die KK war danach auch nicht Beteiligte iS des § 77 SGG. Der Bescheid des Unfallversicherungsträgers griff gegenüber dem Versicherten nicht unmittelbar in die Rechtsphäre der KK ein (zB BSGE 24, 155, 156 = SozR Nr 2 zu § 1504 RVO; BSG Urteil vom 26.5.1966 - 2 RU 91/62 - Juris RdNr 22). Das BSG übertrug diese Rechtsprechung auch auf Konstellationen, in denen ein Unfallversicherungsträger nach § 1509a RVO von der zuständigen KK Ersatz seiner Aufwendungen verlangte(BSG Urteil vom 27.1.1976 - 8 RU 64/75 - Juris RdNr 17, in SozR 2200 § 1509a Nr 1 nur in Auszügen wiedergegeben).

18

b) Die Klägerin war für die in der Zeit vom 1.8. bis 28.12.2009 erbrachten Sozialleistungen (stationäre Krankenhausbehandlung und Heilmittel) die zuständige Trägerin nach materiellem Recht. Auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) besteht kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind (vgl § 11 Abs 5 SGB V, hier anzuwenden idF durch Art 1 Nr 7 Buchst a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378 mWv 1.4.2007). Durch einen Arbeitsunfall geschädigte Versicherte haben gegenüber dem zuständigen Unfallversicherungsträger ua Anspruch auf stationäre Behandlung und Versorgung mit Heilmitteln (§ 26 Abs 1 S 1 iVm § 27 Abs 1 Nr 4 und 6, § 30, § 34 SGB VII). Die Unfallversicherungsträger gewähren Heilbehandlung einschließlich ärztlich verordneter Heilmittel, um den durch den Versicherungsfall iS des § 7 SGB VII verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern(§ 26 Abs 2 Nr 1, § 30, § 34 SGB VII).

19

Folgen eines Arbeitsunfalls sind ua auch Gesundheitsschäden infolge der Durchführung einer Heilbehandlung oder der zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung (§ 11 Abs 1 Nr 1 und Nr 3 SGB VII). Durch diese Regelung werden Gesundheitsschäden, die durch die Erfüllung der in ihr umschriebenen Tatbestände wesentlich verursacht wurden, dem Versicherungsfall "auch" dann zugerechnet, wenn sie nicht spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls wesentlich verursacht wurden. § 11 SGB VII stellt eine spezielle Zurechnungsnorm dar, die Gesundheitsschäden auch dann einem anerkannten Versicherungsfall zurechnet, wenn sie etwa durch die Durchführung einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich verursacht wurden(vgl BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 33 mwN; BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909 RdNr 25). Hierfür genügt es, dass der Verletzte, der einen Arbeitsunfall erlitten hat, von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, dass die Heilbehandlung, zu deren Durchführung er sich begeben hat, geeignet ist, der Beseitigung oder Besserung der durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsstörungen zu dienen, weil sie die Mitwirkung an einer vom Träger angeordneten ärztlichen Maßnahme betrifft, auch wenn sich später herausstellt, dass in Wirklichkeit kein Versicherungsfall vorlag. Allerdings setzt die Zurechnung eines Gesundheitsschadens, der rechtlich wesentlich durch eine iS von § 11 Abs 1 SGB VII vom Unfallversicherungsträger angeordnete Maßnahme verursacht wurde, die bisherige Rechtsprechung eingrenzend voraus, dass der Träger oder seine Leistungserbringer gegenüber dem durch die Verrichtung einer bestimmten versicherten Tätigkeit Versicherten durch (festgestellte) Handlungen den Anschein begründet haben, die Behandlungs- oder Untersuchungsmaßnahme erfolge zur Behandlung von Unfallfolgen oder zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalles oder einer Unfallfolge(vgl BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909 RdNr 26). Auch die Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen einer Gesundheitsstörung und einer der nach § 11 Abs 1 SGB VII tatbestandlichen Maßnahmen erfolgt nach der Theorie der wesentlichen Bedingung(vgl BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909 RdNr 27).

20

Nach den nicht mit zulässigen Rügen angegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG), die es ausgehend von der dargelegten Rechtsprechung getroffen hat, erfolgten die stationäre Behandlung und die Versorgung des Versicherten mit Heilmitteln zur Behandlung von Unfallfolgen in diesem Sinne. Die ersten beiden Arthroskopien auf Veranlassung des Durchgangsarztes hatten den Zweck, die Folgen der durch MRT-Befunde gesicherten Schädigung des linken Kniegelenkes zu beseitigen oder zu bessern (Heilbehandlung, § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII). Die dritte Arthroskopie während eines stationären Heilverfahrens in der BG Klinik L. erfolgte einerseits zu diagnostischen Zwecken (Aufklärung des Sachverhalts iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII) und andererseits auch zur Heilbehandlung bei weiterhin bestehenden Beschwerden (Teilsynovektomie und Hoffateilrestriktion, § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII).

21

Soweit die Klägerin in der Revisionsbegründung mit ihren Hinweisen auf einen für einen Meniskus- und Knorpelschaden ungeeigneten Unfallhergang und vermeintlich fehlende schlüssige "Hinweise in den vorliegenden Unterlagen" prozessuale Rügen gegen die Feststellungen des LSG erheben will, sind diese unzulässig. Abgesehen von der Unklarheit der Zielrichtung der Rügen bezeichnet die Klägerin nicht iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG alle Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen(vgl § 164 Abs 2 S 3 SGG; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN; siehe ferner BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 68 ff mwN, insoweit nicht abgedruckt in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl zum Ganzen BSGE 118, 225 = SozR 4-2500 § 109 Nr 45, RdNr 24; BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Daran fehlt es.

22

Das gilt auch, soweit die Klägerin sinngemäß mit der Revision rügen will, das LSG habe es unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) unterlassen, die tatsächlichen Voraussetzungen der Feststellung mittelbarer Unfallfolgen ausreichend zu ermitteln. Sie bezeichnet ebenfalls iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen. Notwendig hierfür ist eine Darlegung der Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (vgl BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 15; zum Ganzen BSGE 118, 225 = SozR 4-2500 § 109 Nr 45, RdNr 25 mwN). Daran fehlt es.

23

c) Rechtmäßig hat das LSG auch die Leistungszuständigkeit der Klägerin für die Gewährung von Verletztengeld vom 1.8. bis 28.12.2009 und für die hieran anknüpfende Beitragstragung bejaht. Auf die eigene Verwaltungsentscheidung der Klägerin gegenüber dem Versicherten kommt es aus den dargelegten Gründen nicht an (vgl oben II. 2 a). Nach materiellem Recht war der Versicherte nach den bindenden Feststellungen des LSG infolge der oben aufgezeigten Unfallfolgen in diesem Zeitraum nach ärztlicher Feststellung arbeitsunfähig. Anspruch auf Verletztengeld besteht ua, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und - wie der Versicherte - unmittelbar vor Beginn der AU oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder auf Verletztengeld hatten (§ 45 Abs 1 Nr 1 und Nr 2 SGB VII). AU setzt voraus, dass der Versicherte aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (BSG SozR 4-2700 § 46 Nr 3 RdNr 12; vgl zur stRspr in der GKV zB BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 9; BSGE 98, 33 = SozR 4-2500 § 47 Nr 6, RdNr 11; BSGE 85, 271, 273 = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 12 f). So lag es hier. Der Versicherte war nach den bindenden Feststellungen des LSG im Zeitraum vom 1.8. bis 28.12.2009 wegen der Schmerzhaftigkeit des linken Kniegelenks und einer erheblich eingeschränkten Belastbarkeit wesentlich infolge der aufgezeigten Unfallfolgen nicht in der Lage, seine Beschäftigung als Maschinenführer auszuüben.

24

Die Klägerin hatte als der zuständige Rehabilitationsträger die aufgrund des Bezugs von Verletztengeld (Folge: Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft, § 192 Abs 1 Nr 3 SGB V) zu zahlenden Beiträge zu tragen, und zwar zur GKV (vgl § 251 Abs 1 SGB V idF durch Art 5 Nr 32 Buchst a Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046, mWv 1.7.2001), zur sozialen Pflegeversicherung (vgl § 49 Abs 2 SGB XI idF durch Art 10 Nr 3 Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.3.1997, BGBl I 594, mWv 1.1.1998 iVm § 59 Abs 4 S 2 Nr 1 SGB XI idF durch Art 4 Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15.12.1995, BGBl I 1824, mWv 1.1.1995), zur gesetzlichen Rentenversicherung (vgl § 170 Abs 1 Nr 2a SGB VI idF durch Art 5 Nr 5 Buchst a Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848, mWv 1.1.2004, iVm § 3 S 1 Nr 3 SGB VI idF durch Art 6 Nr 2 Buchst a Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, mWv 1.1.2005) und zur Arbeitsförderung (vgl § 347 Nr 5 SGB III idF durch Art 1 Nr 3e Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621, mWv 1.4.2003 iVm § 26 Abs 2 Nr 1 SGB III idF durch Art 1 Nr 1 Buchst a Viertes Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004, BGBl I 2902, mWv 1.1.2004).

25

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

(1) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden.

(2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

(3) Unpfändbar sind Ansprüche auf

1.
Elterngeld bis zur Höhe der nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes anrechnungsfreien Beträge sowie dem Erziehungsgeld vergleichbare Leistungen der Länder,
2.
Mutterschaftsgeld nach § 19 Absatz 1 des Mutterschutzgesetzes, soweit das Mutterschaftsgeld nicht aus einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit herrührt, bis zur Höhe des Elterngeldes nach § 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, soweit es die anrechnungsfreien Beträge nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes nicht übersteigt,
2a.
Wohngeld, soweit nicht die Pfändung wegen Ansprüchen erfolgt, die Gegenstand der §§ 9 und 10 des Wohngeldgesetzes sind,
3.
Geldleistungen, die dafür bestimmt sind, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen.

(4) Im übrigen können Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.

(5) Ein Anspruch des Leistungsberechtigten auf Geldleistungen für Kinder (§ 48 Abs. 1 Satz 2) kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird, gepfändet werden. Für die Höhe des pfändbaren Betrages bei Kindergeld gilt:

1.
Gehört das unterhaltsberechtigte Kind zum Kreis der Kinder, für die dem Leistungsberechtigten Kindergeld gezahlt wird, so ist eine Pfändung bis zu dem Betrag möglich, der bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes dieser Kinder entfällt. Ist das Kindergeld durch die Berücksichtigung eines weiteren Kindes erhöht, für das einer dritten Person Kindergeld oder dieser oder dem Leistungsberechtigten eine andere Geldleistung für Kinder zusteht, so bleibt der Erhöhungsbetrag bei der Bestimmung des pfändbaren Betrages des Kindergeldes nach Satz 1 außer Betracht.
2.
Der Erhöhungsbetrag (Nummer 1 Satz 2) ist zugunsten jedes bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigten unterhaltsberechtigten Kindes zu dem Anteil pfändbar, der sich bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Leistungsberechtigten berücksichtigt werden, ergibt.

(6) In den Fällen der Absätze 2, 4 und 5 gilt § 53 Abs. 6 entsprechend.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.

(2) Hat der Berechtigte Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger, gilt der Anspruch als erfüllt, den der Träger, der die Sozialleistung erbracht hat, bestimmt. Die Bestimmung ist dem Berechtigten gegenüber unverzüglich vorzunehmen und den übrigen Leistungsträgern mitzuteilen.

(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden.

(2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

(3) Unpfändbar sind Ansprüche auf

1.
Elterngeld bis zur Höhe der nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes anrechnungsfreien Beträge sowie dem Erziehungsgeld vergleichbare Leistungen der Länder,
2.
Mutterschaftsgeld nach § 19 Absatz 1 des Mutterschutzgesetzes, soweit das Mutterschaftsgeld nicht aus einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit herrührt, bis zur Höhe des Elterngeldes nach § 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, soweit es die anrechnungsfreien Beträge nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes nicht übersteigt,
2a.
Wohngeld, soweit nicht die Pfändung wegen Ansprüchen erfolgt, die Gegenstand der §§ 9 und 10 des Wohngeldgesetzes sind,
3.
Geldleistungen, die dafür bestimmt sind, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen.

(4) Im übrigen können Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.

(5) Ein Anspruch des Leistungsberechtigten auf Geldleistungen für Kinder (§ 48 Abs. 1 Satz 2) kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird, gepfändet werden. Für die Höhe des pfändbaren Betrages bei Kindergeld gilt:

1.
Gehört das unterhaltsberechtigte Kind zum Kreis der Kinder, für die dem Leistungsberechtigten Kindergeld gezahlt wird, so ist eine Pfändung bis zu dem Betrag möglich, der bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes dieser Kinder entfällt. Ist das Kindergeld durch die Berücksichtigung eines weiteren Kindes erhöht, für das einer dritten Person Kindergeld oder dieser oder dem Leistungsberechtigten eine andere Geldleistung für Kinder zusteht, so bleibt der Erhöhungsbetrag bei der Bestimmung des pfändbaren Betrages des Kindergeldes nach Satz 1 außer Betracht.
2.
Der Erhöhungsbetrag (Nummer 1 Satz 2) ist zugunsten jedes bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigten unterhaltsberechtigten Kindes zu dem Anteil pfändbar, der sich bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Leistungsberechtigten berücksichtigt werden, ergibt.

(6) In den Fällen der Absätze 2, 4 und 5 gilt § 53 Abs. 6 entsprechend.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.