Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 06. Aug. 2015 - 2 LB 7/15

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2015:0806.2LB7.15.0A
bei uns veröffentlicht am06.08.2015

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 2. Kammer-vom 06.11.2014 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer.

2

Er hatte ab dem 01.01.2006 in der Wohnanlage ... im Gebiet der Beklagten ein möbliertes Appartement angemietet und sich dort auch zum 01.03.2003 mit erstem Wohnsitz angemeldet. Zum 26.09.2011 meldete sich der Kläger mit seinem ersten Wohnsitz an die Anschrift ... in ... um; dort unterhielt und unterhält der Kläger seine Rechtsanwaltskanzlei.

3

Mit einem an die ... Anschrift gerichteten Schreiben vom 01.03.2012 schrieb die Beklagte den Kläger daraufhin an und wies ihn auf die seit der Ummeldung eventuell bestehende Zweitwohnungssteuerpflicht hin. Mit Schreiben vom 17.04.2012 erklärte der Kläger, er wohne unter der angegebenen Anschrift in Malente und habe sein Büro in .... In Malente halte er sich nahezu ausschließlich zum Schlafen auf und auch das nur während der Wintermonate, weil er im Sommer überwiegend auf einer Segelyacht in Kiel wohne. Während der üblichen Geschäftszeiten halte er sich in seinem Büro auf bzw. sei über sein Büro erreichbar. Das Büro bilde sozusagen den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse, obwohl er dort keine Schlafstelle vorhalte, sondern nur arbeite.

4

Behörden und zunehmend auch private Verkehrskreise bestünden darauf, Postverkehr ausschließlich über die sogenannte Wohnanschrift zu führen, die sich aus dem Personalausweis ergeben solle. Er sei aus den geschilderten Gründen heraus in Malente nicht postalisch erreichbar und wolle es auch gar nicht sein. In ... halte er ein Büro mit Kanzleischild und Briefkasten sowie ein Postfach vor. Diese Organisationsstrukturen gewährleisteten seine Erreichbarkeit während der üblichen Geschäftszeiten und darüber hinaus. In Malente sei sein Postzugang nicht gesichert; er halte dort auch keinen Briefkasten vor. Ausschließlicher Grund für die Ummeldung sei Gewährleistung der postalischen Erreichbarkeit. Wohnung i.S.d. Gesetzes verstehe sich als der Ort, der den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse abbilde. Die sei, jeweils für sich genommen, weder Malente noch ... . Über... sei aber wenigstens sicher gestellt, dass er dort erreichbar sei.

5

Mit Bescheid vom 25.04.2012 veranlagte die Beklagte den Kläger für den Zeitraum vom 01.10. bis 31.12.2011 zu einer Zweitwohnungssteuer i.H.v. 143,25 € und setzte für das Jahr 2012 eine Vorauszahlung i.H.v. 580,-- € fest. Hiergegen erhob der Kläger am 10.05.2012 „Einspruch". Sein Büro in ... sei keine „Wohnung", da es über keinerlei Ausstattungen verfüge, die zum Wohnen oder Schlafen genutzt werden könnten. Es sei lediglich und ausschließlich für Arbeitszwecke geeignet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Wohnung („Gesamtheit von Räumen, die zum Wohnen oder Schlafen benutzt werden kann"), erfülle allein und ausschließlich die Wohnung in Malente. Andere Wohnungen habe er nicht. Die Anmeldung in ... sei allein wegen der postalischen Erreichbarkeit erfolgt.

6

Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 16.08.2012 zurückgewiesen, dem Kläger zugestellt am 18.08.2012. Am 17.09.2012 erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht.

7

Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen: Gemäß § 2 der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten sei eine Zweitwohnung jede Wohnung, über die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs oder dem seiner Familienmitglieder verfügen könne. Seine Wohnung in Malente sei zwar eine solche Wohnung, jedoch bestehe sie nicht neben einer „Hauptwohnung", weil es eine zweite Wohnung und erst recht eine Hauptwohnung nicht gebe. Sein Büro ... erfülle die Mindestanforderungen an eine Wohnung noch nicht einmal ansatzweise. Es gebe dort insbesondere kein Bett, keine Küche, kein Bad und insgesamt nichts, was für etwas anderes als ausschließlich gewerbliche beziehungsweise berufliche Tätigkeit geeignet wäre. Es gebe dort ausschließlich Büroräumlichkeiten und eine Toilette.

8

Zu Unrecht leite die Beklagte die Steuerpflicht ausschließlich aus einer melderechtlichen Indizierung her, also daher, dass er nicht in Malente, sondern in ... gemeldet sei. Nach der Rechtsprechung dürfe die Zweitwohnungssteuerpflicht zwar grundsätzlich an die melderechtlichen Meldeverhältnisse anknüpfen, jedoch gelte dies nicht, sofern diese nachweislich unrichtig seien. In diesen Fällen sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vielmehr auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine andere Sicht der Dinge sei auch nicht aufgrund der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 05.09.2013 in dem Verfahren 4 LB 23/12 gerechtfertigt. Der dortigen Klägerin hätten zwei Wohnungen zur Verfügung gestanden, von denen jede sowohl Haupt- als auch Nebenwohnung hätte sein können. Aus steuerlichen oder sonstigen Gründen habe sich die dortige Klägerin melderechtlich für eine dieser Wohnungen als Hauptwohnung entschieden. Nachdem sie dann wegen der anderen Wohnung zur Zweitwohnungssteuer herangezogen worden sei, habe sie versucht geltend zu machen, der von ihr selbst erzeugte melderechtliche Status sei falsch, weil tatsächlich diejenige Wohnung ihre Hauptwohnung sei, für die sie nun Zweitwohnungssteuer bezahlen solle. Diese Entscheidung habe mit seinem Fall nichts zu tun. Das OVG Schleswig habe es in der besagten Entscheidung mit zwei nutzungsmäßig theoretisch gleichartigen Wohnungen zu tun gehabt. In seinem Fall gäbe es aber nur eine Wohnung, nämlich die in Malente. Das Büro in ... sei nun einmal keine Wohnung. Vielmehr lasse sich die von ihm vertretene Auffassung auf diese besagte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stützen. Das Oberverwaltungsgericht habe nämlich ausgeführt, dass auch in den Fällen, in denen eine Wohnung im Melderegister als Nebenwohnung bezeichnet sei, eine Zweitwohnungssteuer gleichwohl nur erhoben werden könne, wenn auch eine Hauptwohnung existiere. Diese Voraussetzung fehle hier indes. Im Übrigen verbleibe es dabei, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, etwa das Urteil vom 17.09.2008 zum Aktenzeichen 9 C 17/07, die Anknüpfung an die melderechtlichen Verhältnisse im Rahmen der Zweitwohnungssteuerfestsetzung dann nicht in Betracht komme, wenn diese nachweislich unrichtig seien. Auch diese Voraussetzung läge hier vor.

9

Er müsse heute erkennen, dass das Melderecht nicht geeignet gewesen sei, ein postalisches Problem zu lösen und er räume auch ein, sich in Unwissenheit über die gesetzlichen Vorgaben des Melderechts falsch verhalten zu haben. Gleichwohl sei dies steuerrechtlich nicht ausreichend, um eine Steuerpflicht zu begründen. Mittlerweile habe er sich erfolgreich rückwirkend zum 26.09.2011 wieder in Malente an- und in ... abgemeldet. Durch die melderechtliche Richtigstellung sei auch die von der Beklagten herangezogene Fiktion entfallen, er sei nach dem 26.09.2011 in ... gemeldet gewesen.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

den Zweitwohnungssteuerbescheid der Beklagten vom 25.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2012 aufzuheben.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Sie hat die angefochtenen Bescheide weiterhin für rechtens gehalten. Ein Steuerpflichtiger drücke durch die Anmeldung einer Wohnung als Hauptwohnung (in diesem Fall in ...) aus, dass er diese (Erst-) Wohnung nutze und folglich in diesen Räumen auch sein allgemeines Wohnbedürfnis befriedige. Aufgrund der durch die melderechtliche Erklärung begründeten Indizienwirkung komme es auf die Art und Weise, wie die Erstwohnung vom Steuerpflichtigen tatsächlich genutzt werde, nicht mehr an. Die Motive, die den Kläger seinerzeit veranlasst hätten, seinen Hauptwohnsitz nach ... zu verlegen, seien daher nicht bedeutsam. Diese Indizienwirkung könne auch nicht dadurch beseitigt werden, dass der Kläger nachträglich und offensichtlich mit dem einzigen Ziel, die bereits gegen ihn festgesetzte Steuer zu vermeiden, die Änderung seines Wohnsitzes auch für die Vergangenheit anmelde. Der Versuch des Klägers, die Anmeldung seines Wohnsitzes in ... aus dem Jahre 2011 nun zu „korrigieren“ und damit auch den aus der damaligen Anmeldung resultierenden steuerlichen Konsequenzen die Grundlage zu entziehen, müsse scheitern. Sie, die Beklagte, werde dieser Meldung lediglich für die Zukunft Rechnung tragen.

15

Entgegen der Auffassung des Klägers habe er auch nicht nur über eine Wohnung verfügt. Der Kläger habe die Räume, die er in ... nutze, zu seinem Hauptwohnsitz erklärt. Objektiv seien die Räume auch als Wohnung geeignet. Wenn der Kläger darin in kleinem Umfange auch seinen Beruf ausübe, schließe dies nicht aus, dass die Räume überwiegend Wohnzwecken dienten. Es seien alle Einrichtungen einschließlich der sanitären Anlagen vorhanden, die ein Wohnen in den Räumen nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich machten. Es müsse auch angenommen werden, dass der Kläger in der Zeit seiner Veranlagung zur Zweitwohnungssteuer tatsächlich den Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen in ... gehabt und dort vorwiegend gelebt habe. Selbst wenn der Kläger in der fraglichen Zeit nicht seinen Lebensmittelpunkt in ... gehabt haben sollte, hätte er als jemand, der beruflich mit der Materie vertraut ist, wahrheitswidrige Angaben gegenüber der Meldebehörde gemacht. Diese müsse er sich zurechnen lassen. Der Kläger habe den Tatbestand, den er selbst durch bewusst gegen rechtliche Vorschriften verstoßenes aktives Handeln herbeigeführt habe, als Tatbestandswirkung gegen sich gelten zu lassen. Diese Tatbestandswirkung entfalle nicht durch eine rückwirkende Abmeldung aus ... und die Anmeldung des Hauptwohnsitzes in Malente. Es könne nicht angenommen werden, dass daraus eine entgegengesetzte Tatbestandswirkung entfalle, zumal angesichts des die wahren Verhältnisse verschleiernden Verhaltens des Klägers nicht sicher sei, welche der beiden Anmeldungen fehlerhaft gewesen sei. Sie, die Beklagte, sehe sich in dieser Auffassung bestätigt durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 03.06.2013 in dem vom Kläger durchgeführten Eilverfahren, wonach der Kläger an seinen eigenen Angaben festzuhalten sei. Das Oberverwaltungsgericht habe ausgeführt, dass dann, wenn die Eintragungen im Melderegister auf einem aktiv gestaltenden Handeln des Betroffenen Bürgers beruhten, es diesem regelmäßig verwehrt sei, sich auf die Unrichtigkeit der von ihm erwirkten Eintragungen zu berufen.

16

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 06.11.2014 stattgegeben. Dem Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom 17.03.2015 stattgegeben.

17

Die Beklagte trägt vor: Das Urteil weiche von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts ab, weil es die Bedeutung des klägerischen Meldeverhaltens verkenne. Darüber hinaus seien die vom Kläger auch als Büro genutzten Räume durchaus zum Wohnen geeignet. Die Entscheidung des Beklagten könne nicht als rechtsfehlerhaft eingestuft werden, wenn sie nichts anderes getan habe, als die Richtigkeit und Ehrlichkeit des Meldeverhaltens des Klägers zu unterstellen und seine Angaben zugrunde zu legen. Der Kläger habe seine Ummeldung von ... nach Malente erst vorgenommen, nachdem das Verwaltungsgericht ihm signalisiert habe, dass seine Klage keinen Erfolg haben werde.

18

Auch nach der neueren Ummeldung sei der Kläger weiterhin unter der Anschrift in Malente postalisch nicht erreichbar. Deshalb habe eine öffentliche Zustellung vorgenommen werden müssen.

19

Die Beklagte beantragt,

20

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

21

Der Kläger beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Er hält das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend.

24

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil zu Unrecht stattgegeben. Die Bescheide der Beklagten vom 25.04.2012 und vom 16.08.2012 sind rechtmäßig.

26

Der Kläger hat im Gebiet der Beklagten und damit im räumlichen Geltungsbereich der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde Malente eine Wohnung, die im streitgegenständlichen Zeitraum, nämlich in der Zeit vom 01.10.2011 bis zum 31.12.2011, seine Zweitwohnung war. Dies war im Beginn des Jahres 2012 für das Jahr 2012 ebenfalls abzusehen. Der Kläger hatte sich nämlich zum 26.09.2011 mit Erstwohnsitz nach ... umgemeldet und die Wohnung in Malente als Zweitwohnsitz weiterhin innegehalten. Dies folgt daraus, dass sich der Kläger nach dem Melderecht entsprechend angemeldet hatte.

27

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats richtet sich im Falle mehrerer innegehaltener Wohnungen die Abgrenzung von Zweit- und Hauptwohnung nach dem Melderecht, dem ein objektivierter Hauptwohnungsbegriff zugrunde liegt (vgl. Thiem/Böttcher, Rn 274 zu § 3 KAG mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die von der Meldebehörde vorgenommene Einstufung als Hauptwohnung bzw. Zweitwohnung hat für das Zweitwohnungssteuerrecht Tatbestandswirkung. Der Gemeinde ist es verwehrt, eine vom Melderecht abweichende Bestimmung als Hauptwohnung vorzunehmen. Solange die Eintragung einer Wohnung als Nebenwohnung im Melderegister Bestand hat, ist die Wohnung - ungeachtet der Rechtmäßigkeit - Zweitwohnung i.S.d. Zweitwohnungssteuerrechts. Gegen unrichtige und deshalb rechtswidrige Eintragungen im Melderegister hat sich der Betroffene zur Wehr zu setzen (Senatsbeschl. v. 15.06.2005 - 2 LA 37/05 -).

28

Diese ständige Rechtsprechung des Senats (seit Urt. v. 25.06.1991 - 2 L 58/91 -, SchlHA 1992, 80) hatte auch der zwischenzeitlich zuständige 4. Senat aufrechterhalten (OVG SL, Urt. v. 05.09.2013 - 4 LB 23/12 -). Auch nach der Rechtsprechung jenes Senats hat das Melderecht weiterhin nicht lediglich Indizwirkung hinsichtlich der Frage der Hauptwohnung (so wohl OVG Nds., Beschl. v. 27.01.2010 - 9 LA 318/08 -, NVwZ-RR 2010, 538; VGH BW, Beschl. v. 25.02.2013 - 2 S 2515/12 -, NVwZ-RR 2013, 658 zum jeweiligen dortigen Landesrecht), sondern Tatbestandswirkung mit der Folge, dass - unabhängig von der Richtigkeit der Eintragung im Melderegister - eine dort als Hauptwohnung verzeichnete Wohnung zweitwohnungssteuerrechtlich als Hauptwohnung gilt.

29

Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, ob und inwieweit die vom Steuerpflichtigen als Erstwohnung bestimmte Wohnung auch tatsächlich zu Wohnzwecken geeignet ist.

30

Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 17.09.2008 (- BVerwG 9 C 17.07 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 24, - BVerwG 9 C 13.07 -, - BVerwG 9 C 14.07 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 25 BVerwG 9 C 15.07 -). entschieden hat, kommt es bundesrechtlich nur darauf an, dass mit der Erstwohnung das Grundbedürfnis Wohnen als Teil des persönlichen Lebensbedarfs abgedeckt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ein Steuerpflichtiger die Erstwohnung als Hauptwohnung angemeldet hat. Damit erklärt der Steuerpflichtige, dass er die Erstwohnung vorwiegend benutzt (vgl. § 14 Abs. 4 LMG). Dies indiziert wiederum, dass dort auch typischerweise das allgemeine Wohnbedürfnis abgedeckt wird. Denn es ist im Allgemeinen nicht davon auszugehen, dass jemand eine Wohnung vorwiegend benutzt, die das allgemeine Wohnbedürfnis nicht befriedigt, und nicht eine ihm zur Verfügung stehende weitere Wohnung, welche die Voraussetzungen dafür bietet. Wird somit das menschliche Grundbedürfnis "Wohnen" bereits in der als Hauptwohnung angemeldeten Erstwohnung gedeckt, stellt das Innehaben einer weiteren Wohnung einen zusätzlichen Aufwand dar, der typischerweise eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziert (vgl. Urteil vom 29. November 1991 a.a.O.). Daher ist für die Erfüllung des Aufwandsbegriffs bundesrechtlich unerheblich, ob das Grundbedürfnis Wohnen in einer als Hauptwohnung angemeldeten Erstwohnung dadurch erfüllt wird, dass der Steuerpflichtige über den entsprechenden Wohnraum in rechtlich abgesicherter Weise verfügen darf oder diesen etwa nur als Besitzdiener (§ 855 BGB; vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - I ZB 56/07 - NJW 2008, 1959 f. m.w.N.) nutzt, ob es sich um eine abgeschlossene Wohnung, nur ein Zimmer oder lediglich nur um eine "Mitwohnmöglichkeit" handelt (BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 - 9 C 7.08 -, Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 28 = NVwZ 2009, 1437= KStZ 2009, 230).

31

Der Abgaben erhebenden Körperschaft ist es verwehrt, eine vom Melderegister abweichende Bestimmung der Hauptwohnung vorzunehmen (vgl. Senatsbeschl. v. 25.08.1994 - 2 M 59/94 -, Die Gemeinde 1994, 330 m.w.N.; Urt. v. 20.03.2002 - 2 L 136/00 -, NVwZ- RR 2002, 528). Mit der Einführung des objektiven Hauptwohnungsbegriffs in § 12 Abs. 2 MRRG (BGBl. I 1980 S. 1429) und den Ausführungsgesetzen der Länder war der übereinstimmende Wille von Bundes- und Ländergesetzgeber verbunden, aus den im Melderecht festgeschriebenen objektivierten Begriffen unmittelbar Schlussfolgerungen auf bestehende Rechte und Pflichte der der Meldepflicht unterworfenen Personen zu ziehen. Auch die Zweitwohnungssteuerpflicht ist daran gekoppelt; der Landesgesetzgeber hat seinerzeit die Einführung des objektivierten Hauptwohnungsbegriffs als bedeutsam für die eindeutige Festlegung der Hauptwohnung u.a. im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Bürger angesehen und ausdrücklich auf die Erhebung der Zweitwohnungssteuer Bezug genommen (SH LT, 10. Wahlperiode, Plenarprotokoll der 13. Sitzung S. 6633).

32

Dieser von der Tatbestandswirkung des Melderechts hinsichtlich der Hauptwohnung ausgehenden Rechtsauffassung lässt sich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere die Entscheidung vom 13. Mai 2009 (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 - 9 C 7/08 -, NVwZ 2009, 1437; vgl. auch schon Urt. v. 17.09.2008 - 9 C 17/07 -, NJW 2009, 1097), nicht durchgreifend entgegenhalten.

33

Das Bundesverwaltungsgericht führt in dieser Entscheidung aus, der Satzungsgeber dürfe ohne Rücksicht auf einzelne Umstände der Wohnungsnutzung die Steuerpflicht von den melderechtlichen Erklärungen des Steuerpflichtigen abhängig machen. Denn es sei davon auszugehen, dass das allgemeine Wohnbedürfnis in der Regel in der als Hauptwohnung gemeldeten Wohnung gedeckt werde und das Innehaben der als Nebenwohnung gemeldeten Wohnung daher einen zusätzlichen Aufwand darstelle. Bundesrecht sei nur dann verletzt, wenn selbst nachweislich unrichtige melderechtliche Verhältnisse für die Steuerpflicht maßgebend seien. So dürfe mangels eines tatsächlichen Aufwands etwa der Einwand nicht irrelevant sein, die als Nebenwohnung gemeldete Wohnung sei tatsächlich aufgegeben worden oder werde als Hauptwohnung genutzt. Es müsse also im Einzelfall bei nachweislich unrichtigen Meldeverhältnissen auf die tatsächliche Wohnsituation ankommen.

34

Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts sind vor dem Hintergrund des in dortigen Fall gegebenen Satzungsrechts zu verstehen. Danach war als Hauptwohnung die faktisch vorwiegend benutzte Wohnung bestimmt, was „regelmäßig“ durch die Anmeldung als Hauptwohnung dokumentiert werde. Das Wort „regelmäßig“ verweise darauf, dass dies ausnahmsweise nicht gelte, wenn die melderechtlichen Verhältnisse die Wirklichkeit nicht zutreffend wiederspiegelten.

35

Die Kompetenzregelung des Art. 105 Abs. 2 a GG verhält sich zu der Frage, ob eine von mehreren Wohnungen eines Ehegatten Haupt- oder Zweitwohnung ist, nicht. Bundesrechtlich kann lediglich § 12 MRRG entnommen werden, welche Wohnung Hauptwohnung ist. Es ist jedoch zwischen Melderecht und Kommunalabgabenrecht zu unterscheiden. Vorliegend steht die Rechtmäßigkeit der Erhebung einer kommunalen Steuer in Rede. Einschlägige Rechts- und Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Zweitwohnungssteuersatzungen ist deshalb § 3 KAG. Allerdings regelt § 3 Abs. 1 KAG nur, dass Gemeinden und Kreise vorbehaltlich der Absätze 2 bis 4 örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern (auf der Grundlage einer Satzung gem. § 2 KAG) erheben können, soweit sie nicht dem Land vorbehalten sind. Die Ermächtigungsgrundlage ist mithin im Hinblick auf das Zweitwohnungssteuerrecht, das auch in den Absätzen 2 bis 4 des § 3 keine Erwähnung findet, äußerst lückenhaft. Der Landesgesetzgeber wollte aber, dass die Lücken, insbesondere die Frage, welche von mehreren Wohnungen Hauptwohnung ist, durch das (Landes-)Melderecht ausgefüllt werden. Dem Melderecht sollte auch im Zweitwohnungssteuerrecht die Bedeutung zukommen, die es in anderen Rechtsbereichen hat. So stellen etwa die Regelungen über das Wahlrecht in den §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 Nr. 2 GKWG und den §§ 5 Abs. 2, 8 Abs. 1 Satz 2 LWahlG für das aktive und passive Wahlrecht maßgeblich auf die im Melderegister eingetragene Hauptwohnung ab (siehe OVG SL, Urt. v. 25.06.1991, - 2 L 58/91 -, SchlHA 1992, 80). Finden bundesrechtliche Vorschriften lediglich Anwendung in Ausfüllung und zur Ergänzung einer Lücke des geschriebenen Landesrechts, teilen sie dessen Rechtscharakter (BVerwG, Beschl. v. 21.01.2010 - 9 B 66.08 -, DVBl. 2010, 575 zur Anwendung von Vorschriften des BGB u. Urt. v. 27.06.2012- 9 C 7.11 -, BVerwGE 143, 122 zur Anwendbarkeit der AO 1977). Welche von mehreren Wohnungen im Sinne des Zweitwohnungssteuerrechts Hauptwohnung ist, bestimmt mithin das Landesrecht.

36

Auch wenn der Kompetenznorm des Art. 105 Abs. 2 a GG das Verbot zu entnehmen ist, den Aufwand für Erstwohnungen zu besteuern (siehe hierzu BVerwG, Urt. v. 29.11.1991 - 8 C 107.89 -, NVwZ 1992, 1098), bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Landeskommunalabgabengesetz bei Vorhandensein mehrerer Wohnungen als Hauptwohnung die im Melderegister als Hauptwohnung registrierte Wohnung bestimmt. Wenn allein nach Landesrecht die Frage zu entscheiden ist, welche von mehreren Wohnungen eines Einwohners im Sinne des Zweitwohnungssteuerrechts Hauptwohnung ist, ist jede weitere Wohnung, über die eine Person neben dieser Hauptwohnung verfügen kann, Zweitwohnung im Rechtssinne, sodass der Aufwand für das Halten dieser Wohnung ohne Verstoß gegen Art. 105 Abs. 2 a GG auch besteuert werden kann.

37

Insoweit kann für das Zweitwohnungssteuerrecht nichts anderes gelten als für das Wahlrecht. Auch der Bürger, der mit Hauptwohnung außerhalb der Gemeinde beziehungsweise des Landes gemeldet ist, kann sich nicht darauf berufen, dass seine weitere Wohnung im Gemeindegebiet beziehungsweise im Landesgebiet gelegen ist und eigentlich Hauptwohnung sei, die melderechtlichen Verhältnisse daher unrichtig seien. Die Anknüpfung des Wahlrechts an die Eintragung im Melderegister verstößt anerkanntermaßen nicht gegen die Verfassung, obwohl die Möglichkeit zu wählen bzw. gewählt zu werden, für eine Demokratie elementar ist. Weiterhin ist auch demjenigen, dem die Heranziehung zu einer Zweitwohnungssteuer droht, wovon er spätestens im Rahmen der Veranlagung zu einer Vorauszahlung erfährt, nicht der Einwand abgeschnitten, die als Nebenwohnung gemeldete Wohnung werde als Hauptwohnung genutzt. Vielmehr kann er den Einwand bei der Meldebehörde erheben, die, wenn die melderechtlichen Verhältnisse „nachweislich" unrichtig sind, das Melderegister gemäß § 8 LMG zu berichtigen hat. Für die Vergangenheit hat der zu einer Zweitwohnungssteuer herangezogene Wohnungsinhaber wegen der Bindungswirkung der Eintragung im Melderegister einen Anspruch auf Feststellung, dass schon im Veranlagungszeitraum die melderechtlichen Verhältnisse unrichtig waren. Das Landesrecht bietet mithin hinreichende Gewähr dafür, dass trotz der Maßgeblichkeit der Eintragungen im Melderegister für die Bestimmung des Ortes der Hauptwohnung im Zweitwohnungssteuerrecht keine Besteuerung des Aufwandes für die Hauptwohnung erfolgt. Es obliegt allerdings nicht der Steuerbehörde, sondern dem Einwohner und der Meldebehörde, Unrichtigkeiten des Melderegisters zu berichtigen. Die Auffassung, der Steuerbürger könne es bei den nachweislich unrichtigen Meldeverhältnissen belassen, wenn ihm dies opportun erscheint, obwohl er ordnungswidrig handelt, gleichwohl im Einzelfall geltend machen, das Melderegister sei unrichtig, untergräbt die Ordnungsfunktion des Melderechts (siehe hierzu BVerwG, Urt. v. 20.03.2002 - 6 C 12.01 -, Buchholz 402.43 § 12 MRRG Nr. 5 = NJW 2002, 2579 u. Urt. v. 04.05.1999 - 1 C 25.98 -, NJW 1999, 2688). Das Anliegen des Gesetzgebers des Melderechts war es, dass die Behörden über den Eintrag im Melderegister schnell und zuverlässig die Hauptwohnung als Anknüpfungspunkt für Zuständigkeiten und Rechte und Pflichten ermitteln können (vgl. BT-Dr. 8/3825, S. 20).

38

Die für eine Qualifizierung einer Wohnung als Erst- oder Zweitwohnung relevanten Informationen darüber, ob die betreffende Wohnung überhaupt von dem zur Zweitwohnungssteuer genutzt wird und in welchem Ausmaß dies quantitativ der Fall ist (vgl. BVerwG, Urt. v . 20.03.2002 - 6 C 12.01 -, Buchholz 402.43 § 12 MRRG Nr. 5 = NJW 2002, 2579), sind dessen persönlicher Lebenssphäre zuzuordnen und einer Kontrollmöglichkeit der Behörde im Rahmen des Besteuerungsverfahrens regelmäßig kaum zugänglich. Bei der Heranziehung zur Zweitwohnungswohnungssteuer handelt es sich um ein Massenverfahren, in dem es der Behörde angesichts des Zwecks des Melderegisters, Klarheit über die Wohnsitze einer Person zu schaffen, nur bei konkreten Anhaltspunkten für weiteren Ermittlungsbedarf zuzumuten ist, die tatsächliche Situation eines Wohnungsinhabers (der als Zweitwohnung in Betracht kommenden Wohnung) aufzuklären (vgl. Thiem/Böttcher, Rn 274g zu § 3 KAG).

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

40

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

 

41

Beschluss

42

Der Streitwert wird gem. § 52 Abs. 3 GKG auf
723,-- €
festgesetzt.


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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 11. Okt. 2016 - 2 A 186/15

bei uns veröffentlicht am 11.10.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betra

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 11. Okt. 2016 - 2 A 179/14

bei uns veröffentlicht am 11.10.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betra

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Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. November 2012 - 1 K 3286/12 - geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 07.11.2012 (1 K 3678/12) gegen den Zweitwohnungssteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 10.09.2012 (Widerspruchsbescheid vom 18.10.2012) wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 160,50 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage anzuordnen, mit dem die Antragstellerin sich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.09.2012 wendet, zu Unrecht abgelehnt.
Mit dem Bescheid vom 10.09.2012 hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin für die Wohnung ... ... in Stuttgart zu einer Zweitwohnungssteuer für die Jahre 2011 und 2012 von jeweils 360,-- EUR herangezogen. Bei der Anforderung öffentlicher Abgaben soll nach § 80 Abs. 5 S. 1 i.V.m. Abs. 4 S. 3 VwGO die Vollziehung des betreffenden Bescheids ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Beschluss vom 18.08.1997 - 2 S 1518/97 - m.w.N.) nur dann anzunehmen, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs oder der Klage wahrscheinlicher ist als deren Misserfolg. Ein lediglich als offen erscheinender Verfahrensausgang rechtfertigt danach die Aussetzung der Vollziehung eines Abgabenbescheids nicht. Das Verwaltungsgericht hätte hiervon ausgehend dem Antrag der Antragstellerin stattgeben müssen. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen ernstliche Zweifel in dem genannten Sinn.
1. Die Antragstellerin und ihr nichtehelicher Lebenspartner arbeiten im Dienst des Landes Sachsen und haben einen gemeinsamen Wohnsitz in ...; die gemeinsame Tochter besucht dort auch die Schule. Nach Angaben der Antragstellerin nutzte sie im streitgegenständlichen Zeitraum die Wohnung in der ... ... in Stuttgart zusammen mit ihrem Lebenspartner und der gemeinsamen Tochter, teilweise nutzte der Ehepartner die Wohnung, in der er aufgewachsen ist, auch allein. Mieter der Wohnung ist nach dem von der Antragstellerin vorgelegten Mietvertrag allein der Lebenspartner, der hierfür nach eigenen Angaben monatlich 592,-- EUR bezahlt.
Die Heranziehung der Antragstellerin zur Zweitwohnungssteuer beruht auf der Satzung über die Erhebung der Zweitwohnungssteuer in der Landeshauptstadt Stuttgart (Zweitwohnungssteuersatzung - ZwWStS -) vom 03.12.2009. Danach ist die Zweitwohnung im Sinne dieser Satzung jede Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist (§ 2 Abs. 2 S. 1 ZwWStS). Hat eine Person eine Wohnung inne, mit der sie melderechtlich nicht erfasst ist, dient die Wohnung als Zweitwohnung im Sinne dieser Satzung, wenn die Person eine andere Wohnung als Hauptwohnung im Sinne des Meldegesetzes innehat (§ 2 Abs. 2 S. 2 ZwWStS). Nach § 4 Abs. 1 ZwWStS ist steuerpflichtig jede volljährige Person, die im Stadtgebiet eine Zweitwohnung im Sinne von § 2 Abs. 2 der Satzung innehat.
2. Ausgehend von diesen Satzungsbestimmungen meint das Verwaltungsgericht zu Unrecht, dass die Antragstellerin eine Zweitwohnung im Stadtgebiet der Antragsgegnerin „innehat“.
a) Die Zweitwohnungssteuer ist als Aufwandsteuer i.S.d. Art. 105 Abs. 2a S. 1 GG eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt. In dem Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf liegt ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Es handelt sich dabei um einen Sachverhalt, der sich von der Inanspruchnahme einer Erstwohnung unterscheidet, die gerade keinen besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand gemäß Art. 105 Abs. 2a S. 1 GG erfordert. Das nach dem Aufwandsbegriff i.S.d. Art. 105 Abs. 2a GG gebotene Innehaben einer weiteren Wohnung für die persönliche Lebensführung setzt eine dahingehende Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung voraus. Eine solche Festlegung kann nur derjenige treffen, der für eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über die Nutzung der Wohnung verfügen kann. Er muss also entsprechend seinen Vorstellungen zur persönlichen Lebensführung selbst bestimmen können, ob, wann und wie er diese nutzt, ob und wann er sich selbst darin aufhalten oder sie anderen zur Verfügung stellen will. Deshalb kann Inhaber einer steuerpflichtigen Zweitwohnung nur der Eigentümer, Mieter oder sonst Nutzungsberechtigte sein (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 13.05.2009 - 9 C 8.08 - NVwZ 2009, 1172; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.02.2011 - 2 S 2400/10 - ZKF 2011, 101).
Danach kann ein „Innehaben“ bei einer rein tatsächlichen, rechtlich nicht abgesicherten Möglichkeit der Nutzung nicht angenommen werden. Vielmehr muss der Nutzer dann damit rechnen, dass die Nutzung ihm jederzeit entzogen werden kann, er es jedenfalls nicht in der Hand hat, die Wohnung seinem Willen entsprechend tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Die verschiedenen Möglichkeiten des Wohnens ohne Nutzungsrecht stellen im Übrigen auch keinen fest umrissenen Konsumtatbestand dar, der die Feststellung erlaubt, dass hierfür gewöhnlich nennenswerte finanzielle Mittel aufgewendet werden müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.05.2009, aaO).
Nach diesen Maßstäben ist bei nicht getrennt lebenden Eheleuten Inhaber einer Zweitwohnung in der Regel nur derjenige Ehepartner, der auch Eigentümer oder Mieter dieser Wohnung ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.01.1986 - 2 S 2141/85 - Kurztext Juris). Im Falle einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann nichts anderes gelten. Inhaber ist grundsätzlich nur der Lebenspartner, der Eigentümer oder Mieter einer Zweitwohnung ist, auch wenn diese von den Partnern gemeinsam genutzt wird.
b) Auch im vorliegenden Fall kann nach diesen Maßstäben nicht angenommen werden, dass die Antragstellerin die Wohnung in Stuttgart innehat. Der Mietvertrag über diese Wohnung wurde allein zwischen dem Vermieter und dem Lebenspartner der Antragstellerin geschlossen. An diesem Mietverhältnis ist die Antragstellerin nicht beteiligt, weshalb sie auch nicht zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet ist. Die Nutzung der Wohnung in Stuttgart erfordert für die Antragstellerin dementsprechend auch nicht die Verwendung von finanziellen Mitteln, die - wie dargelegt - Grundlage für die Besteuerung ist.
10 
Allein der Umstand, dass bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft unter normalen Umständen auch der Partner, der den Mietvertrag nicht geschlossen hat, die Wohnung tatsächlich nutzt, rechtfertigt keine abweichende Einschätzung. Solange die Antragstellerin in das Mietverhältnis zwischen dem Vermieter und ihrem Lebenspartner nicht einbezogen ist, fehlt es an einer rechtlichen Verfügungsmacht. Ohne Übertragung der Verfügungsmacht auf jemanden, der sich in der Wohnung aufhält, mag dieser zwar in diese als Gast aufgenommen worden sein, sie ist ihm jedoch nicht mit der Folge der Inhaberschaft überlassen. Inhaber bleibt vielmehr nach wie vor derjenige, der die Wohnung weiterhin hält und die Verfügungsmacht über sie allein ausübt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.01.1986, aaO). Die rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit vermag nach den vorstehenden Ausführungen keinen steuerbaren Aufwand zu begründen.
11 
Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass bei einem gemeinsamen Aufenthalt der Lebenspartner in der Wohnung in Stuttgart nicht der Lebenspartner allein, sondern auch die Antragstellerin mit verfügungsberechtigt über die Wohnung ist. Allein der Umstand, der nichtehelichen Lebensgemeinschaft räumt der Antragstellerin noch keine Verfügungsbefugnis über die allein von ihrem Partner angemieteten Räume ein. Davon zu trennen ist die Frage, ob der Lebenspartner Anspruch darauf hat, in das Mietverhältnis einzutreten. Solange ein solcher Eintritt nicht erfolgt ist, fehlt der Antragstellerin jedenfalls die erforderliche Verfügungsmacht über die Wohnung.
12 
c) Unerheblich ist auch der Umstand, dass die Antragstellerin in der „Zweitwohnungssteuererklärung“ vom 06.11.2011 angegeben hat, „sie habe die Wohnung seit 2008 inne“. Auf Grundlage einer solchen Erklärung wird die Gemeinde im Regelfall zwar davon ausgehen dürfen, dass ein „Innehaben“ im Sinne des Zweitwohnungssteuerrechts vorliegt, zumal sie die konkreten Umstände nicht kennt und auch nicht ohne weiteres ermitteln kann. Eine solche Erklärung ist jedoch für das weitere Verfahren nicht bindend. Dem Steuerpflichtigen ist es damit nicht verwehrt, substantiiert einen Sachverhalt vorzutragen, der die Erhebung der Zweitwohnungssteuer - wie hier - ausschließt.
13 
Unerheblich ist schließlich auch, dass die Antragstellerin im streitgegenständlichen Zeitraum die Wohnung in der ... ... als Nebenwohnung angemeldet hatte. Das „Innehaben“ einer Zweitwohnung setzt - wie dargelegt - die rechtliche Verfügungsbefugnis an der betreffenden Wohnung voraus. Dieses Merkmal muss nach Wortlaut und Zweck des § 4 Abs. 1 ZwWStS eigenständig und unabhängig von den melderechtlichen Verhältnissen bestimmt werden. Denn das die Meldepflicht nach § 15 Abs. 1 MG auslösende Beziehen einer Wohnung ist ein tatsächlicher Vorgang, bei dem es nicht auf die Besitzverhältnisse an der Wohnung ankommt. Man kann mit anderen Worten eine Zweitwohnung bewohnen und dort gemeldet sein, ohne sie zugleich „innezuhaben“ und damit steuerpflichtig zu sein. Ein Beispiel hierfür sind in der elterlichen Wohnung zeitweise wohnende und dort - zu Recht - mit Nebenwohnung gemeldete Kinder, die auswärts studieren und sich überwiegend in ihrer Unterkunft am Studienort aufhalten, wo sie dementsprechend mit der Hauptwohnung gemeldet sind; sie bewohnen auch die elterliche Wohnung, haben diese aber im Regelfall mangels rechtlicher Verfügungsbefugnis nicht inne (vgl. zum Verhältnis von Melderecht und Zweitwohnungssteuerrecht: BayVGH, Urteil vom 14.02.2007 - 4 N 06.367 - ZKF 2007, 90). Deshalb wird die Gemeinde im Regelfall aufgrund des Eintrags im Melderegister davon ausgehen dürfen, dass der mit Nebenwohnung gemeldete Einwohner diese Wohnung auch innehat. Diese Vermutung kann jedoch vom Betroffenen - wie hier geschehen - widerlegt werden.
14 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./08.07.2004 (VBlBW 2004, 467).
15 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der andere Besitzer.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 56/07
vom
19. März 2008
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Hat der Mieter in die Mietwohnung einen nichtehelichen Lebensgefährten
aufgenommen, ist für die Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel
auch gegen den nichtehelichen Lebensgefährten erforderlich, wenn dieser
Mitbesitz an der Wohnung begründet hat. Ein Mitbesitz an der Wohnung
muss sich aus den Umständen klar und eindeutig ergeben.

b) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern zusammenleben, haben grundsätzlich
keinen Mitbesitz an der gemeinsam genutzten Wohnung. Die Besitzverhältnisse
an der Wohnung ändern sich im Regelfall nicht, wenn die
Kinder nach Erreichen der Volljährigkeit mit ihren Eltern weiter zusammenleben.
Haben Kinder keinen Mitbesitz an der Wohnung erlangt, reicht für eine
Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel gegen die Eltern aus.
BGH, Beschl. v. 19. März 2008 - I ZB 56/07 - LG Tübingen
AG Tübingen
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 2. Mai 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde beträgt 5.000 €.

Gründe:


1
I. Die Schuldnerin ist vom Amtsgericht Tübingen zur Räumung und Herausgabe ihrer Wohnung K. straße in T. verurteilt worden.
2
Die Gerichtsvollzieherin lehnte die Vollstreckung des Räumungstitels mit der Begründung ab, in der Wohnung lebten außer der Schuldnerin deren Le- bensgefährte sowie die volljährige Tochter der Schuldnerin und der Ehemann der Tochter, gegen die kein Vollstreckungstitel vorliege.
3
Dagegen hat die Gläubigerin Erinnerung eingelegt, mit der sie geltend gemacht hat, der Lebensgefährte der Schuldnerin sei nicht Partei des Mietvertrages geworden und habe sich ohne Wissen der Gläubigerin in der Wohnung aufgehalten. Er sei ebenso wie die volljährige Tochter der Schuldnerin und der Ehemann der Tochter nur Besitzdiener. Ein Vollstreckungstitel sei daher nur gegen die Schuldnerin und nicht gegen die weiteren in der Wohnung lebenden Personen erforderlich.
4
Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen.
5
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Gläubigerin.
6
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
7
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
8
Die Gerichtsvollzieherin habe sich zu Recht geweigert, aufgrund des allein gegen die Schuldnerin vorliegenden Urteils die Wohnung zu räumen. Der Lebensgefährte der Schuldnerin, deren erwachsene verheiratete Tochter und der Ehemann der Tochter seien nicht bloße Besitzdiener, sondern Mitbesitzer der Wohnung. Gegen sie sei deshalb ebenfalls ein Räumungstitel erforderlich.

9
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Entscheidung darüber, ob die Gläubigerin aus dem ausschließlich gegen die Schuldnerin gerichteten Urteil des Amtsgerichts Tübingen die Räumungsvollstreckung betreiben kann, hängt von den Besitzverhältnissen an der zu räumenden Wohnung ab. Hierzu sind weitere tatsächliche Feststellungen des Beschwerdegerichts erforderlich.
10
a) Die Frage, ob für eine Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung nach § 885 ZPO auch ein gegen den nichtehelichen Lebensgefährten des Schuldners gerichteter Vollstreckungstitel erforderlich ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
11
aa) Teilweise wird angenommen, zur Räumung einer Wohnung, in die der nichteheliche Lebensgefährte nach Abschluss des Mietvertrages und Einräumung des Alleinbesitzes an den Schuldner aufgenommen worden sei, reiche ein Vollstreckungstitel gegen den Schuldner aus, wenn der Dritte sein Besitzrecht nicht vom Vermieter ableitet (LG Darmstadt DGVZ 1980, 110; LG Freiburg WuM 1989, 571; LG Lübeck JurBüro 1992, 196; LG Berlin DGVZ 1993, 173; Scherer, DGVZ 1993, 161, 163; H. Schneider, DGVZ 1986, 4, 9; Wieczorek/ Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 885 Rdn. 22; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 885 ZPO Rdn. 14; ebenso für den Ehegatten: Palandt/Weidenkaff, BGB, 67. Aufl., § 546 Rdn. 13). Zum Teil wird ein gegen den nichtehelichen Lebensgefährten gerichteter Vollstreckungstitel nicht für notwendig angesehen, wenn der nichteheliche Lebensgefährte den Mitbesitz ohne oder gegen den Willen des Vermieters begründet und entgegen Treu und Glauben gegenüber dem Vermieter verheimlicht hat (OLG Hamburg NJW 1992, 3308; KG NZM 2003, 105; LG Mönchengladbach DGVZ 1996, 74; LG Hamburg DGVZ 2005, 164; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., § 885 Rdn. 4 d). Nach anderer Ansicht soll ein Vollstreckungstitel gegen den vom Mieter in die Wohnung aufgenommenen nichtehelichen Lebensgefährten generell erforderlich sein (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 885 Rdn. 15).
12
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Gläubiger aus einem Räumungsurteil gegen den Mieter nicht gegen den im Titel nicht aufgeführten Ehepartner vollstrecken, weil regelmäßig selbst dann beide Ehegatten Mitbesitzer der ehelichen Wohnung sind, wenn nur einer von ihnen Partei des Mietvertrages ist. Ob der Ehepartner nach materiellem Recht zur Herausgabe der Mietsache an den Gläubiger verpflichtet ist, ist nicht im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren zu prüfen, sondern einer Beurteilung im Erkenntnisverfahren vorbehalten. Der Gerichtsvollzieher hat im Räumungsverfahren nur die tatsächlichen Besitzverhältnisse zu beurteilen (BGHZ 159, 383, 384 ff.).
13
Diese Grundsätze sind auf die Räumungsvollstreckung gegen einen nichtehelichen Lebensgefährten sinngemäß anzuwenden. Ist der nichteheliche Lebensgefährte Mitbesitzer der Wohnung, ist grundsätzlich auch gegen ihn ein Räumungstitel notwendig (KG NJW-RR 1994, 713; OLG Köln DGVZ 1997, 119, 120; OLG Düsseldorf DGVZ 1998, 140; Bunn, NJW 1988, 1362, 1364; Artzt/Schmidt, ZMR 1994, 90, 92; Becker-Eberhard, FamRZ 1994, 1296, 1303; Stickelbrock, ZZP 118, 106, 108; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 885 Rdn. 10; MünchKomm.ZPO/Gruber, 3. Aufl., § 885 Rdn. 19). Den Mitbesitz an der Wohnung braucht der nichteheliche Lebensgefährte nicht vom Vermieter abzuleiten. Auch die Anzeige des Mieters an den Vermieter von der Aufnahme des nichtehelichen Lebensgefährten in die Wohnung ist nicht unabdingbare Voraussetzung für die Begründung von Mitbesitz.
14
Von diesen Maßstäben ist im Ansatz auch das Beschwerdegericht ausgegangen. Es hat zutreffend angenommen, dass es entscheidend darauf ankommt , ob der nichteheliche Lebenspartner Mitbesitzer oder Besitzdiener der Wohnung ist.
15
bb) Die Voraussetzungen eines Mitbesitzes des nichtehelichen Lebensgefährten der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht im vorliegenden Verfahren bejaht. Es hat angenommen, der nichteheliche Lebenspartner sei grundsätzlich Mitbesitzer. Ob etwas anderes zu gelten habe, wenn ein Mieter häufig wechselnde Partner jeweils nur für kurze Zeit in die Wohnung aufnehme, brauche nicht entschieden zu werden, weil für eine solche Fallgestaltung keine Anhaltspunkte ersichtlich seien. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
16
(1) Zu Recht macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Beschwerdegericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Lebensgefährte der Schuldnerin Mitbesitz an der Wohnung begründet habe. Anders als bei einem Ehepaar, das gemeinsam aufgrund der auf Lebenszeit angelegten Ehe in der ehelichen Wohnung lebt, kann bei einem nichtehelichen Lebensgefährten allein aus der Aufnahme in die Wohnung nicht auf einen Mitbesitz geschlossen werden (Zöller/Stöber aaO § 885 Rdn. 10; MünchKomm.ZPO/Gruber aaO § 885 Rdn. 19; Musielak/Lackmann, ZPO, 5. Aufl., § 885 Rdn. 10; Staudinger/Bund, BGB (Bearbeitung 2007), § 866 Rdn. 12; Becker-Eberhard, FamRZ 1994, 1296, 1303; Schuschke, NZM 2005, 10, 11; a.A. MünchKomm.BGB/Joost, 4. Aufl., § 866 Rdn. 5). Vielmehr muss anhand der tatsächlichen Umstände des jeweiligen Falles beurteilt werden, ob der nichteheliche Lebensgefährte Mitbesitzer oder nicht nur Besitzdiener ist. Die tatsächlichen Besitzverhältnisse hat der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan zu prüfen. Die Einräumung des Mitbesitzes an den nichtehelichen Lebensgefährten muss durch eine von einem ent- sprechenden Willen getragene Handlung des zuvor alleinbesitzenden Mieters nach außen erkennbar sein (vgl. zur Übertragung des Alleinbesitzes: BGH, Urt. v. 10.1.1979 - VIII ZR 302/77, NJW 1979, 714, 715). Aus den Gesamtumständen muss sich klar und eindeutig ergeben, dass der Dritte Mitbesitzer ist, weil das Zwangsvollstreckungsverfahren formalisiert ist und der Gläubiger vor einer Verschleierung der Besitzverhältnisse durch den Schuldner zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung geschützt werden muss. Anhaltspunkte, durch die sich nach außen die Einräumung des Mitbesitzes dokumentiert, sind die Anzeige des Mieters an den Vermieter von der beabsichtigten oder erfolgten Aufnahme des nichtehelichen Lebensgefährten oder seine Anmeldung in der Wohnung nach den jeweiligen landesrechtlichen Meldegesetzen.
17
(2) Die danach notwendigen Feststellungen sind allerdings auch nicht in einem Fall entbehrlich, in dem der Schuldner die Aufnahme des nichtehelichen Lebensgefährten in die Wohnung dem Gläubiger nicht angezeigt hat, weil es grundsätzlich nur auf die vom Vollstreckungsorgan zu beurteilenden tatsächlichen Besitzverhältnisse ankommt (vgl. BGHZ 159, 383, 386). Ob sich aufgrund des auch im Zwangsvollstreckungsrecht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB (hierzu BGHZ 57, 108, 111) etwas anderes ergibt, wenn der Vermieter vor Einleitung des Räumungsprozesses bei dem Mieter nach weiteren in der Wohnung lebenden Personen fragt, um diese in die Klage einbeziehen zu können, und der Mieter keine, eine falsche oder eine unvollständige Auskunft erteilt, kann im vorliegenden Verfahren offenbleiben. Die Gläubigerin hat zu einer entsprechenden Anfrage an die Schuldnerin vor Einleitung des Räumungsprozesses nichts vorgetragen.
18
(3) Im vorliegenden Fall hat das Beschwerdegericht keine Feststellungen zu den tatsächlichen Besitzverhältnissen getroffen. Die Schuldnerin hat einen Mitbesitz ihres nichtehelichen Lebensgefährten an der Wohnung bislang im Verfahren auch nicht geltend gemacht. Im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren wird das Beschwerdegericht den Beteiligten hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen müssen und gegebenenfalls die erforderlichen Feststellungen zu den tatsächlichen Besitzverhältnissen nachzuholen haben. Die Beweislast für eine Begründung von Mitbesitz durch ihren Lebensgefährten trifft die Schuldnerin, wenn sie als Mieterin zunächst Alleinbesitz an der Wohnung begründet hat und ein Mitbesitz des Lebensgefährten geltend gemacht werden soll.
19
b) Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Gläubigerin benötige zur Räumung der Wohnung auch einen Vollstreckungstitel gegen die Tochter der Schuldnerin und ihren Ehemann. Dem kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ebenfalls nicht zugestimmt werden.
20
aa) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern zusammenleben, haben grundsätzlich keinen Mitbesitz an der gemeinsam benutzten Wohnung. Für eine Räumungsvollstreckung reicht deshalb ein Vollstreckungstitel gegen die Eltern aus (KG NJW-RR 1994, 713, 714; Wieczorek/Schütze/Storz aaO § 885 Rdn. 21). Die gegenteilige Ansicht, die bei Kindern ab dem 14. Lebensjahr von einem Mitbesitz an den ihnen zugewiesenen Räumen ausgeht (Schuschke, NZM 2005, 10, 11), steht nicht nur mit den tatsächlichen Besitzverhältnissen nicht in Einklang. Sie lässt auch die schützenswerten Belange minderjähriger Kinder unberücksichtigt. Die Nachteile, die sich aus einer Mithaftung für die Kosten des Räumungsprozesses und der Zwangsräumung ergeben, überwiegen deutlich den Vorteil, als mitverklagte Partei im Prozess seine Rechte wahrnehmen zu können, weil den minderjährigen Kindern im Räumungsprozess im Verhältnis zum Vermieter grundsätzlich keine weitergehenden Rechte zustehen als ihren Eltern, die Mietvertragspartei sind.
21
Die Besitzverhältnisse an der Wohnung, in der die Familie lebt, ändern sich im Regelfall nicht, wenn das Kind volljährig wird und mit seinen Eltern weiter zusammenwohnt (OLG Hamburg NJW-RR 1991, 909; KG NJW-RR 1994, 713, 714; Zöller/Stöber aaO § 885 Rdn. 7; MünchKomm.ZPO/Gruber aaO § 885 Rdn. 20; Musielak/Lackmann aaO § 885 Rdn. 9; a.A. LG Heilbronn DGVZ 2005, 167; Bunn, NJW 1988, 1362, 1364; Riecke, DGVZ 2006, 81, 83). In diesem Fall bleiben die nach Erreichen der Volljährigkeit weiter in der elterlichen Wohnung lebenden Kinder im Regelfall Besitzdiener, ohne dass es darauf ankommt , ob die Kinder unter der Adresse gemeldet sind und der Vermieter die tatsächlichen Verhältnisse kennt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn eine Änderung der Besitzverhältnisse volljähriger Kinder an der elterlichen Wohnung nach außen eindeutig erkennbar geworden ist.
22
bb) Zu Recht macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass das Beschwerdegericht zu den Besitzverhältnissen der volljährigen Tochter keine Feststellungen getroffen hat. Dass die volljährige Tochter der Schuldnerin verheiratet ist und mit ihrem Ehepartner in der Wohnung der Schuldnerin lebt, besagt nichts über die tatsächlichen Besitzverhältnisse. Der Umstand, dass die Tochter mit ihrem Ehemann keine eigene Wohnung bezogen hat, sondern in der Wohnung der Schuldnerin weiterlebt, kann umgekehrt auch für den Fortbestand eines Besitzverhältnisses zwischen der Schuldnerin und ihrer Tochter sprechen, wie es bei minderjährigen Kindern angenommen wird. In diesem Fall hat die Tochter keinen eigenen Mitbesitz neben der Schuldnerin begründet und ist Besitzdienerin geblieben (§ 855 BGB).
23
Entsprechendes würde dann auch - wie das Amtsgericht zu Recht angenommen hat - für ihren Ehemann gelten.
Bornkamm Pokrant Büscher
Koch Kirchhoff
Vorinstanzen:
AG Tübingen, Entscheidung vom 30.01.2007 - 2 M 10668/06 -
LG Tübingen, Entscheidung vom 02.05.2007 - 5 T 56/07 -

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.