Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 07. Sept. 2016 - 3d A 819/14.O
Gericht
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 5. Januar 19 in O. geborene Beklagte besuchte nach der Erlangung des Hauptschulabschlusses bis Juni 1973 die einjährige Handelsschule.
3Am 1. August 1973 wurde er als Kreisassistentenanwärter im mittleren nicht technischen Dienst zum Beamten auf Widerruf beim Kreis M. ernannt. Der Vorbereitungsdienst wurde verlängert, weil er die schriftliche Prüfung für den mittleren Verwaltungsdienst zunächst nicht bestand. Nachdem der Beklagte die Prüfung abgelegt hatte, wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe mit Wirkung vom 12. Februar 1976 zum Kreisassistenten zur Anstellung ernannt. Von April 1976 bis Juni 1977 leistete er seinen Grundwehrdienst ab. Danach wurde er ab dem 1. Juli 1977 im Straßenverkehrsamt der Verwaltungsstelle M. eingesetzt. Mit Wirkung vom 12. Februar 1978 erfolgte seine Ernennung zum Kreisassistenten und am 21. März 1980 zum Kreissekretär. Mit Wirkung vom 5. Januar 1983 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Mit Wirkung vom 1. Juli 1985 wurde er zum Kreisobersekretär ernannt. Am 6. Mai 1988 übernahm er die stellvertretende Leitung der Zulassungsstelle des Straßenverkehrsamtes der Verwaltungsstelle M. . Mit Wirkung vom 1. Juli 1989 wurde er zum Kreishauptsekretär befördert. Er übernahm ab dem 1. Januar 1995 die Leitung der Nebenstelle M. in der Abteilung Kraftfahrzeugzulassungen der Kreisverwaltung T. . Seine Beförderung zum Kreisamtsinspektor erfolgte am 28. Juli 1995. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2006 wurde ihm eine Amtszulage zuerkannt.
4Die dienstlichen Regelbeurteilungen des Beklagten entwickelten sich von „durchschnittlich“ für den Zeitraum 1976 bis 1979 über „voll durchschnittlich“ für die Jahre 1979 bis 1985 und „überdurchschnittlich“ für den Zeitraum 1985 bis 1995 zu „erheblich über dem Durchschnitt“ für den Zeitraum 1995 bis 2000 und zuletzt zu „weit über dem Durchschnitt“ für die Zeiträume von Mai 2000 bis April 2004 sowie April 2004 bis März 2006. In den Beurteilungen vom 12. Oktober 2004 und 11. Mai 2006 heißt es u.a., der Beklagte übertreffe die Anforderungen an Führungskräfte als einziger Sachgebietsleiter im mittleren Dienst in erheblichem Maße. In derjenigen vom 11. Mai 2006 wird ihm bescheinigt, er sei als sehr flexibler und einsatzbereiter Mitarbeiter jederzeit in der Lage, sich auf wandelnde Situationen und Herausforderungen einzustellen und diese zu bewältigen. Unter dem 29. August 2005 wurde die Führungsleistung des Beklagten bewertet. In den Teilbereichen Information, Koordination, Anleitung und Aufsicht, Delegation, Förderung und Konfliktmanagement heißt es, die Anforderungen würden „weit übertroffen“. Als besondere Stärke wurde eine in hohem Maße eigenständige Führung des Sachgebietes festgehalten. Unter dem 15. April 2008 wurde der Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt, in einer neuerlichen Umfrage zum Thema „besser führen“ habe sich die Einschätzung seiner Mitarbeiter gegenüber 2005 nicht verbessert. Es gebe Hinweise auf ein schlechtes Betriebsklima. Die Bewertung in den Teilbereichen der Mitarbeiterführung erreichte nur bei der „Koordination“ die Bewertungsstufe „weit übertroffen“, in den Teilbereichen „Information“, „Anleitung und Aufsicht“ und „Delegation“ die Stufe „übertroffen“ und in den übrigen vier Teilbereichen die Bewertungsstufe „erfüllt“. Als besondere Stärken des Beklagten wurden Arbeitsplanung und Selbstständigkeit angegeben.
5Der Beklagte ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von 30, 27 und 19 Jahren. Im hier fraglichen Zeitraum von 2005 bis 2010 studierten die beiden ältesten Kinder. Die jüngste Tochter ist seit Geburt körperbehindert.
6Der Disziplinarklage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Im Oktober 2010 war gegen eine in der Dienststelle des Beklagten tätige Kreisangestellte, Frau Q. , bei einer anderen Mitarbeiterin aufgrund ungewöhnlicher Buchungsvorgänge der Verdacht aufgekommen, sie unterschlage Gebühren, die sie bei der Zulassung oder Ummeldung von Kraftfahrzeugen in der Kreisnebenstelle M. einnehme. Die Mitarbeiterin unterrichtete den Beklagten am 29. Oktober 2010 von ihrem Verdacht. Dieser informierte hierüber noch am Nachmittag desselben Tages seinen Dienstvorgesetzten, den Abteilungsleiter der Kraftfahrzeugzulassungsstelle des Kreises T. C. . Nach einer noch am selben Tag durchgeführten stichprobenartigen Untersuchung der von Frau Q. bearbeiteten Verwaltungsvorgänge zusammen mit dem Beklagten, in der bereits auffällige Stornierungen bei Bareinzahlungen festgestellt wurden, kündigte der Abteilungsleiter die Fortführung der Überprüfung für den nächsten Werktag, den 2. November 2010, an.
7Als der Dienstvorgesetzte zwecks Aufklärung der Angelegenheit Q. am 2. November 2010 morgens an der Kfz-Zulassungsstelle in M. eintraf, übergab ihm der Beklagte ein auf den 30. Oktober 2010 datiertes von ihm unterzeichnetes Schreiben. Darin räumte er ein, seit mehreren Jahren in unregelmäßigen Abständen größere Gebührenbeträge, die er in der Summe nicht beziffern könne, unrechtmäßig storniert und das Geld anschließend an sich genommen zu haben. Die Feststellung, dass eine andere Mitarbeiterin in gleicher Art und Weise Unterschlagungen vorgenommen habe, habe ihn veranlasst, seine Verfehlungen einzugestehen. Er habe das Geld ausschließlich bei finanziellen Schwierigkeiten in der Familie entwendet. Zwei seiner Kinder besuchten ein Studium, die jüngste Tochter habe eine körperliche Behinderung. Um ihr die therapeutische Unterstützung bieten zu können, sei seine Frau nicht berufstätig. Bei dem Treffen mit Herrn C. habe er die eigene Verfehlung nicht erwähnt, weil er erst seine gesamte Familie über sein Fehlverhalten habe informieren wollen.
8Mit Schreiben vom selben Tag, dem 2. November 2010, teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass wegen der von ihm schriftlich eingeräumten Vorfälle ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei, welches bis zum Abschluss des strafrechtlichen Verfahrens ausgesetzt werde. Ebenfalls mit Schreiben vom 2. November 2010 erstattete er Strafanzeige gegen den Beklagten.
9Wegen des gegen den Beklagten sowie seine Mitarbeiterin Q. bestehenden Verdachts wurde eine Sonderprüfung u.a. in der bis dahin von dem Beklagten geleiteten Kfz-Zulassungsstelle durch die örtliche Rechnungsprüfung des Klägers veranlasst, um die von diesen Verdächtigen verursachte Schadenssumme und eventuelle weitere Schadensfälle zu ermitteln. In dem Abschlussbericht vom 3. Januar 2011 wurde festgestellt, dass der Beklagte vom 16. März 2005 bis zum 14. September 2010 in 25 Fällen unzulässige Stornierungen vorgenommen hatte, die sich auf Gebühren in der Gesamtsumme von 2.188,60 Euro bezogen. Insgesamt hatte der Beklagte im fraglichen Zeitraum 134 Stornierungen vorgenommen. Der Mitarbeiterin Q. wurden für die Zeit von 2005 bis 2010 insgesamt 1.925 Taten mit einem Gesamtschaden in Höhe von 95.597,60 Euro zugerechnet. Eine Prüfung aller Stornierungsfälle der Zulassungsstellen für die Jahre 2009 und 2010 erbrachte keine weiteren Aufälligkeiten. Daneben zeigt der Bericht einige Sicherheitslücken bei der Anwendung des seit Mai 2005 verwendeten Abrechnungsverfahrens „OK.Vorfahrt“ auf. Der Sonderprüfungsbericht und eine detaillierte Aufstellung der unberechtigten Stornierungen des Beklagten wurden der Kriminalpolizei bzw. der Staatsanwaltschaft Q1. zugeleitet.
10Mit Bescheid vom 31. Januar 2011 wurde der Beklagte, dem von seinem Abteilungsleiter sofort die Führung der Dienstgeschäfte verboten worden war, vorläufig des Dienstes enthoben bei gleichzeitiger Kürzung seiner Dienstbezüge um 10 %. Nachdem dem Beklagten die verursachte Schadenssumme mit Schreiben vom 13. Januar 2011 bekannt gegeben worden war, zahlte er, wie bereits mit Anwaltsschriftsatz vom 14. Dezember 2010 angeboten, am 10. Februar 2011 den Schadensbetrag in Höhe von 2.188,60 Euro bei der Kreisverwaltung ein.
11Im Strafverfahren ließ der Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011 erklären, er räume den Tatvorwurf uneingeschränkt ein. Hintergrund sei die Belastung mit ungedeckten Behandlungskosten seiner Tochter gewesen. Aus tätiger Reue habe er seine Tat freiwillig offenbart. Den Schaden habe er ausgeglichen. Sein Fehlverhalten habe ihn zutiefst belastet. Aus diesem Grunde habe er sich in psychiatrische Behandlung begeben müssen. Sein ehrenamtliches Engagement als Kirchenvorstand habe er aufgegeben.
12Am 14. März 2011 stellte die Staatsanwaltschaft Q1. das Verfahren hinsichtlich dreier Tatvorwürfe von März, Juli und November 2005 wegen Verjährung ein und erhob unter demselben Datum Anklage (Az…..) beim Amtsgericht M. gegen den Beklagten wegen des Vorwurfs, dieser habe in M. im Zeitraum zwischen dem 12. Dezember 2005 und dem 14. September 2009 in 22 Fällen als Amtsträger eine Untreue begangen - Vergehen gemäß §§ 266 Abs. 1 Satz 1 II. Alternative, Abs. 2, 263 Abs. 3, 53 StGB.
13In der Anklageschrift wird dem Beklagten Folgendes zur Last gelegt:
14„Der Angeklagte war Sachgebietsleiter der Kfz-Zulassungsstelle M. . Zu seinen Aufgaben gehörte u.a. die Ausgabe „roter“ Dauerkennzeichen und die Entgegennahme von An- und Ummeldungen von Kraftfahrzeugen.
15Der Angeklagte verbuchte in den angeklagten Fällen die anfallenden Gebühren zunächst ordnungsgemäß, nahm dann jedoch im Verlaufe des Arbeitstages eine Stornierung vor und entnahm den entsprechenden Betrag in bar der Kasse.
16Im Einzelnen erlangte der Angeklagte in den die genannten Kennzeichen betreffenden Verwaltungsvorgängen die nachfolgenden Gebühren.
17Datum |
Kennzeichen |
Betrag in Euro |
12.12.2005 |
….. |
168,20 |
28.12.2005 |
…. |
65,00 |
06.02.2006 |
…. |
168,20 |
04.04.2006 |
… |
65,00 |
24.04.2006 |
…. |
65,00 |
27.04.2005 [richtig: 2006] |
…. |
26,60 |
09.05.2006 |
…. |
65,00 |
14.11.2006 |
…. |
168,20 |
27.03.2007 |
…. |
168,20 |
25.09.2007 |
… |
168,20 |
01.02.2008 |
…. |
15,60 |
05.02.2008 |
…. |
39,70 |
22.04.2008 |
…. |
42,30 |
06.05.2008 |
…. |
113,20 |
20.01.2009 |
…. |
168,20 |
16.04.2009 |
…. |
10,50 |
15.06.2009 |
…. |
168,20 |
22.07.2009 |
… |
168,20 |
13.11.2009 |
…. |
14,60 |
11.02.2010 |
…. |
10,50 |
01.06.2010 |
…. |
39,70 |
14.09.2010 |
…. |
39,40 |
Die Gesamtsumme beläuft sich auf 1.957,70 Euro.“
19Die Anklage wurde durch Beschluss vom 29. April 2011 zur Hauptverhandlung zugelassen.
20In der am 26. Mai 2011 durchgeführten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht M. erschien der Beklagte nicht. Daraufhin erließ das Amtsgericht M. unter Bezugnahme auf die Vorwürfe aus der Anklageschrift gegen den anwaltlich vertretenen Beklagten einen Strafbefehl (Az. …. ) über eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre festgesetzt und dem Beklagten auferlegt, eine Geldbuße in Höhe von 1.000,00 Euro an eine kirchliche Einrichtung zu zahlen. Der Strafbefehl ist seit dem 21. Juni 2011 rechtskräftig
21Mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass das Disziplinarverfahren nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens wieder aufgenommen worden sei und dass ihm 25 im Einzelnen tabellarisch aufgeführte Fälle der rechtswidrigen Entnahme von Gebühren zur Last gelegt würden. Nachdem der Beklagte über seinen Prozessbevollmächtigten Stellung genommen hatte, wurde ihm das disziplinare Ermittlungsergebnis vom 15. März 2012 zur Kenntnis gegeben. Auf seinen Antrag wurde im Mai 2012 der Personalrat über die beabsichtigte Disziplinarklage informiert. Dieser gab keine Stellungnahme ab.
22Am 25. Juni 2012 hat der Kläger Disziplinarklage erhoben mit dem Vorwurf, der Beklagte habe in 25 Fällen innerhalb des Dienstes anfallende Gebühren für die Ausgabe „roter“ Dauerkennzeichen und die An- und Ummeldung von Kraftfahrzeugen zunächst ordnungsgemäß verbucht, dann jedoch im Laufe des Arbeitstages die Gebührenbuchungen storniert und die entsprechenden Beträge in bar aus der Kasse entnommen; hiermit habe er seine Pflicht verletzt, die ihm übertragenen Aufgaben uneigennützig wahrzunehmen und sei nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht geworden, die sein Beruf erforderten. Durch das Handeln des Beklagten sei ein Gesamtschaden von 2.188,60 EUR entstanden. Da bei drei Taten bereits Verfolgungsverjährung eingetreten sei, sei er für die restlichen 23 Taten mit einem Schaden von 1.957,70 EUR vom Amtsgericht M. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Wegen der näheren Einzelheiten werde auf die Strafakte verwiesen. Der Beklagte habe durch die aufgeführten und strafrechtlich rechtskräftig geahndeten Handlungen das in ihn gesetzte Vertrauen auf das Schwerste erschüttert. Er habe als Leiter der Zulassungsstelle in einer besonderen Verantwortung gestanden. Er habe den Kernbereich seiner Pflichten verletzt und nicht nur sein Ansehen, sondern auch das des Kreises T. in der Öffentlichkeit erheblich beschädigt. Die Selbstanzeige, die geleistete Wiedergutmachung, die familiäre Ausnahmesituation und die Sicherheitslücken rechtfertigten die Verfehlungen nicht. Von Kurzschlusshandlungen könne bei der Länge des Tatzeitraums nicht gesprochen werden. An der Schuldfähigkeit des Beklagten bestehe kein Zweifel; er habe vorsätzlich gehandelt.
23Der Kläger hat beantragt,
24den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.
25Der Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen,
27hilfsweise,
28eine andere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst zu verhängen.
29Er hat die Auffassung vertreten, das disziplinare Ermittlungsverfahren leide an erheblichen Mängeln. Außerdem sei der Kläger seiner Aufklärungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen und habe auch das ihm obliegende Ermessen bei der Durchführung des Disziplinarverfahrens nicht ausgeübt. So seien vorhandene Milderungsgründe nicht gewürdigt worden und die erforderliche Gesamtwürdigung unterblieben. Er, der Beklagte, habe sich insbesondere wegen des Behandlungsbedarfs und der teilweise nicht gedeckten Behandlungskosten seiner jüngsten Tochter in einer familiären und psychischen Ausnahmesituation befunden, was der Kläger nicht bedacht habe. Er habe die Taten unbedacht und kurzschlussartig im Sinne eines Augenblicksversagens begangen. Es sei ausgeschlossen, dass derartige Handlungen sich wiederholen könnten, da er Hilfe aus dem Familienkreis erhalten habe. Er habe sich vor Entdeckung der Taten vorbehaltlos und freiwillig – allein getrieben durch sein schlechtes Gewissen – seinem Dienstherrn offenbart und im Anschluss ungeachtet eingetretener Verjährung in vollem Umfang Schadenswiedergutmachung geleistet. Die Gefahr der Entdeckung seiner Taten ohne sein Geständnis habe nicht bestanden. Wegen seiner Angaben seien die Taten seiner Mitarbeiterin aufgedeckt worden, die zu einem weitaus höheren Schaden geführt hätten. Die Behandlung ihrer Vergehen durch den Kläger müsse zu seinen, des Beklagten, Gunsten berücksichtigt werden. Der Rechnungsprüfungsbericht habe eklatante Sicherheitslücken aufgedeckt, die dem Kläger bekannt gewesen und toleriert worden seien. Er habe nach Beendigung des Strafverfahrens erkannt, sich wegen seiner psychischen Ausnahmesituation in Behandlung begeben zu müssen. Nach den Feststellungen seines behandelnden Arztes, des Facharztes für Psychiatrie T1. , sei er bei seinen Verfehlungen depressiv gewesen und habe daher im Zustand der Schuldunfähigkeit, zumindest aber der erheblich verminderten Schuldfähigkeit, gehandelt.
30Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es fehle an einem wesentlichen Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens (§ 54 Absatz 1 LDG NRW), der einer Entscheidung durch Urteil entgegenstünde. Der Kläger habe das Disziplinarverfahren wirksam eingeleitet, indem er die Einleitung mit dem Schreiben des Kreisdirektors vom 2. November 2010 aktenkundig gemacht habe. Hierfür hätten mit dem Geständnis des Beklagten zureichende tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von § 17 Abs. 1 LDG NRW vorgelegen. Ein Mangel liege allerdings darin, dass er in dem Schreiben vom 2. November 2010 nicht gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 LDG NRW belehrt worden sei. Dieser Mangel sei jedoch nicht wesentlich im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW. Es sei auch mit Blick auf den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör auszuschließen, dass er sich auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt habe. Der Beklagte habe sich schon vor Einleitung des Disziplinarverfahrens durch sein schriftliches Geständnis zur Sache eingelassen. Sein Prozessbevollmächtigter sei bereits am 5. November 2010 bevollmächtigt worden. Er habe mit Schreiben vom 14. Dezember 2010 die Vertretung des Beklagten im behördlichen Disziplinarverfahren angezeigt und für den Beklagten vorgetragen.
31Auch die bereits mit Schreiben an den Beklagten vom 2. November 2010 erfolgte Aussetzung des behördlichen Disziplinarverfahrens sei möglicherweise fehlerhaft gewesen, weil die Voraussetzungen des § 22 LDG NRW (noch) nicht vorgelegen hätten. Öffentliche Klage (vgl. § 22 Abs. 1 LDG NRW) sei noch nicht erhoben gewesen. Ob ein Strafverfahren als anderes gesetzlich geordnetes Verfahren i.S.v. § 22 Abs. 2 LDG NRW bereits eingeleitet gewesen sei, erscheine zumindest zweifelhaft, weil die Anzeige des Kreisdirektors vom 2. November 2010 möglicherweise erst am 3. November 2010 bei der Staatsanwaltschaft Q1. eingegangen sei. Auch der in der (möglicherweise) verfrühten Aussetzung liegende Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens sei jedoch nicht wesentlich im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW. Der Beklagte habe nicht vorgetragen und es sei auch sonst nicht ersichtlich, dass er sich auf das Ergebnis des behördlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt hätte.
32Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts M. vom 20. Mai 2011 ‑ 20 Ds - 322 Js 788/10 - 185/11 ‑ in Verbindung mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Q1. vom 14. März 2011, die um drei weitere, zeitlich davor liegende Fälle zu ergänzen seien, die die Staatsanwaltschaft Q1. wegen Eintritts der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung eingestellt habe, liege ein einheitliches, schweres Dienstvergehen des Beklagten vor. Der Gesamtschaden belaufe sich auf 2.188,60 EUR. Durch die festgestellten Handlungen habe sich der Beklagte eines einheitlichen, sehr schweren innerdienstlichen Dienstvergehens im Kernbereich seiner Pflichten schuldig gemacht. Deswegen sei er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. An seiner Schuldfähigkeit bei Tatbegehung hätten sich keine ernsthaften Zweifel ergeben. Milderungsgründe von erheblichem Gewicht seien nicht gegeben.
33Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 14. März 2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 10. April 2014 Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet:
34Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt für ihn nachteilig unzutreffend dargestellt. Er habe dem Abteilungsleiter nicht mitgeteilt, von den Verdachtsmomenten gegen die Angestellte Q. von der Mitarbeiterin C1. erfahren zu haben, weil diese darum gebeten habe. Er habe den Schadensausgleich unverzüglich angeboten und nach Bezifferung der Forderung des Klägers gezahlt. Im Strafverfahren vor dem Amtsgericht M. sei er an Gerichtsstelle anwesend gewesen und auf Vorschlag der Staatsanwaltschaft in Absprache mit seinem Verteidiger und dem Gericht nicht in der Hauptverhandlung aufgetreten, um nicht den anwesenden Medienvertretern zu begegnen. Allein deshalb sei der Strafbefehl mit der Bezugnahme auf die Anklageschrift erlassen worden.
35Auch der Begründung des angefochtenen Urteils sei entgegen zu treten. Das Disziplinarverfahren leide unter formellen Mängeln. Das auch vom Verwaltungsgericht festgestellte Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung bei Einleitung des Disziplinarverfahrens sei nicht unwesentlich. Er habe das Geständnis vom 30. Oktober 2010 in einer psychischen Ausnahmesituation mit sehr persönlichen Worten und ohne anwaltliche Beratung abgegeben. Es sei davon auszugehen, dass er zu diesem Zeitpunkt mit depressiver und suizidaler Gedankenbildung belastet gewesen sei und die Tragweite nicht habe abschätzen können. Diese psychische Verfassung sei auch für die Frage der Fehlerhaftigkeit der Aussetzung des Disziplinarverfahrens von Bedeutung. Bei der Aussetzung sei noch keine öffentliche Klage erhoben gewesen. Zwischen dem ursprünglichen Vorwurf einer Unterschlagung und einer Untreue bestehe zudem ein bedeutender rechtssystematischer Unterschied. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit der Wirksamkeit der Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens nach Abschluss des Strafverfahrens befasst.
36Es habe zu Unrecht die Feststellungen in dem Strafbefehl zu Grunde gelegt. Dieser sei allein auf Anregung der Staatsanwaltschaft erlassen worden. Ein Strafbefehl entfalte keine Bindungswirkung für das Disziplinarverfahren. Hierin enthaltene Feststellungen würden nicht durch bloße Verweisung Gegenstand einer Disziplinarverfügung. Ihm liege keine Beweiserhebung in einer Hauptverhandlung zugrunde. Auch der Kläger habe im Disziplinarverfahren die ihm gemäß § 24 LDG NRW obliegende Beweiserhebung nicht durchgeführt.
37Die vorgelegten Berichte des Facharztes T1. begründeten erhebliche Zweifel an seiner Schuldfähigkeit. Bei Zweifeln an dem diesbezüglichen Sachvortrag hätte das Verwaltungsgericht von diesem weitere Angaben anfordern oder im Wege der Amtsermittlung ein medizinisch-psychiatrisches Gutachten einholen müssen. Bei psychischen Erkrankungen sei eine taggenaue Diagnose nicht erforderlich; es komme auf die Krankheit und deren Auswirkungen an sich an. Herr T1. habe eine langdauernde oder wiederkehrende depressive Erkrankung diagnostiziert und es als depressiv bedingt angesehen, dass der Kläger in der Anfangssituation auf die Begehung der vorgeworfenen Taten zur Geldbeschaffung eingeengt gewesen sei. Dass die Taten nicht bemerkt worden seien, habe zu einem Abbau des Widerstands gegen eine Tatwiederholung geführt. Er halte auch das Geständnis als autoaggressiven Akt für ein Symptom einer depressiven Erkrankung. Zu Unrecht stütze sich das Verwaltungsgericht auf die Regelbeurteilung von Mai 2006. Diese betreffe nicht den gesamten Zeitraum bis 2009 und sei auch inhaltlich unzutreffend. Er habe sich im zu beurteilenden Zeitraum zweimal einer Beurteilung durch seine Mitarbeiter unterziehen müssen. Dabei seien ihm jeweils „unterdurchschnittliche“ bzw. „gerade durchschnittliche“ Fähigkeiten attestiert worden, so dass er zu Gesprächen mit einem unabhängigen Personalberater vorgeladen worden sei und sich einem externen Seminar habe unterziehen müssen. Dies zeichne ein realistischeres Bild als die allgemein bekannten und üblichen offenbar außerordentlich wohlwollenden Beurteilungen durch den Dienstherrn. Diese Auffälligkeiten seien durchaus mit krankheitsbedingtem Fehlverhalten vereinbar. Das Verwaltungsgericht begründe nicht, warum es von einem Auftreten psychischer Beschwerden erst nach Tatbegehung ausgehe.
38Ohne Begründung nehme das Verwaltungsgericht planvolles Vorgehen mit erheblicher krimineller Energie an. Die vom Rechnungsprüfungsamt festgestellten Sicherheitslücken seien ihm, dem Beklagten, so umfangreich nicht bekannt gewesen. Der Kläger habe die Sicherheitslücken geschaffen, sie seien diesem bekannt gewesen und toleriert worden. Es sei ihm nicht anzulasten, hierauf nicht noch einmal hingewiesen zu haben. Die Sicherheitslücken seien erst durch den Prüfungsbericht vom 3. Januar 2011 in ihrem Ausmaß bekannt geworden.
39Das Verwaltungsgericht sei nicht im gebotenen Umfang auf Milderungsgründe eingegangen. Es habe nicht beachtet, dass insofern der Zweifelsgrundsatz Anwendung finde und eine umfassende Gesamtabwägung unter Würdigung des Persönlichkeitsbildes und des im Einzelfall festzustellenden Vertrauensverlustes vorzunehmen sei. Da es den Beklagten nicht persönlich zur mündlichen Verhandlung geladen habe, habe sich der Eindruck aufgedrängt, dass zunächst nur die Verfahrensfehler hätten behandelt werden sollen. Auf den mehrfachen Hinweis seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, dass er kurzfristig im Gericht erscheinen könne, sei das Verwaltungsgericht nicht eingegangen. Dadurch habe es sich kein Bild über seine, des Beklagten, Person machen können.
40Einer substantiierten Darlegung seiner finanziellen Situation in den Jahren 2005 bis 2009 habe es nicht bedurft. Der Kläger habe mit Schreiben vom 19. Februar 2014 auf eine Kürzung der Dienstbezüge verzichtet, damit er, der Beklagte, mit seiner Familie nicht unter den Bedarfssatz nach SGB II absinke. Schon hieraus ergebe sich eine klare Aussage über seine finanzielle Situation. Bereits in der Vergangenheit habe für ihn eine ausweglose finanzielle Lebenssituation bestanden. Insofern sei die familiäre Ausnahmesituation einzubeziehen. Seine 1997 geborene halbseitig gelähmte Tochter habe nach einer Operation im Jahr 2004 ständiger Behandlungen bedurft. Die hohen Kosten seien nicht in vollem Umfang durch Krankenversicherungs- und Beihilfeleistungen gedeckt gewesen. Seine Ehefrau sei nicht berufstätig, um sich um die Tochter kümmern zu können. Zudem hätten sich ihre beiden übrigen Kinder im Studium befunden und hätten von ihren Eltern finanziell unterstützt werden müssen. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Berechnung eines durchschnittlichen monatlichen Veruntreuungsbetrages übergehe die wechselnde Tathäufigkeit in den unterschiedlichen Jahren.
41Vor dem Hintergrund dieser finanziellen und familiären Lage habe er die Taten unbedacht und kurzschlussartig und jeweils im Sinne eines Augenblicksversagens ausgeführt, weil er sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden habe. Dies habe auch der Facharzt T1. bestätigt.
42Zu Unrecht verneine das Verwaltungsgericht den Milderungsgrund der freiwilligen und vorbehaltlosen Offenbarung der Tat. Er, der Beklagte, habe keine Angst vor Entdeckung seiner Taten haben müssen. Nach Information über den Verdacht gegen Frau Q. habe der Abteilungsleiter, Herr C. , alle Stornierungen aller Mitarbeiter über mehrere Monate zurückliegend geprüft und keine Unregelmäßigkeiten im Arbeitsbereich des Beklagten festgestellt. Er habe ausdrücklich erklärt, in der Vergangenheit keine Auffälligkeiten festgestellt zu haben. Bei seiner polizeilichen Vernehmung habe er erklärt, seine – des Beklagten – Taten seien „bei der geringen Zahl von Einzelfällen … nicht direkt aufgefallen“. Die Anzahl der von ihm, dem Beklagten, vorgenommenen Stornierungen habe im Tatzeitraum bei insgesamt 134 mit 25 Schadensfällen gelegen, während Frau Q. 2.214 Stornierungen mit 1.925 Schadensfällen vorgenommen habe. Die Anzahl seiner Stornierungen habe durchschnittlich unter einer pro Woche gelegen, während Mitarbeiter durchschnittlich 3 bis 6 Stornierungen pro Monat verwirklicht hätten. Nach den Feststellungen des Rechnungsprüfungsamtes seien im Tatzeitraum regelmäßig Kassenprüfungen erfolgt. Die Mitarbeiterin C1. habe zudem erklärt, er, der Beklagte, sei befugt gewesen, Zulassungsfälle komplett zu stornieren, so dass sie im System nicht mehr feststellbar gewesen seien. Damit wären gegen ihn selbst bei umfassender Prüfung keine Verdachtsmomente mehr gegeben gewesen. Hätte er tatsächlich Angst vor Entdeckung gehabt, hätte er sein Fehlverhalten bereits bei der intensiven Prüfung durch Herrn C. eingestanden. Er habe vor seinem Geständnis erst seine Familie von seinem Fehlverhalten unterrichten wollen. Bei Anwendung der ihm unterstellten kriminellen Energie wäre es ihm sicherlich auch möglich gewesen, seine Fehltritte zu vertuschen.
43Der Abteilungsleiter, Herr C. , habe in seinem Aktenvermerk festgehalten, dass er, der Beklagte, tiefe Reue gezeigt und ohne Aufforderung seine Büroschlüssel abgegeben habe.
44Der Beklagte beantragt,
45das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen,
46hilfsweise,
47eine mildere disziplinare Maßnahme zu verhängen.
48Der Kläger beantragt,
49die Berufung zurückzuweisen.
50Er verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend: Die gerügten Verfahrensmängel lägen nicht vor, seien aber jedenfalls nicht wesentlich i.S.v. § 54 Abs. 1 LDG NRW. Bei den Taten des Beklagten könne schon wegen des Tatzeitraums von sechs Jahren nicht von Kurzschlusshandlungen die Rede sein. Eine durch äußere Einflüsse begründete Versuchungssituation habe nicht vorgelegen. Eine psychische Ausnahmesituation bei Tatbegehung sei nicht erkennbar und im Nachhinein auch nicht fachärztlich diagnostizierbar. Der Beklagte habe kaum krankheitsbedingte Ausfallzeiten gehabt. Vorgesetzte und Mitarbeiter hätten nicht von Auffälligkeiten berichtet. Der vorgelegte Bericht des behandelnden Facharztes sei unergiebig. Der Beklagte habe durch die private Verwendung ihm anvertrauter Gelder in nicht unbeträchtlichem Umfang das Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit auf Dauer zerstört. Dies gelte umso mehr wegen seiner herausgehobenen Dienststellung und der damit verbundenen Vorbildfunktion. Der Beklagte habe seine Taten nicht ohne Angst vor deren Entdeckung freiwillig offenbart.
51Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung das Disziplinarverfahren gem. §§ 65 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Satz 1 LDG beschränkt und diejenigen Tathandlungen des Beklagten ausgeschieden, die nicht Gegenstand des Strafbefehls des Amtsgerichts M. vom 26. Mai 2001 waren (Taten vom 16. März, 21. Juli und 9. November 2005).
52Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die im Protokoll der mündlichen Verhandlung im Einzelnen bezeichneten Beiakten, wie sie dem Senat vorgelegen haben, Bezug genommen.
53Entscheidungsgründe:
54Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
55Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Soweit das Disziplinarverfahren nach der erfolgten Beschränkung noch anhängig ist, liegt ein wesentlicher Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht vor (I.). Der Beklagte hat ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen begangen (II.), das nach umfassender Würdigung zu dem Schluss führt, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (III.).
56I. Ein wesentlicher Verfahrensmangel besteht weder hinsichtlich der Einleitung des Disziplinarverfahrens noch hinsichtlich dessen Aussetzung im Hinblick auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten. Das hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt. Dasselbe gilt für die zunächst unterbliebene Belehrung des Beklagten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 LDG NRW, die sich aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen nicht auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann. Dafür ist nicht von Belang, in welcher psychischen Verfassung sich der Beklagte bei Abfassung und Übergabe seines Geständnisses vom 30. Oktober 2010 am 2. November 2010 an den Abteilungsleiter C. – vor Einleitung des Disziplinarverfahrens – befand. Auch die Fortsetzung des behördlichen Disziplinarverfahrens nach Abschluss des Strafverfahrens mit Schreiben vom 26. Oktober 2011, in dem die im Disziplinarverfahren weiterverfolgten Tatvorwürfe detailliert angegeben und der Beklagte nunmehr auch ordnungsgemäß nach § 20 LDG NRW belehrt worden ist, begegnet entgegen der pauschalen Beanstandung des Beklagten keinen Wirksamkeitsbedenken.
57Ein wesentlicher Verfahrensmangel, der Anlass geben könnte, den Kläger unter Fristsetzung gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1 LDG zu dessen Beseitigung aufzufordern, liegt auch nicht deshalb vor, weil die Disziplinarklage nicht in vollem Umfang der Anforderung des § 52 Abs. 2 LDG NRW genügt, (selbst) die Tatsachen anzugeben, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird. Hieraus ergibt sich das Erfordernis, die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich zu schildern. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben sowie die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Beamte gegen die disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Auch tragen die gesetzlichen Anforderungen an die Klageschrift dem Umstand Rechnung, dass sie Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage zur Last gelegt worden sind. Aus der Klageschrift muss bei verständiger Lektüre deshalb eindeutig hervorgehen, welche konkreten Handlungen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden.
58Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2013 – 2 B 27.12 -, DokBer 2014, 27 = juris Rdn. 14 m.w.N.
59Diesen Anforderungen entspricht die Disziplinarklage nicht in vollem Umfang. Dieser ist, soweit die erhobenen Vorwürfe nach der Beschränkung durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2016 noch Gegenstand des Verfahrens sind, zwar zu entnehmen, dass dem Beklagten vorgeworfen wird, in den 22 Fällen – die Erwähnung von 23 von 26 Fällen nach Verjährung von 3 Fällen auf S. 7 der Disziplinarklage ist ein offenkundiges Versehen –, die vom Strafbefehl des Amtsgerichts M. erfasst sind, im Zeitraum vom 16. März 2005 bis 14. September 2010 angefallene Gebühren zunächst ordnungsgemäß verbucht, danach die Gebührenforderungen storniert und die entsprechenden Beträge bar aus der Kasse genommen zu haben. Die Klageschrift enthält aber nicht die Zeitpunkte und weiteren Einzelheiten der dem Beklagten zur Last gelegten einzelnen Handlungen. Ihr kann deshalb auch nicht entnommen werden, welche konkreten Sachverhalte vom Dienstherrn zur Begründung des von ihm angenommenen Dienstvergehens herangezogen werden. Die Klageschrift durfte hierzu nicht auf die in dem Strafbefehl – der Hinweis auf ein Strafurteil ist ein offenkundiges Versehen - in Verbindung mit der dort in Bezug genommenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Q1. vom 14. März 2011 enthaltene Auflistung der Taten verweisen. Durch eine derartige Verweisung auf außerhalb ihrer selbst liegende Unterlagen kann die Klageschrift nicht mehr die ihr durch § 52 LDG NRW zugedachte Eingrenzungs- und Informationsfunktion erfüllen. Die Klageschrift ist nicht mehr aus sich heraus verständlich, sodass der Beklagte sich nicht auf sie beschränken kann, um den genauen Gegenstand der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und sein hiergegen mögliches Prozessverhalten bestimmen zu können.
60Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2013 – 2 B 27.12 -, DokBer 2014, 27 = juris Rdn. 16 m.w.N.
61Der in dem unzulässigen Verweis auf den Strafbefehl liegende Mangel der Klageschrift ist unter den hier gegeben Umständen jedoch ausnahmsweise als unwesentlich einzustufen und hindert deshalb den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme nicht.
62Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne des § 54 LDG NRW und bedarf einer Korrektur oder führt zur Einstellung des Verfahrens nach § 54 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann. Maßgeblich ist wegen der Funktion des Disziplinarverfahrensrechts, bei der Prüfung und ggf. Ahndung von Dienstvergehen gesetzmäßige Ergebnisse zu erzielen, die Ergebnisrelevanz. Wann ein Mangel wesentlich ist, ist eine Frage des Einzelfalles.
63Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2013 – 2 B 27.12 -, DokBer 2014, 27 = juris Rdn. 19 m.w.N.
64Eine inhaltlich nicht ausreichend bestimmte Klageschrift weist zwar grundsätzlich einen wesentlichen Mangel auf, weil sie regelmäßig die sachgerechte Verteidigung des Beamten gegen die disziplinaren Vorwürfe erschwert. Vorliegend waren dem Beklagten indes vorab der Strafbefehl und die Anklageschrift bekannt, in denen in einer Einzelaufstellung jeweils die Tattage, die betroffenen Fahrzeugkennzeichen und die verbuchten, stornierten und der Kasse entnommenen Gebührenbeträge aufgeführt waren. In der an den Beklagten gerichteten Fortsetzungsverfügung vom 26. Oktober 2011 hatte der Kläger auf den Strafbefehl hingewiesen. Aus der Zusammenschau der auf den Strafbefehl Bezug nehmenden Klageschrift und dem dem Beklagten zur Verfügung stehenden Strafbefehl konnte für diesen kein Zweifel daran bestehen, welche Sachverhalte vom Dienstherrn zur Begründung des angenommenen Dienstvergehens herangezogen wurden. Der Beklagte wusste genau, welche Handlungen ihm zur Last gelegt wurden. Er war damit auch in die Lage versetzt, sich sachgerecht zu verteidigen und sein Prozessverhalten hierauf einzustellen.
65Warum und wie sich der Mangel der Klageschrift auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens hätte auswirken können, ist weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Beklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten, soweit sie nach der Beschränkung noch Gegenstand des Verfahrens sind, sowohl im Straf- als auch im Disziplinarverfahren von Anfang an eingeräumt. Er ist hiervon auch im erst- und zweitinstanzlichen gerichtlichen Verfahren nicht abgerückt. Eine Ergebnisrelevanz ergibt sich auch nicht aus dem erstinstanzlichen pauschalen Vorbringen des Beklagten, ein „bloßer Hinweis auf das Strafverfahren, das nicht durch Strafurteil beendet wurde“ führe zu einer „verfahrensrechtlichen Schlechterstellung“ des betroffenen Beamten. Die Disziplinarklage enthält nicht lediglich einen pauschalen Verweis auf das abgeschlossene Strafverfahren, sondern nimmt konkret den erlassenen Strafbefehl in Bezug, der mit seinem Verweis auf die Anklageschrift die dem Beklagten zur Last gelegten Taten eindeutig bezeichnet. Es kann daher mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sich der Verstoß gegen § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW auf das Disziplinarklageverfahren ausgewirkt hat.
66II. Der Beklagte hat ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehens begangen.
671. In tatsächlicher Hinsicht legt der Senat hinsichtlich des objektiven Tatgeschehens – ebenso wie das Verwaltungsgericht – die tatsächlichen Feststellungen zu Grunde, auf deren Grundlage das Amtsgericht M. den rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vom 26. Mai 2011 gegen den Beklagten erlassen hat. Hierbei handelt es sich um den in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Q1. vom 14. März 2011 enthaltenen Tatvorwurf, der im Tatbestand wörtlich wiedergegeben ist und auf den verwiesen wird. Zwar entfaltet der Strafbefehl keine Bindungswirkung gemäß § 56 Abs. 1 LDG NRW. Die ihm zu Grunde liegenden Tatsachen können der Entscheidung des Senats aber nach § 56 Abs. 2 LDG NRW ohne erneute Prüfung zu Grunde gelegt werden, weil der Beklagte sie im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht substantiiert bestritten hat.
68Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Januar 2013 – 2 B 63.12 – juris, Rdn. 23, und vom 4. September 2008 – 2 B 61.07 – NVwZ 2009, 597 = juris Rdn. 8, jeweils zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 57 BDG.
69Der Beklagte hat von Anfang an eingeräumt, in der Zulassungsstelle über Jahre hinweg erhobene Gebühren im elektronischen Buchungssystem im Nachhinein storniert und die betreffenden Gebührenbeträge an sich genommen zu haben. Auf Mitteilung des Gesamtbetrages der bei der Sonderprüfung festgestellten Schadensfälle hat er die Schadenssumme erstattet. Weder im Straf- noch im Disziplinarverfahren hat er bestritten, die ihm zur Last gelegten Entnahmen eingenommener Gebühren vorgenommen zu haben. Sein schriftliches Geständnis vom 30. Oktober 2010, er habe Gebührenbeträge unrechtmäßig storniert und das Geld an sich genommen, belegt vorsätzliches Handeln. Soweit er erstinstanzlich pauschal beanstandet hat, dass der Kläger von einer bewussten und gewollten Tatbegehung ausgehe, hat er diese Rüge nicht substantiiert. Es ist nicht erkennbar, dass ein Tatgeschehen wie das hier fragliche etwa fahrlässig hätte begangen werden können.
70Ergänzender Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, wie sie das Verwaltungsgericht getroffen hat, bedarf es nicht, nachdem der Senat die nicht vom Strafbefehl erfassten Tatvorwürfe aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden hat.
712. Ebenso wie das Verwaltungsgericht legt der Senat zu Grunde, dass der Beklagte bei Begehung der ihm zur Last gelegten 22 Entnahmen von Gebühren in den Jahren 2005 bis 2010 nicht schuldunfähig gewesen ist und dass sich diese Feststellung treffen lässt, ohne Beweis zu erheben, insbesondere ein psychiatrisches Gutachten einzuholen. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, er sei bei Begehung aller Taten schuldunfähig gewesen, weil er an einer psychischen Erkrankung gelitten habe. Dies sei auf Grundlage der Stellungnahmen des ihn behandelnden Facharztes für Psychiatrie, Herrn T1. , jedenfalls nicht auszuschließen. Dieser habe eine Depression diagnostiziert und Zweifel an der Einsichts- und Schuldfähigkeit des Beklagten im Tatzeitraum geäußert. Deshalb sei es erforderlich, die Frage einer psychischen Erkrankung des Beklagten und einer Beeinträchtigung der Einsichts- und Schuldfähigkeit durch Einholung eines medizinisch-psychiatrischen Gutachtens aufzuklären.
72Den Disziplinargerichten obliegt die Pflicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO, § 65 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW). Demzufolge muss das Verwaltungsgericht die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufklären, wenn im Einzelfall greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Fähigkeit des Beamten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB aufgehoben oder erheblich gemindert war.
73BVerwG, Beschlüsse vom 28. Januar 2015 - 2 B 15.14 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 11 = juris Rdn. 18, vom 19. August 2013 – 2 B 18.13 – juris Rdn. 15, vom 20. Oktober 2011 – 2 B 61.10 – USK 2011, 165 = juris Rdn. 9, und vom 23. Februar 2012 – 2 B 143.11 – juris Rdn. 18.
74Hierfür bedarf es in der Regel besonderer medizinischer Sachkunde.
75BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 2 B 84.14 – juris Rdn. 20.
76Hiernach bedurfte es nicht der vom Beklagten schriftsätzlich angeregten Beweiserhebung; einen Beweisantrag hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht gestellt. Nach dem Inhalt der Akten, dem Vorbringen des Beklagten und auf Grund der verschiedenen ins Verfahren eingeführten schriftlichen Äußerungen des Facharztes für Psychiatrie, Herrn T1. , bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte, dass der Beklagte bei Begehung seiner Taten in den Jahren 2005 bis 2010 an einer psychischen Erkrankung gelitten haben könnte, die einem der Eingangsmerkmale des § 20 StGB unterfiele, etwa als krankhafte seelische Störung oder tiefgreifende Bewusstseinsstörung.
77a. Der Beklagte befand sich im Tatzeitraum nicht in ärztlicher Behandlung wegen einer psychischen Erkrankung. Nach seinen Angaben in der Klageerwiderung habe er die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung erst nach Beendigung des Strafverfahrens erkannt und in die Tat umgesetzt. Weder im Straf- noch im behördlichen Disziplinarverfahren hat er sich darauf berufen, an einer derartigen Erkrankung gelitten zu haben, die für die begangenen Taten von Bedeutung hätte sein können. Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hatte der Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011 geltend machen lassen, er habe sich in psychiatrische Behandlung begeben, weil er durch sein Fehlverhalten belastet worden sei. Dass dieses Fehlverhalten selbst von einer psychischen Erkrankung beeinflusst gewesen wäre, hat er nicht behauptet. In seiner Stellungnahme zum Ermittlungsergebnis im Disziplinarverfahren vom 16. April 2012 hatte er angekündigt, ein psychologischen Gutachten über seine persönliche Ausnahmesituation beizubringen. Von einer Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet, die Auswirkungen auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit gehabt haben könnte, war auch hier nicht die Rede.
78b. Auch dem Verhalten des Beklagten im Dienst sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass er im Tatzeitraum an einer psychischen Erkrankung, insbesondere einer von ihm behaupteten depressiven Erkrankung gelitten haben könnte. Nach den unwidersprochenen Angaben des Klägers waren seinerzeit längere Krankheitszeiten des Beklagten nicht zu verzeichnen. Vorgesetzte oder Mitarbeiter hätten keine Auffälligkeiten wahrgenommen. Die Bewertung der Führungsleistung des Beklagten im August 2005 erbrachte in acht von zehn Unterkriterien Spitzenbeurteilungen („weit übertroffen“). Die Beurteilung des Beklagten vom 11. Mai 2006 über den Beurteilungszeitraum von April 2004 bis März 2006 bescheinigte dem Beklagten Leistungen, die die Anforderungen weit übertrafen. Er habe als einziger Sachgebietsleiter im mittleren Dienst die Anforderungen an Führungskräfte in erheblichem Maße übertroffen. Sein Arbeitseinsatz sowie seine Zusammenarbeit im eigenen Bereich und mit seinem Abteilungsleiter seien beispielhaft. Er habe eine zusätzliche Aufgabe übernommen. Er habe seine Gestaltungsspielräume hervorragend genutzt, um in der Zulassungsstelle eigene Akzente zu setzen, u.a. bei der optischen Gestaltung der Diensträume im Zusammenwirken mit einer örtlichen Künstlergruppe. Er bewältige auch besonders schwierige Gespräche mit Bürgern und Kunden in besonders hervorragender Weise. Er fördere die Mitarbeiter in hohem Maße durch Lob und Anerkennung. Das auf diese Weise beschriebene dienstliche Auftreten des Beklagten spricht durchgreifend gegen eine psychische Erkrankung mit Auswirkungen auf seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit, insbesondere eine Depression in dem von der Beurteilung erfassten Zeitraum. Keinesfalls ist es zu vereinbaren mit dem auf Äußerungen des Facharztes für Psychiatrie T1. gestützten Vorbringen des Beklagten, seine „Einengung“ auf die Geldbeschaffung aus der Kasse der Dienststelle sei gerade in der „Anfangssituation“ depressiv bedingt.
79Gegenüber diesem dienstlichen Leistungsbild des Beklagten fällt zwar das Ergebnis der verwaltungsinternen Umfrage „besser führen“ im Jahr 2008 ab. Hier erzielte der Beklagte nur in einem Untermerkmal der Mitarbeiterführung die Spitzenbeurteilung („weit übertroffen“), bei drei Merkmalen die Bewertung „übertroffen“ und bei vier Kriterien „erfüllt“. Auch diese Bewertung ist jedoch immer noch überdurchschnittlich und weist nicht auf eine psychische Erkrankung des Beklagten hin. Seine Behauptung, bei zwei Mitarbeiterbefragungen lediglich unterdurchschnittliche Bewertungen erzielt zu haben, ist demnach unzutreffend. Dass er, wie er angibt, aufgrund von Mitarbeiterbefragungen zu einer externen Beratung geladen worden sei, findet in der Personalakte keine Bestätigung. Abgesehen davon deutete auch dies nicht darauf hin, dass ein eventueller Leistungsabfall des Beklagten gerade auf einer psychischen Erkrankung beruhte. Dass der angeblich hinzugezogene externe Berater etwa Anhaltspunkte für eine solche Erkrankung erkannt habe, macht der Beklagte nicht geltend.
80c. Auch im privaten Bereich des Beklagten sind Anhaltspunkte für eine depressive Erkrankung im Tatzeitraum nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Der Beklagte war seinen Angaben zufolge dadurch belastet, dass sich seine halbseitig gelähmte Tochter B. nach ihrer Operation im Jahr 2004 häufig u.a. in N. , H. und Bad L. Untersuchungen unterziehen musste und in der Folgezeit ständig Ergo-, Bewegungs- und Chirotherapien erhielt. Er hat jedoch zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, den hieraus resultierenden Belastungen im privaten Bereich, wegen derer seine Ehefrau nicht berufstätig gewesen sei, persönlich – mit Ausnahme der finanziellen Belastungen - nicht gewachsen gewesen zu sein. Nach eigenen Angaben war er im Kirchenvorstand seiner heimischen Gemeinde tätig, bis er dieses ehrenamtliche Engagement infolge seines Dienstvergehens aus eigener Entscheidung aufgegeben habe. Gegenüber dem Facharzt für Psychiatrie T1. gab er an, vor Aufdeckung seiner Taten am Wohnort sozial und gesellschaftlich aktiv gewesen zu sein.
81d. Aus den vom Beklagten vorgelegten Stellungnahmen des Facharztes für Psychiatrie T1. ergeben sich ebenfalls keine Anknüpfungstatsachen für die Annahme, der Beklagte könnte im Tatzeitraum an einer psychischen Erkrankung, insbesondere einer Depression, gelitten haben, die einem der Eingangsmerkmale des § 20 StGB unterfiele und dessen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Taten beeinflusst haben könnte.
82Herr T1. hat keine unmittelbare Kenntnis vom Gesundheitszustand des Beklagten bei Tatbegehung. Nach eigenen Angaben begab sich der Beklagte erst nach Abschluss des Strafverfahrens in fachärztliche Behandlung, da er dies erst zu diesem Zeitpunkt für notwendig hielt. Herr T1. ist daher für seine Befunderhebung auf Schlussfolgerungen angewiesen. Andere Grundlagen hierfür als die Angaben des Beklagten und seiner Ehefrau sowie eine Beurteilung aus dem Jahre 1994 benennt Herr T1. nicht.
83Schon deshalb ist der Erkenntniswert von Angaben des Herrn T1. zur Schuldfähigkeit des Beklagten zum Zeitpunkt der Begehung seiner Taten grundlegend in Frage gestellt. Im Ürigen benennt Herr T1. auch keine Tatsachen, die seine zuletzt gestellte Diagnose einer depressiven Erkrankung, die seiner Ansicht nach die Einsichts- und Schuldfähigkeit des Beklagten bei Begehung sämtlicher ihm vorgeworfener Taten in Zweifel ziehe, nachvollziehbar erschienen ließen und Anlass für eine weitere Sachaufklärung gäben. Abgesehen davon wird die Überzeugungskraft dieser Stellungnahmen dadurch durchgreifend entwertet, dass sich die gestellten Diagnosen im Laufe des gerichtlichen Verfahrens auffällig steigern, ohne dass hierfür eine Erklärung gegeben wird:
84In seinem „Bericht zur Vorlage“ vom 10. Juli 2012 erklärt Herr T1. , der Beklagte befinde sich – aktuell - in ambulanter Behandlung wegen einer „depressiven Symptomatik“. Er berichtet von Schlafstörungen und nicht näher bezeichneten „anderen psychovegetativen Symptomen“, die er auf Schuldgefühle zurückführt, die der Beklagte wegen der Geldentnahmen aus der Kasse aus einem Konflikt zwischen Pflichtgefühl und Verantwortung für die Tochter entwickelt habe. Dass – schon - für diese Taten eine psychische Erkrankung Bedeutung gehabt hätte, behauptet er (noch) nicht.
85In dem „Bericht zur Vorlage“ vom 10. November 2012 schildert Herr T1. , der Beklagte habe die Behandlung wegen heftiger Verstimmungszustände mit suizidaler Gedankenbildung, Konzentrations- und Antriebsstörungen aufgenommen. Er habe nach Tatbegehung erstmalig Suizidgedanken gehegt. Bei ihm sei von einer rezidivierenden depressiven Störung bei zwanghafter Persönlichkeitsstruktur auszugehen. Ferner heißt es, der Beklagte sei bei seinen Bemühungen, der jüngsten Tochter die gleichen Möglichkeiten wie den anderen Kindern einzuräumen, an seine physischen, psychischen und finanziellen Grenzen gelangt. Er habe hierunter Bluthochdruck und Schlafstörungen entwickelt; „die affektiven Veränderungen“, die nicht näher bezeichnet werden, hätten sich seiner Wahrnehmung entzogen. Hieran anschließend erklärt Herr T1. , der Konflikt zwischen Pflichtgefühl und Verantwortung für seine Tochter, deren Behandlungskosten seine Möglichkeiten überstiegen hätten, hätten beim Beklagten zu einer derartigen „inneren Drangsal“ geführt, dass er in einen Zustand geraten sei, „der ein vernunftgesteuertes Handeln weitgehend, wenn nicht gar vollständig ausschloss“, und Geld aus der Kasse genommen habe. Die Möglichkeit einer Kreditaufnahme sei dem Beklagten „nach seinem gelernten Verständnis“ nicht „präsent“ gewesen. Dies erläutert zwar die Motivation des Beklagten für seine Taten aus Sicht des Herrn T1. . Dass und inwiefern hierfür eine psychische Erkrankung von Bedeutung gewesen sein sollte, die Auswirkungen auf die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit des Beklagen gehabt hätte, ergibt sich hieraus aber nicht.
86In der „fachärztlichen Stellungnahme“ vom 11. September 2013 wiederholt Herr T1. im Wesentlichen seine Angaben in dem Bericht vom 10. November 2012. Insofern gilt das soeben Ausgeführte. Zusätzlich berichtet er nunmehr von „Ängste[n] bzw. Neigung zu Befürchtungen und Verstimmungszuständen“ des Beklagten, die in seiner Kindheit bzw. Jugend wurzelten und „durch zeitweiliges berufliches Überlastungserleben“ und seit Geburt der Tochter wegen zeitlicher und finanzieller Belastung verstärkt worden seien. Ein Zielkonflikt zwischen dem Streben nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Zuwendung sowie einem Gerechtigkeitsbemühen auch gegenüber den Kindern habe zu „der erschöpfenden Symptomatik“ geführt. Die Ehefrau des Beklagten habe angegeben, es habe immer wieder Zeiten gegeben, in denen er noch stiller gewesen sei, noch mehr gegrübelt, an sich gezweifelt und sich größere Sorgen gemacht habe. Angaben des Beklagten und seiner Ehefrau sowie eine Beurteilung aus 1994 legten in einer Zusammenschau nahe, dass der Beklagte Eigenschaften eines „Typus melancholicus“ aufweise. Diese Persönlichkeitseigenschaft gelte als „charakteristisches Risikoprofil für die Entwicklung einer rezidivierenden depressiven Störung“. Es könne von einem wiederkehrenden Auftreten depressiver Episoden ausgegangen werden, die „durch sehr hohen Energieaufwand ohne deutlich erkennbare Beeinträchtigung der Dienstfähigkeit oder ausgeprägte affektive Symptomatik zu Tage traten“. Anamnestisch seien Appetitveränderung, Störungen des Schlafes, der Vitalität und Grübelneigung bis in die neunziger Jahre rückreichend nachweisbar gewesen. All dies trägt indes nicht die abschließende Schlussfolgerung des Herrn T1. , der Beklagte sei „aufgrund des durch die depressive Erkrankung und seine Persönlichkeitsstruktur bestehenden Konflikts in einem seine Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden Zustand gewesen, sodass seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit […] erheblich eingeschränkt war“, soweit diese auf den Zeitraum der Tatbegehung bezogen sein sollte: Dass der Beklagte möglicherweise einer „Risikogruppe“ für eine depressive Erkrankung angehört, besagt nichts dafür, dass eine derartige Erkrankung bereits im Tatzeitraum bei ihm ausgebrochen gewesen sein könnte. Auch die in der fachärztlichen Stellungnahme referierten Angaben der Ehefrau des Beklagten zu bei diesem beobachteten Verhaltensänderungen sind sowohl in quantitativer als auch in zeitlicher Hinsicht unbestimmt. Sie eignen sich damit weder als Hinweis auf eine psychische Erkrankung - statt gelegentlicher alltäglicher Stimmungsschwankungen -, noch können sie überhaupt den dem Beklagten vorgeworfenen Taten zeitlich zugeordnet werden. Herr T1. bestätigt, beim Beklagten sei weder eine deutlich erkennbare Beeinträchtigung der Dienstfähigkeit noch eine ausgeprägte affektive Symptomatik zutage getreten.
87Der Bericht zur Vorlage vom 11. Januar 2014 benennt keine Anknüpfungstatsachen für eine depressive Erkrankung des Beklagten im Tatzeitraum.
88In der „Ergänzenden Stellungnahme“ vom 1. Juni 2015 stellt Herr T1. einleitend eine „krankheitsbedingte Einengung“ des Beklagten auf die alleinige Möglichkeit einer Geldbeschaffung durch die streitbefangenen Tathandlungen fest, die seiner Meinung nach „zumindest für die Anfangssituation mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit depressiv bedingt“ sei. Hiermit widerspricht er seinen früheren Darstellungen, die fehlende „Präsenz“ anderer Abhilfemöglichkeiten für die finanziellen Schwierigkeiten beim Beklagten beruhe auf „seinem erlernten Verständnis“, es sei ein „vorgelebtes Motto“ gewesen, nicht um Hilfe zu bitten, ohne für diese abweichende Erkenntnis irgendeine Begründung zu geben. Angesichts dessen fehlt jede nachvollziehbare Grundlage für seine nunmehr aufgestellte Behauptung, das nicht-in-Betracht-Ziehen anderer Abhilfemöglichkeiten sei „ein wesentliches Symptom einer depressiven Erkrankung“. Dasselbe gilt für seine Interpretation, das schriftliche Geständnis der – vom Beklagten unstrittig begangenen – Tathandlungen ohne Konsultation eines Anwaltes und „ohne offenkundige Hinweise von Ermittlungen gegen seine Person“, das der Beklagte selbst als Offenbarung aus autonomen Motiven von Reue und schlechtem Gewissen darstellt, sei ein Akt der „Selbstbezichtigung und Selbstbestrafung als autoaggressive[r] Akt“, der den „hochgradigen Verdacht“ einer schweren depressiven Episode begründe, mithin krankheitsbedingt. Auch die Einschätzung, Einschränkungen bei einer Beurteilung des Beklagten, die zur verpflichtenden Teilnahme an Schulungen geführt hätten, seien „durchaus mit erkrankungsbedingtem Fehlverhalten vereinbar“, belegt kein Symptom einer psychischen Erkrankung. Abgesehen davon ist, wie ausgeführt, den Personalakten des Beklagten für eine solche Schulungsaufforderung nichts zu entnehmen. Der abschließenden Bewertung des Facharztes für Psychiatrie T1. , dass „das Vorliegen einer rechtserheblichen psychischen Beeinträchtigung … nicht nur nicht unwahrscheinlich, sondern durchaus gegeben sein kann“, fehlt demnach eine nachvollziehbare Grundlage.
893. Durch das festgestellte Verhalten hat der Beklagte die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt und ein einheitliches schwerwiegendes innerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a.F. sowie dem seit dem 1. April 2009 geltenden § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Anwendbar sind jeweils die Begehung der jeweiligen Tathandlungen geltenden gesetzlichen Regelungen, da die Neuregelung zu keiner für den Beklagten begünstigenden Regelung geführt hat.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 -, NVwZ 2011, 303 = juris Rdn. 25; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2012 - 3d A 317/11.O -, juris Rdn. 39 m.w.N.
91Hiernach begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Zu den näher ausgestalteten Pflichten gehören die Pflichten zur uneigennützigen Amtswahrnehmung und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb des Dienstes (§ 57 Sätze 2 und 3 LBG NRW a.F.; vgl. § 34 Sätze 2 und 3 BeamtStG). Diese Pflichten hat der Beklagte verletzt, indem er in 22 Fällen zuvor vorgenommene Buchungen unrechtmäßig stornierte und die betreffenden Gebührenbeträge aus der von ihm geführten Kasse nahm und für sich verwendete. Deswegen hat ihn das Amtsgericht M. durch Strafbefehl wegen 22 Taten der Untreue in einem besonders schweren Fall unter Ausnutzung seiner Amtsstellung gemäß §§ 266 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, 53 StGB mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten belegt, deren Vollstreckung es zu Bewährung ausgesetzt hat. Der Beklagte beging damit ein innerdienstliches Dienstvergehen. Er handelte, wie oben dargestellt, vorsätzlich und schuldhaft.
92III. Dem Verwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er bei prognostischer Bewertung unter Berücksichtigung sämtlicher be- und entlastenden Umstände des Falles durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW).
931. Die Auswahl der im Einzelfall erforderlichen Disziplinarmaßnahme richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 Sätze 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 LDG NRW nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Dazu sind die genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht zu ermitteln und in die Entscheidung einzustellen, um dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) zu genügen. Die Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.
94Vgl. entsprechend zu § 13 BDG BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 -, BVerwGE 147, 229 = juris Rdn. 13 m.w.N.
95a. Für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme im Sinne des § 5 Abs. 1 LDG NRW ist die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW maßgebendes Bemessungskriterium.
96Bei der Auslegung des Begriffs "Schwere des Dienstvergehens" ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) und unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (z.B. materieller Schaden).
97Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
98vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 -, juris Rdn. 19, 17,
99hat sich bei innerdienstlich begangenen Straftaten die Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 LDG NRW am gesetzlich bestimmten Strafrahmen zu orientieren. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleiste eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Mit der Anknüpfung an die Strafandrohung werde zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimme, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.
100Dem hat sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung angeschlossen.
101Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. April 2016 – 3d A 1785/14.O -, juris Rdn. 90.
102Das Amtsgericht hat den Beklagten wegen Untreue in einem besonders schweren Fall nach §§ 266 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 3 StGB bestraft. Hierfür sieht das das Gesetz einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren vor. Selbst wenn man eine Vermögensbetreuungspflicht des Beklagten i.S.v. § 266 StGB verneinte und nur die Entnahme von Geldern aus der von ihm geführten Kasse in den Blick nähme, handelte es sich um eine veruntreuende Unterschlagung im Sinne von § 246 Abs. 2 StGB, für die das Gesetz einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
103Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14, juris Rdn. 17 m.w.N.
104Das Dienstvergehen des Beklagten ist bei Bewertung seiner Einzelumstände von solchem Gewicht, dass dieser Orientierungsrahmen „nach oben“ auszuschöpfen ist. Die Schwere des Vergehens des Beklagten indiziert dessen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
105Ein Beamter, der sich bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergreift, die seinem Gewahrsam unterliegen, beeinträchtigt damit in aller Regel grundlegend das für die Fortdauer des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. Denn die Verwaltung ist auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten beim Umgang mit solchen Geldern und Gütern in hohem Maße angewiesen. Eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters ist unmöglich und muss deshalb weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Wer diese für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauensgrundlage erschüttert, muss auch mit der Auflösung des Beamtenverhältnisses rechnen. Ein solches Fehlverhalten fällt dem Beklagten zur Last. Ihn belastet hierbei, dass es sich bei der ordnungsgemäßen Abführung der in einer Kraftfahrzeugzulassungsstelle angefallenen Gebühreneinnahmen um eine Kernpflicht der mit der Gebührenerhebung betrauten Beamten handelt.
106Das einer derartigen Veruntreuung von Geldern des Dienstherrn generell zukommende erhebliche Gewicht des Disziplinarvergehens wird dadurch gesteigert, dass den Beklagten 22 einschlägige Tathandlungen zur Last fallen. Der Tatzeitraum erstreckt sich dabei auf vier Jahre und neun Monate. Der Gesamtschaden ist mit 1.957,70 EUR beträchtlich und weit jenseits jeder Bagatellgrenze.
107Die Schwere des Dienstvergehens des Beklagten wird nicht mit Blick darauf nennenswert gemindert, dass er nach eigenen Angaben die Gelder veruntreut hat, weil die Kosten der Behandlung seiner Tochter nicht in vollem Umfang durch Krankenversicherungs- und Beihilfeleistungen gedeckt waren. Dies ändert nichts daran, dass er aus Eigennutz handelte. Im Übrigen hat der Beklagte zu Art und Umfang der ungedeckten Aufwendungen, insbesondere auch zu den Gründen deren Nichtanerkennung durch Krankenkasse und Beihilfestelle, keine substantiierten Angaben gemacht.
108Auch die Höhe der gegen den Beklagten verhängten Strafe führt nicht zu der Bewertung, dass Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung eine unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis liegende Maßnahme sein müsste. Diese ist mit sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe zwar deutlich von dem Maß von einem Jahr Freiheitsstrafe entfernt, bei deren Verhängung das Beamtenverhältnis des Beklagten kraft Gesetzes geendet hätte (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Auch diese Strafe dokumentiert jedoch, dass dem Fehlverhalten des Beamten schon ohne den Blick auf dessen dienstrechtliche Bindungen ein ganz erhebliches Gewicht zukommt. Im Übrigen sind für die disziplinare Bewertung innerdienstlichen Fehlverhaltens die dienstlichen Belange ausschlaggebend. Dem konkreten Strafmaß einer Verurteilung im Strafverfahren kommt in derartigen Fällen für die Maßnahmebemessung im Disziplinarverfahren keine indizielle Bedeutung zu.
109Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2016 – 2 B 24.16 -, juris Rdn. 15 m.w.N.
110b. Ist demzufolge die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung für das dem Beklagten zur Last fallende Dienstvergehen, so kommt es für die Bestimmung der im konkreten Einzelfall zu verhängenden Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 LDG NRW derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist.
111Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63.11 -, BVerwGE 147, 229 = juris Rdn. 17 m.w.N.
112Aus den gesetzlichen Vorgaben gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Dabei ist eine Prognose über das voraussichtliche künftige dienstliche Verhalten des Beamten zu treffen und das Ausmaß der von ihm herbeigeführten Ansehensbeeinträchtigung des Berufsbeamtentums einzuschätzen. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW ist ein Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn er das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Dies ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen.
113In Anwendung dieser Grundsätze pflichtet der erkennende Senat dem Verwaltungsgericht darin bei, dass der Beklagte sich mit seinem hier zu beurteilenden Verhalten eines so schweren Dienstvergehens schuldig gemacht hat, dass es bei einer Gesamtwürdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände, seines Persönlichkeitsbildes und des Umfangs der eingetretenen Vertrauensbeeinträchtigung unumgänglich ist, ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
114aa. Wie zutreffend bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, ist einer der in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts „anerkannten“ Milderungsgründe, der das Verhalten des Beklagten in milderem Licht erscheinen ließe, nicht zu erkennen.
115(1.) Der Milderungsgrund einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation –
116vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Juli 2000 – 1 D 33.99 –, juris Rdn.16, und vom 13. März 1996 – 1 D 55.95 –, DokBer B 1996, 207 = juris Rdn. 14 –
117ist schon deshalb nicht gegeben, weil der Beklagte es nicht bei einem einmaligen Pflichtverstoß hat bewenden lassen, sondern 22 Veruntreuungen begangen hat. Auch besondere Versuchungssituationen oder von außen auf ihn einwirkende Zwangslagen, die bei ihm jeweils Kurzschlusshandlungen ausgelöst hätten, sind nicht ersichtlich. Die Einschätzung des Facharztes für Psychiatrie T1. , es habe sich jeweils um Augenblickstaten gehandelt, ist schon mit Blick auf den langen Zeitraum nicht nachvollziehbar.
118(2.) Der Milderungsgrund einer „Entgleisung“ während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase –
119vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 2014 – 2 B 60.14 –, juris Rdn. 31 f., und vom 15. Juni 2016 – 2 B 49.15 –, juris Rdn. 10 –
120ist ebenfalls nicht gegeben. Zwar stellte die Behinderung der Tochter mit dem Erfordernis einer ständigen zeit- und kostenaufwendigen Behandlung im Tatzeitraum nach den glaubhaften Angaben des Beklagten für diesen eine nicht unerhebliche Belastung dar. Es ist indes nicht zu erkennen, dass diese Belastung den Beklagten „aus der Bahn geworfen“ hätte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass seine Ehefrau von einer Berufstätigkeit abgesehen hatte, so dass sie diese Aufgabe ganztätig wahrnehmen und ihn entlasten konnte. Der Beklagte erbrachte innerhalb des Dienstes die bereits oben dargestellten weit überdurchschnittlichen Leistungen. Außerdem war er bis zur Aufdeckung seiner Taten am Wohnort sozial und gesellschaftlich aktiv und als Mitglied des Kirchenvorstandes seiner Gemeinde ehrenamtlich engagiert. Wenn das Verhalten eines Beamten im Tatzeitpunkt in keiner Weise auffällig geworden ist, bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, er sei aufgrund außergewöhnlicher Umstände „zeitweilig aus der Bahn geworfen“.
121Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2016 – 2 B 49.15 –, juris Rdn. 11.
122(3.) Der Beklagte kann sich auch nicht auf den Milderungsgrund einer unverschuldeten ausweglosen existenzbedrohenden wirtschaftlichen Notlage –
123vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2007 – 1 D 2.06 –, juris Rdn. 28 ff. –
124berufen. Er hat nicht dargelegt, sich im Tatzeitraum überhaupt in einer wirtschaftlichen Notlage befunden zu haben. Die Höhe der ungedeckten Behandlungskosten seiner Tochter hat er ebenso wenig benannt wie seine übrigen wirtschaftlichen Verhältnisse im Tatzeitraum. Hierauf kann entgegen seiner Meinung nicht deshalb verzichtet werden, weil der Kläger im Jahr 2014 von einer – weiteren – vorläufigen Einbehaltung von Bezügen abgesehen habe. Dem Kläger fällt zudem nicht lediglich ein zeitlich begrenztes Fehlverhalten zur Last. Es ist ferner nicht ersichtlich, dass er die veruntreuten Gelder zur Milderung oder Abwendung von existenzbedrohenden Notlagen eingesetzt hätte. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, dass eventuelle finanzielle Schwierigkeiten nicht auf andere Weise als durch die Begehung von Straftaten zu Lasten des Klägers hätten behoben werden können, etwa durch Aufnahme eines Kredits bei einem Bankinstitut. Dass der Beklagte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen wollte, führt nicht zur Anwendung des Milderungsgrundes. Die – anfänglichen - Angaben des Facharztes für Psychiatrie T1. , diese Möglichkeit sei für den Beklagten nicht „präsent“ gewesen, ist nach Überzeugung des Senats nicht etwa dahingehend zu verstehen, sie sei dem Beklagten nicht bekannt gewesen. Diese Möglichkeit schließt der Senat bei einem lebens- und diensterfahrenen Kommunalbeamten in einer Führungspostition als lebensfremd aus. Dies gilt ebenso mehr, als der Beklagte seinerzeit einen Bausparvertrag abgeschlossen hatte.
125(4.) Der Milderungsgrund einer tätigen Reue durch freiwillige Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung liegt ebenfalls nicht vor. Zwar teilt der Senat nicht die Auffassung des Facharztes für Psychiatrie T1. , das Geständnis des Beklagten gegenüber seinem Abteilungsleiter C. sei durch eine schwere Depression des Beklagten bedingt und schon deshalb nicht als Ausdruck einer Umkehr aus freien Stücken anzusehen. Dem Beklagten ist der Milderungsgrund jedoch deshalb nicht zuzubilligen, weil der Senat davon überzeugt ist, dass er mit seinem Geständnis aus Furcht vor konkreter Entdeckung in Form einer „Flucht nach vorn“ der unmittelbar bevorstehenden Aufdeckung seiner Taten zuvorkommen wollte.
126Vgl. zu einer derartigen Fallkonstellationen BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 = juris Rdn. 36 – 38, und vom 25. Juli 2013 – 2 C 63.11 – BverwGE 147, 229 = juris Rdn. 26.
127Seiner Darstellung, die Tat aus Reue und schlechtem Gewissen eingestanden zu haben, schenkt der Senat wegen des Geschehensablaufs keinen Glauben. Nachdem seine Mitarbeiterin C1. den Beklagten am 29. Oktober 2010 über konkrete Verdachtsmomente gegen die Angestellte Q. unterrichtet hatte, blieb dem Beklagten nichts anderes übrig, als den Abteilungsleiter C. über diesen Verdacht zu informieren. Als hochqualifizierter und diensterfahrener Führungskraft war ihm dabei nach Überzeugung des Senats bewusst, dass sich die Ermittlungen wegen des gegen Frau Q. gerichteten Verdachts nicht auf diese beschränken, sondern auch auf die Frage gerichtet sein würden, ob möglicherweise auch andere Bedienstete des Klägers in gleicher Weise Gebühreneinnahmen veruntreut hatten. Tatsächlich bezog sich die nachfolgende Sonderprüfung der örtlichen Rechnungsprüfung des Klägers auf den gesamten Bereich der KfZ-Zulassungen bei der Kreisverwaltung, nämlich die Zulassungsstellen in T. und M. sowie den Bürgerservice in X. , und dort auf sämtliche Stornierungen aller Mitarbeiter der beiden zurückliegenden Jahre. Ebenso war dem Beklagten nach Überzeugung des Senats bewusst, dass eine eingehende Prüfung in Kenntnis des von Frau Q. bekannten Tatmusters die von ihm begangenen Veruntreuungen ungeachtet dessen zutage fördern würde, dass ihm nur eine ungleich geringere Anzahl von Verfehlungen bei einer unterdurchschnittlichen Anzahl von Stornierungen zur Last fiel. Dabei besagt es nichts, dass diese Taten in der Vergangenheit bei den gewöhnlichen routinemäßigen Kontrollen wegen der im Sonderprüfungsbericht festgestellten Sicherheitslücken bisher nicht aufgefallen waren. Bei einer Prüfung der einzelnen Stornierungen wegen eines, wenngleich gegen eine andere Person gerichteten, Verdachts der Veruntreuung von Gebühren in demselben Bereich war es nach Überzeugung des Senats ausgeschlossen, dass die Taten des Beklagten unentdeckt bleiben würden. Dementsprechend sind im Rahmen der Sonderprüfung auch die Taten des Beklagten, die dieser zuvor nur ganz pauschal offenbart hatte, entdeckt worden. Der Senat ist davon überzeugt, dass all dies dem Beklagten bewusst war, als er den gegen Frau Q. gerichteten Verdacht dem Abteilungsleiter C. bekannt gab und damit die Ermittlungen in Gang setzte, und dass er allein aus diesem Grund seine Taten einräumte, nicht indes aufgrund eines nach langjähriger wiederholter Tatbegehung plötzlich auftretenden Gefühls von Reue. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte zur Untermauerung einer Freiwilligkeit der Offenbarung auf die für ihn als Leiter der Zulassungsstelle bestehende Möglichkeit, Zulassungsfälle vollständig und ohne Möglichkeit eines Nachweises aus dem Verwaltungsprogramm zu löschen. Es ist schon nicht erkennbar, dass der Beklagte sich dieser Möglichkeit zur rückwirkenden „Bereinigung“ seiner Taten im fraglichen Zeitpunkt überhaupt bewusst war. Dessen ungeachtet erscheint es wenig aussichtsreich, derartige Manipulationen hinsichtlich dem Beklagten im Einzelnen nicht mehr bekannter Einzeltaten zu einem Zeitpunkt durchzuführen, zu dem eine Überprüfung des Bereichs – am nächsten Werktag, dem 2. November 2010 – unmittelbar bevorstand. Das gilt unabhängig von der weiteren Frage, für welchen Zeitraum der Vergangenheit derartige technische Änderungen überhaupt möglich waren.
128(5.) Dem Beklagten kommt nicht der Milderungsgrund einer bei Begehung seiner Taten im Sinne des § 21 StGB erheblich verminderten Schuldfähigkeit zugute, die regelmäßig einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis entgegensteht.
129Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Februar 2016 – 2 B 84.14 –, juris Rdn. 21, und vom 4. Juli 2013 – 2 B 76.12 –, DokBer 2014, 32 = juris Rdn. 19 m.w.N.
130Der Senat sieht keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Beklagte könnte sich bei Tatbegehung wegen eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB, d.h. einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Zustand verminderter Schuldfähigkeit i.S.v. § 21 StGB hinsichtlich des ihm zur Last fallenden Dienstvergehens befunden haben. Es besteht – wie dargelegt - auch kein Anlass, im Rahmen der ihm obliegenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO, § 65 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW) über den seelischen Gesundheitszustand des Beklagten im Tatzeitraum weitere Ermittlungen anzustellen, insbesondere ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Wie bereits ausgeführt, ergeben sich aus dem Akteninhalt, dem Vorbringen des Beklagten und auch den vorgelegten Stellungnahmen des Facharztes für Psychiatrie T1. schon keine Anknüpfungstatsachen dafür, dass bei dem Beklagten im Tatzeitraum eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB vorgelegen haben könnte. Nur bei Vorliegen derartiger tatsächlicher Anhaltspunkte muss das Disziplinargericht indes die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufklären.
131Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Februar 2016 – 2 B 84.14 –, juris Rdn. 19, 22, vom 28. Januar 2015 – 2 B 15.14 –, DokBer 2015, 175 = juris Rdn. 18, vom 10. Dezember 2014 – 2 B 75.14 –, NVwZ-RR 2015, 131 = juris Rdn.12, und vom 4. Juli 2013 – 2 B 76.12 –, DokBer 2014, 32 = juris Rdn. 18 m.w.N.
132bb. Das Fehlen anerkannter Milderungsgründe besagt allerdings nicht zwangsläufig, dass der Beklagte wegen des ihm zur Last fallenden Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müsste. Unter Geltung der Bemessungsvorgaben gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW müssen die Disziplinargerichte bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 2 LDG NRW dafür offen sein, dass mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht zukommen kann, wenn sie zur Erfüllung eines so genannten anerkannten Milderungsgrundes nicht ausreichen. Sie dürfen deshalb nicht außer Betracht bleiben.
133Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63.11 –, BVerwGE 147, 229 = juris Rdn. 25, Beschlüsse vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35.13 –, NVwZ-RR 2014, 314 = juris Rdn. 21, und vom 23. Februar 2012 – 2 B 143.11 –, juris Rdn. 13.
134Die anerkannten Milderungsgründe bieten jedoch Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Tathandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt.
135BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63.11 –, BVerwGE 147, 229 = juris Rdn. 25.
136Dies zu Grunde gelegt führt die prognostische Gesamtwürdigung sämtlicher be- und entlastenden Gesichtspunkte des Streitfalls unter Berücksichtigung des Ausmaßes der vom Beklagten zu verantwortenden Vertrauensschädigung zu der Bewertung, dass es nicht möglich ist, von der durch die Schwere des dem Beklagten zur Last fallenden Delikts indizierten Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen.
137(1.) Den Beklagten belastet das wegen der Anzahl, der Dauer und des angerichteten Schadens erhebliche Gewicht seines Fehlverhaltens im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten. Erheblich zu seinem Nachteil wirkt sich ferner aus, dass er seine Tat als Leiter der Zulassungsstelle in M. beging und damit seiner Vorbildfunktion zuwider handelte. In einer solchen Funktion wird ihm von Seiten des Dienstherrn, seiner Untergebenen und der Allgemeinheit ein erhebliches Maß an Vertrauen entgegengebracht. Dieses hat er durch sein schwerwiegendes Fehlverhalten grundlegend erschüttert.
138Demgegenüber ist dem Beklagten die Presseresonanz seines Fehlverhaltens nicht anzulasten. Die Maßnahmebemessung kann nicht vom Zufall abhängen, ob ein Dienstvergehen eines Beamten bekannt und für die Presse zum Anlass genommen wird, hierüber zu berichten.
139(2.) Zu Gunsten des Beklagten ist zunächst sein frühes Geständnis zu berücksichtigen, an dem er im Straf- und Disziplinarverfahren festgehalten hat. Wenn dieses auch nicht den Anforderungen des Milderungsgrundes der freiwilligen Offenbarung vor Tatentdeckung genügt, zeigt es doch die Bereitschaft, Verantwortung für sein Fehlverhalten zu übernehmen. Ihm ist ferner zugute zu halten, dass er frühzeitig freiwillig angeboten hat, den angerichteten Schaden auszugleichen, und dies nach Mitteilung der Schadenssumme in die Tat umgesetzt hat. Allerdings war er hierzu auch rechtlich verpflichtet. Soweit er sich insofern darauf beruft, auch den Schaden ausgeglichen zu haben, der durch „verjährte“ Taten entstanden ist, ist festzustellen, dass die strafrechtliche Verfolgungsverjährung nicht mit der zivilrechtlichen Verjährung gleichzusetzen ist; letztere erfordert unter anderem die Kenntnis des Geschädigten. Den Beklagten entlastet ferner die psychische, zeitliche und finanzielle Belastung wegen der behandlungsbedürftigen Behinderung seiner jüngsten Tochter. Ihm ist zudem günstig anzurechnen, dass er seine Taten offenkundig bereut und dass er durch die Presseresonanz gebrandmarkt ist.
140Demgegenüber entlastet den Beklagten nicht nennenswert, dass er an der Aufdeckung der Taten der Angestellten Q. mitgewirkt hat. Zur Weiterleitung der Angaben der Mitarbeiterin C1. über die gegen sie bestehenden konkreten Verdachtsmomente war er dienstlich verpflichtet. Es hätte zu Nachfragen durch Frau C1. geführt, wenn gegen Frau Q. nicht unverzüglich Maßnahmen ergriffen worden wären, weil der Beklagte diesen Pflichten nicht nachgekommen wäre. Den Umfang des Fehlverhaltens der Frau Q. im Einzelnen hat das Rechnungsprüfungsamt des Klägers ohne Zutun des Beklagten ermittelt.
141Nur unwesentlich entlasten den Beklagten ferner die Sicherheitslücken, die das Rechnungsprüfungsamt des Klägers im Sonderprüfungsbericht festgestellt hat. Es wäre Aufgabe des Beklagten als Leiter der Zulassungsstelle gewesen, auf die Behebung von Schwachstellen des neuen EDV-Programms hinzuwirken. Dass er dies nicht tat, sondern die Schwachstellen nutzte, kann ihm nicht zum Vorteil gereichen. Gründe dafür, dass der Kläger sein Verhalten etwa besonders hätte überwachen müssen, so dass diesem ein berücksichtigungsfähiges Mitverschulden an seinen Taten anzulasten wäre, sind nicht ersichtlich.
142Zu Gunsten des Beklagten ist auch in den Blick zu nehmen, dass er bis zur Begehung der hier fraglichen Taten straf- und disziplinarrechtlich unbescholten war und dass er lange Zeit überdurchschnittliche und bessere Leistungen erbrachte, wegen derer er bis in das Spitzenamt des mittleren Dienstes befördert und ihm eine Amtszulage zuerkannt worden ist. Allerdings können Dienstherr und Allgemeinheit von jedem Beamten als selbstverständliches Bemühen erwarten, dass er nicht straffällig wird und möglichst gute Leistungen erbringt.
143cc. Bei einer abschließenden Gesamtabwägung des Gewichts des dem Beklagten zur Last fallenden Dienstvergehens im Kernbereich seiner Pflichten, der 22-fachen Veruntreuung von Geldern seines Dienstherrn in einem Zeitraum von vierdreiviertel Jahren mit einem Schaden von mehr als 1.900,00 EUR, der oben ausführlich erörterten den Beklagten entlastenden Umstände seines Persönlichkeitsbildes sowie des erheblichen Ausmaßes der vom Beklagten als Leiter der Zulassungsstelle zu verantwortenden Vertrauensbeeinträchtigung, gelangt der Senat zu der prognostischen Bewertung, dass als Sanktion für sein Fehlverhalten allein die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht kommt. Der Beklagte hat das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit unwiderruflich zerstört. Die von ihm zu verantwortende Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums ist bei einem Fortbestehen des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen. Er ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW.
144c. Die Verhängung der Höchstmaßnahme verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst sein musste, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt.
145d. Auch die erhebliche Gesamtdauer des Disziplinarverfahrens von inzwischen annähernd sechs Jahren führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit dieser Maßnahme. Die Dauer des Straf- und Disziplinarverfahrens bietet keine Handhabe, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder hier der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen, wenn diese Maßnahme geboten ist.
146Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 3.12 - , BVerwGE 146, 98 = juris Rdn. 53 m.w.N.
147IV. Zu einer Modifikation des Unterhaltsbeitrags (§ 10 Abs. 3 Sätze 2 und 3 LDG NRW) besteht kein Anlass.
148V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 3 Abs. 1 LDG NRW, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
149Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), besteht nicht.
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(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, durch das nach § 9 des Bundesbesoldungsgesetzes über den Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst entschieden worden ist, sind im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für das Gericht bindend. Es hat jedoch die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind.
(2) Die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht bindend, können aber der Entscheidung ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
(1) Das Gericht erhebt die erforderlichen Beweise.
(2) Bei einer Disziplinarklage sind Beweisanträge von dem Dienstherrn in der Klageschrift und von dem Beamten innerhalb zweier Monate nach Zustellung der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage zu stellen. Ein verspäteter Antrag kann abgelehnt werden, wenn seine Berücksichtigung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Disziplinarverfahrens verzögern würde und der Beamte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist; dies gilt nicht, wenn zwingende Gründe für die Verspätung glaubhaft gemacht werden.
(3) Die Bestimmungen der Strafprozessordnung über die Pflicht, als Zeuge auszusagen oder als Sachverständiger ein Gutachten zu erstatten, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen und Sachverständige gelten entsprechend.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.
(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.
(1) Der enteignete frühere Eigentümer kann verlangen, daß das nach den Vorschriften dieses Gesetzes enteignete Grundstück zu seinen Gunsten wieder enteignet wird (Rückenteignung), wenn das Grundstück nicht mehr für Aufgaben im Sinne des § 1 benötigt wird oder mit der Ausführung des Vorhabens, dessentwegen das Grundstück enteignet wurde, nicht binnen zweier Jahre, nachdem der Enteignungsbeschluß unanfechtbar geworden ist, begonnen wurde. Dieses gilt sinngemäß zugunsten des Eigentümers eines Grundstückes, an dem nach § 12 Abs. 1 ein Recht begründet worden ist.
(2) Das Verlangen auf Rückenteignung ist binnen eines Jahres, nachdem die das Grundstück verwaltende Stelle dem früheren Eigentümer von den Tatsachen, die den Anspruch begründen, Kenntnis gegeben hat, spätestens binnen dreißig Jahren, nachdem der Enteignungsbeschluß, Teil A, unanfechtbar geworden ist, bei der Enteignungsbehörde zu stellen. § 203 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt sinngemäß.
(3) Die Enteignungsbehörde kann die Rückenteignung ablehnen, wenn das Grundstück erheblich verändert oder ganz oder überwiegend Entschädigung in Land gewährt worden ist.
(4) Für die Rückenteignung sind die Vorschriften der §§ 17 bis 24, 28, 29, 31 bis 37 und 44 bis 55 sinngemäß anzuwenden.
(5) Der frühere Inhaber eines Rechts, das durch Enteignung nach den Vorschriften dieses Gesetzes erloschen oder entzogen worden ist, kann unter den in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen verlangen, daß ein gleiches Recht an dem früher belasteten Grundstück zu seinen Gunsten durch Enteignung wieder begründet wird. Für Rechte, die durch Enteignung des früher belasteten Grundstücks erloschen sind, gilt dies nur, wenn der frühere Eigentümer oder sein Rechtsnachfolger das Grundstück zurückerhält. Die Vorschriften über die Rückenteignung gelten sinngemäß.
(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.
(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.
(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(1) Wenn eine Beamtin oder ein Beamter im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts
- 1.
wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder - 2.
wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten
(2) Wird eine Entscheidung, die den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hat, in einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben, gilt das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.