Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 06. Mai 2014 - 13 A 3004/11
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 22. November 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 250.000,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Keiner der innerhalb der Frist des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Berufung liegt vor.
31. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Solche ernstlichen Zweifel sind anzunehmen, wenn gegen die Richtigkeit des Ergebnisses der erstinstanzlichen Entscheidung nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt wird.
4Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 2 BvR 758/09 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 13 A 615/10 -, juris.
5Derartige Zweifel bestehen hier nicht. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen für die Festsetzung der streitgegenständlichen Zwangsgelder erfüllt seien. Insbesondere liege mit der auf das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen bezogenen Untersagungsanordnung in der Ordnungsverfügung der Bezirksregierung E1. vom 8. August 2008 ein nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 9 Abs. 2 GlüStV sofort vollstreckbarer, mit Zwangsmitteln durchsetzbarer Verwaltungsakt im Sinne des § 55 Abs. 1 VwVG NRW vor. Die dagegen von der Klägerin erhobenen Einwände greifen nicht durch. Auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung kommt es - anders als die Klägerin meint - bei der Beurteilung der angefochtenen Zwangsgeldfestsetzungen nicht an. Vollstreckungsmaßnahmen setzen lediglich einen wirksamen, unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Grundverwaltungsakt voraus. Einwendungen gegen dessen Rechtmäßigkeit können im Vollstreckungsverfahren nicht geltend gemacht werden.
6Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 7 C 5.08 -, juris; OVG NRW; Urteil vom 25. Februar 2014 - 13 A 1037/12 -, juris, Beschlüsse vom 19. Dezember 2012 - 12 B 1339/12 -, juris, vom 20. Januar 2012 - 4 B 1425/11 -, juris, und vom 19. Januar 2011 - 13 B 1290/10 -, juris.
7Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus unionsrechtlichen Vorschriften. Das Unionsrecht enthält keine speziellen Vorgaben für die Ausgestaltung des nationalen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, wenn sich jemand auf die Unionsrechtswidrigkeit eines nationalen Verwaltungsaktes beruft. Vielmehr ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die dem Bürger eine Prüfung der Vereinbarkeit nationalen Rechts mit dem Unionsrecht ermöglichen. Es muss lediglich nach dem System der nationalen Rechtsordnung einen Rechtsbehelf geben, mit dem wenigstens inzident die Wahrung der Rechte gewährleistet werden kann, die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen.
8Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2014 - 13 A 1037/12 -, juris, und Beschluss vom 20. Januar 2012 - 4 B 1425/11 -, juris m. w. N.
9Ebenso wenig kann aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des EuGH hergeleitet werden, dass im Verwaltungsvollstreckungsverfahren die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung nochmals zu prüfen ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss ein gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßendes Verbot, das durch eine individuell-konkrete, bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidung eingeführt wurde, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Geldstrafe unangewendet bleiben.
10Vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 1999 - Rs. C-224/97 (Ciola), juris.
11Eine Zwangsgeldfestsetzung ist keine solche Sanktion, sondern ein Beugemittel, das den Betroffenen zur Befolgung des Verwaltungsakts veranlassen soll.
12Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juli 2011 ‑ 13 B 696/11 -, juris, und vom 20. Januar 2012 - 4 B 1425/11 -, juris.
13Kann demnach ein bestandskräftiger oder vollziehbarer Grundverwaltungsakt grundsätzlich lediglich dann nicht Grundlage von Vollstreckungshandlung sein, wenn der Grundverwaltungsakt nichtig ist,
14so auch: Hessischer VGH, Urteil vom 29. November 2013 - 6 A 2210/12 -, juris,
15bestehen hierfür im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Diese folgen schon nicht aus der von der Klägerin gerügten Unzuständigkeit des Beklagten für den zu vollstreckenden Grundverwaltungsakt, die allenfalls zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zu einer Nichtigkeit führen kann. Auch wird von der Klägerin mit der Untersagungsverfügung vom 8. August 2008 weder rechtlich oder tatsächlich Unmögliches noch Unzumutbares verlangt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass es sich bei der Geolokalisation um eine taugliche und technisch umsetzbare Methode zur Ermittlung des Aufenthalts der Besucher der Internetseite der Klägerin innerhalb oder außerhalb Nordrhein-Westfalens handelt.
16So zuletzt OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2014 - 13 A 2018/11 -, juris m. w. N.
17Die von der Klägerin weiter angeführte mangelnde Eignung der Verfügung vom 8. August 2008 zur Durchsetzung des Internetverbots führt nicht zur Nichtigkeit des Grundverwaltungsakts. Aus den vom Beklagten grundsätzlich bestätigten Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Internetverbots gegenüber im Ausland ansässigen Veranstaltern kann die Nichtigkeit einer Verbotsverfügung schon deshalb nicht hergeleitet werden, weil sie jedenfalls einen maßgeblichen Beitrag zur Erreichung des angestrebten Ziels leisten kann.
18Vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 14. Auflage 2013, § 44 Rn. 28.
19Dies reicht für die Eignung aus. Zum einen ist davon auszugehen, dass sich seriöse Anbieter rechtstreu verhalten und dem Verbot Folge leisten werden. Zum anderen sind auch etwa erforderlich werdende Vollstreckungsmaßnahmen nicht von vornherein als aussichtslos einzuordnen. Den Ordnungsbehörden stehen neben den allgemeinen verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Möglichkeiten durchaus wirkungsvolle Mittel zur Verfügung, um ein glücksspielrechtliches Veranstaltungsverbot durchzusetzen (z.B. die Inanspruchnahme der an der Zahlungsabwicklung beteiligten Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute).
20Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2014 - 13 A 2018/11 -, juris.
21Die Festsetzung vom 13. Januar 2010 ist auch nicht ohne eine zuvor ergangene Zwangsgeldandrohung erfolgt. Insoweit ist die Klägerin der Auffassung, dass die Zwangsgeldandrohung des Beklagten vom 18. November 2009 die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 der Untersagungsanordnung vom 8. August 2008 lediglich bestätigte, so dass nach deren Aufhebung mit Verfügung vom 9. Dezember 2009 es an einer selbständigen Zwangsgeldandrohung fehlte. Dieser Einwand greift nicht durch. Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW sind Zwangsmittel schriftlich anzudrohen. Im Zeitpunkt der Festsetzung des Zwangsgeldes mit Bescheid vom 13. Januar 2010 lag eine solche mit der Zwangsgeldandrohung vom 18. November 2009 vor. Ihr kam auch ein eigenständiger Regelungsgegenstand zu, nachdem der Beklagte die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 der Untersagungsverfügung vom 8. August 2008 bereits am 9. Dezember 2009 aufgehoben hatte und sie die in Ziffer 1 der Untersagungsverfügung angeordnete Einschränkung des Spielbetriebs im Internet für Spieler in Nordrhein-Westfalen erzwingen sollte, während sich die Zwangsgeldandrohung vom 8. August 2008 nicht auf das zu vollstreckende Handlungsgebot, sondern auf die in Ziffer 4 der Klägerin zur Befolgung der Untersagung eingeräumte Frist bezog.
22Da sich die Zwangsgeldandrohung vom 18. November 2009 ausdrücklich allein auf eine Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 der Untersagungsverfügung vom 8. August 2008 bezog, war es für die Klägerin auch ohne weiteres erkennbar, dass diese der Durchsetzung der von der Klägerin geforderten Einschränkung des Spielbetriebs für Spieler aus Nordrhein-Westfalen und nicht den weiteren in den Ziffern 2. und 3. genannten Handlungspflichten diente.
23Letztlich unterliegt das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts weder unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Anhörung der Klägerin vor den Zwangsgeldfestsetzungen noch im Hinblick auf die Frage der Verhältnismäßigkeit der festgesetzten Zwangsgelder ernstlichen Zweifeln. Der Beklagte hat sinngemäß vorgetragen, dass im Falle der Klägerin weitere Anhörungen nicht als notwendig angesehen würden. Dass dies angesichts des Umstands, dass kurz vor den streitgegenständlichen Zwangsgeldfestsetzungen noch die isolierte Zwangsgeldandrohung erfolgt ist, eine ermessensfehlerhafte Begründung für die unterbliebene Anhörung (§ 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW) darstellt, hat die Klägerin nicht dargelegt.
24Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 28. Januar 1982 - 17 A 10398/81 -, juris.
25Der Vortrag der Klägerin begründet auch keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzungen insbesondere ihrer Höhe nach. Der Beklagte konnte aufgrund des fortgesetzten Verstoßes gegen seine Untersagungsverfügung die angedrohten Zwangsgelder sowohl auf den Höchstbetrag (§ 60 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW) als auch wiederholt (§ 60 Abs. 1 Satz 3 VwVG NRW) festsetzen.
26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2014 - 13 A 1037/12 -, juris.
272. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe der Klägerin begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern. Dies ergibt sich nicht aus der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob die förmliche Zustellung der Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 13. Januar 2010 an die Klägerin im Ausland völkerrechtlich zulässig ist und ob ein solcher Zustellungsmangel geheilt werden kann. Der Bescheid vom 13. Januar 2010 ist wirksam zugestellt worden. Er ist der Klägerin persönlich am 20. Januar 2010 in N. gegen Einschreiben mit Rückschein zugegangen. Selbst wenn in dieser Zustellung auf fremdem Hoheitsgebiet mangels völkerrechtlicher Zulässigkeit ein Zustellungsmangel gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW begründet sein sollte, so ist er jedenfalls gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden. Gemäß § 8 LZG NRW gilt ein Dokument, wenn sich die formgerechte Zustellung nicht nachweisen oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten nachweislich zugegangen ist. Zwar findet sich die Regelung über die Auslandszustellung in § 9 LZG NRW erst hinter der Heilungsvorschrift des § 8 LZG NRW. Allein die systematische Stellung gebietet jedoch keine den Wortlaut des § 8 LZG einschränkende Auslegung dahingehend, dass dieser für die Sonderarten der Zustellung in §§ 9 bis 11 LZG NRW nicht gilt. Vielmehr ist § 8 LZG NRW auf alle Zustellungsarten einschließlich der Sonderarten anwendbar.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2014 - 13 A 1037/11 -, juris m. w. N.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Februar 2014 - 3 L 20/12 -, juris.
29Der Zustellungsmangel ist auch dann gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden, wenn die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 13. Januar 2010 nicht an die Klägerin persönlich, sondern aufgrund der am 8. Februar 2008 vorgelegten - uneingeschränkten - Vollmacht vom 25. Januar 2008 gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 LZG NRW zwingend an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zuzustellen war, so dass auch nur dieser als „Empfangsberechtigter“ im Sinne von § 8 LZG NRW anzusehen ist.
30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/11 -, juris m. w. N.; Engelhardt/App, VwVG/VwZG, Kommentar, 9. Auflage 2011, § 8 Rn. 3.
31Dass die Klägerin das ihr am 20. Januar 2010 übermittelte Schriftstück an ihrem Anwalt weitergeleitet hat,
32vgl. BFH, Beschluss vom 21. Februar 2013 - II B 113/12 -, juris, und Urteil vom 8. Dezember 1988 - IV R 24/87 -, juris,
33und es ihm damit tatsächlich im Sinne von § 8 LZG NRW zugegangen ist, wird von ihr nicht bestritten und ist durch die fristgerechte Klageerhebung am 5. Februar 2010 belegt.
343. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Klägerin hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob im Fall eines unionsrechtlichen Bezugs der Streitigkeit die Rechtmäßigkeit einer sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung auf jeder Ebene des Vollstreckungsverfahrens erneut zu prüfen ist. Zur Begründung führt sie aus, dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung ernsthaft in Zweifel zu ziehen sei, was auch bei der Frage der Rechtmäßigkeit des Vollstreckungsverfahrens erneut zu prüfen sei. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich daraus nicht (mehr). Es ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass es bei der Beurteilung der Zwangsgeldfestsetzungen nicht auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung ankommt.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2014 - 13 A 1037/12 -, juris.
36Einen erneuten oder weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Antragsschrift nicht auf.
37Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass etwa aufgrund divergierender Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe die (erneute) Klärung im Interesse der bundeseinheitlichen Rechtsanwendung geboten wäre. Eine anders lautende Entscheidung stellt insbesondere nicht der von der Klägerin vorgelegte Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. März 2012 - 6 S 3168/11 - dar, weil mit einem Beschluss, der - wie hier - ein Rechtsmittel wegen grundsätzliche Bedeutung zulässt, die angesprochene Rechtsfrage nicht entschieden wird.
38Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 1998 - 2 B 70.98 -, juris; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 3. Auflage 2010, § 124 Rn. 168.
394. Letztlich ist die Berufung nicht aufgrund eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen. Die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unvollständig erforscht und nicht überprüft, wie sich die teilweise Erfüllung der Untersagungsanordnung durch Einrichten eines Disclaimers auf die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Zwangsgeldfestsetzungen und Zwangsgeldandrohungen ausgewirkt habe. Damit hat die Klägerin einen Verfahrensmangel nicht dargelegt. Soll ein Verstoß gegen den Grundsatz der Amtsermittlung gerügt werden, muss unter anderem dargetan werden, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und dass entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sie sich dem Gericht von sich aus hätte aufdrängen müssen.
40Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 8. April 2014 - 20 A 404/12 -.
41Das Vorbringen der Klägerin enthält hierfür keine substantiierten Angaben. Es richtet sich im Kern gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass sie - obschon sie zwischenzeitlich ein Disclaimer eingerichtet hatte - zum jeweiligen Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide der Untersagungsanordnung der Bezirksregierung E. vom 8. August 2008 zuwidergehandelt habe, weil sie die Veranstaltung von Glücksspielen im Internet in Nordrhein-Westfalen nicht (vollständig) eingestellt habe. Damit wendet sich die Klägerin gegen die rechtliche Wertung des Verwaltungsgerichts, dass sie weiterhin gegen die Untersagung des Beklagten verstieß, was die Festsetzung weiterer Zwangsgelder rechtfertigte. Eine mangelhafte Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht liegt darin nicht begründet.
42Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
43Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Zwangsgeldern zur Durchsetzung einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung, die Gegenstand des Verfahrens OVG NRW 13 A 2018/11 ist.
3Die Klägerin bietet unter der Domain www…..com entgeltliche Sportwetten, Casino- und Pokerspiele an. Sie hat ihren Sitz auf Malta und verfügt über eine Lizenz der maltesischen Lotterie- und Glücksspielbehörde zur Veranstaltung von Online-Spielen. Bei Aufruf von www…..com aus Deutschland erscheint die Seite in deutscher Sprache und mit deutscher Flagge.
4Die Bezirksregierung E. hörte die Klägerin unter dem 10. Januar 2008 zum Erlass einer Untersagungsverfügung hinsichtlich der Veranstaltung und Vermittlung von unerlaubtem Glücksspiel an. Mit Schreiben vom 3. Februar 2008 nahm die Klägerin hierzu Stellung.
5Unter dem 3. Juni 2008 erließ die Bezirksregierung E. gegenüber der Klägerin eine Untersagungsverfügung mit folgendem Inhalt:
6„1. Das Angebot auf den von Ihnen betriebenen Internetauftritten, insbesondere www…..com ist so einzuschränken, dass die von Ihnen angebotenen Glücksspiele nicht für Spieler im Bundesland Nordrhein-Westfalen veranstaltet werden.
7Dazu wird Ihnen aufgegeben,
8a) vor der Annahme von Glücksspielwünschen der Spieler diese zu befragen, ob der Aufenthaltsort zur Zeit der aktiven Spielteilnahme im Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt,
9b) die Annahme von Glücksspielwünschen zu verweigern, wenn der Spieler die Frage offensichtlich wahrheitswidrig verneint,
10c) Spieler von der Teilnahme an Glücksspielen auszuschließen und die Spieler-Registrierung zu löschen, sobald Ihnen nachträglich bekannt wird, dass der Spieler von NRW aus spielt.
11Zum Ausschluss wahrheitswidriger Angaben von Spielern mit dem „Standort NRW“
12d) sind mit Hilfe der technischen Methode der Geolokalisation nach dem Stand der Technik Spieler aus dem Bundesland NRW von der Teilnahme an Ihrem Glücksspielangebot auszuschließen.
13e) Soweit die Ergebnisse von a) und d) auseinanderfallen, ist entweder der Spieler vom Netz auszuschließen oder mit Hilfe der Handy- oder Festnetzortung der Standort des Spielers zu verifizieren. Nach Maßgabe des dann gefundenen Standortes ist über die Teilnahme des Spielers zu entscheiden.
142. Ihnen wird untersagt, unter Verstoß gegen Ziffer 1 abgeschlossene Verträge zu erfüllen, insbesondere an die Spielinteressenten bzw. Spieler aus NRW Gewinne auszuzahlen.
153. Ihnen wird aufgegeben, auf allen von Ihnen gehaltenen Internetseiten, insbesondere der Internetadresse www…..com, in sämtlichen Rubriken über allgemeine und/oder besondere Geschäfts- und Teilnahmebedingungen gleich welcher Art einen wörtlichen oder sinngemäßen Hinweis („Disclaimer“) einzufügen, dass
16a) Ihnen die Vermittlung von Glücksspielen im Bundesland Nordrhein-Westfalen durch ordnungsbehördliche Verfügung verboten wurde,
17b) Ihr Glücksspielangebot nicht für das Bundesland Nordrhein-Westfalen gilt,
18c) die Teilnahme an Glücksspielen vom Bundesland Nordrhein-Westfalen aus unzulässig ist und entsprechende Aufträge von Spielinteressenten nicht ausgeführt werden,
19d) Sie Verträge nicht erfüllen und insbesondere keine Gewinnauszahlungen vornehmen dürfen, wenn der Spieler sein Angebot von einem Ort im Bundesland Nordrhein-Westfalen abgegeben hat.
204. Die Anordnungen zu Ziffern 1. bis 3. sind innerhalb von vier Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheides zu erfüllen.
215. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 4 wird hiermit ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 50.000 Euro (fünfzigtausend Euro) angedroht.
226. Für diese Untersagungsanordnung wird eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 10.000 (zehntausend) Euro erhoben.“
23Zur Begründung führte die Bezirksregierung E. im Wesentlichen aus: Auf der genannten Internetseite würden öffentliche Glücksspiele in Form von Sportwetten veranstaltet. Dieses Angebot sei unzulässig, weil 1. ein Glücksspiel ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde in Nordrhein-Westfalen für Spieler in Nordrhein-Westfalen veranstaltet und 2. das Glücksspiel im Internet veranstaltet werde. Bei den Angeboten handele es sich um Glücksspiel, denn im Rahmen eines Spiels werde für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt und die Entscheidung über den Gewinn hänge ganz oder überwiegend vom Zufall ab. Das Glücksspiel sei auch öffentlich, weil für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit bestehe. Öffentliche Glücksspiele dürften nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sei verboten (§ 4 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag). Insbesondere sei das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.
24Die Klägerin erhob hiergegen am 11. Juli 2008 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage (27 K 5009/08).
25Mit Bescheid vom 13. August 2008 hob die Bezirksregierung E. die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 ihres Bescheides vom 3. Juni 2008 auf.
26Einen vorläufigen Rechtsschutzantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. Mai 2009 (27 L 1147/08) unter Einstellung hinsichtlich der ursprünglichen Zwangsgeldandrohung ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 8. Dezember 2009 (13 B 819/09) zurück.
27Am 21. Mai 2010 stellte die Bezirksregierung E. fest, dass das Spielangebot unter www…..com weiterhin bei einem Aufruf aus Nordrhein-Westfalen erreichbar war. Mit Schreiben vom 21. Mai 2010 drohte sie daraufhin der Klägerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 der Untersagungsverfügung vom 3. Juni 2008 ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 50.000 Euro an, sofern die Anordnung nicht innerhalb von drei Tagen nach Zustellung dieses Bescheides befolgt werde. Die Zwangsgeldandrohung wurde per Einschreiben/Rückschein abgesandt und der Klägerin laut Rückschein am 1. Juni 2010 ausgehändigt.
28Nachdem die Bezirksregierung E. am 28. Juni 2010 festgestellt hatte, dass das Spielangebot unter www…..com weiterhin bei einem Aufruf aus Nordrhein-Westfalen erreichbar war, setzte sie mit Bescheid vom 28. Juni 2010 - per Einschreiben/Rückschein am Folgetag abgesandt und laut Rückschein der Klägerin am 5. Juli 2010 ausgehändigt - das unter dem 21. Mai 2010 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 50.000 Euro fest und drohte für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro an; zur Erfüllung dieser Anordnung gewährte sie der Klägerin eine Frist von drei Tagen nach Zugang dieses Schreibens.
29Am 28. Juli 2010 stellte die Bezirksregierung E. erneut fest, dass das Spielangebot unter www…..com weiterhin bei einem Aufruf aus Nordrhein-Westfalen erreichbar war. Daraufhin setzte sie mit Bescheid vom 28. Juli 2010 ‑ per Einschreiben/Rückschein am Folgetag abgesandt und laut Rückschein der Klägerin am 2. August 2010 ausgehändigt - das unter dem 28. Juni 2010 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro fest und drohte für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro an; zur Erfüllung dieser Anordnung gewährte sie der Klägerin eine Frist von drei Tagen nach Zugang dieses Schreibens.
30Die Klägerin hat am 4. August 2010 gegen die Bescheide vom 28. Juni 2010 und 28. Juli 2010 Klage erhoben.
31Mit Urteil vom 12. Juli 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage im Verfahren 27 K 5009/08 - unter Einstellung im Umfang der beiderseitigen Erledigungserklärungen - abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Berufung der Klägerin hat der Senat durch Urteil vom 25. Februar 2014 zurückgewiesen (13 A 2018/11).
32Die festgesetzten Zwangsgelder sind mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 21. Juli 2011 in der Fassung vom 8. September 2011 beigetrieben worden und am 10. Januar 2012 beim Beklagten eingegangen.
33Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage auf das Vorbringen in dem die Grundverfügung betreffenden Klageverfahren 27 K 5009/08 Bezug genommen und ergänzend vorgetragen: Hinsichtlich beider Zwangsgeldfestsetzungen fehle es an einer wirksamen Zwangsgeldandrohung, die zwingend zuzustellen sei. Eine Zustellung der Bescheide per Einschreiben mit Rückschein sei auf Malta nicht möglich. Wie sich aus einem Schreiben des maltesischen Botschafters in Berlin vom 7. Juli 2011 ergebe, toleriere die Republik Malta keine verwaltungsrechtliche Auslandszustellung unmittelbar durch die Post.
34Die Klägerin hat beantragt,
35die Bescheide der Bezirksregierung E. vom 28. Juni 2010 und 28. Juli 2010 aufzuheben.
36Der Beklagte hat beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Zur Begründung hat er auf den angefochtenen Bescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt: Die Klägerin biete im Internet Glücksspiel an, ohne über die hierfür erforderliche Erlaubnis der in Nordrhein-Westfalen zuständigen Behörde zu verfügen. Eine etwaige maltesische Lizenz müsse er nicht anerkennen. Die Androhung der festgesetzten Zwangsgelder sei jeweils wirksam zugestellt worden, was durch die betreffenden Rückscheine belegt werde. Die Zustellung per Einschreiben mit Rückschein werde im Gesetz ausdrücklich als mögliche Zustellungsart benannt.
39Mit Urteil vom 29. März 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen seien erfüllt. Mit dem Veranstaltungsverbot in Ziffer 1 Satz 1 der Ordnungsverfügung der Bezirksregierung E. vom 3. Juni 2008 liege ein gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 9 Abs. 2 GlüStV sofort vollstreckbarer, mit Zwangsmitteln durchsetzbarer Verwaltungsakt im Sinne des § 55 Abs. 1 VwVG NRW vor. Der Einwand der Klägerin, ihr seien die Zwangsgeldandrohungen entgegen § 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, greife nicht durch. Es spreche Einiges dafür, dass eine Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW durch die Republik Malta geduldet werde und ohne ausdrückliche Übereinkunft zulässig sei. Dies habe eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Mai 2011 bestätigt. Aber auch wenn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW mangels völkerrechtlicher Zulässigkeit einer solchen Zustellung nicht erfüllt seien, sei der Zustellungsmangel jedenfalls gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden. Ob die Regelungen des GlüStV, auf denen auch die Untersagungsverfügung vom 3. Juni 2008 beruhe, mit Unionsrecht vereinbar seien, könne im Ergebnis dahinstehen. Denn auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung komme es bei der Beurteilung der hier vorliegenden Vollstreckungsmaßnahmen nicht an. Voraussetzung für die Vollstreckung der Grundverfügung sei vielmehr allein deren Bestandskraft oder - wie hier - deren Vollziehbarkeit. Auch das Unionsrecht gebiete es nicht, die Rechtmäßigkeit eines sofort vollziehbaren Untersagungsbescheides im Vollstreckungsverfahren nochmals zu prüfen.
40Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt. Eine Zustellung der Zwangsgeldandrohungen per Einschreiben mit Rückschein in der Republik Malta sei völkerrechtlich unzulässig. Die Republik Malta habe einer verwaltungsrechtlichen direkten Zustellpraxis nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW widersprochen und dulde die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein auch nicht. Eine Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 8 LZG NRW sei nicht möglich. Auf den Völkerrechtsverstoß könne sich die Klägerin berufen. Die Zwangsgeldfestsetzungen seien darüber hinaus rechtswidrig, weil die zu vollstreckende Grundverfügung gegen unionsrechtliche Vorgaben verstoße. Die Unionsrechtswidrigkeit der Grundverfügung schlage auf die Beurteilung der Vollstreckungsmaßnahmen durch. Der EuGH habe entschieden, dass ein gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßendes Verbot, das durch eine individuell-konkrete, bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidung eingeführt worden sei, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Geldstrafe, die nach dem Zeitpunkt des Beitritts wegen der Nichtbeachtung des Verbots verhängt worden sei, unanwendbar sei. Ab dem Zeitpunkt der Festsetzung des Zwangsgeldes sei dieses mit einer Geldstrafe vergleichbar, weil es aus Sicht des Betroffenen eine dauerhafte Vermögenseinbuße bedeute.
41Die Klägerin beantragt,
42das Urteil des Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 29. März 2012 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
43Der Beklagte beantragt,
44die Berufung zurückzuweisen.
45Er verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und macht ergänzend geltend: Da die Untersagungsverfügung rechtmäßig sei, die Klägerin aber weiterhin auf www…..com unerlaubtes Glücksspiel anbiete, seien auch die Zwangsgeldfestsetzungen rechtmäßig.
46Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 hat das Auswärtige Amt auf Anfrage des Senats eine schriftliche Stellungnahme zur Zustellpraxis auf Malta abgegeben.
47Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
48E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
49Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
50Die angefochtenen Bescheide der Bezirksregierung E. vom 28. Juni 2010 und vom 28. Juli 2010 sind sowohl hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzungen (I.) als auch hinsichtlich der (weiteren) Zwangsgeldandrohung (II.) rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungs-gerichtsordnung (VwGO).
51I. Rechtsgrundlage für die Zwangsgeldfestsetzungen sind §§ 55 Abs. 1, 60, 64 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Nach § 55 Abs. 1 VwVG NRW kann der Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Diese Voraussetzungen liegen vor. Mit Verfügung des Beklagten vom 3. Juni 2008 ist der Klägerin untersagt worden, in Nordrhein-Westfalen, insbesondere mit den unter der Domain www…..com aufrufbaren Angeboten, im Internet öffentliches Glücksspiel i. S. d. § 3 GlüStV zu veranstalten. Hiergegen hat die Klägerin verstoßen, indem ihre Spielangebote - wie der Beklagte sowohl am 28. Juni 2010 als auch am 28. Juli 2010 festgestellt hat - weiterhin bei einem Aufruf aus Nordrhein-Westfalen erreichbar waren. Die gegen die Klägerin ausgesprochene glücksspielrechtliche Untersagungsverfügung war gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. dem zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen § 9 Abs. 2 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30. Oktober 2007 (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV a. F.) auch sofort vollziehbar.
52Die Untersagungsverfügung der Bezirksregierung E. hat äußere Wirksamkeit durch ihre Bekanntgabe an die Klägerin erlangt, vgl. § 43 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW (VwVfG NRW). Die hier erfolgte einfache Bekanntgabe des Verwaltungsakts per Post auf Malta - dem Sitz der Klägerin - ist wirksam und verstößt nicht gegen das Völkerrecht. Die einfache Bekanntgabe im Ausland ist - wie sich auch aus § 41 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW sowie dem von der Klägerin angeführten § 122 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) ergibt - in allen Staaten unabhängig von deren Zustimmung völkerrechtlich zulässig, weil die deutsche Behörde in diesem Fall - anders als bei der förmlichen Zustellung - nicht selbst im Ausland tätig wird. Der Umstand, dass ein Verwaltungsakt im Ausland zugeht, begründet vielmehr lediglich im Inland die Wirksamkeit der Verfügung (vgl. §§ 41, 43 VwVfG NRW).
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 13 B 819/09 -, juris; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 41 Rn. 218, m. w. N.; s. auch BGH, Urteil vom 26. Juni 2012 - VI ZR 241/11 -, juris (zu § 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
54Im Übrigen wäre ein etwaiger Bekanntgabemangel gegenüber der Klägerin mit der tatsächlichen Kenntniserlangung geheilt. Wenn § 8 Landeszustellungsgesetz NRW - LZG NRW - schon für zustellungsbedürftige Verwaltungsakte bei fehlendem Zustellungsnachweis oder der Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften als Zustellungszeitpunkt denjenigen des tatsächlichen Empfangs gelten lässt, so gilt dies entsprechend für den hier zu beurteilenden ‑ weniger formstrengen - Grundfall der Bekanntgabe gemäß § 41 VwVfG NRW.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1994 - 8 C 2.92 -, juris, Rn. 11; Stelkens, a.a.O, § 41 Rn. 232; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 14. Auflage 2013, § 41 Rn. 26; Knack/Henneke, VwVfG, Kommentar 9. Auflage 2010, § 41 Rn. 64.
56Die Klägerin hat vom Inhalt der Verfügung vom 3. Juni 2008 nachweislich Kenntnis erlangt. Schon im Juli 2008 meldete sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Angelegenheit „Untersagungsanordnung vom 3. Juni 2008“ bei dem Beklagten.
57Die Untersagungsverfügung vom 3. Juni 2008 ist auch inhaltlich wirksam. Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 44 VwVfG NRW sind nicht ersichtlich. Die Untersagungsverfügung ist insbesondere nicht deshalb unwirksam, weil sich die Rechtslage seit ihrem Erlass durch das Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages am 1. Dezember 2012 in Nordrhein-Westfalen maßgeblich verändert hat. Dies begründet keinen besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG NRW. Die Rechtsänderung, die ohnehin nicht die hier maßgeblichen Zeitpunkte der Festsetzung der Zwangsgelder und nicht einmal den Zeitraum bis zum Abschluss der Vollstreckung im Januar 2012 betrifft, lässt die Titelfunktion des Bescheids im Rahmen seiner Vollstreckung in der Vergangenheit unberührt.
58Auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung kommt es bei der Beurteilung der hier vorliegenden Zwangsgeldfestsetzungen nicht an. Vollstreckungsmaßnahmen setzen lediglich einen wirksamen, unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Grundverwaltungsakt voraus. Einwendungen gegen dessen Rechtmäßigkeit können im Vollstreckungsverfahren nicht geltend gemacht werden.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 7 C 5.08 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Dezember 2012 - 12 B 1339/12 -, juris, Rn. 3, vom 20. Januar 2012 - 4 B 1425/11 -, juris, Rn. 4, und vom 19. Januar 2011 - 13 B 1290/10 ‑, juris, Rn. 7.
60Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus unionsrechtlichen Vorschriften. Das Unionsrecht enthält keine speziellen Vorgaben für die Ausgestaltung des nationalen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, wenn sich jemand auf die Unionsrechtswidrigkeit eines nationalen Verwaltungsaktes beruft. Vielmehr ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die dem Bürger eine Prüfung der Vereinbarkeit nationalen Rechts mit dem Unionsrecht ermöglichen. Es muss lediglich nach dem System der nationalen Rechtsordnung einen Rechtsbehelf geben, mit dem wenigstens inzident die Wahrung der Rechte gewährleistet werden kann, die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen.
61Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2012 - 4 B 1425/11 -, juris m. w. N.
62Ebenso wenig kann aus dem von der Klägerin angeführten Urteil des EuGH vom 29. April 1999 - Rs. C-224/97 (Ciola), Rn. 16 - hergeleitet werden, dass im Verwaltungsvollstreckungsverfahren die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung nochmals zu prüfen ist. Nach der genannten Entscheidung muss ein gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßendes Verbot, das durch eine individuell-konkrete, bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidung eingeführt wurde, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Geldstrafe unangewendet bleiben. Eine Zwangsgeldfestsetzung ist keine solche Sanktion, sondern ein Beugemittel, das den Betroffenen zur Befolgung des Verwaltungsakts veranlassen soll.
63Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juli 2011 ‑ 13 B 696/11 -, juris, Rn. 55, und vom 20. Januar 2012 - 4 B 1425/11 -, juris, Rn. 16.
64Dementsprechend können und müssen Zwangsgeldfestsetzungen und ‑beitreibungen - ggf. über ein Wiederaufgreifen gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG NRW - rückabgewickelt werden, wenn die zu vollstreckende Untersagungsverfügung nachträglich in Ansehung des Zeitraums beseitigt wird, in welchem sie zwangsweise durchgesetzt wurde.
65Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 17.12 -, juris, Rn. 20.
66Das ist bei der Untersagungsverfügung des Beklagten nicht der Fall. Die in der Vergangenheit vollstreckte Untersagung vom 3. Juni 2008 ist als Vollstreckungstitel nicht entfallen. Der Senat hat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren 13 A 2018/11 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 2011 zurückgewiesen. Mangels einer Aufhebung der Untersagungsverfügung für die Vergangenheit (ex tunc) bleibt sie die Grundlage für die Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten.
67Die festgesetzten Zwangsgelder sind auch ordnungsgemäß angedroht worden (vgl. § 63 VwVG NRW). Die Zwangsgeldandrohungen vom 21. Mai 2010 und 28. Juni 2010 sind der Klägerin entsprechend der Vorgabe in § 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW wirksam zugestellt worden. § 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW enthält eine zwingende Regelung über die Form der Bekanntgabe (§ 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW) als Voraussetzung der Wirksamkeit des Verwaltungsakts (§ 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW), deren Nichtbeachtung - vorbehaltlich von Heilungsmöglichkeiten - grundsätzlich zur Unwirksamkeit des betreffenden Verwaltungsakts führt.
68Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Januar 1993 ‑ 20 B 3082/92 -, juris, Rn. 11.
69Der auf Malta ansässigen Klägerin sind die Zwangsgeldandrohungen auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW durch Einschreiben mit Rückschein wirksam zugestellt worden. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW erfolgt eine Zustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein, soweit die Zustellung von Dokumenten unmittelbar durch die Post völkerrechtlich zulässig ist. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Mai 2011 ist anzunehmen, dass Malta einer verwaltungsrechtlichen direkten Zustellpraxis nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG nicht widerspricht und die Zustellung eines Verwaltungsakts einer deutschen Behörde auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet durch Einschreiben mit Rückschein duldet. Diese Einschätzung könnten die von der Klägerin vorgelegten Schreiben des maltesischen Botschafters in Berlin vom 7. Juli 2011 und des maltesischen Außenministeriums vom 13. Juli 2011 in Frage stellen. Allerdings hält das Auswärtige Amt in seiner weiteren Stellungnahme vom 20. Februar 2014 in Kenntnis dieser Schreiben daran fest, dass die Republik Malta die Zustellung eines Verwaltungsakts einer deutschen Behörde an eine Person auf ihrem Staatsgebiet durch Einschreiben mit Rückschein dulde, weil Malta das Europarechtsabkommen vom 24. November 1997 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland unterzeichnet, wenn auch noch nicht ratifiziert habe.
70Selbst wenn ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW vorliegt, ist er jedenfalls gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden. Gemäß § 8 LZG NRW gilt ein Dokument, wenn sich die formgerechte Zustellung nicht nachweisen oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten nachweislich zugegangen ist. Zu der Möglichkeit einer Heilung hat der Senat im Beschluss vom 14. Juli 2011 - 13 B 696/11 - bereits ausgeführt:
71Die Heilungsregelung in § 8 LZG NRW ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch bei einer Zustellung im Ausland nach § 9 LZG NRW anwendbar. § 8 LZG NRW regelt allgemein die Heilung von Zustellungsmängeln, ohne die Heilungsmöglichkeit ausdrücklich auf die vorstehenden Zustellungsvorschriften in §§ 3 bis 7 LZG NRW zu beschränken. Vom Wortlaut der Norm wird die Zustellung im Ausland nach § 9 LZG NRW daher ohne weiteres erfasst. Dieses Verständnis wird durch § 2 Abs. 2 Satz 2 LZG NRW gestützt, nach dem es sich bei den Regelungen in den §§ 9 bis 11 LZG NRW um Sonderarten der Zustellung handelt.
72Dass das LZG NRW die Auslandszustellung in § 9 LZG NRW erst hinter der Heilungsvorschrift des § 8 LZG NRW regelt, rechtfertigt nicht den Schluss, dass eine Heilung von Zustellungsmängeln bei der Zustellung im Ausland ausgeschlossen ist. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzhofs ist anerkannt, dass Mängel der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nach § 15 VwZG des Bundes in der bis zum 1. Februar 2006 gültigen Fassung - heute § 10 VwZG des Bundes in der Neufassung vom 12. August 2005 (BGBl I S. 2354) - gemäß § 9 VwZG des Bundes a.F. - heute § 8 VwZG des Bundes - geheilt werden können.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 -, NVwZ 1999, 178 (180); BFH, Urteil vom 25. Oktober 1995 - I R 16/95 -, BFHE 179, 202 (206).
74Die systematische Stellung des § 15 VwZG des Bundes a.F. hinter der Heilungsvorschrift in § 9 VwZG des Bundes a.F. wird in den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzhofs nicht thematisiert. Angesichts dessen erscheint auch keine den Wortlaut des § 8 LZG NRW einschränkende Auslegung dahingehend geboten, dass dieser für die Sonderarten der Zustellung in §§ 9 bis 11 LZG NRW nicht gilt. Vielmehr ist bei summarischer Prüfung § 8 LZG NRW auf alle Zustellungsarten einschließlich der Sonderarten anwendbar.
75Vgl. ebenso Erlenkämper/Rhein, a.a.O., § 8 LZG NRW Rdnr. 1; ebenso für die Regelung in § 8 VwZG des Bundes: Sadler, a.a.O, § 8 VwZG Rdnr. 1.
76Soweit die Antragstellerin sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendbarkeit der Heilungsregelung in § 189 ZPO - bzw. § 187 ZPO in der bis zum 31. Januar 2002 geltenden Fassung - auf Auslandszustellungen nach der ZPO bezieht, gibt diese für die Beurteilung des Anwendungsbereichs von § 8 LZG NRW nichts her. Denn die angeführten Entscheidungen betreffen entweder die (fehlende) Heilungsmöglichkeit von Zustellungsmängeln nach dem Haager Zustellungsübereinkommen vom 15. November 1965,
77vgl. BGH, Urteile vom 2. Dezember 1992 ‑ XII ZB 64/91 -, BGHZ 120, 305, und vom 29. April 1999 - IX ZR 263/97 -, BGHZ 141, 286,
78oder die Zustellung einer Klage an einen im Ausland ansässigen Beklagten,
79vgl. BGH, Urteile vom 24. Februar 1972 - II ZR 7/71 -, BGHZ 58, 177, und vom 24. September 1986 - VIII ZR 320/85 -, BGHZ 98, 263,
80und mithin spezifisch zivilprozessuale Fragestellungen, die im Anwendungsbereich des § 8 LZG NRW keine Rolle spielen. Im Übrigen wird auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte und der Kommentierung zur ZPO ganz überwiegend angenommen, dass Mängel bei der Zustellung im internationalen Rechtsverkehr (§ 183 ZPO n.F. bzw. § 199 ZPO a.F.) vorbehaltlich vorrangigen Völkerrechts nach § 189 ZPO geheilt werden können.
81Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 1. September 1999 - 5 UF 84/99 -, FamRZ 2000, 898; Häublein in: Münchener Kommentar ZPO, 3. Auflage, § 183 Rn. 17; Geimer in: Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 183 Rn. 29 m. w. N.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Auflage, § 183 Rn. 10.
82Hieran hält der Senat auch in Ansehung des Berufungsvorbringens fest.
83Die Voraussetzungen des § 8 LZG NRW für die Heilung eines - hier unter-stellten ‑ völkerrechtlichen Mangels der Zustellung der Zwangsgeldandrohungen liegen vor. Für eine Heilung ist zunächst Voraussetzung, dass die Behörde den Willen hatte, eine Zustellung vorzunehmen. Ferner muss das Dokument dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen sein und der Zeitpunkt des Zugangs muss beweiskräftig feststehen.
84Vgl. Engelhardt/App, Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz, Verwaltungszustellungsgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2011, § 8 Rn. 1, 2 und 4; Sadler, VwVG, VwZG, Kommentar, 8. Auflage 2011, § 8 Rn. 7 und 29.
85Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Dass die Bezirksregierung E. der Klägerin die Zwangsgeldandrohungen zustellen wollte, ist angesichts des Umstandes, dass sie die Bescheide per Einschreiben mit Rückschein abgesandt hat, nicht zweifelhaft. Ausweislich der Vermerke auf den Rückscheinen sind die Bescheide der Klägerin auch nachweislich am 1. Juni 2010 bzw. am 5. Juli 2010 ausgehändigt worden. Dass die Klägerin die Bescheide erhalten hat, wird von ihr im Übrigen auch nicht bestritten und durch die (fristgerechten) Klageerhebungen am 4. August 2010 belegt.
86Soweit die Klägerin sinngemäß einwendet, eine nationale Zustellungsvorschrift könne den Völkerrechtsverstoß, der in der Bekanntgabe bzw. Zustellung als Hoheitsakt auf fremdem Territorium begründet sei,
87vgl. hierzu Engelhardt/App, a. a. O., § 1 VwZG Rn. 6,
88nicht heilen, kann sie sich hierauf als Privatrechtssubjekt nicht berufen. Das Völkerrecht, zu dem auch die Pflicht zur Achtung der Gebietshoheit anderer Staaten gehört, beschränkt sich im Grundsatz auf das Verhältnis zwischen souveränen Staaten. Zwar sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts nach Art. 25 Abs. 2 GG Bestandteil des Bundesrechts und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets. Jedoch kann letzteres nur angenommen werden, wenn die völkerrechtliche Vorschrift die Begründung subjektiver Rechte des Bürgers vorsieht. Dies ist bei dem Erfordernis der Zustimmung eines Staates, auf dessen Staatsgebiet Hoheitsakte vorgenommen werden sollen, nicht der Fall. Es handelt sich hierbei um eine ausschließlich staatsgerichtete, dem Schutz der Souveränität als solche dienende Norm. Daraus allein erwachsen einem Privatrechtssubjekt des betreffenden Staates aber nicht schon inhaltlich subjektive Rechte.
89Vgl. BVerfG, Urteil 22. März 1983 - 2 BvR 475/78 ‑, juris, Rn. 108; BVerfGE 63, 343.
90Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzungen - insbesondere der Höhe nach - bestehen nicht. Der Beklagte konnte aufgrund des fortgesetzten Verstoßes gegen seine Untersagungsverfügung die angedrohten Zwangsgelder auch wiederholt festsetzen, vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 VwVG NRW.
91Vgl. Engelhardt/App, a.a. O., § 13 Rn. 11; Sadler, a. a. O., § 13 VwVG, Rn. 128.
92II. Die (weitere) Zwangsgeldandrohung des Beklagten in der Verfügung vom 28. Juli 2010 erweist sich ebenfalls als rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 55 Abs. 1, 60, 63 VwVG NRW. Die Zwangsgeldandrohung ist insbesondere ihrer Höhe nach nicht zu beanstanden, nachdem die zuvor erfolgten Zwangsgeldandrohungen und -festsetzungen in Höhe von 50.000 Euro bzw. 100.000 Euro die Klägerin nicht dazu veranlasst haben, der Untersagungsverfügung des Beklagten fristgemäß nachzukommen.
93Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
94Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
95Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage auf Aufhebung der Bescheide mit Wirkung ex nunc gerichtet ist.
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Untersagung der Veranstaltung von Glücksspielen im Internet.
2Die Klägerin bietet unter der Domain www. … .com entgeltliche Sportwetten, Casino- und Pokerspiele an. Sie hat ihren Sitz auf Malta und verfügt über eine Lizenz der maltesischen Lotterie- und Glücksspielbehörde zur Veranstaltung von Online-Spielen. Bei Aufruf von www. … .com aus Deutschland erscheint die Seite in deutscher Sprache und mit deutscher Flagge.
3Die Bezirksregierung E. hörte die Klägerin unter dem 10. Januar 2008 zum Erlass einer Untersagungsverfügung hinsichtlich der Veranstaltung und Vermittlung von unerlaubtem Glücksspiel an. Mit Schreiben vom 3. Februar 2008 nahm die Klägerin hierzu Stellung.
4Unter dem 3. Juni 2008 erließ die Bezirksregierung E. gegenüber der Klägerin eine - mit einfacher Post übersandte - Untersagungsanordnung mit folgendem Inhalt:
5„1. Das Angebot auf den von Ihnen betriebenen Internetauftritten, insbesondere www. … .com ist so einzuschränken, dass die von Ihnen angebotenen Glücksspiele nicht für Spieler im Bundesland Nordrhein-Westfalen veranstaltet werden.
6Dazu wird Ihnen aufgegeben,
7a) vor der Annahme von Glücksspielwünschen der Spieler diese zu befragen, ob der Aufenthaltsort zur Zeit der aktiven Spielteilnahme im Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt,
8b) die Annahme von Glücksspielwünschen zu verweigern, wenn der Spieler die Frage offensichtlich wahrheitswidrig verneint,
9c) Spieler von der Teilnahme an Glücksspielen auszuschließen und die Spieler-Registrierung zu löschen, sobald Ihnen nachträglich bekannt wird, dass der Spieler von NRW aus spielt.
10Zum Ausschluss wahrheitswidriger Angaben von Spielern mit dem „Standort NRW“
11d) sind mit Hilfe der technischen Methode der Geolokalisation nach dem Stand der Technik Spieler aus dem Bundesland NRW von der Teilnahme an Ihrem Glücksspielangebot auszuschließen.
12e) Soweit die Ergebnisse von a) und d) auseinanderfallen, ist entweder der Spieler vom Netz auszuschließen oder mit Hilfe der Handy- oder Festnetzortung der Standort des Spielers zu verifizieren. Nach Maßgabe des dann gefundenen Standortes ist über die Teilnahme des Spielers zu entscheiden.
132. Ihnen wird untersagt, unter Verstoß gegen Ziffer 1 abgeschlossene Verträge zu erfüllen, insbesondere an die Spielinteressenten bzw. Spieler aus NRW Gewinne auszuzahlen.
143. Ihnen wird aufgegeben, auf allen von Ihnen gehaltenen Internetseiten, insbesondere der Internetadresse www. … .com, in sämtlichen Rubriken über allgemeine und/oder besondere Geschäfts- und Teilnahmebedingungen gleich welcher Art einen wörtlichen oder sinngemäßen Hinweis („Disclaimer“) einzufügen, dass
15a) Ihnen die Vermittlung von Glücksspielen im Bundesland Nordrhein-Westfalen durch ordnungsbehördliche Verfügung verboten wurde,
16b) Ihr Glücksspielangebot nicht für das Bundesland Nordrhein-Westfalen gilt,
17c) die Teilnahme an Glücksspielen vom Bundesland Nordrhein-Westfalen aus unzulässig ist und entsprechende Aufträge von Spielinteressenten nicht ausgeführt werden,
18d) Sie Verträge nicht erfüllen und insbesondere keine Gewinnauszahlungen vornehmen dürfen, wenn der Spieler sein Angebot von einem Ort im Bundesland Nordrhein-Westfalen abgegeben hat.
194. Die Anordnungen zu Ziffern 1. bis 3. sind innerhalb von vier Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheides zu erfüllen.
205. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 4 wird hiermit ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 50.000 Euro (fünfzigtausend Euro) angedroht.
216. Für diese Untersagungsanordnung wird eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 10.000 (zehntausend) Euro erhoben.“
22Zur Begründung führte die Bezirksregierung E. im Wesentlichen aus: Auf der genannten Internetseite würden öffentliche Glücksspiele in Form von Sportwetten veranstaltet. Dieses Angebot sei unzulässig, weil 1. ein Glücksspiel ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde in Nordrhein-Westfalen für Spieler in Nordrhein-Westfalen veranstaltet und 2. das Glücksspiel im Internet veranstaltet werde. Bei den Angeboten handele es sich um Glücksspiel, denn im Rahmen eines Spiels werde für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt und die Entscheidung über den Gewinn hänge ganz oder überwiegend vom Zufall ab. Das Glücksspiel sei auch öffentlich, weil für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit bestehe. Öffentliche Glücksspiele dürften nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sei verboten (§ 4 Abs. 1 GlüStV). Insbesondere sei das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten, § 4 Abs. 4 GlüStV.
23Das Veranstalten von öffentlichen Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Das zu sperrende Angebot verstoße sowohl gegen strafrechtliche Vorschriften (§ 284 StGB) als auch gegen die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages, der das staatliche Glücksspielmonopol festschreibe, wonach das Veranstalten ohne Erlaubnis verboten sei. Die unter Ziffer 1 a) bis e) auferlegten Pflichten zur Feststellung des aktuellen Aufenthaltsorts, zur Annahmeverweigerung, zur Löschung der Spielerdaten und zum Spielerausschluss seien erforderlich, weil nach dem derzeitigen Stand der Technik anders ein Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen über das Internet mit Teilnehmern, die sich im Bundesland Nordrhein-Westfalen aufhielten, nicht erreicht werden könne. Die geforderte Geolokalisation weise einen Wirkungsgrad von 90 bis 99 % auf. Dies sichere eine Überprüfung ohne Beteiligung des Spielers. Da jedoch mit Fehlaussagen zu rechnen sei, sei im Bedarfsfall, also soweit die Aussage des Spielers und die Geolokalisation zu unterschiedlichen Standorten des Spielers gelangten, der Spieler auszuschließen oder zur Absicherung der Standortbestimmung die Handy- oder Festnetzortung erforderlich. Mit der Anordnung unter Ziffer 2 sollten Anreize, gegen die vorstehenden Anordnungen zu verstoßen, ausgeschlossen werden. Die Hinweispflicht gemäß Ziffer 3 solle gewährleisten, dass die Durchsetzung des geltenden Straf- und Ordnungsrechts auch nach außen erkennbar sei. Die Untersagung sei auch verhältnismäßig. Die Geeignetheit ergebe sich schon daraus, dass nach der Untersagung mit Einstellung der Veranstaltung von unerlaubtem Glücksspiel der Straftatbestand nicht mehr erfüllt und der Rechtsordnung auch in Bezug auf das Glücksspielrecht Geltung verschafft werde. Die Maßnahme sei auch das mildeste Mittel, um illegales Glücksspiel zu unterbinden; andere mildere Mittel, die gleich geeignet seien, seien nicht ersichtlich. Die Untersagung stehe auch in keinem erkennbaren Missverhältnis zum erzielten Erfolg.
24Die Klägerin hat hiergegen am 11. Juli 2008 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben.
25Mit Bescheid vom 13. August 2008 hob die Bezirksregierung E. die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 ihres Bescheides vom 3. Juni 2008 auf.
26Mit Bescheid vom 22. Mai 2009 änderte die Bezirksregierung E. zudem Ziffer 6 ihres Bescheides vom 3. Juni 2008 dahingehend ab, dass eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 300 Euro erhoben wurde.
27Einen vorläufigen Rechtsschutzantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. Mai 2009 (27 L 1147/08) ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 8. Dezember 2009 (13 B 819/09) zurück.
28Mit Schriftsätzen vom 17. und 30. Juni 2011 haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des über den Betrag von 300 Euro hinausgehenden Teils der ursprünglich festgesetzten Verwaltungsgebühr sowie der aufgehobenen Zwangsgeldandrohung in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
29Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage vorgetragen: Ihr sei die Untersagungsverfügung nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden. Der Bescheid sei mit normaler Post übermittelt worden, obschon dieser wegen der ursprünglich enthaltenen Zwangsgeldandrohung hätte zugestellt werden müssen. Dass die Bezirksregierung E. die Androhung später aufgehoben habe, könne den Zustellungsfehler nicht heilen, da jedenfalls zum Zeitpunkt des Eingriffs in die territoriale Integrität Maltas ein auf den gesamten Bescheid bezogener Zustellungswille der Bezirksregierung E. bestanden habe. Der maltesische Botschafter in Berlin habe in seinem Schreiben vom 7. Juli 2011 klargestellt, dass die Republik Malta keine verwaltungsrechtliche Auslandszustellung unmittelbar durch die Post toleriere. Eine Heilung nach § 8 des Verwaltungszustellungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LZG NRW) scheide aus. Auf den völkerrechtlichen Verstoß könne sich die Klägerin auch berufen.
30Die Untersagung sei materiell rechtswidrig. Sie sei ermessensfehlerhaft. Als milderes Mittel hätten Auflagen zur Gestaltung des Internetauftritts ausgereicht. Eine vollständige Abschaltung des Internetauftritts sei unverhältnismäßig. Die Geolokalisation stelle kein geeignetes Mittel dar, um der Verbotsverfügung nachzukommen. Mit den derzeit allgemein verfügbaren technischen Mitteln der Geolokalisation sei es für den Betreiber einer Internetseite nicht möglich, die Angebote für Nutzer aus bestimmten Bundesländern oder auch für Nutzerzugriffe aus einem bestimmten Staat mit mehr als 90%iger Sicherheit auszuschließen. Schließlich sei das deutsche Glücksspielmonopol unionrechts- und verfassungswidrig. Pferdewetten und Automatenspiele in Spielhallen als auch Casinospiele dürften in Deutschland von privaten Unternehmen angeboten werden. Die deutschen Behörden betrieben vor allem im Bereich der Spielbanken, aber auch hinsichtlich TV-Gewinnspielen und Spielhallen eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung oder duldeten sie, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren. Dabei sei zu berücksichtigen, dass im Grunde alle anderen Glücksspielbereiche ein höheres Suchtpotential aufwiesen als die monopolisierten Sportwetten und Lotterien. Schließlich erfolge keine Beschränkung der Werbung auf eine reine Kanalisierung. Insoweit sei bereits ein normatives Defizit des GlüStV festzustellen, da er es lediglich verbiete, gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel aufzufordern, anzureizen oder zu ermuntern. Bloße Imagewerbung, Sponsoring und Formen der Verharmlosung des Glücksspiels, wie sie alle Blockgesellschaften flächendeckend praktizierten, seien hingegen nach den gesetzlichen Regelungen ohne Weiteres zulässig. Zudem werde die Werbung der Monopolanbieter nicht den Anforderungen an einer Werbung gerecht, die sich strikt auf das beschränke, was erforderlich sei, um Spieler vom illegalen Spiel abzuhalten und dem legalen Spiel zuzuführen. Das Monopol sei daher nicht gerechtfertigt. Die Unionsrechtswidrigkeit des Monopols erstrecke sich auch auf den Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV. Es fehle für ein entsprechendes Erlaubnisverfahren an objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien, die der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen setzten. Die Sportwettenveranstaltung dürfe daher zur Zeit erlaubnisfrei ausgeübt werden. Jedenfalls könne dem Betreiber nicht die fehlende Erlaubnis entgegen gehalten werden.
31Abgesehen davon sei das Internetverbot nicht kohärent. Dies folge bereits daraus, dass das allgemeine Internetverbot nur ein Bestandteil einer vermeintlich insgesamt auf Suchtbekämpfung angelegten Politik sei. Aber auch innerhalb des Internetbereichs seien die bestehenden Regelungen inkohärent. Insgesamt könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Internetverbot als regulatorische Insel inmitten einer im Übrigen inkohärenten und zudem unionsrechtswidrig fiskalisch ausgerichteten deutschen Glücksspielpolitik isoliert fortgelten könne.
32Die Klägerin hat beantragt,
33den Bescheid der Bezirksregierung E. vom 3. Juni 2008 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. August 2008 und 22. Mai 2009 aufzuheben.
34Der Beklagte hat beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Zur Begründung hat er auf den angefochtenen Bescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt: Die eingewandten Zustellungsmängel seien nach Aufhebung der Zwangsgeldandrohung gegenstandslos. Die Klägerin biete unerlaubtes Glücksspiel an, da sie zur Veranstaltung von Glücksspiel im Internet gegenüber Nutzern aus NRW eine Erlaubnis der zuständigen Behörden benötige, die sie nicht besitze. Eine möglicherweise nach maltesischem Recht erteilte Lizenz entfalte keine Rechtswirkung in NRW. Eine technische Unmöglichkeit in der Umsetzung der Anordnung liege nicht vor. Es sei geklärt, dass die Geolokalisation ein tauglicher und zielgenauer Ansatz zur Ermittlung des Standortes des Internetnutzers sei. Die gegebenen Unsicherheiten dieser Methode seien hinnehmbar, da das Ordnungsrecht keine 100%-ige Verhinderung der Gefahr fordere.
37Mit Urteil vom 12. Juli 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die von der Klägerin geltend gemachte völkerrechtswidrige Bekanntgabe der Ordnungsverfügung liege nicht vor. Die einfache Bekanntgabe im Ausland sei in allen Staaten unabhängig von ihrer Zustimmung völkerrechtlich zulässig. Eine Zustellung des Verwaltungsakts sei nicht erforderlich gewesen. Nachdem der Beklagte die Zwangsgeldandrohung aufgehoben habe, habe das Zustellungserfordernis in § 63 Abs. 6 VwVG NRW im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage wegen der Dauerwirkung der angegriffenen Ordnungsverfügung grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht bestanden. Der Klägerin sei durch die klaren und unmissverständlichen Formulierungen im Tenor und in der Bescheidbegründung in der Lage, zu erkennen, auf welche Weise die Untersagungsverfügung umgesetzt werden sollte. Die Voraussetzungen für ein aufsichtsbehördliches Einschreiten nach § 9 Abs. 1 GlüStV seien erfüllt. Die Klägerin habe in NRW öffentliche Glücksspiele im Internet veranstaltet, was nach § 4 Abs. 4 GlüStV verboten sei. Die Veranstaltung sei auch ohne die nach § 4 Abs. 1 GlüStV erforderliche Erlaubnis erfolgt, die ihr wegen des Verbots in § 4 Abs. 4 GlüStV auch nicht erteilt werden könne. Soweit die Klägerin das auf Nordrhein-Westfalen bezogene Veranstaltungsverbot über den Weg des Ausschlusses von Internetnutzern mittels Geolokalisation wähle, werde von ihr nicht etwas tatsächlich oder rechtlich Unmögliches verlangt. Bei unterstellter Unionsrechtswidrigkeit der Monopolregelungen könne eine Erlaubnis zwar nicht bereits unter Verweis auf diese abgelehnt werden. Dies ändere aber nichts daran, dass im Streitfall eine Erlaubnis aus den Gründen des generellen Verbotes des § 4 Abs. 4 GlüStV nicht erteilt werden könne und demgemäß das nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV auszuübende Ermessen wegen der Strafbarkeit verbotenen Glücksspiels (§ 284 Abs. 1 StGB) regelmäßig zu Lasten des Glücksspielveranstalters auf Null reduziert sei.
38Das auf das Internet bezogene Veranstaltungs- und Vermittlungsverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV verstoße nicht gegen Verfassungsrecht und sei zugleich unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine etwaige Unionrechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols erfasse das Internetverbot - wie auch die Verbote des § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV - nicht. Insbesondere werde das Internetverbot dem vom EuGH in der Rechtssache Gambelli entwickelten Kohärenzgebot gerecht. Auch der Erlaubnisvorbehalt in § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, bei dessen Nichterfüllung das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele unerlaubtes Glücksspiel im Sinne der § 4 Abs. 2 Satz 2 und § 9 Abs. 1 GlüStV darstelle, sei sowohl verfassungsrechtlich unbedenklich als auch mit Unionsrecht vereinbar, da er von diesem Monopol unabhängig bestehe.
39Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung rügt die Klägerin weiterhin eine völkerrechtswidrige Bekanntgabe der Untersagungsverfügung und macht ergänzend geltend, das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV sei aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols unanwendbar. Es genüge nicht den Maßstäben des Kohärenzgebotes. Dabei sei im Falle eines Dauerverwaltungsaktes - wie hier - nunmehr auf den seit dem 1. Juli 2012 in Kraft getretenen 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrag abzustellen. Das darin enthaltene Verbot der Online-Veranstaltung von Lotterien sei im Hinblick auf die liberalen Regelungen des am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes, das auf ein solches Verbot vollständig verzichte, mit dem aus dem Unionsrecht folgenden Kohärenzgebot unvereinbar. Mit dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag bestehe eine völlig veränderte Gesetzeslage. Zusätzlich verschärfe sich die Inkohärenz dadurch, dass auch in den übrigen 15 Bundesländern die Veranstaltung und Vermittlung von Pferdewetten im Internet nach wie vor flächendeckend stattfinde. Darüber hinaus erweise sich das Internetverbot aber auch deshalb als inkohärent und unionsrechtswidrig, weil es an einem Nachweis für die angeblich vom Internet im Vergleich zu anderen Vertriebsmöglichkeiten ausgehenden größeren Gefahren für die zu schützenden Allgemeininteressen fehle.
40Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts führe dazu, dass alle das Monopol betreffenden nationalen Regelungen unanwendbar seien. Diese Rechtsfolge erstrecke sich nicht nur auf das Internetverbot, sondern auch auf die formelle Seite des Erlaubnisvorbehalts, weshalb die streitbefangene Untersagungsverfügung auch nicht unabhängig von der Unanwendbarkeit des Internetverbots und des staatlichen Sportwettenmonopols mit der Begründung aufrechterhalten werden könne, sie - die Klägerin - besitze nicht die gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV erforderliche Erlaubnis für die Vermittlung von Sportwetten und könne eine solche auch nicht erhalten. Ein Erlaubnissystem, das seinerseits den Anforderungen an Diskriminierungsfreiheit und Verhältnismäßigkeit gerecht werde, existiere bis heute nicht. Die angefochtene Untersagungsverfügung enthalte keine inhaltliche Erwägung zu etwaigen individuellen Erlaubnisvoraussetzungen. Die Untersagung sei allein auf § 4 Abs. 1 GlüStV gestützt worden. Da sich diese Begründung nicht aufrechterhalten lasse, gebe es nichts mehr, was noch „ergänzt“ werden könne.
41Mit Bescheiden vom 28. Juni 2010 bzw. 28. Juli 2010 hat der Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000 Euro bzw. 100.000 Euro festgesetzt, die Gegenstand des Verfahrens 13 A 1037/12 sind. Die Zwangsgelder sind mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 21. Juli 2011 in der Fassung vom 8. September 2011 beigetrieben worden und am 10. Januar 2012 beim Beklagten eingegangen.
42Die Klägerin beantragt,
43das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 2011 zu ändern und den Bescheid der Bezirksregierung E. vom 3. Juni 2008 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. August 2008 und 22. Mai 2009 in Ansehung seiner Vollstreckung und ex nunc aufzuheben.
44Der Beklagte beantragt,
45die Berufung zurückzuweisen.
46Sie hält an der angefochtene Untersagungsverfügung fest und führt ergänzend aus, ein strukturelles Überwachungsdefizit mit der Folge der Inkohärenz sei nicht zu besorgen. Die Struktur der staatlichen Überwachung des Glücksspiels sei ausgeprägt und effektiv. Aus Anlass der neueren Rechtsprechung sei die bisherige Linie verschärft und es seien eine Reihe von Maßnahmen - insbesondere im Hinblick auf die Werbung - ergriffen worden. Dabei seien WestLotto und Westspiel sehr kooperativ, so dass es keiner Ordnungsverfügungen bedürfe. Die Werberichtlinien seien vollständig überarbeitet worden, um den Vorgaben der Rechtsprechung und der EU-Kommission gerecht zu werden. Das Internetverbot sei unabhängig von der Rechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols wirksam. Die Verfügung sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Sie sei nicht auf das damalige Monopol, sondern auf die fehlende Erlaubnis und das Internetverbot gestützt worden. Wesentliche Ermessenerwägungen könnten auch noch nachgeschoben werden. Ergänzend werde die Untersagungsverfügung nunmehr auch auf die neuen Vorschriften des GlüStV, den Erlaubnisvorbehalt aus § 4 Abs. 1 GlüStV und das Internetverbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV gestützt. An den der Untersagungsverfügung zugrunde liegenden Tatsachen habe sich nichts geändert, so dass die bisherigen Erwägungen aufrechterhalten blieben: Die Klägerin dürfe zwar grundsätzlich für den Fall der Erlangung einer Konzession Sportwetten im Internet veranstalten. Dies gelte aber nur für Ergebniswetten. Die Klägerin biete aber darüber hinaus nicht erlaubnisfähiges Glücksspiel an, nämlich Ereigniswetten (Live-Wetten, vgl. § 21 Abs. 4 GlüStV), Casino- und Pokerspiele (§ 4 Abs. 4 GlüStV). Im Falle der Klägerin liege kein offensichtlicher Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis vor, da die Erlaubnis nach §§ 4, 4a GlüStV hohen und im Detail geregelten Voraussetzungen unterliege und zudem zahlenmäßig beschränkt sei. Der Überprüfung dieser Voraussetzungen diene das noch laufende Konzessionserteilungsverfahren in Hessen.
47Am 19. Dezember 2012 hat die Klägerin eine Genehmigung für die Veranstaltung von Onlinecasinospielen durch das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein erhalten.
48Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
49E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
50Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
51Die Anfechtungsklage ist zulässig (A.), jedoch nicht begründet (B.). Die angefochtene Verfügung der Bezirksregierung E. vom 3. Juni 2008 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. August 2008 und 22. Mai 2009, mit der der Klägerin das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet im Bundesland Nordrhein-Westfalen untersagt worden ist, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
52A. Die Anfechtungsklage ist zulässig.
53Sie ist insbesondere statthaft. Gemäß § 42 Abs. 1 VwGO kann durch die Anfechtungsklage die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Mit der Untersagungsverfügung des Beklagten vom 3. Juni 2008 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. August 2008 und 22. Mai 2009 liegt ein wirksamer und damit anfechtbarer Verwaltungsakt vor, der sowohl für die Vergangenheit in Ansehung seiner Vollstreckung als auch für die Gegenwart Regelungswirkung hat.
54I. Die angefochtene Untersagungsverfügung der Bezirksregierung E. hat äußere Wirksamkeit durch ihre Bekanntgabe an die Klägerin erlangt, vgl. § 43 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW (VwVfG NRW). Die hier erfolgte einfache Bekanntgabe des Verwaltungsakts per Post auf Malta - dem Sitz der Klägerin - ist wirksam und verstößt nicht gegen das Völkerrecht. Die einfache Bekanntgabe im Ausland ist - wie sich auch aus § 41 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW sowie dem von der Klägerin angeführten § 122 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) ergibt - in allen Staaten unabhängig von deren Zustimmung völkerrechtlich zulässig, weil die deutsche Behörde in diesem Fall - anders als bei der förmlichen Zustellung - nicht selbst im Ausland tätig wird. Der Umstand, dass ein Verwaltungsakt im Ausland zugeht, begründet vielmehr lediglich im Inland die Wirksamkeit der Verfügung (vgl. §§ 41, 43 VwVfG NRW).
55Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 13 B 819/09 -, juris; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 41 Rn. 218, m. w. N.; s. auch BGH, Urteil vom 26. Juni 2012 - VI ZR 241/11 -, juris (zu §184 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
56Im Übrigen wäre ein etwaiger Bekanntgabemangel gegenüber der Klägerin mit der tatsächlichen Kenntniserlangung geheilt. Wenn § 8 Landeszustellungsgesetz - LZG NRW - schon für zustellungsbedürftige Verwaltungsakte bei fehlendem Zustellungsnachweis oder der Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften als Zustellungszeitpunkt denjenigen des tatsächlichen Empfangs gelten lässt, so gilt dies entsprechend für den hier zu beurteilenden - weniger formstrengen - Grundfall der Bekanntgabe gemäß § 41 VwVfG NRW.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1994 - 8 C 2.92 -, juris; Stelkens, a.a.O, § 41 Rn. 232; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 11. Auflage 2010, § 41 Rn. 28; Knack/Henneke, VwVfG, Kommentar 9. Auflage 2010, § 41 Rn. 64.
58Die Klägerin hat vom Inhalt der Verfügung vom 3. Juni 2008 nachweislich Kenntnis erlangt. Schon im Juli 2008 meldete sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Angelegenheit „Untersagungsanordnung vom 3. Juni 2008“ bei dem Beklagten.
59Soweit die Klägerin sinngemäß einwendet, eine nationale Zustellungsvorschrift ‑ hier in entsprechender Anwendung - könne einen durch den Bekanntgabemangel auf fremdem Territorium begründeten Völkerrechtsverstoß nicht heilen, kann sie sich hierauf als Privatrechtssubjekt nicht berufen. Das Völkerrecht, zu dem auch die Pflicht zur Achtung der Gebietshoheit anderer Staaten gehört, beschränkt sich im Grundsatz auf das Verhältnis zwischen souveränen Staaten. Zwar sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts nach Art. 25 Abs. 2 GG Bestandteil des Bundesrechts und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets. Jedoch kann letzteres nur angenommen werden, wenn die völkerrechtliche Vorschrift die Begründung subjektiver Rechte des Bürgers vorsieht. Dies ist bei dem Erfordernis der Zustimmung eines Staates, auf dessen Staatsgebiet Hoheitsakte vorgenommen werden sollen, nicht der Fall. Es handelt sich hierbei um eine ausschließlich staatsgerichtete, eine dem Schutz der Souveränität als solche dienende Norm. Daraus allein erwachsen einem Privatrechtssubjekt des betreffenden Staates aber nicht schon inhaltlich subjektive Rechte.
60Vgl. BVerfG, Urteil 22. März 1983 - 2 BvR 475/78 ‑, BVerfGE 63, 343.
61Die unterbliebene Zustellung der später aufgehobenen, nicht mehr streitgegenständlichen Zwangsgeldandrohung gemäß § 63 Abs. 6 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW - VwVG NRW - ändert nichts an der Wirksamkeit der Bekanntgabe des Grundverwaltungsakts. Nach § 63 Abs. 6 Satz 2 VwVG NRW ist die Androhung zwar auch dann zuzustellen, wenn sie - wie hier - mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist und für ihn keine Zustellung vorgeschrieben ist. Daraus folgt indessen nicht, dass die fehlende Zustellung der Zwangsgeldandrohung auch den Grundverwaltungsakt, für den keine Zustellung vorgeschrieben ist, erfasst. Die mangels Zustellungswillens unterbliebene Zustellung der Zwangsgeldandrohung hat vielmehr lediglich deren Unwirksamkeit zur Folge,
62vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Januar 1993 - 20 B 3082/92 -, NVwZ-RR 1994, 365, 366,
63nicht aber auch die Unwirksamkeit des Grundverwaltungsakts. Dass der Beginn der Rechtsbehelfsfristen hinsichtlich des Grundverwaltungsakts und der Androhung auseinanderfallen können, ist rechtlich unbedenklich. § 63 Abs. 6 VwVG NRW lässt sich nicht entnehmen, dass ein solches Auseinanderfallen der Rechtsbehelfsfristen unzulässig ist.
64Vgl. auch Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2011, § 13 VwVG Rn. 10; a. A. Sadler, VwVG/ VwZG, Kommentar, 8. Aufl. 2011, § 13, Rn. 166.
65II. Die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO ist in Ansehung der Vollstreckung der Untersagungsverfügung mittels zuvor angedrohter Zwangsgeldfestsetzungen im Juni und Juli 2010 in Höhe von 150.000 Euro bis zur endgültigen Zahlung am 10. Januar 2012 zulässig. Für diesen Zeitraum hat sich die Untersagung für ihren in der Vergangenheit liegenden Geltungszeitraum nicht erledigt, weil - nur - insoweit noch eine Beschwer durch das Veranstaltungsverbot vorliegt.
66Glücksspielrechtliche Untersagungen als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung erledigen sich zwar grundsätzlich von Tag zu Tag fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum, so dass Rechtsschutz für die Vergangenheit nur auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage hin gewährt werden kann. Ein Verbot wird durch Zeitablauf gegenstandslos, weil es nicht rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann. Eine Erledigung tritt allerdings nicht ein, wenn die Untersagung für den abgelaufenen Zeitraum gegenwärtig noch nachteilige Rechtswirkungen für den Betroffenen entfaltet.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 17.12 -, juris, m. w. N.
68Das ist hier der Fall, weil die Untersagung die Rechtsgrundlage für noch rückgängig zu machende Vollstreckungsmaßnahmen bildet. Dazu gehört die in der Vergangenheit erfolgte Vollstreckung der Untersagung durch den Beklagten, die erst mit der Beitreibung der beiden festgesetzten Zwangsgelder von 50.000 Euro und 100.000 Euro jeweils am 10. Januar 2012 endete. Diese Vollstreckungsmaßnahmen können bei einer Aufhebung der Grundverfügung rückabgewickelt werden.
69Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 12.12 -, juris.
70Da der Anfechtungsantrag hier ursprünglich ohne nähere zeitliche Beschränkung gestellt worden ist, ist die Rechtmäßigkeit des Dauerverwaltungsakts in der Vergangenheit auch Gegenstand der Anfechtungsklage. Einer Klageänderung bedurfte es deshalb nicht.
71III. Für die Gegenwart (und Zukunft) beansprucht die Verfügung des Beklagten weiterhin Rechtswirkungen, was aus dem Charakter der Untersagung des Veranstaltens von Glücksspiel im Internet als Dauerverwaltungsakt folgt.
72B. Die Anfechtungsklage ist jedoch nicht begründet.
73I. Die angegriffene Untersagungsverfügung ist in Ansehung ihrer Vollstreckung mittels Zwangsgeldfestsetzungen bis zum 10. Januar 2012 rechtmäßig gewesen.
74Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung der Bezirksregierung E. vom 3. Juni 2008 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. August 2008 und 22. Mai 2009 beurteilt sich - soweit es um ihre Regelungswirkung für die Vergangenheit geht - nach der alten Rechtslage und damit nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV in der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Fassung (GlüStV a.F.) i. V. m. Art. 1 §§ 1, 2 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Umsetzungsgesetzes vom 30. Oktober 2007. Die einen Dauerverwaltungsakt darstellende Verfügung des Beklagten vom 3. Juni 2008 trifft zwar eine unbefristete Regelung, die auch für den Fall der Änderung der Sach- und Rechtslage Geltung für die Zukunft beansprucht und insoweit nach der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Wird die Regelung jedoch - wie hier - zeitabschnittsweise zur gerichtlichen Überprüfung gestellt, bestimmt sich ihre Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage zum jeweiligen Zeitpunkt innerhalb ihres Wirksamkeitszeitraums.
75Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 17.12 -, juris, und Beschluss vom 5. Januar 2012 - 8 B 62.11 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Mai 2013 - 6 S 88/13 -, juris.
761. Die Untersagungsverfügung der Bezirksregierung E. vom 3. Juni 2008 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. August 2008 und 22. Mai 2009 ist formell rechtmäßig ergangen.
77a) Der Beklagte ist gemäß § 18 Abs. 2 b) des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag Ausführungsgesetz NRW - GlüStV AG NRW a. F.), § 1 Abs. 2 Telemedienzuständigkeitsgesetz (TMZ-Gesetz) für den Erlass der Untersagung örtlich und sachlich zuständig gewesen.
78Dagegen kann nicht eingewandt werden, die Behörde verbiete hier die Glücksspielvermittlung im Internet auch außerhalb Nordrhein-Westfalens und überschreite damit ihre Verbandskompetenz. Nach dem - in Ziffer 1 des Bescheidtenors eindeutig formulierten - Regelungsinhalt der Untersagungsanordnung vom 3. Juni 2008 wird der Klägerin das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet lediglich in Nordrhein-Westfalen untersagt. Auch ist der Begründung der Untersagungsverfügung zu entnehmen, dass lediglich vom Gebiet des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen aus Spielangebote der Seite www.....com im Internet nicht mehr aufrufbar sein dürfen. Damit beansprucht der Bescheid keine Geltung für das Veranstalten von Glücksspielen außerhalb dieses Bundeslandes.
79b) Die Untersagungsverfügung vom 3. Juni 2008 genügt dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmtheitsgebot (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW). Dieses erfordert, dass die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung ausreichend bestimmt und eindeutig ist.
80Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1990 - 4 C 41.87 -, BVerwGE 84, 335, und vom 20. April 2005 ‑ 4 C 18.03 -, BVerwGE 123, 261; OVG NRW, Beschlüsse vom 26. September 2008 - 13 B 1395/08 -, NJW 2008, 3656, und - 13 B 1397/08 -, juris, sowie vom 8. September 2009 - 13 B 894/09 -, juris; Kopp/ Ramsauer, a. a. O., § 37 Rn. 12.
81Die Untersagungsverfügung des Beklagten ist insbesondere nicht in sich widersprüchlich, als Ziffer 1 Satz 1 scheinbar ein generelles Veranstaltungsverbot formuliert, während der Klägerin zu deren Umsetzung anschließend Handlungsgebote auferlegt werden. Richtig ist zwar, dass Ziffer 1 Satz 1 bei isolierter Betrachtung auch dahingehend verstanden werden könnte, dass die Klägerin jeden (auch den erschlichenen) Zugang zu ihrem Glücksangebot im Internet auszuschließen hat. Ein derartiger Bedeutungsgehalt kommt der Regelung indessen nicht zu. Eine Auslegung des Verwaltungsakts nach den im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregeln der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt, dass von der Klägerin nicht verlangt wird, die Teilnahme an ihrem Glücksspielangebot im Internet von Nordrhein-Westfalen aus mit Sicherheit auszuschließen. Aufgegeben wird ihr vielmehr nur, die in den Ziffern 1 bis 3 im Einzelnen aufgeführten Maßnahmen zu ergreifen und somit den Spielzugang von Nordrhein-Westfalen aus maßgeblich einzuschränken. Das folgt aus der Begründung des Bescheids, wonach sich der Beklagte bewusst ist, dass sich auch bei Umsetzung der aufgegebenen Maßnahmen einige mehr oder weniger technisch begabte Spielinteressenten den Zugang zum Internet-Glücksspielangebot der Klägerin werden erschleichen können und damit ein Ausschluss sämtlicher Spielinteressenten derzeit nicht zuverlässig gewährleistet werden kann. Der Beklagte hat in der Ordnungsverfügung aber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er im Falle eines erschlichenen Zugangs nicht von einer der Klägerin zurechenbaren Glücksspielveranstaltung ausgeht und solche erschlichenen Zugänge keine Zwangsmaßnahmen gegen die Klägerin nach sich ziehen werden (sofern die in den Ziffern 1 bis 3 genannten Maßnahmen zuvor umgesetzt worden sind).
82Die in der Verfügung des Beklagten getroffene Regelung ist auch hinreichend verständlich. Davon ist auszugehen, wenn der Adressat und die mit dem Vollzug befasste Behörde aufgrund der Entscheidungssätze und der Begründung des Verwaltungsakts sowie der sonst für die Betroffenen erkennbaren Umstände ersehen können, was genau durch den Verwaltungsakt gefordert wird und gegebenenfalls zu vollstrecken ist. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 41.87 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 13 B 819/09 -, juris, m. w. N.
84Demnach ist ein Verwaltungsakt nicht schon dann unbestimmt, wenn seine Regelung für eine mit dem Glücksspielsektor nicht vertraute Person nicht ohne weiteres verständlich ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Adressat und die mit dem Vollzug befassten Behörden den Entscheidungsinhalt aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls zutreffend erfassen und ihr künftiges Verhalten danach ausrichten können.
85Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. September 2009 - 13 B 894/09 -, juris, und vom 9. November 2009 - 13 B 991/09 -, juris.
86Diesen Anforderungen genügt die in Ziffer 1 des Bescheidtenors für Nordrhein-Westfalen verfügte Untersagung. Die Klägerin und die mit dem Vollzug der Anordnung betrauten Bediensteten des Beklagten sind auf der Grundlage des Tenors und der Begründung des Bescheids sowie der ihnen sonst bekannten Umstände, insbesondere der aussagekräftigen und im Bescheid in Bezug genommenen Definition in § 3 Abs. 1 GlüStV a. F., in der Lage, bestimmen zu können, welche von der Klägerin über das Internet vermittelten Spiele Glücksspiele und damit von der Untersagungsverfügung umfasst sind.
87Vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschlüsse vom 9. November 2009 - 13 B 991/09 -, juris, und vom 8. Dezember 2009 - 13 B 819/09 -.
882. Die Untersagungsverfügung des Beklagten war auch materiell rechtmäßig.
89Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV a. F. hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV a. F. kann die zuständige Behörde des jeweiligen Landes - das ist hier gemäß § 18 Abs. 2 b) GlüStV AG NRW a. F., § 1 Abs. 2 TMZ-Gesetz die Bezirksregierung E. - die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Sie kann insbesondere gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen.
90a) Diese Tatbestandsvoraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten lagen vor.
91Bei den von der Klägerin angebotenen Sportwetten und sonstigen Spielen handelte es sich um Glücksspiele im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV a. F. Diese waren auch unerlaubt. Die Klägerin verfügte nicht über die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV a. F., § 4 Abs. 1 GlüStV AG NRW a. F. erforderliche Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes für das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele. Eine maltesische Glücksspielkonzession musste der Beklagte mangels einer unionsrechtlichen Harmonisierung nicht als eine solche Erlaubnis anerkennen.
92Vgl. EuGH, Urteile vom 12. September 2013 ‑ Rs. C-660/11 u.a. (Biasci) -, juris; und vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a. (Markus Stoß u.a.) -, juris; BVerwG, Urteile vom 1. Juni 2011 - 8 C 2.10 -, juris, und vom 24. November 2010 - 8 C 14.09 -, juris.
93Auch die einigen Glücksspielveranstaltern aufgrund des Gewerbegesetzes der DDR vom 6. März 1990 (GBl. DDR I S. 138) erteilten Gewerbegenehmigungen galten in Nordrhein-Westfalen nicht.
94Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 8 C 13.09 und 8 C 14.8 C 14.09 - Rn. 57 bzw. 53, juris; allgemein dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, BVerfGE 79, 127, 158.
95Der Erlaubnisvorbehalt in § 4 Abs. 1 GlüStV a. F. selbst ist unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols in Nordrhein-Westfalen verfassungskonform und verstößt auch nicht gegen das Unionsrecht. Er dient nicht allein dem Schutz des Monopols, sondern auch unabhängig davon den verfassungs- wie unionsrechtlich legitimen Zielen des Jugend- und Spielerschutzes sowie der Kriminalitätsbekämpfung, auf die auch der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 3. Juni 2008 Bezug nimmt. Er genügt den unionsrechtlichen Anforderungen an eine derartige nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich zulässige Regelung, weil das zur Verwirklichung zwingender Gründe des Allgemeininteresses (Suchtvorbeugung und -bekämpfung, Jugend- und Spielerschutz sowie Kriminalitätsbekämpfung) im Glücksspielstaatsvertrag normierte System der vorherigen Erlaubnis auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Erlaubniskriterien beruht (§ 4 Abs. 2 bis 4 GlüStV a. F. i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV AG NRW a. F.).
96Vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08 (Carmen Media) -, juris, vom 3. Juni 2010 - Rs. C 203/08 (Sporting Exchange) -, juris, vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04 (Placanica) -, juris; BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 -, juris; BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 8 C 17.12 -, juris, und - 8 C 39.12 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 21. Februar 2012 - 4 A 2847/08 -, juris, und Beschluss vom 22. März 2011- 4 B 48/11 -, juris; Bay.VGH, Beschluss vom 20. September 2011 - 10 BV 10.2449 -, juris.
97Der in § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV a. F. enthaltene Erlaubnisvorbehalt und das damit verbundene Verbot des Vermittelns und Veranstaltens von Glücksspielen ohne die erforderliche Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV a. F. greifen zwar in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG ein, sind aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Insbesondere ist der Erlaubnisvorbehalt geeignet und erforderlich, das Ziel der Verhinderung und Bekämpfung der Spielsucht zu erreichen (vgl. § 1 GlüStV a. F.), und insoweit auch verhältnismäßig.
98Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 -, juris; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - 8 C 13.09 -, juris; Bay.VGH, Urteil vom 27. Januar 2012 - 10 CS 11.2158 -, juris.
99Der Umstand, dass das in § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV a. F. verankerte Sportwettenmonopol in Nordrhein-Westfalen die unionsrechtliche Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit verletzt,
100vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 ‑ 8 C 10.12 -, - 8 C 12.12 - und - 8 C 17.12 -, juris,
101steht der Annahme nicht entgegen, dass die Klägerin unerlaubte öffentliche Glücksspiele veranstaltet hat. Denn der Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV a. F. ist nicht "monopolakzessorisch", sondern unabhängig von Gültigkeit und Bestand des staatlichen Glücksspielmonopols allgemein geltendes Recht.
102Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 8 C 39.12 ‑, juris, und vom 24. November 2010 - 8 C 13.09 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 21. Februar 2012 - 4 A 2847/08 -, juris; Bay.VGH, Urteil vom 20. September 2011 - 10 BV 10.2449 -, juris.
103b) Das dem Beklagten durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV a. F. eröffnete Untersagungsermessen war zu Lasten der Klägerin dahingehend reduziert, dass zwingend das Veranstalten des öffentlichen Glücksspiels im Internet untersagt werden musste. Eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich aus § 284 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB), weil die Klägerin gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV a. F. verstoßen und damit den objektiven Tatbestand des § 284 StGB erfüllt hat, indem sie öffentliche Glücksspiele ohne Erlaubnis der dafür zuständigen Behörde veranstaltet hat.
104Der Klägerin konnte das Fehlen einer Erlaubnis auch entgegengehalten werden. Dies setzt voraus, dass ihr die Erlaubnis nicht unionsrechtswidrig vorenthalten oder verweigert wurde. Wegen der Unionsrechtswidrigkeit des Monopols durfte eine Erlaubnis nicht schon seinetwegen, sondern nur nach Prüfung der unionsrechtskonformen, monopolunabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen ausgeschlossen werden.
105Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 17.12 -, juris.
106Nach diesen Maßstäben lagen hier die Voraussetzungen für eine Ermessensre-duzierung auf Null vor, obschon das Erlaubnisverfahren in Nordrhein-Westfalen in der Vergangenheit nicht für private Anbieter geöffnet wurde. Denn die Veranstaltungstätigkeit der Klägerin war aus materiell-rechtlichen Gründen – monopol-unabhängig - nicht und auch nicht mit Nebenbestimmungen erlaubnisfähig.
107Vgl. zu einer Ermessensreduzierung wegen materieller Unzulässigkeit der Betätigung auch BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - 8 C 13.09. -, juris (zu § 21 Abs. 2 Satz 1 GlüStV a. F.)
108Das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet verstieß gegen das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. Danach ist das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Das Internetverbot richtet sich nicht nur an die in § 10 Abs. 2 GlüStV a. F. genannten Träger des staatlichen Glücksspielmonopols, sondern erfasst gemäß § 2 GlüStV a. F. alle vom Glücksspielstaatsvertrag erfassten öffentlichen Glücksspiele,
109vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 -, juris,
110also auch die von der Klägerin angebotenen Spiele.
111aa) Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. ist mit Unionsrecht vereinbar.
112Die Unionsrechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols in Nordrhein-Westfalen in der Zeit bis zum Inkrafttreten des neuen GlüStV (d. h. in Nordrhein-Westfalen bis zum 30. November 2012)
113vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 -, - 8 C 12.12 - und - 8 C 17.12 -,
114lässt den Bestand und die Gültigkeit des Internetverbots in § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. unberührt. Denn dieses ist nicht „monopolakzessorisch“. Es stellt nicht auf den Anbieter der Wetten ab, sondern verbietet nur eine bestimmte Art und Weise des Vertriebs. Nach der Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag enthält § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. das „generelle" Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet und erstreckt sich auf alle Arten - und damit auch auf alle Anbieter - der im Staatsvertrag geregelten Glücksspiele, insbesondere auf Lotterien, Sportwetten und den Bereich der Spielbanken. Zur Sicherstellung der Ziele des § 1 GlüStV a. F. ist es nach der Regelungsabsicht des Normgebers geboten, den Vertriebsweg Internet für Glücksspiele grundsätzlich zu versagen.
115Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 ‑, juris; BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09 -, juris.
116Mit diesem Regelungsgegenstand bleibt das Internetverbot als Bestandteil des GlüStV a. F. auch bei Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols anwendbar, da es aus sich heraus eine sinnvolle und handhabbare Regelung darstellt, die der erkennbaren Absicht des Normgebers entspricht.
117Vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09 -, juris.
118Das Internetverbot in § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. ist nicht wegen der Verletzung der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit unanwendbar. Das Verbot beschränkt den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Union (Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -), indem es Wettunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten hindert, Spielinteressenten gegen Entgelt die Teilnahme an einem Glücksspiel über das Internet zu ermöglichen. Die Klägerin, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist als dem, in dem die Leistung angeboten wird, erbringt solche grenzüberschreitenden Dienstleistungen. Die Beschränkung ist nur gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen der Art. 51, 52 AEUV i. V. m. Art. 62 AEUV oder zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen, die staatlichen Maßnahmen geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
119Vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01 (Gambelli u.a.) -, juris, und vom 8. September 2009 - Rs. C-42/07 (Liga Portuguesa) -, juris.
120Dem wird das Internetverbot in § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. gerecht.
121Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 -, juris; BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 93/10 -, juris.
122Hierfür ist im Ausgangspunkt zu beachten, dass mangels unionsrechtlicher Harmonisierung des Glücksspielbereichs den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der umzusetzenden Ziele ein weiter Gestaltungsspielraum („ausreichendes Ermessen“) zusteht. Sie dürfen ihre Glücksspielpolitik ihrer eigenen Wertordnung entsprechend ausrichten und das angestrebte Schutzniveau selbst bestimmen. Die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen sind allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das angestrebte Schutzniveau zu beurteilen.
123Vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08 (Carmen Media) -, juris; BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 17.12 -, juris.
124Das Internetverbot verfolgt unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele. Es dient - wie alle Beschränkungen im GlüStV a. F. - der Bekämpfung der Spielsucht (§ 1 Nr. 1 GlüStV a. F.), dem Jugend- und Spielerschutz (§ 1 Nr. 3 GlüStV a. F.), der Begrenzung des Glücksspielangebots, der Lenkung der Wettleidenschaft (§ 1 Nr. 2 GlüStV a. F.) und der Kriminalitätsbekämpfung (§ 1 Nr. 4 GlüStV a. F.).
125Dem Internetverbot fehlt auch nicht die Eignung, zur Erreichung dieser Ziele beizutragen. Eine Maßnahme, mit der jedes Anbieten von Glücksspiel über das Internet verboten wird, ist grundsätzlich geeignet, die legitimen Ziele der Vermeidung von Anreizen von übermäßigen Spielausgaben und der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes zu verfolgen, auch wenn das Angebot solcher Spiele über herkömmliche Kanäle zulässig bleibt.
126Vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08 (Carmen Media) -, juris.
127Denn die über das Internet angebotenen Glücksspiele weisen schon wegen des Fehlens eines unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter und einer sozialen Kontrolle sowie wegen der Anonymität und Isolation der Spieler ein besonderes Gefährdungspotenzial für Jugendliche und spielsuchtgefährdete oder spielsüchtige Verbraucher auf, das mit erhöhten Betrugsrisiken einhergeht.
128Vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08 (Carmen Media) -, juris; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 -, juris; BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09 -, juris.
129Neben dem fehlenden unmittelbaren Kontakt zwischen Verbraucher und Anbieter stellen der für das Internet typische besonders leichte und ständige Zugang zu den dort angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Häufigkeit eines solchen Angebots mit internationalem Charakter in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können.
130Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 ‑, juris; BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09 -, juris.
131Dass bislang aus Sicht der Klägerin keine empirischen und unbestreitbaren Nachweise dafür erbracht worden sind, dass die zu schützenden Gemeinwohlinteressen durch das Veranstalten von Glücksspiel im Internet konkret gefährdet werden bzw. dass mit dieser Vertriebsform ein besonderes Suchtrisiko verbunden ist, lässt die Geeignetheit einer Maßnahme, mit der jedes Anbieten von Glücksspiel im Internet verboten wird, nicht von vornherein entfallen. Der Mitgliedstaat muss, auch wenn eine Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens oder der Bedeutung der Gefahren wie etwa für die menschliche Gesundheit bleibt, Schutzmaßnahmen treffen können, ohne abwarten zu müssen, bis der Beweis für das tatsächliche Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht ist. Dem Fehlen statistisch breit angelegter Forschungsergebnisse kann durch eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der gesetzlichen oder staatsvertraglichen Regelungen - wie hier in § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV a. F. und § 11 GlüStV a. F. vorgesehen - Rechnung getragen werden.
132Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2011 - 8 C 11.10 -, juris, vom 1. Juni 2011 - 8 C 2.10 -, juris, und vom 24. November 2010 - 8 C 14.09 -, juris.
133Auch der EuGH hat nicht verlangt, dass ein empirischer Nachweis für die Gefährlichkeit des Internetvertriebs erbracht werden muss, sondern hervorgehoben, dass ein Mitgliedstaat, der eine beschränkende Maßnahme im Glücksspielsektor rechtfertigen möchte, nicht eine vor Erlass der genannten Maßnahme durchgeführte Untersuchung vorzulegen hat, die ihre Verhältnismäßigkeit belegt.
134Vgl. EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - Rs. C-212/08 (Zeturf) -, juris, und vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 (Markus Stoß u.a.) -, NVwZ 2010, 1409, 1412; so auch BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09 -, juris.
135Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. genügt auch den Anforderungen des Kohärenzgebots. Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn die restriktive Maßnahme zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beiträgt.
136Vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 (Markus Stoß u.a.) -, NVwZ 2010, 1409, 1412, und vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08 (Carmen Media) -, juris.
137Dieses Gebot erfordert allerdings nicht, dass das gesamte Glücksspielrecht in jeder Hinsicht in sich konsistent und systematisch ist. Erforderlich ist lediglich, dass die betreffende restriktive Regelung dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.
138Vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08 (Carmen Media) -, juris.
139Gegenstand der Prüfung nach den Maßstäben des Kohärenzgebotes ist daher nicht das gesamte Glücksspielrecht, sondern die konkrete streitbefangene Beschränkung.
140Vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. Januar 2011 - 6 S 1685/10 -, juris; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11. November 2010 - 11 MC 429/10 -, juris.
141Die Beschränkung liegt hier im Verbot eines bestimmten Vertriebskanals, nämlich des Internets. Inwieweit die Wetttätigkeiten über andere Vertriebswege, insbesondere den terrestrischen, konsistent und systematisch begrenzt werden, ist für die Frage der Beachtung des Kohärenzgebotes durch das Internetverbot unbeachtlich.
142Vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08 (Carmen Media) -, juris; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 -, juris.
143Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des EuGH in der Sache „Zeturf“ (EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - Rs. C-212/08 -). Der Gerichtshof hat dort im Zusammenhang mit einem generellen Monopol für Pferdewetten in Frankreich zwar ausgeführt, dass eine Beschränkung der Tätigkeit der Wettannahme grundsätzlich unabhängig davon geprüft werden sollte, auf welchem Wege die Wetten abgeschlossen werden. Hat der nationale Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen online angebotenen Wetten und solchen, die über traditionelle Vertriebskanäle angeboten werden, nicht für erforderlich gehalten, und eine allgemeine Ausschließlichkeitsregelung für Pferdewetten vorgesehen, so kommt es für die unionsrechtliche Zulässigkeit auf den gesamten Markt für Pferdewetten an (Rn. 77). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der nationale Gesetzgeber hat vielmehr zwischen den verschiedenen Vertriebskanälen unterschieden, indem er (nur) einen - nämlich den Vertriebskanal Internet - generell verboten hat. Dem lag die Annahme zugrunde, dass Glücksspiele im Internet ein erheblich höheres Gefährdungspotential als traditionelle Vertriebskanäle haben und mit ihnen nicht austauschbar sind.
144Vgl. Erläuterungen zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland, in: Bayerischer Landtag Drs. 16/11995, S. 22.
145Insoweit hat auch der EuGH in dem genannten Urteil nochmals betont, dass der Absatz von Glücksspiel über das Internet gegenüber den klassischen Vertriebswegen andere und größere Gefahren in sich bergen kann (Rn. 78 ff.), und daran festgehalten, dass es dem einzelnen Mitgliedstaat obliege zu beurteilen, ob spezifische Gefahren des Glücksspielvertriebs im Internet besondere Beschränkungen dieses Vertriebswegs erfordern (Rn. 82 f.).
146So auch BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09 -, juris; OVG Saarland, Urteil vom 26. November 2013 - 3 A 106/12 -, juris.
147Hiervon ausgehend ist das Internetverbot in § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. kohärent. Das Verbot des Veranstaltens von Glücksspielen im Internet galt für alle unter den Glücksspielstaatsvertrag fallenden Glücksspiele und damit auch für die damals dem Staatsmonopol unterliegenden Glücksspiele. Die Regelung war demnach konsequent und in sich widerspruchsfrei an der Spielsucht- und Betrugsbekämpfung durch Internetglücksspiel ausgerichtet. Für die praktische Handhabung galt nichts anderes.
148Die Erreichbarkeit der verfolgten Ziele wurde auch nicht durch die Regelungen und deren praktische Anwendung im Bereich der Pferdewetten konterkariert. Auch Pferdewetten durften nicht über das Internet vertrieben werden.
149Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 ‑, juris; BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09 -, juris.
150Die nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz des Bundes erforderlichen Erlaubnisse durften Buchmachern nur für die Örtlichkeit erteilt werden, wo die Wetten entgegengenommen oder vermittelt werden. Eine solche örtlichkeitsbezogene Erlaubnis erstreckte sich nicht auf die Entgegennahme und Vermittlung von Pferderennwetten im oder über das Internet.
151Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. April 2012 ‑ 13 E 64/12 -, juris.
152Ein etwaiges Vollzugsdefizit im Bereich der Pferdewetten konterkarierte nicht die Eignung des Internetverbots im gesamten sonstigen Glücksspielbereich in der Vergangenheit, die mit ihm verfolgten Ziele zu erreichen. Gemessen am sonstigen Glücksspielbereich ist der Bereich der Pferdewetten so geringfügig gewesen, dass nennenswerte nachteilige Rückwirkungen auf den von Glücksspielstaatsvertrag geregelten Glücksspielmarkt praktisch auszuschließen gewesen sind.
153Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 ‑, juris, BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09 -, juris; Deiseroth, Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 -, jurisPR-BVerwG 17/2011 Anm. 6.
154Eine Inkohärenz ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus der - zeitweise - in Schleswig-Holstein erfolgten Liberalisierung des Glücksspielwesens. Zum 1. Januar 2012 trat dort das neue Glücksspielgesetz in Kraft. Danach ist ein Verbot des Veranstaltens öffentlicher Glücksspiele im Internet - so wie bisher - nicht mehr vorgesehen gewesen. Auch Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen oder im Internet ist danach grundsätzlich zulässig gewesen. Inzwischen ist am 9. Februar 2013 auch in Schleswig-Holstein der neue Glücksspielstaatsvertrag in Kraft getreten, der in 14 Bundesländern bereits seit dem 1. Juli 2012 und in Nordrhein-Westfalen seit dem 1. Dezember 2012 gilt.
155Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein Nr. 3 vom 7. Februar 2013, S. 51 ff.
156Gleichzeitig wurde das Glücksspielgesetz vom 1. Januar 2012 aufgehoben.
157Die zwischenzeitliche Liberalisierung des Glücksspiels - auch im Internet - galt daher im hier maßgeblichen Zeitraum (bis zum 10. Januar 2012) nur zehn Tage. Mangels einer tatsächlichen Umsetzung dieser Liberalisierung, etwa durch Erteilung von Erlaubnissen in diesem Zeitraum, lassen sich erhebliche Auswirkungen der schleswig-holsteinischen Regelungen auf die Verfolgung der Ziele des § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. im Hinblick auf die in allen übrigen Bundesländern geltenden Beschränkungen schon nicht feststellen.
158Im Übrigen hält der Senat auch in Ansehung des Berufungsvorbringens der Klägerin an seiner bereits im Beschluss vom 20. April 2012 - 13 E 64/12 - vertretenen Rechtsauffassung fest, dass die Rechtslage nach dem Glücksspielgesetz Schleswig-Holstein (GlSpielG SH) nicht zur Folge hatte, dass die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht (mehr) beitragen konnte und ihre Eignung zur Zielerreichung damit aufgehoben wurde. Von der Neuregelung in Schleswig-Holstein wurde nur ein relativ kleiner Anteil an der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland erfasst, da sie auf Spieler aus Schleswig-Holstein begrenzt war. Denn gemäß § 3 Abs. 9 Sätze 3 und 4 GlSpielG SH ist bei Online-Glücksspielen Ort des Vertriebs der Ort, wo der Spieler seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Damit besteht kein Anlass zu der Annahme, dass der durch das Internetverbot in der Mehrzahl der Bundesländer praktizierte Schutz vor den beschriebenen Internetgefahren seinen Sinn verloren hatte.
159Ferner kann das Unionsrecht nicht dazu führen, dass die in allen (übrigen) Bundesländern geltenden und im Übrigen unionsrechtskonformen Beschränkungen hinfällig werden und sämtliche Glücksspieltätigkeiten erlaubt sind, nur weil in einem (kleinen) Bundesland zeitweise ein liberalerer Regulierungsansatz verfolgt wird.
160Vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2013 - I ZR 171/10 -, juris; Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 9. Juli 2013 in der Rechtssache C-156/13, S. 9; s. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Dezember 2012 - 6 S 3335/11 -, juris.
161Die unterschiedliche Ausgestaltung des Glücksspielrechts ist Ausfluss der bundesstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, auf die die Union grundsätzlich Rücksicht zu nehmen hat, vgl. Art. 4 Abs. 2 EUV. Die interne Kompetenzordnung wird hier auch nicht als Rechtfertigung für die Verletzung unionsrechtlicher Verpflichtungen herangezogen. Vielmehr gebietet es die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit schon nicht, dass alle Bundesländer gleichförmige glücksspielrechtliche Regelungen erlassen.
162Vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2013 - I ZR 171/10 -, juris, und vom 30. Oktober 2013 - I ZR 203/12 -, juris; Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 9. Juli 2013 in der Rechtssache C-156/13, Rn. 15 ff.
163Von einer Vorlage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV sieht der Senat ab. Eine Verpflichtung zur Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht. Der Senat sieht auch keinen weiteren Klärungsbedarf.
164Für die Gültigkeit von § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. ist es weiterhin unerheblich, dass nunmehr nach dem GlüStV n. F., der in Nordrhein-Westfalen ab dem 1. Dezember 2012 gilt, das Veranstalten von Sportwetten im Internet abweichend vom generellen Internetverbot in § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. erlaubt werden kann (vgl. § 4 Abs. 5 GlüStV n. F.). Hieraus folgt nicht, dass die alte Regelung unverhältnismäßig gewesen ist. Wenn die Länder nach einer Evaluierung (vgl. § 27 GlüStV a. F.) zu dem Ergebnis kommen, dass zur Schaffung einer den Spielerschutz gewährleistenden Alternative,
165vgl. Landtag NRW, Gesetzentwurf der Landesregierung Gesetz zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag - Erster GlüÄndStV), LT Drs. 16/17, S. 40; Erläuterung zu § 4 des Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011, in: Bayerischer Landtag Drs. 16/11995, S. 22,
166unter bestimmten - engen - Voraussetzungen das Veranstalten von Sportwetten im Internet nicht den mit dem GlüStV a. F. verfolgten Zielen zuwiderläuft, so bewegt sich dies innerhalb ihres Beurteilungsspielraums.
167Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - Rs. C-212/08 (Zeturf) -, juris.
168Die Regelung in § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. ist auch erforderlich im unionsrechtlichen Sinne. Angesichts der mit dem Glücksspiel über das Internet einhergehenden Sucht- und Kriminalitätsgefahren und der konsequenten Ausrichtung des vom Land Nordrhein-Westfalen zu verantwortenden Glücksspielrechts an der Bekämpfung dieser Risiken ist es nicht zu beanstanden, wenn das Land im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz und des ihm einzuräumenden Bewertungsspielraums die Glücksspielmöglichkeit über das Internet und die Werbung hierfür generell verbietet. Eine gleich geeignete, die Glücksspieldienstleister aber weniger belastende Reglung ist nicht ersichtlich.
169Die Regelung verletzt schließlich nicht das Diskriminierungsverbot aus Art. 57 Abs. 3 AEUV. Denn das Verbot, Glücksspiel im Internet zu veranstalten, gilt unterschiedslos sowohl für in Deutschland als auch für in anderen Mitgliedsstaaten ansässige Wirtschaftsteilnehmer.
170Vgl. BVerwG, Urteile vom 1. Juni 2011 - 8 C 2.10 ‑, juris, und vom 24. November 2010 - 8 C 14.09. -, juris; Bay. VGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2009 - 10 CS 09.1184, 10 CS 09.1185 -, juris.
171bb) Das Veranstaltungsverbot für Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV a. F.) ist auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Veranstalter von Glücksspiel im Internet ist durch überragend wichtige Gemeinwohlziele, nämlich den Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren der Glücksspielsucht und vor der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität verfassungsrechtlich gerechtfertigt und insbesondere verhältnismäßig.
172Ausführlich hierzu BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 -, NVwZ 2008, 1338, m. w. N; BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 30/10 -, juris.
173Das Verbot der Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV a. F.) ist insbesondere zur Zweckerreichung geeignet. Durch die Beschneidung der Möglichkeiten des Internet-Glücksspiels werden die Umstände der Teilnahme für den Einzelnen erschwert und wird ihm der Vorgang des Spielens bewusster gemacht. Hierdurch kann einem Abgleiten in problematisches Spielverhalten entgegenwirkt werden. Darüber hinaus bestehen nach wie vor erhebliche Bedenken, ob sich bei einer Teilnahme an Glücksspielen per Internet der im Rahmen der Suchtprävention besonders wichtige Jugendschutz effektiv verwirklichen lässt.
174Vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 -; BVerfGE 115, 276, 315.
175Auch zur Vermeidung derartiger Präventionslücken ist das Internetverbot das geeignete Mittel.
176Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 ‑ 1 BvR 928/08 -, juris; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 -, juris; Bay.VGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2009 - 10 CS 09.1184, 10 CS 09.1185 -, juris.
177Die Eignung des Verbots nach § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Internet seinem Wesen nach grenzüberschreitend ist und die gesetzlichen Vorgaben angesichts der tatsächlichen Schwierigkeiten bei der ordnungsbehördlichen Kontrolle des Internets unter Umständen nicht in jedem Einzelfall umgesetzt werden können. Daraus kann die Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Bestimmungen schon deshalb nicht hergeleitet werden, weil sie jedenfalls einen maßgeblichen Beitrag zur Bekämpfung der Glücksspielsucht leisten können. Dies reicht für die Eignung aus. Zum einen ist davon auszugehen, dass sich seriöse Anbieter rechtstreu verhalten und dem Verbot Folge leisten werden. Zum anderen sind auch etwa erforderlich werdende Vollstreckungsmaßnahmen nicht von vornherein als aussichtslos einzuordnen. Den Ordnungsbehörden stehen neben den allgemeinen verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Möglichkeiten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 5 GlüStV a. F. durchaus wirkungsvolle Mittel zur Verfügung, um das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. durchzusetzen (z.B. die Inanspruchnahme der an der Zahlungsabwicklung beteiligten Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV a. F.).
178Vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 (Markus Stoß) -, juris; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 -, juris; Bay.VGH, Beschluss vom 22. Juli 2009 - 10 CS 09.1184 und 10 CS 09.1185 -, juris.
179Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist schließlich angemessen. Eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe führt zu dem Ergebnis, dass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist. Das in § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. verankerte Veranstaltungs- und Vermittlungsverbot für Glücksspiele im Internet ist angesichts des erheblichen Gefährdungspotenzials von Glücksspielen über das hier fragliche Medium nicht unangemessen. Wie bereits ausgeführt, können die Besonderheiten des Glücksspiels im Internet, namentlich dessen Bequemlichkeit und Abstraktheit, problematisches Spielverhalten in entscheidender Weise begünstigen. Deshalb dient der Ausschluss einer solchen Möglichkeit unmittelbar der Spielsuchtprävention und somit einem Gemeinwohlbelang von überragendem Rang, der auch einen derart schwerwiegenden Eingriff wie den vorliegenden zu rechtfertigen vermag.
180Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 ‑ 1 BvR 928/08 -, juris, m. w. N.
181c) Durch die Untersagungsverfügung wird von der Klägerin weder rechtlich oder tatsächlich Unmögliches (vgl. § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW) noch Unzumutbares verlangt. Der Klägerin wird die Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele im Internet untersagt. Die hierzu aufgegebenen Maßnahmen sind tatsächlich umsetzbar. Ein 100%-ig sicherer Ausschluss von Spielern aus Nordrhein-Westfalen ist von ihr nicht verlangt worden. Der Beklagte hat schon in seiner Verfügung deutlich gemacht, dass er die Klägerin schon dann nicht mehr als Veranstalterin von Internetglücksspiel in Nordrhein-Westfalen ansieht, wenn sie die in den Ziffern 1 bis 3 aufgeführten Maßnahmen (fristgerecht) umsetzt. Neben der gänzlichen Entfernung des Angebots aus dem Netz kommt hierfür - worauf der Beklagte in seiner Verfügung auch hingewiesen hat - das Verfahren der Geolokalisation ihrer Internetseite,
182vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2. Juli 2010 - 13 B 646/10 -, juris, und vom 8. Dezember 2009 - 13 B 958/09 -, juris,
183oder aber eine mehrstufige Verfahrensweise mit einem (auf Nordrhein-Westfalen bezogenen) Disclaimer, dem Einsatz der Geolokalisation und ggf. einer nachgeschalteten Handyortung oder Festnetzlokalisation in Betracht.
184Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Mai 2013 - 6 S 88/13 -, juris, und Beschluss vom 5. November 2007 - 6 S 2223/07 -, juris.
185Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass es sich bei der Geolokalisation um eine taugliche und technisch umsetzbare Methode zur Ermittlung des Aufenthalts der Besucher der Internetseite der Klägerin innerhalb oder außerhalb Nordrhein-Westfalens handelt.
186Vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 2. Juli 2010 ‑ 13 B 646/10 - und vom 8. Dezember 2009 - 13 B 958/09 - , juris, unter Hinweis auf TÜV Rheinland, Gutachten zum Thema Geolokalisation von IP-Hosts vom 12. August 2008 und Stellungnahme vom 22. April 2009, Hoeren, "Gutachten IP-Geolokalisation" vom 1. Oktober 2008 sowie "Geolokalisation und Glücksspielrecht" vom 24. April 2008 sowie zur Anwendung der Geolokalisationstechnologie: Bay. VGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2012 - 10 CS 11.1290 -; vom 19. Mai 2010, vom 12. März 2010 - 10 CS 09. 1734 -, juris und vom 22. November 2008 - 10 CS 08.2399 -, ZfWG 2008, 455 = NVwZ-RR 2009, 202; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Mai 2013 - 6 S 88/13 -, juris; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. März 2009 - 1 S 224.08 ‑, juris.
187Aus dem Gutachten von Prof. Dr. U. I. „Geolokalisation und Glücksspielrecht“ vom 24. April 2008 ergibt sich, dass es verschiedene technische Methoden gibt, Internetnutzer in einem bestimmten Bundesland zu orten. Zu diesem Zweck werden die sog. IP-Adressen (Internet-Protokoll-Adressen) ausgewertet, die Datenübertragungswege („routing“ / „tracing“) festgestellt und die Datenübertragungsgeschwindigkeiten („pings“) gemessen. Auf Geolokalisation spezialisierte Softwareunternehmen können mit Hilfe von Zusatzinformationen (Adressdatenbanken, Enttarnungsprogrammen etc.) in enorm hoher Geschwindigkeit in vielen Fällen den Standort eines Internetnutzers einem bestimmten Land zuordnen. Die von diesen Softwareunternehmen entwickelten Programme erlauben es, Internetnutzer in bestimmten Ländern mit einem auf sie zugeschnittenen Angebot zu versorgen oder sie von bestimmter Werbung auszuschließen. Diese „geo targeting“-Technologie wird etwa von Google verwendet, um den Kunden in den verschiedenen europäischen Ländern jeweils auf ihr Herkunftsland zugeschnittene Werbeangebote zu unterbreiten. Daher ist mit Hilfe dieser Technologie grundsätzlich auch eine räumliche Beschränkung von Online-Wettangeboten und Online-Werbung möglich. Ob ein Nutzer vom Bundesgebiet ins Internet geht oder nicht, kann danach mit 99%iger Trefferwahrscheinlichkeit bestimmt werden.
188Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Mai 2013 - 6 S 88/13 -, juris; Bay.VGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2012 - 10 CS 10.1682 -, juris, und vom 20. November 2008 ‑ 10 CS 08.2399 -, juris. |
Auf die konkrete Treffsicherheit kommt es hier ohnehin nicht an. Der Beklagte hat nur das verlangt, was durch eine Lokalisierung „nach dem Stand der Technik“ sichergestellt wird.
190Darüber hinaus wäre ein räumlich beschränktes Veranstaltungsverbot für die Klägerin auch dann nicht unzumutbar gewesen, wenn sie dieser Anordnung in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis zum 10. Januar 2012 nur durch eine vollständige - bundesweite - Sperrung bzw. Lokalisation aller Nutzer, die aus Deutschland auf das Online-Angebot zugreifen, hätte nachkommen können. Denn die Klägerin war - unabhängig von der Reichweite der nordrhein-westfälischen Untersagungsverfügung - ohnehin kraft Gesetzes gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. verpflichtet, das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet in ganz Deutschland zu unterlassen. Für Schleswig-Holstein galt keine Ausnahme, weil der Klägerin in dieser Zeit keine Erlaubnis zum Veranstalten von Onlineglücksspielen erteilt worden ist. Auf die Frage der technischen Realisierbarkeit einer territorial auf Nordrhein-Westfalen beschränkten Internet-Vertriebs-Abschaltung kommt es damit - jedenfalls unter der Geltung des GlüStV a. F. - nicht an.
191Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 ‑, juris; OVG NRW, Beschluss vom 22. Februar 2008 - 13 B 1215/07 -, juris; Bay.VGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - 10 CS 11.1290 ‑, juris.
192Die geltend gemachten datenschutzrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Methode der Geolokalisation teilt der Senat nicht. Soweit bei der Anwendung der Geolokalisationstechnologie Daten der Internetnutzer verwendet werden, werden datenschutzrechtliche Vorschriften (wie etwa solche des TMG oder BDSG) nicht verletzt. Bei der Geolokalisation werden personenbezogene Daten nicht unzulässig erhoben oder verwendet; sie werden insbesondere weder gespeichert, verändert noch übermittelt (vgl. §§ 12 TMG, 28 Abs. 1 BDSG), sondern allein für die jeweils aktuelle Internetkommunikation benötigt (vgl. §§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 TMG). Für die Anwendung der Geolokalisationstechnologie ist die Verwendung der IP-Adressen der jeweiligen Nutzer notwendig. Diese sind Voraussetzung für jede erfolgreiche Kommunikation im Internet. Die Verbindungsaufnahme erfolgt mit der IP-Adresse des Nutzers (diese entspricht der "Telefonnummer des Anrufers"). Die Abfrage der Geolokalisation geschieht durch "Verwerfen" der IP-Adresse (wie etwa bei der Nichtannahme eines Telefonanrufs mit einer bestimmten Telefonnummer). Eine Speicherung oder ein sonstiger Vorgang von datenschutzrechtlicher Bedeutung wird durch die Geolokalisation damit von vornherein nicht ausgelöst. Der mit der "Verwerfung" der IP-Adresse verbundene Ausschluss der Nutzung durch den Aufrufenden war zur Wahrung des berechtigten Interesses des Internetglücksspielanbieters erforderlich (vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG). Denn die Annahme einer Verbindung eines Aufrufs aus Nordrhein-Westfalen durch den Veranstalter von Online-Glücksspiel verstieß gegen das in § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. vorgegebene Veranstaltungsverbot.
193II. Die angefochtene Untersagungsverfügung des Beklagten vom 3. Juni 2008 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. August 2008 und 22. Mai 2009 ist ebenfalls rechtmäßig, soweit sie Wirkung ex nunc beansprucht.
194Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung als Dauerverwaltungsakt beurteilt sich - soweit es um seine Regelungswirkung für die Gegenwart und Zukunft geht - nach der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Rechtslage. Rechtsgrundlage ist § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GlüStV in der Fassung des Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag - GlüStV n. F.) in der in Nordrhein-Westfalen seit dem 1. Dezember 2012 geltenden Fassung i. V. m. §§ 1 ff. des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags (Ausführungsgesetz NRW Glücksspielstaatsvertrag - AG GlüStV NRW) vom 13. November 2012.
1951. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Nr. 3 GlüStV n. F. liegen vor. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV n. F. kann die zuständige Behörde des jeweiligen Landes - das ist hier gemäß §§ 19 Abs. 3, 20 Abs. 2 GlüStV AG NRW n. F. die Bezirksregierung E. - die erforderlichen Anordnungen erlassen, um darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Sie kann insbesondere gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV n. F. die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Bei den von der Klägerin im Internet angebotenen Sportwetten und sonstigen Onlinespielen handelt es sich um Glücksspiele im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV n. F., da bei ihnen für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Das Veranstalten der Glücksspiele ist zudem unerlaubt, weil das Veranstalten sonstigen Glücksspiels im Internet nach wie vor verboten ist und die Klägerin (derzeit) nicht über die nach § 4 Abs. 1 GlüStV n. F. erforderliche Erlaubnis für die Veranstaltung von Glücksspielen in Nordrhein-Westfalen verfügt.
196Die ihr am 19. Dezember 2012 durch das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein erteilte Genehmigung berechtigt die Klägerin nicht, in Nordrhein-Westfalen Glücksspiele zu veranstalten.
197Der Erlaubnisvorbehalt in § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV n. F. ist anwendbar. Er war schon in seiner alten Fassung verfassungs- und unionsrechtskonform und bestand unabhängig von der Anwendbarkeit des Sportwettenmonopols. Für die aktuelle Rechtslage gilt nichts anderes. Zusammen mit einem Konzessionsverfahren kann ein Erlaubnisvorbehalt zulässig sein, um die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel zu kontrollieren, der Ausnutzung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen.
198Vgl. EuGH, Urteile vom 12. September 2013 - Rs. C-660/11 und 8/12 (Biasci) -, juris, vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 - und - C-209/11 -, (Stanleybet u.a.), juris, vom 24. März 1994 - Rs. C-275/92 (Schindler) -, Slg. 1994, I-1039, Rn. 61, vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04 (Placanica) -, Slg. 2007, I-1891, Rn. 48, vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01(Gam-belli) -, Slg. 2003, I-13031, Rn. 63, vom 8. September 2009 - Rs. C-42/07 (Liga Portuguesa) -, Rn. 57 ff., vom 3. Juni 2010 - Rs. C-203/08 (Betfair) -, Rn. 30 ff., vom 8. Juli 2010 - Rs. C-447 u. 448/08 (Sjöberg) -, Rn. 42 f., und vom 8. September 2010 ‑ Rs. C-316/07 u.a. (Markus Stoß u.a.) -, Rn. 76 ff.; BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris, und vom 20. Juni 2013 - 8 C 17.12 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. November 2013 ‑ 3 M 244/13 -, juris.
1992. Das dem Beklagten durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV n. F. eröffnete Ermessen ist zu Lasten der Klägerin dahingehend reduziert, dass zwingend das Veranstalten des öffentlichen Glücksspiels im Internet untersagt werden muss (a). Jedenfalls lässt § 40 VwVfG NRW eine Ermessensausübung im Sinne der hier verfügten Untersagung zu (b).
200a) Eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich aus § 284 Abs. 1 StGB, weil die Klägerin öffentliche Glücksspiele ohne Erlaubnis der dafür zuständigen Behörde in Nordrhein-Westfalen veranstaltet und damit den objektiven Straftatbestand verwirklicht. Dieser Umstand verengt den Ermessensspielraum des Beklagten auf die verfügte Untersagung, weil der Erlaubnisvorbehalt anwendbar ist und der Klägerin das Fehlen der Erlaubnis auch entgegengehalten werden kann.
201Vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 ‑ 8 C 17.12 -, juris, und - 8 C 39.12 -, juris.
202aa) Das sonstige Glücksspiel, das die Klägerin neben den Sportwetten im Internet anbietet, ist weiterhin offensichtlich nicht erlaubnisfähig, weil es gegen das - generelle - Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV n. F. verstößt (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) AG GlüStV NRW n. F.). Die Erlaubnismöglichkeit nach § 4 Abs. 5 GlüStV n. F. besteht hierfür nicht. Die Beschränkung in § 4 Abs. 4 GlüStV n. F. ist - wie die wortgleiche Vorgängerregelung in § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. - ihrerseits unionsrechts- und verfassungskonform.
203Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 4.10 ‑, juris; BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 93/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Mai 2013 - 6 S 88/13 -, juris.
204Dass nunmehr nach § 4 Abs. 5 GlüStV n. F. der Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet erlaubt werden können, führt nicht zur Inkohärenz des § 4 Abs. 4 GlüStV n. F. Die Liberalisierung betrifft mit Lotterien und Sportwetten Glücksspiele, die als weniger gefährlich gelten als etwa Automaten- und Casinospiele,
205vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Mai 2013 - 6 S 88/13 -, juris; Windoffer, GewArch 2012, 388 (390),
206dient der „besseren Erreichung der Ziele des § 1“ (GlüStV n. F.) und knüpft die Erlaubniserteilung an strenge Voraussetzungen.
207Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 ‑ 1 BvR 928/08 -, juris (zur Übergangsregelung des § 25 Abs. 6 GlüStV a. F.)
208Eine Inkohärenz ergibt sich auch nicht daraus, dass in Schleswig-Holstein in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 8. Februar 2013 abweichende Regelungen galten. Dieser Umstand betrifft allein die Vergangenheit und ließ - wie ausgeführt - schon dort die Geeignetheit des Internetverbots nicht entfallen. Dass die nach dem schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetz vom 20. Oktober 2011 erteilten Genehmigungen für die Veranstaltung und den Vertrieb von Online-Casinospielen und Sportwettenlizenzen trotz Aufhebung des Glücksspielgesetzes im Übrigen für sechs Jahre weitergelten (vgl. Art. 4 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Gesetze in Verbindung mit §§ 4 Abs. 3, 19, 22 GlSpielG SH), führt gegenwärtig ebenfalls nicht dazu, dass das Internetverbot zur Erreichung der mit ihm verfolgten Ziele nicht beitragen kann. Abgesehen davon, dass sie auf Schleswig-Holstein begrenzt sind, wären sie als vorübergehende „Fehlentwicklung“ unionsrechtlich hinnehmbar.
209bb) Auch hinsichtlich des Angebots von Sportwetten kann der Klägerin das Fehlen der Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV n. F. entgegengehalten werden. Dies folgt allerdings nicht mehr allein aus dem Umstand, dass gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV n. F. das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet (ohnehin) verboten wäre. Vom Internetverbot kann nunmehr nach § 4 Abs. 5 GlüStV n. F. dispensiert werden. Für die Inhaber einer Konzession für Sportwetten wird das Internetverbot nach Maßgabe des § 10a Abs. 4 Satz 1 und 2 GlüStV n. F. entsprechend gelockert.
210Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12. -, juris, m. w. N.
211Über eine Sportwettenkonzession verfügt die Klägerin aber nicht, was ihr auch entgegengehalten werden kann. Die Erlangung der erforderlichen Erlaubnis ist nicht rechtlich oder faktisch unmöglich. Die Veranstalter und Vermittler von Sportwetten können nunmehr nach §§ 4 ff. GlüStV n. F. eine Erlaubnis erhalten. Gemäß § 10a GlüStV n. F. dürfen Sportwetten für einen Zeitraum von sieben Jahren ab Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags nur mit einer Konzession (§§ 4a bis 4e) veranstaltet werden. Die Klägerin nimmt auch am laufenden Konzessionsverfahren in Hessen teil.
212Die normative Ausgestaltung des Konzessionserteilungsverfahrens in den §§ 4a bis 4e GlüStV n. F. bietet eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Durchführung des Erlaubnisverfahrens und ist unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Als eine die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV beschränkende Regelung genügt der Erlaubnisvorbehalt nur dann den Anforderungen dieser Bestimmung, wenn das Erlaubnisverfahren auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht, die der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden zum Schutz vor willkürlichen Entscheidungen hinreichende Grenzen setzen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Transparenzgebot sind zu beachten. Zudem muss jedem, der von einer auf einem solchen Eingriff beruhenden Maßnahme betroffen ist, ein wirkungsvoller Rechtsweg offenstehen.
213Vgl. EuGH, Urteile vom 3. Juni 2010 - Rs. C-203/08 (Sporting Exchange) -, juris, vom 9. September 2010 - Rs. C-64/08 (Engelmann) -, juris, vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08 (Carmen Media) -, juris, vom 16. Februar 2012 - Rs. C-72/10 (Costa und Cifone) -, juris, und vom 24. Januar 2013 - Rs C-186/11 (Stanleybet) -, juris.
214Diesen Anforderungen wird durch die im Rahmen des GlüStV n. F. gemäß der Richtlinie 98/34/EG, geändert durch Richtlinie 98/48/EG, notifizierten §§ 4a bis 4e GlüStV n. F., insbesondere durch das in § 4b GlüStV n. F. geregelte Verfahren, Rechnung getragen.
215Vgl. Stellungnahmen der EU-Kommission vom 18. Juli 2011 – C(2011) 5319 – und vom 20. März 2012 – 2011/0188/D – zur Notifizierung des Glücksspieländerungsstaatsvertrags.
216Nach § 4b Abs. 1 Satz 1 GlüStV n. F. wird die Konzession nach Aufruf zur Bewerbung und Durchführung eines transparenten, diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens erteilt. Danach ist die Konzession unter Beachtung der Erfordernisse, die sich aus Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) ergeben, zu erteilen.
217Vgl. Bayerischer Landtag, Drs. 16/11995, S. 24; Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 4b GlüStV Rn. 6.
218Die in den §§ 4a bis 4e GlüStV n. F. geregelten Anforderungen ermöglichen eine präventive Prüfung insbesondere der für die Wetttätigkeit erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit und der Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes (vgl. § 4a Abs. 4 GlüStV n. F.). Insgesamt ist die rechtliche Ausgestaltung des Konzessionsverfahrens hinreichend bestimmt, transparent und nicht diskriminierend (vgl. § 4b GlüStV n. F.). Ob das Konzessionsverfahren beim Innenministerium des Landes Hessen nach diesen Kriterien verläuft bzw. ob eine auf dieser Grundlage erteilte bzw. abgelehnte Konzessionsentscheidung rechtmäßig ist, kann der Bewerber gerichtlich überprüfen lassen.
219Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 4b GlüStV Rn. 8.
220Die von der Klägerin vorgebrachten Einwände gegen die tatsächliche Durchführung des Verfahrens durch das hessische Innenministerium betreffen in diesem Sinne allein die Rechtmäßigkeit einer zukünftigen Konzessionsentscheidung, wenn diese nicht entsprechend der gesetzlichen (Verfahrens-)Vorgaben im GlüStV n. F. ergangen ist.
221Aus verfassungs- und unionsrechtlicher Sicht genügt es, dass eine grundrechts- und grundfreiheitskonforme Anwendung der Vorschriften mit der Folge einer Erlaubniserteilung an private Anbieter und der Vermittler - wie hier - möglich ist und dass diesen gegen etwa rechtsfehlerhafte Ablehnungsentscheidungen effektiver gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung steht.
222Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris.
223Entgegen der Auffassung der Klägerin führt auch die - aus ihrer Sicht überlange - Dauer des Konzessionsverfahrens beim hessischen Innenministerium nicht dazu, dass anzunehmen wäre, die Erlangung einer Konzession sei unmöglich. Die Verfahrensdauer begründet nicht die Annahme systematischer Rechtsmängel der normativen Ausgestaltung des Konzessionsverfahrens. Sie kann sich auch daraus ergeben, dass bislang alle Bewerber die Erteilungsvoraussetzungen in § 4a GlüStV n. F. nicht erfüllen und die Möglichkeit einer Nachbesserung ihrer Bewerbung erhalten sollen. Zudem kann die Klägerin Verzögerungs- bzw. Untätigkeitsrügen gerichtlich - im Wege einer Untätigkeitsklage oder eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO - geltend machen, so dass dem Bewerber hiergegen Rechtsschutz zur Verfügung steht.
224Vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 19. Dezember 2013 ‑ 5 K 1244/12. WI -, juris, und Beschluss vom 20. Dezember 2013 - 5 L 970/13.Wi -, juris.
225Dass in der Zwischenzeit der staatliche Lottoblock nach § 29 Abs. 1 Satz 3 GlüStV n. F. den Wettbetrieb aufrechterhält, verpflichtet den Beklagten ebenfalls nicht, von der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts abzusehen. § 29 Abs. 1 Satz 3 GlüStV n. F. ist eine Übergangsregelung. Es wird auch nicht etwa ein unionsrechtswidriges Monopol während der Überlegungen zur Reform der Glücksspielregulierung fortgeführt. Der Gesetzgeber hat die Regelungen vielmehr reformiert und sich für eine begrenzte Liberalisierung entschieden. Er hat das Glücksspiel nicht gänzlich freigegeben, sondern sich aus Gründen der Gefahrenabwehr für ein Konzessionsverfahren entschieden, in dessen Übergangszeit (bis zu einem Jahr nach dessen Abschluss) das staatliche Wettangebot aufrechterhalten wird. So verlangt auch das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle.
226Vgl. EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/112 u.a. Stanleybet -, juris; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris.
227Hinzu kommt, dass - anders als bei den terrestrischen Angeboten in den Wettbüros - das Glücksspielangebot im Internet schon in der Vergangenheit wegen des Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. aus monopolunabhängigen Gründen für alle Anbieter nicht erlaubnisfähig gewesen ist. Einen Anspruch auf vorübergehende Duldung dieser unerlaubten - hier in der Vergangenheit auch nicht erlaubnisfähigen - Tätigkeit ohne nähere Prüfung und unter Hinnahme strafrechtlicher Verstöße vermittelt das Unionsrecht auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung nicht.
228Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris; anders zu den Wettbüros: OVG NRW, Beschluss vom 20. Dezember 2013 - 4 B 574/13 -; OVG Saarland, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - 3 B 268/12 -, juris; VG Hamburg, Beschluss vom 29. April 2013 - 4 E 331/12 -.
229Der Erlass einer auf das Fehlen der erforderlichen Erlaubnis gestützten Untersagungsverfügung scheidet auch nicht deshalb aus, weil die materielle Erlaubnisfähigkeit der Veranstaltungstätigkeit dem Grunde nach offensichtlich gegeben ist oder aber mit Nebenbestimmungen gesichert werden könnte, so dass die Erlaubnis sogleich erteilt werden müsste.
230Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 8 C 39.12 ‑, juris, vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris, und vom 24. November 2010 - 8 C 13.09 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 21. Februar 2012 - 4 A 2847/08 -, juris; Sächs. OVG Beschluss vom 4. Januar 2011 - 3 B 507/09 -, juris.
231Für den Beklagten ist ein Erlaubnisanspruch der Klägerin für ihr Sportwettenangebot im Internet nicht offensichtlich, d. h. ohne weitere Prüfung erkennbar. Es hätte zumindest einer weiteren Prüfung bedurft, ob die Klägerin die persönlichen und sachlichen Erlaubnisvoraussetzungen nach § 4a Abs. 4 GlüStV n. F. erfüllt, da sie im Internet auch unzulässige Live-Wetten (§ 21 Abs. 4 GlüStV n. F.) und Casinospiele (§ 4 Abs. 4 GlüStV n. F.) anbietet. Eine nähere Prüfung der Erlaubnisfähigkeit kann die Bezirksregierung E. auch nicht vornehmen, weil nicht das beklagte Land, sondern gemäß § 9a Abs. 2 Nr. 3 GlüStV n. F. das Land Hessen für die Erteilung der Konzessionen und damit auch für die Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen zuständig ist. Dass die Klägerin nach ihren Angaben die zweite Stufe des Konzessionsverfahrens erreicht hat und zudem am 19. Dezember 2012 eine Genehmigung für die Veranstaltung von Onlinecasinospielen durch das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein erhalten hat, belegt nicht die offensichtliche Erlaubnisfähigkeit ihres derzeitigen Internetangebots in Nordrhein-Westfalen. Aber auch wenn von der materiellen Erlaubnisfähigkeit auszugehen wäre, könnte ihr das Fehlen der Erlaubnis entgegengehalten werden. Es ist völlig ungewiss, ob die Klägerin eine Konzession erhält, da die Höchstzahl der Konzessionen für Sportwetten gemäß § 10a Abs. 3 GlüStV n. F. auf 20 begrenzt ist.
232b) Selbst wenn man keine Ermessensreduzierung auf Null annimmt, ist die Untersagungsverfügung derzeit rechtmäßig.
233Die Begründung der Untersagung im Bescheid vom 3. Juni 2008 ist allerdings ermessensfehlerhaft. Sie trägt die Verfügung nicht (mehr), weil es das von der Bezirksregierung E. angeführte (generelle) Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. so nicht mehr gibt. Diese Begründung hat die Bezirksregierung E. aber im Hinblick auf die neue Rechtslage in formell ordnungsgemäßer Weise durch Gesichtspunkte ergänzt, die das Wesen des Verwaltungsakts nicht verändern und materiell nicht zu beanstanden sind. Ob ein Nachschieben von Ermessenserwägungen zulässig ist, bestimmt sich nach dem materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht. § 114 Satz 2 VwGO regelt lediglich, unter welchen Voraussetzungen veränderte Ermessungserwägungen im Prozess zu berücksichtigen sind.
234Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 -, juris.
235aa) Das Nachschieben der Ermessenserwägungen genügt den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes des § 37 VwVfG NRW. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden. Wird die Änderung erst in einem laufenden Verwaltungsprozess erklärt, so muss die Behörde unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst. Außerdem muss deutlich werden, welche der bisherigen Erwägungen weiterhin aufrechterhalten und welche durch die neuen Erwägungen gegenstandslos werden. Andernfalls wäre dem Betroffenen keine sachgemäße Rechtsverteidigung möglich.
236Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 -, juris, und vom 13. Dezember 2011 - 1 C 14.10 -, juris.
237Das Vorbringen des Beklagten genügt diesen Anforderungen. Der Beklagte hat in seinem Schriftsatz vom 30. Januar 2014 ausdrücklich erklärt, die Untersagungsverfügung nunmehr auch ergänzend auf die neuen Vorschriften des GlüStV, auf den Erlaubnisvorbehalt aus § 4 Abs. 1 GlüStV n. F.- wobei kein offensichtlicher Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis vorliege - und auf das Internetverbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV n. F. zu stützen. Hieraus wird hinreichend deutlich, dass es um die Ergänzung der Begründung des Verwaltungsakts selbst geht und nicht nur um ein prozessuales Verteidigungsvorbringen des Beklagten. Einer Erklärung, welche Erklärungen in der „alten“ Verfügung damit gegenstandslos werden, bedurfte es nicht, weil es hier um die Anpassung der Verfügung an die nunmehr geltende Rechtslage ging. Der Beklagte musste auch nicht näher eingrenzen, ob die Verfügung auch für zurückliegende Zeiträume auf die neuen Vorschriften gestützt wird, was die Klägerin in ihrer Rechtsverteidigung erheblich beeinträchtigen könnte. Denn unter der Geltung des GlüStV n. F. sind vorliegend keine in der Vergangenheit liegenden Zeiträume streitgegenständlich.
238bb) Mit diesen nachträglichen Erwägungen wird auch nicht das Wesen des Verwaltungsakts verändert. Neue Gründe für einen Verwaltungsakt dürfen nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht nur nachgeschoben werden, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird. Der Austausch wesentlicher Ermessenserwägungen kann zulässig sein, soweit die Begründung der glücksspielrechtlichen Untersagung (nur) für die Zukunft geändert wird. Als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung muss eine solche Untersagung einer Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung tragen. Sie ist deshalb auf eine Anpassung an jeweils neue Umstände angelegt und wird dadurch nicht zwangsläufig in ihrem Wesen verändert. So wie die Behörde die Untersagung mit neuer Begründung neu erlassen könnte, kann sie das Verbot auch mit geänderter Begründung für die Zukunft aufrechterhalten.
239Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 -, juris, mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung; Posser/Wolf, VwGO, Kommentar, 2. Auflage 2014, § 114 VwGO Rn. 40 ff. ; Wolf, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, Kommentar, 3. Auflage 2010, § 114 Rn. 205.
240Hiervon ausgehend ist eine Wesensänderung zu verneinen. Die Bezirksregierung E. hat die Begründung des Verwaltungsakts, der immer noch auf dasselbe Ziel wie in der Vergangenheit gerichtet ist, lediglich durch materiell-rechtliche Gründe ergänzt, die bereits bei seinem Erlass am 3. Juni 2008 angelegt waren. Die Untersagung dient nach wie vor im Hinblick auf den Verstoß gegen strafrechtliche Vorschriften der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts in § 4 Abs. 1 GlüStV n. F. - damit der Gefahrenabwehr - und nicht etwa des unionsrechtswidrigen Sportwettenmonopols. Schon bei Erlass hatte die Bezirksregierung E. mit dem Hinweis auf § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. auf die fehlende materielle Erlaubnisfähigkeit abgestellt. Diese Begründung hat sie dadurch ergänzt, dass auch jetzt keine offensichtliche Erlaubnisfähigkeit gegeben ist. Die Rechtsverteidigung der Klägerin wird hierdurch nicht beeinträchtigt, da die Ergänzung (nur) die glücksspielrechtliche Untersagung mit Wirkung ex nunc betrifft.
241cc) Die vom Beklagten angeführte formelle Illegalität der Veranstaltung von öffentlichem Glücksspiel im Internet durch die Klägerin und deren fehlende offensichtliche Erlaubnisfähigkeit rechtfertigen die durch ihn verfügte Untersagung. Die Bezirksregierung E. überschreitet damit nicht die Rechtsgrenzen des Ermessens (§ 40 VwVfG NRW).
242Das Verhältnismäßigkeitsgebot verpflichtet den Beklagten nicht, von einer Untersagung abzusehen und die formell illegale Tätigkeit bis zur Klärung ihrer Erlaubnisfähigkeit zu dulden. Das wäre nur anzunehmen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt und dies für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar ist. Dann ist die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich. Verbleibende Unklarheiten oder Zweifel an der Erfüllung der nicht monopolabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen rechtfertigen dagegen ein Einschreiten. In diesem Fall ist die Untersagung notwendig, die Klärung im Erlaubnisverfahren zu sichern und zu verhindern, dass durch die unerlaubte Tätigkeit vollendete Tatsachen geschaffen und ungeprüfte Gefahren verwirklicht werden. Die Durchsetzbarkeit des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts ist also nicht auf Fälle beschränkt, in denen bereits feststeht, dass die materielle Erlaubnisfähigkeit endgültig und unbehebbar fehlt.
243Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris.
244Aus den bereits ausgeführten Gründen fehlt es hier an einer offensichtlichen Erlaubnisfähigkeit bzw. kann nicht mit Sicherheit angenommen werden, dass der Klägerin in Hessen eine Konzession erteilt wird.
245Auch die unionsgerichtliche Rechtsprechung schließt eine ordnungsrechtliche präventive Untersagung bis zur Klärung der - monopolunabhängigen - Erlaubnisfähigkeit bzw. bis zum Abschluss des Konzessionsverfahrens nicht aus.
246Der Beklagte überschreitet zudem mit seinem Festhalten an der „alten“ Untersagungsverfügung nicht mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG sein Untersagungsermessen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es, dass die zuständige Behörde bei Erlass von glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügungen in gleichgelagerten Fällen ebenfalls einschreitet; sie darf jedenfalls nicht unterschiedlich, systemwidrig oder planlos vorgehen. Soweit sie anlassbezogen einschreitet und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränkt, muss sie hierfür sachliche Gründe angeben.
247Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Februar 1992 ‑ 7 B 106.91-, juris; Bay.VGH, Urteil vom 26. Juni 2012 - 10 BV 09.2259 -, juris.
248Ansonsten würde sie willkürlich in die Berufs- und Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Internetunternehmen eingreifen.
249Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Mai 2013 - 6 S 88/13 - , juris.
250Der Beklagte schreitet zwar aktuell gegen andere Sportwettenveranstalter im Internet nicht ein. Gleichwohl liegt hierin kein strukturelles Vollzugsdefizit, das seinem Festhalten an der Untersagungsverfügung gegenüber der Klägerin entgegenstünde. Der Beklagte ist mit den bereits ergangenen Untersagungsverfügungen nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung gegen alle ihm derzeit bekannten Veranstalter von Sportwetten im Internet vorgegangen, während die staatlichen Anbieter keine Sportwetten im Internet veranstalten. Ferner unterscheiden sich etwaige „Neufälle“ auch von den bereits bei Gericht anhängigen „Altfällen“, zu denen auch das vorliegende Verfahren zu zählen ist: Aufgrund der derzeit unsicheren Rechtslage ist es aus Sicht der Behörde sachgerecht, diese zunächst im Rahmen der bereits anhängigen Gerichtsverfahren klären zu lassen, bevor etwaige weitere Veranstalter ermittelt und neue Untersagungsverfügungen ausgesprochen werden. Auch weil sich einige davon durch die Erteilung einer Sportwettenkonzession erledigen werden, ist es nicht sachwidrig, den Ausgang des Konzessionsverfahrens abzuwarten, bevor neue Untersagungsverfügungen ergehen.
251Die Untersagung des Beklagten ist im Übrigen geeignet, notwendig und auch angemessen, um die Klärung der Erlaubnisfähigkeit im Konzessionsverfahren zu sichern und zu verhindern, dass durch die formell illegale Tätigkeit objektive Straftatbestände und ungeprüfte Gefahren verwirklicht werden. Als milderes Mittel kommt eine Duldung unter Nebenbestimmungen nicht in Betracht, da die Glücksspielveranstaltung im Internet gerade nicht offensichtlich erlaubnisfähig ist.
252c) Letztlich wird mit der Untersagungsverfügung des Beklagten - soweit es um die Regelungswirkung für die Gegenwart und Zukunft geht - von der Klägerin nicht etwas rechtlich oder tatsächlich Unmögliches gefordert. Die Klägerin hat zwar seit dem 19. Dezember 2012 eine Genehmigung des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein für die Veranstaltung von Onlinecasinospielen, so dass ihr eine bundesweite Sperrung aller Nutzer, die aus Deutschland auf ihr Onlineangebot zugreifen, nicht zumutbar sein dürfte. Sie kann aber die Geolokalisation ‑ wie bereits ausgeführt - auf Nordrhein-Westfalen beschränken, selbst wenn dann die Treffsicherheit nicht mehr so hoch sein sollte. Zudem werden die von der Klägerin geltend gemachten Ungenauigkeiten insbesondere in den Grenzbereichen der einzelnen Bundesländer bestehen. Nutzer aus Schleswig-Holstein wären hiervon nicht betroffen, so dass eine Sperrung dieser an sich berechtigten Spieler aufgrund technischer Ungenauigkeiten in Grenzgebieten zu Nordrhein-Westfalen ausgeschlossen werden kann.
253Die Rechtmäßigkeit der Fristsetzung in Ziffer 4 und der Gebührenfestsetzung in Ziffer 6 der Verfügung vom 3. Juni 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Mai 2009 unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 der Verfügung ist nicht mehr streitgegenständlich, nachdem der Beklagte diese mit Bescheid vom 13. August 2008 aufgehoben hat.
254Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
255Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
256Die Revision ist zuzulassen, soweit die Klage auf Aufhebung der Bescheide mit Wirkung ex nunc gerichtet ist. Insoweit sind die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Gründe
I.
- 1
Die Klägerin, eine Gesellschaft nach englischem Recht mit Sitz in A-Stadt, wendet sich gegen die Untersagung der Vermittlung von Glücksspielen über die von ihr betriebene Internetseite. Auf der Grundlage einer Genehmigung der G. vom 06. August 2010 vermittelt sie Glücksspiele der Gesellschaft M.. Dabei handelt es sich um Wetten von Spielteilnehmern auf den Ausgang der Ziehung von Gewinnzahlen der von den Mitgliedern des Deutschen Lotto- und Totoblocks veranstalteten Lotterien „Lotto 6 aus 49“, „Spiel 77“, „Super 6“, „Glücksspirale“, „Keno“ und „Plus 5“, der von der spanischen Staatslotterie veranstalteten „Loteria de Navidad“, der von ihr und europäischen Partnerlotterien veranstalteten Lotterie „Euromillones“ und der von europäischen Lotterien veranstalteten Lotterie „Eurojackpot“. Ferner vermittelt die Klägerin die Teilnahme an von M. veranstalteten virtuellen „Rubbellos-Spielen“.
- 2
Die Klägerin beabsichtigte darüber hinaus ursprünglich, ihre Geschäftstätigkeit um die gewerbliche Vermittlung zum Spiel staatlicher Lotteriegesellschaften, etwa „Lotto 6 aus 49“ mit Zusatzlotterien, „Spiel 77“, „Super Sechs“, Glücksspirale“, „ARD-Fernsehlotterie“, „Norddeutsche Klassenlotterie“ und „Süddeutsche Klassenlotterie“ sowie von Lotteriegesellschaften veranstalteten staatlichen Glücksspielen „ODDSET“, „Sportwette“, „Keno“ und „Rubbellose“ zu erweitern. Die Erteilung der hierfür beantragten Erlaubnis lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 02. April 2009 ab. Auf die dagegen erhobene Klage stellte das Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 11. November 2010 – 3 A 156/09 HAL – unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 02. April 2009 fest, dass die Klägerin für die beantragte Tätigkeit keiner Erlaubnis bedürfe. Die Klägerin dürfe auch ohne Genehmigung staatlich zugelassene Glücksspiele vermitteln, weil die entgegenstehenden Regelungen im Glücksspielgesetz und im Glücksspielstaatsvertrag 2008 wegen des Vorrangs der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit unanwendbar seien. Die dagegen eingelegte Berufung nahm der Beklagte zurück.
- 3
Bereits mit Bescheid vom 07. August 2010 untersagte der Beklagte der Klägerin, über die von ihr betriebene Internetseite (...) die Beteiligung an den dort aufrufbaren Angeboten an Glücksspielen – insbesondere als gewerbliche Organisatorin von Lotterie-Spielgemeinschaften – zu vermitteln, zum Abschluss entsprechender Verträge aufzufordern, auf der Internetseite für Glücksspiele zu werben und werben zu lassen und drohte für den Fall, dass die Klägerin die angeordneten Maßnahmen nicht binnen vier Wochen ab Zustellung umsetze, ein Zwangsgeld i. H. v. 50.000,- € an. Er führte zur Begründung aus, die Klägerin biete über das Internet auch in Sachsen-Anhalt die Beteiligung an Glücksspielen (u.a. Lotto 6 aus 49, Spiel 77, Super 6, Glücks-Spirale) zu festen Gewinnquoten an. Nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterbreite sie ein Vermittlungsangebot. Eine von den zuständigen Behörden des Landes Sachseen-Anhalt erteilte Erlaubnis für die Vermittlung und die Bewerbung von Glücksspielen habe die Klägerin nicht. Ausländische Erlaubnisse besäßen in der Bundesrepublik keine Gültigkeit. Die Klägerin erfülle auch nicht die nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2007 notwendigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Vermittlungserlaubnis, weil das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet nicht erlaubnisfähig sei. Zudem fehle es an der für die Erteilung der Erlaubnis notwendigen Zuverlässigkeit, weil sie verbotswidrig Glücksspiele über das Internet vermittle und verbotswidrig für verbotenes Glücksspiel und verbotswidrig im Internet für öffentliches Glücksspiel geworben habe. Wegen dieser Verstöße sei eine Untersagung geboten, weil eine Duldung den Zielen einer wirksamen Begrenzung des Glücksspielangebots und des Schutzes vor den vom Glücksspiel ausgehenden Gefahren zuwiderlaufe und zudem die Gefahr der Nachahmung in sich berge. Abgesehen davon handele es sich bei den Verstößen zugleich um Straftaten. Wie die Klägerin dem auf das Land Sachsen-Anhalt beschränkten Verbot Rechnung trage, sei ihr überlassen. Es sei ihre Sache, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Internetangebot in Sachsen-Anhalt etwa durch die vollständige Einstellung des Glücksspielangebots oder durch den Einsatz eines zuverlässigen technischen Internetgeolokalisationsverfahrens oder mittels Mobilfunkortung oder ein anderes vergleichbares Verfahren nicht mehr erreichbar sei. Nicht ausreichend hingegen sei ein bloßer Hinweis, dass Spieler, die sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages in Sachsen-Anhalt aufhielten, nicht teilnahmeberechtigt seien oder nur die Teilnehmer auszuschließen, die ihren Wohnsitz in Sachsen-Anhalt hätten.
- 4
Mit der am 09. September 2010 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Bescheid sei rechtswidrig, weil sie kein Glücksspiel veranstalte, sondern nur die Teilnahme an Wetten auf den Ausgang staatlicher Lotterien vermittle. Sie übe ihre Tätigkeit nicht in Sachsen-Anhalt, sondern in A-Stadt aus. Zudem weise sie auf ihrer Website ausdrücklich darauf hin, dass sie nur Spielscheine von Spielern annehme, die sich nicht in Deutschland aufhielten. Die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages 2007 seien auf die Veranstaltung oder Vermittlung von Glücksspielangeboten europäischer Anbieter nicht anwendbar. Dass von Lotterien eine Suchtgefahr nicht ausgehe, ergebe sich daraus, dass solche Spiele mit Erlaubnis des Landes Sachsen-Anhalt von der Lotto-Toto GmbH angeboten würden. Betrugs- oder Manipulationsgefahren bestünden angesichts der Transparenz der Ausspielungen nicht. Der Gesetzgeber behandle staatliche Lotterien einerseits und private Wetten auf den Ausgang staatlicher Lotterien ohne sachlichen Grund ungleich. Zudem seien stärker suchtgefährdende Spiele, wie Pferdewetten oder das gewerbliche Automatenspiel nicht verboten. Auch die Verwaltungspraxis sei inkohärent, weil der Beklagte gegen die Klägerin und andere Anbieter vorgehe, die Internet-Aktivitäten seiner Lotteriegesellschaft, etwa die Werbung für die von ihr angebotenen Glücksspiele oder die Zulassung des e-Post-Briefes für die Übermittlung von Lotto-Tipps in Hessen, indes dulde.
- 5
Die Klägerin hat beantragt,
- 6
den Bescheid des Beklagten vom 09. August 2010 aufzuheben.
- 7
Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 9
Er hat ausgeführt, die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis seien nicht erfüllt, weil die Klägerin Beteiligungen an Veranstaltungen von M. vermittele, die in Sachsen-Anhalt nicht erlaubt seien.
- 10
Das Verwaltungsgericht Halle – 3. Kammer – hat den angefochtenen Bescheid mit Urteil vom 30. November 2011 aufgehoben. Die Untersagungsverfügung beruhe zwar auf einer zutreffenden Anwendung des § 13 GlüG LSA. Indes verstoße das Glücksspielmonopol gegen vorrangiges Gemeinschaftsrecht, so dass die Tätigkeit der Klägerin erlaubnisfrei zulässig sei. Das folge für die Klägerin schon aus dem rechtkräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11. November 2010 – 3 A 156/09 HAL –. Soweit das Bundesverwaltungsgericht annehme, ein Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen über das Internet sei mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil es für staatliche wie private Veranstalter gleichermaßen gelte, sei dem nicht zu folgen, weil damit Anbietern, die nicht über ein Vertriebsnetz verfügten, die Grundlage entzogen werde. Zwar sei es auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts notwendig, eine Genehmigungspflicht für die Vermittlungstätigkeit der Klägerin vorzusehen. Indes sei es nicht Aufgabe des Gerichts, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, die den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts genügten.
- 11
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend, die Rechtskraft des Urteils vom 11. November 2010 – 3 A 156/09 HAL – stehe der Untersagungsverfügung nicht entgegen, weil diese Entscheidung auf der unzutreffenden Einschätzung beruhe, dass von den Glücksspielangeboten Suchtgefahren nicht ausgingen. Zudem erstrecke sich diese Entscheidung nicht auf die von der Klägerin ausgeübte Vermittlung von Glücksspielen des Veranstalters M., die in Sachsen-Anhalt nicht zugelassen seien. Die Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag und im Glücksspielgesetz seien sowohl mit der Verfassung als auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar. Sie dienten der Eindämmung der Spielsucht. Dieses Ziel werde rechtlich und tatsächlich kohärent und systematisch verfolgt. Zu Unrecht nehme das Verwaltungsgericht an, dass im Bereich der staatlich veranstalteten Glücksspiele keine Suchtgefahr bestehe. Fehlten hinreichende wissenschaftliche Untersuchungen, so genüge eine dem Stand der Forschung entsprechende Gefahrenprognose. Eine solche Lage habe der Gesetzgeber seinerzeit vorgefunden, wenngleich sich aus den Studien ersehen lasse, dass die legalen staatlichen Angebote der Lotto- und Totounternehmen der Länder im Verhältnis zu anderen Glücksspielarten eine geringere Suchtgefahr in sich bärgen. Auch unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Glücksspielmonopols sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts jedenfalls der Erlaubnisvorbehalt mit Gemeinschaftsrecht vereinbar. Er finde ebenso wie die allgemeinen Ziele in § 1 GlüStV, die diese Ziele konkretisierenden Bestimmungen über die Erlaubnispflicht, die Versagungsgründe, das Spielverbot für Minderjährige, das Internetverbot, sowie die Regelungen über das Sozialkonzept und die Aufklärungspflichten Anwendung. Angesichts der Bindung an die gesetzgeberischen Ziele, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte sei eine willkürliche Behandlung bei der Bescheidung ausgeschlossen und eine wirksame gerichtliche Kontrolle gewährleistet. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis nicht, weil sie die Beteiligung an Veranstaltungen von Lotteriegesellschaften anderer Bundesländer vermitteln wolle, die indes in Sachsen-Anhalt nicht erlaubt seien. Durch die Änderungen im Glücksspieländerungsstaatsvertrag werde dieses gesetzgeberische Konzept fortentwickelt. Die Möglichkeit, für den Vertrieb über das Internet eine Erlaubnis zu erteilen, solle Tendenzen zur Abwanderung in nicht erlaubte Angebote entgegenwirken. Die Erlaubnisvoraussetzungen orientierten sich an bisherigen Regelungen, die sich im Hinblick auf die Gewährleistung des Spieler- und Jugendschutzes bei Lotterien im Internet bewährt hätten. Mit den hohen Standards zum Schutz der Verbraucher und von Minderjährigen werde den mit Glücksspiel im Internet verbundenen besonderen Gefahren vorgebeugt.
- 12
Er beantragt,
- 13
das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle – 3. Kammer – vom 30. November 2011 abzuändern und die Klage abzuweisen.
- 14
Die Klägerin beantragt,
- 15
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Gerichtsakte 3 A 156/09 HAL mit Beiakten zur Sachaufklärung beizuziehen,
hilfsweise, der Klägerin Gelegenheit zu geben, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Spielmöglichkeit durch einen Höchsteinsatz begrenzt ist und ob das Angebot der Klägerin ausreichende Vorkehrungen zur Authentifizierung und Identifizierung Jugendlicher und ausgeschlossener Spieler ermöglicht,
weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Sie meint, die Berufung sei unbegründet, weil der Untersagungsverfügung bereits die rechtskräftige Feststellung aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 11. November 2010 – 3 A 156/09 HAL – entgegenstehe, in dem das Verwaltungsgericht erkannt habe, dass die Klägerin ihre Tätigkeit im Land Sachsen-Anhalt erlaubnisfrei ausüben dürfe, weil entgegenstehende Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des Glücksspielgesetzes wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht unanwendbar seien. Das Verwaltungsgericht habe nicht nur hinsichtlich der beantragten Tätigkeit, sondern abstrakt generell festgestellt, dass im Lotteriebereich Suchtgefahren nicht feststellbar seien. Deshalb sei die Urteilsformel dahin auszulegen, dass die Klägerin auch für die Vermittlung zu den von M. angebotenen Veranstaltungen keiner Erlaubnis bedürfe. Daran habe sich durch den zum 01. Juli 2012 in Kraft getretenen Glückspieländerungsstaatsvertrag nichts geändert. Das dort vorgesehene Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen über das Internet sei mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar, weil das zuvor unterschiedslos geltende Verbot nunmehr für den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien und die Veranstaltung und Vermittlung von Sport- und Pferdewetten aufgehoben sei, im Übrigen aber fortbestehe, ohne dass es für die unterschiedliche Behandlung der Glücksspiele bezogen auf diesen Vertriebsweg einen sachlichen Grund gebe. Die von Lotterien ausgehenden Suchtgefahren seien gering. Entsprechendes gelte für die von der Klägerin vermittelte Teilnahme an Wetten auf den Ausgang staatlicher Lotterien (sog. Zweitlotterien), während nunmehr für die gefährlicheren Sport- und Pferdewetten der Weg über das Internet zugelassen sei. Grund für eine Besorgnis von Manipulationen aufgrund einer Intransparenz bei der Gewinnermittlung und –verteilung gebe es bei der Zweitlotterie ebenfalls nicht. Das gelte umso mehr bei einem ausländischen Angebot der Klägerin, das der Aufsicht der zuständigen englischen Behörde unterliege. Überdies verstoße es gegen Gemeinschaftsrecht, die ausländische Erlaubnis unberücksichtigt zu lassen, obwohl das Schutzniveau des englischen gambling act 2005 gegenüber dem deutschen Recht gleichwertig sei. Das Internetverbot sei gemeinschaftswidrig, weil das gewerbliche Automatenspiel trotz gewisser weiterer Beschränkungen auch durch den Glücksspieländerungsstaatsvertrag weiterhin kaum reguliert sei, so dass das Internetverbot inkohärent sei. Zudem sei die Regulierung inkohärent, weil Schleswig-Holstein sein Glücksspielrecht abweichend von den Bestimmungen im Glücksspielstaatsvertrag geregelt habe. Auch der weiterhin vorgesehene Erlaubnisvorbehalt verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, weil eine die Grundfreiheiten einschränkende Erlaubnispflicht nur zulässig sei, wenn sie auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhe und der Ermessensausübung Grenzen gesetzt seien. Dem genüge auch der neue Glücksspielstaatsvertrag nicht, weil ein Antragsteller auch unter Berücksichtigung der Ziele des Staatsvertrages nicht erkennen könne, welche Kriterien in einem Erlaubnisverfahren maßgeblich seien. Schließlich verstoße auch die Regelung über die Werbung in § 5 GlüStV gegen Gemeinschaftsrecht, weil die restriktiven Regelungen gemessen an der exzessiven Werbepraxis staatlicher Lotteriegesellschaften inkohärent sei. Die Bestimmungen im Glücksspieländerungsstaatsvertrag verstießen zudem gegen den Gleichheitssatz, weil die Unterbindung des Vertriebsweges über das Internet im Falle der Zweitlotterien willkürlich sei, weil von diesen weder ein Suchtrisiko noch eine Manipulationsgefahr ausgehe.
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Abgesehen davon sei die Verfügung rechtswidrig, weil sie zu unbestimmt sei. Ihr sei nicht zu entnehmen, welche Maßnahmen der Beklagte von der Klägerin verlange. Eine vollständige Einstellung des Angebots, die der Beklagte als Möglichkeit erwähne, könne nicht rechtmäßig angeordnet werden. Die Bezugnahme auf Internetgeolokalisationsverfahren oder Mobilfunkortung helfe nicht weiter, weil beide Verfahren unverhältnismäßig aufwändig seien, zumal eine auf die Bundesländer bezogene Abgrenzung nach dem Stand der Technik nicht möglich sei. Ferner fehle es dem Land an der Verbandskompetenz, weil die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit ausschließlich in A-Stadt ausübe und deshalb allein der englischen Glücksspielaufsicht unterliege. Die Klägerin eröffne die Möglichkeit der Teilnahme am Spiel ausschließlich in A-Stadt. Spielort sei nicht der Ort, an dem eine Internetseite abrufbar sei. Anders als der Gesetzgeber in Schleswig-Holstein, der für Online-Glücksspiele auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Spielers abstelle, sei nach dem Glücksspielstaatsvertrag nicht darauf abzustellen, wo das Angebot abrufbar sei, zumal auch bei der postalischen Aufgabe eines Spielscheins die Möglichkeit des Spielteilnahme nicht an dem Ort eröffnet werde, an dem sich der Briefkasten befinde, in den der Spielschein eingeworfen werde, sondern der Ort, an dem die Spielscheine eingingen und verarbeitet würden. Die Klägerin richte sich mit ihrem Angebot auch nicht zielgerichtet an Verbraucher in Deutschland, auch wenn das Angebot in deutscher Sprache verfügbar sei und die Angabe deutscher Telefonnummern ermögliche, weil die Spielteilnehmer mit ihrer Tippabgabe ausdrücklich bestätigten, dass sie sich nicht in Deutschland aufhielten.
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Zuletzt sei die Verfügung unverhältnismäßig, weil der Beklagte in seine Ermessenserwägungen nicht einbezogen habe, dass die von dem Spiel ausgehenden Gefahren in Bezug auf die Spielsucht deutlich geringer seien als bei anderen Formen unerlaubten Glücksspiels.
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Die Zwangsmittelandrohung sei rechtswidrig, weil die gewählte Art der Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein mangels entsprechender völkerrechtlicher Vereinbarung mit dem Vereinigten Königreich unzulässig sei und eine Heilung des Zustellungsmangels ausscheide, weil das Ministerium von vornherein keine Zustellung versucht habe.
II.
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Anfechtungsklage zu Unrecht stattgegeben, weil die angefochtene Untersagungsverfügung rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1) Rechtsgrundlage dafür, der Klägerin zu untersagen, über die von ihr betriebene Internetseite (...) die Beteiligung an den dort aufrufbaren Angeboten an Glücksspielen – insbesondere als gewerbliche Organisatorin von Lotterie-Spielgemeinschaften – zu vermitteln, zum Abschluss entsprechender Verträge aufzufordern, auf der Internetseite für Glücksspiele zu werben und werben zu lassen, ist § 9 Abs. 1 Satz 2 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV) vom 15. Dezember 2011 (Art. 1 des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesens in Deutschland
, GVBl. LSA S. 216), dem der Landtags mit Art. 1 § 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften – Zweites Glücksspielrechtsänderungsgesetz) vom 25. Juni 2012 (GVBl. LSA S. 204) zugestimmt hat, obwohl die angefochtene Verfügung noch unter der Geltung des Glücksspielstaatsvertrages aus dem Jahre 2008 erlassen worden ist. Bei der Untersagungsverfügung handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.06.2013 – 8 C 39/12 –, Rdnr. 30 ). Deshalb bestimmt sich die Rechtmäßigkeit anhand der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat maßgeblichen Rechtslage. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV kann die zuständige Behörde des jeweiligen Bundeslandes die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Sie kann nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen.
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a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der Untersagungsverfügung liegen vor, weil es sich bei der von der Klägerin über die Website (...) angebotenen Vermittlung von Wetten auf den Ausgang von Lotterien um die Vermittlung unerlaubten Glücksspiels handelt. Gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörden des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sind verboten (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Bei den Wetten auf den Ausgang von Lotterien handelt es sich um Glücksspiel i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, weil Wetten gegen Entgelt auf den Ausgang eines künftigen Ereignisses Glücksspiele sind (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV).
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Die Klägerin hat keine Erlaubnis des Beklagten, der gemäß § 17 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GlüG LSA zuständigen Behörde, für die Vermittlung der von der Firma M. veranstalteten Wetten auf den Ausgang von Lotterien in der Bundesrepublik und im europäischen Ausland oder für den Verkauf der von ihr angebotenen „Rubbellose“. Sie hat die Erteilung einer solchen Erlaubnis auch nicht beantragt. Für die Veranstaltung der Wetten auf den Ausgang der Lotterien und die Veranstaltung der Rubbellos-Spiele hat auch die Gesellschaft M. vom Beklagten oder der obersten Glücksspielaufsichtsbehörde keine Erlaubnis erhalten oder dort beantragt.
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Der Erlaubnisvorbehalt für die Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV entfaltet unabhängig von der Wirksamkeit des staatlichen Glücksspielmonopols Geltungsanspruch. Er gewährleistet i. V. m. § 13 Abs. 4 Nrn. 1 bis 5 GlüG LSA, dass öffentliche Glücksspiele nur durch zuverlässige Personen vermittelt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 – 8 C 13/09 – Rdnr. 73
). Neben den Zielen der Verhinderung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (§ 1 Nr. 1 GlüStV) und der Lenkung des Spieltriebes der Bevölkerung (§ 1 Nr. 2 GlüStV) dient der an die Zuverlässigkeit anknüpfende Erlaubnisvorbehalt den mit den vorgenannten Zielen gleichrangigen Belangen des Jugend- und Spielerschutzes und der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der Glücksspiele und des Schutzes der Spieler vor betrügerischen Machenschaften (§ 1 Nrn. 3 und 4 GlüStV).
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Diese Ziele rechtfertigen auch eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit i. S. d. Art. 56 AEUV. Als zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen, sind namentlich anerkannt Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen. Es steht den Mitgliedstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen, sofern die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit genügen. Daher ist gesondert für jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung namentlich zu prüfen, ob die Beschränkung geeignet ist, die Verwirklichung des von dem fraglichen Mitgliedstaat geltend gemachten Ziels oder der von ihm geltend gemachten Ziele zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist. Die Klägerin kann nicht geltend machen, sie bedürfe für die Ausübung der Vermittlungstätigkeit einer Erlaubnis deutscher Behörden nicht, weil sie für ihre Tätigkeit eine Erlaubnis der britischen Glücksspielbehörden habe und deren Aufsicht unterliege. Denn nach den §§ 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, 17 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GlüG LSA ist die Erlaubnis des Beklagten erforderlich, um Spielinteressenten in Sachsen-Anhalt die Möglichkeit der Teilnahme an öffentlichem Glücksspiel vermitteln zu dürfen. Gemeinschaftsrecht steht dem nicht entgegen, weil es jedem Mitgliedstaat unbenommen ist, die Möglichkeit der Teilnahme am Glücksspiel von einer von seinen zuständigen Behörden erteilten Erlaubnis abhängig zu machen, ohne dass ein Veranstalter dem entgegenhalten kann, er verfüge bereits über eine in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Erlaubnis (vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2013, Biasci u. a., – C-660/11 u. a., Rdnr. 41
).
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Dem könnte nicht entgegengehalten werden, dass mit den Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag dem Erfordernis einer systematischen und kohärenten Begrenzung von Glücksspielen nicht Rechnung getragen werde und sich ein Erlaubnisvorbehalt deshalb als unverhältnismäßig erweisen könnte. Denn für alle Arten zugelassenen Glücksspiels, auch nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz, dem Spielbankgesetz oder für das gewerbliche Automatenspiel nach den §§ 33 c f. GewO sieht der Gesetzgeber jeweils im Interesse des Jugend- und Spielerschutzes und des Schutzes vor unlauteren Machenschaften einen Erlaubnisvorbehalt vor.
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Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, sie bedürfe nach der rechtskräftigen Feststellung in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 11. November 2010 – 3 A 156/09 HAL – keiner Erlaubnis für die von ihr ausgeübte Tätigkeit. Ungeachtet der Frage, ob sich die Klägerin auf die Rechtskraft der Entscheidung im Hinblick auf die durch den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag geschaffene neue Rechtslage überhaupt berufen kann, erstreckt sich die Feststellung in dem Urteil des Verwaltungsgerichts nicht auf die Feststellung, dass die Vermittlung jeglicher Art Glücksspiels erlaubnisfrei zulässig ist. Nach dem Tenor und den Gründen der Entscheidung bezieht sich die rechtskräftige Feststellung nur auf die gewerbliche Vermittlung von staatlichen Lotterien, also solchen Lotterien, deren Veranstaltung in der Bundesrepublik erlaubt gewesen ist. Nach dem Tenor hat das Verwaltungsgericht „unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 02. April 2009 (…) festgestellt, dass die Klägerin für die beantragte Tätigkeit keiner Erlaubnis“ bedürfe. Im Tatbestand (UA S. 3) wird sodann ausgeführt, für welche Lotterien welcher Lotteriegesellschaften der Länder die Klägerin eine Vermittlungserlaubnis beantragt hatte. In den Entscheidungsgründen führt das Verwaltungsgericht sodann aus, die Klägerin begehre „zu Recht die Feststellung, dass sie staatlich zugelassene Glücksspiele – auch soweit dies über das Internet erfolgt – (…) ohne eine Genehmigung des Beklagten gewerblich vermitteln“ dürfe (UA S. 33). Dem Urteil ist entgegen der Auffassung der Klägerin und entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Urteil nichts dafür zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht in dem Urteil vom 11. November 2010 über den klaren Wortlaut des Tenors hinaus und – entgegen § 88 VwGO – über den Klageantrag hinaus festgestellt haben könnte, dass die Vermittlung von erlaubten oder unerlaubten Lotterien jeglicher Art im In- oder Ausland in Sachsen-Anhalt erlaubnisfrei zulässig sein könnte. Unter diesen Umständen gibt es entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Anlass, ihrem Hilfsantrag entsprechend, die Gerichtsakten zu dem Verfahren 3 A 156/09 HAL mit den Verwaltungsakten beizuziehen, um aufzuklären, was Inhalt des rechtkräftigen Urteils sein soll. Dafür wäre nur Raum, wenn der Tenor der Entscheidung auch unter Heranziehung der Urteilsgründe mehrdeutig wäre, so dass ohne eine Heranziehung der Gerichtsakten nicht beurteilt werden könnte, was Gegenstand der rechtkräftigen Feststellung gewesen sein soll. So indes verhält es sich hier nicht. Die rechtkräftige Feststellung des Verwaltungsgerichts ist nach dem Tenor und den Entscheidungsgründen auf die Feststellung der Erlaubnisfreiheit der Vermittlung zu staatlichen Lotterien der Bundesländer beschränkt und erfasst eindeutig nicht die Vermittlung zum Spiel ausländischer Wettunternehmen.
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Ebenfalls ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, dem Beklagten fehle die Zuständigkeit – die Verbandskompetenz – für die Untersagung der von ihr ausgeübten Vermittlungstätigkeit, weil sie ihre Vermittlungstätigkeit und die Möglichkeit der Teilnahme an den Wetten ausschließlich in A-Stadt anbiete, wo sie ihren Geschäftssitz habe und die technischen Vorrichtungen (Server u. a.) vorhalte. Gemäß § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Diese Bestimmung bezieht in das Veranstaltungsgeschehen zutreffend den Ort ein, an dem das Wettgeschäft nach der Ausgestaltung des Wettangebots im konkreten Fall zustande kommen soll (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 07.09.2006 – 1 B 273/06 – Rdnr. 18; OVG NW, Beschl. v. 22.11.2006 – 13 B 1803/06
; Dietlein/Hecker/Ruttig , Glücksspielrecht, zu § 3 GlüStV, Rdnr. 14). Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, auch bei der postalischen Aufgabe eines Spielscheins sei nicht auf den Ort abzustellen, an dem der Briefkasten aufgestellt sei, sondern auf den Ort, an dem die Spielscheine eingingen und verarbeitet würden. Ein ausländischer Glücksspielveranstalter, der Wettscheine nach Deutschland versendet und Wetten von dort auf dem Postwege entgegennimmt, veranstaltet sein Glücksspiel auch in der Bundesrepublik (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.2002 – I ZR 279/99 – Rdnrn. 3 und 20 f.). Entsprechendes gilt, wenn der Veranstalter auf einer Internetseite die Möglichkeit eröffnet, sich am Glücksspiel zu beteiligen. In diesem Fall wird das Glücksspiel auch an dem Ort veranstaltet, an dem der Nutzer des Internets das Wettangebot annimmt (BGH, Urt. v. 01.04.2004 – I ZR 317/01 – Rdnr. 32; OVG NW, Beschl. v. 14.05.2004 – 4 B 2096/03 – Rdnr. 20 ).
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Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, sie vermittle in Sachsen-Anhalt kein unerlaubtes Glücksspiel, weil sich ihr Vermittlungsangebot nicht an Spieler richte, die vom Land Sachsen-Anhalt aus das Angebot annehmen wollen. Das Angebot ist über die Website (...) in Sachsen-Anhalt abrufbar und bietet auch Nutzern aus Sachsen-Anhalt die Möglichkeit, nach Registrierung auf den Ausgang von Lotterien zu wetten (vgl. auch VG Potsdam, Urt. v. 09.05.2012 – 6 K 3023/09 – Rdnr. 27
). Auf der Website finden sich keine Hinweise darauf, dass Spieler, die ihre Wette von Sachsen-Anhalt aus abgeben, von der Teilnahme am Glücksspiel ausgeschlossen sind. Denn auch wenn die Klägerin zu Recht darauf hinweist, dass sich das Angebot nach der Ziffer 1.1 lit. d der über die Website abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur an Personen richtet, „die sich zum Zeitpunkt der Abgabe ihres Tipps nicht in den Vereinigten Staaten von Amerika, Iran, Afghanistan, Demokratische Volksrepublik Korea, Kuba, Myanmar, Türkei, China, Hong Kong, Israel, oder in einem anderen Land oder an einem anderen Ort aufhalten, in dem die Teilnahme an Wetten/Glücksspielen der auf dieser Website vorgesehenen Art nicht erlaubt ist“, und dass die Spielteilnehmer mit der Abgabe ihres Tipps nach der Ziffer 1.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestätigen, „dass sie sich zum Zeitpunkt der Abgabe des Tipps nicht in einem Land aufhalten, in dem die Teilnahme an Wetten/Glücksspielen der auf dieser Website vorgesehenen Art nicht erlaubt ist“, so schließt die Klägerin andrerseits Spieler nicht aus, die sich registrieren und einen Tipp abgeben, obwohl sie sich in einem Land aufhalten, in dem die Teilnahme an dem Glückspiel nicht erlaubt ist. Denn nach der Ziffer 1.6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist die Klägerin nicht verpflichtet, die betreffenden Spielteilnehmer zu kontaktieren, um tatsächlich oder scheinbar unrichtige, unvollständige oder ungültige Angaben zu berichtigen. Die Teilnehmer sind somit nicht von dem Spiel ausgeschlossen. Allerdings haben sie nach der Ziffer 10.1.1 lit g, iii keinen Anspruch auf einen Gewinn und dessen Auszahlung. Der Spieleinsatz kann nach freiem Ermessen von M. verfallen oder dem Spielkonto dieser Person gutgeschrieben „oder auf einem anderen, zur Verfügung stehenden Weg erstattet“ werden (vgl. Ziffer 10.1.4 der AGB).
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Abgesehen davon erscheint es dem Senat nach der äußeren Gestaltung der in deutscher Sprache verfassten Website, mit dem vornehmlich an den Ausgang deutscher Lotterien anknüpfenden Wettangebot fernliegend, anzunehmen, das Angebot richte sich nicht an Spieler in der Bundesrepublik bzw. in Sachsen-Anhalt, zumal der Hinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einer allgemeinen Formulierung verborgen wird („… oder in einem anderen Land oder an einem anderen Ort …“), die auf eine Aufzählung einer Reihe ausdrücklich hervorgehobener mehr oder minder exotischer Staaten folgt. Wäre der Ausschluss von Teilnehmern aus Sachsen-Anhalt oder einem anderen Land, in dem der Glücksspielstaatsvertrag anzuwenden ist, ernst gemeint, so hätte es wohl auf der Hand gelegen, einen ausdrücklichen Hinweis auf die Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen, statt diesen in einer salvatorischen Klausel im Anschluss an Korea oder Myanmar aufzuführen.
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Der allgemeine Hinweis darauf, dass ihr Angebot sich nicht an Teilnehmer richte, die sich in einem Land aufhalten, in dem die Teilnahme an Glücksspielen der Klägerin nicht erlaubt ist, genügt auch deshalb nicht als Beleg für die vorgeschobene Behauptung der Klägerin, sie wende sich mit ihrem Angebot nicht an Spieler, die sich bei Abgabe des Tipps in Sachsen-Anhalt aufhielten, weil die Klägerin auch in diesem Verfahren betont, dass ihr Angebot kein unerlaubtes Glücksspiel darstelle, weil sie für die Vermittlungstätigkeit wegen des Urteils des Verwaltungsgerichts Halle vom 11. November 2010 keiner Erlaubnis bedürfe und weil sie für ihre Tätigkeit eine Erlaubnis in Großbritannien erworben habe und deshalb mit Rücksicht auf die Dienstleistungsfreiheit einer gesonderten Erlaubnis deutscher Behörde nicht bedürfe, um auch Spielern in der Bundesrepublik bzw. in Sachsen-Anhalt Wetten vermitteln zu dürfen.
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b) Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Untersagung der Vermittlungstätigkeit vor, so ist die Entscheidung des Beklagten, der Klägerin die Vermittlungstätigkeit zu untersagen, nicht ermessensfehlerhaft. Ist die Behörde – wie hier durch § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV – ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 40 VwVfG). Das gilt sowohl für die Frage, ob die Behörde von der ihr gebotenen Möglichkeit des Einschreitens Gebrauch macht als auch für die Wahl der Mittel, mit denen sie dem von ihr als ordnungswidrig erkannten Zustand Abhilfe zu verschaffen gedenkt.
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Da die Klägerin keine Erlaubnis für ihre Vermittlungstätigkeit hat und die Veranstaltung und Vermittlung unerlaubten Glücksspiels strafbar ist, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte der Klägerin zur Vermeidung künftiger Straftaten die von ihr ausgeübte Vermittlungstätigkeit untersagt, zumal die Klägerin die Erteilung einer solchen Erlaubnis auch nicht anstrebt und der Behörde damit auch keine Möglichkeit bietet, etwaige Hindernisse für die Erteilung einer Erlaubnis durch die Erteilung von Auflagen oder sonstigen Nebenbestimmungen zu überwinden. Der Beklagte hat sich bei Erlass der Verfügung ermessensfehlerfrei von der Erwägung leiten lassen dürfen, dass die Vermittlungstätigkeit über das Internet nach § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. bis Mitte 2012 verboten und – ausnahmslos – nicht erlaubnisfähig gewesen ist.
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Das Festhalten an der Untersagungsverfügung nach dem Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages ist ebenfalls nicht zu beanstanden, obwohl nunmehr die Vermittlung von Lotterien im Internet unter den in § 4 Abs. 5 GlüStV genannten Voraussetzungen abweichend von § 4 Abs. 4 GlüStV erlaubt werden kann. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, er halte an der Untersagungsverfügung fest, weil die Vermittlungstätigkeit der Klägerin nicht erlaubt und nicht erlaubnisfähig sei.
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Das entspricht dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung, weil die Untersagung dazu dient, die vorherige behördliche Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Vermittlungstätigkeit über das Internet zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.06.2013 – 8 C 39/12 – Rdnr. 51
).
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Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens schließen die Untersagung der von der Klägerin ausgeübten Vermittlungstätigkeit ebenfalls nicht aus. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Verhältnismäßigkeitsgebot steht als gesetzliche Grenze der Ermessensauübung einer Untersagung nur entgegen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt und dies für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar ist. Verbleibende Unklarheiten oder Zweifel an der Erfüllung der nicht monopolabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen rechtfertigen dagegen ein Einschreiten. In diesem Fall ist die Untersagung notwendig, um die Klärung in einem Erlaubnisverfahren zu sichern und zu verhindern, dass durch die unerlaubte Tätigkeit vollendete Tatsachen geschaffen und ungeprüfte Gefahren verwirklicht werden (vgl. BVerwG, a. a. O.).
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Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin ausgeübte Vermittlung öffentlicher Glücksspiele nicht erlaubnisfähig ist, weil das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet nach § 4 Abs. 4 GlüStV verboten ist und die Erteilung einer Erlaubnis nicht in Betracht kommt. Zwar sehen die Bestimmungen im Glücksspielstaatsvertrag seit Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages vor, dass abweichend von § 4 Abs. 4 GlüStV Ausnahmen vorgesehen werden können. Indes sind Ausnahmen nach § 4 Abs. 5 GlüStV unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen nur vorgesehen für den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien und die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet. Auf die Frage, ob diese partielle Öffnung des Verbots eine systematische und kohärente Eindämmung des Glücksspiels ermöglicht oder ob die Ermöglichung der Zulassung der Veranstaltung und Vermittlung der hinsichtlich des Suchtpotenzials gefährlicheren Sportwetten einer konsequenten Eindämmung der den Glücksspielen immanenten Gefahren widerspricht, bedarf einer Klärung nicht. Selbst wenn man dies annehmen wollte, bliebe es zulässig, die Erlaubnis für die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen davon abhängig zu machen, dass die Veranstaltung und Vermittlung des Glücksspiels im Übrigen erlaubt ist. Denn die Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmen vom Verbot des Vertriebs über das Internet knüpft an ein auf anderen Vertriebswegen erlaubtes Glücksspiel an. Ein solcher Fall liegt hier indes auch nicht vor. Denn das von M. veranstaltete Glücksspiel ist weder in Sachsen-Anhalt, noch sonst im Bundesgebiet erlaubt. Ein inkohärentes Internetverbot kann mit anderen Worten nicht dazu führen, dass der Klägerin die Vermittlung eines unerlaubten Glücksspiels zu gestatten ist.
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Abgesehen davon ist die Vermittlung des angebotenen Glücksspiels über das Internet so wie sie von ihr ausgeübt wird, nicht erlaubnisfähig. Nach § 4 Abs. 5 Nr. 1 GlüStV können die Länder zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien im Internet nur erlauben, wenn der Ausschluss minderjähriger oder gesperrter Spieler durch Identifizierung und Authentifizierung gewährleistet ist. Das ist bei dem Angebot der Klägerin nicht der Fall. Zwar richtet sie ihr Angebot ausdrücklich nicht an Minderjährige. In der Ziffer 1.1 lit. a der AGB weist die Klägerin darauf hin, dass sich das Angebot nur an Personen richtet, die über 18 Jahre alt sind. Durch ein System der Identifizierung und Authentifizierung sind indes Minderjährige, die sich trotz des Hinweises in den AGB am Spiel beteiligen, von einer Teilnahme nicht ausgeschlossen. Ausgeschlossen sind sie durch die Ziffer 10.1.1 lit. g, i der AGB nur von der Auszahlung eines Gewinns. Ungeachtet dessen enthält das Angebot der Klägerin auf der Website entgegen § 4 Abs. 5 Nr. 1 GlüStV keine Vorrichtungen zu Identifizierung und Authentifizierung gesperrter Spieler.
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Ferner hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zutreffend darauf hingewiesen, dass das von der Klägerin vermittelte Spielangebot keine Vorkehrungen über einen zulässigen Höchsteinsatz i. S. d. § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV vorsieht. Zu Recht macht der Beklagte weiter geltend, dass die Vermittlung der von M. angebotenen virtuellen Rubbellose über das Internet wegen § 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV nicht erlaubnisfähig ist, weil das Ergebnis des Spiels sofort abgerufen werden kann, so dass dieses Spiel eine hohe Ereignishäufigkeit aufweist. Der Senat hatte entgegen der in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebrachten Auffassung der Klägerin keine Veranlassung, ihr nochmals Gelegenheit zu geben, zu den Fragen Stellung zu nehmen, ob die Spielmöglichkeit durch einen Höchsteinsatz begrenzt ist und ob das Angebot der Klägerin ausreichende Vorkehrungen zu Authentifizierung und Identifizierung Jugendlicher und ausgeschlossener Spieler ermöglicht. Es konnte die im Verhandlungstermin anwaltlich vertretene Klägerin nicht überraschen, dass der Senat wegen der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung zu prüfen hat, ob das Angebot der Klägerin unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 5 GlüStV erlaubnisfähig ist. Es bestand für die Klägerin auch kein Anlass, von ihrem eigenen Angebot auf der von ihr unterhaltenen Website überrascht zu sein.
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Schließlich geben weder der Vortrag der Klägerin noch der sonstige Akteninhalt greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Tätigkeit der Klägerin nicht dem Zweck der Ermächtigung entsprechend, sondern willkürlich, aus fiskalischen Gründen, zum Schutz des Lotteriemonopols unterbindet und gegen Anbieter oder Vermittler unerlaubten Glücksspiels im Internet im Übrigen nicht vorgeht. Der Beklagte hat auf die dahingehende Mutmaßung der Klägerin im Verhandlungstermin erklärt, sie gehe gegenwärtig gegen über 20 Anbieter unerlaubter Lotterien und Sportwetten im Internet vor.
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Auch bei der Wahl der Maßnahme hat die Behörde von dem ihr eröffneten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Mit der Untersagungsverfügung hat sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens i. S. d. § 40 VwVfG eingehalten. Es verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen den § 37 Abs. 1 VwVfG, wenn der Beklagte der Klägerin keine im Einzelnen bestimmten Vorgaben dazu macht, wie sie dem Verbot künftig Rechnung tragen will. Nach § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Er muss demnach genügend deutlich erkennen lassen, welches Verhalten die Behörde dem Adressaten für die Zukunft aufgibt. Dem genügt der angefochtene Bescheid vom 09. August 2010, indem der Beklagte der Klägerin untersagt, über die von ihr betriebene Website (...) die Beteiligung an den dort aufrufbaren Angeboten an Glücksspielen zu vermitteln und für den Fall, dass sie die angeordneten Maßnahmen nicht innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides umsetzt, ein Zwangsgeld androht. Damit ist klar, welches Verhalten von der Klägerin verlangt wird. Wie sie dem Unterlassungsgebot genügt, ist ihr im Wesentlichen freigestellt. In der Begründung zählt der Beklagte nur beispielhaft auf, dass neben der Einstellung des Glücksspielangebots auch der Einsatz eines technischen Internetgeolokalisationsverfahrens oder einer Mobilfunkortung genüge, um den zuverlässigen Ausschluss von Spielern aus Sachsen-Anhalt zu gewährleisten. Damit hat der Beklagte hinreichend deutlich gemacht, dass er von der Klägerin für den Fall, dass sie ihr Angebot nicht gänzlich einstellt, jedenfalls hinreichend wirksame technische Vorkehrungen verlangt, die genügend sicherstellen, dass Teilnehmer aus Sachsen-Anhalt vom Spielbetrieb ausgeschlossen sind. Die von der Klägerin erhobenen Zweifel daran, ob Internetgeolokalisationsverfahren geeignet seien, einen Ausschluss von Spielern aus Sachsen-Anhalt sicher und trennscharf zu ermöglichen, ändern an der Bestimmtheit des Bescheides nichts. Wenn sie selbst der Auffassung ist, dass die Internetgeolokalisationsverfahren nach dem Stand der Technik keine genügend sichere Abgrenzung ermöglichen, so hat sie auf andere Weise sicherzustellen, dass ihr Angebot für Spieler aus Sachsen-Anhalt nicht erreichbar ist (vgl. BayVGH, Beschl. v. 24.01.2012 – 10 C 11.1290 – Rdnr. 21; VG Potsdam, Urt. v. 09.05.2012 – 6 K 3023/09 – Rdnr. 50
).
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Aus den vorstehend genannten Gründen ist auch das Werbeverbot rechtmäßig.
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2) Rechtsgrundlage für die Androhung des Zwangsgeldes ist § 59 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA. Eine fehlerhafte Zustellung der Zwangsgeldandrohung berührt ihre Rechtmäßigkeit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Gemäß § 59 Abs. 6 Satz 1 SOG LSA ist die Androhung zuzustellen. Das gilt nach § 59 Abs. 6 Satz 2 SOG LSA auch, wenn sie – wie hier – mit dem zugrunde liegenden sicherheitsbehördlichen Verwaltungsakt verbunden ist und für diesen keine Zustellung vorgeschrieben ist. Gemäß § 2 VwZG-LSA wird zugestellt, soweit dies – wie hier mit § 59 Abs. 6 Satz 1 SOG LSA – durch Rechtsvorschrift bestimmt ist. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 erfolgt eine Zustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein, soweit die Zustellung von Dokumenten unmittelbar durch die Post völkerrechtlich zulässig ist. Diese Art der Zustellung hat der Beklagte bei der Übermittlung des Bescheides vom 07. August 2010 gewählt, indem er ihn als „Einschreiben mit Internationalem Rückschein“ versandt hat. Ob diese Art der Zustellung völkerrechtlich zulässig ist, kann dahinstehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht dagegen nicht bereits, dass mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland kein völkerrechtlicher Vertrag über die Zustellung von Dokumenten in Verwaltungssachen abgeschlossen ist. Denn § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG stellt auf die völkerrechtliche Zulässigkeit und nicht allein auf völkerrechtliche Vereinbarungen ab, so dass auch die widerspruchslose Hinnahme einer entsprechenden Zustellungspraxis durch den Staat, in dem zugestellt werden soll, geeignet sein kann, die Zustellung als völkergewohnheitsrechtlich zulässig anzusehen (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 27.05.2011 – 27 L 1602/10 –, Rdnr. 11
).
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Ungeachtet dessen gilt ein etwaiger Zustellungsmangel als geheilt. Lässt sich nämlich eine formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen, oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es gemäß § 8 VwZG als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Nach dem Stempelaufdruck auf der von der Klägerin mit der Klageschrift übersandten Ablichtung des Bescheides („RECEIVED 13 AUG 2010“) ist ihr dieser am 13. August 2010 zugegangen.
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§ 8 VwZG ist auch bei einer Zustellung im Ausland auf der Grundlage des § 9 VwZG anwendbar. Der Wortlaut des § 8 VwZG erfasst die Zustellung von Dokumenten, ohne bestimmte Arten oder Orte der Zustellung, etwa solche im Ausland von seinem Anwendungsbereich auszuschließen. Die systematische Auslegung spricht nicht gegen dieses an den Wortlaut anknüpfende Ergebnis. Zwar findet sich die Regelung über die Heilung von Zustellungsmängeln in § 8 VwZG vor der Bestimmung über die Zustellung im Ausland (§ 9 VwZG). Indes ist die Zustellung im Ausland, wie § 2 Abs. 2 Satz 2 VwZG verdeutlicht, eine Sonderart der Zustellung. Wenn § 8 VwZG für Sonderarten der Zustellung keine Geltung entfalten sollte, so hätte es angesichts der Stellung des § 2 Abs. 2 Satz 2 VwZG nahegelegen, dies in § 8 VwZG ausdrücklich zum Ausdruck zu bringen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 14.07.2011 – 13 B 696/11 – Rdnr. 37
). Der Sinn und Zweck des § 8 VwZG rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Regelungen über die Zustellung dienen dem Beleg dafür, dass und wann ein Dokument dem Adressaten zugegangen ist. Sie ermöglichen der Behörde den urkundlichen Nachweis über den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs. Um diesen urkundlichen Nachweis führen zu können, muss die Behörde die Zustellung formgerecht bewirken, weil die Formvorschriften für eine ordnungsgemäße Zustellung sicherstellen sollen, dass die Zustellungsurkunde oder das Empfangsbekenntnis inhaltlich richtig ist. Eines solchen förmlichen Nachweises bedarf es nicht, wenn zwischen den Beteiligten – wie hier – weder der Zugang noch der Zeitpunkt des Zugangs umstritten ist. In diesem Fall wäre das Festhalten an Regelungen über die formgerechte Zustellung eine bloße Förmelei.
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Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, § 8 VwZG sei nicht anwendbar, weil der Beklagte den Bescheid nicht habe zustellen wollen. Dafür gibt der Inhalt der Akten nichts her. Vielmehr lässt die gewählte Art der Zustellung mittels „Einschreiben mit Internationalem Rückschein“ keinen anderen Schluss zu, als dass der Beklagte der im Ausland ansässigen Klägerin den Bescheid auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG hat zustellen lassen wollen. Zu Unrecht macht sie geltend, am Zustellungswillen des Beklagten fehle es, weil er eine zulässige Form der Zustellung im Ausland nicht gewählt habe. Die Anwendbarkeit des § 8 VwZG hängt nicht davon ab, ob der Beklagte bei einer Zustellung im Ausland von zu Gebote stehenden Möglichkeiten i. S. d. § 9 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 VwZG die richtige Möglichkeit gewählt hat und lediglich die Ausführung der gewählten Art der Zustellung fehlerhaft gewesen ist. Der Wortlaut und der Zweck der Regelung geben für diese Annahme nichts her.
- 47
Weitere Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
- 48
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Gründe
- 1
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Die Beschwerde ist unbegründet und war daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Soweit die Beschwerdebegründung den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, liegen die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) nicht vor.
- 2
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1. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen einer Abweichung eines der Vorentscheidung zugrunde liegenden, tragenden Rechtssatzes von einem Rechtssatz zuzulassen, der die von der Klägerin angeführten Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) trägt. Eine solche Abweichung liegt nicht vor.
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a) Nach der Auffassung des Finanzgerichts (FG) war der Grunderwerbsteuerbescheid vom 4. März 2008 zwar zunächst nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden, weil ihn der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) der Rechtsvorgängerin der Klägerin und nicht der empfangsberechtigten Steuerberatungs-GmbH übersandt hatte. Dieser Bekanntgabemangel sei aber dadurch geheilt worden, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin den Bescheid an die GmbH weitergeleitet habe, der Bescheid dadurch in den Machtbereich der GmbH gelangt sei und die zu deren Vertretung befugten Personen daher von dem Bescheid Kenntnis hätten nehmen können. Der Heilung des Bekanntgabemangels habe es nicht entgegengestanden, wenn eine zur Vertretung der GmbH befugte Person den Bescheid tatsächlich nicht zur Kenntnis genommen haben sollte. Entscheidend sei vielmehr der Zugang des Bescheids bei der GmbH. Dieser Zugang sei dadurch nachgewiesen, dass die GmbH der Rechtsvorgängerin der Klägerin durch das von einer Mitarbeiterin der GmbH "i.A." unterzeichnete Schreiben vom 6. März 2008 mitgeteilt habe, dass kein Anlass für eine Anfechtung des Bescheids bestehe.
- 4
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b) Mit dieser Begründung ist das FG nicht von einem Rechtssatz abgewichen, der die von der Klägerin angeführten Urteile des BFH trägt.
- 5
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aa) Nach dem BFH-Urteil vom 8. Dezember 1988 IV R 24/87 (BFHE 155, 472, BStBl II 1989, 346) wird dann, wenn ein Steuerbescheid dem betroffenen Steuerpflichtigen bekannt gegeben und dadurch eine von ihm erteilte Bekanntgabevollmacht zugunsten seines Steuerberaters nicht beachtet wird, der Bekanntgabemangel durch die Weiterleitung des Steuerbescheids an den Bevollmächtigten geheilt. Die Einspruchsfrist beginnt mit dem Erhalt des Bescheids durch den Bevollmächtigten.
- 6
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Zur Begründung verwies der BFH auf die Rechtslage bei der förmlichen Zustellung, bei der ein Zustellungsmangel gemäß § 9 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung (VwZG a.F.) in dem Zeitpunkt geheilt wurde, in dem der Empfangsberechtigte den Bescheid "nachweislich erhalten hat".
- 7
-
Der BFH hat in dieser Entscheidung nicht ausgeführt, die Heilung des Bekanntgabemangels setze über einen Zugang des Bescheids in der Kanzlei des Empfangsbevollmächtigten hinaus voraus, dass der Empfangsbevollmächtigte oder eine zur Vertretung der zum Empfang bevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft berechtigte Person den Bescheid persönlich in die Hand nehme.
- 8
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Im Übrigen ist die Bezugnahme auf § 9 Abs. 1 VwZG a.F. im BFH-Urteil in BFHE 155, 472, BStBl II 1989, 346 insofern überholt, als mit Wirkung vom 1. Februar 2006 an die Stelle dieser Vorschrift § 8 VwZG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12. August 2005 (BGBl I 2005, 2354) getreten ist (Art. 4 Abs. 1 dieses Gesetzes) und es nach dem Wortlaut des § 8 VwZG für die Heilung von Zustellungsmängeln darauf ankommt, dass das zuzustellende Dokument dem Empfangsberechtigten "tatsächlich zugegangen ist".
- 9
-
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu dem die Heilung von Zustellungsmängeln im Zivilprozess betreffenden § 187 der Zivilprozessordnung (ZPO) a.F. ist ein Schriftstück dann zugegangen, wenn es so in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass er Gelegenheit zur Kenntnisnahme hat. Der schikanösen Rüge von Zustellungsmängeln durch den Adressaten werde mit der Feststellung des Zugangs des Schriftstücks auf sonstige Art die Grundlage entzogen (BGH-Urteil vom 23. November 1977 VIII ZR 107/76, Neue Juristische Wochenschrift 1978, 426).
- 10
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Der BFH sieht den tatsächlichen Zugang i.S. des an die Stelle von § 187 ZPO a.F. getretenen § 189 ZPO als gegeben an, wenn das zuzustellende Schriftstück derart in die Hände des Zustellungsadressaten gelangt ist, dass er es behalten und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann (BFH-Urteil vom 21. September 2011 I R 50/10, BFHE 235, 255, BStBl II 2012, 197, Rz 10; BFH-Beschluss vom 19. September 2007 VI B 151/06, BFH/NV 2007, 2332, unter 1.). Die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Zustellungsadressaten fordert der BFH nicht.
- 11
-
In der Literatur zu § 189 ZPO wird ausgeführt, ein Schriftstück sei dann zugegangen, wenn es so in den "Machtbereich" (Stein/Jonas/Herbert Roth, ZPO, 22. Aufl., § 189 Rz 7; MünchKommZPO/Häublein, 4. Aufl., § 189 Rz 8; Wittschier in Musielak, ZPO, 9. Aufl., § 189 Rz 3) oder den "Herrschaftsbereich" (so Kessen in Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl., § 189 Rz 4) des Adressaten gelangt sei, dass er es behalten könne und Gelegenheit zur Kenntnisnahme von dessen Inhalt habe. Dabei wird "in den Machtbereich oder in den Herrschaftsbereich des Adressaten gelangt" gleichbedeutend mit "in die Hand des Adressaten gelangt" verwendet (Stein/Jonas/Herbert Roth, a.a.O.; MünchKommZPO/Häublein, a.a.O.; Wittschier, a.a.O.; Kessen, a.a.O.). Dass der Adressat von dem Schriftstück tatsächlich Kenntnis nehmen müsse, wird ausdrücklich nicht als erforderlich angesehen (Stein/Jonas/Herbert Roth, a.a.O.; Kessen, a.a.O.).
- 12
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bb) Das Urteil des FG weicht auch nicht von dem BFH-Urteil vom 14. Mai 2003 XI R 37/99 (BFH/NV 2004, 198) ab. Dieses Urteil betraf zum einen nicht die unter Nichtbeachtung einer Bekanntgabevollmacht erfolgende Bekanntgabe eines Steuerbescheids an den Steuerpflichtigen persönlich und die Weiterleitung des Bescheids an den Empfangsbevollmächtigten, sondern die Bekanntgabe eines Änderungsbescheids während des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht an den Prozessbevollmächtigten, sondern an die Partnerschaft, an der der Prozessbevollmächtigte beteiligt ist. Zum anderen bezog sich der BFH auf die im seinerzeit maßgeblichen Zeitpunkt noch geltende Vorschrift des § 9 Abs. 2 VwZG a.F., nach der § 9 Abs. 1 VwZG a.F. nicht anzuwenden war, wenn mit der Zustellung eine Frist für die Erhebung der Klage, eine Berufungs-, Revisions- oder Rechtsmittelbegründungsfrist begann. Eine vergleichbare Vorschrift enthält § 8 VwZG nicht mehr.
- 13
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cc) Soweit die Klägerin eine Abweichung der Vorentscheidung von weiteren Urteilen des BFH rügt, genügt die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, weil diese Entscheidungen weder mit Datum und Aktenzeichen noch mit einer Fundstelle bezeichnet sind und daher nicht erkennbar ist, welche Entscheidungen die Klägerin ansprechen will (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. Juni 2011 X B 216/10, BFH/NV 2011, 1511, Rz 11).
- 14
-
2. Die Verfahrensrüge ist ebenfalls unbegründet, soweit die Klägerin das Vorliegen des von ihr gerügten Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) überhaupt schlüssig dargelegt hat.
- 15
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a) Die Revision ist nach dieser Vorschrift zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das finanzgerichtliche Urteil beruhen kann. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen solchen Mangel gestützt, so bedarf es hierfür eines genauen Vortrags der Tatsachen, die den Mangel schlüssig ergeben. Zudem muss außer bei den absoluten Revisionsgründen gemäß § 119 FGO dargelegt werden, dass die angefochtene Entscheidung --ausgehend von der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen könne, sie also ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre (BFH-Beschluss vom 7. März 2012 II B 90/11, BFH/NV 2012, 998, m.w.N.).
- 16
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b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung jedenfalls hinsichtlich des Bescheids vom 4. März 2008 nicht. Aus ihr geht nicht schlüssig hervor, warum das FG auf der Grundlage der von ihm vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung verpflichtet gewesen sein soll, den von der Klägerin schriftsätzlich gestellten Beweisanträgen nachzukommen, und inwiefern das Ergebnis einer Beweisaufnahme auf der Grundlage dieser Auffassung des FG zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Nach Ansicht des FG wurde, wie bereits ausgeführt, der Bekanntgabemangel bereits durch den Zugang des Bescheids vom 4. März 2008 bei der GmbH geheilt; denn ab diesem Zeitpunkt konnten die zur Vertretung der GmbH berechtigten Personen von dem im Machtbereich der GmbH befindlichen Bescheid Kenntnis nehmen. Ob eine solche Kenntnisnahme tatsächlich erfolgt ist oder aus welchen Gründen dies nicht der Fall war, sah das FG nicht als entscheidungserheblich an.
- 17
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c) Soweit die Klägerin den geltend gemachten Verfahrensmangel auf den Bescheid vom 27. Dezember 2010 bezieht, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.
- 18
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Das FG hat insoweit ausgeführt, es handle sich bei diesem Bescheid nicht um eine neue, eigenständige Steuerfestsetzung, sondern lediglich um eine Wiederholung des (inhaltsgleichen) Bescheids vom 4. März 2008. Dies hätten die zur Vertretung der GmbH berufenen Personen gewusst bzw. wissen müssen.
- 19
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Soweit die Klägerin vorträgt, bei einer weiteren Sachaufklärung hätte sich die Unrichtigkeit dieser Ansicht des FG zur subjektiven Seite ergeben, kann dies der Rüge des Verfahrensmangels nicht zum Erfolg verhelfen.
- 20
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Ist ein Steuerbescheid wirksam bekannt gegeben worden, kommt es für alle Folgefragen einschließlich des Beginns der Einspruchsfrist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheids an. Hat das FA wegen bestehender Zweifel am Zugang eines Steuerbescheids einen inhaltsgleichen Verwaltungsakt bekannt gegeben oder eine Bescheidkopie übermittelt, kommt dem nur dann Bedeutung zu, wenn die Bekanntgabe zuvor nicht wirksam gewesen war (BFH-Urteile vom 9. Dezember 2009 X R 54/06, BFHE 228, 111, BStBl II 2010, 732, unter II.1.b aa, und vom 14. November 2012 II R 14/11, www.bundesfinanzhof.de). Auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen oder dessen Bevollmächtigten von der Wirksamkeit der Bekanntgabe des ursprünglichen Steuerbescheids kommt es nicht an.
- 21
-
Dies ist im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO zu beachten (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2005 III B 77/04, BFH/NV 2005, 1276, unter 2.b, m.w.N.).
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Zwangsgeldern zur Durchsetzung einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung, die Gegenstand des Verfahrens OVG NRW 13 A 2018/11 ist.
3Die Klägerin bietet unter der Domain www…..com entgeltliche Sportwetten, Casino- und Pokerspiele an. Sie hat ihren Sitz auf Malta und verfügt über eine Lizenz der maltesischen Lotterie- und Glücksspielbehörde zur Veranstaltung von Online-Spielen. Bei Aufruf von www…..com aus Deutschland erscheint die Seite in deutscher Sprache und mit deutscher Flagge.
4Die Bezirksregierung E. hörte die Klägerin unter dem 10. Januar 2008 zum Erlass einer Untersagungsverfügung hinsichtlich der Veranstaltung und Vermittlung von unerlaubtem Glücksspiel an. Mit Schreiben vom 3. Februar 2008 nahm die Klägerin hierzu Stellung.
5Unter dem 3. Juni 2008 erließ die Bezirksregierung E. gegenüber der Klägerin eine Untersagungsverfügung mit folgendem Inhalt:
6„1. Das Angebot auf den von Ihnen betriebenen Internetauftritten, insbesondere www…..com ist so einzuschränken, dass die von Ihnen angebotenen Glücksspiele nicht für Spieler im Bundesland Nordrhein-Westfalen veranstaltet werden.
7Dazu wird Ihnen aufgegeben,
8a) vor der Annahme von Glücksspielwünschen der Spieler diese zu befragen, ob der Aufenthaltsort zur Zeit der aktiven Spielteilnahme im Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt,
9b) die Annahme von Glücksspielwünschen zu verweigern, wenn der Spieler die Frage offensichtlich wahrheitswidrig verneint,
10c) Spieler von der Teilnahme an Glücksspielen auszuschließen und die Spieler-Registrierung zu löschen, sobald Ihnen nachträglich bekannt wird, dass der Spieler von NRW aus spielt.
11Zum Ausschluss wahrheitswidriger Angaben von Spielern mit dem „Standort NRW“
12d) sind mit Hilfe der technischen Methode der Geolokalisation nach dem Stand der Technik Spieler aus dem Bundesland NRW von der Teilnahme an Ihrem Glücksspielangebot auszuschließen.
13e) Soweit die Ergebnisse von a) und d) auseinanderfallen, ist entweder der Spieler vom Netz auszuschließen oder mit Hilfe der Handy- oder Festnetzortung der Standort des Spielers zu verifizieren. Nach Maßgabe des dann gefundenen Standortes ist über die Teilnahme des Spielers zu entscheiden.
142. Ihnen wird untersagt, unter Verstoß gegen Ziffer 1 abgeschlossene Verträge zu erfüllen, insbesondere an die Spielinteressenten bzw. Spieler aus NRW Gewinne auszuzahlen.
153. Ihnen wird aufgegeben, auf allen von Ihnen gehaltenen Internetseiten, insbesondere der Internetadresse www…..com, in sämtlichen Rubriken über allgemeine und/oder besondere Geschäfts- und Teilnahmebedingungen gleich welcher Art einen wörtlichen oder sinngemäßen Hinweis („Disclaimer“) einzufügen, dass
16a) Ihnen die Vermittlung von Glücksspielen im Bundesland Nordrhein-Westfalen durch ordnungsbehördliche Verfügung verboten wurde,
17b) Ihr Glücksspielangebot nicht für das Bundesland Nordrhein-Westfalen gilt,
18c) die Teilnahme an Glücksspielen vom Bundesland Nordrhein-Westfalen aus unzulässig ist und entsprechende Aufträge von Spielinteressenten nicht ausgeführt werden,
19d) Sie Verträge nicht erfüllen und insbesondere keine Gewinnauszahlungen vornehmen dürfen, wenn der Spieler sein Angebot von einem Ort im Bundesland Nordrhein-Westfalen abgegeben hat.
204. Die Anordnungen zu Ziffern 1. bis 3. sind innerhalb von vier Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheides zu erfüllen.
215. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 4 wird hiermit ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 50.000 Euro (fünfzigtausend Euro) angedroht.
226. Für diese Untersagungsanordnung wird eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 10.000 (zehntausend) Euro erhoben.“
23Zur Begründung führte die Bezirksregierung E. im Wesentlichen aus: Auf der genannten Internetseite würden öffentliche Glücksspiele in Form von Sportwetten veranstaltet. Dieses Angebot sei unzulässig, weil 1. ein Glücksspiel ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde in Nordrhein-Westfalen für Spieler in Nordrhein-Westfalen veranstaltet und 2. das Glücksspiel im Internet veranstaltet werde. Bei den Angeboten handele es sich um Glücksspiel, denn im Rahmen eines Spiels werde für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt und die Entscheidung über den Gewinn hänge ganz oder überwiegend vom Zufall ab. Das Glücksspiel sei auch öffentlich, weil für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit bestehe. Öffentliche Glücksspiele dürften nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sei verboten (§ 4 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag). Insbesondere sei das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.
24Die Klägerin erhob hiergegen am 11. Juli 2008 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage (27 K 5009/08).
25Mit Bescheid vom 13. August 2008 hob die Bezirksregierung E. die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 ihres Bescheides vom 3. Juni 2008 auf.
26Einen vorläufigen Rechtsschutzantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. Mai 2009 (27 L 1147/08) unter Einstellung hinsichtlich der ursprünglichen Zwangsgeldandrohung ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 8. Dezember 2009 (13 B 819/09) zurück.
27Am 21. Mai 2010 stellte die Bezirksregierung E. fest, dass das Spielangebot unter www…..com weiterhin bei einem Aufruf aus Nordrhein-Westfalen erreichbar war. Mit Schreiben vom 21. Mai 2010 drohte sie daraufhin der Klägerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 der Untersagungsverfügung vom 3. Juni 2008 ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 50.000 Euro an, sofern die Anordnung nicht innerhalb von drei Tagen nach Zustellung dieses Bescheides befolgt werde. Die Zwangsgeldandrohung wurde per Einschreiben/Rückschein abgesandt und der Klägerin laut Rückschein am 1. Juni 2010 ausgehändigt.
28Nachdem die Bezirksregierung E. am 28. Juni 2010 festgestellt hatte, dass das Spielangebot unter www…..com weiterhin bei einem Aufruf aus Nordrhein-Westfalen erreichbar war, setzte sie mit Bescheid vom 28. Juni 2010 - per Einschreiben/Rückschein am Folgetag abgesandt und laut Rückschein der Klägerin am 5. Juli 2010 ausgehändigt - das unter dem 21. Mai 2010 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 50.000 Euro fest und drohte für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro an; zur Erfüllung dieser Anordnung gewährte sie der Klägerin eine Frist von drei Tagen nach Zugang dieses Schreibens.
29Am 28. Juli 2010 stellte die Bezirksregierung E. erneut fest, dass das Spielangebot unter www…..com weiterhin bei einem Aufruf aus Nordrhein-Westfalen erreichbar war. Daraufhin setzte sie mit Bescheid vom 28. Juli 2010 ‑ per Einschreiben/Rückschein am Folgetag abgesandt und laut Rückschein der Klägerin am 2. August 2010 ausgehändigt - das unter dem 28. Juni 2010 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro fest und drohte für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro an; zur Erfüllung dieser Anordnung gewährte sie der Klägerin eine Frist von drei Tagen nach Zugang dieses Schreibens.
30Die Klägerin hat am 4. August 2010 gegen die Bescheide vom 28. Juni 2010 und 28. Juli 2010 Klage erhoben.
31Mit Urteil vom 12. Juli 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage im Verfahren 27 K 5009/08 - unter Einstellung im Umfang der beiderseitigen Erledigungserklärungen - abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Berufung der Klägerin hat der Senat durch Urteil vom 25. Februar 2014 zurückgewiesen (13 A 2018/11).
32Die festgesetzten Zwangsgelder sind mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 21. Juli 2011 in der Fassung vom 8. September 2011 beigetrieben worden und am 10. Januar 2012 beim Beklagten eingegangen.
33Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage auf das Vorbringen in dem die Grundverfügung betreffenden Klageverfahren 27 K 5009/08 Bezug genommen und ergänzend vorgetragen: Hinsichtlich beider Zwangsgeldfestsetzungen fehle es an einer wirksamen Zwangsgeldandrohung, die zwingend zuzustellen sei. Eine Zustellung der Bescheide per Einschreiben mit Rückschein sei auf Malta nicht möglich. Wie sich aus einem Schreiben des maltesischen Botschafters in Berlin vom 7. Juli 2011 ergebe, toleriere die Republik Malta keine verwaltungsrechtliche Auslandszustellung unmittelbar durch die Post.
34Die Klägerin hat beantragt,
35die Bescheide der Bezirksregierung E. vom 28. Juni 2010 und 28. Juli 2010 aufzuheben.
36Der Beklagte hat beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Zur Begründung hat er auf den angefochtenen Bescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt: Die Klägerin biete im Internet Glücksspiel an, ohne über die hierfür erforderliche Erlaubnis der in Nordrhein-Westfalen zuständigen Behörde zu verfügen. Eine etwaige maltesische Lizenz müsse er nicht anerkennen. Die Androhung der festgesetzten Zwangsgelder sei jeweils wirksam zugestellt worden, was durch die betreffenden Rückscheine belegt werde. Die Zustellung per Einschreiben mit Rückschein werde im Gesetz ausdrücklich als mögliche Zustellungsart benannt.
39Mit Urteil vom 29. März 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen seien erfüllt. Mit dem Veranstaltungsverbot in Ziffer 1 Satz 1 der Ordnungsverfügung der Bezirksregierung E. vom 3. Juni 2008 liege ein gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 9 Abs. 2 GlüStV sofort vollstreckbarer, mit Zwangsmitteln durchsetzbarer Verwaltungsakt im Sinne des § 55 Abs. 1 VwVG NRW vor. Der Einwand der Klägerin, ihr seien die Zwangsgeldandrohungen entgegen § 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, greife nicht durch. Es spreche Einiges dafür, dass eine Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW durch die Republik Malta geduldet werde und ohne ausdrückliche Übereinkunft zulässig sei. Dies habe eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Mai 2011 bestätigt. Aber auch wenn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW mangels völkerrechtlicher Zulässigkeit einer solchen Zustellung nicht erfüllt seien, sei der Zustellungsmangel jedenfalls gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden. Ob die Regelungen des GlüStV, auf denen auch die Untersagungsverfügung vom 3. Juni 2008 beruhe, mit Unionsrecht vereinbar seien, könne im Ergebnis dahinstehen. Denn auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung komme es bei der Beurteilung der hier vorliegenden Vollstreckungsmaßnahmen nicht an. Voraussetzung für die Vollstreckung der Grundverfügung sei vielmehr allein deren Bestandskraft oder - wie hier - deren Vollziehbarkeit. Auch das Unionsrecht gebiete es nicht, die Rechtmäßigkeit eines sofort vollziehbaren Untersagungsbescheides im Vollstreckungsverfahren nochmals zu prüfen.
40Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt. Eine Zustellung der Zwangsgeldandrohungen per Einschreiben mit Rückschein in der Republik Malta sei völkerrechtlich unzulässig. Die Republik Malta habe einer verwaltungsrechtlichen direkten Zustellpraxis nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW widersprochen und dulde die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein auch nicht. Eine Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 8 LZG NRW sei nicht möglich. Auf den Völkerrechtsverstoß könne sich die Klägerin berufen. Die Zwangsgeldfestsetzungen seien darüber hinaus rechtswidrig, weil die zu vollstreckende Grundverfügung gegen unionsrechtliche Vorgaben verstoße. Die Unionsrechtswidrigkeit der Grundverfügung schlage auf die Beurteilung der Vollstreckungsmaßnahmen durch. Der EuGH habe entschieden, dass ein gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßendes Verbot, das durch eine individuell-konkrete, bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidung eingeführt worden sei, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Geldstrafe, die nach dem Zeitpunkt des Beitritts wegen der Nichtbeachtung des Verbots verhängt worden sei, unanwendbar sei. Ab dem Zeitpunkt der Festsetzung des Zwangsgeldes sei dieses mit einer Geldstrafe vergleichbar, weil es aus Sicht des Betroffenen eine dauerhafte Vermögenseinbuße bedeute.
41Die Klägerin beantragt,
42das Urteil des Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 29. März 2012 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
43Der Beklagte beantragt,
44die Berufung zurückzuweisen.
45Er verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und macht ergänzend geltend: Da die Untersagungsverfügung rechtmäßig sei, die Klägerin aber weiterhin auf www…..com unerlaubtes Glücksspiel anbiete, seien auch die Zwangsgeldfestsetzungen rechtmäßig.
46Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 hat das Auswärtige Amt auf Anfrage des Senats eine schriftliche Stellungnahme zur Zustellpraxis auf Malta abgegeben.
47Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
48E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
49Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
50Die angefochtenen Bescheide der Bezirksregierung E. vom 28. Juni 2010 und vom 28. Juli 2010 sind sowohl hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzungen (I.) als auch hinsichtlich der (weiteren) Zwangsgeldandrohung (II.) rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungs-gerichtsordnung (VwGO).
51I. Rechtsgrundlage für die Zwangsgeldfestsetzungen sind §§ 55 Abs. 1, 60, 64 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Nach § 55 Abs. 1 VwVG NRW kann der Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Diese Voraussetzungen liegen vor. Mit Verfügung des Beklagten vom 3. Juni 2008 ist der Klägerin untersagt worden, in Nordrhein-Westfalen, insbesondere mit den unter der Domain www…..com aufrufbaren Angeboten, im Internet öffentliches Glücksspiel i. S. d. § 3 GlüStV zu veranstalten. Hiergegen hat die Klägerin verstoßen, indem ihre Spielangebote - wie der Beklagte sowohl am 28. Juni 2010 als auch am 28. Juli 2010 festgestellt hat - weiterhin bei einem Aufruf aus Nordrhein-Westfalen erreichbar waren. Die gegen die Klägerin ausgesprochene glücksspielrechtliche Untersagungsverfügung war gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. dem zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen § 9 Abs. 2 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30. Oktober 2007 (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV a. F.) auch sofort vollziehbar.
52Die Untersagungsverfügung der Bezirksregierung E. hat äußere Wirksamkeit durch ihre Bekanntgabe an die Klägerin erlangt, vgl. § 43 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW (VwVfG NRW). Die hier erfolgte einfache Bekanntgabe des Verwaltungsakts per Post auf Malta - dem Sitz der Klägerin - ist wirksam und verstößt nicht gegen das Völkerrecht. Die einfache Bekanntgabe im Ausland ist - wie sich auch aus § 41 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW sowie dem von der Klägerin angeführten § 122 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) ergibt - in allen Staaten unabhängig von deren Zustimmung völkerrechtlich zulässig, weil die deutsche Behörde in diesem Fall - anders als bei der förmlichen Zustellung - nicht selbst im Ausland tätig wird. Der Umstand, dass ein Verwaltungsakt im Ausland zugeht, begründet vielmehr lediglich im Inland die Wirksamkeit der Verfügung (vgl. §§ 41, 43 VwVfG NRW).
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 13 B 819/09 -, juris; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 41 Rn. 218, m. w. N.; s. auch BGH, Urteil vom 26. Juni 2012 - VI ZR 241/11 -, juris (zu § 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
54Im Übrigen wäre ein etwaiger Bekanntgabemangel gegenüber der Klägerin mit der tatsächlichen Kenntniserlangung geheilt. Wenn § 8 Landeszustellungsgesetz NRW - LZG NRW - schon für zustellungsbedürftige Verwaltungsakte bei fehlendem Zustellungsnachweis oder der Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften als Zustellungszeitpunkt denjenigen des tatsächlichen Empfangs gelten lässt, so gilt dies entsprechend für den hier zu beurteilenden ‑ weniger formstrengen - Grundfall der Bekanntgabe gemäß § 41 VwVfG NRW.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1994 - 8 C 2.92 -, juris, Rn. 11; Stelkens, a.a.O, § 41 Rn. 232; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 14. Auflage 2013, § 41 Rn. 26; Knack/Henneke, VwVfG, Kommentar 9. Auflage 2010, § 41 Rn. 64.
56Die Klägerin hat vom Inhalt der Verfügung vom 3. Juni 2008 nachweislich Kenntnis erlangt. Schon im Juli 2008 meldete sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Angelegenheit „Untersagungsanordnung vom 3. Juni 2008“ bei dem Beklagten.
57Die Untersagungsverfügung vom 3. Juni 2008 ist auch inhaltlich wirksam. Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 44 VwVfG NRW sind nicht ersichtlich. Die Untersagungsverfügung ist insbesondere nicht deshalb unwirksam, weil sich die Rechtslage seit ihrem Erlass durch das Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages am 1. Dezember 2012 in Nordrhein-Westfalen maßgeblich verändert hat. Dies begründet keinen besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG NRW. Die Rechtsänderung, die ohnehin nicht die hier maßgeblichen Zeitpunkte der Festsetzung der Zwangsgelder und nicht einmal den Zeitraum bis zum Abschluss der Vollstreckung im Januar 2012 betrifft, lässt die Titelfunktion des Bescheids im Rahmen seiner Vollstreckung in der Vergangenheit unberührt.
58Auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung kommt es bei der Beurteilung der hier vorliegenden Zwangsgeldfestsetzungen nicht an. Vollstreckungsmaßnahmen setzen lediglich einen wirksamen, unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Grundverwaltungsakt voraus. Einwendungen gegen dessen Rechtmäßigkeit können im Vollstreckungsverfahren nicht geltend gemacht werden.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 7 C 5.08 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Dezember 2012 - 12 B 1339/12 -, juris, Rn. 3, vom 20. Januar 2012 - 4 B 1425/11 -, juris, Rn. 4, und vom 19. Januar 2011 - 13 B 1290/10 ‑, juris, Rn. 7.
60Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus unionsrechtlichen Vorschriften. Das Unionsrecht enthält keine speziellen Vorgaben für die Ausgestaltung des nationalen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, wenn sich jemand auf die Unionsrechtswidrigkeit eines nationalen Verwaltungsaktes beruft. Vielmehr ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die dem Bürger eine Prüfung der Vereinbarkeit nationalen Rechts mit dem Unionsrecht ermöglichen. Es muss lediglich nach dem System der nationalen Rechtsordnung einen Rechtsbehelf geben, mit dem wenigstens inzident die Wahrung der Rechte gewährleistet werden kann, die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen.
61Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2012 - 4 B 1425/11 -, juris m. w. N.
62Ebenso wenig kann aus dem von der Klägerin angeführten Urteil des EuGH vom 29. April 1999 - Rs. C-224/97 (Ciola), Rn. 16 - hergeleitet werden, dass im Verwaltungsvollstreckungsverfahren die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung nochmals zu prüfen ist. Nach der genannten Entscheidung muss ein gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßendes Verbot, das durch eine individuell-konkrete, bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidung eingeführt wurde, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Geldstrafe unangewendet bleiben. Eine Zwangsgeldfestsetzung ist keine solche Sanktion, sondern ein Beugemittel, das den Betroffenen zur Befolgung des Verwaltungsakts veranlassen soll.
63Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juli 2011 ‑ 13 B 696/11 -, juris, Rn. 55, und vom 20. Januar 2012 - 4 B 1425/11 -, juris, Rn. 16.
64Dementsprechend können und müssen Zwangsgeldfestsetzungen und ‑beitreibungen - ggf. über ein Wiederaufgreifen gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG NRW - rückabgewickelt werden, wenn die zu vollstreckende Untersagungsverfügung nachträglich in Ansehung des Zeitraums beseitigt wird, in welchem sie zwangsweise durchgesetzt wurde.
65Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 17.12 -, juris, Rn. 20.
66Das ist bei der Untersagungsverfügung des Beklagten nicht der Fall. Die in der Vergangenheit vollstreckte Untersagung vom 3. Juni 2008 ist als Vollstreckungstitel nicht entfallen. Der Senat hat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren 13 A 2018/11 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 2011 zurückgewiesen. Mangels einer Aufhebung der Untersagungsverfügung für die Vergangenheit (ex tunc) bleibt sie die Grundlage für die Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten.
67Die festgesetzten Zwangsgelder sind auch ordnungsgemäß angedroht worden (vgl. § 63 VwVG NRW). Die Zwangsgeldandrohungen vom 21. Mai 2010 und 28. Juni 2010 sind der Klägerin entsprechend der Vorgabe in § 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW wirksam zugestellt worden. § 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW enthält eine zwingende Regelung über die Form der Bekanntgabe (§ 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW) als Voraussetzung der Wirksamkeit des Verwaltungsakts (§ 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW), deren Nichtbeachtung - vorbehaltlich von Heilungsmöglichkeiten - grundsätzlich zur Unwirksamkeit des betreffenden Verwaltungsakts führt.
68Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Januar 1993 ‑ 20 B 3082/92 -, juris, Rn. 11.
69Der auf Malta ansässigen Klägerin sind die Zwangsgeldandrohungen auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW durch Einschreiben mit Rückschein wirksam zugestellt worden. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW erfolgt eine Zustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein, soweit die Zustellung von Dokumenten unmittelbar durch die Post völkerrechtlich zulässig ist. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Mai 2011 ist anzunehmen, dass Malta einer verwaltungsrechtlichen direkten Zustellpraxis nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG nicht widerspricht und die Zustellung eines Verwaltungsakts einer deutschen Behörde auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet durch Einschreiben mit Rückschein duldet. Diese Einschätzung könnten die von der Klägerin vorgelegten Schreiben des maltesischen Botschafters in Berlin vom 7. Juli 2011 und des maltesischen Außenministeriums vom 13. Juli 2011 in Frage stellen. Allerdings hält das Auswärtige Amt in seiner weiteren Stellungnahme vom 20. Februar 2014 in Kenntnis dieser Schreiben daran fest, dass die Republik Malta die Zustellung eines Verwaltungsakts einer deutschen Behörde an eine Person auf ihrem Staatsgebiet durch Einschreiben mit Rückschein dulde, weil Malta das Europarechtsabkommen vom 24. November 1997 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland unterzeichnet, wenn auch noch nicht ratifiziert habe.
70Selbst wenn ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Nr. 1 LZG NRW vorliegt, ist er jedenfalls gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden. Gemäß § 8 LZG NRW gilt ein Dokument, wenn sich die formgerechte Zustellung nicht nachweisen oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten nachweislich zugegangen ist. Zu der Möglichkeit einer Heilung hat der Senat im Beschluss vom 14. Juli 2011 - 13 B 696/11 - bereits ausgeführt:
71Die Heilungsregelung in § 8 LZG NRW ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch bei einer Zustellung im Ausland nach § 9 LZG NRW anwendbar. § 8 LZG NRW regelt allgemein die Heilung von Zustellungsmängeln, ohne die Heilungsmöglichkeit ausdrücklich auf die vorstehenden Zustellungsvorschriften in §§ 3 bis 7 LZG NRW zu beschränken. Vom Wortlaut der Norm wird die Zustellung im Ausland nach § 9 LZG NRW daher ohne weiteres erfasst. Dieses Verständnis wird durch § 2 Abs. 2 Satz 2 LZG NRW gestützt, nach dem es sich bei den Regelungen in den §§ 9 bis 11 LZG NRW um Sonderarten der Zustellung handelt.
72Dass das LZG NRW die Auslandszustellung in § 9 LZG NRW erst hinter der Heilungsvorschrift des § 8 LZG NRW regelt, rechtfertigt nicht den Schluss, dass eine Heilung von Zustellungsmängeln bei der Zustellung im Ausland ausgeschlossen ist. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzhofs ist anerkannt, dass Mängel der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nach § 15 VwZG des Bundes in der bis zum 1. Februar 2006 gültigen Fassung - heute § 10 VwZG des Bundes in der Neufassung vom 12. August 2005 (BGBl I S. 2354) - gemäß § 9 VwZG des Bundes a.F. - heute § 8 VwZG des Bundes - geheilt werden können.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 -, NVwZ 1999, 178 (180); BFH, Urteil vom 25. Oktober 1995 - I R 16/95 -, BFHE 179, 202 (206).
74Die systematische Stellung des § 15 VwZG des Bundes a.F. hinter der Heilungsvorschrift in § 9 VwZG des Bundes a.F. wird in den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzhofs nicht thematisiert. Angesichts dessen erscheint auch keine den Wortlaut des § 8 LZG NRW einschränkende Auslegung dahingehend geboten, dass dieser für die Sonderarten der Zustellung in §§ 9 bis 11 LZG NRW nicht gilt. Vielmehr ist bei summarischer Prüfung § 8 LZG NRW auf alle Zustellungsarten einschließlich der Sonderarten anwendbar.
75Vgl. ebenso Erlenkämper/Rhein, a.a.O., § 8 LZG NRW Rdnr. 1; ebenso für die Regelung in § 8 VwZG des Bundes: Sadler, a.a.O, § 8 VwZG Rdnr. 1.
76Soweit die Antragstellerin sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendbarkeit der Heilungsregelung in § 189 ZPO - bzw. § 187 ZPO in der bis zum 31. Januar 2002 geltenden Fassung - auf Auslandszustellungen nach der ZPO bezieht, gibt diese für die Beurteilung des Anwendungsbereichs von § 8 LZG NRW nichts her. Denn die angeführten Entscheidungen betreffen entweder die (fehlende) Heilungsmöglichkeit von Zustellungsmängeln nach dem Haager Zustellungsübereinkommen vom 15. November 1965,
77vgl. BGH, Urteile vom 2. Dezember 1992 ‑ XII ZB 64/91 -, BGHZ 120, 305, und vom 29. April 1999 - IX ZR 263/97 -, BGHZ 141, 286,
78oder die Zustellung einer Klage an einen im Ausland ansässigen Beklagten,
79vgl. BGH, Urteile vom 24. Februar 1972 - II ZR 7/71 -, BGHZ 58, 177, und vom 24. September 1986 - VIII ZR 320/85 -, BGHZ 98, 263,
80und mithin spezifisch zivilprozessuale Fragestellungen, die im Anwendungsbereich des § 8 LZG NRW keine Rolle spielen. Im Übrigen wird auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte und der Kommentierung zur ZPO ganz überwiegend angenommen, dass Mängel bei der Zustellung im internationalen Rechtsverkehr (§ 183 ZPO n.F. bzw. § 199 ZPO a.F.) vorbehaltlich vorrangigen Völkerrechts nach § 189 ZPO geheilt werden können.
81Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 1. September 1999 - 5 UF 84/99 -, FamRZ 2000, 898; Häublein in: Münchener Kommentar ZPO, 3. Auflage, § 183 Rn. 17; Geimer in: Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 183 Rn. 29 m. w. N.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Auflage, § 183 Rn. 10.
82Hieran hält der Senat auch in Ansehung des Berufungsvorbringens fest.
83Die Voraussetzungen des § 8 LZG NRW für die Heilung eines - hier unter-stellten ‑ völkerrechtlichen Mangels der Zustellung der Zwangsgeldandrohungen liegen vor. Für eine Heilung ist zunächst Voraussetzung, dass die Behörde den Willen hatte, eine Zustellung vorzunehmen. Ferner muss das Dokument dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen sein und der Zeitpunkt des Zugangs muss beweiskräftig feststehen.
84Vgl. Engelhardt/App, Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz, Verwaltungszustellungsgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2011, § 8 Rn. 1, 2 und 4; Sadler, VwVG, VwZG, Kommentar, 8. Auflage 2011, § 8 Rn. 7 und 29.
85Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Dass die Bezirksregierung E. der Klägerin die Zwangsgeldandrohungen zustellen wollte, ist angesichts des Umstandes, dass sie die Bescheide per Einschreiben mit Rückschein abgesandt hat, nicht zweifelhaft. Ausweislich der Vermerke auf den Rückscheinen sind die Bescheide der Klägerin auch nachweislich am 1. Juni 2010 bzw. am 5. Juli 2010 ausgehändigt worden. Dass die Klägerin die Bescheide erhalten hat, wird von ihr im Übrigen auch nicht bestritten und durch die (fristgerechten) Klageerhebungen am 4. August 2010 belegt.
86Soweit die Klägerin sinngemäß einwendet, eine nationale Zustellungsvorschrift könne den Völkerrechtsverstoß, der in der Bekanntgabe bzw. Zustellung als Hoheitsakt auf fremdem Territorium begründet sei,
87vgl. hierzu Engelhardt/App, a. a. O., § 1 VwZG Rn. 6,
88nicht heilen, kann sie sich hierauf als Privatrechtssubjekt nicht berufen. Das Völkerrecht, zu dem auch die Pflicht zur Achtung der Gebietshoheit anderer Staaten gehört, beschränkt sich im Grundsatz auf das Verhältnis zwischen souveränen Staaten. Zwar sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts nach Art. 25 Abs. 2 GG Bestandteil des Bundesrechts und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets. Jedoch kann letzteres nur angenommen werden, wenn die völkerrechtliche Vorschrift die Begründung subjektiver Rechte des Bürgers vorsieht. Dies ist bei dem Erfordernis der Zustimmung eines Staates, auf dessen Staatsgebiet Hoheitsakte vorgenommen werden sollen, nicht der Fall. Es handelt sich hierbei um eine ausschließlich staatsgerichtete, dem Schutz der Souveränität als solche dienende Norm. Daraus allein erwachsen einem Privatrechtssubjekt des betreffenden Staates aber nicht schon inhaltlich subjektive Rechte.
89Vgl. BVerfG, Urteil 22. März 1983 - 2 BvR 475/78 ‑, juris, Rn. 108; BVerfGE 63, 343.
90Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzungen - insbesondere der Höhe nach - bestehen nicht. Der Beklagte konnte aufgrund des fortgesetzten Verstoßes gegen seine Untersagungsverfügung die angedrohten Zwangsgelder auch wiederholt festsetzen, vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 VwVG NRW.
91Vgl. Engelhardt/App, a.a. O., § 13 Rn. 11; Sadler, a. a. O., § 13 VwVG, Rn. 128.
92II. Die (weitere) Zwangsgeldandrohung des Beklagten in der Verfügung vom 28. Juli 2010 erweist sich ebenfalls als rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 55 Abs. 1, 60, 63 VwVG NRW. Die Zwangsgeldandrohung ist insbesondere ihrer Höhe nach nicht zu beanstanden, nachdem die zuvor erfolgten Zwangsgeldandrohungen und -festsetzungen in Höhe von 50.000 Euro bzw. 100.000 Euro die Klägerin nicht dazu veranlasst haben, der Untersagungsverfügung des Beklagten fristgemäß nachzukommen.
93Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
94Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
95Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Tenor
1. Der Antrag auf Beiladung des Landes Nordrhein-
Westfalen wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert beträgt auch im Berufungszulassungsverfahren 192.751,88 Euro
1
G r ü n d e
2Die Anträge haben keinen Erfolg.
31. Der Antrag des Beklagten, das Land Nordrhein-Westfalen beizuladen, ist abzulehnen.
4Die Beiladung des Landes ist nicht notwendig (§ 65 Abs. 2 VwGO). Das Land ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Eine solche Beteiligung setzt voraus, dass die begehrte Sachentscheidung nicht wirksam getroffen werden kann, ohne dass unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Dritten gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden.
5Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2011 - 6 C 11.10 -, NVwZ-RR 2011, 382, m. w. N.
6Das ist nicht der Fall. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 23. Dezember 2011. Über den Antrag ist auf der Grundlage der dargelegten Zulassungsgründe zu entscheiden (§124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Eine Beiladung zu einem solchen Verfahren kann nicht dem Zweck genügen, eine einheitliche Sachentscheidung gegenüber allen am streitigen Rechtsverhältnis Beteiligten herbeizuführen.
7Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 2000 - 7 B 58.00 -, NVwZ 2001, 202.
8Unabhängig hiervon müsste auch die Entscheidung in einem dem Zulassungsverfahren nachfolgenden Berufungsverfahren nicht aus Rechtsgründen auch gegenüber dem Land einheitlich ergehen. Die von der Klägerin erstrebte Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 11. Januar 2010 betrifft selbst dann, wenn sie entscheidungstragend auf das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit des Beklagten gestützt wird und dies die gerichtliche Feststellung in den Urteilsgründen einschließt, dass die sachliche Zuständigkeit bei der Bezirksregierung lag, nicht unmittelbar Rechte des Landes. Die Folgen, die eine auf mangelnder sachlicher Zuständigkeit des Beklagten beruhende Aufhebung der Ordnungsverfügung möglicherweise für Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche des Beklagten gegen das Land hat, betreffen nicht das streitige Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten.
9Durch die Entscheidung über die Zulassung der Berufung können auch nicht rechtliche Interessen des Landes im Sinne von § 65 Abs. 1 VwGO berührt werden. Der für eine solche Möglichkeit maßgebende Inhalt der Entscheidung
10- vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. März 2008 - 9 A 74.07 -, Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 151 -
11kann die Rechtsposition des Landes nicht verbessern oder verschlechtern. Da die Zulassung der Berufung von den dargelegten und vorliegenden Zulassungsgründen abhängt, lässt die Entscheidung hierüber die Rechte eines bislang am Verfahren nicht Beteiligten unberührt.
12Vgl. OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 26. Mai 2008 - 2 N 164.07 -, juris; Bier in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 65 Rn. 30, jeweils m. w. N.
13Eine vom Beklagten als Grund für die Beiladung in den Blick genommene Entscheidung in der Sache, also über die Aufhebung der Ordnungsverfügung, steht im Zulassungsverfahren nicht an. Nimmt man gleichwohl an, dass eine Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO während des Berufungszulassungsverfahrens nicht ausgeschlossen ist,
14vgl. Czybulka in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 65 Rn. 57,
15kann die Beiladung in diesem Verfahrensstadium allenfalls der Vorbereitung des bis zur Entscheidung über die Zulassung der Berufung möglichen Berufungsverfahrens dienen. Unter diesem Blickwinkel ist die Beiladung des Landes jedenfalls nicht sachdienlich. Erst während des sich gegebenenfalls an das Zulassungsverfahren anschließenden Berufungsverfahrens kann für das Land die Funktion der Beiladung erreicht werden, den Beizuladenden in die Lage zu versetzen, seine Interessen mit potenziell entscheidungserheblichem Vorbringen in das Verfahren einzubringen und die Rechtskraftwirkung nach § 121 VwGO zu erstrecken. Mit einer Beiladung im Berufungszulassungsverfahren ist den Interessen des Landes nicht gedient. Beteiligter im erstinstanzlichen Verfahren kann das Land ohnehin nach dessen Abschluss nicht mehr werden, so dass es auch durch eine nunmehr vorgenommene Beiladung nicht in die Lage versetzt werden könnte, gegebenenfalls selbst Rechtsmittel gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts einzulegen.
16Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 4. April 2000 - 7 B 190.99 -, juris, m. w. N.
172. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.
18Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe fristgerecht dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das ist hier nicht der Fall.
19Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung der Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 11. Januar 2010 ausgeführt: Nicht der Beklagte sei für den Vollzug wasserrechtlicher Vorschriften betreffend das Chemikalienlager sachlich zuständig gewesen, sondern die Bezirksregierung B. . Bei dem Chemikalienlager habe es sich um eine Anlage im Sinne von § 2 Abs. 2 der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU) gehandelt. Diese Anlage habe in einem engen räumlichen Zusammenhang mit der Destillationsanlage gestanden, die der sachlichen Zuständigkeit der Bezirksregierung unterfallen sei, und sei von demselben Betreiber, nämlich der Klägerin, betrieben worden. Halte man das Chemikalienlager nicht für eine Anlage im Sinne von § 2 Abs. 2 ZustVU, sei es eine Nebeneinrichtung der Destillationsanlage und werde die sachliche Zuständigkeit der Bezirksregierung durch § 2 Abs. 1 ZustVU begründet.
20Dem setzt der Beklagte mit seinem Zulassungsvorbringen nichts entgegen, was einen Zulassungsgrund ergibt.
21Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Derartige Zweifel müssen sich auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Rechtsfindung beziehen, hier also auf die Richtigkeit der Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 11. Januar 2010. Zweifel lediglich an einzelnen Begründungserwägungen reichen nur aus, wenn sie auf das Ergebnis durchschlagen.
22Auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Feststellung der sachlichen Unzuständigkeit des Beklagten.
23Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Annahme ernstlicher Zweifel entgegensteht, dass das Verwaltungsgericht das Chemikalienlager in einer Hilfserwägung als Nebeneinrichtung der Destillationsanlage eingestuft und die sachliche Zuständigkeit der Bezirksregierung insoweit aus § 2 Abs. 1 ZustVU abgeleitet hat. Versteht man die Hilfserwägung dahin, dass das Verwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil selbständig tragend auch darauf gestützt hat, dass die sachliche Unzuständigkeit des Beklagten für den Erlass der Ordnungsverfügung aus § 2 Abs. 1 ZustVU folgt, kann die Berufung schon deshalb nicht zugelassen werden. Im Fall einer Mehrfachbegründung mit selbständig tragenden Erwägungen kommt eine Zulassung der Berufung nur in Betracht, wenn bezogen auf jede der Begründungen die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind.
24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. August 2011 - 7 BN 2.11 -, juris, m. w. N. (zur Zulassung der Revision).
25Auf eine Zuständigkeit der Bezirksregierung gemäß § 2 Abs. 1 ZustVU geht der Beklagte mit seinem Zulassungsvorbringen aber nicht ein. Er wendet sich allein gegen die Herleitung der Zuständigkeit der Bezirksregierung aus § 2 Abs. 2 ZustVU.
26Jedenfalls dringt der Beklagte mit dem auf die sachliche Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2 ZustVU bezogenen Zulassungsvorbringen nicht durch, und zwar auch dann nicht, wenn man seine Ausführungen zu den Zulassungsgründen der besonderen Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache einbezieht.
27Nach § 2 Abs. 2 ZustVU erfasst die Zuständigkeit nach Abs. 1 alle weiteren Anlagen, die von demselben Betreiber in einem engen räumlichen Zusammenhang mit der Anlage nach Anhang I betrieben werden, soweit sie gewerblichen Zwecken dienen.
28Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet, weil - was nicht zweifelhaft ist - die Bezirksregierung B. als obere Umweltschutzbehörde (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZustVU) nach § 2 Abs. 1 ZustVU in Bezug auf die Destillationsanlage sowie für den Vollzug der Rechtsvorschriften zuständig war, die der Ordnungsverfügung vom 11. Januar 2010 zugrunde liegen. In Zweifel gezogen wird vom Beklagten allein die räumliche Erstreckung dieser Zuständigkeit auf das Chemikalienlager, das sich, von der auf dem Grundstück I. 22 in J. befindlichen Destillationsanlage räumlich getrennt, auf dem Grundstück L. N. 13 in J. befand, und zwar auf den Freiflächen des Grundstücks und in der aufstehenden Halle.
29Die Erstreckung der Zuständigkeit der Bezirksregierung auf das Chemikalienlager scheitert nicht daran, dass es sich hierbei nach § 2 Abs. 2 ZustVU um eine weitere "Anlage" gehandelt haben muss. Bei dem Chemikalienlager handelte es sich um eine solche Anlage.
30Der Begriff der Anlage ist für § 2 ZustVU nicht gesondert definiert. Der für § 2 Abs. 1 ZustVU bedeutsame Katalog des Anhangs I nimmt, soweit er ausdrücklich bezeichnete Anlagen umfasst, ersichtlich Bezug auf den Anlagenbegriff in den jeweils betroffenen Rechtsgebieten. Gemeinsam ist diesen Anlagen wie den sonstigen in Anhang I genannten Objekten, dass sie aus technischen oder sonst gegenständlich verkörperten Einrichtungen bestehen, die bestimmten Zwecken dienen und hierzu betrieben werden. Überträgt man das auf § 2 Abs. 2 ZustVU, sind unproblematisch Grundstücke und Hallen eingeschlossen, die zum Lagern von Chemikalien dienen. Gleiches gilt, wenn man, was wegen des mit § 2 Abs. 2 ZustVU bezweckten "Zaunprinzips" bei besonders umweltrelevanten Anlagen und des notwendigen Zusammenhangs mit einer Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 ZustVU sachgerecht ist, auf das jeweilige fachrechtliche, hier wegen der Anknüpfung an die Destillationslage also immissionsschutzrechtliche, Begriffsverständnis von Anlagen zurückgreift. Die Begründung des Gesetzes zur Kommunalisierung von Aufgaben des Umweltrechts vom 11. Dezember 2007 (GV. NRW. S. 662), als dessen Artikel 15 die Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz erlassen worden ist, verweist zur Konkretisierung des Zusammenhangs zwischen den Anlagen im Sinne von § 2 Abs. 1 ZustVU und den weiteren Anlagen im Sinne von § 2 Abs. 2 ZustVU auf die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV.
31Vgl. LT-Drucks. 14/4973, S. 200.
32Die letztgenannte Vorschrift beruht ihrerseits auf dem immissionsschutzrechtlichen Anlagenbegriff. Die insoweit heranzuziehende Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 5 BImSchG definiert als Anlagen unter anderem Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen (Nr. 1) sowie Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert werden, die Emissionen verursachen können (Nr. 3). Gesichtspunkte, die hinsichtlich des Chemikalienlagers gegen ein identisches Begriffsverständnis im Regelungsbereich von § 2 Abs. 2 ZustVU sprechen können, sind dem Zulassungsvorbringen nicht zu entnehmen. Der Beklagte lässt sich im Ausgangspunkt gerade von den Kriterien von § 3 Abs. 5 BImSchG leiten. Die von ihm geäußerten Zweifel daran, dass das Chemikalienlager den Anlagen im Sinne dieser Regelung zuzuordnen ist, sind nicht berechtigt.
33Soweit er geltend macht, die Voraussetzungen von § 3 Abs. 5 BImSchG seien beim Lagern von Stoffen auf einem Grundstück nur erfüllt, wenn das Grundstück bestimmungsgemäß und nicht nur gelegentlich zum Lagern diene, gibt es einen tragfähigen Anhaltspunkt weder für seine Annahme, das Verwaltungsgericht habe dieses Erfordernis verneint, noch für Bedenken dagegen, dass das Lagern von Chemikalien eine bestimmungsgemäße Nutzung des Grundstücks L.
34N. 13 darstellte.
35Das Verwaltungsgericht hat sich zur Bestimmungsgemäßheit der Nutzung des Grundstücks zum Lagern von Chemikalien nicht ausdrücklich geäußert. Sein Schweigen zu diesem Punkt erklärt sich aber erkennbar ohne Weiteres aus den örtlichen Gegebenheiten und daraus, dass es die Klägerin, die Eigentümerin des Grundstücks war, als (Mit-)Betreiber des Lagers betrachtet hat. Angesichts der mehr als 1.000 und damit in ganz beträchtlicher Menge auf dem Grundstück sowie in der Halle vorgefundenen Behälter mit unterschiedlichen Chemikalien und der sonstigen objektiven Gegebenheiten deutet alles darauf hin, dass das Grundstück und/oder die Halle zum Lagern von Chemikalien nicht lediglich gelegentlich, kurzzeitig, untergeordnet oder sonst in einer nicht genügend verfestigten und deshalb für die Zweckbestimmung des Grundstücks und/oder der Halle nicht ins Gewicht fallenden Art und Weise verwendet worden ist und dass außerdem diese Verwendung auf eine Zwecksetzung seitens der Klägerin zurückgeht. Gegenläufige Anhaltspunkte dafür, dass das Lagern von Chemikalien nicht wesentlicher Inhalt einer Zweckbestimmung durch die Klägerin war, sind nicht dargetan worden oder sonst erkennbar. Die Verhältnisse auf dem Grundstück wurden durch dessen Nutzung zum Lagern der Behälter mitsamt den Chemikalien geprägt. Die große Anzahl der Behälter und der Chemikalien auf dem Grundstück trägt ohne Weiteres den Schluss auf einen über längere Zeit hinweg planmäßig entstandenen, zeitlich verfestigten und auf unbestimmte Dauer angelegten Zustand des Grundstücks mitsamt der Halle. Auch der Beklagte nimmt an, dass die Nutzung des Grundstücks dem Willen der Klägerin entsprach.
36Die Bestimmungsgemäßheit der Nutzung des Grundstücks zum Lagern von Chemikalien scheitert nicht daran, dass diese Verwendung nicht genehmigt war. Vielmehr zog das Fehlen der Genehmigung die Rechtswidrigkeit der Nutzung und damit der Anlage nach sich. Maßgeblich für die Bestimmung eines Grundstücks zu einem Zweck ist im Rahmen von § 3 Abs. 5 BImSchG - und vergleichbarer Regelungen im Zusammenhang mit Zulassungserfordernissen - die Funktion, der das Grundstück tatsächlich dient. Die Festlegung des Zwecks äußert sich typischerweise in der Nutzung des Grundstücks. Wird die Nutzung ohne eine erforderliche Genehmigung ausgeübt, führt das zu deren Rechtswidrigkeit. Das setzt notwendig voraus, dass die Zweckbestimmung das Genehmigungserfordernis auslöst und die Genehmigung nicht ihrerseits eine Voraussetzung für die Zweckbestimmung bildet.
37Soweit das Zulassungsvorbringen zum Fehlen der Genehmigung und zur Rechtswidrigkeit der Nutzung des Grundstücks zum Lagern von Chemikalien beinhaltet, dass der Beklagte die Rechtmäßigkeit der weiteren Anlage als Voraussetzung für die Erstreckung der Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2 ZustVU betrachtet, sind keine substantiierten Anhaltspunkte dargetan worden oder sonst ersichtlich, die diese Auffassung stützen können und den entgegengesetzten Standpunkt des Verwaltungsgerichts erschüttern. Die Regelung in Anhang I ZustVU, wonach hierbei auf die Anlagen abzustellen ist, die genehmigt sind oder angezeigt wurden oder deren Genehmigung beantragt wurde (Anhang I 2. Spiegelstrich Satz 2 ZustVU in der Fassung von Art. 1 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung zur Änderung der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz vom 9. Juni 2009 (GV. NRW. S. 337), nunmehr Anhang I Abs. 2 ZustVU in der Fassung von Art. 1 Nr. 4 Buchst. a und b der weiteren Änderungsverordnung vom 21. Dezember 2010 (GV. NRW. S. 700)), bezieht sich nicht auf § 2 Abs. 2 ZustVU. Anhang I ZustVU bezeichnet im Zusammenspiel mit § 2 Abs. 1 ZustVU die Anlagen, die der originären Zuständigkeit der Bezirksregierung zugeordnet werden. Durch die Regelung soll erreicht werden, dass die Zuständigkeit der Bezirksregierung nach Anhang I ZustVU, also in den Fällen von § 2 Abs. 1 ZustVU, ausschließlich in Abhängigkeit von der Genehmigungslage greift. Bei der Zuständigkeit nach Anhang I ZustVU soll es auf den genehmigten oder angezeigten Anlagenbestand ankommen, nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort.
38Vgl. hierzu LT-Vorlagen 14/2579 (zu Art. 1 Nr. 4 Buchst. a) und 15/125 (zu Art. 1 Nr. 4).
39Das betrifft nicht den Regelungsgehalt von § 2 Abs. 2 ZustVU. Die von dieser Vorschrift erfassten weiteren Anlagen sind, wie der Wortlaut ("weitere") und der systematische Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 ZustVU zeigen, keine Anlagen, die Anhang I ZustVU unterfallen. Bei den Anlagen nach § 2 Abs. 2 ZustVU wird die an sich bei einer anderen Behörde liegende Zuständigkeit wegen des Zusammenhangs mit einer Anlage nach Anhang I ZustVU auf die Bezirksregierung verlagert mit der Folge einer dort eintretenden Bündelung der Zuständigkeiten. Zur Abgrenzung der von der Bündelung betroffenen weiteren Anlagen enthält § 2 Abs. 2 ZustVU eigenständige Merkmale, die weder ausdrücklich noch sinngemäß auf Anhang I ZustVU oder das dort normierte Kriterium der Genehmigung bzw. Anzeige verweisen. Die Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz bietet keinen Ansatzpunkt für eine Auslegung von § 2 Abs. 2 ZustVU dahingehend, dass auch für die dort geregelten weiteren Anlagen die Genehmigungslage entscheidend sein soll. Das mit dieser Vorschrift bezweckte "Zaunprinzip" in der Zuständigkeit der Bezirksregierung hat bei den Überlegungen, die bei Erlass der Änderungsverordnungen vom 9. Juni 2009 und 21. Dezember 2010 für die Maßgeblichkeit der Genehmigungslage bei den Anlagen nach Anhang I ZustVU genannt worden sind, keine Rolle gespielt. Die Zielsetzung des "Zaunprinzips", für die umweltrechtlichen Belange aller Anlagen, die in einem räumlichen und betriebstechnischen Zusammenhang stehen, die Zuständigkeit einer einzigen Behörde zu begründen,
40vgl. LT-Drucks. 14/4973, S. 1, 191, 200 f.,
41bezieht die Genehmigungslage bei derartigen Anlagen nicht ein und wird bezogen auf die Zuständigkeit der Bezirksregierung für von dem virtuellen Zaun umfasste Anlagen dadurch realisiert, dass die sich in Anknüpfung an die Anlagen nach Anhang I ZustVU ergebende Zuständigkeit auf andere Anlagen ausgedehnt wird. Es ist auch nicht etwa selbstverständlich, dass in Verfolgung des "Zaunprinzips" eine Zuständigkeit der Bezirksregierung nur in Abhängigkeit von der Genehmigungslage begründet werden soll. Die Entscheidungserheblichkeit der Genehmigungslage für die Bündelung der Zuständigkeiten hätte entgegen dem Sinn und Zweck des "Zaunprinzips" zur Folge, dass bei den im vorausgesetzten Zusammenhang stehenden und nach dessen Maßgabe als für eine einheitliche Zuständigkeit prinzipiell geeignet eingestuften Anlagen gerade nicht nur eine Umweltschutzbehörde zuständig wäre, wenn es an der erforderlichen Genehmigung bzw. Anzeige für die weitere Anlage fehlt.
42Die Kritik des Beklagten an der beiläufigen Bemerkung des Verwaltungsgerichts, das Genehmigungskriterium nach Anhang I ZustVU sei erst durch die Änderungsverordnung vom 21. Dezember 2010 eingefügt worden, betrifft einen für das erstinstanzliche Urteil nicht tragend herangezogenen und damit vorliegend nicht entscheidungserheblichen Gesichtspunkt. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht im Übrigen in der Sache zutreffend davon ausgegangen ist, dass das Genehmigungskriterium nicht für eine weitere Anlage im Sinne von § 2 Abs. 2 ZustVU gilt. Zudem war § 2 Abs. 2 ZustVU, auf den sich die Ausführungen des Beklagten beziehen, bislang nicht Gegenstand von nachträglichen Änderungen, sondern gilt in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes zur Kommunalisierung von Aufgaben des Umweltrechts. Geändert worden ist, soweit vorliegend von Belang, lediglich Anhang I ZustVU, der verknüpft ist mit § 2 Abs. 1 ZustVU. Die Bezeichnung der vom Beklagten zum Begriff der Anlage in § 2 Abs. 2 ZustVU als grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Gesichtspunkte beruht hiernach auf nicht zutreffenden Prämissen.
43Das Bestehen eines engen räumlichen Zusammenhangs im Sinne von § 2 Abs. 2 ZustVU zwischen der Destillationsanlage und dem Chemikalienlager ist ebenfalls nicht ernstlich zweifelhaft. Das Zulassungsvorbringen erschüttert nicht den vom Verwaltungsgericht an einen solchen Zusammenhang angelegten rechtlichen Maßstab und verdeutlicht auch nicht, dass das Verwaltungsgericht von einem unzutreffenden oder in entscheidungserheblicher Hinsicht unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist oder den Sachverhalt falsch gewürdigt hat. Der Sache nach verweist der Beklagte auf die begriffliche Unschärfe des Merkmals des engen räumlichen Zusammenhangs, die bei Erlass der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz wegen der Vielfältigkeit der Fallgestaltungen in der Praxis als unausweichlich betrachtet und im Interesse des funktional ausgerichteten "Zaunprinzips" normiert worden ist,
44LT-Drucks. 14/4973, S. 200 f.,
45und hält er der verwaltungsgerichtlichen Würdigung des Sachverhalts nur seine eigene Bewertung der räumlichen Gegebenheiten entgegen. Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu einem falschen Ergebnis gelangt ist, ergeben sich daraus nicht.
46Der Wortlaut von § 2 Abs. 2 ZustVU gibt keinen näheren Aufschluss darüber, wann ein räumlicher Zusammenhang zwischen Anlagen eng ist. Der Vorschrift ist keine Präzisierung beigefügt, die mit § 1 Abs. 3 Satz 2 der 4. BImSchV, der den bei gemeinsamen Anlagen erforderlichen engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang konkretisiert, vergleichbar ist. Aus der unterschiedlichen Umschreibung der räumlichen Beziehungen zwischen mehreren Anlagen durch § 2 Abs. 2 und 3 ZustVU folgt jedoch, dass "eng" im Sinne von § 2 Abs. 2 ZustVU nicht voraussetzt, dass sich die Anlagen auf demselben oder auf aneinander angrenzenden Grundstücken befinden müssen. Damit geht einher, dass nicht jede räumliche Trennung von Anlagen einen engen räumlichen Zusammenhang hindert und "eng" ein wesentlich von den jeweiligen Gesamtumständen abhängiges Verhältnis der relativen Nähe bezeichnet. Mit der Wortbedeutung von "eng" vereinbar ist, dass das Maß der Entfernung der Anlagen voneinander je nach ihrer Größe und den sonstigen Gegebenheiten kleiner oder größer sein kann bzw. muss, um bei wertender Betrachtung noch als eng zu gelten. Das fügt sich ein in das Ziel des "Zaunprinzips", durch die Bündelung von Zuständigkeiten dem Betreiber mehrerer Anlagen innerhalb eines Zauns einen einheitlichen behördlichen Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte trägt in Übereinstimmung hiermit im Anschluss an ministerielle Erläuterungen (www.umwelt.nrw.de/umwelt/zustaendigkeitsverordnung/ index.php), dort Frage-Antwort-Katalog (A.III.3, S. 5), selbst vor, dass mit dem engen räumlichen Zusammenhang eine im Einzelfall anhand der jeweiligen Gegebenheiten und des "Zaunprinzips" zu findende sinnvolle Lösung gemeint ist.
47Das Verwaltungsgericht hat eine derartige wertende Entscheidung getroffen. Es hat sich von der Lage beider Anlagen in demselben Industriegebiet leiten lassen, den Abstand zwischen den Anlagen als gleichsam "um die Ecke liegend" gewürdigt und einbezogen, dass das Lager betrieblich zur Destillationsanlage gehört. Diese Erwägungen stehen ersichtlich im Einklang mit der Zielsetzung des "Zaunprinzips", ohne dass eine Fehlgewichtung deutlich würde. Insbesondere kann keine Rede davon sein, dass das Verwaltungsgericht, was unvertretbar wäre, "jede noch so weit entfernte Anlage des Betreibers in den Zaun" einbezogen hat. Nimmt man mit dem Beklagten an, dass in Zweifelsfällen die Entscheidung zu Gunsten einer einheitlichen Zuständigkeit getroffen werden soll, ist erst recht nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht den Sachverhalt fehlerhaft gewürdigt hat, zumal der Beklagte im Verwaltungsverfahren ursprünglich selbst von der Zuständigkeit der Bezirksregierung unter anderem auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 ZustVU ausgegangen ist.
48Soweit der Beklagte die für den Zusammenhang in § 1 Abs. 3 Satz 1 der 4. BImSchV entwickelten Kriterien auf § 2 Abs. 2 ZustVU überträgt, bleibt die unterschiedliche Zielrichtung beider Vorschriften unberücksichtigt und fehlt es an einer Grundlage für die Gleichsetzung der Voraussetzungen beider Vorschriften. Während gemeinsame Anlagen aus Anlagen derselben Art wegen des sich aus ihrem Zusammenhang ergebenden Gefährdungspotentials für die Umwelt gebildet werden,
49vgl. Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 4. BImSchV, § 1 Rn. 21, 25,
50beruht § 2 Abs. 2 ZustVU auf dem Gesichtspunkt der Bündelung von Zuständigkeiten für Anlagen allgemein, wobei es entscheidend darauf ankommt, dass es sich um Anlagen desselben Betreibers handelt. Darüber hinaus bringt der Beklagte selbst vor, dass der Zaun des "Zaunprinzips" weiter gesteckt ist als der Zusammenhang im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV.
51Die Annahme des Beklagten, dass die Entfernung zwischen den beiden Anlagen von - nach seinen Angaben - 200 m Luftlinie gegen das Bestehen eines engen räumlichen Zusammenhangs spricht, verdeutlicht angesichts der Bandbreite, die dem Begriff "eng" im gegebenen Regelungszusammenhang beigelegt ist, nicht, dass die gegebene räumliche Distanz zwischen den Anlagen trotz der sonstigen Umstände im Wortsinn oder bei sachgerechter Wertung nicht mehr als "eng" eingeordnet werden kann. Sein Hinweis darauf, dass die räumliche Entfernung mit einer räumlichen Trennung der Anlagen einhergeht, ist, weil nicht aneinander grenzende Anlagen zwingend räumlich getrennt sind, unergiebig. Warum der Zusammenhang zwischen Anlagen im Sinne von § 2 Abs. 2 ZustVU für Außenstehende äußerlich erkennbar sein muss, um als "eng" eingeordnet werden zu können, erschließt sich nicht. Der Umstand, dass der Betrieb der Destillationsanlage, wie der Beklagte vorträgt, nicht auf das Chemikalienlager angewiesen war, trägt keinen Zweifel daran, dass das Chemikalienlager tatsächlich dem Betrieb der Destillationsanlage gedient hat. Die bloße Behauptung des Beklagten, es habe kein enger betriebstechnischer und organisatorischer Zusammenhang zwischen den beiden Anlagen bestanden, ist angesichts der anderslautenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur betrieblichen funktionalen Verbindung zwischen den Anlagen unsubstantiiert.
52Die Erwägungen des Beklagten zum "Zaunprinzip" einerseits und der Grundzuständigkeit der unteren Umweltschutzbehörde nach § 1 Abs. 3 ZustVU andererseits beschreiben gegensätzliche Zielsetzungen, die bei der Bewertung der räumlichen Situation zu bedenken sind, führen aber nicht entscheidend weiter. Richtig ist, dass die Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (auch) die Kommunalisierung des Umweltrechts bezweckt und hierzu durch § 1 Abs. 3 ZustVU die grundsätzliche sachliche Zuständigkeit der Kreise und kreisfreien Städte als untere Umweltschutzbehörden festgelegt wird.
53Vgl. LT-Drucks. 14/4973, S. 1, 199.
54Die Zuständigkeit der unteren Umweltschutzbehörden wird aber durch die Regelungen begrenzt, die hinsichtlich der Zuständigkeit anderes bestimmen. Anderes bestimmt wird, soweit vorliegend entscheidungserheblich, nicht zuletzt durch das "Zaunprinzip" nach § 2 Abs. 2 ZustVU für Anlagen, die - gemessen an § 2 Abs. 1 ZustVU und den übrigen Regelungen der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz - eigentlich dem kommunalen Zuständigkeitsbereich unterfallen würden. Das "Zaunprinzip" gehört ebenfalls zu den Grundgedanken für die Zuordnung der Zuständigkeiten. § 1 Abs. 3 ZustVU legt regelungstechnisch im Sinne einer Grundzuständigkeit fest, dass eine von der Zuständigkeit der unteren Umweltschutzbehörden abweichende Zuständigkeit vom Eingreifen besonderer Vorschriften abhängt. Dadurch wird der Zuständigkeit der unteren Umweltschutzbehörden kein Vorrang vor anderweitigen Zuständigkeiten eingeräumt. Die Zuständigkeiten werden insgesamt aufgabenbezogen festgelegt, so dass der Umschreibung der jeweiligen Aufgabe für die Abgrenzung der Zuständigkeiten entscheidendes Gewicht zukommt.
55Das Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe anstelle eines "engen" räumlichen Zusammenhangs einen "hinreichenden" räumlichen Zusammenhang ausreichen lassen, weckt keine Zweifel an der Richtigkeit der Bewertung des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat den räumlichen Zusammenhang zwischen den beiden Anlagen ausdrücklich anhand des Merkmals "eng" geprüft und gewürdigt; es hat das Vorliegen dieses Merkmals bejaht. Die vom Beklagten aufgegriffene Formulierung des hinreichenden räumlichen Zusammenhangs findet sich bei den Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Entscheidungserheblichkeit des Genehmigungskriteriums im Rahmen von § 2 Abs. 2 ZustVU. Sie bringt eindeutig zum Ausdruck, dass das Verwaltungsgericht ausschlaggebend auf einen dem Begriff "eng" genügenden räumlichen Zusammenhang abstellt.
56Die Bedenken des Beklagten gegen die vom Verwaltungsgericht in seine Bewertung des räumlichen Zusammenhangs eingestellte betriebliche Funktion des Lagers für die Destillationsanlage verfangen nicht. Unrichtig sind die vom Verwaltungsgericht dabei berücksichtigten tatsächlichen Gegebenheiten nicht. Der Umstand, dass mehr Flüssigkeiten angekauft worden sind, als in der Destillationsanlage verarbeitet werden konnten, stützt nicht die vom Beklagten gezogene Folgerung, das Chemikalienlager sei von der Destillationsanlage unabhängig gewesen, und deutet nicht auf das Fehlen betrieblicher Beziehungen zwischen dem Chemikalienlager und der Destillationsanlage hin. Nach dem insofern unwidersprochen gebliebenen Tatbestand des angefochtenen Urteils steht in Rede, dass in dem Lager jedenfalls auch Stoffe untergebracht waren, die in der Destillationsanlage behandelt worden waren oder behandelt werden sollten. Soweit der Beklagte beanstandet, das Verwaltungsgericht sei ohne weitere Sachaufklärung dem Vorbringen der Klägerin gefolgt, auf dem Grundstück des Chemikalienlagers hätten Destillate der auf dem Grundstück der Destillationsanlage tätigen X. -E. -GmbH gelagert, sind keine greifbaren Anhaltspunkte dargetan oder ersichtlich, die Zweifel an der Richtigkeit des vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Geschehens tragen und zumindest auf die Erforderlichkeit einer weiteren Ermittlung des Sachverhalts hindeuten können. Den im Tatbestand wiedergegebenen Aktenvermerken zur Herkunft und zum Zweck der gelagerten Chemikalien tritt der Beklagte nicht konkret entgegen. Danach haben der Beklagte und andere Behörden vorprozessual übereinstimmend angenommen, dass es sich bei den Chemikalien um Stoffe handelt, die zur Behandlung in der Destillationsanlage vorgesehen oder dort bereits behandelt worden waren. Es sind keine substantiellen Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Einschätzung dargetan worden oder sonst ersichtlich.
57Soweit der Beklagte die Aussage im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils beanstandet, die X. -Solvent-Vertriebs GmbH habe zuletzt unter der Anschrift L. N. 13 firmiert, ist anhand der Entscheidungsgründe des Urteils nicht festzustellen, dass sich ein diesbezüglicher Irrtum des Verwaltungsgerichts auf seine entscheidungstragenden Erwägungen ausgewirkt hat. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht die Klägerin als Betreiberin der Destillationsanlage und des Chemikalienlagers angesehen sowie die X. -E. -GmbH und die X. -T. -Vertriebs GmbH als kaufmännischen Rahmen der Betätigung der Klägerin, also lediglich als juristische Konstruktion, betrachtet. Eine potenzielle Intensivierung des räumlichen Zusammenhangs zwischen der Destillationsanlage und dem Chemikalienlager durch das Grundstück L. N. 8, das der Beklagte als Betriebsanschrift der X. -T. -Vertriebs GmbH benennt, hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich dahinstehen lassen. Entscheidungserhebliche Fehler des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken liegen ebenfalls nicht vor.
58Bezieht man die Ausführungen des Beklagten zu einer unzulänglichen Differenzierung zwischen der Klägerin, der X. -E. -GmbH und der X. -T. -Vertriebs GmbH auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Identität der Betreiber des Chemikalienlagers und der Destillationsanlage, ergeben sich auch in diesem Punkt keine Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der Rechtsfindung des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat durchaus die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse betrachtet. Insbesondere ist es vom Eigentum der Klägerin unter anderem am Grundstück des Chemikalienlagers ausgegangen.
59Hiernach liegen auch die vom Beklagten geltend gemachten besonderen Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht vor. Es gehört zum üblichen gerichtlichen Aufgabenspektrum im Rahmen verwaltungsgerichtlicher Streitigkeiten, die sachliche Zuständigkeit von Ordnungsbehörden zu beurteilen und dabei auch räumliche Beziehungen zu bewerten.
60Die Rechtssache hat ferner nicht die aus der Sicht des Beklagten gegebene grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
61Soweit der Beklagte es als entscheidungserheblich bezeichnet, ob er selbst oder die Bezirksregierung nach den Vorschriften der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz für den Erlass der streitigen Ordnungsverfügung zuständig war, gibt das ersichtlich für einen grundsätzlichen, über den Einzelfall hinausreichenden Klärungsbedarf nichts her. Ein solcher folgt auch nicht aus den vom Beklagten in diesem Zusammenhang angesprochenen "rechtlichen Aspekten".
62Der erste Aspekt ist schon sprachlich unverständlich. Soweit sich aus ihm ebenso wie aus dem zweiten Aspekt ergibt, dass es dem Beklagten auf den Anlagenbegriff des § 3 Abs. 5 BImSchG ankommt, erschließt sich bereits ein konkreter Klärungsbedarf nicht. Dies gilt auch, soweit der Beklagte im Rahmen des ersten Aspekts auf die bestimmungsgemäße Nutzung eines Grundstücks eingeht. Die in ersten beiden Aspekten (wohl) zum Ausdruck kommende Auffassung des Beklagten, der Anlagenbegriff des § 2 Abs. 2 ZustVU habe zum Inhalt, dass es sich um eine Anlage handeln müsse, die genehmigt oder angezeigt worden sei oder für die eine Genehmigung beantragt worden sei, trifft nach dem Vorstehenden weder zu noch ist dargetan worden oder sonst ersichtlich, dass es zu einer entsprechenden Klärung der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
63Die mit dem dritten Aspekt aufgeworfene Frage, wann ein enger räumlicher Zusammenhang von zwei Anlagen anzunehmen ist, ist in dieser Allgemeinheit nicht entscheidungserheblich. Soweit sich die Frage auf die vorliegend maßgeblichen Gesichtspunkte bezieht, ist sie, weil sie einzelfallbezogen zu beantworten ist und die verwaltungsgerichtliche Würdigung der Gegebenheiten keinen konkreten Ansatzpunkten für Bedenken begegnet, nicht weitergehend fallübergreifend klärungsfähig. Der Beklagte geht, wie ausgeführt, selbst vom Erfordernis einer maßgeblich einzelfallbezogenen Entscheidung unter Berücksichtigung der örtlichen und betrieblichen Situation sowie der Ziele des "Zaunprinzips" aus.
64Versteht man das Vorbringen des Beklagten zu Mängeln der verwaltungsgerichtlichen Aufklärung des Sachverhalts dahin, dass der Beklagte sich insofern auf einen Verfahrensmangel beruft (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. § 86 Abs. 1 VwGO), ist ein solcher nicht dargelegt. Soll ein Verstoß gegen den Grundsatz der Amtsermittlung gerügt werden, muss unter anderem dargetan werden, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und dass entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sie sich dem Gericht von sich aus hätten aufdrängen müssen.
65Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328.
66Das Zulassungsvorbringen enthält keine substantiierten Angaben in dieser Richtung.
67Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 GKG.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.