Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 02. März 2009 - 3 O 158/08

bei uns veröffentlicht am02.03.2009

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 19.08.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Die Kläger begehren im Rahmen der Kostenfestsetzung die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses nach Anlage I zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - VV RVG -.

2

Unter dem 30.06.2005 hatten die Kläger Anfechtungsklage gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung erhoben. Die streitgegenständliche Baugenehmigung wurde durch Bescheid der Beklagten vom 21.03.2007 zurückgenommen. Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17.04.2007 das Verfahren ein und legte der Beklagten die Verfahrenskosten mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf. Gegen die vom Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16.07.2007 zur Festsetzung beantragte Terminsgebühr wandte die Beklagte ein, das Vergleichsgespräche objektiv nicht durchgeführt worden seien. Andere beendigende Maßnahmen seien ebenfalls nicht besprochen worden. Die Beklagte habe die streitgegenständliche Baugenehmigung aufgehoben, ohne dass eine Gerichtsverhandlung angesetzt gewesen sei. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts vom 19.07.2007 wurde die beantragte Terminsgebühr mit der Begründung abgesetzt, dass der Gebührentatbestand der Nr. 3104 VV RVG und Vorbemerkung 3 Abs. 3, 3. Alternative VV nicht erfüllt sei. Nicht jede Besprechung löse eine Terminsgebühr aus. Es müsse sich um eine Besprechung handeln, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet sei. Die materielle Rechtslage sei durch die rechtskräftige Entscheidung in dem Verfahren 1 B 1554/04 bereits Ende 2005 geklärt gewesen. Die Beklagte habe in dem Parallelverfahren 1 A 1355/05 deutlich gemacht, dass die streitige Baugenehmigung nicht mehr umgesetzt werde. Da die materielle Rechtslage geklärt gewesen sei, hätten sich die Telefonate, welche in der Folgezeit zwischen dem Klägervertreter und der Beklagten geführt worden seien, wohl auch nicht mehr auf die Erledigung des Rechtsstreits beziehen können. Sofern zwischen den Beteiligten Verfahrensabsprachen getroffen worden seien, würden diese Besprechungen keine Terminsgebühr auslösen. Die mangelnde Gesprächsbereitschaft seitens der Beklagten sei schlüssig und nachvollziehbar. Aus ihrer Sicht habe kein Gesprächsbedarf bestanden, da durch den Ausgang des Verfahrens 1 B 1554/04 die Rechtslage klar gewesen sei. Es habe festgestanden, dass die streitige Baugenehmigung nicht mehr umgesetzt werde. Damit sei dem Kläger der Nachweis des Entstehens der Terminsgebühr nicht gelungen.

3

Die dagegen gerichtete Erinnerung der Kläger wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.08.2008 mit der Begründung zurück, der Prozessbevollmächtigte der Kläger habe die tatsächlichen Voraussetzungen für das Entstehen der Terminsgebühr nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass auch der Beklagtenvertreter an der außergerichtlichen Erledigung des Verfahrens interessiert gewesen sei, ergäben sich nicht. Dem Austausch von Auffassungen über die Rechtslage hinsichtlich der Bestandskraft bzw. Vollziehbarkeit der Baugenehmigung sei ein entsprechender Wille nicht zu entnehmen. Entsprechendes gelte, soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger vortrage, man habe "ausführlich darüber verhandelt, warum der Kreis die Baugenehmigung nicht zurücknimmt". Der Vertreter der Beklagten habe seine Gesprächsbereitschaft bestritten. Da die Erledigung aus Sicht der Gegenseite bereits festgestanden habe, habe die dann noch erfolgende Besprechung nicht auf Erledigung gerichtet sein können.

II.

4

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Kläger ist gemäß §§ 151, 165, 146 VwGO statthaft, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

5

Die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 und Teil 3 Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG liegen nicht vor. Hiernach entsteht eine Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs-, oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts. Eine Terminsgebühr entsteht erst dann, wenn der Rechtsanwalt an einer Besprechung mitgewirkt hat, die objektiv auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet war. Eine einseitige Absicht, das gerichtliche Verfahren zu erledigen oder zu vermeiden, reicht mithin nicht aus, um eine Terminsgebühr entstehen zu lassen. Vielmehr ist auch erforderlich, dass die Gegenseite die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens zumindest im Laufe der Besprechung für sich mit ins Auge fasst und die Besprechung (auch) zu diesem Zwecke führt (OVG Hamburg, B. v. 10.01.2006 - 1 So 177/05 -, NJW 2006, 1543). Zwar reicht für die Entstehung der Terminsgebühr auch eine lediglich telefonische Besprechung aus (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 25.10.2006 - 8 OA 119/06 -, NVwZ-RR 2007, 215). Voraussetzung für die Entstehung der Gebühr ist jedoch des Weiteren, dass es überhaupt zu einer inhaltlichen Ausrichtung auf eine Verfahrenserledigung kommt. Dazu gehören Vergleichsgespräche im eigentlichen Sinn, aber auch Anregungen zu einer Klagerücknahme, einer Erledigungserklärung und die Entgegennahme eines gegnerischen Vergleichsvorschlags zwecks Prüfung. Weitere Voraussetzung für eine Terminsgebühr ist, dass es zu einem Gespräch über die Frage der Verfahrenserledigung kommt, die Besprechung also eine Zweiseitigkeit aufweist. Die Gegenseite muss die Bereitschaft erkennen lassen, in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Eine Terminsgebühr scheidet aus, wenn der Gegner von vornherein ein sachbezogenes Gespräch verweigert (OLG Stuttgart, B. v. 18.02.2009 - 5 W 81/08 -, zitiert nach juris m.w.N. zur Rechtsprechung). Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Erwägungen des Bundesgerichtshofs zu Nr. 5115 VV RVG, wie dieser ausdrücklich ausführt, nicht auf Nr. 1002 bzw. 3104 VV RVG übertragbar (BGH, U. v. 18.09.2008 - IX ZR 174/07).

6

Bei Anwendung dieser Grundsätze haben die insoweit darlegungspflichtigen Kläger die Entstehung der Terminsgebühr auch nach dem Beschwerdevorbringen nicht glaubhaft gemacht. Bei den unstreitig zwischen dem Kläger- und dem Beklagtenvertreter geführten Telefongesprächen fehlte es erkennbar am Erledigungswillen des Beklagtenvertreters bei diesen Gesprächen. Auch wenn dem Vortrag der Beklagtenseite, die Gespräche seien aufgedrängt worden, für sich genommen keine durchgreifende Bedeutung beizumessen sein sollte, bestehen nach der im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss dargelegten Aktenlage hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass auf Beklagtenseite zum Zeitpunkt der Telefongespräche kein Erledigungswille durch Rücknahme der streitgegenständlichen Baugenehmigung bestand. Ausweislich des im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreibens der Beklagten vom 07.11.2006 an die Beigeladene ging die Beklagte noch zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass ausgehend von der Erklärung des Bauherrn (der Beigeladenen), dass die Baugenehmigung nicht vollzogen wird, die Bauaufsichtsbehörde nicht beabsichtige, die erteilte Baugenehmigung aufzuheben. Dass sich diese Auffassung der Beklagten bis zum Erlass des Rücknahmebescheides vom 21.03.2007 geändert hat und dies auf die Telefongespräche mit dem Klägervertreter zurückzuführen ist, ist nicht glaubhaft gemacht. Aus den vom Klägerbevollmächtigten vorgetragenen Gesprächsinhalten ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte, die auf einen Erledigungswillen der Beklagtenseite schließen lassen. Der Umstand, dass der Beklagtenvertreter nach einem der Gespräche noch Akten beiziehen wollte, belegt allenfalls, dass er bereit war, sich inhaltlich auf das Gespräch vorzubereiten. Die anwaltlich versicherte und mit Zeugenbeweisangebot versehene bloße Behauptung, die Gespräche hätten die Erledigung des Rechtsstreits zum Ziel gehabt, reicht im Hinblick auf die o.a., einem Erledigungswillen des Beklagtenvertreters entgegenstehenden Anhaltspunkte zur Glaubhaftmachung nicht aus. Bereits aus dem von Klägerseite in der Beschwerdebegründung vom 04.09.2008, S. 2, angegebenen Gesprächsinhalt lässt sich ein Erledigungswille der Beklagtenseite nicht entnehmen. Hieraus wird vielmehr deutlich, dass die Beklagtenseite die Rücknahme der Baugenehmigung wegen drohender Amtshaftungsansprüche ablehnte. Da der von Klägerseite vorgetragene Gesprächsinhalt als wahr unterstellt werden kann, brauchte der Senat den diesbezüglichen Beweisangeboten nicht weiter nachzugehen. Dass lediglich einer der Gesprächspartner - hier der Klägervertreter - das Gespräch mit der Intention der Erledigung des Rechtsstreits geführt hat, genügt nach o.g. Grundsätzen nicht für die Entstehung der Terminsgebühr.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da lediglich eine Festgebühr nach Ziff. 5502 der Anlage 1 zum GKG anfällt, bedarf es keiner Streitwertfestsetzung.

8

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Gegen die Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden. Der Antrag ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts zu stellen. §§ 147 bis 149 gelten entsprechend.

Die Beteiligten können die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten. § 151 gilt entsprechend.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tenor

Die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Einzelrichters der 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 02.12.2008 - Az. 20 O 241/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Mit der Beschwerde vom 12.12.2008 (Bl. 81/82), die am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, wendet sich der Klägervertreter aus eigenem Recht gegen die Festsetzung des Streitwerts im Beschluss vom 02.12.2008 (Bl. 78/79), der dem Klägervertreter am 08.12.2008 zugestellt worden war. Im angegriffenen Beschluss hat das Landgericht die ursprüngliche Streitwertfestsetzung von einheitlich 8.000 EUR korrigiert und den Streitwert für die Termins- und Vergleichsgebühr auf 1.500 EUR herabgesetzt. Mit der Beschwerde sucht der Klägervertreter den Streitwert für seine Terminsgebühr und die Vergleichsgebühr wieder auf 8.000 EUR festsetzen zu lassen.
Dem Streit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Mit Klage vom 04.07.2008 verfolgte der Kläger einen Restschaden aus einem Verkehrsunfall in Höhe von 7.224,28 EUR gegen die Beklagten, nämlich Unfallgegner und Haftpflichtversicherung. Nach Zustellung der Klage beantragten die Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 25.07.2008 Klagabweisung. Am 06.08.2008 kam es zu einem Telefonat zwischen dem Klägervertreter und dem Sachbearbeiter der Beklagten Ziff. 2, der Versicherung. Mit Schreiben vom 07.08.2008 rechnete die Beklagte Ziff. 2 den größten Teil des Schadens ab; die Zahlung erfolgte einige Zeit danach. Unter Hinweis auf diese Regulierung kündigte der Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 11.08.2008 an, sich einer Erledigungserklärung der Klägerseite anzuschließen und den Abweisungsantrag anzupassen und stellte nachfolgend dar, warum die weitergehende Forderung der Klägerin unbegründet sei. Mit Schriftsatz vom 22.08.2008 (Bl. 53) erklärte der Klägervertreter den Rechtsstreit teilweise für erledigt und reduzierte den Zahlungsantrag auf 1.265 EUR zuzüglich Zinsen, auch aus dem für erledigt erklärten Teil. Durch Schriftsatz vom 18.09.2008 schlug die Beklagtenseite einen Vergleich über die Zahlung weiterer 800 EUR vor, den der Kläger in der Folge annahm. Das Landgericht stellte gemäß § 278 Abs. 6 ZPO den Vergleich fest und setzte den Streitwert zunächst auf bis 8.000 EUR fest. In ihrer Gegenvorstellung machte die Beklagte geltend, es sei zu einer übereinstimmenden Teilerledigung gekommen; in der Zeit danach seien nur noch 1.265 EUR im Streit gewesen.
Daraufhin korrigierte das Landgericht den Streitwert durch den angegriffenen Beschluss wie oben mitgeteilt. Zur Begründung führte es aus, die nach der Teilerledigung streitigen Kosten erhöhten den Streitwert nicht. Die Terminsgebühr für einen schriftlichen Vergleichsabschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO könne nicht höher sein als die Gebühr, die bei einer mündlichen Verhandlung zum selben Zeitpunkt angefallen wäre.
Der Klägervertreter macht mit der aus eigenem Recht eingelegten Beschwerde geltend, seine Terminsgebühr sei aus einem Streitwert bis 8.000 EUR angefallen, weil zum Zeitpunkt seines Telefonats mit dem Sachbearbeiter der Versicherung noch keine Zahlung erfolgt sei. Dieser habe angefragt, ob man sich nicht auf ein Ruhen des Verfahrens verständigen könne. Das sei von Klägerseite abgelehnt worden, worauf die Beklagte einen Rechtsanwalt habe einschalten wollen und letztlich die Teilregulierung vorgenommen habe. Dadurch seien Gespräche zur Erledigung des Rechtsstreits im Sinn der amtlichen Vorbemerkung zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG geführt worden, wenn im Ergebnis auch ohne Erfolg. Außerdem seien beim Gegenstandswert des Vergleichs die auf den erledigten Teil entfallenden, bis dahin entstandenen Kosten streitwerterhöhend zu berücksichtigen, weshalb der Streitwert insofern bis 3.000 EUR betragen müsse.
II.
Die Beschwerde des Klägervertreters ist gem. §§ 68 GKG, 32 Abs. 2 RVG zulässig, jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat richtig entschieden.
1. Der Streitwert für die Terminsgebühr des Klägervertreters gem. Ziff. 3104 RVG-VV war auch mit Rücksicht auf das Telefonat des Klägervertreters mit dem Sachbearbeiter der Beklagten Ziff. 2 vom 06.08.2008 nicht auf den Wert der damals anhängigen Klage festzusetzen. Zwar entsteht nach der amtlichen Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 des RVG-VV die Terminsgebühr gem. Ziff. 3104 RVG-VV auch für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen unabhängig von der Beteiligung des Gerichts.
a) Voraussetzung einer solchen Besprechung ist aber zum einen, dass es überhaupt zu einer inhaltlichen Ausrichtung auf eine Verfahrenserledigung kommt. Dazu gehören Vergleichsgespräche im eigentlichen Sinn, aber auch Anregungen zu einer Klagrücknahme, einer Erledigterklärung oder einem Anerkenntnis, sogar schon die Entgegennahme eines gegnerischen Vergleichsvorschlags zwecks Prüfung (BGH vom 20.11.2006, Az. II ZB 9/06, NJW-RR 2007, 286; weitere Nachweise bei Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., RVG-VV 3104 Rn. 12). Nicht ausreichend sind sonstige Gespräche im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit, die nur auf den Verfahrensablauf oder Modalitäten der Auseinandersetzung oder Einigung gerichtet sind, z.B. mündliche Nachfragen nach dem Sachstand, die Anfrage, ob trotz PKH-Ablehnung das Verfahren durchgeführt, ein bestimmter Verhandlungstermin stattfinden oder ein Zeuge gehört werden muss, die Nachfrage nach einer angekündigten Zahlung, die Frage, ob Gesprächsbereitschaft besteht, die Bitte um Zustimmung zu einer Fristverlängerung oder die Absprache über eine Terminsaufhebung wegen eines vorgreiflichen Parallelverfahrens (vgl. OLG Hamburg OLGR 2006, 574, OLG Köln NJW-RR 2006, 720 und OLGR 2008, 30; OLG Koblenz NJW 2005, 2162, etwas großzügiger im Fall des Parallelverfahrens allerdings KG AnwBl. 2007, 384; weitere Nachweise bei Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV Vorb. 3 Rn. 101).
b) Weitere Voraussetzung für eine solche Terminsgebühr ist, dass es zu einem Gespräch über die Frage der Verfahrenserledigung kommt, die Besprechung also eine Zweiseitigkeit aufweist. Dementsprechend ist erforderlich, dass die Gegenseite die Bereitschaft erkennen lässt, in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Eine Terminsgebühr scheidet aus, wenn der Gegner von vornherein ein sachbezogenes Gespräch verweigert (BGH vom 20.11.2006, Az. II ZB 6/06, NJW-RR 2007, 286; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe aaO Rn. 102). Dem folgt auch die Rechtsprechung des OLG Stuttgart (Beschluss vom 09.10.2007, Az. 8 W 409/07, unveröff.).
10 
c) Dem Telefonat des Klägervertreters vom 06.08.2008, mit dem die höhere Terminsgebühr verdient worden sein soll, fehlt es an beiden Voraussetzungen. Inhaltlich war es, wie sich aus der eigenen Aktennotiz des Klägervertreters ergibt (Anl. K14), auf eine bloße Verfahrensfrage gerichtet, indem der Sachbearbeiter der Beklagten Ziff. 2 gebeten hat, im Hinblick auf die avisierte Teilzahlung das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Dass Inhalt des Telefonats etwa auch gewesen sei, ob diese Teilzahlung nicht zur Gesamtregulierung ausreiche oder ob und wie das Verfahren anderweitig beendet werden könne, wird nicht behauptet. Selbst wenn der Klägervertreter einverstanden gewesen wäre, ist nicht ersichtlich, dass damit eine Erledigung des Verfahrens vorbereitet oder erleichtert worden wäre. Das ergibt sich aus der vermerkten Begründung für die Ablehnung, dass dem Ruhen der nicht erledigte Teil der Forderung entgegenstehe.
11 
Es fehlt aber auch an der zweiten Voraussetzung der Zweiseitigkeit. Denn es ist weder vorgetragen noch aus dem Aktenvermerk ersichtlich, dass sich die Klägerseite in dem Gespräch bzw. im nachfolgenden Telefonat veranlasst gesehen hätte, in Überlegungen dazu einzutreten, ob der Bitte der Beklagten entsprochen werden könnte. Vielmehr wurde der Beklagten Ziff. 2 nach Rückfrage schlicht mitgeteilt, man bestehe auf der geltend gemachten Forderung. Dieses grundsätzliche Beharren zeigt keinerlei Gesprächsbereitschaft zum Zweck einer Verfahrenserledigung.
12 
2. Für die durch die schriftliche Vergleichsprotokollierung im Weg des § 278 Abs. 6 ZPO entstandene Termins- und Vergleichsgebühr gilt, was bereits in der Verfügung des Vorsitzenden vom 02.01.2009 ausgeführt ist:
13 
Zu Recht gehen die beide Parteivertreter davon aus, dass auch im Fall einer schriftlichen Vergleichsprotokollierung gem. § 278 Abs. 6 ZPO eine Terminsgebühr nach Ziff. 3104 RVG-VV anfällt (z.B. BGH v. 20.11.2006, Az. II ZB 9/06; BGH v. 22.02.2007, Az. VII ZB 101/06, NJW-RR 2007, 1149; OLG Stuttgart v. 08.09.2005, Az. 8 W 415/05). Die Höhe der Termins- und Vergleichsgebühr richten sich nach dem Wert der zum Zeitpunkt der Vergleichsprotokollierung noch im Streit stehenden Forderungen, § 3 ZPO.
14 
a) Der Senat ist mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH v. 15.11.2007, AZ. V ZB 72/07, WuM 2008, 35; BGH v. 13.07.2005, Az. XII ZR 295/02, NJW-RR 2005, 1728) der Auffassung, dass bei einseitiger Teilerledigungserklärung der Streitwert grundsätzlich nach dem Wert der verbliebenen Hauptforderung zuzüglich dem Kosteninteresse der betreffenden Partei zu bemessen ist, d.h. nach der Summe der bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen zusätzlichen Kosten. Dazu ist eine Differenzrechnung anzustellen (BGH v. 13.07.2005 aaO.; BGH v. 09.05.1996, Az. VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210) und von den Gesamtkosten die Kosten abzuziehen, die entstanden wären, wenn der Prozess ohne den erledigten Teil geführt worden wäre (dazu zuletzt Senatsbeschluss vom 30.12.2008, Az. 5 W 79/08, unveröff.; vgl auch Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 3 Rn 16 „Erledigung der Hauptsache“).
15 
b) Bei der übereinstimmenden Teilerledigterklärung kommt es dagegen nur noch auf den Wert des nicht für erledigt erklärten Teils der Hauptforderung an. Die bis zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärungen angefallenen Kosten erhöhen den Streitwert nicht (BGH v. 15.03.1995, Az. XII ZB 29/95, NJW-RR 1995, 1089; BGH NJW 1994, 1869; Senat aaO.). Streitige Zinsen aus dem übereinstimmend für erledigt erklärten Teil werden dabei zu Hauptforderungen, da sie insoweit nicht zusammen mit der Hauptforderung geltend gemacht werden (BGH v. 24.03.1994, Az. VII ZR 146/93, NJW 1994, 1869; Zöller/Herget, a.a.O.).
16 
c) In beiden Fällen unerheblich ist es entgegen der Auffassung des Klägervertreters, ob der für erledigt erklärte Teil der Forderung bezahlt ist, denn im Rahmen der Entscheidung nach § 91a ZPO geht es allein um die Frage, ob die für erledigt erklärte Forderung zu Beginn des Rechtsstreits begründet war. Nachdem sich der Kläger offenbar entschlossen hat, den Rechtsstreit schon vor Ausgleich der Forderungen teilweise für erledigt zu erklären und sich die Bemessung des Streitwerts nach den angekündigten Anträgen richtet, kommt es nicht darauf an, welche Zahlungen die Beklagten in tatsächlicher Hinsicht im November 2008 noch zu erbringen hatten.
17 
d) Im vorliegenden Fall liegt bei formaler Betrachtung der erste Fall einer nur einseitigen Teilerledigterklärung der Klägerseite vor, was zu einem Streitwert in Höhe der Restforderung zuzüglich isolierter Zinsen sowie der bis dahin angefallenen (und nach der Differenzmethode berechneten) Mehrkosten führen würde. Die Beklagten haben sich der Teilerledigungserklärung des Klägers vom 22.08.2008 nämlich nie angeschlossen.
18 
e) Der Sache nach ging der Streit der Parteien nach der Teilregulierung der Beklagten Ziff. 2 vom 07.08.2008 jedoch nur noch um die danach verbliebene Restforderung und die isolierten Zinsen. Die ursprüngliche Berechtigung des für erledigt erklärten Teils war ab diesem Zeitpunkt ebenso wenig im Streit wie die sich daraus ergebende Folge, dass die Beklagten die anteiligen Kosten zu tragen haben würden. Das ergibt sich daraus, dass die Beklagten bereits im Schriftsatz vom 07.08.2008 angekündigt hatten, sich einer Teilerledigungserklärung des Klägers anzuschließen, dass sie deswegen keinen vollständigen Klagabweisungsantrag mehr angekündigt hatten und dass die Beklagten als Reaktion auf die klägerische Teilerledigterklärung vom 22.08.2008 ihrerseits im Schriftsatz vom 18.09.2008 einen Vergleich vorgeschlagen haben, in dem die Kosten fast vollständig von ihnen übernommen werden. Den Schriftsätzen der Beklagten sind auch keine Hinweise darauf zu entnehmen, was gegen die für erledigt erklärten Teilforderungen hätte eingewendet werden sollen. Allein die Tatsache, dass die Beklagten - offenbar wegen des erwarteten Vergleichsabschlusses - im Schriftsatz vom 18.09.2008 die bereits angekündigte Teilerledigung von ihrer Seite nicht mehr formal bestätigt haben, kann aus der unstreitigen Teilerledigung keine streitige mehr machen.
19 
f) Die Höhe des somit ab 19.09.2008 gültigen Streitwerts hat das Landgericht mit bis 1.500 EUR korrekt berechnet.
20 
g) Die Einigungsgebühr berechnet sich ebenso wie die Terminsgebühr nach dem ab 19.09.2008 geltenden Streitwert. Ob der Vergleich im Verfahren gem. § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird oder (wie vor Einführung dieser Verfahrensvorschrift obligatorisch) in einem gesondert dazu angesetzten Protokollierungstermin, ändert am Streitwert nichts. Dass sich der Vergleich - wie in den meisten Fällen - auch auf die Kosten erstreckt, spielt nach dem oben Ausgeführten ebenfalls keine Rolle.
III.
21 
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 S. 1 GKG. Eine weitere Beschwerde ist nicht statthaft, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 174/07
Verkündet am:
18. September 2008
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RVG VV Nr. 5115 Abs. 1 Nr. 1
Für die Mitwirkung bei der Erledigung des Verfahrens genügt gebührenrechtlich jede
Tätigkeit des Verteidigers, die zur Förderung der Verfahrenseinstellung geeignet ist.
Ausführungen zur Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens
können auch die Erledigung des anschließenden Ordnungswidrigkeitenverfahrens
fördern.
BGH, Urteil vom 18. September 2008 - IX ZR 174/07 - LG Konstanz
AG Überlingen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter
Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Vill und Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 23. März 2007 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Am 18. Mai 2005 verursachte die Klägerin mit ihrem PKW einen Verkehrsunfall mit Personenschaden. Sie wurde deswegen sowohl wegen fahrlässiger Körperverletzung als auch wegen Vorfahrtsverletzung angezeigt. Am 20. Mai 2005 beauftragte sie einen Rechtsanwalt mit der zivilrechtlichen Schadensregulierung und mit der Wahrnehmung ihrer Rechte im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Die Beklagte erteilte der Klägerin aufgrund des mit ihr bestehenden Versicherungsvertrages mit Schreiben vom 10. Juni 2005 Deckungszusage.
2
Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2005 meldete sich der Anwalt der Klägerin gegenüber der ermittelnden Polizeidienststelle unter Vorlage einer Vollmacht, die sich auch auf ein etwaiges Ordnungswidrigkeitenverfahren bezog, als Ver- teidiger. Er führte aus, der Vorwurf einer Vorfahrtsverletzung sei unbegründet, und beantragte die Einstellung des Verfahrens. Nach Akteneinsicht verfasste der Verteidiger einen weiteren Schriftsatz vom 27. Juni 2005 gegenüber der Staatsanwaltschaft und wiederholte unter Vertiefung seines Vorbringens den Antrag auf Verfahrenseinstellung.
3
Am 5. Juli 2005 unterrichtete die Staatsanwaltschaft den Verteidiger, das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin sei nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, die Sache werde zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten an die Verwaltungsbehörde abgegeben. Hiervon setzte der Verteidiger die Beklagte mit Schreiben vom 12. Juli 2005 in Kenntnis. Am 21. Juli 2005 erhielt der Verteidiger von der Bußgeldbehörde die Nachricht, das Ordnungswidrigkeitenverfahren sei eingestellt. Einen gesonderten Schriftsatz an die Bußgeldbehörde hat der Verteidiger nicht verfasst.
4
Die Beklagte hat der Klägerin die auf 337,56 € angesetzte Anwaltsvergütung für das Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht erstattet. Der hierauf bezogenen Zahlungsklage hat das Amtsgericht stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag hinsichtlich der Erledigungsgebühr Nr. 5115 VV RVG in Höhe von 156,60 € weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.


6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Deckungszusage der Beklagten vom 10. Juni 2005 beziehe sich auf die Vertretung im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Der Anwalt der Klägerin sei im Bußgeldverfahren tätig geworden. Seine Schriftsätze vom 1. Juni und 27. Juni 2005 hätten auch im Bußgeldverfahren "fortgewirkt". Diese Schriftsätze hätten sich auf die polizeilichen Ermittlungen , die sowohl zum staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren als auch zum Bußgeldverfahren gehörten, bezogen. Im Hinblick auf § 17 Nr. 10 RVG sei es weder gerechtfertigt, für das Entstehen der Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG eine Wiederholung der in den vorgenannten Schriftsätzen enthaltenen Ausführungen zu verlangen, noch das Entstehen der Gebühr auszuschließen, wenn sich eingereichte Schriftsätze auch im Hinblick auf die Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens auswirkten.

II.


7
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
8
Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass dem Anwalt der Klägerin die Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 VV RVG zustand und hierfür die Beklagte als Rechtsschutzversicherung aufzukommen hat.

9
1. Gemäß Nr. 5115 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG entsteht die Erledigungsgebühr als zusätzliche Gebühr, wenn das Ordnungswidrigkeitenverfahren durch die anwaltliche Mitwirkung endgültig eingestellt wird. Nach Nr. 5115 Abs. 2 VV RVG entsteht sie nicht, wenn eine auf Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit des Anwalts nicht ersichtlich ist.
10
a) Nr. 5115 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG übernimmt, wie die für das Strafverfahren gleichlautende Bestimmung der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG, den Grundgedanken der Regelung des § 84 Abs. 2 BRAGO (vgl. Entwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BTDrucks. 15/1971, S. 227 zu Nr. 4141 VV). Diese war geschaffen worden, um Tätigkeiten des Verteidigers zu honorieren, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führten (vgl. Entwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen, BT-Drucks. 12/6962, S. 106). Sie galt gemäß § 105 Abs. 2 Satz 3 BRAGO auch für das Ordnungswidrigkeitenverfahren. Die Neuregelung in Nr. 5115 und Nr. 4141 VV RVG hat diesen Ansatz aufgegriffen, indem dem Rechtsanwalt in den dort genannten Fällen eine zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr zugebilligt wird. Die Zusatzgebühr der Nr. 5115 VV RVG soll, wie die Vorgängerregelung , den Anreiz, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, erhöhen und damit zu weniger Hauptverhandlungen führen (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 227 f. zu Nr. 4141 VV).
11
b) Nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum bedeutet Mitwirkung im Sinne der Nr. 5115 VV RVG, dass der Verteidiger durch seine Tätigkeit die endgültige Einstellung des Verfahrens zumindest gefördert haben muss. Es genügt hierfür jede Tätigkeit, die zur Förderung der Verfahrenserledigung geeignet ist (LG Stralsund AGS 2005, 442; AnwK-RVG/N. Schneider, 3. Aufl. VV 5115 Rn. 28; Burhoff, RVG, 2. Aufl. Nr. 5115 VV Rn. 9 f., 15; Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. Nr. 5115 VV Rn. 6; Hartmann, Kostengesetze , 38. Aufl. Nr. 5115 Rn. 1; Hartung in Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl. Nr. 5115 Rn. 8, 15; Enders JurBüro 2006, 393, 395; ebenso zu § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BRAGO OLG Düsseldorf RPfleger 2003, 41; LG Köln RPfleger 2001, 452; AG Hamburg MDR 1999, 831, 832). Die Abgabe einer Einlassung mit Einstellungsantrag, wie vorliegend die beiden Schriftsätze vom 1. Juni und 27. Juni 2005, ist ausreichend (AnwK-RVG/N. Schneider, aaO Rn. 29; Burhoff, RVG aaO Rn. 10; Hartung, aaO Rn. 15).
12
c) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass hinsichtlich der Erledigungsgebühr der Nr. 1002 VV RVG eine anwaltliche Mitwirkung nur dann für gegeben erachtet wird, wenn der Anwalt eine besondere, nicht nur unwesentliche und gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit entfaltet hat (BFH BFH/NV 2007, 1109, 1110; BSG JurBüro 2007, 584 f. [auch zur gleichlautenden Bestimmung der Nr. 1005 VV RVG]; AnwK-RVG/Wolf, aaO VV 1002 Rn. 18). Nr. 1002 VV RVG betrifft unter anderem Verwaltungsstreitigkeiten , deren Gegenstand ein begehrter oder ein mit einem Rechtsbehelf angefochtener oder abgelehnter Verwaltungsakt ist. Diese Regelung geht auf § 24 BRAGO zurück (BT-Drucks. 15/1971, S. 204 f zu Nr. 1002 VV) und stimmt nicht mit Nr. 5115 VV RVG überein, so dass sich die zu Nr. 1002 entwickelten Rechtsgrundsätze nicht auf Nr. 5115 VV RVG übertragen lassen. Nr. 1002 VV RVG weist keine den Grad der Mitwirkung konkretisierende Regelung auf, wie sie in Nr. 5115 Abs. 2 und Nr. 4141 Abs. 2 VV RVG ausdrücklich aufgenommen wurde. Nach Nr. 5115 Abs. 2 VV RVG genügt für das Anfallen der Zusatzgebühr ein Beitrag "zur Förderung des Verfahrens". Dies ist ersichtlich weniger als eine Mitwirkung "zur Erledigung" des Verfahrens (Hartmann, aaO). Dementsprechend wurde auch bereits zu § 84 Abs. 2 BRAGO der Standpunkt vertreten , dass der Gesetzeswortlaut dieser Bestimmung an die Mitwirkung des Rechtsanwalts geringere Anforderungen stellt als im Falle des § 24 BRAGO (AG Hamburg MDR 1999 aaO). Sinn und Zweck der Regelung der Nr. 5115, den Verteidiger zu einer frühzeitigen Hinwirkung auf eine Verfahrenseinstellung zu bewegen, sprechen ebenfalls dafür, den zu Nr. 1002 VV RVG entwickelten Maßstab einer qualifizierten erledigungsgerichteten Mitwirkung nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung zu übertragen.
13
2. Entgegen der Ansicht der Revision ist es nicht notwendig, dass die zur Förderung des Verfahrens gebotene Tätigkeit gesondert für das Ordnungswidrigkeitenverfahren erfolgt. Erforderlich ist nur, dass die Tätigkeit auch die Ordnungswidrigkeit betroffen hat. Die beiden Schriftsätze des Anwalts der Klägerin haben sich mit der Frage befasst, ob die Klägerin den Verkehrsunfall fahrlässig herbeigeführt hat. Dies wurde jeweils mit konkreten, auf den Unfallhergang bezogenen Erwägungen verneint. Diese Ausführungen betrafen sowohl den Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung als auch den des fahrlässigen Vorfahrtsverstoßes. Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, haben diese Erklärungen im Ordnungswidrigkeitenverfahren fortgewirkt. Es wäre reine Förmelei , für das Entstehen der Erledigungsgebühr gesonderte, an die Bußgeldbehörde gerichtete Schriftsätze zu verlangen, die möglicherweise den bereits gegenüber der Staatsanwaltschaft gehaltenen Vortrag wiederholen (AnwKRVG /N. Schneider, aaO VV 4141 Rn. 40; Burhoff, RVG aaO Nr. 4141 VV Rn. 9; Burhoff in Gerold/Schmidt, aaO Nr. 4141 VV Rn. 11; ähnlich auch LG Düsseldorf JurBüro 2007, 83; anders wohl Schmahl in Riedel/Sußbauer, RVG 9. Aufl. VV Teil 5 Rn. 61 ["eigenständiger Beitrag"]). Zudem würde hierdurch die Ermittlungsakte nur unnötig aufgebläht.
Ganter Kayser Gehrlein
Vill Fischer

Vorinstanzen:
AG Überlingen, Entscheidung vom 20.10.2006 - 1 C 557/06 -
LG Konstanz, Entscheidung vom 23.03.2007 - 11 S 209/06 E -

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.