Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 31. März 2017 - 1 M 493/16

bei uns veröffentlicht am31.03.2017

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2016 – 5 B 1513/16 HGW – wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 18. August 2016 wird hinsichtlich der Anordnung in Ziffer 4 insgesamt und hinsichtlich der Anordnung in Ziffer 7 insoweit wiederhergestellt, als dem Antragsteller eine Nutzung der Sperrfläche auch untersagt worden ist, soweit es sich nicht um eine intensive Landwirtschaftsnutzung handelt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des gesamten Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Vollziehbarkeit einer naturschutzrechtlichen Verfügung.

2

Der Antragsteller ist Eigentümer des von ihm landwirtschaftlich genutzten Grundstücks Gemarkung L..., Flur ..., Flurstück ... mit einer Fläche von ca. 26 Hektar. Auf dem Grundstück befinden sich unter anderem zwei als Biotop geschützte Kleingewässer. In der Nähe der Fläche bestehen in einem EU-Vogelschutzgebiet zwei Horste von Weißstörchen und ein Schreiadlerhorst. Der Antragsteller stellte im Jahre 2015 fest, dass auf dem südlichen Teil des Flurstücks auf einer Fläche von ca. 14,5 Hektar der Boden umgebrochen und Entwässerungsanlagen errichtet worden waren. Bei einer Ortsbegehung am 16. September 2015 war das Kleingewässer mit einer Größe von ca. 4.000 Quadratmetern vollständig entwässert und das zweite Kleingewässer mit einer Größe von ca. 900 Quadratmetern im Wasserstand abgesenkt.

3

Am 14. Januar 2016 erließ der Antragsgegner gegen den Antragsteller eine naturschutzrechtliche Ordnungsverfügung. Das Verwaltungsgericht Greifswald stellte auf Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 23. Februar 2016 – 5 B 458/16 HGW – die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen diese Verfügung teilweise wieder her.

4

Im Sommer 2016 war die fragliche Fläche mit Getreide bestellt. Der Antragsgegner erließ am 18. August 2016 unter gleichzeitiger Aufhebung seines Bescheides vom 14. Januar 2016 eine weitere Ordnungsverfügung. Darin gab er dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung von Zwangsgeld auf, zwei näher bezeichnete Drainage-Schachtbauwerke durch Verfüllung mit Beton zu verschließen, den Anbau von ackerbaulichen Kulturen jeder Art sowie die Nutzung bzw. Bewirtschaftung einer näher bezeichneten Sperrfläche zu unterlassen. Zudem verfügte er ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung und unter Androhung eines Zwangsgeldes die Entfernung aller fünf neu gesetzten Drainage-Schachtbauwerke und Verfüllung der entstandenen Löcher. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2016 erklärte der Antragsteller nochmals die Aufhebung seines Bescheides vom 14. Januar 2016.

5

Am 2. September 2016 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Greifswald um vorläufigen Rechtsschutz mit dem Antrag nachgesucht, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 18. August 2016 wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 25. Oktober 2016 – 5 B 1513/16 HGW – die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der Anordnungen in den Ziffern 1, 4 und 7 des genannten Bescheides wiederhergestellt und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 1. November 2016 zugestellt. Mit einem an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern adressierten Schreiben vom 4. November 2016 hat der Antragsgegner gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt. Das Schreiben ist per Telefax am selben Tag beim Verwaltungsgericht Greifswald eingegangen, das dieses an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern weitergeleitetet hat, wo es am 9. November 2016 eingegangen ist. Bereits am 7. November 2016 war das Schreiben vom 4. November 2016 im Original beim Beschwerdegericht eingegangen. Am 11. November 2016 hat der Antragsgegner die Beschwerde begründet und dabei unter anderem auf eine mit Schreiben an den Antragsteller vom 10. November 2016 erfolgte Ergänzung seiner Verfügung vom 18. August 2016 Bezug genommen. Mit der Ergänzung war die Verfügung in räumlicher Beziehung durch Eintragungen in einer Karte näher konkretisiert worden. Der Antragsgegner begehrt mit seiner Beschwerde, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2016 aufzuheben, soweit darin die aufschiebende Wirkung wiederherstellt worden ist.

6

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Antragsgegner übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

7

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgemäß eingelegt (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und begründet (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) worden. Die Beschwerde konnte fristwahrend auch beim Oberverwaltungsgericht eingelegt werden (§ 147 Abs. 2 VwGO).

8

2. Die Beschwerde ist nur zum Teil begründet. In Beschwerdeverfahren ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Die Beschwerdebegründung gibt Anlass, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts teilweise zu ändern und den Antrag des Antragstellers zum Teil abzulehnen.

9

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Abs. 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Die gerichtliche Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ergeht auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind auf der einen Seite das private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (Aussetzungsinteresse), und auf der anderen Seite das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes (Vollziehungsinteresse). Im Rahmen der Interessenabwägung ist der Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bzw. der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. In der Regel überwiegt das Vollziehungsinteresse, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt nach dem Prüfungsmaßstab des – summarischen – vorläufigen Rechtsschutzverfahrens als rechtmäßig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Demgegenüber überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse, wenn sich der Verwaltungsakt nach diesem Maßstab als rechtswidrig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Bescheides regelmäßig kein schutzwürdiges öffentliches Interesse besteht. Lässt sich die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht in diesem Sinne klären bzw. ist der Ausgang der Hauptsache offen, bedarf es einer Abwägung der (sonstigen) wechselseitigen Interessen.

10

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Vollziehbarkeit der Anordnungen in Ziffer 1 (Verschluss zweier Drainage-Schachtbauwerke), Ziffer 4 (Untersagung des Anbaus ackerbaulicher Kulturen) und Ziffer 7 (Untersagung der Nutzung der Sperrfläche) der Verfügung des Antragsgegners vom 18. August 2016. Soweit das Verwaltungsgericht den einstweiligen Rechtsschutzantrag des Antragstellers im Übrigen abgelehnt hat, ist der Beschluss vom 25. Oktober 2016 rechtskräftig geworden. Soweit sich die Beschwerde auf während der Begründungsfrist eingetretene und demgemäß bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch nicht berücksichtigte Gründe (namentlich eine Konkretisierung des Regelungsinhalts in räumlicher Hinsicht) stützt, ist die veränderte Sachlage für die Beschwerdeentscheidung zu berücksichtigen. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass diese Veränderung durch den Antragsgegner selbst herbeigeführt wurde. Die Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung kann auch mit einer Änderung entscheidungserheblicher Tatsachen jedenfalls innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist in Zweifel gezogen werden (vgl. Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 146, Rn. 81 ff. und Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage, § 146, Rn. 42, jeweils m.w.N. zum Streitstand).

11

a) Soweit der Antragsgegner dem Antragsteller aufgegeben hat, zwei näher bezeichnete Drainage-Schachtbauwerke durch Verfüllung mit Beton zu verschließen, ist der Senat mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der Antragsgegner damit als zuständige Ordnungsbehörde eine naturschutzrechtliche Maßnahme zur Durchsetzung von gesetzlich geschützten Biotopen in Gestalt der auf dem Grundstück des Antragstellers vorhandenen Kleingewässer erlassen hat (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NatSchAG M-V). Durch die vom Antragsteller vorgenommene Drainage droht eine erhebliche Beeinträchtigung der Gewässer. Wenn der Antragsteller im Beschwerdeverfahren in nicht näher konkretisierter Weise vorträgt, er habe die Drainageanlage nicht errichtet, sondern nur eine defekte Drainageleitung repariert, spricht bei summarischer Prüfung der Sachlage schon das Vorhandensein der Feuchtbiotope gegen die Annahme, dass die entsprechenden Flächen schon vor der Baumaßnahme des Antragstellers trockengefallen waren.

12

Es spricht entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch Überwiegendes für die Annahme, dass die Anordnung verhältnismäßig ist. Der Antragsgegner durfte ein Mittel wählen, mit dem der angestrebte Schutz des beeinträchtigten Rechtsgutes für den Zeitraum bis zur Bestandskraft der weiterhin (aber ohne Vollziehungsanordnung) verfügten Beseitigung der Schachtbauwerke sicher erreicht werden konnte. Da dieser Zeitraum das Widerspruchsverfahren und ein eventuelles Klageverfahren umfasst und nicht nur unerheblich ist, musste sich der Antragsgegner nicht darauf beschränken, die Schachtbauwerke als wasserbauliche Anlagen nur provisorisch verschließen zu lassen, zumal die Kosten einer Verfüllung mit Beton ausweislich der mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen nicht unverhältnismäßig hoch sind und ein provisorischer Verschluss wiederum einen erhöhten behördlichen Überwachungsaufwand bedeuten würde. Ein konkretes milderes Mittel, das in gleich sicherer Weise den Zweck erreicht, bietet auch der Antragsteller nicht an. Soweit er das Ziel der Anordnung schon durch eine nicht näher bezeichnete Kappung von Drainageleitungen als erreicht sieht, konnte der Senat dies nach dem Akteninhalt nicht nachvollziehen. Die fortdauernde Notwendigkeit der Maßnahme wird im Gegenteil durch die wasserwirtschaftliche Stellungnahme der Fachbehörde des Antragsgegners vom 19. September 2016 hinreichend untersetzt.

13

b) Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts war nicht zu ändern, soweit dem Antragsteller mit dem angefochtenen Bescheid der Anbau ackerbaulicher Kulturen jeder Art untersagt worden ist. Insoweit bleibt es bei der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers.

14

Allerdings beruhen die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs des Antragstellers nicht auf dem Umstand, dass der Antragsgegner für eine Verfügung, mit der die Wiederherstellung von Dauergrünland angeordnet wird, sachlich nicht zuständig wäre. Der Antragsgegner stützt seinen Bescheid nicht auf die Verbotsnorm des § 2 DGErhG M-V, sondern auf § 44 BNatSchG. Der Senat hat bereits entschieden, dass die naturschutzrechtlichen Befugnisse der unteren Naturschutzbehörden nicht durch den Umstand eingeschränkt werden, dass § 4 Abs. 1 DGErhG M-V die Überwachung und Durchsetzung des Umwandlungsverbotes für Dauergrünland den Staatlichen Ämter für Landwirtschaft und Umwelt zuweist (vgl. zu einem Grünlandumbruch in einem Europäischen Vogelschutzgebiet: OVG M-V, Beschl. v. 09.07.2015 – 1 M 155/15 –, Seite 8 des Umdrucks).

15

Es sprechen bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zum jetzigen Zeitpunkt jedoch überwiegende Gründe gegen die Annahme des Antragsgegners, dass die Änderung der Bewirtschaftung der Fläche durch den Antragsteller gegen die Vorschriften des § 44 BNatSchG verstößt. Der Senat folgt insoweit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 23. Februar 2016 (– 5 B 458/16 HGW –, Seite 5 f. des Umdrucks). Nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Es erscheint zweifelhaft, ob die Beseitigung von Nahrungsgrundlagen geschützter Arten, wie sie hier mit Blick auf Schreiadler und Weißstorch in Rede steht, als Störung im Sinne der Vorschrift angesehen werden kann. Denn dabei fehlt es an einer unmittelbaren Einwirkung auf das Tier selbst, die eine Reaktion im Verhalten hervorruft (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2010 – 9 A 5/08 –, juris Rn. 118). Nach jetziger Erkenntnis ist auch nicht ersichtlich, dass der Grünlandumbruch den Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG erfüllt, wonach es verboten ist, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Der Begriff der Ruhestätte ist eng auszulegen und umfasst nicht den allgemeinen Lebensraum der geschützten Arten und sämtliche Lebensstätten, sondern nur einen abgrenzbaren und für die betroffene Art besonders wichtigen Fortpflanzungs- und Ruhebereich. Dieser muss einen nicht nur vorübergehenden, den artspezifischen Ansprüchen genügenden störungsfreien Aufenthalt ermöglichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.2016 – 9 A 9/15 –, juris Rn. 151). Es spricht daher vieles dafür, dass das in Rede stehende Nahrungshabitat keine Ruhestätte in diesem Sinne darstellt. Gleiches gilt für die Annahme einer Fortpflanzungsstätte. Der Schutz des Beschädigungs- und Zerstörungsverbots wird nicht dem Lebensraum der geschützten Arten insgesamt, sondern nur selektiv den ausdrücklich bezeichneten Lebensstätten zuteil, die durch bestimmte Funktionen für die jeweilige Art geprägt sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 – 9 A 73/07 –, juris Rn. 90). Ob Nahrungsstätten durch die Vorschrift dann mittelbar geschützt sind, wenn der Fortpflanzungserfolg in unmittelbarem Zusammenhang zum Bestehen des Nahrungshabitats steht, etwa weil ohne dieses das Verhungern der Nachkommenschaft droht (vgl. Louis, NuR 2009, 91), muss hier nicht entschieden werden, da ein solcher Sachverhalt auch vom Antragsgegner nicht behauptet wird.

16

c) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs war schließlich teilweise wiederherzustellen, soweit der Antragsgegner dem Antragsteller jegliche Nutzung bzw. Bewirtschaftung der Sperrfläche untersagt hat, soweit es sich nicht um eine intensive Landwirtschaftsnutzung handelt.

17

Es bestehen jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung keine durchgreifenden Bedenken an der Bestimmtheit der angefochtenen Bescheide mehr. Ein Verwaltungsakt ist dann im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG M-V hinreichend bestimmt, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen für den Adressaten so vollständig, klar und eindeutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Im Einzelnen richtet sich der Maßstab für die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach dem jeweiligen Regelungsgehalt, den Besonderheiten des mit dem Verwaltungsakt anzuwendenden materiellen Rechts und den konkreten Umständen des Einzelfalls. Der Grundsatz der Bestimmtheit darf nicht dahin missverstanden werden, dass bei unvermeidlichen Vollzugsunsicherheiten der Verwaltungsakt nicht erlassen werden dürfte. Wie schon der Gesetzeswortlaut ergibt, kann es sich immer nur um eine „hinreichende“, das heißt den Umständen angemessene Bestimmtheit handeln (OVG M-V, Beschl. v. 24.01.2006 – 3 M 73/05 –, juris Rn. 8 f., m.w.N.). Es spricht vieles für die Annahme, dass die Bestimmtheit der naturschutzrechtlichen Anordnung 18. August 2016 in räumlicher Hinsicht durch die mit Schreiben des Antragsgegners vom 10. November 2016 erfolgte Ergänzung hinreichend konkretisiert worden ist. Die Verfügung nimmt für die räumliche Bestimmung der Sperrfläche auf eine Eintragung in einer zur Anlage des Bescheides gemachten Karte Bezug, in der diese Fläche zudem als Feuchtsenke beschrieben ist. Auch durch den Bezug auf die Situation in der Örtlichkeit, namentlich die Lage des Schachtbauwerkes kann der Antragsteller hinreichend genau erkennen, auf welche Fläche sich die angefochtene Verfügung bezieht. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Flächenbeschreibung mittels einer Karte schon wegen des Maßstabs gewissen Unschärfen unterliegt. Dies wird bei der Prüfung, ob der Antragsteller der Verfügung im ausreichenden Umfang nachgekommen ist, ggf. zu berücksichtigen sein.

18

Die Untersagungsverfügung war jedoch insoweit weiter außer Vollzug zu setzen, soweit dem Antragsteller damit auch Nutzungen verboten werden, die keine intensive Landwirtschaftsnutzung sind. Weiter reicht der Tatbestand des § 12 Abs. 1 Nr. 17 NatSchAG M-V nicht, auf den der Antragsgegner seine Verfügung stützt. Danach stellt nicht jede Verwendung von Ödland einen Eingriff in Natur und Landschaft dar.

19

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

20

Hinweis:

21

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 146


(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 66 Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. W

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 147


(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 44 Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten


(1) Es ist verboten, 1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,2. wild lebende Tiere der

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 37 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes; Rechtsbehelfsbelehrung


(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. (2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, w

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Tenor 1. Der Antrag auf Beiladung der C. GmbH & Co. KG wird abgelehnt. 2. Auf die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 9. Juli 2015 – 7 B 1707/15 – geändert: Die aufs

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Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 18.08.2016 wird bzgl. der Anordnungen in Ziffer 1, 4 und 7 wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine naturschutzrechtliche Ordnungsverfügung.

2

Dem Antragsgegner wurde im Juni 2015 durch einen Anwohner angezeigt, dass auf einer Teilfläche des Flurstücks G1 in L., welches insgesamt ca. 26 ha groß ist, ein Grünlandumbruch erfolgt sei und aktuell Dränagearbeiten stattfänden. Bewirtschafter der Fläche ist der Antragsteller. Der Antragsgegner überzeugte sich von der Richtigkeit der Angaben und stellte fest, dass sich auf dem betroffenen Teil des Flurstücks G1 zwei stehende Kleingewässer befinden, von denen eines trockengefallen war und das andere einen deutlich gesunkenen Wasserstand aufwies. Bei einer weiteren Ortsbesichtigung durch Mitarbeiter des Antragsgegners am 12.08.2016 wurde sogar ein Trockenfallen beider Gewässer festgestellt. Zwischen den Beteiligten war im Verwaltungsverfahren unter anderem streitig, ob auf dem Grundstück bereits eine alte Tondränage vorhanden war, die vom Antragsteller lediglich instandgesetzt worden ist. Der Antragsgegner war zudem der Auffassung, dass sich südlich der Kleingewässer auf dem Flurstück noch eine Ödlandfläche befunden habe, die als Sperrfläche ausgewiesen sei.

3

Am 16.09.2015 fand eine Ortsbegehung zur Durchführung eines Cross-Checks mit einem Mitarbeiter des Antragsgegners und dem Antragsteller statt. Dabei wurden ausweislich eines Protokolls lediglich ein Gehölzbiotop und zwei Kleingewässer (4.000 m2 und 900 m2) in Augenschein genommen. Sodann erfolgte eine weitere Ortsbegehung am 09.12.2015, zu welcher ebenfalls ein Protokoll gefertigt wurde. Danach wurden lediglich die Kleingewässer und die Drainage zum Gegenstand des Treffens gemacht.

4

Mit Bescheid vom 14.01.2016 wurde gegen den Antragsteller bereits eine naturschutzrechtliche Ordnungsverfügung erlassen, die die benannten Kleingewässer und die Ödlandfläche erfasste. Bezüglich letzterer war dem Bescheid eine Luftbildaufnahme im Maßstab 1:2.500 angehängt, in der die Fläche mittels eines grobfaserigen Stiftes gekennzeichnet wurde. Mit Beschluss der erkennenden Kammer vom 23.02.2016 (Az. 5 B 458/16) wurde u.a. die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die Verfügung die Nutzung der Sperrfläche zu unterlassen wiederhergestellt, da sie nicht bestimmt genug war. Die in der Anlage markierte Fläche war größer als sie sich auf einem anderen Luftbild darstellte, das sich in der Beiakte im Maßstab 1:3.000 befand. Somit blieb unklar, welche Ausdehnung die erfasste Fläche tatsächlich haben sollte.

5

Mit der gegenständlichen Ordnungsverfügung vom 18.08.2016 hob der Antragsgegner die Verfügung vom 14.01.2016 auf und ordnete gleichzeitig sofort vollziehbar an, die Drainage-Schachtbauwerke Nr. 4 und Nr. 5 durch Verfüllung mit Beton „dauerhaft und vollständig“ zu verfüllen (Ziffer 1), den Anbau von ackerbaulichen Kulturen jeder Art zu unterlassen, wobei die Nutzung „der Fläche“ als Mähwiese oder Weide unberührt bleiben sollte (Ziffer 4) und jegliche Nutzung bzw. Bewirtschaftung der in der Anlage 1 markierten Sperrfläche zu unterlassen (Ziffer 7). In der Anordnung unter Ziffer 10, die nicht für sofort vollziehbar erklärt wurde, wurde u.a. der vollständige Rückbau aller fünf Drainage-Schachtbauwerke angeordnet. Dem Bescheid wurde als Anlage 1 eine Luftbildaufnahme beigefügt, in der der Verlauf der Drainage, der Standort der nummerierten Drainage-Schachtbauwerke sowie die gegenständlichen Kleingewässer und die Sperrfläche gekennzeichnet sind. Die Angabe eines Maßstabes erfolgte nicht. Mit den Anlagen 2 und 3 wurden Karten übersandt, die die Feldblockverteilung im angrenzenden Schreiadler- bzw. Weißstorchlebensraum darstellten. Ein Maßstab dieser Karten war ebenfalls nicht angegeben.

6

Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass sich die Zuständigkeit für die Anordnungen aus § 1 Abs. 2 und Abs. 5 in Verbindung mit §§ 6, 8 und 20 Naturschutzausführungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (NatSchAG M-V) sowie § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ergebe. Hinsichtlich der Kleingewässer liege aufgrund der Trockenlegung ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 NatSchAG M-V sowie § 44 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BNatSchG vor, da die Biotope Lebensraum und Fortpflanzungsstätten von Amphibien und besonders geschützten wasserbewohnenden Tieren böten. Zudem sei durch die Trockenlegung eine Zerstörung von Lebensraum und ein Verlust an Laichgewässern von Amphibien eingetreten. Durch den Umbruch des Dauergrünlandes seien ebenfalls Ruhestätten der Amphibien in Form von Sommerlebensräumen und Winterstätten zerstört worden.

7

Darüber hinaus befänden sich in der näheren Umgebung der umgebrochenen Grundflächen und der beiden Biotope mehrere Brutstandorte von Weißstörchen und Schreiadlern als streng geschützte Vogelarten, die ihre Nahrung gezielt auf Grünlandflächen suchten. Besonders bedeutsam seien Flächen mit erhöhtem Nahrungsangebot, wie es Grünland an Gewässerrändern und Uferzonen darstelle. Durch den Grünlandumbruch und die Entwässerung der Biotope seien essenzielle Nahrungsflächen der streng geschützten Vogelarten zerstört bzw. erheblich verkleinert worden, wobei die vorhandenen Brutpaare als lokale Population zu bewerten seien. Es sei verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten erheblich zu stören.

8

Die angesprochene Fläche von 13,9 ha sei zudem faktisch und historisch Dauergrünland in der Ausprägung als Feuchtgrünland, das nach Auskunft des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt seit mindestens fünf Jahren als Grünland genutzt werde. Feuchtgrünland besitze eine höhere naturschutzfachliche Wertigkeit als „normales“ Grünland. Daher sei es erforderlich, die Dränage-Schachtbauwerke zur Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse auf den Wiesen vollständig zu entfernen.

9

Aus Feldblockmeldungen werde zudem deutlich, dass die als Sperrfläche ausgewiesene Ödlandfläche seit 2008 nicht mehr bewirtschaftet worden sei. Sie stelle ein wertgebendes Strukturelement innerhalb der Grünlandfläche dar, welcher insbesondere Bedeutung für die Qualität als Nahrungsfläche zukomme. Die Verwendung von Ödland zu intensiver Landwirtschaft stelle gem. § 12 Abs. 1 Nr. 17, Abs. 6 NatSchAG M-V einen genehmigungsbedürftigen Eingriff in Landschaft und Natur dar, der nicht genehmigt werden könne, weil der Bestand des Ödlandes als Habitat und Strukturelement bedeutsam sei.

10

Der Antragsgegner sei nach § 8 Abs. 1 und Abs. 2 NatSchAG M-V verpflichtet, durch die Anordnung geeigneter Maßnahmen den ursprünglichen Zustand wiederherstellen zu lassen. Die Unbrauchbarmachung der neu gesetzten Dränage-Schachtbauwerke durch ein Verfüllen mit Beton sei geeignet, im Wege einer Sofortmaßnahme kurzfristig den Wasserstand der Kleingewässer zu erhöhen. Zudem sei sie erforderlich und damit auch angemessen, da es keine milderen Möglichkeit gebe, die natürlichen Wasserstände zeitnah wiederherzustellen.

11

Mit der Untersagung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung mit ackerbaulichen Kulturen werde die Wiederherstellung von Dauergrünland, das als Ruhestätte i.S.v. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG für die in den Kleingewässern lebenden Amphibien gedient habe, bezweckt. Die Anordnung erscheine geeignet, einen erneuten Anbau nach der erfolgten Getreideernte zu verhindern. Ein milderes Mittel, einen erneuten Anbau zu verhindern, sei nicht ersichtlich, sodass die Anordnung auch erforderlich sei. Die Angemessenheit resultiere daraus, dass es ansonsten kurzfristig zu irreversiblen Schäden an Populationen besonders und streng geschützter Tierarten sowie der Biotope kommen könne.

12

Die Nutzungsuntersagung bezüglich der Sperrfläche sei die einzige geeignete Maßnahme, um das unzulässig in Nutzung genommene Ödland schnellstmöglich wiederherzustellen.

13

Am 02.09.2016 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er macht im Wesentlichen geltend, dass eine Beeinträchtigung der Kleingewässer durch die Drainage nicht ausreichend dargelegt worden sei. So sei die Darstellung, dass eine Wasserstandsabsenkung von einem Meter eingetreten sei, nicht korrekt. Die angeführten Wasserstandsmarken an den Bäumen würden lediglich den maximalen Wasserstand wiedergeben. Auch sei es nicht korrekt, dass die Kleingewässer dauerhaft wasserführend gewesen seien. Das Kleingewässer mit der Bezeichnung NVP 05823 weise lediglich eine Tiefe von einem Meter auf und falle demnach im Sommer regelmäßig trocken. Außerdem seien durch den Antragsgegner im Frühjahr 2016, also mithin anderthalb Jahre nach der Reparatur der Drainage, mehre Froscharten in den Kleingewässern festgestellt worden. Eine Beeinträchtigung läge also nicht vor. Bzgl. des Kleingewässers mit der Bezeichnung NVP 05824 sei angemerkt, dass in den letzten Jahren die Niederschlagsmengen rückläufig waren und die Trockenlegung darauf zurückzuführen sei. Darüber hinaus sei die Anordnung in Ziffer 1 unverhältnismäßig, da die Umsetzung Kosten i.H.d. Reparaturkosten verursachen werde. Außerdem habe erneut keine Abwägung zwischen anderen milderen Mitteln stattgefunden.

14

Die Anordnung in Ziffer 4 sei darüber hinaus zu unbestimmt, da dort nur von den „Flächen“ gesprochen werde und keine Konkretisierung erfolge. Zudem sei auf seinem Grundstück keine Fläche als faktisches oder historisches Dauergrünland zu qualifizieren. Im Jahr 2011 habe eine Grassamenvermehrung mit Dreschernte stattgefunden, die der Einstufung als Dauergrünland entgegenstehe, sodass keine durchgängige fünfjährige Nutzung als Dauergrünland gegeben sei.

15

Die Anordnung zu Ziffer 7 entbehre auch jeglicher Grundlage, da eine Sperrfläche auf dem Grundstück nicht existiere. Dies habe eine Anfrage beim Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt ergeben.

16

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

17

Der Antrag,

18

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 18.08.2016 wiederherzustellen,

19

hat überwiegend Erfolg.

20

Soweit er jedoch die Anordnung zu Ziffer 10 erfasst, ist er unzulässig. Er ist unstatthaft. Ein Antrag ist gem. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, wenn ein noch nicht bestandskräftiger Verwaltungsakt vorliegt, der entweder kraft Gesetzes oder kraft behördlicher Anordnung sofort vollziehbar ist, sodass ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet (Kopp/Ramsauer, VwGO, 21. Aufl., § 80 Rn. 130). Beide Varianten scheiden für die genannte Anordnung aus. Ein Widerspruch hat gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO also aufschiebende Wirkung. Im Übrigen ist der Antrag jedoch zulässig und in diesem Rahmen auch begründet.

21

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen eine sofort vollziehbare behördliche Verfügung anordnen oder wiederherstellen. Die Entscheidung erfordert eine Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen, von der Vollziehung der Verfügung vorläufig verschont zu bleiben, und dem Interesse der Behörde an der sofortigen Vollziehung. Dabei sind auch die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels in der Hauptsache zu berücksichtigen. Danach geht die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus.

22

Gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 NatSchAG M-V sind die nach dem Gesetz zuständigen Behörden befugt, nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Zuwiderhandlungen gegen Verpflichtungen und zur Abwehr von Gefahren für Natur und Landschaft zu treffen.

23

Die Anordnung zu Ziffer 1, die Drainage-Schachtbauwerke Nr. 4 und Nr. 5 mit Beton zu verfüllen, erscheint unabhängig vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen jedenfalls ermessensfehlerhaft erlassen worden zu sein. Sie hat zwar den zeitnahen Schutz eines gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NatSchAG M-V geschützten Kleingewässers und damit ein legitimes Ziel zum Gegenstand, erscheint aber nicht als erforderlich. Dabei ist die Erforderlichkeit einer Maßnahme nur dann gegeben, wenn ein milderes, aber gleich geeignetes Mittel im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht ersichtlich ist. Wie der Antragsgegner in seiner Verfügung (Bl. 31 d. Gerichtsakte) und der Antragserwiderung (Bl. 64 der Gerichtsakte) selbst betont hat, dient die Regelung der zeitnahen Wiederherstellung des ursprünglichen Wasserstandes in den Kleingewässern durch Unterbindung der Drainierung. Das anfallende Wasser sollte zurückgestaut werden und den beeinträchtigten Kleingewässern wieder zufließen können. Zudem sollte der Anordnung lediglich eine vorübergehende Wirkung zukommen. Eine dauerhafte Lösung sollte mit der Anordnung in Ziffer 10 erreicht werden, die gerade nicht für sofort vollziehbar erklärt wurde.

24

Der bezweckte Effekt erscheint auch nach der Anhörung des Antragsgegners durch ein Verschließen der Zu- und/oder Ableitungsrohre möglich zu sein. Dass dies nicht durch ein Einbringen von z.B. Bauschaum, Beton, anderen Materialien oder der Montage eines sog. Verschlussstopfens bzw. mit einer Kombination dieser Maßnahmen erfolgen könne, hat der Antragsgegner nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere könnte ein Verschlussstopfen so angebracht werden, dass er bei der Zuleitung vor das Drainage-Schachtbauwerk und bei der Ableitung im Bauwerk angebracht wird, sodass er auch durch den Wasserdruck nicht herausgedrückt werden kann. Die Kammer geht nicht davon aus, dass erhebliche Wasserdrücke entstehen, da es sich bei dem drainierten Wasser um Sickerwasser handelt. Diese Variante ist kostengünstiger zu installieren und erscheint dennoch tauglich, für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens die Drainierung zu unterbinden, mithin weniger belastend aber gleich geeignet das Ziel zu erreichen.

25

Auch die Anordnung in Ziffer 4 der Ordnungsverfügung erweist sich nach summarischer Prüfung ebenfalls als rechtswidrig. Die Zuständigkeit des Antragsgegners für den Erlass der Verfügung ist schon nicht gegeben. Sie liegt gem. § 4 des Gesetzes zur Erhaltung von Dauergrünland im Land Mecklenburg-Vorpommern (DGErhG M-V) bei den Staatlichen Ämtern für Landwirtschaft und Umwelt. Aus der Begründung des Bescheides wird deutlich, dass sich der Antragsgegner wegen eines gemeldeten Dauergrünlandumbruchs zur Vorbereitung einer ackerbaulichen Nutzung zum Handeln veranlasst gesehen hat. Dabei sei die Wiederherstellung der Ruhestätten der in den Kleingewässern lebenden Amphibien durch die Wiederherstellung des Dauergrünlandes bezweckt worden. Dies erfüllt jedoch eindeutig den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 DGErhG M-V. Nach der Norm ordnen die Staatlichen Ämter für Landwirtschaft und Umwelt nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall zur Wiederherstellung des dem Umwandlungsverbot unterliegenden Dauergrünlandes notwendig sind. Das Umwandlungsverbot resultiert dabei aus § 2 Satz 1 des Gesetzes und verbietet es, Dauergrünlandflächen in Ackerland umzuwandeln. Von diesem Verbot können gem. § 3 Abs. 1 Ausnahmen zugelassen werden. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 DGErhG M-V entscheiden die Staatlichen Ämter für Landwirtschaft und Umwelt über deren Erteilung sogar dann, wenn eine naturschutzrechtliche Zulassung erforderlich ist. Dabei ist jedoch das Einvernehmen mit der zuständigen Naturschutzbehörde herzustellen. Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Zuständigkeit umfassend regeln wollte. Dies ergibt sich zudem aus der Gesetzesbegründung (vgl. S. 14 LT-Drs. 6/1120). Dort heißt es:

26

„In Satz 2 und 3 wird für die Grünlandumbrüche, die in den Überschneidungsbereich mit Naturschutz- und Wasserrecht fallen, die Zuständigkeit des StALU im Einvernehmen mit den zuständigen Naturschutz- und Wasserbehörden geregelt. Die Entscheidungskonzentration für gleichzeitig erforderliche anderweitige wasser- und naturschutzrechtliche Zulassungen bei den StÄLU ist zum Vorteil für die Bürgerinnen und Bürger und soll vermeiden, dass die antragstellende Person für ein und denselben Umbruch mehrere Bescheide von unterschiedlichen Fachbehörden einholen muss.“

27

Soweit der Antragsgegner auf die Regelung des § 2 Satz 4 DGErhG M-V verweist und ausführt, dass damit die Ahndung eines Umbruchs nach anderen gesetzlichen Grundlagen durch andere Behörden nicht ausgeschlossen sei, ist dem nicht zu folgen. Nach der Gesetzesbegründung soll gewährleistet werden, dass für den Umbruch mit unmittelbarer Neuansaat, der nach Satz 3 keine Umwandlung von Dauergrünland nach Satz 1 darstellt, und für die Ausnahmen nach § 3 die spezialgesetzlichen Vorschriften Anwendung finden, womit auch Umbruchverbote einhergehen können. Eine von § 4 DGErhG M-V abweichende sachliche Zuständigkeit sollte die Norm indes nicht vermitteln.

28

Die Anordnung verstößt zudem gegen das aus § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrens-, Zustellungs- und Vollstreckungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (VwVfG M-V) resultierende Bestimmtheitsgebot. Aus der Ordnungsverfügung wird nicht hinreichend deutlich, auf welchen Flächen seines Grundstücks der Antragsteller den Anbau ackerbaulicher Kulturen zu unterlassen hat. Dabei liegt eine hinreichende inhaltliche Bestimmtheit immer dann vor, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen für den Adressaten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Im Einzelnen richtet sich der Maßstab für die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach dem jeweiligen Regelungsgehalt, den Besonderheiten des mit dem Verwaltungsakt anzuwendenden materiellen Rechts und den konkreten Umständen des Einzelfalls (Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24. Januar 2006 – 3 M 73/05 –, Rn. 9, juris). Im Briefkopf des Bescheides wird das Grundstück des Antragstellers, dass ca. 26 ha groß ist (vgl. Blatt 2 d. Beiakte), mit Gemarkung, Flur und Flurstück genau beschrieben. Aus der Sachverhaltsdarstellung und der Begründung wird jedoch deutlich, dass die Anordnung nur eine ca. 13,9 ha große südliche Teilfläche des Grundstücks erfassen soll. Der genaue Verlauf der Grenzen der Teilfläche kann dem Bescheid auch unter Berücksichtigung seiner Anlagen 2 und 3 nicht entnommen werden. Zum einen ist der Maßstab der Karten unbekannt. Zum anderen ist selbst die größere Karte der Anlage 1 bei einem geschätzten Maßstab von etwa 1:5000 derart klein gewählt, dass es fraglich erscheint, damit die von der Anordnung betroffene Fläche hinreichend genau bestimmen zu können. Dem Antragsteller kann die erfasste Fläche auch nicht aus der vorangegangenen Ordnungsverfügung vom 14.01.2016 bekannt sein, da eine taugliche Darstellung auch dort nicht erfolgte. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Fläche Gegenstand der Ortsbesichtigungen vom 16.09.2015 (vgl. Protokoll auf Bl. 11 d. Beiakte) sowie vom 09.12.2015 (vgl. Protokoll auf Bl. 29 d. Beiakte) war und dem Antragsteller eine Bestimmung daraus ermöglicht wird.

29

Ebenfalls erscheint die Anordnung in Ziffer 7 mangels einer hinreichenden Bestimmtheit der betroffenen Sperrfläche als rechtswidrig, sodass eine Interessenabwägung, vor dem Hintergrund einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache, auch hier zugunsten des Antragstellers ausfällt. Durch die Anordnung wurde dem Antragsteller sofort vollziehbar jegliche Nutzung bzw. Bewirtschaftung der in der Anlage 1 markierten Fläche untersagt. Die Anlage 1 stellt sich dabei als Luftbildaufnahme dar, die jedoch keinen Maßstab enthält und somit keine verlässlichen Rückschlüsse auf die Grenzen der betroffenen Teilfläche zulässt. In einem vergleichbaren Sachverhalt führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aus, dass den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot schon deswegen nicht entsprochen wird, weil der Maßstab einer Karte zur Bestimmung des örtlichen Geltungsbereichs einer Veränderungssperre nicht ersichtlich war (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Juli 2000 – 26 N 99.3185 –, Rn. 17, juris).

30

Eine hinreichende Individualisierung der Sperrfläche konnte auch nicht aus dem vorangegangenen Verfahren zur Ordnungsverfügung vom 14.01.2016 erfolgen, da die Markierung der Fläche in dem Bescheid wegen der Nutzung eines grobfaserigen Stiftes ebenfalls unbestimmt war. Auch die Begründung ließ keine hinreichende Festlegung der Grenzen der Sperrfläche zu. Zudem konnte der Antragsteller die Grenzen auch nicht aus den durchgeführten Ortsterminen bestimmen, da die Sperrfläche nicht zu deren Gegenstand gemacht wurde. Schließlich kann dahingestellt bleiben, ob die Verwaltungsakte eine hinreichende Bestimmung der betroffenen Teilfläche ermöglicht hätte. Denn ein Rückgriff auf dem Adressaten unbekannte Unterlagen, die sich in den Verwaltungsvorgängen befinden, genügt grundsätzlich nicht, um eine hinreichende Bestimmtheit zu erreichen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01. Juli 2009 – L 7 B 92/09 AS NZB –, Rn. 11, juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl., § 37 Rn. 12; im Ergebnis auch: VG München, Urteil vom 30. Mai 2001 – M 22 K 01.591 –, Rn. 44, juris; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 37 Rn. 37). Es ist nicht erkennbar, dass dem Antragsteller der Inhalt der Verwaltungsakte bekannt war.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

32

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Kammer schätzt das Interesse des Klägers am Verfahren auf 20.000,00 Euro, und zwar hinsichtlich der Anordnung zu I. auf 10.000 € und hinsichtlich der Anordnungen zu IV. und VII. auf jeweils 5.000 €. Den Gesamtbetrag setzt sie im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Hälfte an.

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

(2) Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

(2) Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein im Land Hessen anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 44 Kassel - Herleshausen im Teilabschnitt Anschlussstelle Hessisch Lichtenau-Ost bis Hasselbach (VKE 32).

2

Die neue Autobahn soll eine Lücke im Autobahnnetz auf der Achse Ruhrgebiet-Kassel-Dresden zwischen der A 7 bei Kassel und der A 4 bei Eisenach schließen. Die Gesamtplanung gliedert sich in zehn als Verkehrskosteneinheiten (VKE) bezeichnete Planungsabschnitte. Die westlich an die VKE 32 anschließende VKE 31 steht bereits unter Verkehr, die daran nach Westen anschließende VKE 20 ist in Bau. Für die noch weiter westlich gelegene VKE 12 und die VKE 33, den östlichen Folgeabschnitt der VKE 32, sind Planfeststellungsbeschlüsse ergangen, die noch keine Bestandskraft erlangt haben.

3

Die Trasse der VKE 32 verläuft auf einer Länge von 4,3 km mit zwei Fahrstreifen pro Richtungsfahrbahn im Tal der Wehre über das Gebiet der Städte Hessisch Lichtenau und Waldkappel. Im östlichen Anschluss an die VKE 31 folgt sie zunächst leicht nördlich versetzt der vorhandenen B 7, unterfährt den Ort Küchen in einem Tunnel und wird sodann wieder gebündelt mit der B 7 bis zum Bauende östlich von Hasselbach geführt. Dort ist zunächst ein provisorischer Anschluss an die B 7 geplant.

4

Die A 44 zwischen Kassel und Eisenach gehört zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit. Der Fernstraßenbedarfsplan weist sie als vierstreifige Autobahn der Kategorie "vordringlicher Bedarf" aus. Außerdem ist sie in das Leitschema des transeuropäischen Verkehrsnetzes aufgenommen worden.

5

Die geplante Trasse verläuft in der Nähe mehrerer FFH-Gebiete und eines Europäischen Vogelschutzgebiets, ohne diese Gebiete unmittelbar zu berühren. Auf nahezu gesamter Länge wird sie in einem Korridor zwischen Teilen des FFH-Gebiets D 4825-302 "Werra- und Wehretal" geführt, an das sie bis auf 120 m heranreicht. Dieses Gebiet mit einer Fläche von über 24 000 ha wird durch die Täler der Werra, Wehre und Sontra, die ihm nicht angehören, in eine Reihe von Teilgebieten gegliedert. Unter Schutz gestellt sind vor allem zusammenhängende Waldflächen mit den Lebensraumtypen Hainsimsen-Buchenwald und Waldmeister-Buchenwald. Das Gebiet ist in mehreren Tranchen an die Europäische Kommission gemeldet worden, die es am 7. Dezember 2004 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen hat. Die Gebietsmeldung diente dem verwendeten Standard-Datenbogen zufolge in erster Linie dem Ziel, den bestehenden Laubholzanteil als Lebensraum für die im Gebiet ansässigen Fledermausarten Großes Mausohr und Bechsteinfledermaus zu erhalten. Nachdem festgestellt worden war, dass die Gebietsgrenzen am Rande des Wehretals zusammenhängende Waldflächen durchschneiden, wurde das Gebiet durch die Verordnung über die Natura-2000-Gebiete in Hessen vom 16. Januar 2008 (GVBl I S. 30) in erweiterten, näher an die Trasse heranreichenden Grenzen ausgewiesen. Die Gebietserweiterung ist noch nicht an die Europäische Kommission gemeldet worden. Südwestlich der geplanten Trasse liegt das FFH-Gebiet DE 4824-301 "Reichenbacher Kalkberge" mit ausgedehnten Kalk-Buchenwäldern. Zu den Schutzgegenständen dieses Gebiets gehören u.a. mehrere Buchenwaldtypen, prioritäre Erlen-Eschen-Auenwälder, kalkreiche Niedermoore und prioritäre Kalktuffquellen. Als Ersatz für einen durch den Bau des Tunnels Küchen entfallenden Trinkwasserbrunnen soll in diesem Gebiet ein neuer Trinkwasserbrunnen angelegt werden. Im Zuge der Erweiterung des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" ist eine vorher zum FFH-Gebiet "Reichenbacher Kalkberge" gehörende Waldfläche von ca. 32 ha dem erstgenannten Gebiet angegliedert worden. Nördlich der Trasse liegt das bis auf 500 m an sie heranreichende Vogelschutzgebiet "Meißner", das sich teilweise mit Flächen des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" deckt. In diesem Gebiet nisten u.a. Schwarzstörche.

6

Das Bundesministerium für Verkehr bestimmte mit Erlass vom 15. Dezember 1998 die Linie der A 44, die weitgehend der heutigen Vorzugsvariante entspricht.

7

Auf Antrag des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen Kassel vom 18. Mai 2001 leitete das Regierungspräsidium Kassel das Planfeststellungsverfahren ein. Der Kläger machte von der ihm eingeräumten Gelegenheit zur Äußerung mit Schreiben vom 21. Juli 2001 fristgerecht Gebrauch. Seine Einwendungen, mit denen er u.a. eine fehlerhafte Trassenwahl, eine unzureichende Berücksichtigung der Schutzgebiete und eine mangelnde Untersuchung verschiedener Tierarten rügte, konnten im Erörterungstermin am 5./7. Februar 2002 nicht ausgeräumt werden.

8

In der Folgezeit brachte der Vorhabenträger eine überarbeitete Fassung des landschaftspflegerischen Begleitplans, Verträglichkeitsprüfungen für die FFH-Gebiete "Werra- und Wehretal" und "Reichenbacher Kalkberge" sowie einen artenschutzrechtlichen Fachbeitrag zum landschaftspflegerischen Begleitplan in das Verfahren ein. Das Regierungspräsidium Kassel führte daraufhin ein ergänzendes Anhörungsverfahren durch, in dem es den Kläger durch Übersendung der geänderten Planunterlagen beteiligte. Der Kläger machte von der ihm unter Hinweis auf den Ausschluss verspäteter Einwendungen eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme mit Schreiben vom 10. April 2006 fristgerecht Gebrauch. Er erhob im Wesentlichen folgende Einwendungen: Die Planung berücksichtige nur ungenügend die Belange des Vogelschutzes. Sie verkenne, dass das Lichtenauer Becken ein faktisches Vogelschutzgebiet sei. Außerdem sei eine Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet "Meißner" fehlerhaft unterblieben. Die Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" sei unzureichend. Für die von dem Vorhaben betroffenen Fledermausarten seien keine ausreichenden Daten erhoben worden. Die Ermittlung und Bewertung der Beeinträchtigungen leide in vielfacher Hinsicht an Fehlern. So seien die Flächenverluste von Jagdhabitaten des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus falsch berechnet und unzureichend gewichtet worden. Auswirkungen von Kollisionen, Lichtreizen sowie Lärm- und Schadstoffeinträgen auf diese Arten seien unterschätzt worden. Die gebotene Berücksichtigung abschnittsübergreifender Wirkungen im Rahmen einer Verträglichkeitsprüfung für den gesamten Planungsraum sei unterblieben. Unzureichend sei auch die Verträglichkeitsprüfung für das Gebiet "Reichenbacher Kalkberge". Die hydrologischen Auswirkungen des geplanten Ersatzbrunnens auf mehrere grundwasserabhängige Schutzgegenstände des Gebiets seien nicht berücksichtigt worden. Ferner leide die artenschutzrechtliche Beurteilung in vielfacher Hinsicht an Mängeln. Am 7. und 9. November 2006 fand ein Erörterungstermin statt, in dem die Einwendungen des Klägers nicht ausgeräumt wurden.

9

In der Folgezeit holte der Vorhabenträger gutachtliche Stellungnahmen zu den Auswirkungen der vorgesehenen, in den Verträglichkeitsprüfungen noch nicht berücksichtigten Änderungen der FFH-Gebiete "Werra- und Wehretal" und "Reichenbacher Kalkberge" sowie eine Ergänzung zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag ein. Auch hierzu nahm der Kläger innerhalb der ihm eingeräumten Frist Stellung. Er wandte insbesondere ein, die Gebietserweiterungen beträfen nur einen kleinen Teil der von den Fledermäusen bevorzugt bejagten Habitate und seien daher unvollständig. Der artenschutzrechtliche Fachbeitrag gehe nach wie vor von zu geringen Betroffenheiten aus; namentlich sei der Luchs völlig übersehen worden.

10

Mit Beschluss vom 16. November 2007 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 44 im Abschnitt der VKE 32 fest. In dem Beschluss wurden Befreiungen von artenschutzrechtlichen Verboten für das Große Mausohr, die Bechsteinfledermaus, die Haselmaus, die Schlingnatter sowie 52 europäische Vogelarten erteilt.

11

Zu den planfestgestellten Unterlagen gehören der landschaftspflegerische Begleitplan und die Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" in der Fassung vom 25. November 2005. Der landschaftspflegerische Begleitplan sieht insbesondere eine Reihe von Maßnahmen vor, die dem Schutz von Fledermäusen dienen. Um die Querpassierbarkeit der Trasse zu erhöhen und Immissionen zu mindern, soll der Tunnel Küchen in einen Wechselbereich der Bechsteinfledermaus hinein verlängert werden. Östlich des Tunnels sind zwei Grünbrücken und ein Bachdurchlass als Querungshilfen für Fledermäuse vorgesehen. Ergänzt werden diese Querungshilfen durch Irritationsschutzwände, Fledermaussperr- und -leiteinrichtungen sowie Schutz- und Leitpflanzungen. Die Verträglichkeitsprüfung, die für die VKE 32 bis 50 insgesamt durchgeführt worden ist, kommt zu dem Ergebnis, erhebliche Gebietsbeeinträchtigungen seien nicht zu besorgen, weil Eingriffe durch die geplanten Schutzmaßnahmen weitestgehend vermieden bzw. stark vermindert würden. Zwar seien Jagdhabitate und Hauptflugrouten bzw. Wechselbereiche des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus betroffen. Jagdhabitatverluste dieser bevorzugt im Wald jagenden Arten träten aber nur gebietsextern auf; selbst wenn man die Verluste an den gebietsintern anwendbaren Maßstäben messe, blieben sie unter der Erheblichkeitsschwelle. Die Funktionalität der von der Trasse zerschnittenen bedeutenden Flugrouten und Wechselbereiche werde durch die planfestgestellten Schutzmaßnahmen gewahrt. Diese gewährleisteten auch einen hinreichenden Kollisionsschutz für die Tiere. Ferner würden keine zum Gegenstand von Erhaltungszielen gewordenen Lebensräume erheblich beeinträchtigt. Die als Beurteilungsmaßstab für deren Stickstoffbelastung zugrunde zu legenden Critical Loads würden bereits im Nullfall überschritten. Projektbedingte Zusatzdepositionen in Höhe der Critical-Load-Werte würden auf den Flächen der geschützten Lebensräume nicht erreicht.

12

Die Einwendungen des Klägers wies der Beschluss zurück: Das Vorhaben stehe mit dem Habitatschutzrecht in Einklang. Das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" sei jedenfalls nach der Gebietserweiterung anhand des fachlich fundierten Abgrenzungskriteriums der (Laub-)Wald-/Feldgrenze zutreffend abgegrenzt. Die Verträglichkeitsprüfung habe die Flächen der damals noch nicht vollzogenen Gebietserweiterung als faktische FFH-Gebiete berücksichtigt. Die Auswirkungen des Vorhabens auf das Schutzgebiet seien in der Verträglichkeitsprüfung sorgfältig ermittelt und bewertet worden; Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele seien danach nicht zu besorgen. Das Projekt sei auch verträglich mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets "Reichenbacher Kalkberge". Beeinträchtigungen grundwasserabhängiger Lebensräume, die unter die Erhaltungsziele des Gebiets fielen, seien aufgrund der hydrogeologischen Verhältnisse und der geplanten Abdichtung des Ersatzbrunnens ausgeschlossen. Einer Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet "Meißner" habe es nicht bedurft. Die Entfernung des Schutzgebiets von der Trasse sei so groß, dass Auswirkungen auf die Gebietsflächen ausgeschlossen seien. Ebenso wenig seien Störungen funktionaler Beziehungen dieses Gebiets zu anderen europäischen Schutzgebieten zu besorgen. Es treffe nicht zu, dass das Lichtenauer Becken ein faktisches Vogelschutzgebiet sei. Das Artenschutzrecht stelle gleichfalls kein Zulassungshindernis dar. Soweit das Vorhaben artenschutzrechtliche Verbotstatbestände verwirkliche, würden Befreiungen erteilt, deren Voraussetzungen gegeben seien.

13

Am 21. Januar 2008 hat der Kläger gegen den durch Auslegung vom 7. bis 21. Dezember 2007 öffentlich bekannt gemachten Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben.

14

Prozessbegleitend hat der Beklagte ein Änderungsverfahren mit dem Ziel durchgeführt, ein Monitoring- und Risikomanagementkonzept anzuordnen. Der Kläger ist hierzu beteiligt worden. Nachträglich hat der Beklagte weitere Themenkomplexe, darunter die Ermittlung und Beurteilung von Stickstoffdepositionen, in das Verfahren einbezogen.

15

Durch Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 hat er dem Planfeststellungsbeschluss Nebenbestimmungen beigefügt. Sie betreffen vor allem ein Monitoring der planfestgestellten Schutzmaßnahmen für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus, ein Monitoring der Bestandsentwicklung der Kolonien dieser Arten sowie den Vorbehalt nachträglicher Korrekturmaßnahmen nach Maßgabe der Monitoringergebnisse. Außerdem ist der Planfeststellungsbeschluss um zusätzliche nachrichtliche Planunterlagen ergänzt worden, darunter die "Konsolidierte Fassung der im Zusammenhang mit den Planungen der Teilstücke VKE 40.1 und 40.2 aktualisierten Verträglichkeitsprüfung für das Gebiet 'Werra- und Wehretal'" vom 24. August 2009. Zur Begründung wird im Planergänzungsbeschluss im Wesentlichen ausgeführt: Die ergänzenden Nebenbestimmungen für ein Risikomanagement seien aus Gründen der Vorsorge getroffen worden, obgleich erhebliche Beeinträchtigungen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus schon nach dem Schutzkonzept des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses ausgeschlossen seien. Sollte sich diese positive Prognose nach den Monitoringergebnissen nicht bewahrheiten, ließen sich mit den vorgesehenen Korrekturmaßnahmen erhebliche Gebietsbeeinträchtigungen zuverlässig ausschließen. Die ergänzend durchgeführten Untersuchungen zu Stickstoffdepositionen bestätigten im Ergebnis die Annahme, dass erhebliche Beeinträchtigungen geschützter Lebensräume auch unter diesem Aspekt ausgeschlossen seien. Die ermittelten Zusatzbelastungen seien so gering, dass sie mit bis zu 3 % der Critical Loads weit unter der Signifikanzschwelle der einschlägigen Vollzugshilfe des Landesumweltamts Brandenburg von 10 % der Critical Loads blieben. Die konsolidierte Fassung der Verträglichkeitsprüfung berücksichtige, soweit sie die VKE 32 betreffe, fachliche Stellungnahmen, die die ursprüngliche Verträglichkeitsprüfung ergänzten und teils zum Gegenstand einer Beteiligung der Träger öffentlicher Belange gemacht, teils in das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingeführt worden seien.

16

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss nochmals um Schutzauflagen ergänzt.

17

Zur Begründung seiner Klage wiederholt und vertieft der Kläger seine im Planfeststellungsverfahren erhobenen Einwendungen. Ergänzend macht er im Wesentlichen geltend: Zu der durch den Planergänzungsbeschluss als nachrichtliche Planunterlage einbezogenen aktualisierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" sei er nicht angehört worden. Durch diese Unterlage sei die zur Grundlage der Planfeststellung gemachte Verträglichkeitsprüfung in ihrer ursprünglichen Fassung überholt. Das nachträglich angeordnete Konzept eines Risikomanagements sei zu unbestimmt und überdies lückenhaft. Der Planergänzungsbeschluss beurteile ebenso wie schon der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss die Stickstoffbelastung habitatrechtlich geschützter Waldflächen im FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" fehlerhaft. Umfang und Stärke der Belastung seien unzutreffend ermittelt worden. Für Irrelevanzschwellen der Zusatzbelastung, wie sie der Beklagte zugrunde legen wolle, gebe es keine Rechtfertigung.

18

Der Kläger beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 16. November 2007 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2009 und der in der mündlichen Verhandlung vom 10. und 11. März 2010 vorgenommenen Ergänzungen und Klarstellungen aufzuheben.

19

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

20

Er verteidigt den Planfeststellungsbeschluss in der ergänzten Fassung.

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Planfeststellungsbeschluss, der in der Fassung gilt und angefochten ist, die er durch den Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 und die in der mündlichen Verhandlung erklärten Ergänzungen und Klarstellungen erhalten hat, leidet an keinem zur Aufhebung des Beschlusses oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führenden Rechtsfehler. Er verstößt nicht in einer diese Rechtsfolgen rechtfertigenden Weise gegen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes 2002, gegen Vorschriften, die aufgrund oder die im Rahmen dieses Gesetzes erlassen worden sind oder fortgelten, oder gegen andere Rechtsvorschriften, die bei Erlass der Entscheidung zu beachten waren und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind (vgl. § 61 Abs. 2 BNatSchG 2002).

22

A. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht mit formellen Mängeln behaftet, welche dem Klagebegehren ganz oder teilweise zum Erfolg verhelfen würden.

23

Allerdings hat der Beklagte den Kläger in dem von ihm durchgeführten vereinfachten Änderungsverfahren nach § 17d FStrG i.V.m. § 76 Abs. 3 VwVfG nicht ausreichend beteiligt. Wenngleich diese Verfahrensart nicht die Durchführung eines Anhörungsverfahrens nach § 17a FStrG i.V.m. § 73 VwVfG erforderte, musste der Beklagte den Kläger als anerkannten Naturschutzverein nach Maßgabe der einschlägigen naturschutzrechtlichen Bestimmungen beteiligen (vgl. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 76 Rn. 28). Dies ist nur ungenügend geschehen. Der Kläger hatte zwar Gelegenheit, zu den vom Vorhabenträger beantragten Ergänzungen des Fledermausschutzkonzepts Stellung zu nehmen. Zu den nachträglich in das Änderungsverfahren eingebrachten Untersuchungen der Stickstoffdepositionen, auf deren Grundlage der Beklagte im Planergänzungsbeschluss die Auswirkungen dieser Depositionen auf habitatrechtlich geschützte Lebensräume neu bewertet hat, ist dem Kläger aber keine Möglichkeit zur Äußerung eingeräumt worden.

24

Von einer Beteiligung zu dieser Problematik konnte nicht nach § 48 Abs. 2 des Hessischen Naturschutzgesetzes - HENatG - vom 4. Dezember 2006 (GVBl I S. 619) abgesehen werden. Unabhängig davon, dass eine Entscheidung, von dieser Möglichkeit Gebrauch machen zu wollen, in dem Planergänzungsbeschluss keinen Ausdruck gefunden hat, hätte sie vorausgesetzt, dass keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu erwarten waren. Bezogen auf Auswirkungen auf FFH-Gebiete ist eine solche Erwartung angesichts des für diese Gebiete geltenden strengen Schutzregimes nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit schon aufgrund einer bloßen Vorprüfung keine erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets zu besorgen sind. Geht es hingegen - wie hier - um Untersuchungen, die Bestandteile von Verträglichkeitsprüfungen sind, so kann die Bagatellregelung des § 48 Abs. 2 HENatG nicht zum Tragen kommen.

25

Der Beteiligungsmangel ist aber unerheblich (vgl. § 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FStrG i.V.m. § 46 VwVfG). Der Kläger hat von den Ergebnissen der neuen Untersuchungen, auf die der Beklagte seine Beurteilung der Stickstoffdepositionen stützt, im Klageverfahren Kenntnis erlangt und sich damit schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung auseinandergesetzt. Der Beklagte hat seinerseits unter Hinweis auf die fachliche Einschätzung seiner Gutachter klar zum Ausdruck gebracht, dass er die in diesem Rahmen vorgebrachten Einwände des Klägers als nicht stichhaltig erachtet und in ihnen keinen Anlass sieht, von seiner Beurteilung abzurücken. Angesichts dessen fehlt es an der konkreten Möglichkeit, dass die behördliche Entscheidung nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Klägers in der Sache anders ausgefallen wäre.

26

B. Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch nicht an materiellen Rechtsfehlern, auf die sich die Klage stützen ließe.

27

1. Soweit es darauf für das Klagebegehren ankommt, steht der Beschluss in Einklang mit den Vorschriften, die dem Schutz von FFH-Gebieten und Europäischen Vogelschutzgebieten dienen. Nach § 34 HENatG, mit dem Art. 6 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl EG Nr. L 206 S. 7 - Habitatrichtlinie - FFH-RL) umgesetzt worden ist, sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura-2000-Gebietes zu überprüfen. Sie dürfen nach § 34 Abs. 2 HENatG grundsätzlich nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Hinsichtlich der Gebiete, für die das Vorhaben Verträglichkeitsprüfungen unterzogen worden ist, ist der Beklagte unter Berücksichtigung der Prüfungsergebnisse zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, erhebliche Beeinträchtigungen seien nicht zu besorgen. Für weitere Gebiete bedurfte es schon keiner Verträglichkeitsprüfungen.

28

a) Für das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" ist eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden. Nach deren Ergebnissen durfte der Beklagte davon ausgehen, dass das Vorhaben mit den Erhaltungszielen des Gebiets verträglich ist.

29

aa) Bei seiner im Planfeststellungsbeschluss vom 16. November 2007 vorgenommenen Verträglichkeitsbeurteilung hat sich der Beklagte auf die zu den planfestgestellten Unterlagen gehörende Verträglichkeitsprüfung vom 25. November 2005 und die sie ergänzende Stellungnahme vom September 2007 zu den Auswirkungen der vorgesehenen Gebietsveränderung auf das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung gestützt. Entgegen der Auffassung des Klägers wird die Eignung dieser Unterlagen als Beurteilungsgrundlage nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Verträglichkeitsprüfung inzwischen in einer aktualisierten Fassung vom 24. August 2009 vorliegt, die im Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 als nachrichtliche Unterlage aufgeführt ist. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist grundsätzlich der Erlass des Planfeststellungsbeschlusses. In diesem Zeitpunkt war die Ursprungsfassung der Verträglichkeitsprüfung mit der Ergänzung vom September 2007 aktuell. Auf den Zeitpunkt eines Planergänzungsbeschlusses ist allenfalls insoweit abzustellen, als er bestimmte Probleme einer Neubewertung unterzieht. Das ist hier nur für die Stickstoffbelastung habitatrechtlich geschützter Lebensräume geschehen, für die der Beklagte im Ergänzungsbeschluss folgerichtig zwischenzeitlich ergänzend durchgeführte Ermittlungen und gewonnene Erkenntnisse verarbeitet hat, die in die aktualisierte Fassung der Verträglichkeitsprüfung eingegangen sind. Die Beurteilung im Übrigen war hingegen nicht Gegenstand des Ergänzungsbeschlusses, so dass es für die Frage der Aktualität der Beurteilungsgrundlagen insoweit nicht auf dessen Erlasszeitpunkt ankommen konnte. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Aktualisierung der Verträglichkeitsprüfung vor allem andere Abschnitte des Gesamtprojekts der A 44 betrifft, während sie für die VKE 32 - abgesehen von den Angaben zur Stickstoffbelastung - keine erheblichen tatsächlichen Veränderungen oder veränderten Erkenntnisse aufzeigt, die für die Beurteilung der Verträglichkeit des Vorhabens von Bedeutung sein könnten.

30

bb) Das Vorhaben ist in der Verträglichkeitsprüfung an den für das FFH-Gebiet maßgeblichen Erhaltungszielen gemessen worden. Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des jeweiligen Gebiets zu überprüfen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 HENatG); ist das Gebiet bereits durch eine Natura-2000-Verordnung des Landes als Schutzgebiet ausgewiesen, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften (§ 34 Abs. 1 Satz 2 HENatG). Da bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eine solche Verordnung noch nicht ergangen war, musste auf die Erhaltungsziele abgestellt werden. § 3 Satz 2 Nr. 3 HENatG definiert die Erhaltungsziele als Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und Arten nach den Anhängen I und II der Habitatrichtlinie sowie der Vogelarten nach Anhang I der Richtlinie79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl EG Nr. L 103 S. 1 - Vogelschutzrichtlinie - VRL), für die das Gebiet bestimmt ist. Die Erhaltungsziele sind zu ermitteln durch Auswertung der zur Vorbereitung der Gebietsmeldung gefertigten Standard-Datenbögen, in denen die Merkmale des Gebiets beschrieben werden, die aus nationaler Sicht erhebliche ökologische Bedeutung für das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensräume und Arten haben (Urteile vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 und vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ). Die Verträglichkeitsprüfung ist in dieser Weise vorgegangen und hat die im Standard-Datenbogen mit signifikanten Vorkommen im Gebiet vertretenen Lebensräume des Anhangs I und Arten des Anhangs II der Habitatrichtlinie als Gegenstände von Erhaltungszielen zugrundegelegt. Die besondere Bedeutung, die den großen, zusammenhängenden Buchenwaldbeständen der Gebietsteile laut Standard-Datenbogen als Jagdhabitat für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus zukommt, ist dabei ausdrücklich berücksichtigt worden.

31

cc) Der Verträglichkeitsprüfung ist ein zutreffender räumlicher Umgriff zugrundegelegt worden. Sie erstreckt sich auf das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" in seinen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses festgelegten Grenzen und bezieht zusätzlich die Flächen der damals noch nicht umgesetzten Gebietserweiterung sowie gebietsexterne Funktionsbeziehungen zwischen den Teilgebieten ein. Dieser räumliche Umgriff war einerseits ausreichend, um alle relevanten Auswirkungen in den Blick nehmen zu können, andererseits aber auch geboten, so dass die gerichtliche Überprüfung keinen der genannten Teilbereiche aussparen kann. Soweit die Verträglichkeitsprüfung darüber hinaus hilfsweise gebietsexterne Jagdhabitate des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus berücksichtigt hat, war dies hingegen rechtlich nicht geboten mit der Folge, dass Auswirkungen auf diese die Verträglichkeit des Projekts nicht in Frage stellen können.

32

(1) Das Schutzregime des Art. 6 FFH-RL beschränkt sich flächenmäßig grundsätzlich auf das FFH-Gebiet in seinen administrativen Grenzen. Das Schutzkonzept der Habitatrichtlinie beruht auf zwei Säulen, nämlich zum einen dem ubiquitären Artenschutz (Art. 12 FFH-RL) und zum andern dem besonderen Gebietsschutz (Art. 6 FFH-RL). Letzterer knüpft an die Unterschutzstellung einer bestimmten Fläche an. Dementsprechend definiert Art. 1 FFH-RL unter Buchstabe j ein "Gebiet" als "einen geographisch definierten Bereich mit klar abgegrenzter Fläche" und unter Buchstabe l ein "besonderes Schutzgebiet" als "ein... ausgewiesenes Gebiet, in dem die Maßnahmen, die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und/oder Populationen der Arten, für die das Gebiet bestimmt ist, erforderlich sind, durchgeführt werden". Das schließt aus, den Gebietsschutz mit Blick auf Folgewirkungen von Beeinträchtigungen gebietsexterner Flächen über die Gebietsgrenzen auszudehnen. Deshalb wäre es verfehlt, gebietsexterne Flächen, die von im Gebiet ansässigen Vorkommen geschützter Tierarten zur Nahrungssuche genutzt werden, in den Gebietsschutz einzubeziehen. Sind die dem Gebietsschutz unterfallenden Vorkommen auf die betreffenden gebietsexternen Nahrungshabitate zwingend angewiesen, um in einem günstigen Erhaltungszustand zu verbleiben, so ist das Gebiet, wie noch auszuführen sein wird, im Regelfall des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 FFH-RL, falsch abgegrenzt und muss auf diese Nahrungshabitate ausgedehnt werden. Dagegen wäre es systemwidrig, die Habitate losgelöst von der Gebietsabgrenzung als durch die Erhaltungsziele des Gebiets mitumfasst zu behandeln.

33

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Konzept des Gebietsschutzes sich auf die Errichtung eines Schutzgebietsnetzes richtet. Der angestrebten Vernetzung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass geschützte Arten in isolierten Reservaten insbesondere wegen des notwendigen genetischen Austauschs, oft aber auch wegen ihrer Lebensgewohnheiten im Übrigen nicht auf Dauer erhalten werden können. Deshalb ist der Schutz der Austauschbeziehungen zwischen verschiedenen Gebieten und Gebietsteilen unverzichtbar. Beeinträchtigungen dieser Austauschbeziehungen, z.B. durch Unterbrechung von Flugrouten und Wanderkorridoren, unterfallen mithin dem Schutzregime des Gebietsschutzes (so bereits Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 36).

34

Besonderheiten ergeben sich, wenn Gebiete, die nach ihren Eigenschaften in die Kommissionsliste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 FFH-RL aufgenommen werden könnten oder gar müssten, diesen Status noch nicht erlangt haben oder in dieser Liste enthaltene Gebiete fehlerhaft zu klein abgegrenzt worden sind. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteile vom 13. Januar 2005 - Rs. C-117/03 - Slg. 2005, I-00167 und vom 14. September 2006 - Rs. C-244/05 - Slg. 2006, I-08445 ) müssen die in Art. 6 FFH-RL vorgesehenen Schutzmaßnahmen nur für die Gebiete getroffen werden, die in die Kommissionsliste eingetragen sind. Für Gebiete, die zwar von den Mitgliedstaaten gemeldet, aber noch nicht gelistet worden sind, gelten hingegen andere Maßgaben. Gemeinschaftsrechtlich sind für sie "geeignete Schutzmaßnahmen" geboten, "um die ökologischen Merkmale dieser Gebiete zu erhalten" (Urteil vom 14. September 2006 a.a.O. Rn. 44). Erläuternd heißt es hierzu in dem zuletzt zitierten Urteil (a.a.O. Rn. 46), die Mitgliedstaaten dürften keine Eingriffe zulassen, die die ökologischen Merkmale des Gebiets ernsthaft beeinträchtigen könnten; dies gelte insbesondere dann, wenn ein Eingriff die Fläche des Gebiets wesentlich verringern oder zum Verschwinden von in dem Gebiet vorkommenden prioritären Arten führen oder aber die Zerstörung des Gebiets oder die Beseitigung seiner repräsentativen Merkmale zur Folge haben könnte. Diese Erläuterung zeigt, dass das von den Mitgliedstaaten vor der Gebietslistung zu gewährleistende Schutzregime hinter den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zurückbleiben darf. Die anwendbaren Verfahrensmodalitäten bestimmen sich nach dem innerstaatlichen Recht, dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als die, die für gleichartige innerstaatliche Situationen gelten (Urteil vom 14. September 2006 a.a.O. Rn. 50).

35

Diese Grundsätze finden in gleicher Weise Anwendung, soweit es um Flächen geht, deren Einbeziehung in ein bereits gelistetes Gebiet in Rede steht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Gebietserweiterung der Kommission bereits vorgeschlagen worden ist oder ob dies noch nicht geschehen ist, die Nachmeldung sich aber aufdrängt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über diese Fallgestaltungen zwar bisher nicht entschieden; es gibt aber keine stichhaltigen Gründe, sie abweichend zu behandeln.

36

Hiernach ist es gemeinschaftsrechtlich zulässig, für gemeldete oder zu meldende Erweiterungsflächen weniger strenge Schutzanforderungen zu stellen als für die Flächen des gelisteten Gebiets. Als Mittel dazu kommt grundsätzlich - als Regelung für vergleichbare innerstaatliche Situationen - eine vorläufige Unterschutzstellung der betreffenden Flächen in Betracht, die den Schutzstandard näher umschreibt. Für das Land Hessen scheidet diese Möglichkeit aber in entsprechender Anwendung des § 3 Satz 2 Nr. 5 HENatG aus. Nach dieser Vorschrift gehören auch die gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 bis 3 BNatSchG 2002 an die Kommission gemeldeten, aber noch nicht gelisteten Gebiete zu den Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung, für die das Schutzregime der §§ 33 und 34 HENatG gilt. Die Zielrichtung der Vorschrift, den Gebietsschutz auf Flächen auszudehnen, deren Listung als möglich oder sogar sicher erscheint, passt für Gebiete und Gebietsteile, die noch nicht gemeldet sind, deren Meldung sich aber aufdrängt, gleichermaßen wie für gemeldete Gebiete. Für sie findet somit nach hessischem Landesrecht das Schutzregime der habitatrechtlichen Regelungen Anwendung.

37

(2) Nach diesen Grundsätzen musste die Verträglichkeitsprüfung über das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" in seinen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geltenden Grenzen hinaus ausgedehnt werden. Zusätzlich einzubeziehen waren die Flächen, um die das Gebiet nachträglich durch die hessische Natura-2000-Verordnung erweitert worden ist, nicht dagegen auch die Flächen, die nach Auffassung des Klägers wegen ihrer Funktion als Jagdhabitate des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus dem Gebiet hätten zusätzlich angegliedert werden müssen.

38

Die Maßstäbe für die Gebietsabgrenzung ergeben sich aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 FFH-RL. Diese Regelung findet nicht nur für die Identifizierung von FFH-Gebieten, sondern auch für deren konkrete Abgrenzung Anwendung (Urteile vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <156> und vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <258>). Maßgebend sind ausschließlich die in Anhang III Phase 1 genannten naturschutzfachlichen Kriterien; Erwägungen, die auf Interessen gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art abstellen, sind nicht statthaft (Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <24> und vom 27. Oktober 2000 a.a.O. S. 156; ebenso für die Gebietsauswahl durch die Mitgliedstaaten EuGH, Urteil vom 7. November 2000 - Rs. C-371/98 - Slg. 2000, I-09235). Für die Anwendung der Kriterien ist den zuständigen Stellen ein fachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt; zwingend ist eine Gebietsmeldung nur, wenn und soweit die fraglichen Flächen die von der Habitatrichtlinie vorausgesetzte ökologische Qualität zweifelsfrei aufweisen (Urteile vom 31. Januar 2002 - BVerwG 4 A 15.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 168 S. 102 und vom 22. Januar 2004 - BVerwG 4 A 4.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 4 S. 31). Dementsprechend dürfen Gebietsteile, die den Auswahlkriterien zweifelsfrei entsprechen, bei der Gebietsmeldung nicht ausgespart werden (Urteil vom 17. Mai 2002 a.a.O. S. 258).

39

Ist die Phase 2 des Auswahlverfahrens abgeschlossen, ein FFH-Gebiet also wie das hier betroffene Gebiet "Werra- und Wehretal" bereits von der Kommission in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden, so sind an die Darlegung einer fehlerhaften Gebietsabgrenzung allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Für eine gerichtliche Prüfung ist zwar weiterhin Raum (offengelassen im Beschluss vom 13. März 2008 - BVerwG 9 VR 9.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 33 Rn. 22), da sich trotz der Fachkunde der mit dem Auswahlprozess betrauten Stellen Fehleinschätzungen nie völlig ausschließen lassen und die dynamische Entwicklung der Natur zu veränderten Verhältnissen führen kann. Mit Rücksicht auf die durch den Auswahlprozess verbürgte hohe Richtigkeitsgewähr der Gebietsabgrenzung bedürfen Einwände gegen die Sachgerechtigkeit der Abgrenzung aber einer besonderen Substantiierung (Beschluss vom 13. März 2008 a.a.O.).

40

Nach diesem Maßstab ist die bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 16. November 2007 geltende Gebietsabgrenzung im Einwirkungsbereich der VKE 32 korrekturbedürftig gewesen. Die nachträglich in das FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" einbezogenen Erweiterungsflächen entsprechen unter Zugrundelegung der Erhaltungsziele des Gebiets zweifelsfrei den maßgeblichen Auswahlkriterien. In Anbetracht der besonderen Bedeutung, die nach dem Standard-Datenbogen dem Erhalt der großen, zusammenhängenden Laubwaldbestände als Lebensraum für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus bei der Gebietsauswahl beigemessen wurde, war es fachlich zwingend geboten, größere zusammenhängende Laubwaldbestände insgesamt unter Schutz zu stellen. Dem widersprach die Gebietsabgrenzung, die das Abgrenzungskriterium der (Laub-)Wald-/Feldgrenze nicht konsequent durchgehalten und Anteile am zusammenhängenden Laubwald in Gestalt der späteren Erweiterungsflächen südlich der Ortschaft Küchen (Langer Berg), nordöstlich von Hasselbach (Beerberg) und westlich von Waldkappel (Wehrberg) ohne ersichtlichen Grund aus dem Gebiet ausgegrenzt hat. Hierzu gehört auch eine bisher dem FFH-Gebiet "Reichenbacher Kalkberge" zugehörige Waldfläche zwischen dem FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" und der Erweiterungsfläche Langer Berg, die die Verbindung zwischen beiden bildet. Da diese erst nachträglich hinzugekommenen Flächen - wie in einer Stellungnahme des Hessischen Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz vom 5. September 2007 ausdrücklich eingeräumt - nach Lage und Funktion integrale Bestandteile des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" darstellen, bestand insoweit im Erlasszeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses ein sich aufdrängender Korrekturbedarf.

41

Die Einbeziehung weiterer für die Beurteilung des Vorhabens relevanter Flächen in das Gebiet brauchte sich hingegen nicht aufzudrängen. Der Kläger beruft sich für seine gegenteilige Auffassung vor allem auf die Eignung und tatsächliche Nutzung von Offenland, Übergangsbereichen und Waldstücken im Wehretal durch das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus als Jagdhabitate sowie die Lage von Quartierbäumen der Bechsteinfledermaus am Rand bzw. sogar außerhalb des (erweiterten) FFH-Gebiets. Beide Gesichtspunkte rechtfertigen es nicht, von einer zu engen Gebietsabgrenzung auszugehen.

42

Aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 Buchst. B.b FFH-RL ergibt sich, dass die Gebietsabgrenzung die für die zum Gegenstand von Erhaltungszielen gemachten Arten wichtigen Habitatelemente einbeziehen muss. Für Arten, die große Lebensräume beanspruchen, lässt Art. 4 Abs. 1 Satz 2 FFH-RL es demgegenüber genügen, wenn die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente unter Schutz gestellt werden. Letzteres rechtfertigt den Gegenschluss, dass für die unter Art. 4 Abs. 1 Satz 1 FFH-RL fallenden Arten, zumindest soweit sie für die Gebietsmeldung ausschlaggebend sind, alle wichtigen Habitatelemente vom Gebiet umfasst sein müssen. Dazu zählen auch Jagdhabitate in einem Umfang, der die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der betreffenden Art im Gebiet notwendige Nahrungsgrundlage sicherstellt.

43

Die der Abgrenzung des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" zugrundeliegende naturschutzfachliche Einschätzung, diese Voraussetzung sei sowohl für das Große Mausohr als auch für die Bechsteinfledermaus erfüllt, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken; ob das Große Mausohr überhaupt unter Art. 4 Abs. 1 Satz 1 FFH-RL fällt oder ob diese Art wegen ihres Aktionsradius von ca. 15 km Art. 4 Abs. 1 Satz 2 FFH-RL zuzuordnen ist, kann daher offenbleiben. Wie bereits erwähnt, ist die Gebietsabgrenzung anhand des (Laub-)Wald/Feld-Kriteriums vorgenommen worden. Dieses Kriterium ist für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus gleichermaßen naturschutzfachlich abgesichert. Die im Rahmen der Grunddatenermittlung für die Verträglichkeitsprüfung durchgeführten telemetrischen Untersuchungen kommen im Einklang mit der einschlägigen Fachliteratur zu dem Ergebnis, dass das Große Mausohr überwiegend und die Bechsteinfledermaus sogar fast ausschließlich im Wald jagt. Das Große Mausohr nutzt nach den Telemetrieergebnissen im FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" zwar auch Übergangsbereiche und Offenland in einem Umfang von 20,2 % bzw. 8,5 %. In der für die Arterhaltung besonders wichtigen Phase der Laktation jagen aber 85 % der telemetrierten Tiere im Wald.

44

Der Kläger hat keine Umstände aufgezeigt, die die vorgenommene Gebietsabgrenzung gleichwohl als naturschutzfachlich nicht vertretbar erscheinen lassen. Zum Großen Mausohr verweist er darauf, dass die in Trassennähe der VKE 32 festgestellten Jagdhabitate sich überwiegend außerhalb der Gebietsgrenzen befinden. Das lässt sich aber damit erklären, dass die Trasse dem Talverlauf folgt und daher weitestgehend im Offenland verläuft. Betrachtet man die Gesamtsituation, so liegen - wie die Karte 2 zur Fledermauskundlichen Grunddatenerfassung 2003 (NPU 23) ausweist - viele der weiter entfernten Jagdhabitate in den Wäldern des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" oder angrenzender FFH-Gebiete. Auch die Rechnung, mit der der Kläger belegen will, dass sämtliche als Jagdhabitate im Wehretal genutzten Flächen für den Erhalt der Art notwendig sind, überzeugt nicht. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass es nicht angeht, die Zahl der im Aktionsraum der Wochenstuben jagenden Fledermäuse zu ermitteln, indem die Zahl der in der jeweiligen Wochenstube lebenden Weibchen verdoppelt wird. Da die Männchen ihre Quartiere ganz überwiegend abseits der Wochenstuben nehmen, werden die Bereiche um die Wochenstuben im Wesentlichen von Weibchen bejagt.

45

Bezogen auf die Bechsteinfledermaus wendet der Kläger ein, der weit überwiegende Teil telemetrisch festgestellter Jagdhabitate liege gebietsextern. Dieser Umstand stellt eine fachgerechte Gebietsabgrenzung schon deshalb nicht in Frage, weil angesichts der kleinen Zahl telemetrierter Tiere nicht angenommen werden kann, die tatsächlich genutzten Jagdhabitate seien auch nur annähernd erfasst worden. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte nachvollziehbar darauf hin, dass die Telemetrierung lediglich dazu gedient habe, eine Grundlage zur Abschätzung des potentiellen Aktionsraums der Bechsteinfledermauskolonien zu gewinnen. Ausgehend von regelmäßig nachgewiesenen Aktionsradien der Art von etwa 3 km wurde auf der Basis der Telemetrieergebnisse ein potentieller Aktionsraum der Kolonien ermittelt, der jeweils große Laubwaldanteile im FFH-Gebiet (einschließlich der Erweiterungsflächen) enthält. Gebietsextern liegen hingegen nur kleinere Waldinseln und -streifen, wie ein Vergleich zwischen der Karte 1 der Grundlagendatenermittlung zur Verträglichkeitsprüfung (NPU 25) und der Übersichtskarte 1 der Stellungnahme zu den Auswirkungen der Gebietsveränderung (NPU 32) zeigt. Das FFH-Gebiet enthält nach den überzeugenden Ausführungen in der Stellungnahme der Planungsgruppe Umwelt und der S. GbR vom 13. März 2010 große Potentiale bislang von der Bechsteinfledermaus noch gar nicht genutzter Jagdhabitate. Wie bereits im Planfeststellungsbeschluss (S. 243) erwähnt und in der mündlichen Verhandlung seitens des Gutachters Si. näher erläutert worden ist, stellt der Aktionsraum von Bechsteinfledermäusen keine fixe Größe dar. Die Tiere sind vielmehr in der Lage, ihn in Maßen den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen, soweit sie geeignete Habitatstrukturen vorfinden. Anschaulich bestätigt wird diese Flexibilität durch die vollständige Verlagerung des Quartierzentrums der Bechsteinfledermauskolonie Nordwest-Harmuthsachsen innerhalb des FFH-Gebiets, die nach den Ausführungen des Gutachters im Jahr 2009 stattgefunden hat. Bei dieser Sachlage ist die der Gebietsabgrenzung zugrundeliegende naturschutzfachliche Einschätzung, durch die gebietsinternen Flächen werde eine ausreichende Nahrungsgrundlage der beiden durch die VKE 32 betroffenen Kolonien der Bechsteinfledermaus gewährleistet, nicht erschüttert.

46

Die Lage der von Kolonien der Bechsteinfledermaus genutzten Quartierbäume erforderte - soweit hier von Belang - gleichfalls keine großräumigere Gebietsabgrenzung. Mit einer Ausnahme befinden sich die ermittelten Quartierbäume innerhalb der Grenzen des (erweiterten) FFH-Gebiets. Ausweislich des Vorschlags der S. GbR vom 2. August 2007 zur Gebietserweiterung (Anlage zur NPU 28) wurde jeder Quartierbaum mit einem Puffer von 100 m versehen, soweit in diesem Umkreis geeignete Habitatstrukturen vorhanden waren. Anhand des vorgelegten Kartenmaterials lässt sich nachvollziehen, dass dort, wo ein geringerer Abstand zur Gebietsgrenze besteht, tatsächlich keine geeigneten Habitatstrukturen vorhanden sind (vgl. den Bestands- und Konfliktplan der NPU 32). Dass ein Quartierbaum knapp außerhalb des Gebiets steht, ist nicht entscheidungserheblich, weil er sich etwa 850 m von der Trasse entfernt und damit weit außerhalb ihres Einwirkungsbereichs befindet.

47

(3) Sind alle Habitatelemente, die für eine zum Gegenstand eines Erhaltungsziels gewordene Art wichtig sind, schon bei der Gebietsabgrenzung zu berücksichtigen, so brauchten über das festgelegte Gebiet einschließlich sich aufdrängender Erweiterungsflächen hinaus gebietsexterne Flächen nicht in die Verträglichkeitsprüfung einbezogen zu werden. Soweit die hier durchgeführte Verträglichkeitsprüfung "vorsorglich" auch Verluste und Beeinträchtigungen solcher Flächen als Nahrungshabitate des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus in den Blick genommen hat, entsprach dies keinem rechtlichen Erfordernis und ist deshalb für die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ohne Belang. Gebietsextern mussten vielmehr nur die Funktionsbeziehungen zwischen den Teilgebieten des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" sowie zwischen diesem Gebiet und anderen FFH-Gebieten geprüft werden. Dies ist geschehen, indem untersucht worden ist, ob und inwieweit die Flugrouten des Großen Mausohrs und die Wechselbereiche der Bechsteinfledermaus durch den Bau und Betrieb der Trasse beeinträchtigt werden können, in welchem Ausmaß es zu Kollisionen von Exemplaren beider Arten mit dem Autobahnverkehr kommen kann und in welchem Umfang diese Risiken durch das geplante Schutzkonzept beherrschbar sind.

48

Soweit der Planfeststellungsbeschluss für die Bechsteinfledermaus von der Annahme ausgegangen ist, die Wechselbeziehungen zwischen den Gebietsteilen seien nicht von den Erhaltungszielen des Gebiets umfasst (S. 241 und 243), trifft diese Sicht freilich nicht zu, da die Aktionsräume der Bechsteinfledermaus zwar deutlich kleiner als die des Großen Mausohrs sind, aber dennoch FFH-Gebietsteile auf beiden Seiten des Wehretals einschließen. Daraus, dass die Bechsteinfledermaus zum Gegenstand des Gebietsschutzes geworden ist, ergibt sich die Notwendigkeit, auch die artspezifischen Wechselbeziehungen zwischen den Gebietsteilen als Erhaltungsziel anzusehen. Die abweichende Auffassung des Planfeststellungsbeschlusses ist jedoch letztlich unerheblich, weil er die Aufrechterhaltung der Wechselbeziehungen zwar nicht als Erhaltungsziel verstanden, aber gleichwohl im Anschluss an die Verträglichkeitsprüfung wegen ihrer Bedeutung für den Erhaltungszustand der Art in den Gebietsschutz einbezogen hat (S. 243).

49

dd) Die Beurteilung der Verträglichkeit des Vorhabens beruht auf einer ausreichenden Erfassung und Bewertung der maßgeblichen Bestandteile des FFH-Gebiets.

50

Um die projektbedingten Einwirkungen zutreffend auf ihre Erheblichkeit hin beurteilen zu können, hat die Verträglichkeitsprüfung eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung der von dem Projekt betroffenen maßgeblichen Gebietsbestandteile zu leisten. Dazu bedarf es keiner flächendeckenden Ermittlung des floristischen und faunistischen Gebietsinventars sowie der Habitatstrukturen. Vielmehr genügt die Erfassung und Bewertung der für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteile in einem solchen Umfang, dass die Einwirkungen des Projekts bestimmt und bewertet werden können. Die Methode der Bestandsaufnahme ist nicht normativ festgelegt; die Methodenwahl muss aber den für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standard der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" einhalten (vgl. Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ). Dem wird die im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung durchgeführte Bestandsaufnahme gerecht.

51

Soweit der Kläger geltend macht, die Methoden zur Erfassung des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus sowie ihrer Habitatnutzung seien in zu geringem Umfang angewandt worden, was insbesondere für die Telemetrie gelte, überzeugt dies nicht. Für beide Fledermausarten wurden Vorkommen und Habitatnutzung durch einen Methodenmix, bestehend aus Detektorkartierungen, Netzfängen und Telemetrie, erhoben. In Anbetracht des hohen Aufwandes, der mit der letztgenannten Methode verbunden ist, leuchtet es ein, dass sie nur eingesetzt worden ist, um die durch Detektorkartierungen und Netzfänge gewonnenen Erkenntnisse zu ergänzen. Im Zusammenhang mit der Ermittlung von Jagdhabitaten sind telemetrische Untersuchungen im Übrigen nicht durchgeführt worden, um die tatsächlich genutzten Habitate flächendeckend zu erfassen; vielmehr ging es - wie schon erwähnt - nur darum, Erkenntnisse über die Art der genutzten Strukturen zu erlangen, um so eine Grundlage zur Bestimmung potentieller Jagdhabitate zu gewinnen. Dass unter diesem Blickwinkel weitere Untersuchungen keine zusätzlichen planungsrelevanten Erkenntnisse erwarten ließen, leuchtet ein. Auch der Kläger hat nicht dargetan, welche konkreten Erkenntnisse er in dieser Hinsicht vermisst.

52

Seine Rüge, die Verträglichkeitsprüfung beschränke sich in ihrer Habitatanalyse auf eine schematische Dreiteilung der in Frage kommenden Habitatflächen, trifft nicht zu. Bezogen auf das Große Mausohr wurde im Rahmen der Grunddatenerhebung zunächst untersucht, ob es Jagdhabitate gibt, die von dieser Art bevorzugt werden. Nachdem Telemetrierungen ergeben hatten, dass die Tiere überwiegend im Wald jagen und die Jagd in Offenlandbereichen zudem saisonal vor bzw. nach der für die Arterhaltung entscheidenden Wochenstubenzeit erfolgt, wurde der Schluss gezogen, dass die Waldgebiete das deutlich bevorzugte Jagdhabitat des Großen Mausohrs sind. Im Folgenden wurden daher nur diese Gebiete differenziert untersucht, und zwar in Bezug auf den Waldtyp (Laubwald, Mischwald, Nadelwald) und das Alter des Waldes. Da die Übergangsbereiche ein strukturell sehr unterschiedliches Bild bieten, wurde ihre Eignung als Jagdhabitat nach Experteneinschätzung im Einzelfall bestimmt. Bezogen auf die Bechsteinfledermaus ist in vergleichbarer Weise verfahren worden. Angesichts der nahezu ausschließlichen Nutzung von Wäldern als Jagdhabitate durch diese Art ist nicht zu beanstanden, dass lediglich Waldflächen einer differenzierenden Analyse unterzogen wurden.

53

Ebenso wenig sind die Einwände gegen die Erhebung der Flugrouten des Großen Mausohrs berechtigt. Die Flugrouten wurden durch Sicht- und Detektorbeobachtungen sowie Telemetrie erfasst. Soweit der Kläger die Zahl der Beobachtungsstandorte ins Verhältnis zur Länge der Gesamtstrecke setzt, ist dies nicht aussagekräftig, da Beobachtungsstandorte verstärkt im Bereich der Wochenstuben eingerichtet wurden, während die Flugrouten im Übrigen über Telemetrie ermittelt wurden. Dieses Vorgehen ist plausibel. Die Ausflugrouten an den Wochenstuben lassen sich verlässlich durch Beobachtungen ermitteln. Je weiter sich die Tiere von ihren Quartieren entfernen, desto mehr sind die Untersuchungen hingegen auf die Verfolgung einzelner Tiere über Telemetrie angewiesen.

54

Ferner hat der Beklagte den Untersuchungszeitraum nachvollziehbar begründet. Da vorliegend vor allem die Beeinträchtigung von Wochenstubenquartieren in Rede steht, ist es plausibel, die Untersuchungen auf die sensiblen Trage-, Laktations- und Aufzuchtzeiten zu konzentrieren.

55

Auch die Auswahl der charakteristischen Arten für den zum Gegenstand von Erhaltungszielen gewordenen Lebensraum "Hainsimsen-Buchenwald" ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers müssen nicht alle in einem durch das Vorhaben betroffenen Lebensraumtyp vorkommenden charakteristischen Arten speziell untersucht werden, sondern nur diejenigen, deren Betroffenheit über die Prüfung des Lebensraums als Ganzen nicht adäquat erfasst wird. Da vorliegend Lärmeinwirkungen auf den Lebensraum in Rede standen, wäre es nicht sinnvoll gewesen, die vom Kläger aufgeführten Pilze, Pflanzen, Schnecken und Falter in die Betrachtung einzubeziehen. Im Hinblick darauf, dass die Verträglichkeitsprüfung mit den untersuchten Spechtarten nach damaligem Kenntnisstand besonders lärmempfindliche Arten untersucht hat, bestand überdies kein Anlass, die Bestandsaufnahme auf weitere charakteristische Vogelarten zu erstrecken. Im Übrigen überzeugt die der Verträglichkeitsprüfung zugrundegelegte Begründung, nach der Spechte ausgewählt wurden, weil sie durch das Schaffen von Höhlen maßgeblich an der typgerechten Gestaltung des Lebensraums beteiligt sind. Schließlich bedurfte es auch nicht zwingend einer Revierkartierung; um die für die Erhaltungsziele maßgeblichen Habitatbestandteile der Spechtarten zu ermitteln und deren Beeinträchtigung abzuschätzen, genügte vielmehr die vorgenommene Potentialanalyse.

56

ee) Die Verträglichkeitsprüfung ist auf der Grundlage der ermittelten Daten zu Recht zu einem positivem Ergebnis gelangt.

57

Ob ein Projekt ein FFH-Gebiet in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigen kann, ist anhand seiner Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Gebietsbestandteile zu beurteilen. Maßgebliches Beurteilungskriterium ist der günstige Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume und Arten im Sinne der Legaldefinitionen des Art. 1 Buchst. e und i FFH-RL; ein günstiger Erhaltungszustand muss trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben (Urteile vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 und vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 94). Für die Frage, ob dies gewährleistet ist, dürfen zugunsten des zu beurteilenden Projekts die vom Vorhabenträger geplanten oder in der Planfeststellung angeordneten Schutz- und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden; denn es macht aus der Sicht des Habitatschutzes keinen Unterschied, ob durch ein Projekt verursachte Beeinträchtigungen von vornherein als unerheblich einzustufen sind oder ob sie diese Eigenschaft erst durch entsprechende Vorkehrungen erlangen (vgl. Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <27>, vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 53 und vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 94). Dies verkennt der Kläger, indem er dem Beklagten vorhält, die Verträglichkeitsprüfung habe sich durch Berücksichtigung von "Managementmaßnahmen" einer verfehlten Bewertungsmethodik bedient.

58

(1) Unter Berücksichtigung der angeordneten Schutzmaßnahmen und ergänzenden Vorkehrungen sind bezogen auf die Fledermausarten Großes Mausohr und Bechsteinfledermaus weder bau- noch anlage- oder betriebsbedingt erhebliche Beeinträchtigungen zu besorgen.

59

(a) Der Bau des Tunnels und des östlich anschließenden Straßenstücks kann zwar unstreitig zu Konflikten im Bereich der dortigen Hauptflugrouten des Großen Mausohrs und Wechselbereiche der Bechsteinfledermaus führen. Das planfestgestellte Schutzkonzept gewährleistet aber, dass der Erhaltungszustand beider Fledermausarten stabil bleibt, so dass die einschlägigen Erhaltungsziele nicht berührt sind.

60

Deutlich begrenzt werden die baubedingten Auswirkungen bereits durch die jahreszeitliche Baubeschränkung (Schadensbegrenzungsmaßnahme M 10.2 in der Fassung der Protokollerklärung vom 10. März 2010), die einen uneingeschränkten Baubetrieb nur in der Zeit vom 1. November bis 15. April erlaubt, wobei Rodungen auf die Zeit vom 1. November bis 1. März beschränkt sind. Es mag zutreffen, dass Große Mausohren ihre außerhalb des Trassenbereichs gelegenen Winterquartiere je nach Witterung und Höhenlage schon ab März eines Jahres verlassen. Die störungsanfällige Wochenstubenphase beginnt jedoch erst im April oder Mai; Geburten finden selbst in warmen Jahren erst ab Ende Mai statt (Petersen u.a., Das Europäische Schutzgebietssystem Natura 2000, Band 2: Wirbeltiere, 2004, S. 504). Für Bechsteinfledermäuse geht der Kläger selbst davon aus, dass diese ihre Quartierbäume erst ab Mitte April beziehen.

61

Außerhalb der Zeit vom 1. November bis 1. März gelten für den Baubetrieb sowohl räumliche Beschränkungen als auch besondere zeitliche Maßgaben. So darf für die Bau- und Lagerfläche am Hasselbach lediglich ein Ackerstandort in Anspruch genommen werden, der zudem durch Bauzäune von anschließenden Gehölzflächen sowie vom Hasselbachtal abgegrenzt wird. Dass die in diesem Bereich vorgesehenen Materialmieten wegen der angeordneten Höhenbegrenzung die dortige Flugroute des Großen Mausohrs nicht unterbrechen, hält der Senat für überzeugend, zumal davon auszugehen ist, dass derartige Mieten in Flugrichtung abgeböscht ausgebildet werden. Die Schadensbegrenzungsmaßnahme M 11 hat eine zügige Realisierung der Luftbogenstrecke am Tunnelportal unmittelbar bei Baubeginn in der Ruhezeit der Fledermäuse zum Gegenstand; die Arbeiten daran müssen vor der Aktivitätsphase der Tiere abgeschlossen werden. Da auch die Querungshilfen östlich des Tunnels schon während der Ruhezeit angelegt werden, bleibt die Autobahntrasse sowohl im Tunnelabschnitt als auch im offenen Anschlussbereich während der Bauphase quer zu ihrem Verlauf passierbar. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die geplanten Grünbrücken seien zunächst nicht funktionsfähig. Nach den Erläuterungen seitens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist nämlich davon auszugehen, dass die Grünbrücken sofort bepflanzt und mit seitlichen Schutzwänden eingefasst werden, so dass auf ihnen eine - wenn auch noch nicht voll ausgebildete - Leitstruktur rechtzeitig zur Verfügung steht. Die zeitlich versetzte Herstellung der Richtungsfahrbahnen erleichtert ebenfalls die Querpassierbarkeit der Trasse. Sie hat außerdem zur Folge, dass sich die Leitstrukturen, die den Fledermäusen die Orientierung ermöglichen, nur schrittweise und damit schonend ändern. Ungeachtet der Frage, ob die Flugrouten beider in Rede stehenden Fledermausarten eher als Linie oder als Korridor ausgeprägt sind, werden dadurch gravierende Hindernisse für die Orientierung der Tiere vermieden.

62

Von dem zusätzlich zur Begrenzung der baubedingten Einwirkungen beitragenden Nachtbauverbot gilt freilich für den Tunnelbau Küchen eine Ausnahme. Die Verträglichkeitsprüfung räumt selbst ein, dass sich daraus am östlichen Tunnelende, das in offener Bauweise erstellt werden soll, Konflikte ergeben könnten. Ihre Einschätzung, die Vorkehrungen des Planfeststellungsbeschlusses begegneten dem wirkungsvoll, ist indes nicht zu beanstanden. Durch die - wie erwähnt - frühzeitig anzulegende Luftbogenstrecke werden im Zusammenwirken mit seitlichen blickdichten Bauzäunen die nächtlichen Tunnelbauarbeiten einschließlich der von ihnen ausgehenden Lichtreize weitgehend abgeschirmt. Soweit die Ausnahme vom Nachtbauverbot zusätzlich ein östlich an den Tunnel anschließendes, gleichfalls innerhalb des Wechselbereichs der Bechsteinfledermaus liegendes Teilstück der Autobahn umfasst, wird die Trasse zwar nur zur Seite, nicht aber nach oben abgeschirmt. Der Beklagte hat dieses Teilstück jedoch in der mündlichen Verhandlung auf eine Länge von 100 m begrenzt mit der Folge, dass nur in diesem engen Bereich nächtliche Bauarbeiten einschließlich des ihnen zuzurechnenden Transports von Abraum mit Baufahrzeugen durchgeführt werden dürfen, während der Weitertransport allein tagsüber zulässig ist. Da die in Rede stehenden Arbeiten nicht kontinuierlich, sondern nur jeweils im Anschluss an Sprengungen im Tunnel stattfinden, leuchtet die vom Kläger nicht mit Sachargumenten erschütterte Beurteilung des Beklagten ein, dass insoweit Irritationen der Fledermäuse, die deren Kolonien destabilisieren könnten, auszuschließen sind.

63

(b) Anlagebedingte Beeinträchtigungen in Gestalt der Inanspruchnahme von Jagdhabitatflächen scheiden nach den obigen Ausführungen schon deshalb aus, weil es nicht zu gebietsinternen Verlusten solcher Flächen kommt.

64

(c) Die Verträglichkeitsprüfung ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass Anlage und Betrieb der Autobahn die für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus maßgeblichen Erhaltungsziele durch Zerschneidung von Flugrouten bzw. Wechselbereichen sowie signifikant gesteigerte Kollisionsrisiken beim Queren der Autobahn beeinträchtigen kann, dass das planfestgestellte Schutzkonzept aber erhebliche Beeinträchtigungen in diesem Sinne verhindert. Ausweislich der im Auftrag des Vorhabenträgers durchgeführten Untersuchungen queren bedeutende Flugrouten des Großen Mausohrs die Trasse im östlichen Teil des Tunnels Küchen und weiter östlich am Hasselbach. Außerdem erstreckt sich ein Wechselbereich der Bechsteinfledermaus vom östlichen Endstück des Tunnels über eine Entfernung von ca. 700 m nach Osten. Es liegt auf der Hand, dass die im Regelquerschnitt 27 m breite Autobahn mit ihrem Verkehrsstrom ohne Schutzmaßnahmen für die Fledermäuse eine schwer zu überwindende Hürde darstellen und zugleich das Risiko von Kollisionen der Tiere mit dem Kfz-Verkehr beträchtlich erhöhen würde. Noch verstärkt werden könnten diese Beeinträchtigungen durch den Wegfall von Vegetationselementen im Bereich einer trassenparallelen Hauptflugroute des Großen Mausohrs. Soweit am Ostende des planfestgestellten Autobahnabschnitts in der Verträglichkeitsprüfung ein zweiter Wechselbereich der Bechsteinfledermaus lokalisiert worden ist, kommt dem hingegen keine Bedeutung zu. Nach den vom Kläger nicht in Frage gestellten Erläuterungen des Beklagten ist dort nämlich nur ein einzelnes Männchen telemetriert worden, so dass der fragliche Bereich keine Vernetzungsfunktion zwischen Teilen des FFH-Gebiets oder mit anderen FFH-Gebieten erfüllt. Aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der eingehenden Diskussion in der mündlichen Verhandlung unter Beteiligung der Gutachter Dipl.-Biol. Sp. auf Seiten des Klägers sowie Dr. D. und Dipl.-Ing. G. auf Seiten des Beklagten hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Vermeidungsmaßnahmen in Verbindung mit dem zusätzlich angeordneten Risikomanagement ausreichen, um die aufgezeigten Risiken zu bewältigen und vernünftige Zweifel am Ausbleiben einer vorhabenbedingten Verschlechterung des Erhaltungszustands der Mausohr- und Bechsteinfledermauspopulation im FFH-Gebiet auszuschließen.

65

Kernstück des Schutzkonzepts sind Querungshilfen in Gestalt des in den Wechselbereich der Bechsteinfledermaus hinein verlängerten Tunnels, zweier Grünbrücken und des Durchlasses unter der Hasselbachbrücke. Eingebunden werden sie in ein Gefüge aus Leiteinrichtungen, bestehend aus talseitigen Wällen und bergseitigen Böschungen, überwiegend beidseitigen trassenbegleitenden Bepflanzungen, Schutzzäunen und -wänden. Diese Einrichtungen haben die doppelte Funktion, die Fledermäuse als Leitstrukturen zu den Querungshilfen hinzuleiten und sie zugleich von einem Überflug über die Trasse an anderer Stelle abzuhalten. Durch ein Monitoring soll die Wirksamkeit der Maßnahmen überwacht und so die Grundlage geschaffen werden, um durch vorbehaltene ergänzende Maßnahmen erst nachträglich sichtbar werdende Schwachstellen des Schutzkonzepts zu beheben.

66

Die Verträglichkeitsprüfung und - ihr folgend - der Planfeststellungsbeschluss sind zu Recht davon ausgegangen, dass die vorgesehenen Schadensvermeidungs- und -minderungsmaßnahmen die Funktionalität der Flugrouten des Großen Mausohrs und des Wechselbereichs der Bechsteinfledermaus erhalten. Die dagegen vom Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch.

67

Der grundsätzliche Einwand, die Wirksamkeit von Querungshilfen und Leiteinrichtungen für Fledermäuse sei wissenschaftlich nicht belegt, findet in den einschlägigen Studien und Richtlinien keine Stütze. Das aktuelle Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen (MAQ) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Stand: März 2008, bezeichnet die dort beschriebenen Querungshilfen und ergänzenden Vorkehrungen als "in ihrer Wirkungsweise belegt" und "zur Vermeidung bzw. Minderung der Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft geeignet" (S. 6). Richtig ist allerdings, dass andere aktuelle wissenschaftliche Stellungnahmen betonen, empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit von Querungshilfen gebe es bislang nur in geringer Zahl (vgl. den Entwurf eines Leitfadens für Straßenbauvorhaben im Freistaat Sachsen "Planung und Gestaltung von Querungshilfen für Fledermäuse", Dezember 2008 ). Trotz der Beweisregel des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL, wonach kein vernünftiger Zweifel am Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen bestehen darf (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ), hindert das aber nicht, die in dem erwähnten Merkblatt angegebenen Querungshilfen als wirksam zu betrachten. In einer Situation, die von derzeit noch nicht ausräumbaren wissenschaftlichen Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge geprägt ist, darf mit Prognosewahrscheinlichkeiten, Schätzungen und Analogieschlüssen gearbeitet werden (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 64). Neben ersten Evaluierungsstudien bilden Verhaltensbeobachtungen von Fledermäusen an Straßen eine fundierte Basis, um die Wirksamkeit von Querungshilfen und flankierenden Schutzmaßnahmen prognostisch einzuschätzen. Auf diese Weise ist es jedenfalls gerechtfertigt, die grundsätzliche Wirksamkeit von Durchlässen und Grünbrücken als Querungshilfen zu bejahen. Unsicherheiten über die im jeweiligen Einzelfall gebotene Lage und Ausgestaltung der Hilfen bedeuten kein unüberwindbares Zulassungshindernis, wenn das Schutzkonzept ein wirksames Risikomanagement entwickelt hat (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 64). Der Beklagte ist in dieser Weise vorgegangen, indem er sich bei der Ausgestaltung der Schadensvermeidungs- und Schadensminderungsmaßnahmen am Merkblatt orientiert und ergänzend ein Risikomanagement angeordnet hat, um bei Bedarf das Schutzkonzept "nachjustieren" zu können.

68

Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen keine Bedenken gegen die Lage der geplanten Querungshilfen. Während eine Hauptflugroute des Großen Mausohrs die Trasse über dem Tunnel quert, befindet sich die zweite querende Hauptflugroute in der Nähe des Hasselbachs. Sowohl der Durchlass unter der Hasselbachbrücke als auch die Grünbrücke Hasselbach sollen in nahem räumlichen Zusammenhang mit dieser Hauptflugroute errichtet und durch Leiteinrichtungen mit ihr verknüpft werden. Auch die Bechsteinfledermaus wird den Tunnel als Querungshilfe nutzen können, weil dieser infolge der vorgesehenen Tunnelverlängerung einen Teil ihres Wechselbereichs abdecken wird. Die Grünbrücke am ehemaligen Bahnhof Hasselbach wird in der Mitte des Wechselbereichs liegen und damit unstreitig richtig platziert sein. Dass die Grünbrücke Hasselbach und die Hasselbachbrücke ca. 50 bzw. 120 m außerhalb des Wechselbereichs geplant sind, stellt ihre Eignung als Querungshilfe - auch - für die Bechsteinfledermaus nicht in Frage, sofern sie fachgerecht durch Leitstrukturen mit diesem Bereich verknüpft werden.

69

Die Behauptung des Klägers, die geplanten Querungshilfen könnten wegen unzureichender Maße und Bepflanzung ihre Funktion nicht erfüllen, vermag nicht zu überzeugen. Die Grünbrücken sollen 12 bzw. 13 m breit ausgeführt werden, während das MAQ lediglich eine Mindestbreite von 8 m vorsieht (Tabelle 4.6 auf S. 46). Soweit in dem Merkblatt eine Breite ab 50 m empfohlen wird (S. 18), betrifft dies Standard-Grünbrücken zur Vernetzung gesamter Lebensräume. Darum geht es hier nicht. Der Empfehlung, die Brücken mit doppelreihigem Bewuchs sowie Licht- und Lärmschutz auszustatten (S. 43 f.), trägt die Planung Rechnung; neben zwei Gehölzstreifen sind merkblattblattkonform an den Brückenrändern 3 m hohe Irritationsschutzwände vorgesehen, um die Brücken von der Autobahn abzuschirmen. Anders als die beiden Grünbrücken entspricht der Durchlass unter der Hasselbachbrücke allerdings nicht voll den Vorgaben des Merkblatts. Während dieses für "sonstige Unterführungen" bezogen auf andere als wassergebunden fliegende Arten eine lichte Höhe von mindestens 4,5 m und eine lichte Weite von mindestens 5 m fordert (Tabelle 4.6 auf S. 47), weist die Hasselbachbrücke eine lichte Höhe von 3,5 m und eine lichte Weite von 10 m auf. Ausweislich der Erläuterungen der Gutachter des Beklagten, die klägerseitig nicht substantiiert angegriffen worden sind, nutzen Große Mausohren, für die die Hasselbachbrücke in erster Linie als Querungshilfe dienen soll, Durchlässe aber bereits ab einer Größe von 2 x 2 m; die in dem Merkblatt geforderten größeren Abmessungen seien auf die Bedürfnisse anderer Arten zurückzuführen. Angesichts dessen durfte der Beklagte die Eignung der Hasselbachbrücke als Querungshilfe für das Große Mausohr bejahen, zumal deren Breite die Mindestangaben des Merkblatts weit übersteigt. Sollte die Eignung für die Bechsteinfledermaus eingeschränkt sein, stellt dies die Stimmigkeit des Schutzkonzepts nicht in Frage, weil für diese Art die näher zum Wechselbereich hin gelegene Grünbrücke Hasselbach ohnehin den wesentlichen Baustein bildet, um die Funktionalität des Wechselbereichs in seinem östlichen Teil aufrechtzuerhalten.

70

Die Sorge des Klägers, die Grünbrücken könnten mangels ausreichend entwickelter Vegetationsstruktur im Zeitpunkt der Verkehrsfreigabe wirkungslos bleiben, ist unbegründet. Das MAQ verlangt nicht, dass die Vegetationsstruktur bei Inbetriebnahme der Trasse voll entwickelt ist. Es weist nur darauf hin, dass Sperr- und Leiteinrichtungen für Fledermäuse ihre Funktion erst ab einer Höhe von 3 m erfüllen, und verlangt, diese Einrichtungen müssten rechtzeitig vor Verkehrsfreigabe funktionsfähig sein. Sollte dies zeitlich nicht möglich sein, könnten die Pflanzungen mit entsprechend hohen Holzwänden kombiniert werden (S. 61). Dem trägt die Planung Rechnung. Die Verträglichkeitsprüfung sieht vor, dass die Grünbrücken vorgezogen erstellt und mit mindestens 3 m hohen Irritationsschutzwänden versehen werden. In Anbetracht dessen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Wirksamkeit bei Verkehrsfreigabe.

71

Ebenso wenig kann der Kläger mit seiner Kritik an der Einbindung der Querungshilfen in die Landschaft durchdringen. Die Planung sieht für den Trassenabschnitt östlich des Tunnels lückenlose trassenbegleitende Leitstrukturen entlang der Autobahn vor. Im unmittelbaren Anschluss an die Querungshilfen sind 4 m hohe Irritationsschutzwände geplant, an die sich Leitpflanzungen und - teils zusätzlich, teils ersatzweise - fledermausspezifische oder -angepasste Schutzzäune anschließen. Diese Einrichtungen sind südlich der Autobahn durchgehend auf einem 4 m hohen Wall, nördlich am Hang geplant, so dass die Autobahn in einem tiefen Einschnitt liegen wird. Es leuchtet ein, dass die genannten Einrichtungen ihre Leitfunktion dadurch frühzeitig wahrnehmen können. Während die trassenparallelen Leitstrukturen nach Norden hin durch zusätzliche Pflanzungen an vorhandene Gehölzflächen anbinden, ist dem Kläger allerdings zuzugeben, dass es nach Süden hin wegen der B 7 an einer entsprechenden Verknüpfung fehlt. Aufgrund der von Seiten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen hat sich das Gericht aber davon überzeugen können, dass die - schon bisher vorhandene und künftig wesentlich entlastete - B 7 kein ernsthaftes Hindernis für die nach Süden fliegenden bzw. von dort kommenden Tiere darstellen wird.

72

Erhebliche Beeinträchtigungen der trassenparallelen Flugroute des Großen Mausohrs brauchte der Beklagte ebenfalls nicht in Rechnung zu stellen. Zwar ist diese Flugroute, worauf der Kläger zutreffend hinweist, durch Rodungsarbeiten seitlich des ehemaligen Bahndamms betroffen. Durch die trassenbegleitenden Anpflanzungen werden jedoch gleichgerichtete Leitstrukturen geschaffen, die in der Lage sind, die Funktion der verlorengehenden Gehölzsäume zu übernehmen.

73

Auf die Einwände des Klägers gegen die im Bereich des Wehrebogens geplanten Schutzvorkehrungen kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Dort sind keine Hauptflugrouten des Großen Mausohrs oder Wechselbereiche der Bechsteinfledermaus festgestellt worden, denen eine Vernetzungsfunktion zwischen den Teilen des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" oder zwischen diesem Gebiet und anderen FFH-Gebieten zukommt. Soweit die Trasse dort Trennwirkungen, etwa in Bezug auf die Erreichbarkeit von Nahrungshabitaten der Fledermäuse, hervorruft, sind Schutzvorkehrungen nicht an den Bestimmungen des Habitatrechts, sondern denen des allgemeinen Artenschutzrechts zu messen.

74

Das planfestgestellte Schutzkonzept ist aber nicht nur geeignet, die habitatrechtlich relevante Vernetzungsfunktion der Hauptflugrouten des Großen Mausohrs bzw. des Wechselbereichs der Bechsteinfledermaus aufrechtzuerhalten; darüber hinaus rechtfertigt es auch die Prognose, das Kollisionsrisiko werde so reduziert, dass eine Beeinträchtigung des Erhaltungszustands dieser Arten im FFH-Gebiet ausgeschlossen sei. In dem kritischen Bereich östlich des Tunnelportals wird dem Risiko eines Einfliegens der Tiere in die Trasse durch ein Bündel von Maßnahmen begegnet. Dazu gehört der Lärmschutzwall von über 4 m Höhe auf der Südseite, der zusätzlich dicht bepflanzt wird, ebenso wie durchgehende Schutzzäune auf der Nordseite, die zwischen dem östlichen Tunnelportal und den Querungsbauwerken als fledermausspezifische Schutzzäune mit einer Höhe von 4 m nebst zusätzlich aufgesetztem Drahtgeflecht von 1,5 m und im Übrigen als fledermausgerecht modifizierte Wildschutzzäune von 2 m Höhe ausgebildet werden. Diese Einrichtungen sind ebenso wie die geplanten Bepflanzungen zwar für die Fledermäuse überfliegbar, vermindern durch ihre Höhe aber das Risiko, dass die Tiere bodennah in die Trasse einfliegen und dort von Fahrzeugen erfasst werden. Die Zweifel des Klägers an der Eignung dieser Anlagen zur Risikominderung sind unbegründet. Sie entsprechen in ihrer konkreten Ausgestaltung den Vorgaben des MAQ. Freilich ist dem Kläger zuzugeben, dass die Schutzwirkung der geplanten Einrichtungen begrenzt ist; insbesondere besteht die Gefahr fort, dass die Flughöhe der Tiere nach Überwinden der Sperreinrichtungen wegen der Trassenbreite deutlich absinkt und so zu Kollisionen mit Kraftfahrzeugen führt (vgl. Sächsischer Leitfaden, S. 86 f., 95). Diesem Umstand kommt aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil die Sperrwirkung ohnehin nur einen Nebeneffekt der primär als Leitstrukturen dienenden Einrichtungen darstellt.

75

Soweit wegen der geringen Zahl empirischer Untersuchungen zur Eignung von Querungshilfen einschließlich ergänzender Leit- und Sperreinrichtungen Prognoseunsicherheiten über die Wirksamkeit der planfestgestellten Maßnahmen verbleiben, trägt die Planung dem durch das angeordnete Risikomanagement Rechnung. Die daran vom Kläger geübte Kritik kann dem Klagebegehren nicht zum Erfolg verhelfen.

76

Der Kläger wendet ein, die Datenermittlung zur Funktionskontrolle der Querungshilfen nebst flankierenden Einrichtungen habe sich nach der Regelung im Planergänzungsbeschluss auf anerkannte fachliche Standards zu stützen, obwohl es solche gar nicht gebe. Das Fehlen einschlägiger Standards stützt er auf die Annahme, wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit von Schadensbegrenzungsmaßnahmen für Fledermäuse lägen noch nicht in ausreichendem Maße vor. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Die einschlägige Nebenbestimmung im Planergänzungsbeschluss (IV.15) schreibt vor, bei der Ermittlung des Nutzungsumfangs von Grünbrücken usw. durch das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus sowie der Wirkung von Schutzeinrichtungen seien anerkannte Standards zugrunde zu legen. Das besagt nichts über anerkannte Standards bezüglich der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen, sondern verweist auf Standards nur für die Methoden, mit denen das Verhalten von Fledermäusen im Bereich der fraglichen Einrichtungen überprüft werden soll. In engem Zusammenhang mit der vorstehenden Kritik wirft der Kläger dem Beklagten vor, die Monitoringmaßnahmen seien nicht genügend konkret festgelegt worden. Die Nebenbestimmungen IV.15 und 16 des Planergänzungsbeschlusses umschreiben indes sowohl die Gegenstände des Monitorings als auch die Untersuchungsmethoden sowie Anzahl und Methodik der Untersuchungen. In Anbetracht der Bezugnahme auf einschlägige Standards konnte die Ausgestaltung der Untersuchungsmaßnahmen im Detail der Ausführungsplanung überlassen werden.

77

Auch gegen die inhaltliche Ausgestaltung des Monitorings ist nichts zu erinnern. Die Kontrolle ist so konzipiert, dass Ergebnisse erst nach Beendigung der Bauphase gewonnen werden. Das ist entgegen der Auffassung des Klägers sachgerecht. Die Risiken, denen mit dem angeordneten Risikomanagement begegnet werden soll, betreffen allein die Betriebsphase der Autobahn. Darauf durfte der Beklagte die zeitliche Vorgabe für die geplanten Untersuchungen ausrichten. Ebenso wenig bestand eine Notwendigkeit, den Verlust von Jagdhabitaten in die Überprüfung einzubeziehen; denn Gegenstand des Monitorings ist nur die Wirksamkeit von Schutzeinrichtungen zur Aufrechterhaltung von Flugkorridoren und zum Ausschluss von Kollisionsverlusten. Soweit der Kläger geltend macht, nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand hätte eine umfangreiche Todfundsuche angeordnet werden müssen, hat er einen entsprechenden Methodenstandard zwar behauptet, aber nicht ausreichend belegt. Dass im Fall der Autobahn A 17 von Dresden nach Prag eine derartige Suche durchgeführt worden ist, belegt nicht, dass ein anders konzipiertes Monitoring ohne entsprechende Suche den aktuellen methodischen Standard verfehlt. Eine andere vom Kläger als Beleg benannte Untersuchung betrifft keine Verkehrsanlagen und ist schon deshalb nicht einschlägig.

78

Die Rüge, das Monitoring hätte, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, Referenzpopulationen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus einbeziehen müssen, übersieht, das eben dies für die Bechsteinfledermaus geschehen ist. Die Entwicklung der besonders in den Blick genommenen Kolonie "Langer Berg" ist nach der Nebenbestimmung IV.16 a des Planergänzungsbeschlusses nämlich an derjenigen der weiteren Kolonien im Wirkbereich der Planungsabschnitte VKE 32 und 33 zu messen. Wegen ihrer unterschiedlichen Betroffenheit ist es sachgerecht, diese weiteren Kolonien als Referenzkolonien heranzuziehen. Für das Große Mausohr findet sich zwar keine vergleichbare Regelung, weil beide unter IV.16 b des Planergänzungsbeschlusses angesprochenen Kolonien Untersuchungsgegenstand und damit keine Referenzobjekte sind. Dennoch können Vergleiche zwischen ihrer jeweiligen Entwicklung Aufschlüsse über Auswirkungen des Projekts geben. Dies gilt umso mehr unter Berücksichtigung der Erkenntnisse, die aus den Funktionskontrollen der planfestgestellten Schutzmaßnahmen gewonnen werden.

79

Soweit der Kläger behauptet, die Funktionsfähigkeit sämtlicher Schadensvermeidungs- und -minderungsmaßnahmen für die Bechsteinfledermaus im Bereich zwischen Hasselbach und dem östlichen Planungsende seien vom Monitoring ausgenommen, trifft dies nicht zu; die Nebenbestimmung IV.15 des Planergänzungsbeschlusses enthält keine entsprechende räumliche Beschränkung. Nicht stichhaltig ist ferner der Einwand, die unter IV.16 des Planergänzungsbeschlusses für das Große Mausohr vorgenommene Beschränkung des Monitorings auf die Populationsgröße sei unzureichend. Es mag zutreffen, dass die Erhebung weiterer Parameter die Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse noch steigern würde, weil es möglich wäre, andere Ursachen für eine Abnahme der Population als die mangelnde Funktionsfähigkeit von Schutzmaßnahmen auszuschließen. Wenn die Planfeststellungsbehörde aus einer signifikanten Abnahme der Populationsgröße den Schluss ziehen will, das Schutzkonzept reiche nicht aus und müsse deshalb ergänzt werden, geht das aber jedenfalls nicht zu Lasten der Erhaltungsziele des Gebiets und begründet deshalb keinen Mangel des Monitoringkonzepts.

80

Der Kläger rügt darüber hinaus, die Regelungen im Planergänzungsbeschluss über die Reaktion auf die Monitoringergebnisse seien zu unbestimmt; es sei nicht festgelegt, wann und unter welchen Voraussetzungen ergänzende Maßnahmen anzuordnen seien. Auch diese Rüge ist nicht berechtigt. Der Planergänzungsbeschluss verknüpft das Monitoring und das weitere Risikomanagement in Bezug auf Schutzeinrichtungen durch einen Vorbehalt (IV.17 a). Für den Fall, dass die im Rahmen des Monitorings durchzuführenden Soll-Ist-Abgleiche "relevante negative Abweichungen" von der Prognose anzeigen, sind Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Erfüllt ist die genannte Voraussetzung, wenn entweder die überprüften Einrichtungen "die prognostizierte Funktion ... nicht ausreichend erfüllen" oder wenn "das Monitoring der Bestandsentwicklungen der Kolonien ... negative Veränderungen erkennen lässt, die den Projektwirkungen zugerechnet werden können" (IV.17 b). Damit sind die Reaktionsvoraussetzungen hinreichend umrissen. Ihre nähere Konkretisierung hat anhand von Maßstäben zu erfolgen, die nach Abstimmung mit der Oberen Naturschutzbehörde der Planfeststellungsbehörde vor Baubeginn zur Genehmigung vorzulegen sind. Auch die eigentliche Entscheidung über die zu ergreifenden Korrekturmaßnahmen ist der Planfeststellungsbehörde vorbehalten (IV.17 a). Damit wird den rechtlichen Anforderungen, die an Entscheidungsvorbehalte zu stellen sind (vgl. Beschluss vom 30. August 1994 - BVerwG 4 B 105.94 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 31 S. 9 ff.), Rechnung getragen. Die Planfeststellungsbehörde behält es nämlich in der Hand, über das "Ob" und "Wie" von Korrekturmaßnahmen zu entscheiden. Dass die nähere Konkretisierung der Reaktionsvoraussetzungen nicht im Planergänzungsbeschluss erfolgt, sondern der Ausführungsplanung vorbehalten worden ist, findet seine Rechtfertigung darin, dass die vom Kläger vermissten Erwartungswerte für den gebotenen Soll-Ist-Abgleich bei Erlass des Beschlusses noch nicht hinreichend konkret formulierbar waren. Zum einen fehlte die Detailplanung der Schadensvermeidungsmaßnahmen, die erst mit dem landschaftspflegerischen Ausführungsplan erfolgt; zum anderen hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ableitung von Erwartungswerten von Daten abhängt, die möglichst kurz vor Beginn des Eingriffs erhoben werden sollen.

81

Ebenso wenig verfängt die Kritik des Klägers, die vorbehaltenen Korrekturmaßnahmen seien lückenhaft und im Übrigen wirkungslos. Soweit er Korrekturmaßnahmen mit Schutzrichtung für Jagdhabitate und zur Abwehr bau- und anlagenbedingter Beeinträchtigungen vermisst, ist sein Vortrag unbeachtlich, weil das planfestgestellte Schutzkonzept insoweit keiner Ergänzung durch ein Risikomanagement bedurfte. Auch seine Rüge, betriebsbedingten Zerschneidungswirkungen und Kollisionsverlusten lasse sich über den Vorbehalt nicht abhelfen, vermag nicht zu überzeugen. Dass nachträgliche Grünbrücken aufgrund der Geländeverhältnisse nicht realisierbar seien, stellt eine unsubstantiierte Behauptung dar. Die mangelnde Eignung des Vorbehalts zur Bewältigung von Zerschneidungswirkungen lässt sich auch nicht damit begründen, dass neben den im Planergänzungsbeschluss angesprochenen weitere Korrekturmaßnahmen möglich, aber nicht vorbehalten seien. Der Kläger nennt zwar einen ganzen Strauß solcher Maßnahmen. Abgesehen davon, dass die vorgeschlagene Nachpflanzung und Erhöhung der Gehölzstreifen auf den geplanten Grünbrücken und dem Tunneldach von der vorbehaltenen "Verdichtung der bisherigen Bepflanzung" umfasst wird, verkennt er aber, dass nach der unter IV.17 c getroffenen Regelung die ausdrücklich benannten Korrekturmaßnahmen nur Regelbeispiele sind. Gegenüber der Behauptung, die vorbehaltenen Korrekturmaßnahmen zur Ergänzung bzw. Modifizierung von Sperreinrichtungen seien wirkungslos, ist auf das MAQ zu verweisen, das solche Einrichtungen ausdrücklich vorsieht.

82

Im Übrigen würden etwaige Mängel der Regelung über das Risikomanagement dem Klagebegehren ohnehin nicht zum Erfolg verhelfen. Da die Möglichkeit wirksamer Monitoring- und Korrekturmaßnahmen keinen grundsätzlichen Zweifeln begegnet, ließen etwaige Mängel der getroffenen Regelung das Planungskonzept unberührt und könnten demgemäß durch schlichte Planergänzung ausgeräumt werden. Das schließt es aus, ihretwegen den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben oder für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären (§ 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FStrG entsprechend).

83

(d) Der Autobahnbetrieb wird keine Immissionen hervorrufen, die fledermausbezogene Erhaltungsziele des FFH-Gebiets beeinträchtigen. Für Lichtreize, Geräusche und Stickstoffdepositionen, die auf Habitatflächen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus außerhalb der Gebietsgrenzen einwirken, gilt dies in gleicher Weise wie für unmittelbare Flächenverluste schon deshalb, weil diese Flächen nicht unter den Habitatschutz fallen. Zu einer der Prüfung bedürfenden Neuverlärmung kommt es freilich auch auf gebietsinternen Habitatflächen, wenn man trotz neuerer Untersuchungen, die ein Meideverhalten oder zumindest eingeschränkte Jagdaktivitäten der Fledermäuse nur für Distanzen von 25 bzw. 50 m seitlich von Straßen ermittelt haben, mit der Verträglichkeitsprüfung für Lärmeinwirkungen eine Relevanzschwelle von 55 dB(A) zugrunde legt. Insoweit stehen neu verlärmten Flächen am "Langer Berg" von 0,49 ha und am Beerberg von 0,09 ha Flächen am "Langer Berg" von 2,86 ha gegenüber, auf denen der Lärm durch die Entlastung der B 7 und die Tunnelführung der A 44 unter diese Schwelle absinkt. Da die Be- und Entlastungsflächen im Wesentlichen gleichartige Habitatelemente darstellen und in räumlichem Zusammenhang zueinander stehen, ist es mit den Erhaltungszielen vereinbar, sie saldierend zu betrachten mit der Folge, dass keine relevante Neuverlärmung eintritt. Dass es durch die äußerst geringen Zusatzbelastungen gebietsinterner Habitatflächen mit Stickstoff zu einer die Jagd der Fledermäuse behindernden Verkrautung oder Ausbreitung von Brombeeren kommen könnte, ist eine vom Kläger nicht ansatzweise belegte Behauptung.

84

(2) Soweit die Verträglichkeitsprüfung erhebliche Beeinträchtigungen der zum Gegenstand von Erhaltungszielen des Gebiets gewordenen Lebensräume 9110 (Hainsimsen-Buchenwald), 9130 (Waldmeister-Buchenwald) und 91E0* (Erlen-Eschen- und Weichholzauenwälder) durch Stickstoffbelastungen verneint hat, greifen die dagegen vom Kläger erhobenen Einwendungen im Ergebnis ebenfalls nicht durch.

85

(a) Der Kläger ist mit diesen Einwendungen allerdings nicht nach § 61 Abs. 3 BNatSchG 2002 bzw. § 17a Nr. 7 Satz 2 FStrG ausgeschlossen. Zwar hat er sich in seinem Einwendungsschreiben vom 10. April 2006 darauf beschränkt, Beeinträchtigungen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus durch erhöhte Stickstoffdepositionen geltend zu machen, die die Krautschicht von Laubwäldern veränderten und deren Eignung als Jagdhabitate für die Fledermäuse ungünstig beeinflussten. Negative Auswirkungen auf Vegetationsflächen bestimmter Lebensraumtypen dürften damit nicht hinreichend klar gerügt sein. Gleiches gilt für das im Rahmen der ergänzenden Anhörung zu den Konsequenzen der Gebietserweiterung eingereichte Einwendungsschreiben des Klägers vom 31. Oktober 2007, in dem nicht die Prüfung oder Bewertung von Stickstoffeinträgen in Flächen des Lebensraumtyps 9110, sondern nur die mangelnde Berücksichtigung anderer Beeinträchtigungen dieses Lebensraums beanstandet worden ist. Die Möglichkeit, Vortrag zur Stickstoffbelastung von Flächen der dem Gebietsschutz unterfallenden Lebensraumtypen im gerichtlichen Verfahren nachzuschieben, wurde dem Kläger aber dadurch eröffnet, dass die Planfeststellungsbehörde ihre Entscheidungsgrundlagen in dem prozessbegleitend durchgeführten ergänzenden Verfahren durch Einbeziehung des Endberichts des Ingenieurbüros L. GmbH & Co. KG zur Berechnung der Stickstoffdepositionen vom Juni 2008 und weiterer Untersuchungen nachträglich ergänzt hat, ohne diese Unterlagen dem Kläger noch zur Stellungnahme zuzuleiten. Werden den Naturschutz betreffende neue Untersuchungen angestellt, auf die - wie hier - die Planungsentscheidung gestützt werden soll, so müssen die anerkannten Naturschutzvereine erneut beteiligt werden, auch wenn die vorgesehene Entscheidung nicht zu zusätzlichen Eingriffen in Natur und Landschaft führt (Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 19.95 - BVerwGE 102, 358 <362>). Wird ihnen diese Möglichkeit vorenthalten, so kann ihnen nicht vorgeworfen werden, dass sie im ursprünglichen Anhörungsverfahren keine entsprechenden Einwendungen erhoben haben (Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 73.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 Rn. 58 m.w.N.).

86

(b) In der Sache greifen die Einwände des Klägers jedoch nicht durch. Die behördliche Beurteilung der Stickstoffbelastung habitatrechtlich geschützter Waldlebensräume ist zwar nicht frei von Rechtsfehlern; diese haben aber keinen Einfluss auf das Beurteilungsergebnis.

87

Die Verträglichkeitsprüfung hat in ihrer Ursprungsfassung die Stickstoffdepositionen nach dem Konzept der sog. Critical Loads (nachfolgend: CL) bewertet und dabei für die in Rede stehenden Lebensräume empirische CL von 10 bis 15 kg N/ha*a zugrundegelegt (vgl. zum CL-Konzept Kieler Institut für Landschaftsökologie, Bewertung von Stickstoffeinträgen im Kontext der FFH-Verträglichkeitsstudie, Februar 2008 , S. 7). Dem ist der Planfeststellungsbeschluss vom 16. November 2007 ungeachtet ausführlicher Zitate aus einer dieses Konzept modifizierenden Stellungnahme der Gutachterin Dr. habil. Sch. vom 12. November 2007 letztlich gefolgt (S. 257 und 263 f.). Die CL sollen naturwissenschaftlich begründete Belastungsgrenzen für Vegetationstypen und andere Schutzgüter umschreiben, bei deren Einhaltung signifikant schädliche Effekte von Luftschadstoffdepositionen auch langfristig ausgeschlossen werden können. In Anbetracht der Unsicherheiten, denen die Beurteilung der durch ein Projekt für habitatrechtlich geschützte Lebensräume hervorgerufenen Stickstoffbelastungen unterliegt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ), ist gegen die Verwendung dieses Konzepts nichts einzuwenden (Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ).

88

Den habitatrechtlichen Schutzansatz hat der Planfeststellungsbeschluss in seiner Ursprungsfassung indes dadurch verfehlt, dass er allein die Zusatzbelastungen an den CL als Beurteilungswerte gemessen hat. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL und § 34 Abs. 1 und 2 HENatG fordern zwar eine projektbezogene Prüfung. Die Beurteilung der Einwirkungen des jeweiligen konkreten Vorhabens kann aber nicht losgelöst von den Einwirkungen, denen der betroffene Lebensraum im Übrigen unterliegt, vorgenommen werden. Maßstab für die Erheblichkeit von Gebietsbeeinträchtigungen sind - wie schon erwähnt - die für das Gebiet maßgeblichen Erhaltungsziele (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 41), also die Festlegungen zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in einem FFH-Gebiet vorkommenden Lebensräume und Arten nach den Anhängen I bzw. II FFH-RL (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG 2002). Eine an den Erhaltungszielen orientierte Prüfung ist nicht möglich, ohne neben den vorhabenbedingten Einwirkungen auch Einwirkungen in den Blick zu nehmen, denen der geschützte Lebensraum oder die geschützte Art von anderer Seite ausgesetzt ist. Daher ist für eine am Erhaltungsziel orientierte Beurteilung der projektbedingten Zusatzbelastung die Berücksichtigung der Vorbelastung unverzichtbar (Beschluss vom 10. November 2009 - BVerwG 9 B 28.09 - NVwZ 2010, 319 m.w.N.). Das schließt es aus, allein die Zusatzbelastung an dem einschlägigen CL-Wert zu messen.

89

Dieser Rechtsmangel ist durch den Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 nicht behoben worden. Eine Heilung nach Maßgabe von § 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FStrG scheitert freilich nicht daran, dass der Planergänzungsbeschluss ausdrücklich hervorhebt, eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses sei insoweit nicht erforderlich (S. 18 oben). In seiner Begründung hat sich der Ergänzungsbeschluss mit der Beurteilung der Stickstoffdepositionen auf der Grundlage einer vertiefenden Untersuchung des Ingenieurbüros L. und neuer vegetationskundlicher Erhebungen, die beide in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung ausgewertet und verarbeitet worden sind, erneut auseinandergesetzt. Der Sache nach hat er damit die Zulassungsentscheidung hinsichtlich der Stickstoffproblematik auf eine neue Grundlage gestellt. Das entspricht den Anforderungen, die der Senat in dieser Hinsicht an die Fehlerheilung stellt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 71; Beschluss vom 10. Dezember 2009 - BVerwG 9 A 9.08 - NVwZ 2010, 320 ).

90

Ebenso wenig kann einer Fehlerheilung entgegengehalten werden, die Stickstoffbelastung der geschützten Lebensräume sei in der Untersuchung des Büros L. fehlerhaft berechnet worden. Der Kläger hat gerügt, bei der Berechnung der Zusatzbelastung sei die nasse Deposition unberücksichtigt geblieben und die der Berechnung zugrundegelegten Werte für die Geschwindigkeit der trockenen Deposition seien nicht angegeben worden. Unter beiden Gesichtspunkten sind die Berechnungsergebnisse nicht zu beanstanden. Der Gutachter Dipl.-Ing. Lo. vom Büro L. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erläuternd ausgeführt, dass die durch niederschlagsbedingte Auswaschung des Stickstoffs aus Luftschichten resultierende nasse Deposition infolge der Verdünnung des Stickstoffs in der Luft bei den hier in Rede stehenden Entfernungen sich im Milligrammbereich bewege und deshalb neben der trockenen Deposition nicht ins Gewicht falle. Als Depositionsgeschwindigkeiten seien die vom Umweltbundesamt angegebenen Werte berücksichtigt worden, um eine einheitliche Behandlung der Zusatzbelastung und der ebenfalls nach diesen Werten berechneten Vorbelastung zu gewährleisten. Diese Erläuterungen erscheinen plausibel und sind auch von Klägerseite nicht weiter in Frage gestellt worden.

91

Die Heilung scheitert aber daran, dass die in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung und im Planergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2009 vorgenommene Neubeurteilung anhand der "Vollzugshilfe zur Ermittlung erheblicher und irrelevanter Stoffeinträge in Natura 2000-Gebiete" des Landesumweltamtes Brandenburg vom November 2008 (nachfolgend: Brandenburger Vollzugshilfe) erfolgt ist, wonach für zusätzliche Stickstoffbelastungen in der Regel eine Irrelevanzschwelle von 10 % des CL-Wertes anzuwenden ist (Nr. 4.4 und 4.5). Dies steht nicht in Einklang mit den für die Verträglichkeitsprüfung geltenden rechtlichen Maßstäben. Kommt es für die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung darauf an, ob diese dem einschlägigen Erhaltungsziel zuwiderläuft, so ist grundsätzlich jede Überschreitung eines Wertes, der die Grenze der nach naturschutzfachlicher Einschätzung für das Erhaltungsziel unbedenklichen Auswirkungen bestimmter Art markiert, als erheblich anzusehen. Bei Zugrundelegung des CL-Konzepts für die Verträglichkeitsprüfung fungieren die CL als Beurteilungswerte in diesem Sinne. Werden sie bereits von der Vorbelastung ausgeschöpft oder sogar überschritten, so folgt daraus, dass prinzipiell jede Zusatzbelastung mit dem Erhaltungsziel unvereinbar und deshalb erheblich ist, weil sie die kritische Grenze überschreitet oder schon mit der Vorbelastung verbundene Schadeffekte verstärkt (Beschluss vom 10. November 2009 a.a.O. Rn. 6; vgl. auch schon Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 108).

92

Angesichts dessen sind Irrelevanzschwellen, die generalisierend Zusatzbelastungen bis zu einem bestimmten Prozentsatz der CL für unbedenklich erklären, mit den habitatrechtlichen Vorgaben nicht ohne Weiteres zu vereinbaren und bedürfen besonderer, naturschutzfachlich fundierter Rechtfertigung. Daran ändert nichts, dass die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene Technische Anleitung Luft ebenfalls Irrelevanzschwellen für Zusatzbelastungen mit Schadstoffen enthält, worauf die Brandenburger Vollzugshilfe ausdrücklich Bezug nimmt (4.4); denn Vorbilder aus anderen Rechtsbereichen können nicht eine Handhabung rechtfertigen, die sich von dem maßgeblichen habitatrechtlichen Maßstab entfernt. Naturschutzfachliche Gesichtspunkte, auf die sich eine Irrelevanzschwelle von 10 % der CL stützen ließe, sind indessen weder in der Brandenburger Vollzugshilfe benannt (vgl. dazu KIfL, S. 19) noch sonst ersichtlich. Namentlich liefern die Umstände, dass CL "rohe" wissenschaftliche Ergebnisse mit hohen Unsicherheitsmargen darstellen (KIfL, S. 26), die Methoden der Depositionsberechnung noch mit Unsicherheiten behaftet sind und Daten der Vorbelastung nur gerundet zur Verfügung stehen, hierfür keine hinreichende Rechtfertigung. Falls derartige Unsicherheiten nicht ohnehin im Wege einer Modifizierung der CL durch Zu- oder Abschläge zu bewältigen sind, könnten sie allenfalls eine Rolle spielen, soweit es um die Beurteilung von Zusatzbelastungen geht, die zusammen mit der Vorbelastung zu einer sich im Grenzbereich des CL-Wertes bewegenden Gesamtbelastung führen. Überschreitet dagegen bereits die Vorbelastung den CL-Wert deutlich, kann es auf Unsicherheiten, die die richtige Grenzziehung betreffen, nicht ankommen. Ebenso sind Probleme, rechnerisch belegte Zusatzbelastungen geringer Größenordnung messtechnisch nachzuweisen, für die Beurteilung unerheblich. Schließlich fehlt es bisher an jeglichem Begründungsansatz, der Zusatzbelastungen in einer Größenordnung von bis zu 10 % der CL als eine im Hinblick auf ihre Wirkungen zu vernachlässigende Bagatelle erscheinen ließe.

93

Erweist sich eine Neubeurteilung der projektbedingten Stickstoffdepositionen anhand des Bewertungsmodells der Brandenburger Vollzugshilfe als zur Fehlerheilung ungeeignet, so verhilft dies der Klage gleichwohl nicht zum Erfolg; denn der Beurteilungsmangel hat sich nicht auf das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung ausgewirkt (§ 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG entsprechend). Dies folgt daraus, dass jedenfalls in Fallgestaltungen, in denen die Vorbelastung - wie hier - die CL um mehr als das Doppelte übersteigt, eine Irrelevanzschwelle von 3 % des jeweiligen CL-Wertes anzuerkennen ist. Eine so bemessene Schwelle findet ihre Rechtfertigung in dem Bagatellvorbehalt, unter dem jede Unverträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines FFH-Gebiets steht. Als allgemeiner, im gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV) wurzelnder Rechtsgedanke kann dieser Vorbehalt nicht nur bei direkten Flächenverlusten (vgl. dazu Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 124), sondern auch bei mittelbaren Einwirkungen auf einen Lebensraum wie den hier in Rede stehenden Stickstoffdepositionen zum Tragen kommen (Beschluss vom 10. November 2009 a.a.O. Rn. 8). Wann eine Einwirkung Bagatellcharakter hat, ist eine zuvörderst naturschutzfachliche Frage.

94

Eine Orientierungshilfe bietet insoweit der vom Kieler Institut für Landschaftsökologie erarbeitete Fachkonventionsvorschlag, der unabhängig vom betroffenen Flächenumfang eine Schwelle von 3 % des CL empfiehlt (KIfL, S. 35). Ausweislich dieser naturschutzfachlich fundierten Ausarbeitung wird von konsultierten Experten eine Zusatzbelastung in der Größenordnung von 3 % des CL übereinstimmend als nicht signifikant verändernd eingestuft (ebd. S. 36; vgl. auch die auf einem internationalen Workshop vom 18. bis 20. Mai 2009 beruhende Publikation von Uhl u.a., "Ermittlung und Bewertung von Wirkungen durch Stickstoffdepositionen auf Natura 2000 Gebiete in Deutschland"). Die Erläuterungen der Gutachter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, denen der Gutachter des Klägers keine fachlichen Einwände von Gewicht entgegenzusetzen vermocht hat, haben diese Einschätzung bestätigt; danach besteht mittlerweile ein fachwissenschaftlicher Konsens darüber, dass Zusatzbelastungen von nicht mehr als 3 % des CL außerstande sind, signifikante Veränderungen des Ist-Zustandes auszulösen oder die Wiederherstellung eines günstigen Zustandes signifikant einzuschränken. Gemessen an der habitatrechtlichen Zielsetzung, einen günstigen Erhaltungszustand zu erhalten oder wiederherzustellen, erweisen sich damit vorhabenbedingte Zusatzbelastungen bis zu dieser Schwelle unabhängig vom Umfang der betroffenen Fläche als Bagatelle, die die Verträglichkeit des Vorhabens nicht in Frage stellt. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn schon die Vorbelastung den CL um mehr als das Doppelte übersteigt. Denn bei dieser Sachlage fällt zum einen die Zusatzbelastung gegenüber der Vorbelastung sehr gering ins Gewicht, zum anderen lässt sich dann ein dem CL-Wert entsprechender Zustand ohnehin nicht mit den spezifischen Mitteln des Habitatrechts, sondern nur durch eine effektive Luftreinhaltepolitik erzielen.

95

Hiervon ausgehend kann sich die fehlerhafte Annahme einer 10%igen Irrelevanzschwelle in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung und im Planergänzungsbeschluss auf das Entscheidungsergebnis nicht ausgewirkt haben. Denn auch bei Zugrundelegung einer Irrelevanzschwelle von 3 % des CL wäre die vorhabenbedingte Stickstoffdeposition zu vernachlässigen. Der für die hier betroffenen Waldlebensräume in der konsolidierten Fassung der Verträglichkeitsprüfung (S. 156) und im Planergänzungsbeschluss in Ansatz gebrachte CL von 10 bis 12 kg N/ha*a, der den naturräumlichen Gegebenheiten in nicht zu beanstandender Weise Rechnung trägt, wird schon von der Vorbelastung weit überschritten; nach den der OSIRIS-Datenbank des Umweltbundesamtes entnommenen Angaben war für die im FFH-Gebiet geschützten Waldlebensräume von einer Vorbelastung zwischen 37 und 48 kgN/ha*a und punktuell noch darüber auszugehen. Die ermittelten Zusatzbelastungen liegen dagegen weitgehend bei < oder = 0,1 kg N/ha*a und erreichen nur kleinflächig bis zu 0,3 kg N/ha*a. Damit geht bei einer hohen, den CL-Wert um mehr als das Dreifache übersteigenden Vorbelastung die Zusatzbelastung an keiner Stelle über die Irrelevanzschwelle von 3 % des CL hinaus.

96

(3) Im Planfeststellungsbeschluss wird unter Rückgriff auf die die Verträglichkeitsprüfung ergänzende Stellungnahme zu den Auswirkungen der Gebietsveränderung (NPU 32) die Auffassung vertreten, Grau- und Schwarzspecht als charakteristische Arten der Waldlebensräume 9110 und 9130 würden durch Immissionen der geplanten Autobahn nicht erheblich beeinträchtigt. Diese Beurteilung lässt keine Rechtsfehler erkennen. Bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses als dem insoweit maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt entsprach es noch dem Stand der Wissenschaft, in Bezug auf Vögel Lärmimmissionen als entscheidende Störungsquelle zu betrachten und ihre Störwirkung anhand der 50- bzw. 55-dB(A)-Isophone zu bewerten. Neuere Erkenntnisse, die sich aus dem Abschlussbericht eines vom Kieler Institut für Landschaftsökologie durchgeführten Forschungsvorhabens "Vögel und Verkehrslärm" ergeben, können nicht als zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt vorausgesetzt werden, weil der auf "November 2007" datierte Bericht entweder nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses oder allenfalls wenige Tage vorher fertiggestellt wurde. Hiernach war eine relevante Neubelastung zu verneinen, da - vergleichbar der Situation der Fledermäuse - den über die genannten Werte hinaus neu belasteten Habitatflächen in größerem Umfang entsprechend entlastete Flächen gegen-überstehen. Dies gilt sowohl bezogen auf die gebietsinternen Spechthabitate insgesamt als auch bezogen auf die dem jeweiligen Lebensraumtyp zugehörigen Be- und Entlastungsflächen. Da die fraglichen Habitatelemente in räumlichem Zusammenhang zueinanderstehen und auf demselben Einwirkungspfad be- und entlastet werden, ist gegen die vorgenommene Saldierung nichts zu erinnern.

97

(4) An der Beurteilung, dass die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" nicht beeinträchtigt werden, ändert sich auch dann nichts, wenn die Auswirkungen anderer Planungen sowie anderer Abschnitte der Autobahnplanung in die Betrachtung einbezogen werden. Auswirkungen auf die Fledermausarten "Großes Mausohr" und "Bechsteinfledermaus" in Gestalt von Zerschneidungseffekten und Kollisionsrisiken sind durch das planfestgestellte Schutzkonzept so bewältigt, dass es nicht zur Summation mit Wirkungen anderer Projekte bzw. Projektteile oder gar zu Synergismen kommen kann. Für die weiteren vorstehend behandelten Auswirkungen des planfestgestellten Vorhabens trifft Gleiches zu, ohne dass es überhaupt besonderer Schutzmaßnahmen bedürfte.

98

b) Erhebliche Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets "Reichenbacher Kalkberge" sind ebenfalls nicht zu besorgen. Die für das Gebiet durchgeführte Verträglichkeitsprüfung hat die vom Kläger angesprochene Problematik hydrologischer Einwirkungen des geplanten Ersatzbrunnens auf geschützte Lebensräume zwar nur kursorisch behandelt, indem sie unter Hinweis auf die ausschließliche Förderung von Tiefenwasser und die Abdichtung des Brunnens bis zu 70 m unter Gelände eine Beeinflussung dieser Lebensräume ausgeschlossen hat (S. 22; vgl. auch den ergänzenden Hinweis in der Umweltverträglichkeitsstudie Ersatzwasserbeschaffung Brunnen Küchen, S. 17). Erläuterungen des vom Beklagten eingeschalteten Fachgutachters Dipl.-Geologe M. in der mündlichen Verhandlung anhand eines Modells der hydrogeologischen Verhältnisse im FFH-Gebiet haben die Richtigkeit der in der Verträglichkeitsprüfung enthaltenen fachlichen Einschätzung aber überzeugend bestätigt. Die zum Gegenstand von Erhaltungszielen des FFH-Gebiets gewordenen Kalktuffquellen (LRT 7220*) und Erlen-Eschen-Auenwälder (LRT 91E0*) werden von den wasserführenden Schichten, aus denen das Brunnenwasser gefördert wird, durch eine geologische Sperre in Gestalt einer schräg einfallenden Rötschicht getrennt. In Verbindung mit der geplanten Abdichtung des Bohrlochs, deren technische Realisierbarkeit keinen begründeten Zweifeln unterliegt, erscheint eine hydraulische Verbindung, die dazu führen könnte, dass den geschützten Lebensräumen durch den Betrieb des Ersatzbrunnens Wasser entzogen wird, ausgeschlossen. Im Übrigen hat der Gutachter M. verdeutlicht, dass der durch die Fördermenge des Brunnens bewirkte Grundwasser-Absenkungstrichter von diesen Lebensräumen einen weiten Abstand hält. Diesen Überlegungen hat der Kläger nicht länger widersprochen. Der für den Kläger tätige Gutachter Sp. verweist allerdings auf den gleichfalls im FFH-Gebiet geschützten Lebensraum Kalkreiche Niedermoore (LRT 7230), der von dem Brunnen nicht durch eine geologische Sperrschicht getrennt werde. Auch insoweit hat der Gutachter M. Gefährdungen aber zur Überzeugung des Gerichts auszuschließen vermocht. Aus seinen Erläuterungen folgt, dass dieser Lebensraum sich zum einen nach den örtlichen Verhältnissen nicht aus dem Grundwasser speist und zum anderen ebenso wenig wie die zuvor behandelten Lebensräume von dem Absenkungstrichter des Brunnens erfasst wird.

99

c) Von einer Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet "Meißner" durfte der Beklagte absehen. Wie sich aus Art. 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 7 FFH-RL ergibt, erfordern Projekte eine Prüfung ihrer Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines ausgewiesenen Vogelschutzgebiets nur dann, wenn sie das Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten. Stellt sich dagegen schon nach einer bloßen Vorprüfung heraus, dass keine vernünftigen Zweifel am Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen bestehen, so erübrigt sich eine Verträglichkeitsprüfung (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ; Beschluss vom 26. November 2007 - BVerwG 4 BN 46.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 29 S. 91 f.). Dies trifft vorliegend zu. Erhebliche Einwirkungen auf das Schutzgebiet sind von vornherein ausgeschlossen. Es werden weder Gebietsflächen in Anspruch genommen noch ist aufgrund der Entfernung des Vogelschutzgebiets von der offenen Trasse mit relevanten Immissionen zu rechnen. Ausweislich der Lärmdifferenzkarte halten nicht nur die 55-dB(A)-, sondern auch die 50-dB(A)-Isophone im Planfall einen Abstand von mehr als 300 m von der Gebietsgrenze. Wo die Trasse im Tunnel geführt wird, ergeben sich im Vergleich zu dem durch den Verkehrslärm der B 7 beeinflussten Ist-Zustand sogar Entlastungen. Angesichts dessen sind Störwirkungen auf die im Gebiet geschützten Vögel einschließlich der vom Kläger besonders angesprochenen Schwarzstörche durch Lärm zu verneinen. Entsprechendes gilt für Fluchtdistanzen des Schwarzstorchs, die nach Angaben des Klägers gegenüber Personen 100 m und gegenüber Baumaschinen 500 m betragen; denn die offenen Teilstücke der Trasse liegen einschließlich der Tunnelportale mindestens 750 m vom Vogelschutzgebiet entfernt.

100

Soweit der Kläger die Gefahr sieht, Horste des Schwarzstorchs in den Biotopkomplexen "Langer Berg" und "Lochmannsberg" gingen wegen ihrer Nähe zur Trasse verloren, hat er nicht dargetan, warum sich diese auf das etwa 1 km entfernte Vogelschutzgebiet und die dort nistenden Brutpaare des Schwarzstorchs auswirken sollte. Das Erfordernis eines strikten Gebietsbezugs habitatrechtlich erheblicher Beeinträchtigungen verkennt der Kläger auch insoweit, als er die Beeinträchtigung von Nahrungshabitaten des Schwarzstorchs im Wehrebogen geltend macht. Da nichts für eine fehlerhafte Abgrenzung des Vogelschutzgebiets spricht, kommt es auf die Frage, ob außerhalb der festgelegten Gebietsgrenzen gelegene Nahrungshabitate durch das Projekt beeinträchtigt werden könnten, nach den obigen Ausführungen zur vergleichbaren Problematik für die im FFH-Gebiet "Werra- und Wehretal" geschützten Fledermausarten nicht an.

101

Ferner lässt sich ausschließen, dass für den Fortbestand eines günstigen Erhaltungszustands der im Vogelschutzgebiet lebenden Schwarzstörche unverzichtbare Austauschbeziehungen zu Schwarzstorchbeständen, die Gegenstand der Erhaltungsziele anderer Natura-2000-Gebiete sind, beeinträchtigt werden könnten. Die Trasse stellt für Schwarzstörche selbst dort, wo sie nicht im Tunnel verläuft, kein Überflughindernis dar und kann deshalb bislang vorhandene Austauschbeziehungen nicht unterbrechen.

102

d) Entgegen der Auffassung des Klägers brauchte der Beklagte nicht vom Vorhandensein eines faktischen Vogelschutzgebiets "Lichtenauer Becken" auszugehen, das durch das planfestgestellte Vorhaben betroffen sein könnte. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - (BVerwGE 130, 299 ), das auf die Klage des Klägers gegen den die VKE 20 betreffenden Planfeststellungsbeschluss des Beklagten ergangen ist, näher begründet. Darauf wird Bezug genommen. Umstände, die nunmehr Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben könnten, sind weder im vorliegenden Verfahren dargetan noch sonst ersichtlich.

103

2. Es stellt keinen Rechtsfehler dar, dass die Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nicht die Verträglichkeit des Gesamtprojekts der A 44 zwischen Kassel und Eisenach mit den Erhaltungszielen aller in diesem Raum vorhandenen FFH-Gebiete geprüft, sondern sich hinsichtlich der weiteren Planungsabschnitte mit einer Vorschau nach Art eines "vorläufigen positiven Gesamturteils" begnügt hat. § 34 HENatG schreibt im Einklang mit § 34 BNatSchG 2002 eine Verträglichkeitsprüfung im Rahmen der Projektzulassung nur für das jeweilige Projekt im Sinne des § 3 Satz 2 Nr. 8 HENatG, bei einer abschnittweise erfolgenden Planung also nur für den einzelnen Planungsabschnitt vor. Die FFH-Verträglichkeit der Gesamtplanung ist hingegen allein im Verfahren der Linienbestimmung zu beurteilen (§ 34 Abs. 7 HENatG, § 35 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG 2002). Eine Ausnahme ist auch nicht für den Fall vorgesehen, dass das Erfordernis einer die Gesamtplanung betreffenden Verträglichkeitsprüfung im Linienbestimmungsverfahren noch nicht zum Tragen kommen konnte, weil die Linienbestimmung - wie hier - vor Inkrafttreten der genannten gesetzlichen Vorschriften und vor Aufnahme der einzelnen FFH-Gebiete in die von der Kommission festgelegte Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Art. 4 Abs. 5 FFH-RL) erfolgt ist (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 32 f.). Dass dem Gesamtprojekt in anderen Planungsabschnitten auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, die jeweiligen Abschnitte im Wege einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 und 4 HENatG zuzulassen, unüberwindliche, ein vorläufiges positives Gesamturteil ausschließende Hindernisse entgegenstünden, hat der Kläger selbst nicht geltend gemacht; dies ist auch sonst nicht ersichtlich.

104

3. Das Vorhaben widerspricht ferner nicht in einer das Klagebegehren rechtfertigenden Weise den Anforderungen des Artenschutzrechts.

105

a) Mit seinem Einwand, der Beklagte habe es versäumt, den Luchs bei seiner artenschutzrechtlichen Prüfung zu berücksichtigen, ist der Kläger nach der hier maßgeblichen Präklusionsregelung des § 61 Abs. 3 BNatSchG 2002 i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 2 HENatG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 18. Juni 2002 (GVBl I S. 364) ausgeschlossen. Gegenstand des zweiten Anhörungsverfahrens, in dem der Kläger durch Übersendung der maßgeblichen Planunterlagen beteiligt wurde, waren sowohl die Deckblattfassung des landschaftspflegerischen Begleitplans als auch der artenschutzrechtliche Fachbeitrag. Diesen Unterlagen ließ sich im Einzelnen entnehmen, welche Arten mit welchen Methoden vom Vorhabenträger untersucht worden waren. Der Luchs gehörte erkennbar nicht zu den in den Blick genommenen Arten. Innerhalb der Äußerungsfrist, die mit ca. zwei Monaten jedenfalls nicht zu knapp bemessen war, hat der Kläger umfangreiche Einwendungen erhoben, ein Vorkommen des Luchses oder Gesichtspunkte, die ein solches Vorkommen nahelegen könnten, jedoch ebenso wenig angesprochen wie im ersten Anhörungsverfahren. Da er auf die Rechtsfolgen verspäteter Einwendungen hingewiesen worden war, führt dies zum Einwendungsausschluss.

106

An der eingetretenen Präklusion vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass der Kläger das Vorkommen des Luchses in der ihm von der Planfeststellungsbehörde ermöglichten Äußerung zu den Stellungnahmen des Vorhabenträgers zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag behauptet hat. Gegenstände dieser Stellungnahmen waren eine veränderte - individuenbezogene - Beurteilung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände auf der Grundlage unveränderter Daten und die Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen des § 62 BNatSchG 2002. Die Erhebungsphase, deren Defizite der Kläger mit seinem Einwand geltend macht, war zu diesem Zeitpunkt längst abgeschlossen, und auch die Stellungnahmen zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag warfen insofern keine neuen Fragen auf, die den Gegenstand der Anhörung gebildet hätten.

107

Der Präklusion stehen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften dürfen das nationale Verfahrens- und Prozessrecht zwar die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Urteile vom 14. Dezember 1995 - Rs. C-312/93 - Slg. 1995, I-4599 und - Rs. C-430/93 und 431/93 - Slg. 1995, I-4705 ). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift diesem Erfordernis entspricht, ist unter Berücksichtigung ihrer Stellung im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2003 - Rs. C-327/00 - Slg. 2003, I-1877 ). Nach diesem Maßstab bestehen gegen den Einwendungsausschluss keine Bedenken. Die Regelungen der Einwendungspräklusion im deutschen Recht dienen der Rechtssicherheit, namentlich dem gesteigerten Bedürfnis des Vorhabenträgers nach Schutz und Beständigkeit der unter Drittbeteiligung zustande gekommenen Zulassungsentscheidung. Mit Rücksicht auf die genannte Zielsetzung stehen diese Präklusionsregelungen grundsätzlich in Einklang mit dem erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgebot (Beschluss vom 11. November 2009 - BVerwG 4 B 57.09 - UPR 2010, 103 ). Anders als bei prozessrechtlichen Ausschlussfristen, für die Gleiches in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt ist (vgl. Urteil vom 16. Mai 2000 - Rs. C-78/98 - Slg. 2000, I-3201 ), tritt der Einwendungsausschluss insoweit zwar bereits vor Erlass eines gerichtlich anfechtbaren Rechtsakts ein. Das ist aber ohne Bedeutung, weil das Einwendungsrecht als Anknüpfungspunkt für die Präklusion einem vorgezogenen Rechtsschutz gleichkommt. Dieser Rechtsschutz ist nicht unzureichend; denn er liegt auch im wohl verstandenen Interesse der Einwendungsberechtigten, weil sie durch ihr Vorbringen die Chance der Einflussnahme wahren können, bevor eine Art von planerischer Verfestigung eingetreten ist (Beschluss vom 11. November 2009 a.a.O. Rn. 7). Die hier in Rede stehende Präklusionsregelung enthält keine Besonderheiten, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Da der Einwendungsausschluss eine angemessene Erkundigungs- und Äußerungsfrist sowie eine ausreichende Belehrung über die Folgen verspäteten Vorbringens voraussetzt, wird die Rechtsverfolgung nicht mehr als aus Gründen der Rechtssicherheit geboten erschwert.

108

Mit der hier vertretenen Auffassung setzt sich das Gericht entgegen der Ansicht des Klägers nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Oktober 2009 - Rs. C-263/08 - (NuR 2009, 773). Im Ausgangsfall, der zu dieser Entscheidung führte, hatte eine Umweltschutzvereinigung gegen die Zulassung eines Projekts durch eine der nationalen Gerichtsbarkeit zugehörige Stelle geklagt, nachdem sie sich an dem von dieser Stelle durchgeführten Genehmigungsverfahren beteiligt hatte. Dem Gerichtshof wurde die Frage vorgelegt, ob das Gemeinschaftsrecht es erfordert, einer Vereinigung unter diesen Umständen den Rechtsweg zu eröffnen. Der Gerichtshof hat das bejaht und den Rechtssatz aufgestellt, den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 und Art. 10a der UVP-Richtlinie müsse es möglich sein, die von einer der nationalen Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaates zugehörigen Stelle erlassene Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung eines Projekts anzufechten, gleichviel, welche Rolle sie in dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle durch ihre Beteiligung an und ihre Äußerung in diesem Verfahren spielen konnte. Der Gerichtshof hat sich damit nur zu der Problematik geäußert, ob der Klageweg mit der Erwägung versperrt werden darf, dass das Beteiligungsrechte gewährende Genehmigungsverfahren von einer Stelle mit Gerichtscharakter im Rahmen verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit durchgeführt worden ist (a.a.O. Rn. 37). Zur Problematik des Einwendungsausschlusses im Falle ungenügenden Gebrauchmachens von der Möglichkeit der Äußerung im Verwaltungsverfahren besagt dies nichts.

109

b) Die auf andere Tierarten bezogenen Rügen des Klägers sind zwar bereits in seinen im Planfeststellungsverfahren erhobenen Einwendungen angelegt, führen in der Sache aber nicht auf entscheidungserhebliche Fehler.

110

Bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 16. November 2007 war das Vorhaben an den §§ 42, 43 und 62 BNatSchG 2002 zu messen, die nach § 11 Satz 1 BNatSchG 2002 unmittelbar galten. Durch diese Vorschriften war an sich eine dreistufige Prüfung vorgegeben, bei der zu klären war, ob das Vorhaben einen Verbotstatbestand des § 42 BNatSchG 2002 verwirklicht, ob eine gesetzliche Ausnahme vom Verbot nach § 43 BNatSchG 2002 eingreift oder ob das Verbot aufgrund einer Befreiung nach § 62 BNatSchG 2002 entfällt. Die auf der zweiten Stufe zu beachtende Legalausnahme des § 43 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG 2002 für die Durchführung eines nach § 19 BNatSchG 2002 zugelassenen Eingriffs konnte indessen grundsätzlich nicht zum Tragen kommen, weil die Vorschrift die Ausnahme nicht von sämtlichen Voraussetzungen des Art. 16 FFH-RL bzw. des Art. 9 VRL abhängig machte, deren Umsetzung zu den Zielen der artenschutzrechtlichen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 gehörte. Das hinderte die Planfeststellungsbehörde aber nicht, unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG 2002 eine Befreiung zu erteilen (vgl. Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 73.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 ). Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die artenschutzrechtlichen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses durch Gesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBl I S. 2873) geändert worden sind. Soweit diese Änderungen zu einer Einschränkung der Verbotstatbestände geführt haben, ist die geänderte Gesetzesfassung für die gerichtliche Beurteilung maßgeblich; denn es kann keinen Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit geben, wenn der Planfeststellungsbeschluss aufgrund der Rechtsänderung mit gleichem Inhalt und gleicher Begründung erneut erlassen werden könnte (vgl. Urteil vom 13. Mai 2009 a.a.O. Rn. 88 m.w.N.). Hiervon ausgehend leidet der Planfeststellungsbeschluss auch in artenschutzrechtlicher Hinsicht nicht an einem zu seiner Aufhebung oder der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führenden Fehler.

111

aa) Der Planfeststellungsbeschluss hat - teilweise nur vorsorglich - Verbotstatbestände für die im Anhang IV der Habitatrichtlinie aufgeführten Arten Bechsteinfledermaus, Großes Mausohr, Haselmaus und Schlingnatter sowie für 52 europäische Vogelarten als erfüllt zugrundegelegt. Entgegen der Auffassung des Klägers war damit der Kreis der von artenschutzrechtlich relevanten Auswirkungen betroffenen Anhang-IV-Arten und mit Ausnahme der Bachstelze auch der europäischen Vogelarten jedenfalls nicht zu eng gezogen. Ebenso wenig sind für die als betroffen erachteten Arten einzelne Verbotstatbestände zu Unrecht verneint worden.

112

(1) Bezogen auf die Wildkatze ist der Planfeststellungsbeschluss davon ausgegangen, dass keiner der Verbotstatbestände des § 42 BNatSchG 2002 erfüllt sei. Aufzuchtstätten der Wildkatze seien im Wirkbereich der Trasse wegen der hohen Vorbelastung durch den Lärm der B 7 nicht zu erwarten. Eine Störung durch Zerschneidung räumlich-funktionaler Beziehungen im Streifgebiet der Wildkatze sei im Hinblick auf die Vorbelastung durch die B 7, die ein Querungshindernis darstelle, und die geplanten Querungsbauwerke nicht zu erwarten. Diese Bewertung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

113

Die Einschätzung, geschützte Lebensstätten der Wildkatze im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002, die bei der Verwirklichung des Vorhabens beschädigt oder zerstört werden könnten, seien im Trassenbereich nicht vorhanden, wird durch den naturschutzfachlichen Einschätzungsspielraum der Planfeststellungsbehörde (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 ) gedeckt. Angesichts der Verlärmung des Untersuchungsraums durch die stark mit Verkehr belastete B 7 und die besondere Lärmempfindlichkeit der Art konnte der Beklagte auch ohne gezielte Suche nach solchen Stätten davon ausgehen, die Wildkatze nutze den fraglichen Bereich nur als Streifgebiet, nicht aber für die Aufzucht der Jungtiere oder als Ruheraum; dies umso mehr, als sich in den ausgewerteten Untersuchungen keine entsprechenden Hinweise gefunden hatten. Die hohe Empfindlichkeit der Art gegenüber Störungen durch Straßen ist durch Fachliteratur belegt (vgl. Petersen u.a., Das Europäische Schutzgebietssystem Natura 2000, Band 2: Wirbeltiere, 2004, S. 404). Soweit der Kläger demgegenüber darauf verweist, neuere telemetrische Untersuchungen hätten ergeben, dass die Tiere nachts die Nähe von Autobahnen und Straßen nicht meiden, kann dies Aussagekraft nur für das Streifverhalten der Tiere haben; denn die in Rede stehenden Lebensstätten müssen ihre Funktion auch tagsüber erfüllen können.

114

Auch wenn Trennwirkungen unter das artenschutzrechtliche Störungsverbot fallen können (bejahend Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 105; kritisch dazu Gellermann, NuR 2009, 85 <87>), ist jedenfalls der Störungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 nicht verwirklicht. Der Planfeststellungsbeschluss geht zu Recht davon aus, dass die mit dem Vorhaben bewirkte Zerschneidung des Streifgebiets der Wildkatze durch die Trennwirkung der bisher stark belasteten B 7 relativiert und durch die vorgesehenen Querungshilfen erheblich gemindert wird. Die vom Kläger geäußerten Zweifel an der Akzeptanz dieser Querungshilfen sind bei zweckentsprechender Ausgestaltung unberechtigt. Die Errichtung von Grünbrücken wird für Wildkatzen ausdrücklich empfohlen (vgl. Petersen u.a., a.a.O.) und - zumindest für vorhandene Autobahnen - vom Kläger selbst gefordert (vgl. den Begleittext zu seinem Wildkatzenwegeplan, S. 14). Es sind ferner keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die beiden in der VKE 32 vorgesehenen Grünbrücken wegen ihrer Lage oder Ausgestaltung der Funktion als Querungshilfen (auch) für die Wildkatze nicht gerecht würden. Namentlich ist der Abstand zwischen ihnen mit ca. 300 m nicht zu groß, um die Durchlässigkeit der Trasse zu gewährleisten (vgl. die im Auftrag des Vorhabenträgers vom Büro für angewandte Ökologie und Forstplanung durchgeführten ökologischen Grundlagenerhebungen Wildtiere, S. 20).

115

(2) Auch für die Bechsteinfledermaus und das Große Mausohr brauchte der Beklagte die Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände nicht in Rechnung zu stellen; soweit er vorsorglich die Voraussetzungen des Störungsverbots wegen vorhabenbedingter Verluste von Jagdhabitaten bejaht und davon eine Befreiung erteilt hat, bestand hierfür keine Notwendigkeit.

116

Ein Verstoß gegen das Tötungsverbot des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 ist zu verneinen. Rodungsarbeiten für den Bau der Autobahn, in deren Verlauf Exemplare dieser Arten zu Schaden kommen könnten, sind nach der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses auf die Zeit vom 1. November eines Jahres bis zum 1. März des Folgejahres beschränkt. In diesen Monaten könnten nur Winterquartiere betroffen sein. Die Nachforschungen des Vorhabenträgers haben jedoch ergeben, dass im Trassenbereich Bäume mit Stammhöhlen, die als Winterquartiere geeignet wären, nicht vorhanden sind. Asthöhlen, die vom Boden aus nur schwer erkannt und deshalb aufgrund der durchgeführten Prüfungen nicht sicher ausgeschlossen werden können, sind nach den einleuchtenden Ausführungen des Gutachters Dipl.-Biol. Si. ebenso wie Spalte hinter vorstehender Baumborke als Winterquartiere ungeeignet, weil sie den Tieren keinen genügenden Schutz vor Kälte bieten. Ein Verstoß gegen das Tötungsverbot wegen signifikanter Erhöhung des verkehrsbedingten Kollisionsrisikos lässt sich aufgrund der vorgesehenen Leit- und Sperreinrichtungen gleichfalls ausschließen. Ausweislich der Ausführungen zum Habitatschutz erweist sich das aus einem Bündel von Maßnahmen bestehende Schutzkonzept als geeignet, gesteigerte Kollisionsrisiken auszuschließen. Dies gilt namentlich im Bereich östlich des Tunnels Küchen, wo Hauptflugrouten des Großen Mausohrs und ein bedeutender Wechselbereich der Bechsteinfledermaus die Trasse queren. Westlich des Tunnels ist die Strecke zwar auf einer Länge von etwa 700 m nur durch beiderseitige Schutzpflanzungen, nicht hingegen durch fledermausspezifisch ausgebildete Schutzzäune abgeschirmt. Daraus lässt sich aber kein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko ableiten, weil in diesem Bereich trotz umfänglicher Untersuchungen weder bedeutende Jagdhabitate noch Flugrouten festgestellt worden sind.

117

Ein Verstoß gegen das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002), das nach den Ergebnissen der durchgeführten Baumhöhlensuche nur in Gestalt des Zugriffs auf Sommerquartiere der Männchen vorstellbar wäre, wird durch die vorerwähnte Regelung der Rodungszeiten ausgeschlossen.

118

Ferner sind auch verbotswidrige Störungen beider Fledermausarten zu verneinen. Da das planfestgestellte Fledermausschutzkonzept populationsrelevante Trennwirkungen verhindert, scheidet unter diesem Gesichtspunkt zumindest ein Verstoß gegen das Störungsverbot in der Fassung des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 aus. Ob die Inanspruchnahme von Jagdhabitaten oder deren stickstoffbedingte Verkrautung als Störung im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 bzw. des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 zu begreifen wären, erscheint zweifelhaft; bei der schlichten Beseitigung von Flächen, die bislang als Nahrungsgrundlage genutzt worden sind, und bei vegetationsverändernden Immissionen fehlt es nämlich an einer zwanghaften Einwirkung auf das natürliche Verhalten der Tiere, das nach dem Wortsinn als Störung zu werten ist. Letztlich mag dies aber auf sich beruhen; denn auch in der Zusammenschau dieser Einwirkungen wäre eine etwaige Störung nicht erheblich im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007. Da die hier berührten Populationen des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus nach den Ausführungen zur Frage ordnungsgemäßer Abgrenzung des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" in diesem Gebiet die zur Wahrung eines günstigen Erhaltungszustands notwendige Nahrungsgrundlage zur Verfügung haben, kann es durch die in Rede stehenden Beeinträchtigungen, die ausschließlich die Trasse und deren Nahbereich und damit gebietsexterne Flächen betreffen können, nicht zu einer für den Erhaltungszustand der lokalen Populationen dieser Arten relevanten Störung kommen.

119

(3) Andere in Anhang IV der Habitatrichtlinie aufgeführte Fledermausarten sind von verbotswidrigen Auswirkungen des Vorhabens ebenfalls nicht betroffen. Hinsichtlich des Tötungsverbots gilt insoweit Gleiches wie für das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus. Aber auch bezogen auf das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot sowie das Störungsverbot sind dem Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Verbotstatbestände im Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht verneint worden sind.

120

Trotz ausreichender Untersuchungen zur Bestandserhebung sind keine nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 bzw. § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2007 geschützten Lebensstätten der vom Kläger im Zusammenhang mit dem Beschädigungs- und Zerstörungsverbot angesprochenen Arten Wasserfledermaus, Große und Kleine Bartfledermaus und Fransenfledermaus ermittelt worden. Entgegen der Behauptung des Klägers lässt sich der FFH-Verträglichkeitsprüfung südlich Hessisch Lichtenau kein Hinweis auf die Nutzung eines Gehölzes im Bereich des Biotopkomplexes "Wehrebogen" als Fortpflanzungs- oder Ruhestätte der Wasserfledermaus entnehmen. Die Darstellung eines Exemplars dieser Art im Wehrebogen auf der Karte 1b der erwähnten Verträglichkeitsprüfung geht auf eine Untersuchung des Büros S. aus dem Jahr 2004 zurück. Mit der darin angewandten Detektormethode wurden ausdrücklich nur Jagdaktivitäten erfasst. Während die Große Bartfledermaus im Untersuchungsraum schon gar nicht nachgewiesen worden ist, konnte ein Vorkommen der Kleinen Bartfledermaus dort festgestellt werden. Sie nutzt als Winterquartiere, die in Anbetracht der zeitlichen Beschränkung der Rodungsarbeiten allein in den Blick zu nehmen wären, aber nur frostfreie Höhlen, Stollen und Keller (Petersen u.a., a.a.O. S. 513). Solche Unterschlupfmöglichkeiten sind von dem Vorhaben unstreitig nicht betroffen. Der Nachweis der Fransenfledermaus in den Wäldern östlich von Küchen und am Beerberg lässt ebenfalls nicht den Schluss auf eingriffsbetroffene Lebensstätten dieser Art zu, da die Quartiersuche hierfür keine Anhaltspunkte erbracht hat.

121

Auch das Störungsverbot wird hinsichtlich keiner der neben dem Großen Mausohr und der Bechsteinfledermaus im Untersuchungsraum festgestellten Fledermausarten verletzt, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Inanspruchnahme von Jagdhabitaten als Tathandlung im Sinne des Störungstatbestandes anzusehen ist. Flächen, die möglicherweise von der Breitflügelfledermaus, der Großen oder der Kleinen Bartfledermaus sowie der Fransenfledermaus zur Jagd genutzt werden, gehen nur in geringem Umfang verloren. Nach der naturschutzfachlichen Einschätzung des Beklagten sind daher Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der jeweiligen lokalen Population auszuschließen, zumal durch vorgesehene Ausgleichsmaßnahmen die Eignung anderer Flächen als Jagdhabitate für diese Arten verbessert wird. Der Kläger hat nichts vorgetragen, was die Vertretbarkeit dieser Einschätzung in Frage stellen könnte. Hiernach fehlt es einer etwaigen Störung durch Jagdhabitatverluste an dem in § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 vorausgesetzten Populationsbezug. Entsprechendes gilt für die Wasserfledermaus, die dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag zufolge lediglich während der Bauphase durch eine temporäre Inanspruchnahme von Teilen ihrer Jagdhabitate betroffen ist, und die Zwergfledermaus, für deren örtliche Population sich die geringen Jagdhabitatverluste ausweislich des Fachbeitrags im Hinblick auf das weite Spektrum der von ihr zur Jagd nutzbaren Biotopstrukturen nur geringfügig auswirken können. Die Neuverlärmung von Jagdhabitaten des Braunen und des Grauen Langohrs fällt nach den einleuchtenden Ausführungen im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag wegen der Entlastung bisher verlärmter Jagdhabitatflächen durch den Tunnel Küchen per Saldo nicht ins Gewicht. Beide Arten werden zwar darüber hinaus - wie im Planfeststellungsbeschluss eingeräumt - auch durch die Flächeninanspruchnahme ortsnaher Jagdlebensräume betroffen. In Anbetracht des geringen Umfangs der in Anspruch genommenen Flächen und der Kompensation durch Aufwertung anderer Flächen gilt für sie aber ebenso wie für die übrigen Fledermausarten, dass diese Inanspruchnahme den Erhaltungszustand der lokalen Population unberührt lässt.

122

(4) Der Planfeststellungsbeschluss unterstellt ein Vorkommen der Haselmaus im Trassenbereich und geht von der Annahme aus, dass bezogen auf sie artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt seien und das Vorhaben deshalb nur unter Erteilung einer artenschutzrechtlichen Befreiung zugelassen werden könne. Dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag und der Stellungnahme des Vorhabenträgers zu diesem Fachbeitrag ist zu entnehmen, dass wegen der möglichen Zerstörung von Aufzuchtstätten der Haselmaus der Tatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 und wegen der Überbauung eines als vorhanden unterstellten Wanderkorridors der Tatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 als verwirklicht angesehen worden ist. Diese Beurteilung lässt keine Mängel zu Lasten des Artenschutzes erkennen.

123

Die Neufassung der Verbotstatbestände führt allerdings teilweise zu einer Neubewertung. Zwar ist auch der Zerstörungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 BNatSchG 2007 erfüllt; denn die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen werden zum Eingriffszeitpunkt noch nicht wirksam sein und können deshalb die Funktion der - möglicherweise - verloren gehenden Fortpflanzungsstätten nicht bruchlos übernehmen, wie es § 42 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG 2007 voraussetzt. Die anfängliche Unvereinbarkeit mit dem Störungsverbot ist aber entfallen, weil nach der unwidersprochen gebliebenen Einschätzung des Beklagten die Querungshilfen und Kompensationsmaßnahmen eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Population ausschließen (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007).

124

(5) Für die Schlingnatter ist der Planfeststellungsbeschluss von Auswirkungen des Vorhabens ausgegangen, die den artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG 2002 unterfallen. Er hat sich dazu auf die Wirkungsanalyse des Vorhabenträgers im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag und in der Stellungnahme zu diesem Fachbeitrag bezogen, in denen die Beschädigung oder Zerstörung durch § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 geschützter Lebensstätten dieser Art, der Fang und die Störung der Tiere beim Umsetzen von ihrem bisherigen Lebensraum, dem überplanten Bahndamm, in ein Ersatzhabitat sowie die Tötung nicht eingefangener Exemplare beim Bau und Betrieb der Autobahn angenommen worden sind. Ob tatsächlich sämtliche als erfüllt erachteten Verbotstatbestände gegeben waren und ob die entsprechenden Verbote des § 42 Abs. 1 BNatSchG 2007 in gleichem Umfang eingreifen, kann offenbleiben; insbesondere muss nicht entschieden werden, ob das Ergreifen der Tiere, um sie in das Ersatzhabitat zu verbringen, unter das Fangverbot fällt oder ob unter Berücksichtigung des Regelungszwecks nur Fänge zum Zwecke der Entnahme der Tiere aus der Natur den Verbotstatbestand verwirklichen. Die erteilte Befreiung hält nämlich - wie noch auszuführen sein wird - rechtlicher Überprüfung auch dann stand, wenn sämtliche vorgenannten Verbotstatbestände zu bejahen sind.

125

(6) Bezogen auf 52 Vogelarten ist der Planfeststellungsbeschluss der Beurteilung des Vorhabenträgers in dessen Stellungnahme zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag gefolgt, dass die Voraussetzungen des Beschädigungs- und Zerstörungsverbots sowie mit Ausnahme der Wasseramsel auch des Störungsverbots (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG 2002) erfüllt seien. Wie sich aus der in Bezug genommenen Stellungnahme des Vorhabenträgers ergibt, hat er das Tötungsverbot durchgängig verneint, weil in Anbetracht der verkehrlichen Vorbelastung durch die B 7 und der geplanten Schutzmaßnahmen sich die verkehrsbedingten Kollisionsgefahren nicht erhöhten und baubedingte Tötungen durch Schutzmaßnahmen ausgeschlossen würden. Für keine der 52 Vogelarten lasse sich indes ausschließen, dass im Zuge der Baufeldräumung einzelne Brutreviere verloren gingen. Außer der Wasseramsel könnten auch alle Arten von tatbestandsmäßigen Störungen betroffen werden. Abweichend von der Stellungnahme zum Fachbeitrag, die auch für die Bachstelze den Verlust einzelner Brutreviere und Störungen in Rechnung gestellt hat, hat der Planfeststellungsbeschluss diesen Vogel weder unter den verbotswidrig betroffenen Vogelarten erwähnt noch für ihn eine Befreiung erteilt. Mit Ausnahme der Bachstelze hält seine Beurteilung rechtlicher Kontrolle stand, wobei zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass durch die nachträgliche Änderung des Störungstatbestands die im Planfeststellungsbeschluss angenommenen Verstöße gegen das Störungsverbot entfallen sind. Die fehlende Berücksichtigung der Bachstelze als verbotswidrig betroffener Vogelart, die auf einem Versehen beruhen dürfte, stellt einen rechtlichen Mangel dar, doch hat sich dieser auf die Zulassungsentscheidung nicht ausgewirkt.

126

Dass der Beklagte den Tötungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 für keine der im Untersuchungsraum vorkommenden Vogelarten angenommen hat, ist nicht zu beanstanden. Sowohl für die Bau- als auch für die spätere Betriebsphase der Autobahn hat der Planfeststellungsbeschluss mit den angeordneten Schutzmaßnahmen hinreichende Vorsorge getroffen, um Verstöße gegen das Tötungsverbot auszuschließen. Für die Bauphase ist dies mit der Bauzeitenregelung, für die Betriebsphase mit den Anordnungen und Regelungen zur Abschirmung der Autobahn durch Schutzpflanzungen und Sperreinrichtungen geschehen, von denen der Beklagte angesichts der hohen verkehrlichen Vorbelastung durch die B 7 annehmen durfte, dass sie eine signifikante Erhöhung des verkehrsbedingten Kollisionsrisikos ausschließen; dies umso mehr, als die Eignung des unmittelbaren Nahbereichs der A 44 als Vogelhabitat durch die Störwirkung des Autobahnverkehrs erheblich gemindert wird. Für aasfressende Raubvögel war entgegen der Auffassung des Klägers keine abweichende Beurteilung geboten. Die Wildschutzzäune, die die Autobahn durchgängig abschirmen werden, sind nämlich im unteren Bereich so engmaschig auszuführen, dass Mittelsäuger nicht auf die Fahrbahn gelangen, überfahren werden und als Aas Raubvögel anlocken können. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, warum diese Maßnahme ihre Wirkung verfehlen sollte. Soweit er behauptet, der artenschutzrechtliche Fachbeitrag schließe für den Mäusebussard und den Rotmilan ein erhöhtes Kollisionsrisiko selbst nicht aus, verkennt er, dass es sich um eine grundsätzliche Aussage handelt, die die im Planfeststellungsbeschluss angeordneten Schutzmaßnahmen noch nicht einbezieht.

127

Ebenso wenig ist es rechtsfehlerhaft, dass der Planfeststellungsbeschluss für 52 näher bezeichnete Vogelarten den Beschädigungs- und Zerstörungstatbestand bejaht hat. Mangels einer detaillierten Revierkartierung hat sich der Beklagte in dieser Hinsicht zwar mit der Wahrunterstellung begnügt, den betreffenden Arten gingen jeweils einzelne Brutreviere verloren. Gegen dieses Vorgehen ist aber rechtlich nichts zu erinnern, da die Wahrunterstellung nicht zu Lasten des Artenschutzes geht und geeignet ist, die Dimension der Verbotswidrigkeit angemessen zu erfassen. Zusätzlich ist allerdings auch für die Bachstelze ein Verstoß gegen das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot in Rechnung zu stellen, denn dem Planfeststellungsbeschluss sind ebenso wenig wie dem prozessualen Vortrag des Beklagten Umstände zu entnehmen, die die diesbezügliche Einschätzung in der Stellungnahme des Vorhabenträgers zum artenschutzrechtlichen Fachbeitrag in Frage stellen könnte.

128

Soweit der Planfeststellungsbeschluss mit Ausnahme der Wasseramsel auch den Störungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 als verwirklicht angesehen hat, ergibt sich aufgrund der Neufassung dieses Tatbestandes in § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG 2007 eine abweichende Beurteilung. Auf entsprechende Anfrage des Gerichts hat der Beklagte unter Vorlage naturschutzfachlicher Stellungnahmen des Leiters der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland sowie der Planungsgruppe Umwelt ausgeführt, dass Auswirkungen von Störungen auf den Erhaltungszustand der jeweiligen lokalen Population dieser Arten nicht zu erwarten seien. Die Stellungnahme der Planungsgruppe Umwelt begründet diese fachliche Einschätzung gesondert für jede der betroffenen Arten. Die zentrale zugrundeliegende Erwägung, außer dem Neuntöter hätten die betroffenen Vogelarten lokale Populationen in weit größeren räumlichen Zusammenhängen, als von dem Vorhaben betroffen seien, leuchtet ein. Für den Neuntöter verneint die Stellungnahme der Planungsgruppe Umwelt ebenfalls vertretbar eine Störung mit Populationsbezug, weil angesichts der Vorbelastung lediglich mit der zusätzlichen Störung eines Brutreviers zu rechnen sei und umfangreiche Kompensationsmaßnahmen erfolgten. Zur Bachstelze enthalten die nachträglichen gutachtlichen Stellungnahmen keine Angaben zum Populationsbezug der Störung; da es sich um eine ubiquitäre, nach dem Leitfaden für die artenschutzrechtliche Prüfung in Hessen landesweit häufig vorkommende Art handelt, die im Planungsraum weit über den Eingriffsbereich hinaus geeignete Habitatstrukturen vorfindet, lässt sich jedoch auch für sie ein Populationsbezug der Störung ausschließen.

129

bb) Soweit das Vorhaben hiernach artenschutzrechtlichen Verboten zuwiderläuft, finden die im Planfeststellungsbeschluss für die Schlingnatter, die Haselmaus und 52 Vogelarten erteilten Befreiungen in § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 eine tragfähige Grundlage. Dass für die Bachstelze eine Befreiung unterblieben ist, verhilft dem Antragsbegehren des Klägers in entsprechender Anwendung des § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG ebenfalls nicht zum Erfolg.

130

(1) Für sämtliche von verbotswidrigen Auswirkungen des Vorhabens betroffene Arten bestand eine objektive Befreiungslage. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 konnte von den Verboten des § 42 BNatSchG 2002 auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Befreiung erfordern und die Art. 12, 13 und 16 FFH-RL oder die Art. 5 bis 7 und 9 VRL nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzungen lagen vor.

131

(a) Das Vorhaben kann überwiegende Gründe des Gemeinwohls für sich in Anspruch nehmen, die die Befreiung erforderten.

132

Der Planfeststellungsbeschluss beruft sich insoweit auf die gesetzliche Bedarfsfeststellung, die Zugehörigkeit des Vorhabens zu den Projekten des "Transeuropäischen Verkehrsnetzes" (Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996, ABl EG Nr. L 228 S. 1), seine Lückenschlussfunktion im deutschen Autobahnnetz und die damit verbundene Bedeutung für das Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands, die innerörtliche Verkehrsentlastung der von den Bundesstraßen B 7 und B 400 durchschnittenen Ortschaften und die Erschließungsfunktion der Autobahn für eine strukturschwache Region. Er hebt damit auf Gründe ab, die ihrer Art nach eine Befreiung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 zu tragen vermögen (vgl. Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ). Zumal in ihrem Zusammenwirken kommt diesen Gesichtspunkten auch konkret hohes Gewicht zu. Soweit der Kläger dem entgegenhält, aufgrund veränderter Verkehrsprognosezahlen sei ein Verkehrsbedürfnis für das Autobahnprojekt entfallen, findet sein Vorbringen in der von ihm herangezogenen Fortschreibung der Verkehrsprognose keine Stütze. Auch nach der aktualisierten Prognose wird die Straße mit Werten zwischen 25 500 und 50 500 Kfz/24 h eine Verkehrsbelastung erreichen, die nach den einschlägigen Richtlinien für die Anlage von Straßen (RAS-Q 96) für den Autobahnbau verwendete Regelquerschnitte rechtfertigt. Wie das Gericht bereits in seinem Urteil vom 12. März 2008 (a.a.O. Rn. 46) ausgeführt hat, bleiben die mit dem Vorhaben verfolgten Planungsziele auch bei aktualisierten Verkehrsbedarf erreichbar. Darauf wird Bezug genommen.

133

Angesichts dessen erweisen sich die für das Vorhaben angeführten Gründe gegenüber den konkret betroffenen artenschutzrechtlichen Belangen als durchsetzungsfähig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gewicht der für die Haselmaus und die Schlingnatter in Betracht zu ziehenden Verbotswidrigkeiten durch die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen, die geeignet sind, deren Habitatbedingungen auf Dauer sogar zu verbessern, stark relativiert wird. Die Zahl der durch mögliche Revierverluste betroffenen Vogelarten ist zwar groß; es handelt sich aber ganz überwiegend um häufig vorkommende, nicht gefährdete Arten, und es kommt jeweils nur zu geringen Flächenverlusten. Nimmt man hinzu, dass das Verbreitungsgebiet der betroffenen Populationen zumeist weit über den Eingriffsbereich hinausreicht und ganze naturräumliche Einheiten umfasst (vgl. die Stellungnahmen des Leiters der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland sowie der Planungsgruppe Umwelt), so liegt das Übergewicht der für das Vorhaben sprechenden Gründe des Gemeinwohls auf der Hand.

134

(b) Artenschutzrechtliche Vorschriften der Habitatrichtlinie und der Vogelschutzrichtlinie stehen einer Befreiung nicht entgegen.

135

(aa) Da die Schlingnatter und die Haselmaus im Anhang IV der Habitatrichtlinie aufgeführt sind, ist die für sie erteilte Befreiung an Art. 12 und 16 FFH-RL zu messen. Aus den im Rahmen der Prüfung des § 42 Abs. 1 BNatSchG 2002 genannten Gründen ist davon auszugehen, dass das Vorhaben bezogen auf beide Arten auch die den als verwirklicht unterstellten nationalen Verbotstatbeständen korrespondierenden Verbotstatbestände des Art. 12 Abs. 1 FFH-RL verwirklicht. Die Voraussetzungen für eine Abweichung nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c letzte Alternative FFH-RL liegen aber vor.

136

Das Vorhaben kann zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für sich in Anspruch nehmen. Dies folgt aus den gleichen Erwägungen, wie sie für den Befreiungsgrund des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 zutreffen. Eine Befreiung vom Fangverbot hinsichtlich der Schlingnatter wird in Anbetracht des mit dem Fang der Tiere verfolgten Zwecks, sie in ein Ersatzhabitat zu verbringen, zusätzlich durch die damit verbundenen positiven Auswirkungen auf die Umwelt (Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL) gerechtfertigt.

137

Zur Erreichung der Planungsziele gibt es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL. Ein Vorhabenträger braucht sich auf eine Alternativlösung nicht verweisen zu lassen, wenn sich die FFH- und vogelschutzrechtlichen Schutzvorschriften am Alternativstandort als ebenso wirksame Zulassungssperre erweisen wie an dem von ihm gewählten Standort. Außerdem darf eine Alternativlösung auch verworfen werden, wenn sie sich aus naturschutzexternen Gründen als unverhältnismäßiges Mittel erweist (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 240 m.w.N.). Nach diesem Maßstab geht der Planfeststellungsbeschluss zu Recht davon aus, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt. Für die sogenannte Süd-Alternative des BUND, die bereits Gegenstand des Klageverfahrens zur VKE 20 gewesen ist, gilt dies schon deshalb, weil sie ausweislich der Ausführungen in dem dieses Verfahren abschließenden Senatsurteil vom 12. März 2008 (Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30 Rn. 182 ff.; insoweit in BVerwGE 130, 299 nicht abgedruckt) den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets "Glimmerode und Hambach" widerspräche. Ähnliches trifft für die vom Kläger vorgeschlagene "Große Südumfahrung" zu. Wie der Gutachter des Klägers in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, würde sie trotz der vorgeschlagenen teilweisen Führung in einem Tunnel am westlichen Tunnelmund zur Beeinträchtigung eines Natura-2000-Gebiets führen. Dass sie gleichwohl naturschutzfachlich vorzugswürdig wäre, ist nicht substantiiert dargetan. Angesichts dessen kann offenbleiben, ob diese Trasse trotz ihres Verlaufs fernab des Wehretals geeignet wäre, die mit dem Vorhaben unter anderem verfolgten Planungsziele einer Erschließung des dortigen Siedlungsraums und einer Entlastung der dortigen Ortsdurchfahrten der B 7 - wenn auch mit Abstrichen - zu erreichen. Schließlich stellt auch die vom Kläger favorisierte Nordalternative keine zufriedenstellende Lösung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL dar. Zum einen würde sie einen wesentlich längeren Tunnel erfordern als die planfestgestellte Lösung und deshalb einen zusätzlichen Kostenaufwand von ca. 57 Mio. € verursachen. Mehrkosten in dieser Größenordnung ständen außer Verhältnis zu den artenschutzrechtlichen Nachteilen, deren Vermeidung die Planungsalternative dienen soll. Darüber hinaus haben die für den Beklagten tätigen Gutachter der Planungsgruppe Umwelt in der mündlichen Verhandlung schlüssig erläutert, dass die Trasse im Bereich des östlichen Tunnelportals die Waldflächen des FFH-Gebiets "Werra- und Wehretal" anschneiden würde. Soweit der klägerseitig tätige Gutachter Dipl.-Biol. Sp. dem entgegengehalten hat, dies lasse sich durch eine Überführung der B 7 verhindern, haben die Gutachter des Beklagten diesen Einwand mit der Erwägung entkräftet, eine solche Modifizierung der Alternativplanung würde zusätzliche Rampen für die B 7 erfordern, die ihrerseits das FFH-Gebiet beeinträchtigten. Dieser Erwägung hat der Gutachter des Klägers nichts von Substanz entgegenzusetzen vermocht.

138

Schließlich ist auch dem Erfordernis Genüge getan, dass die Populationen der verbotswidrig betroffenen Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.

139

Die Schlingnatter befindet sich ausweislich des Anhangs 4 des Leitfadens für die artenschutzrechtliche Prüfung in Hessen in diesem Bundesland in einem günstigen Erhaltungszustand. Daran wird das Vorhaben unter Berücksichtigung der planfestgestellten Kompensationsmaßnahme A/E 2.1 des landschaftspflegerischen Begleitplans nichts ändern. Sie gewährleistet nach der naturschutzfachlich fundierten Einschätzung des Beklagten, dass ein funktionsfähiger Ersatzlebensraum für die Schlingnatter geschaffen wird. Damit wird der derzeitige Erhaltungszustand nicht nur aufrechterhalten, sondern auf lokaler Ebene sogar verbessert. Dies folgt aus dem Umstand, dass das eingriffsbetroffene Schlingnattervorkommen sich auf Sekundärhabitate in Gestalt von Bahndammabschnitten beschränkt, die nach den unbestrittenen Angaben im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag durch Gehölzsukzession ohnehin auf Dauer verloren gehen würden. Die lokale Schlingnatterpopulation wäre somit ohne Realisierung des Vorhabens mittel- bis langfristig in ihrem Bestand gefährdet, während die Maßnahme A/E 2.1 ihren Bestand langfristig sichert.

140

Für die Haselmaus sind zwar ebenfalls Kompensationsmaßnahmen vorgesehen, die durch Anlage deckungsreicher Leitstrukturen zur Vernetzung und Erweiterung potenzieller Haselmauslebensräume nach naturschutzfachlich vertretbarer Einschätzung der Planfeststellungsbehörde eine Verschlechterung der Habitatbedingungen dieser Art verhindern oder deren Habitatbedingungen sogar verbessern (Maßnahmenkomplex A/E 5). Gesicherte Erkenntnisse über den Erhaltungszustand der Haselmaus fehlen jedoch, so dass von einem bisher günstigen Erhaltungszustand nicht ausgegangen werden kann. Dieser Umstand hinderte jedoch nicht, von dem Verbot des Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL abzuweichen.

141

Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Juni 2007 - Rs. C-342/05 - (Slg. 2007, I-4713 ) kann von den artenschutzrechtlichen Verboten des Art. 12 FFH-RL auch bei einem ungünstigen Erhaltungszustand der betroffenen Populationen ausnahmsweise dann abgewichen werden, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass die Abweichung diesen ungünstigen Erhaltungszustand nicht verschlechtern und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindern kann. Die deutsche Fassung des maßgeblichen Satzes 1 der Rn. 29 des Urteils vom 14. Juni 2007 erweckt allerdings den Eindruck, das sei nicht ohne Weiteres möglich. Ihr zufolge sind solche Ausnahmen nur "unter außergewöhnlichen Umständen weiterhin zulässig, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen nicht verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindern können". Diese Formulierung legt den Schluss nahe, das Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände" stelle eine eigenständige Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahme im Falle des ungünstigen Erhaltungszustands der Populationen der betroffenen Art dar. Außerdem kann nach der deutschen Fassung angenommen werden, dass es ausreicht, dass die weiteren Voraussetzungen - keine Verschlechterung des ungünstigen Erhaltungszustands oder keine Behinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands - alternativ vorliegen. Beides ist jedoch nach der gemäß Art. 31 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs verbindlichen Fassung des Urteils in der Verfahrenssprache, hier also in der finnischen Sprache, eindeutig zu verneinen. Bei einer Übersetzung der verbindlichen finnischen Fassung des oben genannten Satzes in der amtlichen Sammlung des Gerichtshofs in die deutsche Sprache unter Zuhilfenahme allgemein zugänglicher Hilfsmittel wird die Erteilung einer Ausnahme nicht vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände abhängig gemacht, sondern Ausnahmen dürfen "ausnahmsweise" (poikkeuksellisesti) dann gewährt werden, wenn sachgemäß nachgewiesen ist, dass sie weder den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen weiter verschlechtern noch die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands dieser Populationen behindern.

142

Diese Formulierung deckt sich inhaltlich mit derjenigen in der englischen, französischen, spanischen, italienischen, portugiesischen und griechischen Fassung dieses Satzes in der Sammlung des Gerichtshofs. Lediglich die niederländische Fassung des Satzes weicht insoweit davon ab, als danach die Verbote der Verschlechterung des Erhaltungszustands und der Behinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht kumulativ, sondern nur alternativ gelten würden. Bei dieser Sachlage beruht die deutsche Fassung offensichtlich auf einem Übersetzungsfehler; sie verfälscht den Aussagegehalt des genannten Satzes im Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juni 2007 zum einen, indem sie den Schluss nahelegt, das Verbot einer weiteren Verschlechterung des ungünstigen Erhaltungszustands und das Verbot einer Behinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands seien nur alternativ einzuhalten, und zum anderen, indem als weitere Voraussetzung für eine Ausnahme "außergewöhnliche Umstände" verlangt werden. Beides trifft nicht zu (so auch Beschluss vom 17. April 2010 - BVerwG 9 B 5.10 - juris Rn. 7 ff.). Da - wie ausgeführt - durch die planfestgestellte Kompensationsmaßnahme zumindest eine Verschlechterung des aktuellen Erhaltungszustands der Haselmaus verhindert und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert wird, durfte trotz eines - unterstellt - ungünstigen Erhaltungszustands dieser Art ausnahmsweise von dem artenschutzrechtlichen Verbot des Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL abgewichen werden.

143

(bb) Für die 53 Vogelarten, für die der Tatbestand des Beschädigungs- und Zerstörungsverbots nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002 erfüllt ist, liegt nicht zugleich auch ein Verstoß gegen das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot des Art. 5 Buchst. b VRL vor, mit der Folge, dass die Bestimmungen der Vogelschutzrichtlinie eine Befreiung nicht hindern. Die letztgenannte Vorschrift verbietet die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern sowie die Entfernung von Nestern. Ihr Anwendungsbereich ist deutlich enger gefasst als der Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2002, der auch den Funktionsraum, auf dem sich das Nest befindet oder der wiederkehrend zum Bau neuer Nester benutzt wird, in seinen Schutz einschließt (vgl. Urteile vom 21. Juni 2006 - BVerwG 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 und vom 12. März 2008 a.a.O. ). Dem Wortlaut nach, der auf den Begriff des Nestes abstellt und diesen in einen engen Zusammenhang zum weiteren Schutzobjekt der Eier rückt, umfasst der Schutz das selbstgebaute, aktuell belegte Nest. Gründe des Funktionsschutzes mögen es rechtfertigen, über den Wortlaut der Richtlinie hinaus auch diejenigen Nester bzw. nestersetzenden Strukturen in den Schutzbereich der Norm einzubeziehen, auf deren Wiederverwendung die konkret betroffenen Vögel artbedingt angewiesen sind. An einen solchen Angewiesensein fehlt es aber, falls sie auf - natürlich vorhandenen oder künstlich geschaffenen - Ersatz ausweichen können (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 ).

144

Die Beschädigung oder Zerstörung aktuell besetzter Nester droht nicht. Die Maßnahme S 9 des landschaftspflegerischen Begleitplans richtet sich darauf, zum Schutz und zur Schonung der Vögel im gesamten Trassenverlauf bauvorbereitende Arbeiten einschließlich der Entfernung von Vegetationsstrukturen außerhalb der Brutperiode durchzuführen. Rodungen sind nach den in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich vorgenommenen Planergänzungen auf die Zeit vom 1. November bis zum 1. März beschränkt. Der Einwand des Klägers, die Bauzeitenregelung sei für die Arten Buntspecht, Wacholderdrossel und Wasseramsel unzureichend, verfängt nicht. Der Buntspecht und die Wacholderdrossel brüten innerhalb des Zeitraums, in dem die baulichen Beschränkungen gelten. Bei der Wasseramsel handelt es sich zwar um einen sehr frühen Brüter, dessen Legeperiode in Mitteleuropa bereits Mitte Februar beginnt. Dieser Besonderheit hat der Beklagte indes in der mündlichen Verhandlung mit einer Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Nebenbestimmung Rechnung getragen, dass der im Bereich des Widerlagers einer Wehrebrücke vorhandene Nistkasten der Wasseramsel vor dem 15. Februar beseitigt wird.

145

Es ist auch keine Vogelart auf die Wiederbenutzung ihrer Nester angewiesen. Die vom Kläger angeführten Arten Gebirgsstelze, Neuntöter und Wacholderdrossel kehren nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen des Beklagten zwar jährlich an die selben Orte zurück, legen dort aber jeweils neue Nester an. Sie sind daher allenfalls auf einen bestimmten Funktionsraum angewiesen, der vom Begriff des Nestes nicht umfasst ist. Für verlassene Niststätten der Rabenkrähe und des Buntspechts, die möglicherweise im nächsten Jahr von anderen Vogel- oder sonstigen Tierarten genutzt werden, gilt Gleiches erst recht. Der einzige Wiederverwender ist die Wasseramsel. Auch sie ist auf den ihr verloren gehenden Nistkasten jedoch nicht angewiesen. Der landschaftspflegerische Begleitplan sieht vor, mit der Maßnahme G/S 6 nach der Verlegung der Wehre standorttypische Randstrukturen zu entwickeln und unter den Wehrebrücken jeweils eine Wasseramselnisthilfe in Form eines Nistkastens zu errichten. Zweifel daran, dass diese vorgezogene Ausgleichsmaßnahme wirkt, bestehen nicht; denn nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten ist die Art auf häufige Verluste ihrer Brutstätten durch Hochwasser eingerichtet und nimmt Nistkästen daher gerne an.

146

(2) Soweit der Beklagte die objektive Befreiungslage genutzt und von den artenschutzrechtlichen Verboten Befreiungen erteilt hat, ist dies ermessensfehlerfrei geschehen. Der Planfeststellungsbeschluss stellt einerseits auf die verfolgten Gemeinwohlbelange, andererseits auf das Ausbleiben einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der betroffenen Arten ab. Das lässt Ermessensfehler nicht erkennen.

147

Dass der Beklagte für die Bachstelze trotz objektiver Befreiungslage - versehentlich - keine Befreiung erteilt hat, führt zwar zur Fehlerhaftigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Dieser Mangel ist aber entsprechend § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG unerheblich, weil er das Entscheidungsergebnis nicht beeinflusst hat. Angesichts der großen Zahl von Vogelarten, für die der Beklagte von den artenschutzrechtlichen Verboten dispensiert hat, erscheint es ausgeschlossen, dass er dem Vorhabenträger eine Befreiung für eine einzelne weitere Vogelart versagt hätte; dies umso mehr, als die Bachstelze hinsichtlich ihres Gefährdungsgrades keine Besonderheiten aufweist, die für sie eine restriktivere Handhabung der Befreiungsregelung als für die anderen betroffenen Arten nahelegen würde.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein in Schleswig-Holstein anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Dezember 2014 für den Neubau der A 20 Nord-West-Umfahrung Hamburg im Abschnitt von der Landesgrenze Niedersachsen/Schleswig-Holstein bis B 431.

2

Der planfestgestellte Abschnitt ist Teil der in acht Streckenabschnitte gegliederten "Nord-West-Umfahrung Hamburg", die im Osten beim Autobahnkreuz Lübeck an das fertiggestellte Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 10 (Neubau der Ostseeautobahn zwischen Lübeck und Stettin) anknüpft und im achten Streckenabschnitt zwischen Glückstadt und Drochtersen die Elbe mit einem insgesamt 5,671 km langen Tunnelbauwerk unterqueren soll. Für die Planfeststellung wurde der achte Streckenabschnitt an der Grenze zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein in der Mitte der Elbe in zwei selbständige Planfeststellungsverfahren aufgeteilt. Sämtliche Abschnitte der Nord-West-Umfahrung Hamburg sind im Bedarfsplan in der Stufe des vordringlichen Bedarfs ausgewiesen. Darüber hinaus sind sie Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V).

3

Das planfestgestellte Vorhaben weist eine Gesamtlänge von 3,99 km auf. Die Länge des in der Mitte der Elbe beginnenden Tunnelabschnitts beträgt ca. 1,8 km. In Fahrtrichtung Drochtersen weist die Nordrampe (Weströhre) über ca. 1 330 m eine Längsneigung von knapp 4 % auf. Das Tunnelportal liegt südlich von Glückstadt und östlich der Ortslage Kollmar in etwa 400 m Entfernung vom Elbdeich. Die Trasse quert im weiteren Verlauf die Langenhalsener Wettern mit einer 4,5 m hohen und 34,5 m weiten Brücke und endet in Dammlage in der Nähe der Bundesstraße 431, ohne jedoch an diese anzubinden. Die Trassenwahl folgt der Linienbestimmung des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 28. Juli 2005. Östlich der Trasse liegt das FFH-Gebiet "DE 2222-321 Wetternsystem in der Kollmarer Marsch". Der Mindestabstand der Trasse zu diesem aus Gewässer- und Grabensystemen in der Elbmarsch bestehenden Schutzgebiet beträgt ca. 500 m. Schutzziel der Gebietsausweisung ist die in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführte Fischart "Schlammpeitzger". Westlich des ausgewiesenen FFH-Gebietes schneidet die Trasse das dort gelegene Erweiterungsgebiet A (P 2222-322), welches vom Beklagten vorsorglich einer Verträglichkeitsprüfung unterzogen worden ist. Der gesamte schleswig-holsteinische Abschnitt der Elbe von der Mündung bis zur Unterelbe bei Wedel ist Teil des FFH-Gebietes "DE 2323-392 Schleswig-Holsteinisches Elbästuar". Im Bereich des Vorhabens liegt der Teilraum 2 des Schutzgebietes "Elbe mit Deichvorland und Inseln" mit zwei nicht prioritären Lebensraumtypen sowie einer Reihe geschützter Fischarten. Etwa 500 m vom Tunnelportal entfernt befindet sich außendeichs das Vogelschutzgebiet "DE 2323-401 Unterelbe bis Wedel".

4

Die Linie für den streitgegenständlichen Abschnitt wurde unter der Bezeichnung "A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg Abschnitt A 26 (Niedersachsen) bis Bad Segeberg (Schleswig-Holstein)" bestimmt. Für diesen Abschnitt fand eine großräumige Variantenprüfung zur Linienfindung statt. Die Unterlagen (Untersuchung zur Linienfindung von Oktober 2002) wurden vom 6. Januar 2003 bis 6. Februar 2003 öffentlich ausgelegt. Ab Oktober 2004 wurde das Linienbestimmungsverfahren mit dem zunächst separat davon geführten Linienbestimmungsverfahren für den Raum Bad Segeberg gemeinsam fortgeführt. Im November 2004 stellten die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen unter Vorlage eines gemeinsamen Erläuterungsberichts den formellen Antrag nach § 16 FStrG auf Bestimmung der Linie für die "A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt A 26 (Niedersachsen) bis Weede, östlich Bad Segeberg (Schleswig-Holstein)". Der Antrag, der letztlich zur Linienbestimmung führte, umfasste eine Strecke mit einer Gesamtlänge von ca. 95 km.

5

Die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein schlossen im Oktober 2005 eine Verwaltungsvereinbarung über die Elbquerung einschließlich Elbtunnel. Darin werden die Zuständigkeiten und die Kostenverteilung für die Planung geregelt. Gemäß § 2 Abs. 5 Satz 2 der Vereinbarung wird die Planfeststellung separat in Eigenverantwortung der beiden Länder durchgeführt.

6

Die vom Vorhabenträger zur Planfeststellung eingereichten Unterlagen lagen nach vorangegangener ortsüblicher Bekanntmachung in der Zeit vom 25. Mai 2009 bis zum 25. Juni 2009 in den Amtsverwaltungen Horst-Herzhorn, Wilstermarsch und Krempermarsch aus. Nach Durchführung des Anhörungsverfahrens wurde der Plan im Dezember 2012 und im September 2014 geändert. Die Änderungsunterlagen der ersten Planänderung lagen erneut in den vorgenannten Verwaltungen sowie zusätzlich in Glückstadt und Elmshorn, diejenigen der zweiten Änderung nur zusätzlich in Glückstadt aus.

7

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2014 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 20 Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt von der Landesgrenze Niedersachsen/Schleswig-Holstein bis B 431 fest. Im Laufe der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Plan durch mehrere Protokollerklärungen geändert. In der geänderten Fassung darf das Vorhaben erst verwirklicht werden, "wenn für den südwestlichen anschließenden Abschnitt auf niedersächsischem Gebiet und einen sich daran anschließenden Abschnitt, der die Anbindung an das Straßennetz sicherstellt", sowie für den in nordöstlicher Richtung auf schleswig-holsteinischem Gebiet anschließenden Planungsabschnitt 7 (A 20 - Abschnitt B 431 bis A 23) vollziehbare Planfeststellungsbeschlüsse vorliegen und gegen deren Vollziehbarkeit keine Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt oder entsprechende Anträge im gerichtlichen Verfahren zurückgewiesen worden sind. Hinsichtlich der Tunnelsicherheit enthält der Planfeststellungsbeschluss zahlreiche Nebenbestimmungen, die in einer Reihe von Punkten in der mündlichen Verhandlung ergänzt und präzisiert wurden. Der Beklagte hat außerdem durch eine Planänderung die Zahl der befahrbaren Querschläge zwischen den Tunnelröhren erhöht. Die Verkehrsfreigabe darf nur erfolgen, wenn die Umsetzung der zur Erreichung des Sicherheitsniveaus erforderlichen Maßnahmen gegenüber der Planfeststellungsbehörde nachgewiesen worden ist; es ist vom Vorhabenträger mitzuteilen, ob sich neue Erkenntnisse zur Erforderlichkeit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage ergeben haben und gegebenenfalls eine solche Anlage nachzurüsten. Hinsichtlich des FFH-Gebietes "DE 2222-321 Wetternsystem in der Kollmarer Marsch" einschließlich der Erweiterungskulisse "P 2222-322" und des FFH-Gebietes "DE 2323-392 Schleswig-Holsteinisches Elbästuar" sowie des Vogelschutzgebietes "DE 2323-401 Unterelbe bis Wedel" verneint der Planfeststellungsbeschluss erhebliche Beeinträchtigungen. In Bezug auf den Artenschutz kommt er zu dem Ergebnis, dass durch die vorgesehenen Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen sowie die vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen keine Verbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG verwirklicht und keine Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erforderlich werden. Im Laufe des Gerichtsverfahrens hat der Beklagte einen Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie zur Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Bewirtschaftungszielen nach §§ 27, 44 und 47 WHG vorgelegt. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass durch das Vorhaben keine Verschlechterungen des ökologischen Potentials und des hydromorphologischen sowie des chemischen Zustandes der Elbe zu erwarten seien und das Vorhaben auch dem Verbesserungsgebot sowie dem Trendumkehrgebot nicht entgegenstehe.

8

Der Kläger hat fristgerecht Klage erhoben. Er hält den Planfeststellungsbeschluss aus einer Vielzahl von Gründen für formell und materiell rechtswidrig. Die Abgrenzung des Auslegungsgebietes und die Auslegungsbekanntmachung seien fehlerhaft und die ausgelegten Unterlagen unvollständig gewesen. Hinsichtlich des während des Prozesses erstellten wasserrechtlichen Fachbeitrags fehle es an der erforderlichen Öffentlichkeitsbeteiligung. Es sei unzulässig, das einheitliche Vorhaben "Elbquerung" in zwei Tunnelabschnitte aufzuteilen und die Umweltverträglichkeitsprüfung auf den schleswig-holsteinischen Tunnelteil zu begrenzen. Die zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein geschlossene Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Planung der Elbquerung habe gegen die Landesverfassung und das Landesverwaltungsgesetz verstoßen. Die Linienbestimmungsunterlagen seien unvollständig bekannt gemacht worden und die Variantenauswahl sei in diesem Verfahren fehlerhaft gewesen. Für das Vorhaben fehle es an der Planrechtfertigung, insbesondere seien weder die vorgesehene Privatfinanzierung des Tunnels noch eine klassische Finanzierung durch den Bund gesichert. Die Sicherheit des Tunnelbauwerks entspreche nicht den Vorgaben der EU-Tunnelsicherheitsrichtlinie, die ihrerseits nicht ordnungsgemäß in das deutsche Recht umgesetzt worden sei. Die erforderliche Risikoanalyse hinsichtlich der Brandsicherheit sei nicht methodengerecht durchgeführt und es sei zu Unrecht von der Anordnung einer Tunnelfeuerwehr und einer automatischen Brandbekämpfungsanlage abgesehen worden. In naturschutzrechtlicher Hinsicht sei im Bereich des Tunnelportals ein faktisches Vogelschutzgebiet mit der Leitart Nonnengans nicht berücksichtigt worden. Die Abgrenzung des FFH-Gebietes "Wetternsystem in der Kollmarer Marsch" sei räumlich falsch und bezüglich der geschützten Arten unzureichend. Das vom Beklagten eingeholte Fledermausgutachten habe wegen unzureichender Erfassungsmethoden das relevante Fledermausspektrum nicht richtig erfassen können und ein unzulängliches Schutzkonzept entwickelt. Der im gerichtlichen Verfahren nachgereichte Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie hätte Bestandteil der Umweltverträglichkeitsprüfung sein müssen und weise sowohl in methodischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die Datenquellen Fehler auf.

9

Der Kläger beantragt,

1. den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der A 20 (Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt von der Landesgrenze Niedersachsen/Schleswig-Holstein bis B 431) vom 30. Dezember 2014 in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung vom 11. bis 13. April 2016 erklärten Ergänzungen aufzuheben,

2. hilfsweise,

a) den Planfeststellungsbeschluss um die Auflage zu ergänzen, dass die Bau(massen)transporte ausschließlich über die Trasse der A 20, Abschnitt B 431 - A 23 durchgeführt werden, wobei zugleich die aufschiebende Bedingung aufzunehmen ist, dass mit dem Bau im vorliegenden Abschnitt erst dann begonnen werden darf, wenn der Abschnitt A 20, B 431 - A 23, so weit hergestellt ist, dass der Bau(massen)transport, insbesondere des Tunnelaushubs, über diese Route erfolgen kann, oder per Schiff über die Elbe durchzuführen sind,

b) den Planfeststellungsbeschluss um die Auflage zu ergänzen, dass das Tunnelbauwerk mit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage (ABBA) auszurüsten ist,

c) den Planfeststellungsbeschluss um die Auflage zu ergänzen, dass eine von einer für die Erfüllung der Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Brandschutzgesetz hinreichenden Anzahl von hauptamtlichen Kräften mit der erforderlichen Ausrüstung durchgehend besetzte Feuerwehr-Tunnelwache einzurichten ist.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Er verteidigt den Planfeststellungsbeschluss und tritt dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der Planfeststellungsbeschluss vom 30. Dezember 2014 in der Gestalt der in der mündlichen Verhandlung erklärten Ergänzungen verstößt gegen Bestimmungen des Gesetzes zur Umweltverträglichkeitsprüfung und damit gegen Vorschriften, deren Verletzung der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG als anerkannte Naturschutzvereinigung rügen kann, ohne nach § 42 Abs. 2 VwGO eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen.

13

A. Der Planfeststellungsbeschluss leidet unter einem Verfahrensfehler, der zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führt.

14

Die Öffentlichkeitsbeteiligungen im Planfeststellungsverfahren und dem ihm vorgelagerten Linienbestimmungsverfahren weisen zwar keine Fehler auf (1. - 6.). Ebenso wenig ist die länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu beanstanden (7.). Ein Verfahrensfehler liegt aber darin begründet, dass hinsichtlich des nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erstellten wasserrechtlichen Fachbeitrags ein ergänzendes Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung nicht durchgeführt worden ist (8.).

15

1. Kein Verfahrensfehler liegt darin, dass die Antragsunterlagen im Rahmen der ersten Öffentlichkeitsanhörung nicht in Glückstadt und Elmshorn ausgelegt worden sind. Nach § 17a Nr. 1 FStrG in der im Zeitpunkt der Auslegung geltenden Fassung vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2833) i.V.m. § 73 Abs. 2 VwVfG waren die Planunterlagen nach vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung in den Gemeinden auszulegen, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt. Umfasst sind solche Auswirkungen, die eine planerische Konfliktbewältigung gerade im anstehenden Planfeststellungsverfahren erforderlich machen können. Auf diesen im Wege einer Prognoseentscheidung ermittelten räumlichen Bereich ist die Auslegung zu erstrecken (BVerwG, Urteile vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 32 und vom 21. November 2013 - 7 A 28.12 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 71 Rn. 20).

16

Gemessen hieran sind die Auslegungsorte nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat dargelegt, dass bei der ersten Auslegung 2009 keine Auswirkungen auf die Gemeinden Glückstadt und Elmshorn zu erkennen waren, die eine planerische Bewältigung erfordert hätten. Solche waren erst durch die erste Planänderung zu erwarten, die eine Planung des Transportes der Bodenmassen über das durch die Gemeinden führende Straßennetz (Baustellenverkehr) vorsah. Die Auslegung der diesbezüglichen Unterlagen ist daher auch in den von der geplanten Transportstrecke betroffenen Gemeinden Glückstadt und Elmshorn erfolgt. Die zweite Planänderung 2014 musste dagegen wegen der Aktualisierung und Ergänzung der FFH-Verträglichkeitsprüfung "Wetternsystem in der Kollmarer Marsch" um das bis an die Grenze der Gemeinde Glückstadt heranrückende Erweiterungsgebiet A auch in Glückstadt ausgelegt werden, nicht aber in Elmshorn.

17

2. Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin, dass in der Bekanntmachung zu Beginn des Beteiligungsverfahrens nicht ausdrücklich über die Feststellung der UVP-Pflicht des Vorhabens (§ 9 Abs. 1a Nr. 2 UVPG) unterrichtet worden ist. Zwar stellt diese Unterrichtung die erste förmliche Reaktion der Behörde auf den Antrag des Vorhabenträgers dar, die der Öffentlichkeit zugleich erste Anhaltspunkte geben soll, wie die zuständige Behörde das Vorhaben hinsichtlich seiner Umweltverträglichkeit und -auswirkungen einschätzt, weshalb ein bloßes Paragraphenzitat nicht den Anforderungen des § 9 Abs. 1a Nr. 2 UVPG genügt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - NVwZ 2016, 844 <846> = juris Rn. 34). Der Hinweis auf die UVP-Pflicht hat sich in der hier zu beurteilenden Bekanntmachung aber nicht in einem solchen Zitat erschöpft. Durch den Verweis auf "die allgemeinverständliche Zusammenfassung nach dem UVPG" sowie insbesondere auf "die Anhörung der Öffentlichkeit zu den Umweltauswirkungen des Bauvorhabens nach § 9 Abs. 1, 1a des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung" wurde die betroffene Öffentlichkeit hinreichend über die Tatsache informiert, dass das Projekt Gegenstand einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist.

18

3. Die Auslegungsbekanntmachung wird ferner den Anforderungen des § 9 Abs. 1a Nr. 4 UVPG gerecht, wonach über die Art der möglichen Entscheidung zu unterrichten ist. Eine derartige Unterrichtung erfolgte in den drei Bekanntmachungen nicht nur durch die Überschrift der Bekanntmachung ("Planfeststellung für den Neubau der Bundesautobahn A 20 - Nord-West-Umfahrung Hamburg") und die wiederholte Verwendung der Begriffe "Planfeststellung" und "Planfeststellungsverfahren" im Bekanntmachungstext, sondern auch ausdrücklich jeweils durch den Hinweis unter Nr. 5): "Die Zustellung der Entscheidung (Planfeststellungsbeschluss) ..." Dies genügt den Anforderungen des § 9 Abs. 1a Nr. 4 UVPG.

19

4. Ohne Erfolg bleibt die Rüge, die Unterlagen der Linienbestimmung hätten ebenfalls ausgelegt werden müssen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss die Auslegung nicht alle Unterlagen umfassen, die möglicherweise zur vollständigen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind. Sie kann sich vielmehr - wie vorliegend - auf die Unterlagen beschränken, deren der Einzelne bedarf, um als Laie den Grad seiner Beeinträchtigung abschätzen und sich das Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst machen zu können (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 19). Auch aus den Vorgaben der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. L 156 S. 17) - Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL - ergibt sich nichts anderes. Inhalt und Umfang der auszulegenden entscheidungserheblichen Unterlagen richten sich gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 UVPG auch insoweit nach dem einschlägigen Fachrecht. Ausgehend hiervon mussten die Unterlagen der Linienbestimmung nicht ausgelegt werden. Die Unterlagen der nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 UVPG UVP-pflichtigen Linienbestimmung sind vielmehr in dem Verfahren zur Linienbestimmung auszulegen und die Öffentlichkeit ist gemäß § 15 Abs. 2 UVPG in diesem Verfahren zu beteiligen.

20

5. Die Bekanntmachung verstößt nicht gegen § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG, der die zuständige Behörde verpflichtet, die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten, welche Unterlagen nach § 6 UVPG vorgelegt wurden. Soweit unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 4. Senats zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Baurecht (BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2013 - 4 CN 3.12 - BVerwGE 147, 206, vom 7. Mai 2014 - 4 CN 5.13 - Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 15 und vom 11. September 2014 - 4 CN 1.14 - Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 16) gerügt wird, die Unterlagen hätten nach Themenblöcken geordnet in der Bekanntmachung angegeben werden müssen, wird übersehen, dass sich die zitierte Rechtsprechung auf die ihrem Wortlaut und ihrer Struktur nach mit § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG nicht vergleichbare Vorschrift des § 3 Abs. 2 BauGB bezieht. Demgemäß hat auch der 4. Senat in seinem Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - (NVwZ 2016, 844 <846> = juris Rn. 36) bei der Erörterung der nach § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG zu stellenden Anforderungen an die Auslegungsbekanntmachung nicht auf § 3 Abs. 2 BauGB zurückgegriffen, sondern ist von einer hiervon unabhängigen Bestimmung der UVP-rechtlichen Anforderungen ausgegangen. Danach reicht zwar der bloße Hinweis auf "entscheidungserhebliche Unterlagen" nicht aus, um den Anforderungen des § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG gerecht zu werden. Eine vergleichbare Konstellation liegt hier aber nicht vor.

21

Der Bekanntmachungstext zählt als entscheidungserhebliche Unterlagen den landschaftspflegerischen Begleitplan, die allgemeinverständliche Zusammenfassung nach dem UVPG, die Natura 2000-Verträglichkeitsuntersuchungen sowie den artenschutzrechtlichen Fachbeitrag auf und weist darauf hin, dass weitere naturschutzfachliche Gutachten und Untersuchungen ausliegen. Damit wurde eine aussagekräftige Aufzählung über die im Zeitpunkt der Auslegung vom Vorhabenträger vorgelegten und sich mit den Umweltauswirkungen des Vorhabens beschäftigenden entscheidungserheblichen Unterlagen gegeben, die dem § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG gerecht wird. Mit dem Hinweis auf die vorliegenden entscheidungserheblichen Unterlagen in der Auslegungsbekanntmachung wird das Ziel verfolgt, die betroffene Öffentlichkeit über alle wesentlichen vom Vorhabenträger vorgelegten umweltrelevanten Planunterlagen zu informieren und ihr dadurch einen Überblick zu verschaffen, welche Umweltbelange durch den Vorhabenträger einer Prüfung unterzogen wurden und mit welchen Detailinformationen sie im Rahmen der Auslegung rechnen kann (so Wagner, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 9 Rn. 29). Eine vollständige Auflistung aller vom Vorhabenträger vorgelegten Unterlagen ist nicht erforderlich (BT-Drs. 16/2494 S. 23; a.A. Hofmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UVPG, Stand Februar 2016, § 9 Rn. 45). Aussagekräftige Angaben über die entscheidungserheblichen Unterlagen, die das Schutzgut Mensch betreffen, finden sich in den Auslegungsbekanntmachungen der ersten und zweiten Planänderung, so dass auch insoweit die Information der Öffentlichkeit durch die Bekanntmachungen erfüllt worden ist.

22

6. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht wegen Fehlern des der Planfeststellung vorgelagerten und nur unter engen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses erheblichen Verfahrens der Linienbestimmung nach § 16 FStrG zu beanstanden (vgl. zum Verhältnis Linienbestimmung und Planfeststellung BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 31).

23

a) Die in der Auslegungsbekanntmachung der Linienbestimmung enthaltene Formulierung "Die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen (Zeichnungen und Erläuterungen) liegen ... zur Einsichtnahme aus", genügte den Anforderungen, die im Linienbestimmungsverfahren zu stellen waren. § 15 Abs. 2 UVPG schreibt für die Öffentlichkeitsbeteiligung im Linienbestimmungsverfahren abweichend von § 9 Abs. 3 UVPG die ortsübliche Bekanntmachung der Auslegung vor, ohne weitere Vorgaben für den Bekanntmachungsinhalt zu machen. Die zusätzlichen Anforderungen des § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG, wonach die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten ist, welche Unterlagen nach § 6 UVPG vorgelegt wurden, konnten auf die Ende 2002 erfolgte Auslegungsbekanntmachung schon deswegen keine Anwendung finden, weil sie erst nach der Auslegung durch das Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2819) eingefügt worden sind. Weitere Anforderungen an die Öffentlichkeitsbeteiligung ergaben sich im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Auslegungsbekanntmachung Ende 2002 auch nicht aus dem Europarecht. Die erstmals spezifische Angaben verlangende Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie vom 26. Mai 2003 ist erst nach dem Ende des Auslegungszeitraums verabschiedet worden und war erst zum 25. Juni 2005 umzusetzen (Art. 5 Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL).

24

b) Die öffentliche Bekanntmachung im Linienbestimmungsverfahren ist auch nicht deshalb fehlerhaft gewesen, weil sich die Auslegung ausweislich des Bekanntmachungstextes auf die Linienbestimmung "von der Elbe (Landesgrenze Niedersachsen/Schleswig-Holstein)" beschränkte, während die vorangegangenen Umweltverträglichkeitsuntersuchungen sowie der Antrag auf Linienbestimmung den Abschnitt A 26 (Niedersachsen) bis westlich Bad Segeberg umfassten. Die Beschränkung der Auslegungsbekanntmachung auf den Abschnitt bis zur Elbmitte ist der auf das eigene Hoheitsgebiet begrenzten Verwaltungszuständigkeit des auslegenden Landes geschuldet. Sie war nicht geeignet, die von der Bekanntmachung ausgehende Informationsfunktion und Anstoßwirkung für die betroffene Öffentlichkeit zu mindern oder zu beeinträchtigen. Für diese war offensichtlich, dass die Linienbestimmung nicht mitten in der Elbe endete, sondern auf niedersächsischem Gebiet eine Fortsetzung finden musste. Die diese Fortsetzung betreffenden Unterlagen konnten im Straßenbauamt Itzehoe eingesehen werden, wie sich aus einem Hinweis in der vom Beklagten eingereichten Übersicht über die ausliegenden Unterlagen ergibt. Dass die Linienbestimmung in Schleswig-Holstein ihrerseits ursprünglich auf zwei Verfahren beruhte, führt, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - (Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 233 Rn. 33 ) dargelegt hat, ebenfalls nicht auf einen Verfahrensfehler. Eine doppelte Auslegung in den später zusammengeführten Abschnitten hat der Senat dabei nicht gefordert, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass die Öffentlichkeit tatsächlich doppelt angehört worden war.

25

7. a) Der von Klägerseite gerügte Verstoß gegen § 9 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG SH) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1992 (GVOBl. Schl.-H. 243, 534), wonach Verträge des Landes Schleswig-Holstein mit anderen Ländern oder mit dem Bund über die Durchführung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung des Landes durch gemeinsame Behörden oder Behörden der anderen Vertragspartner der Zustimmung in Form eines Landesgesetzes bedürfen, liegt nicht vor. Die Verwaltungsvereinbarung aus dem Jahr 2005 sieht weder die Aufgabenwahrnehmung durch eine gemeinsame Behörde der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vor noch werden Aufgaben auf das Land Niedersachsen übertragen. Der hier vorliegende Fall, dass Verwaltungsaufgaben, wie die Erbringung von Planungsleistungen, durch Behörden des Landes Schleswig-Holstein auch im Interesse eines anderen Landes wahrgenommen werden, wird von § 9 LVwG SH nicht erfasst.

26

b) Ob es sich bei der Vereinbarung zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein um einen in den Anwendungsbereich des Art. 30 Abs. 2 der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Verfassung des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung vom 13. Juni 1990 (GVOBl. Schl.-H. S. 391, jetzt Art. 37 Abs. 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein vom 2. Dezember 2014 ) fallenden Staatsvertrag handelt oder ob sie - wofür einiges spricht - als bloße Verwaltungsvereinbarung zu qualifizieren ist, kann dahinstehen. Denn selbst wenn es sich um einen Staatsvertrag handelte, würde die fehlende Zustimmung der Landesregierung bzw. des Parlaments zu diesem Vertrag keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses haben. Dieser ist von dem hierzu sachlich und örtlich zuständigen Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung erlassen worden.

27

Auch hinsichtlich der Vereinbarung über die Organisationsformen und Maßnahmen für Planung, Bau und Betrieb des Tunnels zwischen den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen, mit der der Forderung der von dem damaligen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung durch Allgemeines Rundschreiben Straßenbau (ARS) Nr. 10/2006 vom 27. April 2006 eingeführten Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln - RABT 2006 - (VkBl. 2006 S. 471) Rechnung getragen wird, dass für jeden Tunnel jeweils nur eine einzige Verwaltungsbehörde zuständig sein darf, bedarf es keiner Entscheidung, ob sie den Anforderungen des schleswig-holsteinischen Landesrechts gerecht wird. Denn eine solche Vereinbarung, die Voraussetzung für die Abnahme des Tunnelbauwerks und die Verkehrsfreigabe ist (Abschnitt 1.1.6.1. RABT 2006), gehört nicht zum Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses und betrifft damit nicht dessen Rechtmäßigkeit.

28

8. Ein Verfahrensfehler ist der Planfeststellungsbehörde aber bei der Ergänzung der Planfeststellungsunterlagen durch den im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erstellten wasserrechtlichen Fachbeitrag vom 30. September 2015 unterlaufen. Hinsichtlich dieses für die Prüfung der Umweltverträglichkeit des Vorhabens wesentlichen Beitrags hätte der Beklagte eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen müssen.

29

a) Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:EU:C:2015:433], BUND/Bundesrepublik - ist geklärt, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie 2000/60/EG (ABl. L 327 S. 1) in der Fassung der Richtlinie 2013/39/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. August 2013 (ABl. L 226 S. 1) - Wasserrahmenrichtlinie - WRRL - verbindlicher Charakter zukommt mit der Folge, dass die Genehmigung eines konkreten Vorhabens zu versagen ist, wenn es eine Verschlechterung des Zustandes eines Oberflächengewässers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustandes eines Oberflächengewässers bzw. seines guten ökologischen Potentials und eines guten chemischen Zustandes eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet. Ferner ist geklärt, dass eine Verschlechterung des Zustandes eines Oberflächenwasserkörpers vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Wasserrahmenrichtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt.

30

b) Der Planfeststellungsbeschluss wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Es fehlt an einer den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs Rechnung tragenden Prüfung, ob eine vorhabenbedingte Verschlechterung des Gewässerzustandes ausgeschlossen werden kann. Eine anerkannte Standardmethode für die Beantwortung der Frage, ob es vorhabenbedingt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Zustandes bzw. Potentials von Qualitätskomponenten eines Oberflächen- oder Grundwasserkörpers kommt, gibt es zwar noch nicht, sodass den Behörden bei der Entwicklung eigener Methoden ein erweiterter Spielraum zukommt. Das befreit sie allerdings nicht davon, eine Methode anzuwenden, die transparent, funktionsgerecht und schlüssig ausgestaltet ist. Unverzichtbar ist dabei, dass die angewandten Kriterien definiert werden und ihr fachlicher Sinngehalt nachvollziehbar dargelegt wird (BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2014 - 7 A 14.12 - DVBl. 2015, 95 Rn. 6). Diesen Anforderungen an die Methodik der Prüfung wird der Planfeststellungsbeschluss nicht gerecht. Er geht zwar auf das Schutzgut Wasser an mehreren Stellen ein und prüft vor allem mögliche negative Auswirkungen auf das Grundwasser und das Entwässerungssystem der Marsch (PFB S. 45 ff., 149, 174, 193 ff.) und kommt zu dem Ergebnis, dass damit die Vorgaben der Richtlinie eingehalten seien (PFB S. 330). Eine dem Prüfprogramm und der Systematik der Wasserrahmenrichtlinie bzw. den §§ 27 ff. WHG gerecht werdende Prüfung findet sich im Planfeststellungsbeschluss und den hierzu erstellten Unterlagen jedoch nicht. Die knappen Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zur Wasserrahmenrichtlinie lassen schon nicht erkennen, von welchem Begriff der Verschlechterung er ausgeht, geschweige denn werden die betroffenen Gewässerarten entsprechend der Wasserrahmenrichtlinie bestimmt, die Qualitätskomponenten erwähnt und die Auswirkungen des Vorhabens auf sie untersucht.

31

c) Die erforderliche Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie ist vielmehr erst während des laufenden Gerichtsverfahrens durch den wasserrechtlichen Fachbeitrag über die "Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Bewirtschaftungszielen nach §§ 27, 44 und 47 WHG" vom 30. September 2015 unternommen worden. Darin werden gemäß den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie die vom Vorhaben betroffenen Wasserkörper näher qualifiziert sowie ihr Zustand und ökologisches Potential anhand der verschiedenen in der Richtlinie definierten Qualitätskomponenten einschließlich der Auswirkungen des Vorhabens hierauf und auf die Bewirtschaftungsziele beschrieben und bewertet. Damit geht der Fachbeitrag hinsichtlich Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe weit über die bisher erstellten Untersuchungen zu der Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit der Wasserrahmenrichtlinie hinaus. Dass insoweit komplexe Überlegungen anzustellen waren, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der Beklagte den Fachbeitrag im Laufe des Verfahrens mehrfach nachbessern musste, weil dieser die Gewässerqualität der Elbe falsch bestimmt hatte (Fließgewässer anstatt Übergangsgewässer) und die Qualitätskomponente des chemischen Zustandes Ergänzungen erforderte. Letztlich hat auch die in der mündlichen Verhandlung erklärte Änderung der Parameter der Wassereinleitung in der Nebenbestimmung 2.2.1.2 des Planfeststellungsbeschlusses gezeigt, dass die Prüfung der Frage, ob durch das Vorhaben eine Verschlechterung der Wasserqualität im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie ausgeschlossen ist, Auswirkungen auf den Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses hat.

32

d) Der Fachbeitrag gehört damit zu den (wesentlichen) entscheidungserheblichen Unterlagen im Sinne des § 6 Abs. 1 UVPG. Da er nicht Gegenstand der ursprünglichen Öffentlichkeitsbeteiligung gewesen ist, bedurfte es zu seiner nachträglichen Einbeziehung einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 9 Abs. 1 UVPG. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:

33

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Beseitigung von Ermittlungsdefiziten und Änderungen namentlich der landschaftspflegerischen Begleitplanung und der ihr zugrunde liegenden habitat- und artenschutzrechtlichen Fachbeiträge dann keine neue Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich, wenn sich die geänderten Unterlagen auf Detailänderungen und eine vertiefte Prüfung von Betroffenheiten beschränken, ohne das Gesamtkonzept der Planung zu ändern oder zu grundlegend anderen Beurteilungsergebnissen zu gelangen (BVerwG, Urteile vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <344 f.>, vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 29 und vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 25). Für Planänderungen vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses folgt dies aus § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG, wonach es ausreicht, Beteiligten und Drittbetroffenen, deren Aufgabenbereich bzw. Belange erstmalig oder stärker als bisher berührt werden, die Änderung mitzuteilen. Ist der Planfeststellungsbeschluss - wie vorliegend - bereits erlassen worden, aber noch nicht bestandskräftig, kann die Behörde bei einem erkannten Fehler das Verfahren wieder aufnehmen und es (erneut) zu Ende führen. Darin liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein einheitliches Planfeststellungsverfahren, das zu einer erneuten Offenlage grundsätzlich dann nicht verpflichtet, wenn das aufgenommene Verfahren, ohne das Vorhaben zu ändern, Abwägungsfehler nur im Verhältnis zu denjenigen beseitigen soll, denen gegenüber der Planfeststellungsbeschluss noch nicht bestandskräftig geworden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. November 2002 - 4 A 15.02 - NVwZ 2003, 485 <486 f.> und vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 25). Abgesehen von solchen Fallgestaltungen kann die Behörde nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ein ergänzendes Verfahren (§ 17c FStrG i.V.m. § 75 Abs. 1a VwVfG) durchführen, um einen von ihr nachträglich erkannten Mangel zu beheben. In diesem Verfahren ist eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 17d Satz 1 FStrG i.V.m. § 76 Abs. 1 VwVfG jedenfalls dann erforderlich, wenn der festgestellte Plan wesentlich geändert werden soll.

34

Unabhängig davon muss die Öffentlichkeit nach § 9 Abs. 1 UVPG dann neu beteiligt werden, wenn nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung der Umweltbetroffenheiten vorgenommen wird, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorhabens insgesamt erforderlich ist und ihren Niederschlag in einer neuen entscheidungserheblichen Unterlage über die Umweltauswirkungen des Vorhabens (§ 6 Abs. 1 Satz 1 UVPG) findet. So liegt es hier. Die Feststellung, dass das Vorhaben nicht gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot verstößt und dem Verbesserungsgebot sowie dem Trendumkehrgebot nicht entgegensteht, gilt für das Vorhaben in seiner Gesamtheit. Die ursprünglich ausgelegten Unterlagen konnten insoweit den Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung, durch die Einbeziehung von Meinungsäußerungen und Bedenken der Öffentlichkeit zu Umweltbelangen den behördlichen Entscheidungsprozess besser und transparenter zu gestalten (vgl. jetzt Erwägungsgrund (16) der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten - UVP-RL), nicht erfüllen, da sie keine hinreichende Anstoßwirkung entfalteten. Der Beklagte hätte daher hinsichtlich des wasserrechtlichen Fachbeitrags vom 30. September 2015 eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen müssen.

35

e) Der Verfahrensfehler ist nicht deshalb gemäß § 4 Abs. 1a UmwRG n.F. i.V.m. § 46 VwVfG unbeachtlich, weil er die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflussen konnte.

36

Durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069) hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1a UmwRG klargestellt, dass für nicht unter § 4 Abs. 1 UmwRG fallende relative Verfahrensfehler - anders als bei absoluten Verfahrensfehlern - § 46 VwVfG gilt. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes kann deshalb wegen eines relativen Verfahrensfehlers nicht beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zur Aufklärung dieser Frage hat das Gericht im Rahmen seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 VwGO) alle verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Lässt sich nicht aufklären, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung nach § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG vermutet (Kausalitätsvermutung). Damit soll sichergestellt werden, dass § 46 VwVfG in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die der Europäische Gerichtshof zur Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern in seinem Urteil vom 7. November 2013 - C 72/12 [ECLI:EU:C:2013:712], Altrip - aufgestellt hat, angewandt wird, insbesondere, dass dem Rechtsbehelfsführer in keiner Form die (materielle) Beweislast für die Frage auferlegt wird, ob die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre (BT-Drs. 18/5927 S. 10; vgl. zu Vorstehendem ausführlich BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - NVwZ 2016, 844 <847 f.>). Hieran gemessen ist der Fehler nicht unbeachtlich.

37

Zwar fällt die unterlassene erneute Öffentlichkeitsbeteiligung hinsichtlich des wasserrechtlichen Fachbeitrags nicht unter die in § 4 Abs. 1 UmwRG n.F. normierten absoluten Verfahrensfehler. Denn der festgestellte Verfahrensfehler ist nicht nach Art und Schwere mit den in § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwRG genannten Fällen vergleichbar. In Anwendung des § 4 Abs. 1a UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG steht aber auf der Grundlage der verfügbaren Informationen nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass dieser Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, also die angegriffene Entscheidung ohne den Fehler nicht anders ausgefallen wäre. Dies folgt hier schon daraus, dass die Planfeststellungsbehörde selbst nach Erstellung des Fachbeitrags mehrfach Anlass gesehen hat, den Fachbeitrag zu überarbeiten und zu ändern, und im Rahmen dieser Überarbeitungen zu der Erkenntnis gekommen ist, dass die wasserrechtlichen Nebenbestimmungen über die Einleitungsparameter des Prozesswassers in die Elbe im Planfeststellungsbeschluss einer grundsätzlichen Revision bedürfen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass im Rahmen der durchzuführenden Öffentlichkeitsbeteiligung zusätzliche Gesichtspunkte zur Sprache gekommen wären, die eine (weitere) Änderung des Fachbeitrags und des Planfeststellungsbeschlusses zur Folge gehabt hätten.

38

f) Der festgestellte Fehler führt nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, weil die wasserrahmenrechtliche Prüfung und die hierauf bezogene Öffentlichkeitsbeteiligung nicht die Gesamtkonzeption der Planung berühren (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5. März 1997 - 11 A 25.95 - BVerwGE 104,123 <129>) und in einem ergänzenden Verfahren mit nachfolgender erneuter Sachentscheidung, die in einer Aufhebung, Änderung oder Bestätigung des Planfeststellungsbeschlusses bestehen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 C 19.95 - BVerwGE 102, 358 <365>), nachgeholt werden können. Es hat daher nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit sein Bewenden. Die Anwendung von § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG steht auch mit Unionsrecht in Einklang, wie der Senat bereits zu § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG entschieden hat (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 36). Hierauf wird verwiesen. Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte; der Anregung, die Frage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, war daher nicht zu folgen.

39

g) Der Beklagte hat somit ein ergänzendes Verfahren im Sinne von § 17d FStrG i.V.m. § 75 Abs. 1a, § 76 VwVfG mit einer (erneuten) Öffentlichkeitsbeteiligung bezüglich des wasserrechtlichen Fachbeitrags durchzuführen. In diesem Zusammenhang ist zur Klarstellung anzumerken, dass der die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit feststellende Ausspruch des vorliegenden Urteils die gegenüber anderen Betroffenen eingetretene Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses nicht berührt. Sie können daher gegen die erneute Entscheidung im ergänzenden Verfahren nur dann klageweise vorgehen, wenn diese in einer Änderung des Vorhabens besteht und soweit sie dadurch erstmals oder weitergehend als durch den Planfeststellungsbeschluss betroffen werden. Der Kläger kann gegen die Entscheidung im ergänzenden Verfahren geltend machen, dass die vom Gericht festgestellten Mängel nach wie vor nicht behoben seien, mit Blick auf die Rechtskraft des Feststellungsurteils jedoch nicht, dass der Planfeststellungsbeschluss über die Beanstandung des Gerichts hinaus an weiteren Fehlern leidet. Sollte das ergänzende Verfahren mit einer Planänderung abschließen, kann der Kläger außerdem rügen, dass dadurch Umweltbelange erstmals oder stärker als bisher berührt seien (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 28 m.w.N.).

40

B. Der Planfeststellungsbeschluss leidet - vorbehaltlich des noch ausstehenden Ergebnisses der wasserrechtlichen Überprüfung (s.o.) - an keinem materiell-rechtlichen Fehler, der zum Erfolg der Anfechtungsklage und der hilfsweise gestellten Feststellungs- und Verpflichtungsanträge führen könnte.

41

1. Die Rüge, der Planfeststellungsbeschluss sei zu unbestimmt, da die Planzeichnung und die in Bezug genommenen Gutachten im verfügenden Teil nicht bezeichnet worden seien, greift nicht durch. Die gesonderte Auflistung der planfestgestellten Pläne und Unterlagen im verfügenden Teil eines Planfeststellungsbeschlusses mag hilfreich sein, rechtlich geboten ist sie nicht. Der planfestgestellte Plan besteht aus den Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke erkennen lassen (§ 73 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Die Planzeichnungen sind daher, soweit sie - wie hier - durch einen entsprechenden Stempel als planfestgestellt ausgewiesen sind, ohne weitere Erwähnung im verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses Bestandteil des im Sinne des § 17 FStrG festgestellten Plans. Abgesehen davon sind die durchzuführenden Straßenbaumaßnahmen unter Hinweis auf die Fundstelle im Bauwerksverzeichnis und die die Bauwerkszeichnungen enthaltenen Ordner konkret bezeichnet und in den verfügenden Textteil des Planfeststellungsbeschlusses einbezogen. Hinsichtlich der Gutachten ist eine vollständige Aufnahme in den Planfeststellungsbeschluss oder die Materialordner nicht zu verlangen. Dass der planfestgestellte Erläuterungsbericht und die weitere planfestgestellten Unterlagen das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke nicht hinreichend erkennen lassen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

42

2. Die Rüge, die Umweltverträglichkeitsprüfung sei deshalb fehlerhaft, weil sie sich auf die planfestgestellte Teilstrecke beschränkt habe und weder die Weiterführung auf niedersächsischem Gebiet noch in Schleswig-Holstein in den Blick genommen habe, greift nicht durch.

43

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die verfahrens- und materiell-rechtlichen Anforderungen an die fernstraßenrechtliche Planfeststellung einheitlich auf denselben Abschnitt als Vorhaben im fernstraßenrechtlichen Sinne zu beziehen. Dies gilt auch für die Umweltverträglichkeitsprüfung nach den §§ 6 ff. UVPG (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 18 m.w.N.). Erforderlich, aber ausreichend ist eine Vorausschau auf die Folgeabschnitte, die nach Art eines vorläufig positiven Gesamturteils im Hinblick auf die Umweltauswirkungen eine Verknüpfung der Abschnitte gewährleistet. Die Prognose muss ergeben, dass dem Vorhaben auch im weiteren Verlauf keine von vornherein unüberwindbaren Hindernisse entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 151). Hieran ist auch im vorliegenden Fall eines "halben Tunnels" festzuhalten. Auch hier ist das Vorhaben, das der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, das konkrete Projekt, für das der Vorhabenträger einen Antrag stellt. Das ist der Abschnitt des Neubauvorhabens von der Landesgrenze in der Mitte der Elbe bis zur B 431. Dass ein "halber Tunnel" für sich genommen ersichtlich keine Verkehrsfunktion hat, ändert hieran nichts. Der fachplanerischen Forderung nach einer eigenständigen Verkehrsfunktion eines Bauabschnitts kann außer durch einen direkten Anschluss an das Straßennetz auch durch eine Verklammerung des Baubeginns mit einem Nachbarabschnitt Rechnung getragen werden. Das ist hier geschehen, wobei durch die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses in der mündlichen Verhandlung sichergestellt ist, dass auch der unmittelbar folgende Nachbarabschnitt auf niedersächsischer Seite seinerseits eine Anbindung an das (nachgeordnete) Straßennetz aufweist.

44

Weitergehende Anforderungen folgen auch nicht aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 6. Juni 2007 - 7 LC 97/06 - (OVGE MüLü 51, 319). Darin hat das Gericht vielmehr ebenfalls festgestellt, dass für die Genehmigung eines im Zuständigkeitsbereich zweier verschiedener Hoheitsträger verlaufenden Brückenbaus zwei Planfeststellungsbeschlüsse erforderlich sind. Mit der Unteilbarkeit des Vorhabens hat das Gericht lediglich begründet, dass die danach teilweise kompetenzwidrige Genehmigung des gesamten Projekts durch nur einen Hoheitsträger zur vollständigen Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führt.

45

Es ergeben sich bei einer Aufteilung eines funktional zusammengehörenden Gesamtvorhabens in mehrere Abschnitte auch keine Defizite bei der Zusammenfassung der Umweltauswirkungen nach § 11 UVPG und der Bewertung gemäß § 12 UVPG. Dadurch, dass bei der Aufteilung eines UVP-pflichtigen Autobahnvorhabens in mehrere für sich genommen jeweils UVP-pflichtige Abschnitte für jeden Abschnitt eine eigenständige Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, wird eine vollständige Erfassung und Bewertung der betroffenen Umweltbelange ermöglicht. Die Auswirkungen bereits planfestgestellter Abschnitte des Gesamtvorhabens finden dabei im Rahmen der Kumulationsbetrachtung Berücksichtigung; für die noch nicht planfestgestellten Abschnitte ist eine Prognose anzustellen, die die Umweltbelange in den Folgeabschnitten bereits in diesem frühen Stadium in den Blick nimmt. Dass dem Gesamtvorhaben der A 20 keine unüberwindbaren Hindernisse entgegenstehen, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - (BVerwGE 148, 373 Rn. 151) festgestellt. Bezogen auf die unmittelbaren Nachbarabschnitte des hier verfahrensgegenständlichen Abschnitts hat die Planfeststellungsbehörde die Frage, ob sich in den Nachbarabschnitten unüberwindbare Hindernisse ergeben können, geprüft und verneint (PFB S. 201 f.).

46

b) Es besteht kein Anlass zu vernünftigen Zweifeln, dass der fachplanerische Begriff des Vorhabens mit dem Projektbegriff der UVP-Richtlinie vereinbar ist. Der Anregung, diese Frage durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung klären zu lassen, ist daher nicht zu folgen.

47

Art. 2 Abs. 2 UVP-RL erkennt ausdrücklich an, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung in den Mitgliedstaaten im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Genehmigung der Projekte durchgeführt werden kann. Das Europarecht wirkt daher nicht auf die materiell-rechtlichen Anforderungen des einzelstaatlichen Zulassungsrechts ein. Eröffnet das Recht des betreffenden Mitgliedstaates die Möglichkeit, ein Gesamtprojekt aufzuspalten und in mehreren Teilschritten auszuführen, so bildet den Bezugspunkt das konkrete Projekt, für das ein Antrag gestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 1996 - 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110 S. 84 f. und vom 10. April 1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236 <242>). Aus dem Projektbegriff der Umweltverträglichkeitsrichtlinie folgt nichts anderes. Insbesondere ist ihm nicht zu entnehmen, dass ein Projekt nur ein Vorhaben sein kann, dass für sich genommen einen Nutzen aufweist. Nach Art. 1 Abs. 1a Spiegelstrich 1 UVP-RL stellt jede Errichtung von "baulichen oder sonstigen Anlagen" ein Projekt im Sinne der Richtlinie dar. Der Projektbegriff ist mithin weit zu verstehen; funktionale Überlegungen sind für ihn nicht maßgeblich.

48

c) Die Notwendigkeit, eine Gesamt-UVP für das gesamte Autobahnvorhaben anzustellen, ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 4, § 3b Abs. 2 Satz 1 oder § 13 Abs. 1 Satz 2 UVPG.

49

§ 2 Abs. 1 Satz 4 UVPG betrifft nur den Fall, dass über die Zulässigkeiteines Vorhabens im Rahmen mehrerer Verfahren entschieden wird; dann sind die in den verschiedenen Verfahren durchgeführten Teilprüfungen zu einer Gesamtbewertung zusammenzufassen; davon zu unterscheiden ist der - hier vorliegende - Fall der Planfeststellung eines Abschnitts einer Bundesfernstraße (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1996 - 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110 S. 84 f.; OVG Koblenz, Urteil vom 1. Juli 2015 - 8 C 10494/14 - DVBl. 2015, 1194 Rn. 61). Die Regelung des § 3b Abs. 2 UVPG für "kumulierende Vorhaben" setzt voraus, dass mehrere Vorhaben derselben Art gleichzeitig verwirklicht werden sollen. Dagegen findet sie keine Anwendung auf die räumlich und zeitlich aufeinander folgende abschnittsweise Verwirklichung eines Vorhabens (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 1. Juli 2015 - 8 C 10494/14 - DVBl. 2015, 1194 Rn. 62 m.w.N.).

50

Bei der Planfeststellung von Autobahnabschnitten handelt es sich schließlich auch nicht um Teilzulassungen im Sinne des § 13 UVPG, sondern um Entscheidungen über jeweils selbständige Vorhaben, denen im Unterschied zu Teilzulassungen keine Bindungs- und Abschichtungswirkung hinsichtlich der Folgeabschnitte zukommt (vgl. Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 13 Rn. 15, 41; OVG Koblenz, Urteil vom 1. Juli 2015 - 8 C 10494/14 - DVBl. 2015, 1194 Rn. 63).

51

d) Auch mit der Kritik, § 14 UVPG sei verletzt, weil anders als darin für ein Vorhaben vorgeschrieben, das der Zulassung durch mehrere Landesbehörden bedarf, keine federführende Behörde bestimmt worden sei, kann die Klägerseite nicht durchdringen. Nach dem im Straßenplanungsrecht geltenden Vorhabenbegriff handelt es sich - wie dargelegt - bei den Tunnelhälften um zwei selbständige Vorhaben, die jeweils nur der Zulassung durch die zuständige Landesbehörde bedürfen.

52

3. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist gegeben.

53

a) Es kann (weiter) offenbleiben, ob das Erfordernis der Planrechtfertigung auf die Rüge eines Naturschutzvereins trotz dessen beschränkter Rügebefugnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG) zu prüfen ist. Denn die Planrechtfertigung ist für das im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zum Fernstraßenausbaugesetz in der Fassung vom 20. Januar 2005 (BGBl. I S. 201) - FStrAbG - dem vordringlichen Bedarf zugeordnete Vorhaben gegeben. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG entsprechen die in den Bedarfsplan aufgenommenen Bauvorhaben den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG. Die Feststellung, dass ein Verkehrsbedarf besteht, ist für die Planfeststellung nach § 17 Satz 1 FStrG verbindlich (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG). Diese Bindung gilt auch für das gerichtliche Verfahren (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <345 ff.> und vom 21. März 1996 - 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <390>). Danach ist das Vorbringen, für den planfestgestellten Autobahnabschnitt bestehe kein Verkehrsbedarf, durch die gesetzgeberische Entscheidung grundsätzlich ausgeschlossen.

54

Anhaltspunkte, dass die Bedarfsfeststellung fehlerhaft und verfassungswidrig sein könnte, bestehen nicht. Das wäre nur der Fall, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich wäre, weil es für die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raumes an jeglicher Notwendigkeit fehlte oder sich die Verhältnisse seit der Bedarfsentscheidung des Gesetzgebers so grundlegend gewandelt hätten, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden könnte (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 25 ff.). Solche Gründe liegen nicht vor. Dass für die A 20 nicht von einem Wegfall des gesetzlichen Bedarfs auszugehen ist, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - (BVerwGE 148, 373 Rn. 26) entschieden. In diesem Verfahren hat er auch entschieden, dass der Bedarfsplan nicht deswegen gegenstandslos geworden ist, weil er entgegen § 4 Satz 1 Halbs. 2 FStrG nur unvollständig überprüft und keine strategische Umweltprüfung durchgeführt worden ist. Daran ist festzuhalten.

55

Die Kritik an der Verkehrsprognose für den planfestgestellten Abschnitt ist nicht geeignet, die Grundlagen der gesetzlichen Bedarfsfeststellung und -überprüfung in Frage zu stellen. Die angeordnete Bindungswirkung der gesetzlichen Bedarfsfeststellung zielt darauf ab, das straßenrechtliche Planfeststellungsverfahren und damit ebenso einen anschließenden Verwaltungsprozess von einem Gutachterstreit über die "richtigere" Verkehrsprognose zu entlasten. Dieser Zweck des § 1 Abs. 2 FStrAbG schließt es somit aus, den Abwägungsvorgang, den der Gesetzgeber auf dieser Stufe vollzogen hat, unter dem Blickwinkel fachlich zu überprüfen, ob eine andere Verkehrsprognose vorzugswürdig sein könnte. Entscheidend ist allein, ob das Ergebnis der Normsetzung den anzulegenden verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt (BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 26 und vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 236 Rn. 24 ).

56

Hiernach ist die Kritik an der vorhabenbezogenen Verkehrsprognose von vornherein nicht geeignet, die Bedarfsfeststellung in Frage zu stellen. Die Klägerseite hat mit ihrer Kritik, die Verkehrsprognose überschätze das zu erwartende Verkehrsaufkommen, nicht darzulegen vermocht, dass es an jeglichem Verkehrsbedarf für eine vierstreifige Autobahn fehlt. Nach den von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erarbeiteten Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA) ist bereits ab einer Verkehrsstärke von 18 000 Kfz/24 h der Einsatzbereich des vorliegend für die freie Strecke außerhalb des Tunnelbereichs gewählten Regelquerschnitts RQ 31 erreicht (RAA S. 22). Auf eine evident fehlerbehaftete Bedarfsentscheidung führt auch nicht die Kritik der Klägerseite an den Überlegungen zur Anbindung des Ostseeraums und die weiteren wirtschafts- und regionalpolitischen Gründe für den Bau der Autobahn. Dass solche Gründe berücksichtigt werden dürfen und der Evidenzmaßstab nicht durch eine allgemein gehaltene Kritik erschüttert werden kann, ist nicht zweifelhaft (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 236 Rn. 24 f. ).

57

b) Die Planrechtfertigung fehlt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit des Vorhabens.

58

Die Art der Finanzierung ist nicht Gegenstand des fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses (BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1999 - 4 A 12.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154 S. 30 f.). Allerdings darf die Planfeststellungsbehörde den Mangel der Finanzierbarkeit eines Vorhabens nicht ignorieren. Eine aus finanziellen Gründen nicht realisierbare Planung ist rechtswidrig und unzulässig. Ihr fehlt die Planrechtfertigung, weil sie nicht vernünftigerweise geboten ist. Die Planfeststellungsbehörde hat deshalb bei der Planaufstellung vorausschauend zu beurteilen, ob dem geplanten Bauvorhaben unüberwindbare finanzielle Schranken entgegenstehen (BVerwG, Urteile vom 20. Mai 1999 - 4 A 12.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154 S. 31 f. und vom 24. November 1989 - 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123 <128>). Diese Einschätzung setzt einen Zeithorizont voraus, der sich an der Geltungsdauer des nicht ausgenutzten Planfeststellungsbeschlusses orientiert (BVerwG, Urteil vom 24. November 1989 - 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123 <128>). Mithin beträgt der Zeithorizont für diese Betrachtung 15 Jahre nach Planerlass (vgl. § 17c Nr. 1 FStrG).

59

In Anwendung dieser Grundsätze muss nicht damit gerechnet werden, dass der Bau des Tunnels bis zum Jahresende 2030 aus finanziellen Gründen scheitern wird. Die Elbquerung ist als sogenanntes "F-Modell" nach dem Gesetz über den Bau und die Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private in der Fassung vom 1. September 2002 (BGBl. I S. 3442) bzw. der Bekanntmachung vom 6. Januar 2006 (BGBl. I S. 49) sowohl im Bundesverkehrswegeplan 2003 als auch aktuell in der Projektliste des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur 2015 als Öffentlich-Privates-Partnerschafts-Modell der "neuen Generation" enthalten. Dies bedeutet, dass es für eine ÖPP-Finanzierung in Betracht kommt und eine solche Finanzierung geprüft werden soll. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 203) stellt darauf ab, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung eine Finanzierung als F-Modell noch nicht feststand, weist aber darauf hin, dass nach der vorliegenden Eignungsabschätzung eine solche grundsätzlich als möglich und machbar anzusehen sei. Sollte sich zeigen, dass das F-Modell nicht wirtschaftlich sei, werde auch der verfahrensgegenständliche Abschnitt klassisch finanziert. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Die Kritik der Klägerseite richtet sich vor allem gegen die vom Vorhabenträger in Auftrag gegebene Eignungsabschätzung zur Finanzierbarkeit des Tunnels durch ein Mautmodell. Daran ist richtig, dass die Eignungsabschätzung 2014 gegenüber dem Entwurf 2011 von höheren Mautbeträgen ausgeht und danach eine Wirtschaftlichkeit des F-Modells errechnet. Dass die Eingangsparameter bezüglich der Mauthöhe verändert wurden, wird in der Eignungsabschätzung ebenso offengelegt wie der Umstand, dass schon bei einer geringen Erhöhung der mit 1,1 Mrd. € zugrunde gelegten Baukosten das Modell nicht mehr die für erforderlich erachtete Eigenkapitalrendite erwirtschaften kann. Bei den vom Bundesrechnungshof vorherberechneten Kosten von 1,48 Mrd. € ist damit eine Finanzierung mittels des hier betrachteten F-Modells nicht darstellbar. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, dass eine Finanzierung des Abschnitts innerhalb des Geltungszeitraums des Planfeststellungsbeschlusses überhaupt nicht realisierbar ist.

60

Der Beklagte hat insoweit mit Schriftsatz vom 26. Februar 2016 eine Erklärung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 12. Januar 2016 vorgelegt, wonach das Vorhaben, falls es nicht als F-Modell verwirklicht werden kann, nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel konventionell finanziert werde. Er verweist zur Bekräftigung der Aussage darauf, dass entsprechend bei zwei anderen, ursprünglich als F-Modell geplanten Vorhaben verfahren worden sei. Diese Erklärung bestätigt die Annahme im Planfeststellungsbeschluss, dass der vorliegende Tunnelabschnitt auf jeden Fall realisiert werden soll und die dafür notwendigen Finanzmittel im Rahmen der Investitionsplanung zur Verfügung gestellt werden. Angesichts des in die Betrachtung einzubeziehenden Zeithorizontes bis Ende 2030 stellt die Notwendigkeit, das Vorhaben nach Verabschiedung des neuen Bedarfsplans in den Investitionsrahmenplan des Bundes aufzunehmen, kein Hindernis dar, das geeignet wäre, die Realisierbarkeit aus finanziellen Gründen in Frage zu stellen.

61

4. Der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung erklärten Ergänzungen wird den Anforderungen, die an die Tunnelsicherheit zu stellen sind, gerecht.

62

Ob die Anforderungen an die Bausicherheit des Tunnels und an das Sicherheitskonzept aufgrund von § 4 Satz 1 FStrG und der europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Mindestanforderungen an die Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Straßennetz (ABl. L 201 S. 56) - Tunnelrichtlinie - Tunnel-RL - auf die Klage eines anerkannten Naturschutzvereins hin trotz dessen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG beschränkter Rügebefugnis zu prüfen sind, kann offenbleiben. Denn die Tunnelsicherheit ist gegeben.

63

Nach § 4 Satz 1 FStrG hat der Träger der Straßenbaulast dafür einzustehen, dass seine Bauten allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Diesen Anforderungen genügt er im Regelfall, wenn das Tunnelbauwerk den Anforderungen der Tunnelrichtlinie bzw. der diese umsetzenden Vorgaben der RABT 2006 entspricht. Im Falle einer besonderen Charakteristik eines Tunnels können zusätzliche Maßnahmen erforderlich werden. Der Straßenbaulastträger hat in Konkretisierung dieser Regelungen eigenverantwortlich zu bestimmen, welche Maßnahmen angemessen sind, um im Einzelfall Sicherheitsrisiken auszuschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2000 - 4 A 51.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 159 S. 67 f. und Beschluss vom 22. Juni 2015 - 4 B 64.14 - juris Rn. 21).

64

a) Die Tunnelrichtlinie ist durch die RABT 2006 ordnungsgemäß umgesetzt worden. Insbesondere bedurfte es keiner Umsetzung der Richtlinie in Form eines förmlichen Gesetzes. Der Senat folgt der Einschätzung der Europäischen Kommission (Generaldirektion Energie und Verkehr), die in ihrem Schreiben vom 29. September 2004 an das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Ergebnis gekommen ist, aus der Tunnelrichtlinie könnten keine individuell einklagbaren Rechte abgeleitet werden, weshalb eine Umsetzung durch förmliches Gesetz europarechtlich nicht gefordert werde. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12. Dezember 1996 - C-298/95 [ECLI:EU:C:1996:501], Muschelgewässer-RL - folgt nichts anderes. In dieser, wie auch in den darin in Bezug genommenen weiteren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, wurden den Mitgliedstaaten durch die Richtlinien individuell einklagbare konkrete Verpflichtungen auferlegt. Daran fehlt es vorliegend. Der Anregung, die Frage der ordnungsgemäßen Umsetzung dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, folgt der Senat daher nicht.

65

b) Die Rüge, die RABT 2006 setze die Tunnelrichtlinie in Bezug auf die Einsatzdienste und die anzustellende Risikoanalyse nicht ordnungsgemäß um, greift ebenfalls nicht durch.

66

Die Einsatzdienste sind in der RABT 2006 berücksichtigt worden. So findet sich in Abschnitt 0.4 die Zugriffszeit der Einsatzdienste in der Liste der Parameter, die die Sicherheit beeinflussen. Zudem übernimmt die RABT 2006 den für die Einsatzdienste maßgeblichen Erwägungsgrund (11) und Art. 2 Nr. 2 Tunnel-RL nahezu wörtlich. Auch Abschnitt 6.1.3 der RABT 2006 greift den Aspekt der Nutzbarkeit von Tunnelelementen für die Einsatzdienste auf. Die Vorgaben von Art. 13 Abs. 2 Tunnel-RL, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass auf nationaler Ebene eine präzise, genau definierte und optimaler Praxis entsprechende Methodik angewandt wird, sind ebenfalls erfüllt. Wie die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass auf nationaler Ebene eine diesen Anforderungen entsprechende Methode angewandt wird, steht ihnen nach Art. 13 Abs. 2 Tunnel-RL frei. Mit dem "Leitfaden für Sicherheitsbewertungen von Straßentunneln gemäß RABT 2006 (Abschnitt 0.5)" sowie dem darin in Bezug genommenen Forschungsbericht der Bundesanstalt für Straßenwesen "Bewertung der Sicherheit von Straßentunneln" (Heft B 66) sowie dem Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen "Quantitative Risikoanalysen für Straßentunnel" (Heft B 58) steht eine hinreichend präzise Methodik zur Verfügung. Der Leitfaden und die Berichte sind in den einschlägigen Fachkreisen bekannt und stehen auf entsprechende Anforderung jedermann zur Verfügung. Dass der Leitfaden unter Beteiligung der im vorliegenden Verfahren als Gutachter der Beklagten auftretenden B. AG erstellt worden ist, ist nicht geeignet, Zweifel an der Methodik zu wecken, und auch im Übrigen unbedenklich.

67

c) Es kann dahinstehen, ob Anhang I Nr. 2.4.1. Tunnel-RL, der für Doppelröhrentunnel "mindestens alle 1 500 m eine von den Einsatzdiensten nutzbare Querverbindung zwischen den beiden Röhren" verlangt, neben der Begehbarkeit auch die Befahrbarkeit der Querverbindungen für Einsatzkräfte voraussetzt. Denn der Beklagte hat durch den in der mündlichen Verhandlung am 12. April 2016 übergebenen überarbeiteten Bauwerksübersichtsplan alle 1 200 m für die Einsatzkräfte befahrbare Querverbindungen festgesetzt. Ferner hat er durch eine Ergänzung der Nebenbestimmung 2.1.2.4 sichergestellt, dass die Verkehrsfreigabe davon abhängig gemacht wird, dass der südwestlich anschließende Abschnitt auf niedersächsischem Gebiet ebenfalls befahrbare Querschläge in einem Abstand von maximal 1 200 m anordnet. Angesichts der Dauer der Baumaßnahmen für das Vorhaben von mindestens sechs Jahren und der Tatsache, dass im hier zur Überprüfung gestellten Abschnitt nur ein weiterer Querschlag so ausgestaltet werden muss, dass er auch befahrbar ist, ist nichts dafür erkennbar, dass die - gemessen an dem Gesamtbauvorhaben - zu vernachlässigende Vergrößerung des Durchmessers zu einer Bauverzögerung oder zu stärkeren Umweltauswirkungen führen könnte. Die von den Klägern in den Verfahren 9 A 10.15 und 9 A 14.15 gestellten Beweisanträge, die sich der Kläger des vorliegenden Verfahrens jedenfalls als Anregung zu eigen gemacht hat, erweisen sich damit als Ausforschungsanträge, denen nicht nachzugehen war.

68

d) Die vom Beklagten angestellte Sicherheitsprognose beruht auf einer RABT-konformen Risikoanalyse.

69

Eine Risikoanalyse ist durchzuführen, wenn ein Tunnel ab 400 m Länge hinsichtlich der in Abschnitt 0.4 RABT 2006 genannten Parameter eine besondere Charakteristik aufweist. Sie dient dazu festzustellen, ob zur Gewährleistung der Sicherheit im Tunnel zusätzliche und/oder verstärkte Maßnahmen erforderlich sind, die über dem Standard der RABT 2006 liegen (Abschnitt 0.5 RABT 2006). Als besondere Charakteristika, die eine Risikoanalyse erforderlich machen, nennt der Planfeststellungsbeschluss die geplante Tunnellänge von 5,671 m, den maschinellen Schildvortrieb mit gleichbleibendem Röhrenquerschnitt, das Tunnelportal unterhalb des Grundwasserspiegels sowie die Neigung im Längsgefälle der Nordrampe von 4 % (PFB S. 222). In der Risikoanalyse wird als weitere besondere Charakteristik ein Schwerverkehrsanteil von über 15 % genannt.

70

aa) Die Analysemethode der Risikoanalyse ist nicht zu beanstanden. Die vom Vorhabenträger beauftragten Ingenieurbüros haben entsprechend dem Leitfaden für Sicherheitsbewertungen von Straßentunneln gemäß RABT 2006 eine quantitative Sicherheitsanalyse durchgeführt. Der Leitfaden schreibt eine solche Vorgehensweise vor, wenn eine Vorprüfung zeigt, dass die Abweichungen zu den Vorgaben der RABT 2006 mehr als nur gering sind bzw. der Tunnel eine besondere Charakteristik aufweist. Die - entgegen der missverständlichen Bezeichnung - deutlich geringere Anforderungen an die Untersuchungstiefe stellende sogenannte qualitative Risikoanalyse kommt dagegen nur in Betracht, wenn davon ausgegangen werden kann, dass eine Abweichung zu den Vorgaben der RABT 2006 zu keiner maßgeblichen Erhöhung der Risiken führt. Die Kritik, bei der quantitativen Sicherheitsbewertung würden qualitative Aspekte unberücksichtigt bleiben, trifft im Übrigen nicht zu. In allen drei Verfahrensabschnitten, in die die quantitative Sicherheitsbewertung unterteilt ist (Risikoanalyse, Risikobewertung und Maßnahmenplanung), fließen qualitative Überlegungen und Einschätzungen ein. Dies gilt insbesondere für die Maßnahmenplanung. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht zu beanstanden, dass keine Sensitivitätsuntersuchungen durchgeführt wurden. Der Gutachter des Beklagten, Bal., hat in seiner Stellungnahme vom 24. Juni 2015 und in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass Sensitivitätsuntersuchungen nach dem Leitfaden für Sicherheitsbewertungen nicht vorgesehen seien, der unscharfe Bereich infolge eventuell nicht genauer Eingangsdaten jedoch bei der Bewertung berücksichtigt werde. In der Risikoanalyse werde ein Relativvergleich zwischen unterschiedlichen Varianten durchgeführt. Mögliche Unschärfen verschöben daher möglicherweise das Gesamtergebnis; die Relationen untereinander blieben aber weitgehend erhalten.

71

bb) Es hat eine umfassende und ausreichende Szenarienuntersuchung stattgefunden.

72

Ein gleichzeitiger Brand in beiden Röhren musste nicht untersucht werden. Der Gutachter Bal. hat überzeugend dargelegt, dass die Sicherheitskonzeption der Richtlinie darauf beruhe, dass die zweite Tunnelröhre als Fluchtbereich genutzt werden könne. Dahinter stehe der Gedanke, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit für Doppelereignisse denkbar gering sei. Bei einer Berücksichtigung von Mehrfachereignissen würde die systematische Grenze erreicht, bei der das gesamte Sicherheitskonzept der Richtlinie "auf den Kopf gestellt" würde. Der vom Kläger beauftragte Gutachter Bas. hat dieser Aussage ausdrücklich zugestimmt und betont, europaweit werde nur ein einzelnes Szenario zugrunde gelegt.

73

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Frage, ob Gefahrguttransporte im Tunnel zugelassen werden können, in der Risikoanalyse nicht behandelt wird. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 13. März 2008 - 9 VR 9.07 - (Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 33 Rn. 52) entschieden hat, liegt die straßenverkehrsrechtliche Regelung für Gefahrguttransporte nicht bei der Planfeststellungsbehörde, sondern bei den Straßenverkehrsbehörden, die gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten können. Im Planfeststellungsbeschluss sind die bautechnischen Probleme zu bewältigen, die ein Straßentunnel für die Durchleitung des Gefahrgutverkehrs aufwirft. Dies ist hier geschehen. Der Planfeststellungsbeschluss stellt insoweit sicher, dass eine automatische Brandbekämpfungsanlage nachgerüstet werden kann und die Risikoanalyse über die Zulässigkeit von Gefahrguttransporten vor Inbetriebnahme des Straßentunnels vorgelegt wird. Ebenso ist das Entwässerungssystem richtlinienkonform ausgeführt, insbesondere sind unter anderem zur Aufnahme von auslaufenden Flüssigkeiten und von Löschwasser in der Tunnelfahrbahn Schlitzrinnen mit abgeschotteten Halterungen vorgesehen (Erläuterungsbericht zur Planfeststellung 4.5.2).

74

Der Beklagte hat auf die entsprechende Rüge der Klägerseite Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass auch 100-MW-Brandereignisse untersucht worden sind. Darüber hinausgehende Brandleistungen mussten wegen der sehr geringen Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadensfalles nicht berücksichtigt werden; gleiches gilt für Explosionsrisiken, die bei der Gefahrgutkategorisierung im Rahmen der Gefahrgutanalyse Berücksichtigung finden.

75

In der Risikoanalyse sind mögliche Ausfälle von technischen Betriebsanlagen wie Belüftung, Beleuchtung und Hauptenergieversorgung berücksichtigt worden. Hierfür sind Ausfallwahrscheinlichkeiten entweder in Höhe von 1 % in Ansatz gebracht oder in die Erwartungswerte der Initialereignisse einberechnet worden. Der Gutachter des Beklagten, Bal., hat dies in der mündlichen Verhandlung näher erläutert und darauf hingewiesen, dass man mit der Annahme einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 1 % bei technischen Geräten auf der sicheren Seite sei, da die Hersteller eine Ausfallwahrscheinlichkeit von höchstens 0,2 % garantieren müssten.

76

Die Rüge, die der Risikoanalyse zugrunde liegende Zahl von 0,31 Bränden im Jahr sei zu niedrig angesetzt, ist ebenfalls unbegründet. Die in der Risikoanalyse vorgenommene Berechnung der Brandhäufigkeit stützt sich auf Erhebungen über das Unfallaufkommen in über 80 Straßentunneln in Deutschland. Wie der Gutachter Bal. in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen nachvollziehbar erläutert hat, sind dabei in erheblichem Maße Bestandstunnel enthalten, die hinsichtlich der baulichen und technischen Sicherheitsausrüstungen (zum Beispiel fehlende Standstreifen, fehlende Querschläge) nicht den gegenwärtigen Anforderungen entsprechen. Die Berechnung stelle daher bezogen auf den Sicherheitsstandard des planfestgestellten Zwei-Röhren-Tunnels einen konservativen Ansatz dar. In seiner Stellungnahme vom 24. Juni 2015 hat der Gutachter darauf hingewiesen, dass die Zahlen durch eine weitere Untersuchung aus dem Jahr 2014 bestätigt worden seien. Bei der Berechnung der Brandereignisse würden Brände von mindestens 5 MW, was dem Brand eines Kfz entspreche, erfasst. Erst ab einem solchen Brandereignis bestehe die Gefahr von Personenschäden. Die Zahl der in den Statistiken aufgeführten Gesamtbrandereignisse liege daher regelmäßig deutlich höher, da dort jedes auch ganz kleine und ungefährliche Brandereignis erfasst werde. Eine weitere Ursache für die Annahme einer geringeren Unfall- und Brandhäufigkeit sei die nicht an der Kapazitätsgrenze liegende Verkehrsbelastung der A 20. Die Kritik, die der Gutachter Bas. an der Nichtberücksichtigung des aufgrund des Längsgefälles von mehr als 3 % erhöhten Unfallpotentials bei der Berechnung der Unfallhäufigkeit in der Risikoanalyse geübt hat, greift in diesem Zusammenhang nicht durch. Denn die für die erhöhte Längsneigung in Ansatz gebrachten Korrekturfaktoren sind bei der in Kapitel 4 der Risikoanalyse vorgenommenen Berechnung der Kollisionshäufigkeiten infolge der besonderen Charakteristik - anders als in Kapitel 3 der Risikoanalyse - tatsächlich berücksichtigt worden. Die unter Anwendung der Korrekturfaktoren ermittelten jährlich 18 Kollisionen haben bei der Ermittlung der Häufigkeit von Bränden infolge von Kollisionen Eingang gefunden (S. 119 der Risikoanalyse).

77

Die Risikoanalyse ist von einem Schwerverkehrsanteil von 16,3 % ausgegangen und hat berücksichtigt, dass nach Anhang I Nr. 1.3.2. Tunnel-RL insoweit ein zusätzliches Risiko vorliegt. Dass der Planfeststellungsbeschluss aufgrund späterer Aktualisierungen nur einen LKW-Anteil von 12,2 % prognostiziert, ist daher ohne Auswirkungen geblieben. Durch den in Ansatz gebrachten erhöhten LKW-Anteil ist zugleich sichergestellt, dass etwaige zukünftige Erhöhungen gegenüber der Prognose im Planfeststellungsbeschluss wie auch etwaige Defizite bei der dortigen Berechnung des LKW-Anteils ohne Auswirkungen auf die Risikoeinschätzung bleiben.

78

Der in der mündlichen Verhandlung durch den Gutachter Bas. geäußerten Kritik, die Risikoanalyse habe nur einen Brand am Tiefpunkt betrachtet, ungünstige Szenarien mit einer meteorologisch beeinflussten Rauchausbreitung entgegen der Verkehrsrichtung nicht berücksichtigt sowie eine zu kurze Detektionszeit von 60 Sekunden angenommen, ist der Gutachter Bal. in allen Punkten überzeugend entgegengetreten. Er hat die Berechtigung der Kritik im Grundsatz nicht in Frage gestellt, jedoch auf den hohen Aufwand hingewiesen, den die Berechnung von Bränden an verschiedenen Stellen des Tunnels erfordere. Daher habe man den schlechtesten Punkt der Steigung berechnet und diese Ergebnisse auf alle Tunnelpunkte übertragen. Auch bei den meteorologischen Verhältnissen sei man von den schlechtesten Winddruckbedingungen ausgegangen. Ebenso sei man bei der Brandentwicklung vom schlechtesten Fall eines Flüssigkeitsbrandes ausgegangen, obwohl gerade bei LKW-Bränden eine langsame Brandentwicklung typisch sei. Hinsichtlich der Detektionszeit hat der Gutachter erläutert, dass diese tatsächlich schwer zu ermitteln sei, die Angaben der Tunnelbetreiber würden stark schwanken. Gleichwohl sei man von 60 Sekunden ausgegangen, da dies dem Leitfaden entspreche und nicht unrealistisch sei. Im Übrigen führe eine längere Detektionszeit zu einer Verschiebung auch bei dem Referenztunnel, ohne dass es zu signifikant anderen Betrachtungen der Kostenwirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen (Verkürzung der Detektionszeit auf 15 Sekunden und Geschwindigkeitsüberwachung) komme. Durch die verschiedenen vorgesehenen Detektionssysteme könnten auch Brände mit verzögerter Energiefreisetzung erfasst werden.

79

cc) Die planfestgestellte Sicherheitsausstattung des Tunnels steht mit den Anforderungen der RABT 2006 und der Tunnelrichtlinie in Einklang.

80

Der Kritik des Klägers an dem Beleuchtungsniveau, den verkehrstechnischen Einrichtungen, dem Tunnelfunk und der Stromversorgung, dem Löschwassersystem, der Entwässerungskapazität und dem Entwässerungssystem sowie an den Aufstellflächen für die Rettungsdienste ist der Beklagte jeweils im Einzelnen entgegengetreten und hat diese entkräftet. Hierauf wird verwiesen.

81

Dem Einwand, die technischen Anforderungen an die Lüftungsanlage seien entgegen der RABT 2006 (Abschnitt 0.4) nicht im verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses geregelt worden, hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung durch eine entsprechende Ergänzung der Nebenbestimmung 2.1.2.4 Rechnung getragen. Den vom Kläger geäußerten Bedenken hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Lüftungs- und Entrauchungsanlage hat dessen eigener Gutachter in der mündlichen Verhandlung den Boden entzogen, indem er die Anlage als "extrem gut" bezeichnet hat.

82

Die Belange behinderter Personen sind in der Planfeststellung hinreichend berücksichtigt worden. In der Gesamtsicherheitsdokumentation wird darauf hingewiesen, dass die RABT 2006 insofern noch keine konkreten Vorschriften enthalte und neuere Entwicklungen in der Ausführungsplanung in Form von Planänderungen und -ergänzungen zu berücksichtigen seien. Gleichzeitig seien einzelne bauliche Elemente wie eine rollstuhlgerechte Reduzierung des Hochbordes der Notgehwege, stufenlose Wege in die Querschläge und rollstuhlgerechte Breiten der Notausgangstüren bereits verwirklicht worden.

83

dd) Die planfestgestellten, in der mündlichen Verhandlung ergänzten zusätzlichen Maßnahmen, mit denen der (erhöhten) Längsneigung und der besonderen Charakteristik des Tunnels Rechnung getragen wird, sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

84

Als zusätzliche Maßnahmen zur Steigerung des Sicherheitsniveaus werden in der Risikoanalyse eine verkürzte Branddetektion (verkürzte Ereignisdetektion) und zusätzlich eine Überwachung der Geschwindigkeit vorgeschlagen. Da die Verkürzung der Branderkennung das Schadensausmaß positiv beeinflusse, die Überwachung der Höchstgeschwindigkeit dagegen die Häufigkeit des Schadenseintritts reduziere, schlägt die Risikoanalyse die Umsetzung beider Maßnahmen vor. Hierdurch könne das Sicherheitsniveau eines Vergleichstunnels mit 3 % Längsneigung übertroffen werden. Andere denkbare Maßnahmen wie eine (weitere) Verkürzung der Abstände der Querverbindungen und eine automatische Brandbekämpfungsanlage wurden bereits im Weg der Grobanalyse bzw. nach Erstellung einer entsprechenden Zusatzuntersuchung ausgeschlossen.

85

Die Kritik hieran greift nicht durch. Die planfestgestellten Maßnahmen sind wirksam (1). Der abwehrende Brandschutz durch die Feuerwehr ist sichergestellt (2). Die Anordnung einer automatischen Brandbekämpfungsanlage hat der Planfeststellungsbeschluss in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt (3).

86

(1) Durch die Ergänzung der Nebenbestimmung 2.1.2.4 in der mündlichen Verhandlung ist die Verkürzung der Ereignisdetektion um 45 Sekunden auf 15 Sekunden (auch) in den verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses aufgenommen und die höchstzulässige Geschwindigkeit auf 80 km/h festgesetzt worden. Damit sind die vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit der angeordneten Verkürzung der Ereignisdetektion sowie hinsichtlich der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ausgeräumt. An der Wirksamkeit der Ereignisdetektion bestehen nach der übereinstimmenden Einschätzung der in der mündlichen Verhandlung gehörten Gutachter, Bal. und Bas., keine Zweifel. Soweit der Gutachter Bas. die Technik als noch nicht ausgereift bezeichnet hat, ist dem der Gutachter des Beklagten mit dem Hinweis entgegengetreten, bei dem heutigen Stand der Technik sei eine praxistaugliche Einstellung der empfindlichen Anlagen möglich. Seine Einschätzung wird durch den Umstand bestätigt, dass die automatische Videodetektion nach den übereinstimmenden Angaben der Gutachter in allen Straßentunneln Münchens bereits Anwendung findet und sich dort bewährt hat. Der Senat hat daher keine Zweifel, dass sie auch im planfestgestellten Elbtunnel der A 20 zuverlässig und mit Erfolg eingesetzt werden kann.

87

(2) Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob und, wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage in einem straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss nach dem Bundesfernstraßengesetz in besonders gelagerten Fällen dem Vorhabenträger und damit dem Baulastträger Bund aufgegeben werden kann, für ein Tunnelbauwerk (eigene) Feuerwehrkräfte bereitzuhalten oder Feuerwehrkräfte des Landes zu finanzieren, bedarf keiner Vertiefung (vgl. zur Anordnung der straßennotwendigen Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen im Planfeststellungsbeschluss BVerwG, Beschlüsse vom 23. Mai 2013 - 9 B 45.12 - juris Rn. 3 und vom 7. Juli 2007 - 4 B 94.99 - juris Rn. 17; zu betriebsregelnden Anordnungen im Eisenbahnrecht BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 - 7 A 28.12 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 71 Rn. 55 mit kritischen Anmerkungen Vallendar, UPR 2014, 241 <241 ff.>). Denn vorliegend erweist sich das auf eine solche Anordnung verzichtende Brandschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses jedenfalls unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung des Landes Schleswig-Holstein und der das Brandschutzkonzept betreffenden Ergänzungen des Beklagten als tragfähig.

88

Der Senat hat hierzu in seinem die Gemeinde K. betreffenden Urteil vom heutigen Tag im Verfahren 9 A 8.15 ausgeführt:

"Der Planfeststellungsbeschluss ist auf der Grundlage zweier Untersuchungen zur Bewertung der Möglichkeiten und Grenzen eines Feuerwehreinsatzes im Tunnelbauwerk durch das Gutachterbüro D. vom 8. Juni 2009 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Übertragung der Rettung und Brandbekämpfung auf die umliegenden Freiwilligen Feuerwehren mit der entsprechenden technischen Ausstattung sowie mit Ausbildung und Training für Tunnelbrände möglich sei. Für Schleswig-Holstein geht der Planfeststellungsbeschluss (S. 241) davon aus, dass hauptamtliche Kräfte für den Ersteinsatz vorgesehen werden. Die Organisation und Durchführung des abwehrenden Brandschutzes obliege dem Land, das zusammen mit den betroffenen Kreisen und Gemeinden ein entsprechendes Sicherheitskonzept zu erarbeiten und den Brandschutz sicherzustellen habe.

In seiner am 12. April 2016 in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärung hat das Land Schleswig-Holstein nicht nur (deklaratorisch) seine gesetzlich ohnehin bestehende Verpflichtung nach dem schleswig-holsteinischen Brandschutzgesetz zur Unterstützung der Klägerin und des Kreises Steinburg bekräftigt, sondern sich darüber hinaus ausdrücklich verpflichtet, hauptamtliche Wachabteilungen für die Elbquerung zu schaffen und hierfür finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Auch wenn damit noch nicht über die Höhe der finanziellen Mittel, die das Land zur Verfügung stellen wird, entschieden ist, steht durch diese Erklärung fest, dass hauptamtliche Wachabteilungen der Feuerwehren mit der hierfür erforderlichen finanziellen Hilfe des Landes eingerichtet werden. Durch die Ergänzung der Nebenbestimmung 2.1.2.4 um eine Ziffer 5, durch die die Verkehrsfreigabe von der Vorlage eines die Sicherstellung des abwehrenden Brandschutzes belegenden Sicherheitskonzepts abhängig gemacht wird, wird die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtung vor der Inbetriebnahme des Tunnelbauwerks gewährleistet. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob auch ohne derartige Erklärungen die Planfeststellungsbehörde im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses von der Sicherstellung des abwehrenden Brandschutzes für das Tunnelbauwerk durch die Freiwilligen Feuerwehren der Klägerin und des Kreises Steinburg ausgehen durfte und ob der Klägerin hierdurch die Erfüllung der ihr nach § 2 BrSchG SH obliegenden Selbstverwaltungsaufgabe, den örtlichen Brandschutz zu gewährleisten, wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht worden wäre. Denn durch die abgegebenen Erklärungen ist der von der Klägerin geltend gemachten Forderung nach Errichtung einer mit hauptamtlichen Feuerwehrkräften besetzten 'Tunnelwache' und finanzieller Unterstützung in der Sache Rechnung getragen worden. Ein darüber hinaus gehender Anspruch, dies durch eine an den Vorhabenträger gerichtete Auflage zu regeln, steht der Klägerin ebenso wenig zu wie der Anspruch, von allem Mehraufwand freigestellt zu werden, der ihr durch den Planfeststellungsbeschluss bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß § 2 BrSchG SH entsteht. Finanziellen Mehrbelastungen, die durch eine neu errichtete Straße verursacht werden, ist allenfalls im Rahmen des Finanzausgleichs, nicht jedoch im Rahmen der Planfeststellung Rechnung zu tragen."

89

(3) Weder die Tunnelrichtlinie noch die im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses geltende RABT 2006 schreiben den Einsatz einer automatischen Brandbekämpfungsanlage vor. Beide Regelwerke verwenden den Begriff nicht. Auch der Entwurf der für 2016 geplanten Neufassung der RABT sieht die automatische (stationäre) Brandbekämpfungsanlage nicht als Regelausstattung eines Tunnels vor, sondern nur in Ausnahmefällen als eine Option, wenn durch eine Verstärkung der zwingend vorgeschriebenen Ausstattungsmerkmale keine ausreichende Sicherheit erreicht wird oder diese Maßnahmen wirtschaftlich nicht vertretbar sind. Der Beklagte war daher nicht verpflichtet, eine automatische Brandbekämpfungsanlage vorzusehen, sondern hatte über den Einsatz einer solchen Anlage im Rahmen der auf der Grundlage der Risikoanalyse vorzunehmenden Prüfung, ob zur Gewährleistung der Sicherheit des Tunnels zusätzliche Maßnahmen oder weitere Ausrüstungen notwendig sind, zu entscheiden. Diese Entscheidung hält einer Überprüfung stand.

90

In den Untersuchungen durch das Gutachterbüro D. vom 8. Juni 2009 wird zwar eine automatische Brandbekämpfungsanlage als wirksame Alternative zu einer Werkfeuerwehr vorgeschlagen. Die im Mai 2010 erstellte zusätzliche Untersuchung zur Wirksamkeit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage (Zusatzbericht zur Risikoanalyse) kommt aber bezogen auf den darin allein untersuchten Personenschutz zu dem Ergebnis, dass eine solche Anlage zusätzlich zur Rauchabsaugung zwar das Sicherheitsniveau beider Röhren über das der Mindestanforderungen der RABT 2006 hebe. Hinsichtlich der Selbstrettungsmöglichkeiten sei durch das zusätzliche Aktivieren einer automatischen Brandbekämpfungsanlage im Vergleich zur reinen Rauchabsaugung nur eine geringfügige Verbesserung zu erwarten, weshalb wegen der mit deren Installation verbundenen hohen Zusatzkosten einer verkürzten Detektionszeit der Vorzug zu geben sei.

91

Gestützt hierauf lehnt der Planfeststellungsbeschluss die automatische Brandbekämpfungsanlage ab. Der Baulastträger sei nicht verpflichtet, den bestmöglichen oder optimalen Standard zu gewährleisten. Das gelte auch dann, wenn dieser Standard die Arbeit der Feuerwehren erleichtere. Gleichzeitig hat der Planfeststellungsbeschluss dem Vorhabenträger in der Nebenbestimmung 2.1.2.4 unter Ziffer 2 jedoch aufgegeben, vor Inbetriebnahme des Tunnels den Stand der Technik darauf zu prüfen, ob sich abweichende Erkenntnisse zur Erforderlichkeit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage ergeben haben; gegebenenfalls ist der Vorhabenträger auf seine Kosten zur Nachrüstung verpflichtet.

92

Die mündliche Verhandlung hat diese Entscheidung der Planfeststellungsbehörde als vertretbar bestätigt.

93

Der Gutachter des Beklagten, Bal., hat den Einbau einer automatischen Brandbekämpfungsanlage für einen 100 % wirksamen Bautenschutz als sinnvoll bezeichnet und einer solchen Anlage auch für die Selbstrettung einen positiven Wert beigemessen, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass es diesbezüglich auch negative Auswirkungen gebe. So werde die zunächst stabile Schichtung des Rauchs zerstört, wodurch die Selbstrettung behindert werde. Es sei noch nicht hinreichend erforscht, welche Auswirkungen ein Schaum- oder Wasserregen auf das Rettungsverhalten der Betroffenen und die Sichtverhältnisse habe. Durch das Versprühen von Schaum oder Wasser bestehe jedenfalls die Gefahr, dass Autofahrer nicht mehr aus ihrem Fahrzeug ausstiegen. Im Einwirkungsbereich einer automatischen Brandbekämpfungsanlage werde man als Fußgänger "klatschnass". Hinzu komme, dass die automatische Brandbekämpfungsanlage nicht sofort einsatzbereit sei. Es müsse erst der notwendige Wasservorrat und Wasserdruck an der Einsatzstelle aufgebaut werden, weshalb die Anlage erst ca. zwei Minuten nach der Detektion des Brandes wirksam werde und damit zu einem Zeitpunkt, in dem die Selbstrettung im kritischen Bereich abgeschlossen sei. Für mobilitätseingeschränkte Personen könne die automatische Brandbekämpfungsanlage neben Vorteilen auch Nachteile mit sich bringen, eine genaue Abschätzung sei schwer möglich. In der Selbstrettungsphase könne und müsse man auch auf die allgemeine und strafbewehrte Hilfspflicht der anderen Verkehrsteilnehmer bauen.

94

Diese Ausführungen sind durch den Gutachter Bas. nicht grundsätzlich in Frage gestellt worden. Der Gutachter hat die hohe Wirksamkeit der Anlage betont und kritisiert, dass die Kostenwirksamkeit der automatischen Brandbekämpfungsanlage wegen der Nichtberücksichtigung der Korrekturfaktoren bei der Berechnung der Initialereignisse nicht zutreffend bewertet worden sei. Bei richtiger Berechnung wäre man für die Oströhre statt auf ein Kostenwirksamkeitsverhältnis von 1,3 in die Nähe von 1,0 oder darunter und auch für die Weströhre zu einem niedrigeren Wert als 4,2 gekommen. Dies hätte Anlass für eine vertiefte Prüfung gegeben. Dem ist der Gutachter des Beklagten überzeugend mit dem Hinweis entgegengetreten, angesichts der sehr viel höheren Kostenwirksamkeit der planfestgestellten Maßnahmen sei es unerheblich, ob man für eine automatische Brandbekämpfungsanlage auf eine Kostenwirksamkeitsrelation von 1,3 oder 1,0 oder 0,9 komme. Dann jedenfalls lägen die Werte ganz erheblich über den Werten, die durch die planfestgestellten Maßnahmen erreicht würden.

95

Der Einbau einer automatischen Brandbekämpfungsanlage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Bautenschutzes erforderlich. Zwar wird unter diesem Gesichtspunkt die Installation einer automatischen Brandbekämpfungsanlage in den erwähnten Berichten der D. empfohlen. In der mündlichen Verhandlung wurde vom Gutachter Bal. allerdings überzeugend erklärt, dass die Annahme einer Vollbrandphase von 55 Minuten auch bei großen Bränden dem tatsächlichen Brandgeschehen entspreche und bei der Verwendung der vorgesehenen Brandschutzplatten gemäß den Anforderungen der Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING) Teil 5 - Tunnelbau - der Tunnel diese verlängerte Vollbrandphase relativ unbeschadet überstehe. Tunnel würden auch sehr viel längere Brandereignisse überstehen, wie ein Großbrand im Gotthardtunnel gezeigt habe, bei dem die Feuerwehr erst zwei bis drei Tage nach Brandausbruch in den Tunnel gelangt sei. Der Kritik, die erhöhten baulichen Anforderungen an den Brandschutz des Tunnelbauwerks seien nicht planfestgestellt, hat der Beklagte durch einen Blaueintrag in die Bauwerksunterlagen ausgeräumt.

96

Der Beklagte hat schließlich dadurch, dass er den Vorhabenträger verpflichtet hat, vor der Inbetriebnahme des Tunnels zu prüfen, ob eine automatische Brandbekämpfungsanlage mittlerweile dem Stand der Technik entspricht, und gegebenenfalls eine solche Anlage nachzurüsten, sichergestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss an die neuesten technischen Entwicklungen und Erkenntnisse über die Wirksamkeit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage für den Personen- und Bauwerksschutz angepasst wird. Das auf eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Auflage zur Ausrüstung des Tunnels mit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage gerichtete Verpflichtungsbegehren musste daher ohne Erfolg bleiben.

97

5. Der Planfeststellungsbeschluss trägt den besonderen Anforderungen an den Schutz von FFH-Gebieten Rechnung.

98

Das FFH-Gebiet "DE 2222-321 Wetternsystem in der Kollmarer Marsch" umfasst ein 2 - 15 m breites, tief in die Landschaft eingeschnittenes Grabensystem mit ausgeprägten Böschungen in der Elbmarsch auf dem Gebiet der Gemeinde Kollmar. Die oberhalb der Böschungen an die Sielverbandsvorfluter angrenzenden Siedlungs-, Grünland-, Acker- und Obstbauflächen sind nicht in die Gebietskulisse einbezogen, sondern ausschließlich die offenen Gräben (Wettern). Das Gebiet hat keinen ständigen Kontakt mit der Elbe. Einziges Erhaltungsziel ist die Erhaltung von Teilen des Grabensystems als Lebensraum der nicht prioritären Art des Schlammpeitzgers (Misgurnus fossilis). Die ebenfalls vorkommende Art des Bitterlings wurde im Zeitpunkt der Verträglichkeitsprüfung als gebietsfremde Tierart eingeschätzt und nicht in die Untersuchung einbezogen. Im Jahr 2006 wurde die Erweiterung des Gebietes geprüft. Dabei wurden zwei Erweiterungsvorschläge mit der vorläufigen Nummer P 2222-322 vorgelegt, die eine Vergrößerung des bestehenden Gebietes um Grabensysteme nördlich (Erweiterungsfläche B) sowie westlich und östlich des bestehenden FFH-Gebietes (Erweiterungsfläche A) vorsahen.

99

a) Die Gebietsabgrenzung ist, soweit entscheidungserheblich, nicht zu beanstanden. Die Maßstäbe für die Gebietsabgrenzung ergeben sich aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABI. L 206 S. 7) - FFH-RL -. Diese Regelung ist nicht nur für die Identifizierung von FFH-Gebieten, sondern auch für deren konkrete Abgrenzung anzuwenden. Maßgebend sind ausschließlich die in Anhang III Phase 1 genannten naturschutzfachlichen Kriterien; Erwägungen, die auf Interessen gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art abstellen, sind nicht statthaft. Für die Anwendung der Kriterien ist den zuständigen Stellen ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt. Zwingend ist eine Gebietsmeldung nur, wenn und soweit die fraglichen Flächen die von der FFH-RL vorausgesetzte ökologische Qualität zweifelsfrei aufweisen. Diese Gebietsteile dürfen nicht ausgespart werden, auch nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Vorhaben. Ein sich aufdrängender Korrekturbedarf muss im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt werden. Nach der Entscheidung der EU-Kommission über die Gebietslistung spricht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Gebietsabgrenzung. Deshalb bedürfen Einwände dagegen einer besonderen Substantiierung; sie müssen geeignet sein, die Vermutung zu widerlegen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. April 2010 - 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 38 ff., vom 28. März 2013 - 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 36 und vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 42).

100

Das ist dem Kläger im Ergebnis nicht gelungen. Er rügt, die Gebietsabgrenzung sei von politischen Erwägungen geleitet gewesen. Die aus naturschutzfachlicher Sicht gebotene Gebietserweiterung um den westlichen Teil der Erweiterungsfläche A und um die nördlich gelegene Erweiterungsfläche B sei im Hinblick auf den geplanten Bau der A 20 unterblieben.

101

aa) Hinsichtlich der Erweiterungsfläche A (West) kann die Frage schon deswegen offenbleiben, weil diese Fläche vorsorglich in die Verträglichkeitsprüfung einbezogen und damit als potentielles FFH-Gebiet behandelt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Vorwirkung des potentiellen FFH-Gebietsstatus darauf gerichtet, zu verhindern, dass diese Gebiete zerstört oder anderweitig beeinträchtigt werden; sie beinhaltet aber keine darüber hinaus gehende "absolute" Veränderungssperre. Trotz vertragswidrigem Verhalten darf danach ein Mitgliedstaat nicht mit Folgen belastet werden, die über jene Einschränkungen hinausgehen, welche die Richtlinie im Fall ordnungsgemäßer Umsetzung selbst vorsieht (BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <22>, vom 15. Januar 2004 - 4 A 11.02 - BVerwGE 120, 1 <10 f.> und vom 14. April 2010 - 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 36). Bei Vorhaben der vorliegenden Art (Infrastrukturvorhaben) stellt jedenfalls die Anlegung der materiell-rechtlichen Maßstäbe des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL in aller Regel eine Schutzmaßnahme dar, die im Hinblick auf das mit der Richtlinie verfolgte Erhaltungsziel geeignet ist, einen "angemessenen Schutz" im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 13. Januar 2005 - C-117/03 [ECLI:EU:2005:16], Dragaggi - Rn. 25 ff.) zu gewährleisten (BVerwG, Beschluss vom 7. September 2005 - 4 B 49.05 - BVerwGE 124, 201 <205 ff.>). Potentielle FFH-Gebiete unterliegen damit keinem absoluten Verschlechterungsverbot. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die erforderliche Gebietserweiterung der Kommission bereits vorgeschlagen worden ist oder dies noch nicht geschehen ist, die Nachmeldung sich aber aufdrängt. Der Europäische Gerichtshof hat über diese Fallgestaltung zwar bisher nicht entschieden; es gibt aber keine stichhaltigen Gründe, sie abweichend zu behandeln (BVerwG, Urteil vom 14. April 2010 - 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 36; vgl. auch Beschluss vom 31. Januar 2006 - 4 B 49.05 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 21 Rn. 8).

102

Die Klägerseite zeigt nichts auf, was zu einer anderen Beurteilung führen könnte. Insbesondere ergibt sich nichts Neues aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. März 2012 - C-340/10 [ECLI:EU:C:2012:143], zyprische Ringelnatter -. In dieser bekräftigt der Europäische Gerichtshof lediglich die bisherigen Grundsätze seiner Rechtsprechung, die bereits im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2006 - 4 B 49.05 - (Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 21) berücksichtigt worden sind. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 7. Dezember 2000 - C-374/98 [ECLI:EU:C:2000:670], Basses Corbières -, die ausdrücklich den Gedanken formuliert, dass ein Staat, der gegen seine Meldepflichten verstoßen hat, aus der Missachtung seiner gemeinschaftlichen Pflichten keinen Vorteil ziehen soll, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Kommission es damals als gerechtfertigt ansah, Gebiete, die eigentlich als Vogelschutzgebiete hätten gemeldet werden müssen, nur den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu unterwerfen. Dieses Ansinnen hat der Europäische Gerichtshof zurückgewiesen und insoweit argumentiert, dass Gebiete, die nicht zu besonderen Schutzgebieten erklärt wurden, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, offenkundig weiterhin der Regelung des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 S. 7) - Vogelschutzrichtlinie - VRL - unterliegen und auf sie nicht die weniger strengen Regelungen des FFH-Rechts Anwendung finden können. Eine vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor.

103

bb) Bezüglich der Erweiterungsfläche B hat die Verträglichkeitsprüfung eine Einbeziehung mit der Begründung abgelehnt, das Gebiet sei von dem gemeldeten Gebiet hydrologisch durch eine Wasserscheide vollständig getrennt und die kürzeste Distanz zwischen der Erweiterungsfläche und der Trasse im planfestgestellten Abschnitt betrage 2 km; es liege damit außerhalb des Wirkbereichs des Vorhabens. Der Kläger stellt die hydrologische Trennung durch eine Wasserscheide nicht in Frage, betont allerdings, dass sie künstlich herbeigeführt worden sei und es immer wieder zu Überschwemmungen komme, so dass ein Wasseraustausch stattfinde. Damit wird die Überlegung in der Verträglichkeitsprüfung, durch die grundsätzlich gegebene Trennung der Gewässersysteme sei das Grabensystem im Norden eigenständig zu betrachten, ebenso wenig in Frage gestellt wie die Überlegung, durch die erhebliche Entfernung des Erweiterungsgebietes Nord von dem planfestgestellten Abschnittsende seien erhebliche Beeinträchtigungen durch das hiesige Vorhaben auszuschließen.

104

Auf die Frage, ob das Artenspektrum in den Erweiterungsflächen Nord zutreffend erfasst worden ist, kommt es mithin ebenso wenig an wie auf die Frage, ob das Gebiet die gleiche oder sogar eine bessere Qualität aufweist als das ausgewiesene FFH-Gebiet. Für die Rechtmäßigkeit des hier verfahrensgegenständlichen Abschnitts ist eine Vorausschau auf die nachfolgenden Abschnitte nach Art eines "vorläufigen positiven Gesamturteils" erforderlich, aber auch ausreichend. Für die gerichtliche Prüfung kommt es entscheidend darauf an, ob sich nach summarischer Würdigung des Sachverhalts die Realisierbarkeit ausschließen lässt. Der voraussehbare Eintritt nachteiliger Auswirkungen auf ein FFH-Gebiet reicht dafür nicht aus. Sie sind zwar in Rechnung zu stellen und zu gewichten; daneben ist aber auch zu berücksichtigen, ob es als möglich erscheint, mit Hilfe von Schutzmaßnahmen die Verträglichkeit zu gewährleisten oder aufgrund einer Abweichungsprüfung zur Zulässigkeit des Vorhabens zu gelangen. Das alles erfordert eine tatrichterliche Einzelfallwürdigung (BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 270 f. m.w.N.; Beschlüsse vom 21. Januar 1998 - 4 VR 3.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 135 und vom 5. Dezember 2008 - 9 B 30.08 - juris Rn. 9). Ein anderer, strengerer Maßstab ist auch nicht deshalb geboten, weil der Folgeabschnitt mit dem hier interessierenden Abschnitt verklammert ist. Die Verklammerung hat nur die Funktion sicherzustellen, dass kein Planungstorso entsteht und die abschnittsweise Planung dadurch ihren gestalterischen Auftrag verfehlt. Sie führt aber nicht dazu, dass die verklammerten Abschnitte zu einem Gesamtabschnitt zusammengefügt würden. Eine Vollprüfung des verklammerten Abschnitts vorzunehmen, würde im Übrigen zu einer Doppelprüfung führen und kann auch deswegen nicht verlangt werden.

105

Dass in den Folgeabschnitten unüberwindliche Belange eine Weiterführung der Autobahn ausschlössen, ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Das von dem Kläger vorgelegte Gutachten des Hem. gibt insoweit nichts her. Es kommt zum Ergebnis, das im Folgeabschnitt der gesamte Bereich der Kremper Marsch bedeutender erscheine als das ausgewiesene FFH-Gebiet. Damit ist - die Richtigkeit dieser Einschätzung und das Vorliegen eines potentiellen FFH-Gebietes insoweit unterstellt - nicht dargetan, dass es keine Möglichkeiten gibt, erhebliche Beeinträchtigungen entweder durch entsprechende Vermeidungsmaßnahmen zu minimieren oder im Wege der Ausnahme die Beeinträchtigungen zu legalisieren. Nur wenn dies schon jetzt auszuschließen wäre, könnten unüberwindbare Hindernisse bejaht werden. Daran fehlt es.

106

b) Die Bestandserfassung der als Erhaltungsziel geschützten Art "Schlammpeitzger" ist nicht zu beanstanden. Für die Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL hat eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung in einem Umfang zu erfolgen, der es zulässt, die Einwirkungen des Projekts zu bestimmen und zu bewerten. Die Methode der Bestandsaufnahme ist nicht normativ festgelegt; die Methodenwahl muss aber die für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standards der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" einhalten (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28. März 2013 - 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 41 m.w.N.).

107

Diesen Maßstäben wird die Bestandserfassung gerecht. Die vom Kläger in Auftrag gegebene Ausarbeitung des Hem., der nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses von Anfang Juli bis Anfang September 2015 durch Befischungen aktuelle Daten zu den nach der FFH-Richtlinie geschützten Fischarten Schlammpeitzger und Bitterling erhoben hat, hat die Ergebnisse der der Verträglichkeitsuntersuchung zugrunde liegenden Untersuchungen des N. in allen wesentlichen Punkten bestätigt. Die Ausarbeitung von N. wird von dem Gutachter des Klägers ausdrücklich als eine umfangreiche Evaluierung der Schlammpeitzgerpopulation in den ausgewiesenen FFH-Gebieten bezeichnet (H., Fischbestandskundliche Untersuchungen der Kollmarer und Kremper Marsch im Rahmen des geplanten Neubaus der A 20, September 2015, S. 69).

108

c) Ein etwaiges Ermittlungsdefizit bei der nicht in den Schutzzielen enthaltenen Fischart Bitterling ist durch die überarbeitete Verträglichkeitsuntersuchung (Stand 14. März 2016) behoben worden, mit der der Beklagte möglichen Ermittlungsdefiziten bei der Bestandserfassung und Bewertung des Bitterlings in der ursprünglichen Verträglichkeitsuntersuchung durch eine Einstufung dieser nach Anhang II der FFH-Richtlinie geschützten Art als hypothetisches Erhaltungsziel Rechnung getragen hat. Für diese ergänzende Untersuchung, die sich in Systematik und Ermittlungstiefe an die schon vorhandene Untersuchung anlehnte, das Gesamtkonzept der Planung unberührt ließ und auch nicht zu grundlegend anderen Ergebnissen hinsichtlich der Verträglichkeit des Vorhabens führte, war keine neue Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich (vgl. oben unter A 8. und BVerwG, Urteile vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <344 f.>, vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 29 und vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 25).

109

Die überarbeitete Verträglichkeitsuntersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Bitterlinge zur einheimischen Art dieser Fische gehören. Soweit sie hinsichtlich der potentiellen Laichareale anhand der gefundenen Großmuscheln vorläufig davon ausgeht, die Laichareale des Bitterlings befänden sich vermutlich ausschließlich in der Langenhalsener Wettern, kann dahinstehen, ob noch weitere Beprobungen und Begehungen zur Bestandserfassung erforderlich waren. Denn die überarbeitete Verträglichkeitsprüfung geht aufgrund der Muschelfunde von einer Nachmeldung des Bitterlings als zusätzliches Schutz- und Erhaltungsziel in der gesamten (vorhandenen) Gebietskulisse aus.

110

d) Das Vorhaben beeinträchtigt die als Erhaltungsziel des FFH-Gebietes "Wetternsystem in der Kollmarer Marsch" geschützte Anhang-II-Art Schlammpeitzger nicht.

111

Die Bewertung der Verträglichkeitsuntersuchung, mit den vorgesehenen Schadensvermeidungs- und -minderungsmaßnahmen sei eine erhebliche Beeinträchtigung des Schlammpeitzgers ausgeschlossen, ist nicht zu beanstanden. Schadensvermeidungs- und -minderungsmaßnahmen können bereits im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung berücksichtigt werden, sofern sie eine erhebliche Beeinträchtigung von Schutzgütern des FFH-Gebietes dadurch verhindern, dass das Gebiet nach einer Störung wieder zu seinem Gleichgewicht findet (BVerwG, Urteile vom 28. März 2013 - 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 43 und vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 60; vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. Mai 2014 - C-521/12 [ECLI:EU:C:2014:330], T.C. Briels - Rn. 28 ff. zur Abgrenzung von schadensvermeidenden und schadensausgleichenden "Schutzmaßnahmen"). Mit den im Planfeststellungsbeschluss festgesetzten Maßnahmen werden schädliche Auswirkungen auf den günstigen Erhaltungszustand der im FFH-Gebiet lebenden Schlammpeitzgerpopulation im Zeitpunkt der Vorhabenverwirklichung wirksam verhindert; der günstige Erhaltungszustand der Schlammpeitzgerpopulation wird im Sinne von Art. 1 Buchst. e und i FFH-RL stabil bleiben.

112

aa) Die Verlegung des Gewässerbetts der Kleinen Wettern und der Landweg Wettern auf einer Strecke von ca. 405 m bzw. 170 m (festgestellte Straßenbaumaßnahmen 1.2 und 1.9) führt unter Berücksichtigung der im Maßnahmenblatt G 37 vorgesehenen Schadensvermeidungsmaßnahmen nicht zu einer Gefährdung des Schlammpeitzgers. Es wird in unmittelbarer Nähe zu den bisherigen Gewässerläufen jeweils ein in seiner Profilierung vergleichbarer Graben geschaffen und durchgehend mit einer naturnahen Gewässersohle mit gewässertypischem Sohlensubstrat mit einer Mindeststärke von 20 cm versehen. Die Fließgeschwindigkeit des umgeleiteten Grabenwassers ist den benachbarten Gewässerabschnitten anzupassen. Die Baumaßnahmen werden so durchgeführt, dass die Gräben ohne Unterbrechung zur Verfügung stehen; ein Monitoring der Maßnahme ist angeordnet. Dass der Schlammpeitzger dieses Ersatzhabitat nicht annehmen wird, ist nicht erkennbar. Insbesondere handelt es sich nicht um einen "nackten Graben", der dem Schlammpeitzger keinen ausreichenden Lebensraum bietet. Durch das einzubringende Sohlensubstrat ist vielmehr die volle Funktionsfähigkeit des Grabens ohne zeitlichen Verzug sichergestellt. Bei der Beurteilung des Lebensraums des Schlammpeitzgers ist zu berücksichtigen, dass die Grabensysteme im FFH-Gebiet "Wetternsystem in der Kollmarer Marsch" künstlich angelegt sind und einer laufenden und intensiven Gewässerunterhaltung durch die Sielverbände unterliegen; insbesondere werden die Gräben im Rahmen der Gewässerunterhaltung in regelmäßigen Abständen beräumt.

113

bb) Auch die bauzeitlichen Verrohrungen führen nicht zu einer Gefährdung der Schlammpeitzgerpopulation. Der Kritik des Gutachters des Klägers, Hem., es sei völlig ungeklärt, ob der Schlammpeitzger Verrohrungen von 15 m Länge passieren könne, hat der Beklagte durch eine Verkürzung der maximal zulässigen Rohrlänge auf 10 m Rechnung getragen. Dass eine derart verkürzte Verrohrung nach Ausstattung mit gewässertypischem Sohlmaterial für den Schlammpeitzger passierbar ist, steht zur Überzeugung des Senats fest. Die Gutachter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass im gesamten Verbreitungsgebiet des Schlammpeitzgers im Grabensystem der Wettern, insbesondere an den Hofstellen, Überfahrten mit Verrohrungen und Überdeckungen von bis zu 30 m Länge zu finden sind. Gleichwohl seien keine damit korrespondierenden Lücken im Verbreitungsmuster feststellbar. Dies lasse den sicheren Schluss zu, dass Verrohrungen dieser Länge kein Problem für den Schlammpeitzger darstellten. Von der von den Klägern im Verfahren 9 A 10.15 beantragten und auch von dem Kläger des vorliegenden Verfahrens angeregten Beweiserhebung durch einen Sachverständigen konnte der Senat absehen. Ein weiteres Sachverständigengutachten ist nur dann einzuholen, wenn sich das Gericht aufgrund der ihm vorliegenden Stellungnahmen und Gutachten die für die Entscheidung erforderliche Überzeugung nicht bilden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1987 - 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 und Beschluss vom 19. Februar 2007 - 2 B 19.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 49). Das ist - wie dargelegt - nicht der Fall.

114

Der Senat hat angesichts der Darlegungen zur Passierbarkeit von Verrohrungen in der mündlichen Verhandlung auch keine Zweifel, dass die eine lichte Höhe von mehr als 4,5 m über der Wasseroberfläche aufweisende Brücke über die Langenhalsener Wettern zu keiner Beeinträchtigung der Passierbarkeit durch den Schlammpeitzger unter dem Aspekt der Verschattung führen wird.

115

cc) Auch durch Chlorideinträge ist eine erhebliche Gefährdung der Schlammpeitzgerpopulation nicht zu befürchten. Der Kritik, der angenommene Grenzwert von 150 mg/l sei wissenschaftlich nicht belegt, sind die Gutachter des Beklagten, N. und Her., überzeugend entgegengetreten. Sie haben erläutert, dass sie wegen des Fehlens spezifischer Untersuchungen für den Schlammpeitzger Literaturstudien angestellt und im Wege des Analogieschlusses für den Schlammpeitzger 200 mg/l als Wert festgesetzt haben. Dieser Wert stelle für den Schlammpeitzger eher eine Irrelevanzschwelle und nicht einen Grenzwert dar. Für die Eier und Larven verfüge man über keine eigenen Werte. Dies könne aber auf sich beruhen, da sich die vorhabenbedingt erhöhten Chloridwerte im Winter durch den Tausalzeintrag erklärten. In dieser Zeit gebe es aber keine Eier und Larven in den Gewässern. Die Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden; insbesondere ist bei Kenntnislücken der Analogieschluss eine gängige und unbedenkliche Methode, mit der bei Einhaltung wissenschaftlicher Standards Kenntnislücken überbrückt werden können (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 64).

116

dd) Die für den Folgeabschnitt vorgesehene Wasserentnahme in der Langenhalsener Wettern ist in der Verträglichkeitsprüfung bei der Beurteilung der Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des Schutzgebietes unter dem Gesichtspunkt des Zusammenwirkens mit anderen Plänen und Projekten betrachtet worden. Danach darf der Langenhalsener Wettern Wasser nur entnommen werden, wenn ansonsten der Sielverband Wasser im Schöpfwerk Bielenberg schöpfen würde. Die Entnahmemenge darf die Menge des ansonsten stattfindenden Schöpfbetriebes nicht übersteigen. Aus Vorsorgegesichtspunkten wird dabei angeraten, den Ausschaltpegel für die Wasserentnahme um 10 cm anzuheben. Hierdurch würden die im Vergleich zum regulären Schöpfbetrieb auftretenden Pegeluntergrenzen angehoben und auch unter Berücksichtigung der Prognoseunschärfen nachteilige Auswirkungen sicher ausgeschlossen. Die Kritik des Klägers an den angeblich zu hohen Pumpleistungen der vorgesehenen Pumpen sowie der unzureichenden Sicherung der Entnahmestellen vor der Ansaugung von Larven sowie juvenilen und adulten Bitterlingen ist ebenfalls nicht geeignet, einen Fehler der Verträglichkeitsprüfung zu begründen. Im Rahmen der Betrachtung kumulativer Wirkungen, die sich für die Erhaltungsziele eines Gebietes durch das Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten ergeben können, sind andere Pläne und Projekte grundsätzlich nur dann abschließend zu betrachten, wenn die Zulassungsentscheidung erteilt ist (BVerwG, Urteile vom 21. Mai 2008 - 9 A 68.07 - Buchholz 406.400 § 34 BNatSchG 2002 Nr. 1 Rn. 21 und vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 40). Ist dies - wie hier für den nördlichen Folgeabschnitt - noch nicht der Fall und werden die Summationswirkungen gleichwohl in die Betrachtung einbezogen, genügt es, wenn eine Lösung der Problematik im Zulassungsverfahren des anderen Plans oder Projekts möglich erscheint (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Mai 2008 - 9 A 68.07 - Buchholz 406.400 § 34 BNatSchG 2002 Nr. 1 Rn. 21 und vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 40). Dies ist hier der Fall. Dass es - den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt - keine technische Lösung für die gerügten Probleme geben sollte, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Es bedurfte daher nicht der von den Klägern im Verfahren 9 A 10.15 beantragten und auch von dem Kläger des vorliegenden Verfahrens angeregten Beweiserhebung darüber, ob mit dem festgesetzten Ansaugkorb mit Schutzgitter eine Ansaugung von Larven sowie juvenilen und adulten Bitterlingen an der Entnahmestelle Langenhalsener Wettern vermieden werden kann.

117

ee) Die Verträglichkeitsprüfung hat sich auch mit dem Thema Erschütterungen durch die Bauarbeiten ausführlich auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund der Entfernung der Baustelle zum Schutzgebiet von mindestens 540 m keine erheblichen Beeinträchtigungen des Schlammpeitzgers zu befürchten seien (Verträglichkeitsprüfung, Stand 14. März 2016, S. 57 ff.). Es sei bekannt, dass Forellen beim Einsatz erschütterungsarmer Bauweisen in 50 m Entfernung keine Reaktionen mehr zeigten.

118

e) Für die Anhang-II-Art Bitterling ist eine erhebliche Beeinträchtigung ebenfalls auszuschließen.

119

Der Beklagte hat die Verträglichkeitsprüfung im Laufe des gerichtlichen Verfahrens auf den Bitterling ausgedehnt und ihn als hypothetisches Erhaltungsziel betrachtet. Sowohl für den Bitterling selbst als auch für die für seine Fortpflanzung unverzichtbaren Großmuscheln kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis einer ausreichenden Salztoleranz. Die maßgeblichen Schwellenwerte lägen durchweg höher als die straßenbedingten Einträge in das Gewässersystem. Hinsichtlich der Wasserentnahme und der Grabenverlegung in der Langenhalsener Wettern gilt das für den Schlammpeitzger Gesagte.

120

f) Die Kritik, es seien die Zierliche Tellerschnecke, der Schmalbindige Breitflügel-Tauchkäfer und die feuchten Hochstaudenfluren in der FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht untersucht worden, bleibt pauschal und ist nicht geeignet, die Richtigkeit der Gebietsausweisung in Frage zu stellen.

121

6. Das Vorhaben steht in Einklang mit der Vogelschutzrichtlinie.

122

Der Planfeststellungsbeschluss ist bei der Frage, ob das vorhandene Vogelschutzgebiet "DE 2323-401 Unterelbe bis Wedel" im Bereich der Kollmarer Marsch richtig abgegrenzt worden ist, von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen. Der Beklagte hat zu Recht darauf abgestellt, dass Art. 4 Abs. 1 VRL nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs den Mitgliedstaaten einen fachlichen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage eröffnet, welche Gebiete nach ornithologischen Kriterien für die Erhaltung der in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Vogelarten "zahlen- und flächenmäßig" am geeignetsten sind (EuGH, Urteile vom 28. Februar 1991 - C-57/89 [ECLI:EU:C:1991:89], Leybucht - Rn. 20, vom 2. August 1993 - C-355/90 [ECLI:EU:C:1993:331], Santona - Rn. 26 und vom 23. März 2006 - C-209/04 [ECLI:EU:C:2006:195], Lauteracher Ried - Rn. 33; BVerwG, Urteile vom 14. November 2002 - 4 A 15.02 - BVerwGE 117, 149 <155> und vom 21. Juni 2006 - 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 Rn. 20).

123

Zu den Beurteilungskriterien gehören neben Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung der Vogelarten insbesondere die Populationsgröße und -dichte, die Artendiversität eines Gebietes, sein Entwicklungspotential und seine Netzverknüpfung sowie die Erhaltungsperspektiven der dort vorkommenden bedrohten Arten. Je bedrohter, seltener oder empfindlicher die Arten sind, desto größere Bedeutung ist dem Gebiet beizumessen, das die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physikalischen und biologischen Elemente aufweist. Nur Habitate, die unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe für sich betrachtet in signifikanter Weise zur Arterhaltung beitragen, gehören zum Kreis der im Sinne des Art. 4 Abs. 1 VRL geeignetsten Gebiete (Urteil vom 21. Juni 2006 - 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 Rn. 20 m.w.N.).

124

Ebenso zutreffend hat der Beklagte darauf abgestellt, dass das Melde- und Gebietsausweisungsverfahren einen fortgeschrittenen Stand erreicht hat, so dass zwischenzeitlich in Deutschland das von der Vogelschutzrichtlinie angestrebte zusammenhängende Netz der Vogelschutzgebiete entstanden ist (vgl. Art. 4 Abs. 3 VRL). Dementsprechend verringert sich die gerichtliche Kontrolldichte und unterliegt Parteivorbringen, es gebe ein faktisches Vogelschutzgebiet, das eine "Lücke im Netz" schließe, besonderen Darlegungsanforderungen (vgl. Urteile vom 14. November 2002 - 4 A 15.02 - BVerwGE 117, 149 <155 f.> und vom 21. Juni 2006 - 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 <170>). Diese besonderen Darlegungsanforderungen sind nicht gewahrt.

125

Die grundsätzliche Eignung der Ackerflächen im Bereich des Vorhabens als Aufenthaltsgebiet für die Nonnengans wird von der Beklagtenseite nicht in Frage gestellt. Ebenso wenig wird bezweifelt, dass die Nonnengans in der Größenordnung anzutreffen ist, die von der Klägerseite genannt wird. Die große Zahl der in dem Gebiet beobachteten Nonnengänse ist in der mündlichen Verhandlung von dem Gutachter des Beklagten, Her., und dem Vertreter des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, Herrn Bo., ausdrücklich bestätigt worden. Auf die umfangreiche Kritik des Klägers an der Bestandsermittlung kommt es daher insoweit nicht an. Sie überzeugt im Übrigen auch nicht. Es ist entgegen der Kritik der Klage nicht ersichtlich, dass die Bestandserfassung "völlig unzureichend" war. Es trifft nicht zu, dass die Erfassung ganz überwiegend auf Daten ehrenamtlich Tätiger beruhte, die unsystematisch erhoben wurden. Es haben vielmehr in den Jahren 2001/2002, 2003/2004, 2005/2006 und 2009 systematische und projektbezogene Bestandserfassungen (Zählungen) bzw. Aktualisierungen stattgefunden (Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag, September 2014; Ergänzende Stellungnahme vom 23. Juni 2015). Danach waren starke Schwankungen im Vogelbestand, insbesondere bei der Nonnengans, festzustellen, ohne dass sich die Biotopeignung oder -ausstattung geändert hätte. Die - eine besondere Bedeutung der Flächen nicht bestätigenden - Beobachtungen ehrenamtlich Tätiger, auf die der Beklagte hinweist, sind im Klageverfahren lediglich zusätzlich herangezogen worden, wobei der Beklagte ihre Aussagekraft selbst relativiert hat. Denn auch wenn tatsächlich 1 % des sogenannten Flyway-Bestandes der Nonnenganspopulation dort beobachtet worden sein sollte, bedeutet dies noch nicht, dass das Gebiet zwingend ausgewiesen werden muss. Der Gutachter Her. hat überzeugend dargelegt, dass die Nichtunterschutzstellung dieser Fläche ihren Grund darin hat, dass sie für den Rastbestand der Nonnengänse keine herausragende Bedeutung besitzt. Das Gebiet eigne sich nicht besonders für eine Ausweisung, da dort keine Dauergrünflächen vorhanden seien, sondern Ackerbau mit wechselnden Nutzungen im Vordergrund stehe. Hierdurch sei die Eignung der Fläche stark von der jeweiligen Fruchtfolge und den Vergrämungsmaßnahmen der Landwirte abhängig; die Flächen würden wegen ihrer nur eingeschränkten Eignung als Rast- und Nahrungsgebiet nicht regelmäßig in dieser großen Zahl genutzt. Die für die Nonnengänse wichtigen Grünlandbereiche seien überwiegend in Niedersachsen zu finden und unter Schutz gestellt worden. Diese Überlegungen überzeugen und finden eine Bestätigung in den auch von den Gutachtern des Klägers eingeräumten erheblichen Schwankungen im Bestand der Nonnengänse.

126

Ohne Erfolg bleibt auch der Versuch des Klägers, das Gebiet "Glückstadt-Kollmar" an der sogenannten Fünferliste der ausgewiesenen Vogelschutzgebiete in Schleswig-Holstein zu messen. Dem steht zum einen entgegen, dass das zum Vergleich herangezogene Gebiet nicht annähernd genau genug abgegrenzt ist, um einen Vergleich mit anderen Gebieten zuzulassen, zum anderen sind die Standarddatenbögen der zum Vergleich herangezogenen Gebiete zuletzt 2009 aktualisiert worden, so dass angesichts der auch vom Kläger eingeräumten positiven Entwicklung des Bestandes der Nonnengans keine Vergleichbarkeit der Zahlen gegeben ist.

127

7. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen Regelungen des Artenschutzrechtes.

128

Bei der Bestandserfassung und der Beurteilung, ob artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt sind, steht der Planfeststellungsbehörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu, namentlich bei der Quantifizierung möglicher Betroffenheiten und bei der Beurteilung ihrer populationsbezogenen Wirkungen. Die gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob die Einschätzungen der Planfeststellungsbehörde im konkreten Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem unzulänglichen oder gar ungeeigneten Bewertungsverfahren beruhen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 65, vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 100, vom 28. März 2013 - 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 114; ferner Urteil vom 21. November 2013 - 7 C 40.11 - Buchholz 406.25 § 6 BImSchG Nr. 6 Rn. 14 ff. zum Streitstand mit eingehender Begründung; a.A. Gassner, DVBl 2012, 1479).

129

a) Die Methodik der Fledermausuntersuchung ist nicht zu beanstanden. Die Methode der Bestandserfassung ist nicht normativ festgelegt; sie hängt maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalles ab (stRspr, vgl. Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 59). Für die Erfassung von Fledermäusen sind inzwischen zahlreiche einschlägige Arbeitshilfen und Leitfäden erarbeitet worden, die Standardmethoden der Bestandserfassung vorsehen und dabei - soweit sie nur regionale Geltung beanspruchen - auf die naturräumlichen Gegebenheiten einer Region abgestimmt sind. Das vom Vorhabenträger beauftragte Gutachterbüro G. hat sich bei der Erarbeitung des artenschutzrechtlichen Fachbeitrags an den Vorgaben der vom Senat in seinem Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - (Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 233 Rn. 47 ) hervorgehobenen Arbeitshilfe "Fledermäuse und Straßenbau, Arbeitshilfe zur Beachtung der datenschutzrechtlichen Belange bei Straßenbauvorhaben in Schleswig-Holstein" vom Juli 2011 gehalten und ist nach der dort erwähnten Standardmethode vorgegangen.

130

Dazu zählen als Phase A die Habitatanalyse vor Beginn der sommerlichen Erfassungen, als Phase B die Geländeuntersuchungen im Sommer mit Detektoren und stationären Erfassungssystemen und als Phase C die Erfassung der als Quartiere geeigneten Standorte. In der Phase A wurde zunächst der Untersuchungsraum unter Auswertung des Artenkatasters des Landesamtes für Landwirtschaft und Umwelt sowie weiterer vorhandener Daten (Verbreitungskarten, Monitoringuntersuchungen, aktuelle Biotoptypkartierungen) festgelegt. Aufgrund der Nutzung des Naturraums zum Rapsanbau bzw. als intensiv bewirtschaftetes Grünland sind nach der Arbeitshilfe die Arten Abendsegler, Zwergfledermaus, Mückenfledermaus und Breitflügelfledermaus zu erwarten. Insbesondere die Langenhalsener Wettern bietet zudem Potential für den Kleinen Abendsegler und Arten der Gattung Myotis wie Teich- und Wasserfledermäuse.

131

Die sommerlichen Geländeuntersuchungen sind bei vier Begehungen in der Zeit vom 1. Mai bis 15. Juli 2014 durchgeführt worden. Es kamen Detektorgeräte zur Artbestimmung und Analyse des Verhaltens sowie Horchboxen und Batcorder zum Einsatz. Insgesamt konnten mit diesen Methoden sechs Fledermausarten identifiziert werden (Großer Abendsegler, Breitflügel-, Rauhaut-, Zwerg-, Mücken- und Wasserfledermaus). Die Horchboxen und Batcorder wurden an der Langenhalsener Wettern und im strukturarmen Grün- und Ackerland eingesetzt. Die Langenhalsener Wettern konnte als eine in Ost-West-Richtung verlaufende und die Trasse schneidende Hauptflugroute sowie die B 431 als eine die Trasse nicht berührende Nord-Süd-Nebenflugroute identifiziert werden. Die Langenhalsener Wettern und die Fielhöhe im Westen des Untersuchungsgebietes (aber außerhalb des Gebietes selbst) wurden als bedeutende Jagdgebiete identifiziert. Schließlich wurden in der Phase C die als Quartiere geeigneten Strukturen untersucht.

132

Die Rüge, die bei der Bestandsermittlung und -bewertung gewählte Standardmethode stelle nicht die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse dar, ist verfehlt, weil sie sich auf den Maßstab bezieht, der im Habitatrecht, nicht aber im Artenschutzrecht gilt. Für die Bestandserfassung im Artenschutz hat die Rechtsprechung des Senats bereits im Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - (BVerwGE 131, 274 Rn. 56) betont, dass die habitatrechtlichen Anforderungen nicht unbesehen und unterschiedslos auf den Artenschutz übertragen werden können. Hieran ist festzuhalten. Auch die weitere Kritik an der Arbeitshilfe überzeugt nicht. Sie steht schon in einem vom Kläger nicht aufgelösten Widerspruch zur positiven Besprechung der Arbeitshilfe in der vom Kläger zu 2) des Verfahrens 9 A 10.15 herausgegebenen Zeitschrift "Nyctalus, Bd. 16, Heft 3 - 4, 2011", wonach es sich um eine "mehr als nützliche Anleitung für fledermausbezogene Gutachtertätigkeit im Straßenbau" handelt. Die Kritik ist auch nicht begründet.

133

Der Hinweis in der Arbeitshilfe, die Untersuchungen könnten und sollten sich auf die entscheidungsrelevanten Daten beschränken, und es sei nicht sinnvoll, "Datenfriedhöfe" anzulegen, ist nicht zu beanstanden. Eine Beschränkung auf das Notwendige und für die planungsrechtliche Entscheidung Erforderliche ist sinnvoll und geboten. Da ein signifikant erhöhtes Risiko der Tötung in Bezug auf Fledermäuse nur gegeben ist, wenn regelmäßig genutzte Hauptflugrouten zwischen Jagdgebiet und Quartier vorliegen oder bevorzugte Jagdhabitate geschnitten werden (BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 219), kann sich die gutachterliche Untersuchung darauf beschränken, diese artenschutzrechtlich relevanten Konfliktpunkte zu ermitteln und danach den Untersuchungsraum und die Untersuchungstiefe zu bestimmen. Nach den Feststellungen in der Deckblattfassung des Fledermausgutachtens der G. vom 9. September 2014 ist das Untersuchungsgebiet und insbesondere der Bereich der Trasse durch Ackerland und Offenland geprägt und sehr homogen.

134

Die Zahl der Untersuchungsnächte hält sich im Rahmen der Vorgaben der Arbeitshilfe, ebenso wenig ist der Untersuchungszeitraum zu beanstanden. Die Arbeitshilfe gibt einen Untersuchungszeitraum von Mai bis September vor. Dass der Gutachter der Klägerseite, Herr L., längere Untersuchungszeiträume von bis zu einem Jahr für erforderlich hält, ist nicht geeignet, die Vertretbarkeit der in der Arbeitshilfe vorgegebenen Untersuchungsintervalle in Frage zu stellen. Eine naturschutzfachliche Meinung oder Methodik ist einer anderen Einschätzung nicht bereits deshalb überlegen oder ihr vorzugswürdig, weil sie umfangreichere oder aufwändigere Ermittlungen und "strengere" Anforderungen für richtig hält (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 66).

135

Gleiches gilt für die Erforderlichkeit von Netzfängen. Der Hinweis des Gutachters der Klägerseite, in anderen Handbüchern seien Netzfänge vorgesehen und sehr viel größere Untersuchungsräume vorgeschrieben, übersieht, dass die von anderen Landesbehörden herausgegebenen Arbeitshilfen die dort vorhandenen Landschaftsstrukturen und Fledermausarten berücksichtigen. Es leuchtet ein, dass für unterschiedliche Habitatausstattungen unterschiedliche Bearbeitungsintensitäten vorgeschrieben werden. Auch die "Arbeitshilfe Fledermäuse und Straßenverkehr" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS); Entwurf 2011 sieht zunächst eine Relevanzabschätzung des betroffenen Untersuchungsgebietes vor, an die sich eine Bestandserfassung der fledermauskundlich besonders bedeutsamen Habitate anschließt. Netzfänge sind dort nicht generell vorgesehen, sondern ihr Einsatz wird davon abhängig gemacht, dass flugwegrelevante Hecken und Gehölze oder Wälder betroffen sind (S. 14 f.).

136

Die bei einer im Auftrag des Klägers zu 2) im Verfahren 9 A 10.15 durchgeführte Netzfanguntersuchung an der Langenhalsener Wettern gefangenen Teichfledermäuse sind daher nicht geeignet, die hier angewandte Methode in Frage zu stellen. Die Nichterfassung der Teichfledermaus ist im Übrigen im Ergebnis deshalb ohne Bedeutung, weil die ergriffenen Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen in besonderer Weise auch für diese streng strukturgebunden fliegende Fledermausart greifen.

137

Nach der Arbeitshilfe sind auch Migrationswege zu untersuchen. Der Gutachter M. weist in seiner Stellungnahme vom 28. August 2015 überzeugend darauf hin, dass eine solche Untersuchung nur bei größeren und bedeutsamen Winterquartieren erforderlich sei, in denen es zeitweilig zu einer hohen Konzentration von umherschwärmenden Tieren komme. Bei größerer Entfernung der Quartiere vom Vorhaben sei deren Lage irrelevant, da die Tiere bei der An- und Abwanderung zum oder vom Winter- oder Sommerquartier eine Trasse nur einmal querten, die Gefährdung also nicht signifikant größer sei als bei einer Jagd in diesem Bereich. Der Hinweis des Sachverständigen L., um die Kalkberghöhlen in Bad Segeberg jagten Fledermäuse auch im Nahbereich der Höhle (Winterquartier) und würden dabei größere Entfernungen zurücklegen, vermag angesichts der Einmaligkeit der Fledermausdichte in diesem Bereich nichts für struktur- und fledermausarme Gegenden wie im hier zu beurteilenden Bauabschnitt herzugeben.

138

Die Kritik, es seien in der Fledermausuntersuchung nicht alle für Fledermäuse wichtigen Habitatstrukturen erkannt worden, übersieht, dass eine Ausrichtung an der Lage der Trasse und den dort relevanten Habitatstrukturen nicht zu beanstanden ist. Nach den Feststellungen in dem Fledermausgutachten ist das Untersuchungsgebiet und insbesondere der Bereich der Trasse durch Ackerland und Offenland geprägt und sehr homogen.

139

Auch die Rüge, es seien Quartiere und Massenwinterquartiere nicht hinreichend erfasst worden, ist nicht geeignet, methodische Mängel der Untersuchung aufzuzeigen. Die möglichen Quartiere wurden eingehend untersucht und es wurde festgestellt, dass alle als Quartier nutzbaren Strukturen (Gebäude, Brückenbauwerke, ältere Gehölze) außerhalb des 400-m-Wirkungsbereichs der Trasse liegen und daher keine unmittelbaren betriebsbedingten Beeinträchtigungen auftreten können. Dass geeignete Wochenstubenquartiere in den im Untersuchungsraum vorkommenden Gebäuden anzutreffen sind, wurde unterstellt (G., Fledermausgutachten S. 27). In seiner Erwiderung vom 21. September 2015 hat der Gutachter Her. noch einmal darauf hingewiesen, dass eine eingehende und fachgerechte Untersuchung aller geeigneten Strukturen stattgefunden habe und im Umfeld des Vorhabens keine typischerweise als Massenwinterquartiere geeigneten frostgeschützten Gebäudeteile, Höhlen, Stollen, Bunker, Brücken vorhanden seien; auch eine Abfrage in der Datenbank des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume habe keine Nachweise enthalten. Mittelbare Auswirkungen auf weiter entfernt liegende Quartiere könnten nur eintreten, wenn die Tiere auf dem Weg zu den Quartieren die Trasse regelmäßig queren müssten, etwa um Jagdhabitate zu erreichen, oder wenn essentielle Jagdhabitate beeinträchtigt würden. Das könne aber aufgrund der Raumausstattung ausgeschlossen werden. Auf dem windexponierten Offenland könnten keine größeren Nahrungsansammlungen anzutreffen sein, da sich dort kaum nachtaktive Insekten finden ließen. Diese Annahme wird bestätigt durch die durchgeführten Detektoruntersuchungen. Größere Ansammlungen von Fledermäusen und Jagdgeschehen haben sich danach im Offenland nicht feststellen lassen, wohl aber an den hierfür geeigneten Strukturen der Langenhalsener Wettern.

140

b) Der Planfeststellungsbeschluss geht nachvollziehbar davon aus, dass es für alle Fledermausarten nicht zu einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG kommt.

141

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Tatbestand des Tötungsverbotes (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) mit Blick auf die bei einem Bauvorhaben nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere mit Kraftfahrzeugen erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 91 und vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 99). Dabei sind Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen vermieden werden können, in die Betrachtung einzubeziehen. Der Tatbestand ist nur erfüllt, wenn das Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren einen Risikobereich übersteigt, der mit einem Verkehrsweg im Naturraum immer verbunden ist (BVerwG, Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 56). Das ist bei Fledermäusen regelmäßig nur dann der Fall, wenn Hauptflugrouten oder bevorzugte Jagdgebiete betroffen sind (BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 219). Dies folgt aus der Überlegung, dass es sich bei den Lebensräumen der gefährdeten Tierarten nicht um "unberührte Natur" handelt, sondern um von Menschenhand gestaltete Naturräume, die aufgrund ihrer Nutzung durch den Menschen ein spezifisches Grundrisiko bergen, das nicht nur mit dem Bau neuer Verkehrswege, sondern z.B. auch mit dem Bau von Windkraftanlagen, Windparks und Hochspannungsleitungen verbunden ist. Es ist daher bei der Frage, ob sich für das einzelne Individuum das Risiko signifikant erhöht, Opfer einer Kollision durch einen neuen Verkehrsweg zu werden, nicht außer Acht zu lassen, dass Verkehrswege zur Ausstattung des natürlichen Lebensraums der Tiere gehören und daher besondere Umstände hinzutreten müssen, damit von einer signifikanten Gefährdung durch einen neu hinzukommenden Verkehrsweg gesprochen werden kann. Ein Nullrisiko ist daher nicht zu fordern, weswegen die Forderung, die planfestgestellten Schutzmaßnahmen müssten für sich genommen mit nahezu 100 %-iger Sicherheit Kollisionen vermeiden, zu weitgehend ist (in diese Richtung tendierend OVG Lüneburg, Urteil vom 22. April 2016 - 7 KS 27/15 - juris Rn. 339).

142

bb) Der Planfeststellungsbeschluss begründet überzeugend, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko allein durch die Querung der als Hauptflugroute identifizierten Langenhalsener Wettern zu befürchten sei und insoweit die Brücke über die Wettern als Schadensvermeidungsmaßnahme das Risiko für die dort festgestellten Fledermausarten unter die für das Tötungsverbot relevante Gefahrenschwelle drücke.

143

Durch die rund 34,5 m weite, die Langenhalsener Wettern mit einer lichten Höhe von 4,5 m überspannende Brücke ist eine den Vorgaben der Tabelle 4.6 des Merkblatts zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen (MAQ), Stand September 2008, nicht nur entsprechende, sondern diese (weit) übertreffende Querungshilfe vorhanden. Insbesondere für die stark strukturgebunden über Wasserflächen fliegenden und jagenden Wasser- und Teichfledermäuse ist damit eine sehr wirksame Querungsmöglichkeit geschaffen, die das Tötungsrisiko signifikant senkt und die gleichzeitig von den anderen Fledermausarten an dieser traditionellen Flugroute genutzt werden kann. Die Prognosesicherheit bezüglich der Wirksamkeit ist bei Unterführungen mit geeignetem Querschnitt sehr hoch (vgl. BMVBS, Arbeitshilfe Fledermäuse und Straßenverkehr S. 56). Zum Schutz vor Beeinträchtigungen durch Beleuchtungswirkungen setzt der Planfeststellungsbeschluss auf den Brückenkappen sowie jeweils 50 m bzw. 20 m darüber hinaus Irritationsschutz- und Kollisionsschutzwände (Maßnahmenblatt V 21(AR)) fest. Damit wird auch für die nicht oder nicht überwiegend strukturgebunden fliegenden Fledermausarten, insbesondere dann, wenn sie in Boden- bzw. Wassernähe jagen, der Kollisionsschutz verbessert.

144

cc) Dass die Wirksamkeit von Kollisionsschutzwänden fachwissenschaftlich nicht abschließend geklärt ist, steht ihrer Berücksichtigung als zusätzliche Schadensvermeidungsmaßnahme nicht entgegen. Auch bei der Festsetzung von Kollisionsschutzzäunen als Schadensvermeidungsmaßnahme hat die Planfeststellungsbehörde einen fachwissenschaftlichen Beurteilungsspielraum. Dieser ist erst verletzt, wenn die Annahme, die festgesetzten 4 m hohen Zäune seien geeignet, das Kollisionsrisiko insbesondere für nicht strukturgebundene Fledermäuse im Zusammenwirken mit der Brücke als einer weiteren, sehr wirksamen Maßnahme soweit zu verringern, dass es in einem Risikobereich verbleibt, der mit einem Verkehrsweg im Naturraum immer verbunden ist, fachlich nicht mehr vertretbar wäre, weil sich in der Wissenschaft die gegenteilige Meinung als Stand der Wissenschaft durchgesetzt hat. Daran fehlt es. Der Senat hat - jeweils auf der Grundlage sachverständiger Erläuterungen - vergleichbare Überflughilfen, Leiteinrichtungen und Kollisionsschutzwände in mehreren Entscheidungen im Verbund mit weiteren Maßnahmen als grundsätzlich geeignete Maßnahmen erachtet, um eine signifikante Erhöhung eines kollisionsbedingten Individuenverlustes zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 93 und vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - ZUR 2014, 668 <675> § 34 bnatschg 2010 nr. 9>). Dies gilt auch für das Urteil des Senats vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - (Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 233 Rn. 56). Der Hinweis in der Entscheidung, dass bestehende Unsicherheiten über die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen durch ein Risikomanagement auszugleichen seien, hat weder die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative der Planfeststellungsbehörde relativiert noch ist damit ein Risikomanagement im Fall der Schaffung von Sperreinrichtungen ausnahmslos für erforderlich erachtet worden (so aber wohl OVG Lüneburg, Urteil vom 22. April 2016 - 7 KS 27/15 - juris Rn. 336).

145

Dass sich in der Wissenschaft ein anderer Kenntnisstand durchgesetzt hat, ergibt sich nicht aus der von den Klägern im Verfahren 9 A 10.15 in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Untersuchung "Bats and Roads" aus dem Jahr 2015 und aus den vom Gutachter L. in seiner Präsentation angeführten Beispielen.

146

Die erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses veröffentlichte Untersuchung "Bats and Roads" beschäftigt sich nicht mit 4 m hohen Kollisionsschutzwänden, sondern mit anderen, vorliegend nicht festgesetzten Leiteinrichtungen. Auch die vom Gutachter L. in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Untersuchungen bestätigen lediglich die bekannte Tatsache, dass die Wirksamkeit von Kollisionsschutzwänden wegen des Risikos eines erneuten Absinkens der Fledermäuse nach Querung der Wand eingeschränkt ist, nicht aber deren generelle Wirkungslosigkeit. Auch seine Ausführungen berücksichtigen nicht hinreichend, dass die Kollisionsschutzwände nur ein Element eines Schutzkonzepts darstellen, das wesentlich durch eine in einer Hauptflugroute angelegte großzügige Unterführung geprägt ist, wie sie auch in der Untersuchung "Bats and Roads" empfohlen wird. Vom Boden und von der Wasseroberfläche aus gesehen endet die Kollisionsschutzwand erst in mehr als 8 m Höhe, so dass auch für am Wasser und im Nahbereich der Unterführung jagende Fledermäuse ein besonders geschützter Bereich geschaffen wird, der das Kollisionsrisiko zu vermindern hilft. Im Übrigen hat der Beklagte bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Wirksamkeit der Irritations- und Kollisionsschutzzäune durch die Anordnung eines Monitorings in Nebenbestimmung 2.3.5 Nr. 3 Rechnung getragen. Dass dieses nicht ausdrücklich die Kollisionsschutzwände erwähnt, ist unschädlich, da diese zu den dort genannten planfestgestellten "Vermeidungs- sowie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen" gehören.

147

Angesichts dessen musste der Senat nicht das von den Klägern im Verfahren 9 A 10.15 beantragte und auch von dem Kläger des vorliegenden Verfahrens für notwendig erachtete Sachverständigengutachten zu der Frage einholen, wie viele der die geplante Autobahn im Bereich der Langenhalsener Wettern querenden Individuen durch die planfestgestellten Schadensbegrenzungsmaßnahmen an einer Querung gehindert werden und wie viele wieder in den Sinkflug übergehen und in Kollisionsgefahr geraten. Der Beweisantrag ist auf Ausforschung eines Sachverhaltes gerichtet und blendet aus, dass es sich bei den Irritationsschutz- und Kollisionsschutzwänden um Maßnahmen handelt, die im Zusammenwirken mit der Hauptschadensvermeidungsmaßnahme, dem Brückenbau über die Langenhalsener Wettern, das Kollisionsrisiko insbesondere für nicht strukturgebundene Arten verringern soll. Insoweit liegen dem Gericht aber in Gestalt der Leitfäden und Forschungsberichte hinreichend sachverständige Äußerungen vor, die die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Einschätzung der Planfeststellungsbehörde tragen, die Irritations- und Kollisionsschutzwände seien als Ergänzung des Brückenbauwerks geeignet, das Kollisionsrisiko für Fledermäuse zu verringern. Den Unsicherheiten über die Wirksamkeit ist durch das Monitoring Rechnung getragen.

148

c) Der Planfeststellungsbeschluss verneint zu Recht eine Verwirklichung des Störungs- und des Zerstörungsverbotes in Bezug auf die Rast- und Brutvögel (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG).

149

aa) Die Bestandserfassung war hinreichend aktuell. Der Vorhabenträger hat den Bestand im Jahre 2005 erfassen und im Jahre 2009 zur Überprüfung der Aktualität der Datengrundlage einen Abgleich der Biotopkartierungen durchführen lassen. Die Überprüfung kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Biotopausstattung zwischen der Erstkartierung 2005 und der Nachkartierung 2009 nur marginal geändert habe. Bei den Brutvögeln habe die Bedeutung wegen einer leichten Verschlechterung der Habitatqualität eher abgenommen. Angesichts dieser Konstanz der Biotopausstattung musste die Planfeststellungsbehörde vor Erlass des Beschlusses keine neue Datenerhebung durchführen. Im Übrigen hat sie 2012 auf der Grundlage des vorhandenen Datenmaterials die Betroffenheit der Brutvögel anhand der Arbeitshilfe "Vögel und Straßenverkehr" (2010) rechtlich erneut geprüft. Die Behörde ist auch dem im Jahr 2014 vom Kläger gegebenen Hinweis auf ein neu entdecktes Uhuvorkommen nachgegangen und hat aufgrund der Entfernung von 6 km eine Verwirklichung eines Verbotstatbestandes nachvollziehbar verneint.

150

bb) Der Planfeststellungsbeschluss stellt hinsichtlich des Störungstatbestandes (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) überzeugend darauf ab, dass die Flächenverluste bezogen auf den gesamten von den Nonnengänsen (und weiteren Gänsearten) genutzten und für diese nutzbaren Raum relativ gering sind. Durch Überbauung gingen lediglich rund 7,8 ha verloren und durch Lärm würden weitere 241 ha beeinträchtigt (PFB S. 350). Die die Flächen nutzenden Rastvögel könnten daher problemlos auf benachbarte, ebenso geeignete Flächen ausweichen. Die gesamte Nahrungsressource sei im betroffenen Naturraum sehr weit verbreitet. Weitere Kompensationsmaßnahmen hält der Planfeststellungsbeschluss nicht für erforderlich; die Rastvögel würden im Übrigen auch von den Maßnahmen für die anderen Vogelarten profitieren. Diese Argumentation ist überzeugend. Dass die Ausweichmöglichkeit einer Art auf andere, nicht bereits voll besetzte, ebenso geeignete und in der erreichbaren Umgebung liegende Flächen eine Beeinträchtigung des Erhaltungszustandes der lokalen Population auch ohne Kompensations- und Vermeidungsmaßnahmen ausschließt, ist vom Senat im Rahmen des Gebietsschutzes ausdrücklich anerkannt worden (BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 39) und findet seine Stütze für den Bereich des Artenschutzes auch in der Arbeitshilfe "Beachtung des Artenschutzrechtes bei der Planfeststellung", Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein, Amt für Planfeststellung Energie, 2013 (S. 36 ff.).

151

cc) Die Annahme im Planfeststellungsbeschluss, das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG sei zu verneinen, weil es sich bei den Flächen im Untersuchungsgebiet nicht um Ruhestätten handele, ist rechtlich nicht zu beanstanden. In der Rechtsprechung des Senats ist hinreichend geklärt, dass der Ruhestättenbegriff nicht den allgemeinen Lebensraum der geschützten Arten und sämtliche Lebensstätten, sondern einen abgrenzbaren und für die betroffene Art besonders wichtigen Fortpflanzungs- und Ruhebereich umfasst. Dieser muss einen nicht nur vorübergehenden, den artspezifischen Ansprüchen genügenden störungsfreien Aufenthalt ermöglichen (BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 222 und vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 66). Der Begriff ist tendenziell eng auszulegen (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 114).

152

Diese Voraussetzungen verneint der Planfeststellungsbeschluss. Die ergänzende gutachterliche Betrachtung der G. zur Abgrenzung der Lokalpopulationen maßgeblicher Rastvögel vom 23. Juni 2015 unterstützt diese Argumentation. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass zwar das Kriterium der "Regelmäßigkeit" der Nutzung aufgrund der in jüngerer Zeit beobachteten Zunahme der Bestände zutreffen dürfte. Jedoch sei das Gebiet, in dem sich das Vorhaben auswirke, kein topographisch abgrenzbarer zusammenhängender Raum. Vielmehr handele es sich nur um einen Ausschnitt eines sehr viel größeren, vergleichsweise homogenen Naturraums, in dem verschiedene Schlafplätze und Äsungsflächen der Rastvögel anzutreffen seien. Das Gebiet sei zudem nicht von essentieller Bedeutung für die Funktionalität der nahegelegenen großen Schlafplätze im Elbraum. Vor allem auf der niedersächsischen Elbseite befänden sich sehr bedeutende Schlafplätze (Ostemündung, Wattflächen zwischen Otterndorf und Stade, Gauensieker Niederelbe, Ruthenstrom, Schwarztonnensander Niederelbe). Die Gänseschlafplätze befänden sich fast ausnahmslos in den Elbwatten, das Schlafen erfolge entweder stehend auf trocken gefallenen Wattflächen oder auch schwimmend auf ruhigen Wasserflächen der Nebenarme, jeweils vom Tidehochwasser abhängig. Auf der Schwarztonnensander Niederelbe schliefen beispielsweise bis zu 23 000 Weißwangengänse. Auf der schleswig-holsteinischen Seite würden vor allem die Bereiche Fährmannssander Süßwasserwatt, Bishorster Sand - Pinnaumündung - Pagensand Süd, Rhinplate (zwischen Radarturm und Beginn Weichholzaue) als Schlafplatz von zum Teil vielen Tausenden von Vögeln genutzt. Soweit die Klägerseite demgegenüber darauf abstellt, der Begriff des "Rastvogels" impliziere, dass überall dort, wo er sich niederlasse, eine Ruhestätte im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG gegeben sei, verkennt dies den artenschutzrechtlichen Begriffsinhalt.

153

dd) Auch die Bauzeitenregelungen sind mit Blick auf das Artenschutzrecht nicht zu beanstanden; insbesondere bedarf es keines besonders angeordneten Verbotes, Ausnahmen zu erteilen. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass etwaige Ausnahmen ihrerseits am Maßstab des § 44 Abs. 1 BNatSchG zu messen wären. Die Wirksamkeit der festgesetzten Vermeidungs- und vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen stellt die Klägerseite in Frage, ohne sich mit den dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden avifaunistischen Untersuchungen und den diesbezüglichen Nebenbestimmungen im Planfeststellungsbeschluss auseinanderzusetzen.

154

8. Die landschaftspflegerische Ausführungsplanung ist im Planfeststellungsbeschluss nicht zu regeln; es genügt, wenn sie vor dem Beginn der Ausführung der Planfeststellungsbehörde zur Billigung vorgelegt wird (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 50). Anhaltspunkte dafür, dass abwägungserhebliche Belange betroffen und Konflikte, die einer Bewältigung im Planfeststellungsbeschluss bedürften, in die Ausführungsplanung verschoben worden sind, werden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Auch die Kritik an der Umweltbaubegleitung verfängt nicht.

155

9. Der Planfeststellungsbeschluss steht auch mit der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV), der AVV Baulärm und der 39. BImSchV in Übereinstimmung.

156

a) Die Angriffe gegen die Anwendbarkeit der Verkehrslärmschutzverordnung greifen nicht durch. Zweifel, dass die 16. BImSchV und die mit Allgemeinem Rundschreiben Straßenbau Nr. 8/1990 des Bundesministeriums für Verkehr eingeführten Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen - RLS 90 - (VkBl. 1990 S. 258) noch den gesetzlich vorgesehenen (§§ 41 ff. BImSchG) oder grundrechtlich (Art. 2 Abs. 1 GG) gebotenen Schutz vor Straßenverkehrslärm gewährleisten, bestehen nicht. Es fehlt an jeder substantiierten Darlegung, dass die Werte und Berechnungsmethoden der 16. BImSchV und der RLS 90 zwischenzeitlich derart überholt sind, dass sie keine Geltung mehr beanspruchen könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 103, 107). Zu der vom Kläger angesprochenen Frage der Referenzpegel hat der Senat im Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - (juris Rn. 142 § 17 fstrg nr. 233>) Stellung genommen; hierauf wird verwiesen. Auch liegen die Voraussetzungen für eine Summenpegelbetrachtung ersichtlich nicht vor. Ebenso wenig greift die Kritik daran durch, dass die Lärmbetrachtung auf den planfestgestellten Abschnitt beschränkt wurde; es kann insoweit erneut auf das vorgenannte Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 A 20.08 - (Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 114) verwiesen werden. Auch die Ermittlung des LKW-Anteils ist nicht zu beanstanden. Eine projektbezogene Untersuchung lag vor, der Planfeststellungsbeschluss konnte daher diese Werte statt derjenigen der Anlage 1 zu § 3 der 16. BImSchV zugrunde legen. Die Lärmschutzuntersuchung ergibt im Übrigen, dass die Grenzwerte für Wohngebiete durchgängig eingehalten werden, eine etwa fehlerhafte Gebietseinstufung wäre daher irrelevant.

157

b) Der Kläger rügt, der Planfeststellungsbeschluss sei hinsichtlich der Bauphase wesentlich unterreguliert. Die Frage, wie und wohin der ganz erhebliche Aushub verbracht werden solle, habe im Planfeststellungsbeschluss geregelt werden müssen. Der Lärm des Baustellenverkehrs sei unzureichend ermittelt worden, da kein Worst-Case-Szenario zugrunde gelegt worden sei.

158

Die Kritik greift nicht durch. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können Konflikte technischer Natur, die nach dem Stand der Technik lösbar und ohne Einfluss auf die Ausgewogenheit der Planung an sich sind, in die - vor Baubeginn zu genehmigende - Ausführungsplanung verschoben werden (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 50). Durch seine Erklärungen in der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte sichergestellt, dass die Ausführungsplanung vor Beginn des Abtransportes des Bodenaushubs der Planfeststellungsbehörde zur Genehmigung vorgelegt wird und die eigentumsbetroffenen Kläger hierüber zu informieren sind (vgl. Ergänzung der Nebenbestimmung zu 1 Ziff. 2). Aus der Unterlage muss sich ergeben, dass unzumutbare gesundheitliche und sonstige Beeinträchtigungen nicht eintreten. Die Annahme, es sei ein Abtransport möglich, durch den erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden, hat der Beklagte durch die Vorlage entsprechender Vereinbarungen mit dem Hafen Glückstadt über einen Transport auf dem Wasserweg erbracht. Ergänzend hat der Beklagte auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Teil des Bodenaushubs über den Nachbarabschnitt und die A 23 abzutransportieren. Damit können unzumutbare Lärmbelastungen vermieden werden. Der auf die Verpflichtung des Beklagten, den Aushub ausschließlich über die Trasse im Folgeabschnitt abtransportieren zu lassen, gerichtete Hilfsantrag musste daher ohne Erfolg bleiben.

159

Hinsichtlich des Baulärms hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung die Nebenbestimmung 2.4.2.1 Nr. 1 geändert und durch die Streichung der Bezugnahme auf die TA Lärm die Einhaltung der AVV Baulärm verbindlich vorgeschrieben.

160

c) Die Kritik an der Luftschadstoffuntersuchung geht nicht auf die Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses (PFB ab S. 305 ff., 309) ein. Dort wird im Einzelnen erläutert, warum die Vorbelastungswerte abweichen (Aktualisierung der Untersuchung mit unterschiedlichen Mittelungszeiträumen) und warum die PM2,5-Werte erst 2014 berücksichtigt wurden (Änderung der EU-Luftqualitätsrichtlinie). Der Beklagte hat zudem zutreffend auf die Rechtsprechung des Senats hingewiesen, wonach zum einen die Grenzwerte nicht projektbezogen einzuhalten sind (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 426) und zum anderen maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung des Untersuchungsbereichs das Verhältnis der Aufenthaltsdauer von Menschen zum Mittelungszeitraum des jeweils zu beurteilenden Grenzwertes ist, und es mithin auf die Belastung des einzelnen Menschen und dessen typische Aufenthaltsdauer ankommt, weshalb nur solche Bereiche zu untersuchen sind, in denen sich Menschen über einen längeren Zeitraum aufhalten (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 9 A 19.11 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 228 Rn. 42 ). Zusätzlich hat der Beklagte eine mikroskalige Untersuchung vom 15. Februar 2016 vorgelegt, die zu dem Ergebnis kommt, dass sich die Bereiche der Grenzwertüberschreitung auf Flächen beschränkt, die weder bebaut noch zum längeren Aufenthalt von Menschen vorgesehen sind (Straßendamm, Böschung, Betriebsstraße).

161

d) Die Kritik am mangelhaften Hochwasserschutz (keine ausreichende Trogumwallung mit Blick auf die Folgen eines Deichbruchs, keine ausreichende Erhöhungsmöglichkeit des Deiches) ist ebenfalls zurückzuweisen. Bei der Abschätzung, inwieweit der befürchtete Klimawandel zu einem Meeresspiegelanstieg führen wird, handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die nur darauf zu überprüfen ist, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden ist, nicht auf unrealistischen Annahmen beruht und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 73 m.w.N.). In der mündlichen Verhandlung hat der Gutachter des Beklagten, Herr K., erläutert, dass die berücksichtigte Erhöhung des untertunnelten Deiches von bis zu 3 m dem Generalplan Küstenschutz in seiner Fortschreibung 2012 entspreche und hierbei die möglichen Auswirkungen des Klimawandels bereits berücksichtigt worden seien. Bestehenden Unsicherheiten sei in Schleswig-Holstein mit einem Klimazuschlag Rechnung getragen worden. Im Übrigen sei eine sehr viel stärkere Deicherhöhung aus statischer Sicht angesichts der ohnehin hohen Überdeckung des Tunnels unproblematisch. Er hat ferner nachvollziehbar dargelegt, dass die vorgesehene Trogumwallung, die bei einem Deichbruch den Tunnel schützen soll, sowohl den Klimaanstieg berücksichtige als auch einen ausreichenden Sicherheitszuschlag enthalte. Ausgangspunkt sei der Polderwasserstand der Sturmflut 1976; diesen habe man um einen Aufschlag von 0,88 m für den bis zum Jahr 2100 maximal zu befürchtenden Meereswasseranstieg erhöht und die Troghöhe zusätzlich pauschal mit einem Sicherheitszuschlag von 0,5 m versehen sowie ein Freibord von 1 m (Abstand zwischen Wasserspiegel und Oberkante Bauwerk) angesetzt, um starke Winde aufnehmen zu können.

162

Mit der Orientierung am Generalplan Küstenschutz hat der Beklagte auf eine sachverständig erstellte, die Erkenntnisse des internationalen Klimarates und weiterer Wissenschaftler über den Anstieg des Meeresspiegels berücksichtigende Untersuchung abgestellt, die sich auf die regionalen Verhältnisse in Schleswig-Holstein bezieht. Dass dieser Generalplan auf unrealistischen Annahmen beruhte oder methodische Mängel aufwiese, behauptet die Klägerseite nicht. Hierfür sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar, insbesondere genügt es nicht, auf eine in einer Tageszeitung veröffentlichte Ansicht einer Einzelperson zu verweisen. Dass diese über bessere Erkenntnisse für die hier zu beurteilende Frage verfügt, ist nicht erkennbar und wird nicht dargetan.

163

e) Auch die Kritik, es sei mit erheblichen in den Wohngebäuden wahrnehmbaren Erschütterungen zu rechnen, greift nicht durch. Nach den überzeugenden Ausführungen der Gutachter des Beklagten, der Herren Ba., Bi. und S., werden Erschütterungen aufgrund des weichen Kleibodens im Vorhabengebiet sehr gut aufgenommen und damit gedämpft. Der Tunnelvortrieb sei damit wesentlich erschütterungsärmer als z.B. beim Bau der S-Bahn zum Flughafen Hamburg. Bei den Berechnungen sei man hinsichtlich der Resonanzfrequenz der Gebäude von einem Worst-Case-Szenario ausgegangen und dennoch unter dem relevanten Referenzwert der Stufe 1 der DIN 4150-2 für Erschütterungen durch Baumaßnahmen geblieben. Gleichwohl hat der Beklagte möglichen Überschreitungen der Grenzwerte durch eine in der mündlichen Verhandlung in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommene Erklärung Rechnung getragen. Danach werden den betroffenen Privatklägern bei einem sekundären Luftschallinnenpegel von mehr als 30 dB(A) Ersatzquartiere angeboten. Einer Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um weitere Schutzauflagen, wie im Verfahren 9 A 14.15 beantragt und auch von dem Kläger des vorliegenden Verfahrens befürwortet, bedurfte es daher nicht.

164

10. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht wegen eines Abwägungsfehlers aufzuheben oder für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

165

Nach § 17 Satz 2 FStrG sind bei der Planfeststellung von Bundesfernstraßen die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das hat die Planfeststellungsbehörde in nicht zu beanstandender Weise getan.

166

a) Der der Planung insbesondere für die Verkehrsprognose zugrunde gelegte Prognosehorizont ist nicht zu beanstanden. Sie wurde nach den aktuellen zur Verfügung stehenden bundesweiten Daten erstellt. Nach den Ausführungen des Verkehrsgutachters, Herrn Hül., in der mündlichen Verhandlung konnte der Prognosehorizont im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht auf der Grundlage der bundesweiten Verkehrsprognose für 2030 fortgeschrieben werden, da die seit Mitte 2014 vorliegende Untersuchung noch der Aufbereitung bedurfte, um die Daten in Verkehrsmodellen verwenden zu können.

167

Der Prognosezeitraum 2025 ist nicht zu beanstanden. Diesbezüglich kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine starre Festlegung mangels normativer Vorgaben nicht in Betracht. Gewisse Rückschlüsse lassen sich aus der Begründung der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) ableiten, die davon ausgeht, dass die Prognosewerte im Allgemeinen erst nach zehn bis zwanzig Jahren erreicht werden. Prognosen, die sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken, tragen dagegen in hohem Maße die Gefahr in sich, fehlzuschlagen (BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13 S. 36). Unsachgemäß ist auf der anderen Seite eine Beschränkung des Prognosehorizonts, wenn von vornherein feststeht, dass diesem für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme keine Aussagekraft mehr zukommt (BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2005 - 9 B 41.04 - juris Rn. 24). Allerdings ist auch dann, wenn bis zum Ablauf des gewählten Zeitraums nicht mit einer Realisierung des Vorhabens zu rechnen ist, eine Betrachtung erlaubt, ob der Prognose auch für die Zeit danach Bedeutung beizumessen ist (BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2005 - 9 B 41.04 - juris Rn. 24). Danach kann dahingestellt bleiben, ob im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses mit einer Fertigstellung innerhalb von elf Jahren gerechnet werden konnte. Denn der Prognose ist auch über diesen Zeitraum hinaus Aussagekraft zuzumessen. Der Gutachter des Beklagten, Herr Hül., hat hierzu überzeugend ausgeführt, es sei nicht mit einer wesentlichen Veränderung der Verkehrsbelastungen nach 2025 zu rechnen. Eine anhand der Daten der mittlerweile aufbereiteten bundesweiten Verkehrsprognose 2030 durchgeführte Aktualisierung der Verkehrsuntersuchung habe für das Jahr 2030 ein durchschnittliches Verkehrsaufkommen von 43 500 Kfz/24 h bei einem Schwerverkehrsanteil von rund 13 % ergeben. Damit sind die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Zahlen auch über das Jahr 2025 hinaus aussagekräftig. Das gilt angesichts der Tatsache, dass die Grenzwerte für Wohngebiete nach der im Planfeststellungsverfahren erstellten Lärmprognose durchgängig deutlich unterschritten werden, insbesondere für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens. Aber auch hinsichtlich der Dimensionierung der Trasse spielt die Verkehrsbelegung nur eine untergeordnete Rolle. Der RQ 31 ist der Standardquerschnitt für Autobahnen der Entwurfsklasse 1 der RAA. Dieser Querschnitt ist der kleinste für eine Autobahn dieser Entwurfsklasse, der in Betracht kommt bei Verkehrsbelegungen von 18 000 bis ca. 70 000 Kfz/24 h. Es ist daher auszuschließen, dass eine Änderung der Verkehrsprognose zu einer Reduzierung des Querschnitts und damit unter Umständen zu einer Verringerung der Eingriffe in die Natur sowie der Eigentumsbetroffenheiten der Kläger im Verfahren 9 A 14.15 geführt hätte.

168

b) Abwägungsfehler bei der Trassenwahl sind nicht zutage getreten.

169

Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen. Die Behörde braucht den Sachverhalt dabei nur so weit zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist; Alternativen, die ihr aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, darf sie schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden. Die dann noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen müssen im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersucht und verglichen werden. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Trassenwahl sind nur dann überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist oder wenn sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eine andere als die gewählte Trassenführung eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 65 ff. m.w.N.). Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Trassenwahl nicht als fehlerhaft.

170

Der Beklagte hat sich auf der Grundlage der Erwägungen der Umweltverträglichkeitsstudien I und II und der im Einwendungsverfahren hinsichtlich der Trassenwahl abgegebenen Stellungnahmen und Einwendungen die Ergebnisse der Linienbestimmung nachvollziehend zu eigen gemacht, alle ernsthaft in Betracht kommenden groß- und kleinräumigen Trassenalternativen mit der ihnen zukommenden Bedeutung berücksichtigt und eine hierauf bezogene eigene Abwägungsentscheidung getroffen.

171

aa) Ein sich in das Planfeststellungsverfahren fortsetzender Fehler der Linienbestimmung folgt nicht aus dem im Urteil des Senats vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - (Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 233 Rn. 85 ff. ) festgestellten Fehler der Variantenprüfung im 3. Abschnitt der Nord-West-Umfahrung Hamburg.

172

Der im Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - (Buchholz 407.4 § 17 FStrG, Nr. 233) als rechtswidrig erkannte Umstand, dass der damals streitbefangene Planfeststellungsbeschluss für die Umfahrung Bad Segebergs nicht über die in der Umweltverträglichkeitsprüfung und im Linienbestimmungsverfahren betrachteten Alternativen hinaus noch weiträumige Südumfahrungsvarianten untersucht hat, bedeutet nicht, dass die Linienbestimmung fehlerhaft war oder sich ein etwaiger Fehler auf die Linienbestimmung im Ganzen ausgewirkt hätte. Die Linienbestimmung ist ein behördeninterner Vorgang, mit dem das für Verkehrswesen zuständige Bundesministerium planerischen Einfluss auf die Wahrnehmung der den Ländern in Auftragsverwaltung obliegenden Aufgabe der bundesgesetzlichen Ausbauplanung nimmt. Durch die Linienbestimmung wird die Linienführung der Straße nur im Allgemeinen bestimmt, nämlich nur in ihrem grundsätzlichen Verlauf zwischen den vorgesehenen Anfangs- und Endpunkten und daher auch nur in ihrer ungefähren Lage zu berührten und benachbarten Ortschaften und Grundstücken. Der Planfeststellungsbehörde bleibt daher noch ein Spielraum für die konkrete Trassenführung und die Festlegung der Ausbaumerkmale (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1996 - 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110 S. 89 und Beschluss vom 29. Januar 2001 - 4 B 87.00 - NVwZ-RR 2002, 2 <2>). Erweist sich auf der Ebene der Planfeststellung eine andere als die linienbestimmte Trassenführung in einem Teilabschnitt als eindeutig vorzugswürdig, muss die Planfeststellungsbehörde diese Trasse planfeststellen. Die interne Bindung der Planfeststellungsbehörde an die Linienbestimmung bedeutet nicht, dass der Planfeststellungsbeschluss sich bei der Alternativensuche vollständig auf den vorgegebenen Korridor beschränken dürfte. Denn Dritten gegenüber lässt sich die Planung nicht allein damit rechtfertigen, dass sie den ministeriellen Vorgaben entspricht (BVerwG, Urteil vom 28. März 2013 - 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 21).

173

Aus den Mängeln, die der Senat in Bezug auf die Planung des 3. Abschnitts festgestellt hat, folgt nicht, dass der weitere Verlauf der linienbestimmten Trasse in Frage gestellt und die Linienbestimmung insgesamt wieder offen wäre. Der Senat hat es vielmehr mit Blick auf die mit der Planung verfolgten regionalen und lokalen Ziele im Raum Bad Segeberg ausdrücklich als "plausibel" bezeichnet, dass am ursprünglich vorgesehenen Gelenkpunkt Wittenborn festgehalten und eine Südumfahrungsvariante dort auf die B 206 zurückgeführt werde.

174

Die Planfeststellungsbehörde war aufgrund dieser Ausführungen im Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - (Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 233) nicht verpflichtet, erneut in die weiträumige Variantenprüfung einzutreten und zu untersuchen, ob sich ein anderer als der linienbestimmte Trassenkorridor in den Folgeabschnitten als vorzugswürdig erweist. Sie durfte vielmehr an den Erkenntnissen des Linienbestimmungsverfahrens festhalten, dass ein deutlich südlicherer Trassenverlauf, der zu einer Querung der A 7 südlich von Kaltenkirchen führen würde, wegen der damit verbundenen Raumwiderstände bereits bei einer Grobanalyse der in Betracht kommenden Varianten ausgeschieden und im Folgenden nicht weiter untersucht worden ist. Es hätte substantiierter Darlegungen bedurft, dass diese Entscheidung im Linienbestimmungsverfahren fehlerhaft gewesen ist. Daran fehlt es. Zu den in das Verfahren einzubeziehenden und zu untersuchenden Alternativen gehören zwar neben den von Amts wegen ermittelten auch solche, die von dritter Seite im Laufe des Verfahrens vorgeschlagen werden (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102, 331 <342>). Indes ist die Planfeststellungsbehörde nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offenzuhalten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Scheidet sie Alternativen, die sich bereits aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erweisen, schon in einem frühen Verfahrensstadium aus, ist es ihr dann auch nicht verwehrt, im Fortgang des Verfahrens die (förmliche) UVP auf diejenigen Varianten zu beschränken, die nach dem jeweiligen Planungsstand noch ernsthaft in Betracht kommen (BVerwG, Beschluss vom 16. August 1995 - 4 B 92.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 104 S. 48 f. und Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - NVwZ 2016, 844 <862>).

175

Gemessen hieran genügt es nicht, wie es insbesondere die Kläger im Verfahren 9 A 14.15 getan haben, eine theoretisch denkbare andere Linie "ins Blaue hinein" in ein Kartenwerk einzuzeichnen und zu rügen, diese Linienvariante sei niemals untersucht worden. Unabhängig davon hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass der Korridor, in dem die vorgeschlagene Linienführungsvariante verlaufen soll, in die Betrachtung möglicher Linienführungen zwar einbezogen, aber wegen zahlreicher Raumwiderstände bereits im Wege einer Grobanalyse ausgeschieden worden ist. Dabei sei die gesamte Gebietskulisse auch in dem von der Klägerseite bezeichneten Raum einbezogen worden. In der Umweltverträglichkeitsprüfung seien alle sich abzeichnenden FFH-Gebiete wie auch die "Schattengebiete" betrachtet worden. Eine Hamburg-nahe Variante ist nach den Auskünften in der mündlichen Verhandlung ausgeschieden worden, weil sie durch ein noch nicht ausgewiesenes Vogelschutzgebiet geführt hätte. Hinsichtlich der Situation um Kaltenkirchen hat der Beklagte anhand von Kartenmaterial aus dem Linienbestimmungsverfahren dargelegt, dass das dort vorhandene Siedlungsband einen Riegel bildet, der mit einem sehr hohen Raumwiderstand verbunden ist.

176

Aus dem Charakter des Linienbestimmungsverfahrens folgt, dass die Ausgestaltung der Anschlüsse an das nachgeordnete Straßennetz nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist. Auch insoweit besteht auf der Ebene der Planfeststellung ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde. Die Kritik, die geplante Änderung des Anschlusses des Tunnelabschnitts auf niedersächsischer Seite stelle die Linienführung in Frage, geht daher fehl.

177

bb) Die Auswahlentscheidung für den nördlichen Elbquerungskorridor und die planfestgestellte Variante, die zur Elbquerung bei Glückstadt führt, ist auch nicht aus anderen Gründen zu beanstanden. Insbesondere sind in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung und in der Abwägungsentscheidung des Beklagten die Elbquerungsbereiche einschließlich der niedersächsischen Seite einbezogen und die Umweltauswirkungen der verschiedenen Varianten untersucht und verglichen worden. Dass sich dem Beklagten auch unter Berücksichtigung der Verkehrswirksamkeit der Varianten, ihrer wirtschaftlichen Folgen sowie ihrer Auswirkungen auf die Schutzgüter Mensch, Landschaftsbild und Natur eine andere, die Kremper und die Kollmarer Marsch umgehende Elbquerungsstelle im nördlichen Korridor hätte aufdrängen müssen, ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.

178

Ebenso wenig ist erkennbar, dass - ein eigenständiges potentielles FFH-Gebiet im nördlichen Abschnitt unterstellt - erhebliche Beeinträchtigungen nicht durch Maßnahmen wie Überbauung oder Verlegung der Grabensysteme vermieden werden könnten. Unabhängig davon führt die Lage der Trasse im Bereich der B 431 nicht zu einer Einschränkung der Trassenprüfung im Folgeabschnitt. Bei schrittweiser Planverwirklichung muss die Planung in jedem Stadium dem Einwand standhalten, einem anderen Lösungskonzept unterlegen zu sein (BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1992 - 4 B 205.92 - NVwZ 1993, 887 <888 f.>, vom 10. November 2000 - 4 B 47.00 - NVwZ 2001, 800 <800 f.> und vom 14. Juli 2005 - 9 VR 23.04 - juris Rn. 6; Urteil vom 25. Januar 2012 - 9 A 6.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 34 Rn. 23). Die Aufspaltung in Abschnitte kann daher nicht dazu führen, dass die Frage einer besser geeigneten Alternative gar nicht oder allenfalls im Rahmen des auf das vorangehende Teilstück beschränkten Planfeststellungsverfahrens aufgeworfen werden kann (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - 9 A 6.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 34 Rn. 23). Der durch den planfestgestellten Abschnitt im Bereich der B 431 begründete Zwangspunkt, der dazu führt, dass die Trasse im anschließenden 7. Abschnitt die dortigen Grabensysteme in der einen oder anderen Weise queren muss, führt daher nicht zu einer Einschränkung der Trassenprüfung in diesem Folgeabschnitt. Durch die Verklammerung der beiden Abschnitte miteinander ist vorliegend zudem sichergestellt, dass ein Fehler der Variantenprüfung im 7. Abschnitt auch die Verwirklichung des hier zur Überprüfung stehenden Abschnitts verhindert.

179

cc) Ohne Erfolg bleibt ferner die Rüge, die Belange der Eigentümerin der Elbfähre seien bei der Trassenwahl nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt worden. Dem Kläger fehlt es als Umweltverband diesbezüglich bereits an der Rügebefugnis. Bei dem angesprochenen Belang handelt es sich erkennbar um einen privaten Belang, der nicht durch eine dem Umweltschutz dienende Rechtsvorschrift im Sinne des § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG geschützt wird. Der Kläger kann daher seinen Rechtsbehelf hierauf nicht stützen. Aber auch dann, wenn man die Beschränkung der Rügebefugnis auf umweltrechtliche Vorschriften unberücksichtigt ließe, dürften Rechtsbehelfe einer anerkannten Umweltvereinigung nicht darauf gestützt werden können, dass nicht dem Umweltschutz dienende Rechte oder Belange verletzt sind, die nach der Rechtsordnung anderen Rechtsinhabern zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung und Konkretisierung zugewiesen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 106). Dies kann letztlich dahinstehen, denn die Rüge bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Senat hat diesbezüglich im Verfahren 9 A 7.15 ausgeführt:

"Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein etwaiges Vertrauen in den Bestand oder Fortbestand einer bestimmten Markt- oder Verkehrslage regelmäßig kein für die Fachplanung unüberwindlicher Belang (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. November 1979 - 4 N 1.78, 4 N 2-4.79 - BVerwGE 59, 87 <102 f.> und vom 11. Mai 1999 - 4 VR 7.99 - Buchholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 11 S. 2 f.; Urteile vom 28. Januar 2004 - 9 A 27.03 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 59 S. 44 und vom 9. Juni 2004 - 9 A 16.03 - juris Rn. 26). Das bedeutet aber nicht, dass Anliegerinteressen rechtlich überhaupt nicht zu Buche schlagen. Sie müssen, sofern sie nicht als geringfügig ausnahmsweise außer Betracht zu bleiben haben, in die Abwägung eingestellt werden (BVerwG, Urteil vom 19. August 2004 - 4 A 9.04 - juris Rn. 13). Dies gilt erst recht dann, wenn eine Existenzgefährdung geltend gemacht wird. In einem solchen Fall ist auch ohne direkte Inanspruchnahme einer Eigentumsposition das Interesse des Gewerbetreibenden an der Erhaltung der unter Umständen mit erheblichen Eigenmitteln ausgenutzten Erwerbsquelle in der hoheitlichen Planung zu berücksichtigen und abzuwägen (BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 148)."

(...)

"Der Planfeststellungsbeschluss hat die Auswirkungen des Vorhabens auf die Elbfähre und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen des Gewerbebetriebes gesehen und gewürdigt. Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt der Abwägung, dass dem klagenden Fährunternehmen keine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition entzogen und eine solche auch dann nicht verletzt wird, wenn die Verwirklichung des Vorhabens dazu führt, dass sich die Zahl der Nutzer der Fähre erheblich reduzieren wird. Bei der konkreten Bewertung des Gewichts des Belangs der Klägerin hat er zutreffend berücksichtigt, dass Planungen für eine Elbquerung bereits seit Jahrzehnten bekannt sind und bis zur Verwirklichung des Vorhabens noch ein längerer Zeitraum verbleibt, während dessen sich der Fährbetrieb auf die geänderte Situation einstellen und in der Vergangenheit getätigte Investitionen nutzen kann.

Dagegen lässt der Planfeststellungsbeschluss nicht klar erkennen, ob er von einem Fortbestand des Fährbetriebes auch nach Errichtung des Tunnels ausgeht. Es wird lediglich referiert, die Klägerin rechne mit einer Existenzgefährdung, ohne dass dies weiter aufgeklärt oder von der grundsätzlich gegebenen Möglichkeit, eine Existenzgefährdung zu unterstellen, Gebrauch gemacht wird (hierzu: BVerwG, Urteile vom 27. März 1980 - 4 C 34.79 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 34 S. 108 ff., vom 23. Januar 1981 - 4 C 4.78 - BVerwGE 61, 295 <304> und vom 9. Juni 2004 - 9 A 16.03 - juris Rn. 28; Beschluss vom 8. Oktober 2002 - 9 VR 16.02 - juris Rn. 5 f.). Dies führt gleichwohl nicht zu einem Fehler des Planfeststellungsbeschlusses. Es kann dahinstehen, ob sich seiner Begründung hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, die Planfeststellungsbehörde hätte auch für den Fall einer Existenzgefährdung keine andere Abwägungsentscheidung getroffen, so dass auch unter Beachtung der Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 1 BvR 685/12 - (NVwZ 2016, 524 <526>) an ein verfassungskonformes Verständnis von Unbeachtlichkeitsklauseln für Abwägungsfehler aufgestellt hat, die Annahme fehlender Ergebniskausalität gerechtfertigt wäre. Denn der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine dort zunächst abgegebene Erklärung, er gehe davon aus, der Fährbetrieb könne auch nach Errichtung in der einen oder anderen Weise weiter geführt werden, um eine Auflage im Planfeststellungsbeschluss ergänzt, mit der dem Vorhabenträger aufgegeben wird, ein Existenzgefährdungsgutachten hinsichtlich der Klägerin einzuholen. Kommt dies zum Ergebnis einer Existenzgefährdung des Betriebes, ist der Planfeststellungsbeschluss um eine Auflage zur Entschädigung dem Grunde nach zu ergänzen. Damit hat der Beklagte nicht nur zu erkennen gegeben, dass er eine Existenzgefährdung für möglich erachtet, sondern gleichzeitig klargestellt, dass er auch dann, wenn die Klägerin nach Eröffnung des Tunnels in ihrer Existenz gefährdet ist, keine für die Klägerin günstigere Entscheidung trifft, sondern sie entschädigen will.

Die Abwägung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die Planfeststellungsbehörde die Bedeutung des Fährbetriebes für den Gefahrguttransport und den nicht autobahntauglichen Verkehr nicht beachtet hätte. Unabhängig davon, dass es erheblichen Zweifeln unterliegt, ob sich die Klägerin auf diese öffentlichen Belange bzw. privaten Belange Dritter - etwa unter dem Gesichtspunkt gleich gerichteter Abwägungsinteressen - berufen kann, ist der Planfeststellungsbeschluss insoweit nicht zu beanstanden. Hinsichtlich des Gefahrguttransportes verweist der Planfeststellungsbeschluss zutreffend darauf, dass vor Verkehrsfreigabe eine eigenständige Risikoanalyse nach dem 'Verfahren zur Kategorisierung von Straßentunneln gemäß ADR 2007' zu erstellen ist, in der die verschiedenen Möglichkeiten, Gefahrgüter sicher zu transportieren, zu untersuchen und zu bewerten sind. Danach ist es nicht ausgeschlossen, dass der Tunnel für Gefahrgüter - gegebenenfalls unter besonderen Sicherheitsbedingungen - benutzt werden kann. Die straßenverkehrsrechtliche Prüfung für Gefahrgüter obliegt im Übrigen nicht der Planfeststellungsbehörde, sondern den Straßenverkehrsbehörden, die gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umlenken können (BVerwG, Beschluss vom 13. März 2008 - 9 VR 9.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 33 Rn. 52). Dass der nicht autobahntaugliche Verkehr - nach Lage der Dinge kommt vor allem ein touristischer Ausflugsverkehr in Betracht - nicht der Verwirklichung des Vorhabens entgegensteht, kann aus dem Umstand, dass der Beklagte eine Existenzvernichtung der Klägerin in Kauf nimmt, ohne Weiteres geschlossen werden. Das Gleiche gilt, soweit sich die Klägerin auf Absprachen mit verschiedenen öffentlichen Stellen über die Beförderung von deren Mitarbeitern beruft."

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11. Nicht gefolgt werden kann der Kritik, der Beklagte habe zu Unrecht im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung den Klimawandel nicht berücksichtigt. Der Senat schließt sich der überzeugend begründeten Auffassung des 4. Senats in dem Beschluss vom 22. Juni 2015 - 4 B 59.14 - (NuR 2015, 772 Rn. 42) an. Dieser stellt darauf ab, dass sich ein Hinweis auf die Bedeutung des Klimawandels bei der Bewertung und Entscheidungsfindung zwar in der Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 124 S. 1) findet, nicht aber in der nahezu 30 Jahre älteren Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175 S. 40) und - wie zu ergänzen ist - der diese Richtlinie ablösenden Richtlinie 2011/92/EU. Mit diesen Argumenten setzt sich die Klägerseite nicht auseinander. Die Anregung, die Frage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, folgt der Senat daher nicht.

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12. Schließlich folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass es keiner Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um weitere Maßnahmen zur Vermeidung und Kompensation nachteiliger Umweltauswirkungen bedurfte, wie sie die Kläger im Verfahren 9 A 10.15 gefordert haben und auch der Kläger des vorliegenden Verfahrens befürwortet hat.

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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.