Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 28. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine versammlungsrechtliche Entscheidung der Antragsgegnerin, wonach die Schlusskundgebung eines von ihm angemeldeten Aufzugs an einem anderen Ort als vom Antragsteller vorgesehen stattfinden muss.

2

Der Antragsteller ist Mitglied des Deutschen Bundestags (Fraktion DIE LINKE). Er ist Vertreter des Bündnisses „Grenzenlose Solidarität statt G20“, das von einer Vielzahl von Gruppen und Organisationen getragen wird (siehe hierzu im Einzelnen http://g20-demo.de/de/gruppen-und-organisationen/).

3

Am 17. November 2016 meldete der Antragsteller für Samstag, den 8. Juli 2017 einen Aufzug unter freiem Himmel mit dem Tenor/Motto „G20 – not welcome!“ an. Die Anmeldung sah eine Anfangskundgebung, einen aus fünf Demozügen bestehenden Sternmarsch mit verschiedenen Zwischenkundgebungen und eine Schlusskundgebung vor. Als Ort der Schlusskundgebung war das Heiligengeistfeld vorgesehen. Die Versammlung richtet sich gegen das sogenannte G 20-Treffen, welches auf Einladung der deutschen Bundeskanzlerin am 7. und 8. Juli 2017 in den Messehallen in Hamburg stattfindet. Der Antragsteller rechnet bei dieser Versammlung mit 50.000 bis 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

4

Am 1. Juni 2017 erließ die Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung eine versammlungsrechtliche Verfügung in Form der Allgemeinverfügung für die Zeit vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, bis zum 8. Juli 2017, 17:00 Uhr, für Teile des Hamburger Stadtgebiets. In dieser Allgemeinverfügung ist u.a. bestimmt:

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„Hiermit wird angeordnet, dass in der Zeit vom 7. Juli 2017 ab 06:00 Uhr bis 8. Juli 2017, 17:00 Uhr innerhalb des nachfolgend dargestellten Bereiches,

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östlich angrenzend an die Umzäunung des Flughafengeländes bis zur Flughafenstraße, Langenhorner Chaussee, Alsterkrugchaussee, Ratsmühlendamm, Olendörp, Fuhlsbütteler Damm, Am Hasenberge, Im Grünen Grunde, Alsterdorfer Straße, Fuhlsbüttler Straße, Schmuckshöhe, Sahlenburger Straße, Nordheimstraße, Meister-Francke-Straße, Elligersweg, Rümkerstraße, Otto-Speckter-Straße, Habichtstraße, Steilshooper Straße, Bramfelder Straße, Pfenningsbusch, Langenrehm, Stuvkamp, Wohldorfer Straße, Von-Essen-Straße, Holsteinischer Kamp, Heinskamp, Gluckstraße, Wagnerstraße, Uferstraße, Lerchenfeld, Eilenau, Lessingstraße, Güntherstraße, Neubertstraße, Alfredstraße,

7

südlich entlang der Bahnlinie bis Steinhauer Damm, Westphalensweg, Beim Strohhause, Kurt-Schumacher-Allee, Nagelsweg, Adenauerallee, Kreuzweg, Carl-Legien-Platz (inklusive der Grünfläche vor dem ZOB), Kurt-Schumacher-Allee, Altmannbrücke, Klosterwall (Fahrstreifen Fahrtrichtung Deichtorplatz), Burchardstraße, Pumpen, Meßberg, Willy-Brandt-Straße (nördliche Straßenbegrenzung), Ludwig-Ehrhard-Straße (nördliche Straßenbegrenzung), Millerntordamm (nördliche Straßenbegrenzung), Millerntorplatz (nördliche Straßenbegrenzung), Budapester Straße (nördliche Straßenbegrenzung), Simon-von-Utrecht-Straße (nördliche Straßenbegrenzung), Detlev-Bremer-Straße bis Kreuzungsbereich Budapester Straße,

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westlich Budapester Straße, Neuer Pferdemarkt, Schanzenstraße, Schulterblatt, Altonaer Straße, Kleiner Schäferkamp, Beim Schlump, Bundesstraße, Schlankreye, Bogenstraße, Bismarckstraße, Wrangelstraße, Troplowitzstraße, Stresemannallee, Grandweg, Grelckstraße, Rütersbarg, Niendorfer Straße, Kollauwanderweg, Schmiedekoppel, Köbenbusch, nördlich Lokstedter Holt Grenze Niendorfer Gehege bis östlich zur Kollaustraße, dann Sootbörn bis zur Umzäunung des Flughafengeländes,

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nördlich angrenzend an die genannte westliche Begrenzung (beginnend ab Sootbörn) entlang der Umzäunung des Flughafengeländes, entlang der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein, weiter entlang der Umzäunung des Flughafengeländes bis zur genannten östlichen Begrenzung (Flughafenstraße),

10

das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel gemäß Artikel 8 Absatz 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 15 Absatz 1 Versammlungsgesetz (VersG) und § 35 Satz 2 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HmbVwVfG) dahingehend eingeschränkt wird, dass angemeldete und nicht angemeldete Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel nur außerhalb dieses Bereiches durchgeführt werden dürfen.“

11

Das Heiligengeistfeld wird vom räumlichen Geltungsbereich dieser Anordnung erfasst. Die Begründung hierfür lautet in der Allgemeinverfügung (S. 54 f.) wie folgt:

12

„Westlich und südlich der Messehallen ist ein – im Hinblick auf die Gewährung des Art. 8 GG im Sinne der Durchführbarkeit von Versammlungen so klein wie möglich gehaltener – Bereich von Versammlungen freizuhalten, der es den eingesetzten Polizeikräften (hierfür stehen ausschließlich Eingreifkräfte, Raumschutzkräfte und Kräfte für Gegenveranstaltungen zur Verfügung) taktisch noch ermöglicht, eine entsprechend hohe Anzahl von Versammlungsteilnehmern von einem Einwirken auf den Veranstaltungsort abhalten zu können. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der entsprechenden Ankündigungen und Aufrufe davon ausgegangen werden muss, dass Versammlungsteilnehmer versuchen werden, in die 'rote Zone', mithin die Sicherheitszone rund um die Messehallen, einzudringen. Um dies zu verhindern, muss die Polizei bei einem Heranrücken von Versammlungsteilnehmern geeignete technische und taktische Maßnahmen ergreifen können. Dies ist nur möglich, wenn der Polizei geeignete Flächen sowie ein geeigneter Aktionsraum für die Aufstellung von technischen Sperren und Polizeikräften zur Verfügung stehen. Da ein Zurückdrängen der Polizeikräfte durch entsprechende Menschenmassen einzukalkulieren ist, ist somit ein ausreichender Abstand zu dem Veranstaltungsort Messehallen zum Schutz der Schutzpersonen bzw. der Staatsgäste und der Delegationen erforderlich. Eine Durchführung von Versammlungen in der Budapester Straße oder auf dem Heiligengeistfeld ist vor diesem Hintergrund unter Abwägung der in der Begründung zu I. 2. b) bb) bis dd) benannten unmittelbar gefährdeten Schutzgüter nicht möglich. Versammlungsteilnehmer könnten dort über weite Freiflächen ohne die bauliche Begrenzung z.B. durch Häuserfronten ungehindert in Richtung Neuer Kamp / Feldstraße (beispielsweise auch über das Millerntorstadion über diverse rückseitige Ausgänge) einfließen, weil die maximal zur Verfügung stehenden Polizeikräfte nicht in annähernder Relation zu der zu erwartenden Versammlungsteilnehmerzahl stehen. In diesem Fall würden die Polizeikräfte mit dem 'Rücken zur Wand' stehen und könnten taktisch nur noch nach vorne agieren. Zusätzliche Gefahren durch Gewalttätigkeiten oder gemeinsames Gegenhalten gegen Polizeikräfte würden in einer dicht gedrängten Menschenmasse durch eintretende Solidarisierungseffekte entstehen. Die Polizeikräfte benötigen zudem auch für den Schutz von friedlichen Versammlungsteilnehmern einen hinreichend großen Aktionsraum. Zusätzlich ist der Versammlungsbehörde bekannt, dass jedenfalls mit Stand vom 31.05.2017 auf dem Heiligengeistfeld Aufgrabungsarbeiten durchgeführt werden und das Gelände wegen dortiger Arbeiten mindestens bis zum 10.07.2017 durch Bauzäune eingeschlossen ist.

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Auch eine teilweise Nutzung des Heiligengeistfeldes durch Versammlungsteilnehmer wäre aus den genannten gefahrenabwehrrechtlichen Gründen nicht möglich: Die polizeilichen taktischen und technischen Maßnahmen müssten in dem Fall aus vorgenannten Gründen mit einem ausreichenden Abstand zur Feldstraße auf dem Heiligengeistfeld erfolgen. Um die breite Absperrlinie und den damit einhergehenden hohen Kräftebedarf zu kompensieren sowie eine Umgehung der Absperrung zu verhindern, wäre es erforderlich in großer Anzahl technische Sperren vorzuhalten und mögliche Zu- und Abgänge über das Millerntorstadion durch Absperrungen zu verschließen. Für eine auf einer Teilfläche des Heiligengeistfeldes durchgeführte Versammlung würde sich zwangsläufig ein 'Tascheneffekt' ergeben, da die Versammlungsteilnehmer östlich durch die Einzäunung von Planten un Blomen, westlich durch das Millerntorstadion und nördlich durch die polizeilichen Speereinrichtungen umschlossen wären. Im Falle gewalttätiger Auseinandersetzungen - die aufgrund der Teilnahme gewaltbereiter Versammlungsteilnehmer wahrscheinlich sind - als auch aufgrund anderweitiger Umstände könnten panikartige Ausweichbewegungen durch Versammlungsteilnehmer entstehen, die zu lebensgefährlichen Situationen führen könnten, weil ein Ausweichen aufgrund der Absperrungen nicht möglich wäre."

14

Nach fünf Kooperationsgesprächen mit der Antragsgegnerin beschränkte sich der Antragsteller statt der ursprünglich vorgesehenen fünf Demozüge auf einen einzigen Aufzug und akzeptierte eine stark veränderte Streckenführung. Auch die Zwischenkundgebungen sollten fortfallen. Der Antragsteller war jedoch nicht bereit, auf das Heiligengeistfeld als Ort der Schlusskundgebung zu verzichten und stattdessen den ihm von der Antragsgegnerin angebotenen Millerntorplatz zu akzeptieren. Der Millerntorplatz befindet sich in unmittelbarer Nähe südlich vom Heiligengeistfeld und liegt außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Anordnung vom 1. Juni 2017.

15

Aus Sicht der Antragsgegnerin steht das Heiligengeistfeld auch unabhängig davon, dass es vom räumlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung vom 1. Juli 2017 erfasst ist, bereits deswegen aus tatsächlichen Gründen nicht zur Verfügung, weil dort bis zum 10. Juli 2017 nicht verlegbare Bauarbeiten (Kampfmittelsondierungen und Sanierungsarbeiten) stattfänden. Dem hält der Antragsteller entgegen, dass ab dem 14. Juli 2017 der „Schlagermove 2017“ auf dem Heiligengeistfeld veranstaltet werde und es möglich sei, die dortigen Baumaßnahmen zeitlich so einzurichten, dass von ihnen nicht nur diese Partyveranstaltung samt ihrer im Vorfeld erforderlichen Aufbauarbeiten, sondern auch die von ihm vorgesehene Schlusskundgebung nicht beeinträchtigt würden.

16

In einer Anmeldebestätigung vom 13. Juni 2017 traf die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller folgende Regelungen für den Aufzug am 8. Juli 2017:

17

Tenor:         

,G20 – not welcome!‘

                 

Aufstellungszeit und -ort:

ab 10:00 Uhr, Deichtorplatz

                 

Anfangskundgebung    

        

Zeit, Ort:           

11:00 – 13:00 Uhr, am Aufstellungsort

                 

Abmarschzeit:        

ca. 13:30 Uhr

                 

Zwischenkundgebung /

        

-kundgebungen        

        

Zeit, Ort:           

ohne   

                 

Marschweg:           

Deichtorplatz – Willy-Brandt-Straße – Ludwig-Erhard-Straße – Millerntordamm – Millerntorplatz –
Reeperbahn – Holstenstraße –Simon-von-Utrecht-Straße –Budapester Straße – Millerntorplatz

                 

Schlusskundgebung,   

        

Zeit, Ort:           

16:00 – 22:00 Uhr, Millerntorplatz“

18

Die Anmeldebestätigung vom 13. Juni 2017 enthält weder eine Rechtsbehelfsbelehrung noch eine Anordnung der sofortigen Vollziehung.

19

Unter dem 19. Juni 2017 legte der Antragsteller Widerspruch sowohl gegen die Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 als auch gegen die Anmeldebestätigung vom 13. Juni 2017 ein. Diese Widersprüche beschränkte er jeweils auf die von der Antragsgegnerin getroffene Regelung hinsichtlich des Orts der Schlusskundgebung (Millerntorplatz statt Heiligengeistfeld).

20

Ebenfalls am 19. Juni 2017 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche gegen die Anmeldebestätigung vom 13. Juni 2017 und die Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 beantragt.

21

Mit Beschluss vom 28. Juni 2017 hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag abgelehnt.

22

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

II.

23

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

24

Es kann offen bleiben, ob sich der Antragsteller hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt und deren tragende Erwägungen erschüttert hat. Das Beschwerdegericht geht zu seinen Gunsten hiervon aus, da die Effektivität des Rechtsschutzes gefährdet wäre, wollte man in extrem eilbedürftigen und zugleich komplexen Verfahren der vorliegenden Art die formalen gesetzlichen Anforderungen des § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO konsequent anwenden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 11.9.2015, 4 Bs 192/15, juris Rn. 7). Die hiernach grundsätzlich zulässige vollständige Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch das Beschwerdegericht führt allerdings im Ergebnis zu keiner Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

25

1. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers im angefochtenen Beschluss (BA S. 18) dahin gehend verstanden,

26

„dass es ihm entsprechend der ausdrücklichen Formulierung seines Antrages darum geht, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die durch die Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 begründete Auflage in der Verfügung vom 13. Juni 2017, in der Zeit vom 16 Uhr bis 17 Uhr am 8. Juli 2017 keine Versammlung durchzuführen bzw. die Abschlusskundgebung seiner für diesen Tag angemeldeten Versammlung nicht auf dem Heiligengeistfeld durchzuführen und als Ort hierfür stattdessen den Straßenbereich Millerntorplatz zu nutzen, wiederherzustellen. Soweit der Antragsteller in der Begründung seines Antrags weiterhin darauf abstellt, für die Zeit von 17 Uhr bis 22 Uhr fehle es bereits an einer Rechtfertigung für die räumliche Beschränkung, weil die Allgemeinverfügung nur die Zeit bis 17 Uhr erfasse, sieht die Kammer hierin keinen weiteren getrennten Streitgegenstand. Denn es handelt es sich bei der Versammlung am 8. Juli 2017 um eine einheitliche Versammlung in der Zeit von 10 Uhr bis 22 Uhr, für die der Bühnenaufbau für die Abschlusskundgebung bereits am 7. Juli 2017 durchgeführt werden soll, so dass eine 'Abtrennung' keinen Sinn ergäbe.“

27

Gegen dieses Verständnis seines Antrags wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde nicht. Auch das Beschwerdegericht behandelt daher sein Rechtsschutzbegehren in diesem Sinne und geht davon aus, dass der Antragsteller eine einheitliche Versammlung von 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr auf der vorgesehenen Route und in ihrem Rahmen eine einheitliche Schlusskundgebung von 16.00 bis 22.00 Uhr auf dem Heiligengeistfeld durchführen möchte, deren rechtliche Zulässigkeit im vorliegenden Verfahren nach den Maßstäben des vorläufigen Rechtsschutzes geklärt werden soll. Wenn also der Veranstaltungsteil von 17.00 bis 22.00 Uhr auch aus der Sicht des Antragstellers – was sich im Übrigen schon wegen des notwendigen Bühnenaufbaus aufdrängt – kein eigenständiger bzw. abspaltbarer Streitgegenstand sein soll, sondern die zu entscheidende Frage allein lautet, ob die um 16.00 Uhr beginnende Schlusskundgebung auf dem Heiligengeistfeld stattfinden darf oder nicht, braucht im vorliegenden Verfahren nicht der Frage nachgegangen zu werden, wie es sich auswirkt, dass eine Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) durch die Antragsgegnerin nur in der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 vorgenommen wurde, mithin (nur) für die Zeit vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, bis zum 8. Juli 2017, 17:00 Uhr, während es an einer Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Zeit nach 17.00 Uhr fehlt. Die Anmeldebestätigung vom 13. Juni 2017, welche Regelungen auch für die Zeit nach 17.00 Uhr trifft, ist nämlich nicht mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehen worden. Die somit rein formal nach § 80 Abs. 1 VwGO eingetretene aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 19. Juni 2017 gegen die Anmeldebestätigung vom 13. Juni 2017 ist indes in praktischer Hinsicht für das Begehren des Antragstellers nutzlos, da für den Zeitraum von 16.00 bis 17.00 Uhr eine Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 vorliegt, welche (wie es das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, s. BA S. 19 f.) auch den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Damit hat der Widerspruch des Antragstellers vom 19. Juni 2017 gegen die Allgemeinverfügung keine aufschiebende Wirkung. Die einheitliche Schlusskundgebung von 16.00 bis 22.00 Uhr wird somit – wenn auch nur hinsichtlich eines Teilzeitraums – von einer von der Antragsgegnerin vorgenommenen ordnungsgemäßen Anordnung der sofortigen Vollziehung erfasst.

28

2. Bei der im Rahmen des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotenen Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Entscheidung der Antragsgegnerin, die Schlusskundgebung nicht auf dem Heiligengeistfeld, sondern auf dem Millerntorplatz stattfinden zu lassen, mit dem Interesse des Antragstellers, den Vollzug dieser Entscheidung auszusetzen und die Schlusskundgebung auf dem Heiligengeistfeld durchführen zu können, ist als Grundlage dieser Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht, soweit möglich, nicht nur summarisch zu prüfen. Sofern dies nicht möglich sein sollte, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, NVwZ 2013, 570, juris Rn. 18, m.w.N.).

29

Die Verlegung des Orts der Schlusskundgebung der streitgegenständlichen Versammlung vom Heiligengeistfeld auf den unmittelbar angrenzenden Millerntorplatz erweist sich zur Überzeugung des Beschwerdegerichts als rechtmäßig. Zu Recht ist in der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 für die Zeit vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, bis zum 8. Juli 2017, 17:00 Uhr, das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 VersG insoweit eingeschränkt worden, als Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel in dieser Zeit nicht auf dem Heiligengeistfeld durchgeführt werden dürfen. Ob sich die Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 in ihren gesamten übrigen Regelungen ebenfalls als rechtmäßig erweist, ist im vorliegenden Verfahren nicht erörterungsbedürftig. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob das Heiligengeistfeld, wie es die Antragsgegnerin vorträgt, auch aus tatsächlichen Gründen wegen nicht verlegbarer Baumaßnahmen als Ort der Schlusskundgebung ausscheidet, oder ob, wie es der Antragsteller unter Beifügung von Fotografien zuletzt mit Schriftsatz vom heutigen Tag geltend macht, das Heiligengeistfeld durchaus am 8. Juli 2017 zur Verfügung steht, weil dort keine Bauarbeiten (mehr) stattfinden bzw. diese jedenfalls unproblematisch für diesen Tag unterbrochen werden können. Denn auch wenn man letzteres zugunsten des Antragstellers unterstellt, ändert sich hierdurch die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verlegung der Schlusskundgebung auf den Millerntorplatz nicht.

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Gemäß § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.

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a) Die von Art. 8 GG geschützte Versammlungsfreiheit gewährt den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81 u.a., BVerfGE 69, 315, juris Rn. 61; VGH München, Urt. v. 22.9.2015, 10 B 14.2246, NVwZ-RR 2016, 498, juris Rn. 59 m.w.N.). Bei Beschränkungen des Rechts des Veranstalters, Zeitpunkt und Ort der Versammlung zu bestimmen, ist zu berücksichtigen, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch das Interesse des Veranstalters schützt, einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu erzielen. Dementsprechend kann es dem Veranstalter darauf ankommen, die Versammlung in möglichst großer Nähe zu einem symbolhaltigen Ort – hier zu den Messehallen als Ort des G 20-Treffens – stattfinden zu lassen (vgl. BVerfG, Beschl. vom 6.6.2007, 1 BvR 1423/07, BVerfGK 11, 298, juris Rn. 23). Bei einer von der Versammlungsanmeldung abweichenden Bestimmung der Marschroute eines Aufzugs oder des Orts der Schlusskundgebung ist zu prüfen, ob diese sich schon als (Teil-)Verbot der Versammlung oder noch als Auflage erweist. Wird durch eine solche Bestimmung der spezifische Charakter der Versammlung so verändert, dass die Verwirklichung des besonderen kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert wird, kommt die Bestimmung einem Verbot nahe (vgl. BVerfG, Beschl. vom 6.6.2007, 1 BvR 1423/07, BVerfGK 11, 298, juris Rn. 20).

32

Nach diesen Maßstäben ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss (BA S. 20) hinsichtlich der in der Anmeldebestätigung vom 13. Juni 2017 enthaltenen Bestimmung, als Ort für die Schlusskundgebung nicht das Heiligengeistfeld, sondern den Millerntorplatz zu nutzen, zu Recht von einer Auflage ausgegangen. Gegen ein in dieser Ortsbestimmung liegendes (Teil-)Verbot der Versammlung spricht, dass auch der Millerntorplatz in der Nähe der Messehallen belegen ist und überdies an das Heiligengeistfeld unmittelbar angrenzt. Die Schlusskundgebung ist somit in einem Bereich möglich, der räumlich nicht wesentlich weiter vom „Ort des Geschehens“ beim G 20-Gipfel entfernt liegt als das vom Antragsteller erwünschte Heiligengeistfeld. Dass durch diese Ortsbestimmung der spezifische Charakter der Versammlung wesentlich verändert würde, kann angesichts dessen nicht festgestellt werden. Alle übrigen Teile der zwölfstündigen Versammlung, nämlich die Anfangskundgebung und der bis 16.00 Uhr stattfindende Aufzug, werden von der Entscheidung der Antragsgegnerin ohnehin nicht berührt.

33

b) Das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, über Gegenstand, Zeitpunkt und Ort der Versammlung bestimmen zu dürfen, ist beschränkt, soweit seine Ausübung zur Kollision mit gleichwertigen Rechtsgütern anderer führt (st. Rspr., vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 2.12.2005, 1 BvQ 35/05, juris Rn. 27; VGH München, Urt. v. 22.9.2015, 10 B 14.2246, NVwZ-RR 2016, 498, juris Rn. 59; jeweils m.w.N.). Die in Art. 8 GG gewährleistete Versammlungsfreiheit und das durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sind gleichwertige Rechtsgüter in diesem Sinne (vgl. z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 17.12.2009, 4 Bs 247/09, n.v.; v. 10.12.2008, 4 Bs 236/08, n.v.). Kollidieren diese Rechtsgüter, kann praktische Konkordanz beim Rechtsgüterschutz dadurch hergestellt werden, dass die Modalitäten der Versammlungsdurchführung durch Auflagen gemäß § 15 Abs. 1 VersG verändert werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.12.2005, a.a.O.).

34

Die öffentliche Sicherheit i.S.v. § 15 Abs. 1 VersG umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81 u.a., BVerfGE 69, 315, juris Rn. 77; BVerwG, Urt. v. 25.6.2008, 6 C 21.07, BVerwGE 131, 216, juris Rn. 13). Erforderlich ist eine unmittelbare Gefährdung dieser Rechtsgüter, mithin eine Gefahrenprognose, die gestützt auf tatsächliche Anhaltspunkte („erkennbare Umstände“) bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts begründet; bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.9.2009, 1 BvR 2147/09, juris Rn. 9; Beschl. v. 14.5.1985, a.a.O., juris Rn. 80). Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes berücksichtigt das Gericht, ob die für die Beurteilung der Gefahrenlage herangezogenen Tatsachen unter Berücksichtigung des Schutzgehalts des Art. 8 GG in nachvollziehbarer Weise auf eine unmittelbare Gefahr hindeuten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.9.2009, a.a.O.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind nach dem aus dem Grundgesetz ableitbaren Grundsatz der Verhältnismäßigkeit umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 22.9.2016, 7 A 11077/15, juris Rn. 17 m.w.N.).

35

Nach diesen Maßstäben liegt eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung der Schlusskundgebung auf dem Heiligengeistfeld vor.

36

aa) Es bestehen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass während des G 20-Treffens und damit auch am 8. Juli 2017, dem letzten Tag dieses Treffens, eine hohe Gefahr für die Verletzung der genannten zentralen Rechtsgüter, und zwar insbesondere für die durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit, gegeben ist. Das Beschwerdegericht nimmt insoweit gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf folgende Ausführungen im angefochtenen Beschluss (BA S. 26 – 29) Bezug und macht sich diese zu Eigen:

37

„Die Antragsgegnerin hat in der Allgemeinverfügung zu Recht angenommen, dass Tatsachen und Indizien die Annahme rechtfertigen, dass während des G20-Gipfels in Hamburg am 7. und am 8. Juli 2017 eine hohe Gefahr für die Verletzung elementarer Rechtsgüter besteht.

38

Die Gefahrenprognose ist rechtlich nicht zu beanstanden, da sie auf Grundlage der vorgelegten Erkenntnisquellen tragfähig und schlüssig ist. Die Antragsgegnerin hat konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte benannt und keine bloßen Vermutungen angestellt.

39

Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung folgt bereits aus der Anwesenheit der Staats- und Regierungschefs, da diese Personengruppe stets einer besonderen (Anschlags-) Gefahr ausgesetzt ist. Darüber hinaus legt auch die erwartete Anzahl an gewaltorientierten Personen mit vornehmlich linksextremer und linksalternativer Auffassung nahe, dass während des G20-Gipfels und dessen Vorlauf ernstlich mit Ausschreitungen in dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg zu rechnen ist, wobei diese in Dimension und Intensität außergewöhnlich sein dürften. Die Antragsgegnerin rechnet – allein in Bezug auf die Anzahl der gewaltbereiten Linksextremisten – mit einer Mobilisierung von 7.000 bis 8.000 Teilnehmern. Dieser Einschätzung tritt der Antragsteller nicht substantiiert entgegen. Dabei ist zu befürchten, dass diese Personen nicht nur gewaltbereit, sondern gewaltsuchend sind. Es ist zu erwarten, dass sie während des G20-Gipfels das erklärte Ziel haben, dort Gewalt auszuüben und militante Aktionen durchzuführen. Ein vergleichbares konflikt- und gewaltorientiertes Verhalten ist bei ähnlichen Anlässen – etwa dem G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 – wiederholt gezeigt worden.

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Bestätigt wird diese Einschätzung zunächst aufgrund der von der Antragsgegnerin als 'Mobilisierungsstraftaten' bezeichneten Vorfälle, bei denen es überwiegend in Hamburg, aber auch andernorts in der Bundesrepublik insbesondere zu Brandanschlägen auf private und dienstliche Fahrzeuge gekommen ist und sonstige Sachbeschädigungen verübt wurden. Die in diesem Zusammenhang erfolgten Bekennerschreiben haben einen Bezug zum G20-Gipfel aufgewiesen und zu weiterer Gewalt und Sabotageaktionen aufgerufen. Es wurde etwa dazu aufgefordert, ,G20 in Hamburg [zu] versenken‘, ,[den] G20-Gipfel zum Desaster [zu] machen‘ oder 'im Vorfeld des G20-Gipfels die Infrastruktur der Herrschenden und Profiteure anzugreifen'. Darüber hinaus wurde auch in einschlägigen Internetforen sowie in der Presse – mitunter auch durch die zu dem die Versammlung des Antragstellers tragenden Bündnis gehörende 'Interventionistische Linken' (IL) und 'Attac' – zu allgemeinen Störungen und zur Blockade der Zu- und Abfahrtswege in Gestalt von Massenblockaden aufgerufen, wobei für Massenblockaden extra Übungen und Seminare durchgeführt werden sollten. Weiter wurden von anderen Gruppen und Personen militante Aktionen, Barrikaden und 'Krähenfüße' sowie generelle Angriffe auf die Fahrzeuginfrastruktur angekündigt.

41

Hieraus konnte geschlossen werden, dass eine erhebliche Anzahl an Personen im dem Bewusstsein gehandelt und kommuniziert hat, gezielt illegale und militante Handlungen während des G20-Gipfels zu begehen. Auch für die Versammlung des Antragstellers wurde die 'Bildung von widerständigen, antikapitalistischen Blöcken' angekündigt. Darüber hinaus konnte aus den Einträgen geschlossen werden, dass auch aus dem Ausland gewaltbereite Demonstranten anlässlich des G20-Gipfels anreisen werden, da ein 'Protestzug' via Basel über Stuttgart nach Hamburg angekündigt wurde. Es begegnet keinen Bedenken, wenn die Antragsgegnerin hieraus – nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Strömungen und Vereinigungen – auf ein nur schwer zu überblickendes Gesamtgeschehen schließt und bei den beteiligten Gruppen auf eine besondere Ausprägung der Gewaltbereitschaft sowie ein unversöhnliches Verhalten insgesamt folgert.

42

Etwaige Gegenindizien, die die Gefahrenprognose der Antragsgegnerin als fehlerhaft erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich, da von den zuvor benannten Gruppen und Personen – insbesondere der 'Interventionistischen Linken' (IL) und 'Attac' – keine Distanzierung von gewalttätigen oder militanten Aktionen erfolgte, sondern eher – wie dargelegt – das Gegenteil der Fall war, indem insbesondere ein 'Blockadetraining' angeboten wurde.
(…)

43

In der Gesamtschau rechtfertigen die in der Allgemeinverfügung aufgezählten Indizien die Prognose, dass durch den G20-Gipfel und die verschiedenen Protest-Gruppen ernstlich mit Gewalt und militanten Aktionen zu rechnen ist.“

44

bb) Den Bezug zu der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung sieht das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss (BA S. 29) zu Recht darin, dass im Internet gerade im Zusammenhang mit dieser Versammlung zur Bildung widerständiger antikapitalistischer Blöcke aufgerufen wird (so etwa auf der Webseite „G20 Welcome to Hell“ unter https://g20tohell.blackblogs.org/2017/02/12/aufruf-de/, abgerufen am 2. Juli 2017, mit der Überschrift „BLOCKIEREN – SABOTIEREN – DEMONTIEREN“: „DAYS OF ACTION – 6/7/8 JULI 2017 […] BILDUNG VON WIDERSTÄNDIGEN, ANTIKAPITALISTISCHEN BLÖCKEN AUF DER GROSSDEMO AM SAMSTAG, DEN 8. JULI 2017“; ferner z.B. auf der Webseite „… ums Ganze!“ unter der Überschrift „Zum G20 in Hamburg: Ketten sprengen – Hafen lahmlegen!“ unter https://umsganze.org/zum-g20-in-hamburg-ketten-sprengen-hafen-lahmlegen/, abgerufen am 2. Juli 2017: „Wir sehen uns. Am Donnerstag, den 6. Juli, auf der Vorabenddemo, am Samstag, den 8. Juli auf der Großdemonstration durch die Hamburger Innenstadt im antikapitalistischen Block und vor allem am Freitag morgen im Hafen zu Massenaktionen gegen die Logistik des Kapitals – bevor wir uns dann nachmittags an, pardon, in der Roten Zone wiedersehen.“).

45

cc) Bestehen somit hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass am 8. Juli 2017 aus der streitgegenständlichen Versammlung heraus durch gewaltbereite oder gewaltsuchende Personen Gewaltstraftaten begangen werden, welche die körperliche Unversehrtheit oder gar das Leben von Polizistinnen und Polizisten oder von unbeteiligten Personen wie auch von friedlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung selbst (etwa im Falle einer Massenpanik, welche bei einer Menschenansammlung von 50.000 bis 100.000 Menschen verheerende Folgen hätte) gefährden, ist die Antragsgegnerin berechtigt und verpflichtet, die wechselseitigen Interessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Ausgleich zu bringen (vgl. VGH München, Urt. v. 22.9.2015, 10 B 14.2246, juris Rn. 59 m.w.N.). Hierbei ist einerseits der hohe Rang des Rechts der friedlichen Versammlungsteilnehmerinnen und –teilnehmer aus Art. 8 GG zu beachten und andererseits das Erforderliche zu tun, um Leib und Leben der betroffenen Menschen effektiv zu schützen und damit das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG zu wahren.

46

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Schlusskundgebung nicht auf dem Heiligengeistfeld, sondern in der Nähe des Heiligengeistfelds auf dem Millerntorplatz stattfinden zu lassen, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Denn auf dem Millerntorplatz bestehen die Gefahren nicht im gleichen Maße wie bei einer Durchführung auf dem Heiligengeistfeld. Das Beschwerdegericht nimmt gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf folgende Ausführungen im angefochtenen Beschluss (BA S. 36 f.) Bezug und macht sich diese zu Eigen:

47

„Fände die Abschlusskundgebung der Versammlung auf dem Heiligengeistfeld statt, sind gewalttätige Auseinandersetzungen – mitunter sogar Krawalle und Ausschreitungen – ernstlich zu befürchten. Denn es ist zu erwarten, dass gewaltbereite und gewaltsuchende Teilnehmer der Versammlung die – nur deshalb – zur Abtrennung zum nördlichen Teil des Heiligengeistfeldes erforderlichen Polizeibeamten angreifen und Absperrungen niederreißen. Hierdurch würden nicht nur Leib und Leben der Beamten und der übrigen – friedlichen – Versammlungsteilnehmer gefährdet, sondern auch der ordnungsgemäße Abschluss des G20-Gipfels würde bedroht sein. Denn die Sperrzone rund um die Messehallen liegt vom südlichen Teil des Heiligengeistfeldes nur ungefähr 900 Meter und vom nördlichen Teil nur ungefähr 300 Meter entfernt. Sofern das Heiligengeistfeld hälftig durch die Polizei abgesperrt würde, müsste hierfür – je nach Standort – eine ca. 200 bis 300 Meter weite Strecke gesichert werden. Es erscheint naheliegend, dass sich dort gewaltbereite Versammlungsteilnehmer sammeln, Gewalt ausüben und versuchen werden, die Absperrungen zu durchdringen. Um dies zu verhindern, müsste die Polizei – wie von der Antragsgegnerin plausibel darlegt – nach vorne gegen die Störer vorgehen und würde dabei notwendigerweise nicht nur die Gesundheit und das Leben ihrer Beamten gefährden, sondern auch das der friedlichen, dahinter befindlichen Versammlungsteilnehmer. Vor dem Hintergrund der antragstellerseits angegeben Teilnehmerzahl von 50.000 bis 100.000 beträfe dies – auch unter Außerachtlassung der Polizeibeamten – eine erhebliche Anzahl an Menschen. Diese Situation birgt ferner die erhebliche Gefahr einer Massenpanik in sich, die durch den – für die Durchführung der Absperrungen zwingend erforderlichen – Einsatz technischer Sperren wie Absperrgitter verstärkt würde. Denn diese könnten – wie von der Antragsgegnerin nachvollziehbar dargelegt – nicht nur gegen die Polizeibeamten eingesetzt werden, sondern würden für die übrigen Versammlungsteilnehmer eine weitere Gefahr begründen, da sie – im Falle eines fluchtartigen Verlassens – ein Hindernis und eine Stolperfalle darstellten. Es bestünde die ernsthafte Gefahr, dass Menschen gegen sie gedrückt und erdrückt würden.

48

Demgegenüber bestünden derartige Gefahren bei der Durchführung der Veranstaltung auf dem alternativ zur Verfügung gestellten – und unmittelbar angrenzenden – Millerntorplatz, auch wenn er nicht allen Versammlungsteilnehmern einen guten Blick auf die Bühne ermöglicht, nicht in diesem Ausmaß. Denn dieser Platz kann im Falle einer Massenpanik – anders als das dann wegen der Absperrungen nur nach Süden geöffnete Heiligengeistfeld – nicht nur in eine Richtung verlassen werden, sondern in Richtung Westen über die Budapester Straße und die Reeperbahn, in Richtung Süden über die Glacischaussee und die Helgoländer Allee und in Richtung Osten über den Millerntordamm.“

49

Das Beschwerdegericht verkennt nicht, dass der Millerntorplatz aufgrund seiner topografischen Situation nicht in gleicher Weise für die aus Art. 8 GG geschützten Belange des Antragstellers geeignet ist, da er bei Erreichen sehr hoher Teilnehmerzahlen nicht alle Versammlungsteilnehmerinnen und –teilnehmer wird aufnehmen können und auch nicht die Gewähr dafür bietet, dass die Versammlungsteilnehmerinnen und –teilnehmer allesamt direkten Blick auf die Bühne haben. Aus dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten der HafenCity Universität Hamburg vom 16. Juni 2017 geht hervor, dass auf dem Millerntorplatz für eine Abschlusskundgebung 22.700 Quadratmeter zur Verfügung stehen und dass, sofern man eine Dichte von 1,5 Personen pro Quadratmeter zugrunde legt, dort maximal 35.000 Personen Platz finden würden. Legt man, wie dies ausweislich des Gutachtens vom 16. Juni 2017 in einschlägigen Richtlinien für öffentliche Veranstaltungen in der Regel aus Sicherheitsgründen geschieht, eine Dichte von 2 Personen pro Quadratmeter zugrunde, ergibt sich eine – im Gutachten nicht genannte, daher vom Beschwerdegericht errechnete – mögliche Teilnehmerzahl von 45.400 Personen auf dem Millerntorplatz. Auch wenn sich die Teilnehmerzahl im unteren Bereich der vom Antragsteller erwarteten Bandbreite, nämlich bei 50.000 Personen, bewegen sollte, wäre es somit nicht allen Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmern möglich, auf den Millerntorplatz zu gelangen. Sie müssten sich in der Umgebung des Millerntorplatzes aufhalten, ohne das Geschehen der Schlusskundgebung dort in gleicher Weise wie auf dem Millerntorplatz selbst verfolgen zu können. Ein solcher erheblicher Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG ist jedoch angesichts der noch gewichtigeren Schutzgüter, die bei einer Durchführung der Schlusskundgebung auf dem Heiligengeistfeld auf dem Spiel stehen, hinzunehmen.

50

Ein die Rechte des Antragstellers aus Art. 8 GG weniger beeinträchtigendes, jedoch gleich effektives Mittel, um die erheblichen Gefährdungen der durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit bei einer Schlussveranstaltung auf dem Heiligengeistfeld zu vermeiden, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass diese Gefährdungen ebenso effektiv verringert würden, wenn, wie es der Antragsteller in der Antragsschrift vom 19. Juni 2017 (S. 21) vorträgt, Modifizierungen der Versammlungsverbotszone im Bereich des Heiligengeistfelds vorgenommen werden würden.

51

Da die Durchführung der Schlusskundgebung in dem an den Millerntorplatz angrenzenden Alten Elbpark, welcher ausweislich ihres Schriftsatzes vom 21. Juni 2017 aus Sicht der Antragsgegnerin ebenfalls als Standort möglich wäre, für den Antragsteller nicht in Betracht kommt (s. dessen Schriftsatz vom 22. Juni 2017), bedarf es seitens des Beschwerdegerichts keiner weiteren Ausführungen hierzu.

III.

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung bleibt einer gesonderten Entscheidung vorbehalten.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

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(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

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(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. September 2015 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen ein Versammlungsverbot.

2

Der Antragsteller meldete am 9. Mai 2015 für Sonnabend, den 12. September 2015 einen Aufzug an mit dem Thema „Tag der Patrioten“. Der Aufzug sollte ab 12 Uhr bis zum Abend vom Hamburger Hauptbahnhof durch die Innenstadt und die Hafencity zurück zum Hauptbahnhof führen. Vorgesehen waren drei etwa einstündige Kundgebungen sowie der Einsatz von einem Ordner auf je 50 Teilnehmer. Der Antragsteller rechnete mit etwa 500 Teilnehmern. Im Verlauf der Kooperationsgespräche änderte der Antragsteller wegen einer in der Hafencity gleichzeitig stattfindenden anderen Veranstaltung die Planung und schlug eine außerhalb des Innenstadtbereichs gelegene Route vor. Er rechnete zuletzt mit einer deutlich größeren Teilnehmerzahl. Die Antragsgegnerin ging zuletzt von ca. 2.000 bis 3.000 Teilnehmern aus, darunter 300 bis 500 Rechtsextremisten, sowie ca. 1.500 „rechtsaffinen, patriotischen Fußballanhängern“, darunter eine große Anzahl problematischer Fans der „Kategorie C“ (Hooligans). Für den Tag dieses Aufzugs erwartet die Antragsgegnerin bis zu 15.000 Teilnehmer an Gegenveranstaltungen, darunter bis zu 2.000 gewaltorientierte, nämlich gewaltbereite und gewaltsuchende Personen.

3

Mit Bescheid vom 3. September 2015 verbot die Antragsgegnerin den angemeldeten Aufzug. Zur Begründung führte sie aus: Es sei zu erwarten, dass gewaltsuchende und gewaltbereite Teilnehmer aus dem Aufzug heraus Straftaten zum Nachteil von Gegendemonstranten sowie gewaltsuchenden und gewaltbereiten Linksextremisten, Polizeibeamten und unbeteiligten Dritten begehen und damit deren Leib und Leben gefährden würden. Unabhängig hiervon werde der Aufzug im Wege des polizeilichen Notstandes verboten, da die Gefahren für Leib und Leben von Versammlungsteilnehmern, Polizeibeamten und unbeteiligten Dritten, die aufgrund der sicher zu erwartenden gewalttätigen Auseinandersetzungen entstünden, mit den zur Verfügung stehenden Polizeikräften nicht verhindert werden könnten. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch.

4

Beim Verwaltungsgericht hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 9. September 2015 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt: Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Versammlungsverbots überwiege das Interesse des Antragstellers, da sein Widerspruch keine Aussichten auf Erfolg habe. Der Aufzug habe verboten werden können, da ein Großteil der Versammlungsteilnehmer nicht beabsichtige, sich friedlich zu versammeln, sondern die Gelegenheit suche, Gewalt gegen politische Gegner, Polizisten und andere selbst definierte Feinde auszuüben. Es sei deshalb zu erwarten, dass aus dem Aufzug heraus insbesondere (schwere) Körperverletzungen begangen würden, die sich zu schweren Gewaltexzessen ausweiten würden.

5

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 10. September 2015 mittags erhobenen und begründeten Beschwerde.

II.

6

A Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

7

Es kann offen bleiben, ob sich der Antragsteller hinreichend mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und dessen tragende Erwägungen erschüttert hat. Das Beschwerdegericht geht zugunsten des Antragstellers hiervon aus, da die Effektivität des Rechtsschutzes gefährdet wäre, wollte man in extrem eilbedürftigen und zugleich komplexen Verfahren der vorliegenden Art die formalen gesetzlichen Anforderungen konsequent anwenden. Die hiernach grundsätzlich zulässige vollständige Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch das Beschwerdegericht führt allerdings im Ergebnis zu keiner Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

8

Die im Rahmen eines Eilantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO durchzuführende Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 3. September 2015 gegenüber dem Interesse des Antragstellers, deren Vollzug auszusetzen und den angemeldeten Aufzug durchführen zu können, überwiegt. Bei der im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Prüfung lässt sich allerdings nicht feststellen, ob - was als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung im Hinblick auf den Schutz des betroffenen Grundrechts in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen wäre (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, NVwZ 2013, 570, juris Rn. 18, m.w.N.) - der Widerspruch des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung erfolgreich oder erfolglos sein wird; die Erfolgsaussichten sind vielmehr offen (hierzu unter 1.). Die deshalb unabhängig von den Erfolgsaussichten des Widerspruchs ausnahmsweise (BVerfG, a.a.O.) vorzunehmende reine Folgenabwägung führt zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an einem Versammlungsverbot gegenüber dem Interesse des Antragstellers, den Aufzug oder zumindest eine stationäre Versammlung durchzuführen (hierzu unter 2.).

9

1. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs sind offen, weil es dem Senat in der nur äußerst knappen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist, die maßgeblichen Tatsachengrundlagen, mit denen die Antragsgegnerin das Versammlungsverbot gerechtfertigt hat, zu überprüfen und ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit festzustellen.

10

a) Allerdings lässt sich feststellen, dass der Sachverhalt, wie er sich aus dem Inhalt der Sachakte der Antragsgegnerin und - diesen zusammenfassend wiedergebend - aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, es nicht rechtfertigt, die Versammlung selbst als unfriedlich anzusehen und sie deshalb zu verbieten.

11

Rechtsgrundlage für ein Verbot oder eine beschränkende Auflage ist mangels einer landesrechtlichen Regelung § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz. Nach dieser Vorschrift kann eine Versammlung oder ein Aufzug verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung müssen erkennbare Umstände vorliegen, aus denen sich die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ergibt (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, 1 BvR 2793/04, NVwZ 2008, 671, juris Rn. 19 f.). Derartige konkrete Tatsachen sind nicht erkennbar.

12

Aus den im Internet verbreiteten Aufrufen zur Teilnahme an dem Aufzug ergibt sich nicht, dass der Aufzug auf Gewalt ausgerichtet ist oder es zumindest naheliegt, dass er aus sich heraus einen unfriedlichen Verlauf nehmen wird. Die Videoaufrufe, von denen sich Aufzeichnungen in der Sachakte der Antragsgegnerin befinden und deren Inhalte in dem Bescheid zutreffend wiedergegeben werden, stehen überwiegend unter dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“. Weder diese Parole noch die Inhalte der Videos lassen erkennen, dass der Aufzug selbst oder sein Thema auf Gewalt ausgerichtet sind. Die Aufrufe zielen auf die politische Gesinnung der verschiedenen rechtsgerichteten Gruppierungen, die durch die Versammlung angesprochen werden sollen. Im Internet verbreitete Erklärungen der Art, es werde eine „heftige Demo“ werden, ein Tsunami werde über Hamburg hereinbrechen (S. 17 des Bescheides) bzw. man müsse die eine oder andere Blessur von vornherein in Kauf nehmen (S. 18 des Bescheides), drückt die Erwartung Einzelner aus und trägt möglicherweise dem Umstand Rechnung, dass man damit rechnet, dass es zu Auseinandersetzungen mit linksgerichteten Gegendemonstranten kommen wird.

13

Die Zahl der gewaltorientierten Teilnehmer lässt ebenfalls keinen hinreichenden, auf konkreten Tatsachen beruhenden Rückschluss darauf zu, dass der Aufzug „auf einen gewalttätigen Verlauf angelegt“ sei (so aber die Antragsgegnerin, S. 19 des Bescheides) bzw. dass - wie das Verwaltungsgericht meint - diese Teilnehmer den Aufzug derart dominieren werden, dass er nicht mehr als friedlich angesehen werden könnte. Aus der Akte ergibt sich bereits nicht konkret, mit wie vielen gewaltorientierten Teilnehmern die Antragsgegnerin überhaupt rechnet. Sie hat insofern nur angeführt, es würden sich unter den Rechtsextremisten und den rechtsgerichteten Fußballanhängern „gewaltbereite und gewaltsuchende Teilnehmer befinden“; von diesen gewaltorientierten Rechtsextremisten kämen ca. 150 aus Hamburg (S. 10 und 25 Bescheides). Gewaltorientiert soll den Angaben der Antragsgegnerin zufolge auch ein Rechtsradikaler sein, der voraussichtlich aus Berlin zusammen mit ca. 400 Personen anreisen wird (S. 13 des Bescheides). Dass diese Begleiter sämtlich oder überwiegend ebenfalls gewaltorientiert seien, sagt die Antragsgegnerin aber nicht. Offensichtlich gewaltorientiert sind die Teilnehmer der genannten WhatsApp-Gruppe (S. 13 f. des Bescheides). Sie besteht unmittelbar allerdings nur aus 17 Teilnehmern. Dass es speziell diese Gruppe ist, die - wie die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht meinen - mit 500 bis 600 Mann anreisen will, erscheint fraglich. Denn anreisen wollen die Teilnehmer dieser Gruppe nicht mit einem großen Bus, sondern mit zwei 9-Sitzern (Bl. 153 der Sachakte). Jedenfalls ist nichts dafür dargelegt oder aus der Sachakte ersichtlich, dass diese 500 bis 600 Mann sämtlich oder überwiegend ebenfalls gewaltorientiert sind. Mit welcher Gesamtzahl gewaltorientierter Teilnehmer des Aufzugs die Antragsgegnerin rechnet, hat sie nur sehr unbestimmt genannt. Auf Seite 11 ihres Bescheides erwartet sie „eine Anreise von hunderten gewaltsuchenden, mindestens aber gewaltbereiten Hooligans und Rechtsextremisten aus Deutschland und anderen europäischen Ländern“.

14

Die Prognose, der Aufzug werde einen unfriedlichen Verlauf nehmen, kann auch nicht aufgrund der Erfahrungen mit vergleichbaren Aufzügen und Versammlungen getroffen werden. Vergleichbar sind die Aufzüge am 2. Juni 2012 in Hamburg („Tag der deutschen Zukunft - Unser Signal gegen Überfremdung“) und am 26. Oktober 2014 in Köln („HoGeSa“) sowie die Versammlung am 15. November 2014 in Hannover („Europa gegen den Terror des Islamismus“). Zwar hatte der Antragsteller diese Versammlungen nicht zu verantworten, doch richteten sich diese - noch zeitnah zu dem angemeldeten Aufzug durchgeführten - Versammlungen mit vergleichbarer Thematik an dieselbe Zielgruppe. Deshalb dürfte auch der überwiegend rechtsextreme oder rechtsradikale Teilnehmerkreis mit dem Teilnehmerkreis des angemeldeten Aufzugs weitgehend identisch sein.

15

Aus dem Aufzug vom 2. Juni  2012 heraus sind den Angaben der Antragsgegnerin zufolge keine Straftaten begangen worden. Dargestellt hat sie in ihrem Bescheid (S. 22 f.) ausschließlich gewalttätige Aktionen der Gegendemonstranten. Bei dem Aufzug am 26. Oktober 2014 in Köln wurden zwar aus dem Aufzug heraus Gewalttaten begangen, aber est nachdem die Teilnehmer des Aufzugs von Außenstehenden mit Feuerwerkskörpern beworfen worden waren; daraufhin seien die Teilnehmer des Aufzugs äußerst aggressiv mit Flaschenwürfen sowohl gegen diese Personen als auch gegen Polizisten und Medienvertreter vorgegangen und nach dem Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray durch die Polizei sei diese massiv mit Flaschen beworfen worden. Dieser Vorfall belegt zwar die massive Gewaltbereitschaft eines Teils der etwa 4.800 Teilnehmer des damaligen Aufzugs. Mit derartigen Verhaltensweisen muss auch bei dem angemeldeten Aufzug gerechnet werden. Doch rechtfertigt dies nicht ein Verbot der Versammlung, durch das auch denjenigen das Recht zur Versammlung genommen würde, die sich an derartigen Aktionen nicht beteiligen. Denn die Gefahr, dass es zu derartigen Reaktionen auf Angriffe von außen kommt, könnte auf einfachere Weise verhindert werden. Zum einen könnte diese Gefahr durch den verstärkten Einsatz von Polizeikräften verringert werden; in Köln waren es nur 1.299 Beamte, was sich als viel zu wenig erwiesen hat. Zum anderen könnte der Aufzug so durchgeführt werden, dass Gegendemonstranten nicht unmittelbar in seine Nähe gelangen können. Sollte gleichwohl ein Aufzug nicht ausreichend geschützt werden können, bliebe noch die Möglichkeit, zumindest eine stationäre Versammlung durchzuführen. Bei einer derartigen stationären Versammlung am 15. November 2014 mit gut 3.000 Teilnehmern kam es während der Versammlung zu keinen Ausschreitungen (S. 24 des Bescheides). Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken gab es den Angaben der Antragsgegnerin zufolge nur außerhalb der Versammlung. Das rechtfertigt jedoch kein Versammlungsverbot.

16

Allerdings ist auch das Beschwerdegericht davon überzeugt, dass an dem Aufzug eine beträchtliche Zahl von Personen teilnehmen wird, die nicht nur bereit sind, ggf. Gewalt auszuüben, sondern die gewaltsame Auseinandersetzungen geradezu suchen. Das belegen die oben gewürdigten Aufrufe, das Chat-Protokoll sowie das Verhalten eines Teils der Teilnehmer des Aufzugs in Köln sowie der Versammlung in Hannover, bei dem ein großes Polizeiaufgebot erforderlich war, um die Teilnehmer der Versammlung von heranrückenden Gegendemonstranten zu trennen (S. 24 des Bescheides). Doch rechtfertigt dies gleichwohl kein Verbot des Aufzugs. Steht nicht zu befürchten, dass eine Demonstration im Ganzen einen unfriedlichen Verlauf nimmt oder dass der Veranstalter und sein Anhang einen solchen Verlauf anstreben oder zumindest billigen, bleibt für die friedlichen Teilnehmer der von der Verfassung jedem Staatsbürger garantierte Schutz der Versammlungsfreiheit auch dann erhalten, wenn mit Ausschreitungen durch Einzelne oder einer Minderheit zu rechnen ist. In einem solchen Fall setzt ein vorbeugendes Verbot der gesamten Veranstaltung strenge Anforderungen an die Gefahrenprognose sowie die vorherige Ausschöpfung aller sinnvoll anwendbaren Mittel voraus, welche den friedlichen Demonstranten eine Grundrechtsverwirklichung ermöglichen (BVerfG, Urt. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81 u.a., BVerfGE 69, 315, 4. Leitsatz).

17

Nach diesen Maßstäben ist ein Verbot des Aufzugs nicht gerechtfertigt. Es ist nicht dargelegt und auch sonst nicht erkennbar, dass der Antragsteller gewalttätige Übergriffe aus der Versammlung heraus dulden oder gar befürworten würde. In seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat er erklärt, er werde alles dafür tun, dass von seinem Aufzug keine Gewalt ausgehen werde und Gewalt von Gegendemonstranten auch nicht mit Gegengewalt beantwortet werde. Das ist nicht von vornherein unglaubhaft. Denn er hat von sich aus angezeigt, eine nicht unerhebliche Zahl von Ordnern einzusetzen, und in den im Internet verbreiteten Aufrufen werden ausdrücklich auch Ordner gesucht. Zudem liegen - wie ausgeführt - keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Versammlung vom Thema her auf Gewalt angelegt ist und die Angaben des Antragstellers deshalb unglaubhaft sein könnten. Schließlich könnten - wie ebenfalls bereits ausgeführt - gewalttätige Aktionen, die aus dem Aufzug heraus von Einzelnen oder Gruppen begangen werden, zielgerichtet unterbunden werden. Dass dies grundsätzlich - sieht man einmal von der Zahl einsatzbereiter Polizisten ab - nicht möglich wäre, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt.

18

b) Die Antragsgegnerin beruft sich unabhängig von den vorstehend gewürdigten Gründen zur Rechtfertigung des Verbots auf den sog. polizeilichen Notstand. Sie hält ein Verbot des Aufzugs mithin auch dann für gerechtfertigt, wenn von dem Aufzug keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Sie macht geltend, sie könne die Gefahren für Leib und Leben von Versammlungsteilnehmern, Polizeibeamten und unbeteiligten Dritten, die aufgrund der sicher zu erwartenden gewalttätigen Auseinandersetzungen mit linksgerichteten Gegendemonstranten entstünden, mit den zur Verfügung stehenden Polizeikräften nicht verhindern. Ob sich die Antragsgegnerin zu Recht auf den polizeilichen Notstand beruft, ist offen. Dies bedarf einer eingehenden Überprüfung, die im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nicht möglich ist.

19

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, NVwZ 2013, 570, juris Rn. 17, m.w.N.), der das Beschwerdegericht folgt, gilt: Soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, ist die Durchführung der Versammlung zu schützen und sind behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten. Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden. Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde.

20

Es erscheint zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin diese Darlegungsanforderungen erfüllt hat. Zwar hat sie die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes nicht nur pauschal behauptet. Sie hat ausgeführt, dass sie zur Abwehr der Gefahren während des Aufzugs sowie in den Zeiten davor und danach insgesamt mindestens 9 Abteilungsführungen (ca. 135 Beamte), 46 Hundertschaften (ca. 5.000 Beamte) sowie 10 Wasserwerferstaffeln (ca. 150 Beamte) benötige. Für eine stationäre Versammlung verringere sich der Mindestbedarf um 7 Hundertschaften. Sie selbst verfüge über 3 Abteilungsführungen, 9 Hundertschaften sowie 2 Wasserwerferstaffeln. Sie benötige deshalb weitere 6 Abteilungsleitungen, 37 Hundertschaften (ca. 4.000 Beamte) und 8 Wasserwerferstaffeln (S. 30 des Bescheides). Diese Kräfte habe sie bundesweit angefordert. Angeboten worden seien ihr bis zuletzt (10.9.2015) aber nur 5 Abteilungsführungen, 14 Hundertschaften sowie 11 Wasserwerferstaffeln. Damit bestehe gegenüber dem Minimalbedarf zur Durchführung eines Aufzugs eine Unterdeckung von 23 Hundertschaften (ca. 2.500 Beamte) und zur Durchführung einer stationären Versammlung eine Unterdeckung von 16 Hundertschaften (ca. 1.750 Beamte). Ausreichend dargelegt hat die Antragsgegnerin auch, dass die Polizeibehörden des Bundes und der Länder ihr tatsächlich nur die genannte Unterstützung angeboten haben. Das ergibt sich aus den Ausdrucken des mit diesen Behörden geführten E-Mail-Verkehrs (Bl. 209 ff. und 478 ff. der Sachakte). Diese Angaben genügen jedoch nicht, um davon ausgehen zu können, dass sich die Antragsgegnerin zu Recht auf den polizeilichen Notstand beruft.

21

Dabei hat das Beschwerdegericht angesichts des Umfangs der mit Sicherheit zu erwartenden Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern (dazu später) keinen Zweifel an der Angemessenheit des genannten Bedarfs. Ähnlich viele Polizisten waren auch bei den vergleichbaren Veranstaltungen am 2. Juni 2012 in Hamburg (4.500 Beamte) und am 15. November 2014 in Hannover (5.300 Beamte bei einer stationären Versammlung) im Einsatz (vgl. S. 22 ff. des Bescheides). Die Zahl der eingesetzten Beamten war lediglich am 26. Oktober 2014 in Köln (deutlich) geringer (1.299 Beamte). Diese Zahl war jedoch offenkundig (viel) zu gering.

22

Zweifelhaft ist allerdings, ob die Antragsgegnerin ein ernsthaftes Amtshilfeersuchen gestellt hat und ob die Behörden des Bundes und der Länder - wenn sie es als solches verstanden haben - zu Recht abgelehnt haben, die erforderliche Hilfe zu leisten. Nach Art. 35 Abs. 1 GG leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Rechts- und Amtshilfe. Hierzu sind sie auf ein entsprechendes Ersuchen hin verpflichtet (vgl. Bauer in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 19). Daran, dass ein derartiges Ersuchen gestellt wurde, kann man zweifeln, da die Antragsgegnerin in ihrer E-Mail vom 7. August 2015 (Bl. 209/210 der Sachakte) nur um Prüfung gebeten hat, ob die genannte Unterstützung erfolgen könne, und sodann Bund und Länder um „Angebote“ gebeten hat. Auch in ihrer E-Mail vom 27. August 2015 (Bl. 212/213 der Sachakte) hat sie im Hinblick auf den mitgeteilten erhöhten Bedarf lediglich um Angebote gebeten. Offenbar unterscheidet die Antragsgegnerin selbst zwischen Angeboten und Zusagen, wie sich aus einer anderen E-Mail vom 27. August 2015 ergibt (Bl. 217 R der Sachakte), in der sie sich für die „Prüfung der Unterstützungsmöglichkeiten ... und die eingegangenen Angebote/Zusagen bzw. Absagen“ bedankt hat. Insofern wäre aufzuklären, ob diese Bitte um Angebote von den betroffenen Behörden bereits als Ersuchen um eine dringend erforderliche Amtshilfe, zu der sie verpflichtet sind, verstanden wurde. Sollten die Behörden in der Bitte um Angebote noch kein konkretes Amtshilfeersuchen gesehen und mithin ein derartiges Ersuchen auch noch nicht abgelehnt haben, so lägen die Voraussetzungen für einen polizeilichen Notstand nicht vor. Andererseits erscheint es aber auch möglich, dass jedenfalls einige Behörden die Bitte der Antragsgegnerin bereits als verpflichtendes Amtshilfeersuchen verstanden haben. Denn sie haben sämtlich geantwortet und teilweise auch mitgeteilt, dass Polizeikräfte bereitgestellt würden. Um aufzuklären, ob die Behörden von Bund und Ländern die Bitte der Antragsgegnerin um Angebote als konkretes Amtshilfeersuchen verstanden haben, müssen Auskünfte dieser Behörden eingeholt werden. Das kann im vorliegenden Verfahren nicht erfolgen.

23

Vor allem aber ist aufklärungsbedürftig, aus welchen Gründen die Behörden des Bundes und der Länder nicht bzw. nur in derart geringem Umfang bereit oder in der Lage sind, Amtshilfe zu leisten. So haben einige Länder keinerlei Hilfe oder eine im Wesentlichen nur technische Unterstützung durch Wasserwerfereinheiten angeboten. Soweit sich die Behörden im Übrigen überhaupt bereit erklärt haben, Hundertschaften zur Verfügung zu stellen, beschränkt sich dies zumeist auf jeweils nur eine Hundertschaft. Damit mussten jedenfalls die großen und gleichwohl sehr zurückhaltend Hilfe leistenden Länder davon ausgehen, dass die insgesamt erbetenen 37 Hundertschaften nicht zusammenkommen würden. Insoweit bedarf es konkreter Feststellungen dazu, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit in den jeweiligen Ländern und aufgrund welcher konkreter, gegenüber einer durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlung vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestellt wurden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, NVwZ 2013, 570, juris Rn. 21). Hierüber geben die Antworten der Behörden der Länder keine ausreichende Auskunft. Soweit diese Behörden ihre (nur geringen) Zusagen sowie ihre Absagen überhaupt begründet haben, ergibt sich hieraus nichts Konkretes darüber, welche vorrangigen Rechtsgüter in den jeweiligen Ländern zu schützen sind und warum keine (weiteren) Polizeikräfte nach Hamburg entsandt werden können. Dies ist genauestens aufzuklären, um feststellen zu können, dass die Behörden des Bundes und der Länder nicht nur vorgeschoben haben, nicht in der Lage zu sein, Amtshilfe zu leisten. Die Wahrnehmung des Rechts aus Art. 8 Abs. 1 GG darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass die zur Amtshilfe verpflichteten Behörden willens sind, eine Versammlung zu schützen. Die hierzu erforderlichen Feststellungen können aber in der knappen Zeit des Beschwerdeverfahrens nicht getroffen werden.

24

2. Die hiernach nur mögliche, aber auch gebotene Folgenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus.

25

Im Rahmen dieser Abwägung sind einerseits die Folgen zu berücksichtigen, die es für den Antragsteller und die Teilnehmer der angemeldeten Versammlung in Bezug auf die Ausübung ihres durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Rechts hätte, wenn der Aufzug nicht durchgeführt werden kann, sich bei einer späteren Überprüfung aber herausstellen sollte, dass die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands in Wahrheit nicht vorlagen. Andererseits ist zu würdigen, welche Folgen es für den Antragsteller und die Teilnehmer des Aufzugs sowie für Dritte hätte, wenn die Versammlung stattfinden könnte, sich aber später herausstellt, dass ein polizeilicher Notstand tatsächlich bestand. Dabei ist in die Betrachtung auch einzubeziehen, dass möglicherweise zwar die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes objektiv nicht vorliegen, die Behörden von Bund und Ländern aber gleichwohl - rechtswidrig - die Amtshilfe verweigern.

26

Diese Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass in der gegenwärtigen Situation weder der Aufzug noch eine stationäre Versammlung stattfinden können, da dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass die Gesundheit der Teilnehmer der Versammlung, der sie schützenden Polizeibeamten, von Gegendemonstranten sowie unbeteiligten Dritten verletzt wird. Diesem Schutz gebührt nach Auffassung des Beschwerdegerichts der Vorrang gegenüber dem Recht auf Durchführung der Versammlung an diesem Tag. Im Einzelnen:

27

Ein Versammlungsverbot beeinträchtigt den Antragsteller und die potentiellen Teilnehmer des Aufzugs in erheblichem Maße in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Denn es gehört zu der grundgesetzlich geschützten Freiheit des Antragstellers zu bestimmen, wann und wo er eine Versammlung abhalten will. Die Intensität der Rechtsbeeinträchtigung wird dadurch etwas verringert, dass der Antragsteller nicht darauf angewiesen ist, sein Anliegen gerade am 12. September 2015 auszudrücken. Den Tag hat er nach eigenem Bekunden - wie die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid (S. 3) unwidersprochen angeführt hat - willkürlich ausgewählt. Demzufolge wäre es grundsätzlich möglich, die Versammlung zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen, ohne auf Kernaussagen seines Anliegens verzichten zu müssen.

28

Sollte die Versammlung hingegen am 12. September 2015 in Form des angemeldeten Aufzugs, ggf. auf einer anderen als der angemeldeten Route oder in eingeschränkter Weise als lediglich stationäre Versammlung stattfinden, so käme es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu schweren Ausschreitungen, wenn gewaltbereite und gewaltsuchende Teilnehmer der Versammlung auf ebenso gewaltorientierte Gegner aus dem linken Spektrum stoßen. Diese werden versuchen, jede sich ihnen bietende Möglichkeit zu nutzen, die Teilnehmer des angemeldeten Aufzugs anzugreifen, und zwar unabhängig davon, ob diese einen Aufzug durchführen oder nur eine stationäre Versammlung. Das belegen die zahlreichen, bereits in der Wortwahl unmissverständlichen Aufrufe aus dem linksautonomen Spektrum, die im Internet verbreitet werden. Dort wird u.a. in der im Bescheid der Antragsgegnerin (S. 25 ff.) zutreffend wiedergegebenen Weise dazu aufgerufen, den rechten Aufmarsch anzugreifen, „sich dem deutschen Mob mit allen Mitteln und auf allen Ebenen entgegenzustellen“ und ihn anzugreifen, den „Nazis auf’s Maul!“ zu geben, den Naziaufmarsch anzugreifen, die „braune Pest“ entschlossen aus der Stadt zu jagen und ihnen zu zeigen, „dass dies nur unsere Straßen sind“, und Aufzüge wie diesen um jeden Preis zu verhindern. In dem Aufruf der Gruppe „Roter Aufbau Hamburg“, der auf deren Website (roter-aufbau.de) sowie über die Plattform http://de.indymedia.org verbreitet wird, wird neben der Überschrift „Hamburg wird rechtsfrei - Hetzjagd auf Nazis am 12.9.“ ein rot-maskierter Mann mit einem Baseballschläger gezeigt. In dem Text des Aufrufs heißt es weiter: „Deshalb müssen wir uns und unsere Nachbarschaft selbst vor diesen Gruppen schützen... Wir werden ihnen mit allen Mitteln zeigen, dass ihre Zeichensetzung falsch ist, denn Hamburg sieht nicht nur am 1. Mai rot, sondern immer auch dann, wenn rechtes Gesindel in unserer Stadt auftritt. Wir kennen die Straßen dieser Stadt und werden ihnen entschlossen zeigen, dass es unsere Straßen sind. - Hetzjagd auf Nazis bis zum Kommunismus!“. Entsprechend gewaltorientiert ist auch das Video, welches zum Angriff auf den früheren Aufzug vom 2. Juni 2012 aufrief und offenbar neu ins Internet eingestellt worden ist (S. 26 des Bescheides). Auch in einem Aufruf des Bündnisses gegen Rechts heißt es unter Bezugnahme auf den Aufzug vom 2. Juni 2012: Wir werden flexibel sein und dort protestieren, wo die RassistInnen ihre menschenverachtende Propaganda verbreiten wollen. ... ist uns Ansporn, ein weiteres Mal auf die Straße zu gehen und uns ihnen in den Weg zu stellen. Komm mit!“.

29

Dies belegt, dass mehrere Gruppierungen dazu aufrufen, die rechtsgerichteten Versammlungsteilnehmer jederzeit und an jedem Ort in Hamburg anzugreifen und sich Ihnen zumindest in den Weg zu stellen, um den Aufzug zu verhindern. Sie rufen nicht zur Teilnahme an einer Gegendemonstration auf, sondern zu gezielten Aktionen außerhalb einer Versammlung. Die diesbezüglichen Erfahrungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass das tatsächlich geschieht, und zwar bereits vor der Versammlung, während der Versammlung und nach ihrem Ende. So wurden bereits am 1. Mai 2008 vor Beginn einer Versammlung rechtsgerichteter Kreise die anreisenden Versammlungsteilnehmer (insgesamt ca. 1.500) in verschiedenen Stadtteilen attackiert und es kam während der gesamten Zeit der Versammlung zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den rechten und linken Gruppierungen sowie zu schweren Angriffen auf die eingesetzten Polizisten (S. 21 des Bescheides). In der Nacht vor dem Aufzug am 2. Juni 2012 („Tag der deutschen Zukunft“) wurden Polizeifahrzeuge angezündet. Während der Versammlung versuchte ein Block von mehr als 1.000 Personen, auf die Marschstrecke der Rechten zu gelangen. Dabei wurden die Polizisten, die die Marschstrecke zu sichern hatten, massiv angegriffen. Mit einem großem Polizeiaufgebot - insgesamt waren 4.550 Polizisten im Einsatz - konnte verhindert werden, dass die beiden Gruppierungen aufeinandertrafen (S. 22 des Bescheides). Vergleichbar war die Situation am 15. November 2014 in Hannover. Als dort der Demonstrationszug der Gegendemonstranten unmittelbar an die stationäre Versammlung der Rechten herankam, konnten körperliche Auseinandersetzungen nur mit einem massiven Einsatz von Polizeibeamten verhindert werden; im Einsatz waren 5.330 Beamte. Gleichwohl bewarfen sich die beiden Gruppierungen mit Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen (S. 24 des Bescheides).

30

Aufgrund der Feststellungen der Antragsgegnerin, an deren Richtigkeit kein Zweifel besteht, ist weiter davon auszugehen, dass ein gewichtiger Teil der rechtsgerichteten Teilnehmer des angemeldeten Aufzugs ebenfalls die körperliche Auseinandersetzung mit den Gegendemonstranten annehmen, wenn nicht gar suchen werden. Dass sich unter den Teilnehmern des angemeldeten Aufzugs eine nicht unerhebliche Zahl von gewaltorientierten Personen befinden würde, ist oben bereits ausgeführt worden. Das vorhandene Gewaltpotential belegt zudem der soeben gewürdigte Verlauf der Versammlung in Hannover. Vor allem aber belegt das der Verlauf des - in jeder Hinsicht vergleichbaren - Aufzugs in Köln am 26. Oktober 2014. Wie oben ausgeführt, haben Teilnehmer des Aufzugs auf Provokationen von Außenstehenden äußerst aggressiv mit Flaschenwürfen sowohl gegen die Provokateure als auch gegen die Polizei und Medienvertreter reagiert. Auch hiernach steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass es - sollten die beiden Gruppierungen zu irgendeiner Zeit während des Aufzugs oder in der Zeit davor oder danach unmittelbar aufeinandertreffen - massive Schlägereien zwischen ihnen geben wird, bei denen es zu erheblichen Körperverletzungen und Sachbeschädigungen kommen wird. Die Zahl der gewaltorientierten Personen im Kreis der Linken wird nach den Einschätzungen der Antragsgegnerin, an deren Richtigkeit der Senat ebenfalls nicht zweifelt, in einer Größenordnung von bis zu 2.000 Personen liegen, darunter 500 bis 1.000 gewaltsuchende Personen (S. 20 des Bescheides). Die vorhandene hohe Gewaltbereitschaft wird schließlich dadurch bestätigt, dass in der Nacht vom 30. auf den 31. August 2015 die Fahrzeuge eines Mitorganisators des Aufzugs sowie zweier anderer Personen aus der rechten Szene in Brand gesetzt wurden.

31

Die zu erwartenden Auseinandersetzungen während des Aufzugs oder in der Zeit davor oder danach könnte die Antragsgegnerin nach ihrer plausiblen und nicht zu beanstandenden Einschätzung nur mit dem genannten Großaufgebot an Kräften ausreichend verhindern. Ohne dieses Großaufgebot wird es mit Sicherheit zu massiven Schlägereinen zwischen den verfeindeten Gruppen kommen. Dieses Aufgebot steht der Antragsgegnerin tatsächlich nicht zur Verfügung. Für die Durchführung eines Aufzugs fehlen ihr nach dem letzten Stand 23 Hundertschaften (ca. 2.500 Beamte). Aber selbst für die Durchführung einer nur stationären Versammlung, für deren Sicherung sie mit insgesamt 7 Hundertschaften weniger auskommen könnte, fehlen ihr noch 16 Hundertschaften (va. 1.750 Beamte). Damit steht fest, dass die Antragsgegnerin nicht ausreichend in der Lage ist, die Gesundheit der betroffenen Personen sowie das Eigentum betroffener Bürger zu schützen. Hinzu kommt, dass die Polizisten, die in einer viel zu geringen Stärke gleichwohl versuchen müssten, die Auseinandersetzungen zu verhindern, in ihrer eigenen Gesundheit über das bei einer regulären Einsatzstärke ohnehin schon bestehende Maß hinaus gefährdet würden.

32

Nach den Hilfeverweigerungen der Behörden des Bundes und der Länder spricht nichts dafür, dass diese „im letzten Moment“ doch noch Einsatzkräfte in der erforderlichen Zahl zur Verfügung stellen könnten, sollte im vorliegenden Verfahren die Durchführung eines Aufzugs oder zumindest einer stationären Versammlung ermöglicht werden. Mit einer derartigen Sinnesänderung in dem erforderlichen Umfang ist nicht zu rechnen, da damit faktisch eingeräumt würde, dass die bisherigen Absagen nicht ernst gemeint waren und möglicherweise nur dazu gedient haben, der Antragsgegnerin die Argumente zu liefern, den Aufzug zu verbieten.

33

B Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Kostenentscheidungen der Beschlüsse werden aufgehoben. Das Verfahren wird insoweit an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zurückverwiesen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verwaltungsgerichtliche Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine versammlungsrechtliche Auflage.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer meldeten Anfang September 2010 bei der Stadt L. ihr Vorhaben an, am 16. Oktober 2010 (von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr) in L. eine Versammlung unter freiem Himmel durchzuführen. Die geplante Versammlung sollte aus drei Aufzügen und einer Abschlusskundgebung in der Innenstadt von L. bestehen. Die Teilnehmerzahl wurde von den Beschwerdeführern bei der Anmeldung auf 600 Personen geschätzt. Das Motto der geplanten Versammlung lautete "Recht auf Zukunft". Es bezog sich auf eine am 17. Oktober 2009 in L. von der Beschwerdeführerin zu 4), einer Unterorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), veranstaltete Versammlung, bei der es im Zusammenhang mit einer Versammlungsblockade durch Gegendemonstranten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und letztlich zu einer polizeilichen Auflösung der Versammlung kam.

3

Angesichts dieser Vorgeschichte und der Anmeldung von zahlreichen Gegendemonstrationen kam es zwischen der Anmeldung und der Durchführung der geplanten Versammlung zu umfangreichen Verhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und der Stadt L., die unter anderem in Kooperationsgesprächen am 4., am 6. und am 13. Oktober 2010 eingehend die polizeilich sicherbare Anzahl der geplanten Aufzüge und die konkrete Streckenführung erörterten. In einer Gefährdungsanalyse am 4. Oktober 2010 bekundete die Polizeidirektion L. dabei laut den tatsächlichen Feststellungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass der Schutz von zwei der angemeldeten Aufzüge mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften gewährleistet werden könne. Am 11. Oktober 2010 teilte der Beschwerdeführer zu 1) der Stadt schließlich mit, dass am 16. Oktober 2010 nunmehr lediglich ein einziger Aufzug stattfinden solle. Am 12. Oktober 2010 ergänzte die Polizeidirektion L. ihre Gefahrprognose insofern, dass nunmehr nur eine maximal vierstündige stationäre Kundgebung durchführbar sei, weil nach den Erfahrungen des Versammlungsgeschehens vom 17. Oktober 2009 mit einer höheren als der angemeldeten Teilnehmerzahl zu rechnen sei und jeweils ca. 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration und der Gegendemonstrationen als gewaltbereit einzustufen seien.

4

2. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 untersagte die Stadt L. die Durchführung der Versammlung als Aufzug, verfügte die Durchführung als stationäre Kundgebung in der Zeit von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr in einem Bereich am L. Hauptbahnhof und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Auflage an. Die Polizeidirektion L. habe in ihrer Gefahrprognose vom 12. Oktober 2010 dargelegt, dass im Zeitraum vom 15. bis zum 17. Oktober 2010 aufgrund von zahlreichen Versammlungsanmeldungen widerstreitender politischer Lager eine latente Gefährdungssituation vorhanden sei, die einen außerordentlich hohen Kräfteeinsatz der Polizei erfordere. Es sei davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Aufzüge bei Angriffen durch Personen der linksextremistischen Klientel provozieren ließen und darauf entsprechend reagierten. Die Polizei habe glaubhaft dargelegt, dass sie kräftetechnisch außerstande sei, einen Aufzug zu begleiten, da trotz bundesweiter Anfragen nur 29 der für erforderlich gehaltenen 44 Polizeihundertschaften, also nur 66 % der geplanten Polizeikräfte, zur Verfügung stünden. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit werde trotz der Beschränkungen nicht vereitelt, da der zugewiesene Ort eine hinreichende Öffentlichkeitswirksamkeit und eine räumliche Trennung der gegensätzlichen politischen Lager gewährleiste.

5

3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer noch am gleichen Tag Widerspruch und stellten beim Verwaltungsgericht Leipzig die Anträge, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Auflage, nur eine stationäre Kundgebung durchzuführen, wiederherzustellen sowie im Wege einer einstweiligen Anordnung ein Verbot sämtlicher Versammlungen in einem Umkreis von 300 m um die angemeldeten Aufzugstrecken anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Leipzig lehnte die Eilanträge mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Bescheid vom 13. Oktober 2010 rechtmäßig sei und somit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheids die Interessen der Beschwerdeführer überwiege. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, die Stadt L., sei auf der Grundlage der Einschätzung der Polizeidirektion L. nachvollziehbar davon ausgegangen, dass infolge zahlreicher Gegenaktionen und -demonstrationen bei Durchführung des im Zuge der Kooperation der Beschwerdeführer zuletzt noch geplanten einzigen Aufzuges eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestehe. Bei der Vielzahl der angemeldeten und geplanten Veranstaltungen am 16.10.2010, unter anderem ein Fußballspiel, und in Anbetracht der beschriebenen begrenzten Kräftelage der Polizei sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einhergehenden Personen- und Sachschäden zu rechnen, denen nur mit der Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung begegnet werden könne. Dieser Gefahr könne in Anbetracht der besonderen Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 auch nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer begegnet werden.

6

4. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legten die Beschwerdeführer Beschwerde ein. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 zurück. Ob ein polizeilicher Notstand vorliege, sei im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend zu beurteilen. Der Einschätzung der Polizeidirektion lasse sich entnehmen, dass aufgrund des Versammlungsgeschehens im Vorjahr mit gewalttätigen Auseinandersetzungen einer Anzahl von 10 bis 20 % der Teilnehmer sowohl auf Seiten der Beschwerdeführer wie auf Seiten linker Demonstranten gerechnet werde. Zwar erschließe sich dem Gericht nicht, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb kurzer Zeit so erhöht haben solle, dass statt der zwei Aufzüge, die die Polizeidirektion ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten habe, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Wegen der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Danach sei die Beschwerde zurückzuweisen, weil für den Antragsteller die mit der Durchführung einer nur stationären Kundgebung verbundenen Beeinträchtigungen hinnehmbar seien.

7

5. Die Beschwerdeführer beantragten sodann beim Bundesverfassungsgericht zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag hat die Kammer aufgrund der besonderen Voraussetzungen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, dabei jedoch zugleich auf die Möglichkeit der Klärung der aufgeworfenen Fragen in einem verfassungsgerichtlichen Hauptsachverfahren hingewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris).

8

6. Hieraufhin erhoben die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts fristgemäß Verfassungsbeschwerde mit der Rüge, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt zu sein.

9

7. Das Bundesverfassungsgericht hat der Stadt L. als Gegnerin des Ausgangsverfahrens, dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa sowie der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

10

Nach Auffassung des Rechtsamtes der Stadt L. liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht vor. Das Sächsische Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Versammlungsrecht zuständigen 6. Revisionssenats übersandt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen äußert.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 <340 ff.>; 110, 77 <83 ff.>). Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zulässig und begründet.

12

1. Der Zulässigkeit der Rüge der Verletzung des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG steht weder der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde noch das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses entgegen.

13

a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nur, soweit die geltend gemachte Verletzung von Freiheitsrechten oder von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung der Gerichte in der Hauptsache noch ausgeräumt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier rügen die Beschwerdeführer allerdings gerade die Missachtung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG bei der Zurückweisung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behandelt werden würde.

14

b) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer besteht, obwohl der Demonstrationstermin verstrichen und damit der Sofortvollzug der strittigen Auflagen gegenstandslos geworden ist. Sind verfassungsrechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht (mehr) zu klären, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens im Falle einer Wiederholungsgefahr, also wenn ein Gericht die bereits herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht beachtet hat und bei hinreichend bestimmter Gefahr einer gleichartigen Entscheidung bei gleichartiger Sach- und Rechtslage zu befürchten ist, dass es diese auch in Zukunft verkennt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier führten die Beschwerdeführer bereits konflikthafte Versammlungen in L. durch und planen auch in Zukunft die Durchführung von Versammlungen in L., bei denen sie mit ähnlichen Konfliktsituationen rechnen und gegebenenfalls gleichartige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts befürchten müssten.

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 <104>; 128, 226 <250>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 <344 f.>; 128, 226 <250>) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfGE 124, 300 <320>). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343> oder <355 ff.>; 128, 226 <250 f.>).

17

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Nach § 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 in der Fassung vom 8. Dezember 2008 (BGBl I S. 2366; im Folgenden: VersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Danach kann im Einzelfall auch die Festlegung geboten sein, dass eine ursprünglich als Aufzug angemeldete Versammlung nur als ortsfeste Versammlung durchgeführt werden darf (vgl. BVerfGK 2, 1 <8>). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfGE 69, 315 <353 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 8, 79 <81>; BVerfG , Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 17, 303 <308>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (vgl. BVerfGK 8, 79 <82>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2072>). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfGK 17, 303 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

18

b) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, das für den Regelfall sicherstellt, dass die Verwaltungsbehörden keine irreparablen Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben, ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 315 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 23. März 2004 - 1 BvR 745/01 -, juris, Rn. 13). Die einstweilige Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren als außerhalb der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegender Rechtsbehelf kann die primäre Rechtsschutzfunktion der Fachgerichte ebenfalls nicht übernehmen. Angesichts der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung auslösen kann, ist hierbei zudem ein strenger, von den verwaltungsgerichtlichen Kriterien grundsätzlich unterschiedener Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris, Rn. 4). Daher müssen die Verwaltungsgerichte zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Sofern dies nicht möglich ist, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen, da ansonsten eine Umgehung der beschriebenen strengen Voraussetzungen für Beschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich erschiene.

19

3. Diese Maßstäbe haben das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht bei den ihnen obliegenden Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend berücksichtigt. Beide Entscheidungen werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen versammlungsbeschränkende behördliche Maßnahmen nicht gerecht.

20

a) Die vom Verwaltungsgericht Leipzig herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, die Annahme einer von der Versammlung selbst ausgehenden unmittelbaren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit zu tragen, die die Verhinderung der Versammlung in Form eines Aufzugs hätte rechtfertigen können. Das Verwaltungsgericht legt insofern bereits nicht hinreichend deutlich dar, ob seiner Auffassung nach auch von der Versammlung selbst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder diese Gefahr ausschließlich aufgrund der zahlreichen Gegendemonstrationen und den hieraus zu erwartenden Störungen der Versammlung besteht. Dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung seines Standpunktes im Wesentlichen lediglich auf die Einschätzung der Polizeidirektion L., die ohne nähere Erläuterung 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration dem gewaltbereiten Klientel zurechnete, verweist, genügt den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG insofern jedenfalls nicht.

21

Auch im Hinblick auf eine Inanspruchnahme der Veranstalter als Nichtstörer im Wege des polizeilichen Notstandes genügen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwaltungsgericht weist insofern zur Begründung des Vorliegens einer nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer abwendbaren Gefahr, insbesondere auf die besondere Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 und die deswegen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Polizeikräfte, hin und beruft sich dabei pauschal auf die Einschätzung der Polizeidirektion L. vom 13. Oktober 2010. Berücksichtigt man aber den Umstand, dass die Polizeidirektion in ihrer Gefährdungsanalyse vom 4. Oktober 2010 offenbar noch zwei der angemeldeten Aufzüge mit den ihr voraussichtlich zur Verfügung stehenden Kräften für sicherbar hielt, erfüllt diese pauschale Bezugnahme auf die Einschätzung der Polizeidirektion vom 13. Oktober 2010 nicht die den Anforderungen an die entsprechend obigen Maßstäben bereits im Eilverfahren gebotene intensivere Rechtmäßigkeitsprüfung. Vielmehr hätte die kurzfristige Änderung der polizeilichen Einschätzung, die sich nicht ohne weiteres erschließt, das Verwaltungsgericht zu einer substantiierteren Prüfung der veränderten polizeilichen Einschätzung und zur Nachfrage einer genaueren Begründung ihrer Entscheidung veranlassen müssen. Dass dies vorliegend aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Auch im Übrigen hätte es dezidierterer Feststellungen bedurft, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und aufgrund welcher konkreter, vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte mehr zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestanden hätten. Die behauptete Bindung von Polizeikräften durch die zeitgleich stattfindenden Gegendemonstrationen kann nach obigen Maßstäben jedenfalls nicht ohne weiteres als hinreichendes Argument dafür herangezogen werden. Auch die Bindung von Polizeikräften aufgrund eines parallel stattfindenden Fußballspiels und sonstiger Veranstaltungen, deren vorrangige Schutzwürdigkeit sich nicht ohne weiteres erschließt, reicht hierfür nicht aus.

22

b) Die angegriffene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls nicht stand. Zwar hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht deutliche Bedenken am Vorliegen der Voraussetzungen eines für die Rechtfertigung der versammlungsrechtlichen Auflage erforderlichen polizeilichen Notstandes geäußert und nachvollziehbar dargelegt, dass sich ihm nicht erschließe, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb des kurzen Zeitraumes zwischen der Gefährdungsanalyse der Polizeidirektion L. vom 4. Oktober 2010 und dem Erlass der Auflage am 13. Oktober 2010 so erhöht haben soll, dass statt der zwei Aufzüge, die ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten wurden, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Auch erscheint es nachvollziehbar, dass dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Vornahme der hier grundsätzlich gebotenen und soweit als möglich nicht lediglich summarischen Rechtmäßigkeitskontrolle der behördlichen Auflage nicht mehr möglich war. Allerdings hätte es dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in dieser Konstellation, um der Freiheitsvermutung zugunsten der Versammlungsfreiheit zumindest in der Sache Rechnung zu tragen, oblegen, eine besonders sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese in der Begründung seiner Entscheidung hinreichend offenzulegen. Vorliegend hat sich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung jedoch im Wesentlichen darauf beschränkt, auf die vermeintlich geringe Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinzuweisen, ohne auch nur ansatzweise ausreichend auf das Bestehen einer die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit überwiegenden potentiellen Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter einzugehen.

23

4. Demgemäß ist festzustellen, dass sowohl der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig als auch der angegriffene Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Einer Aufhebung der Entscheidungen und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung bedarf es darüberhinausgehend nur bezüglich der Kostenentscheidungen, da in der Sache selbst Erledigung eingetreten ist (vgl. Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl. 2005, BVerfGG, § 93c Rn. 33).

24

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

10 B 14.2246

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 22. September 2015

(VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.555)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 512

Hauptpunkte: Fortsetzungsfeststellungsklage; berechtigtes Interesse; Wiederholungsgefahr; versammlungsrechtliche Beschränkungen; Versammlung mit Hungerstreik; Einbringen von Gegenständen in die Versammlung; funktionaler Bezug zur gewählten Form der Versammlung; objektiver Maßstab

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...,

gegen

Stadt Würzburg,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Domstr. 1, Würzburg,

- Beklagte -

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,

wegen versammlungsrechtlicher Beschränkungen;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. September 2015 am 22. September 2015

folgendes

Urteil:

I.

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird festgestellt, dass auch die Beschränkungen in Nr. 1.15 (Verbot des Aufstellens von Betten), 1.17 (Beschränkung auf einen Pavillon) und Nr. 1.19 (Pavillon muss auf allen Seiten offen sein) im Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 verfügten versammlungsrechtlichen Beschränkungen für eine Dauerversammlung zum Thema Asylrecht vom 16. Juni 2012 bis einschließlich 16. August 2012 in W. weiter.

Unter dem 13. Juni 2012 meldete der Kläger bei der Beklagten die Durchführung einer „Dauerversammlung zum Thema Asylrecht in der Form des Hungerstreiks rund um die Uhr vom 16. Juni 2012 bis einschließlich 16. August 2012“ an. Mit Bescheid vom 15. Juni 2012 setzte die Beklagte u. a. folgende Beschränkungen fest:

Nr. 1.15 Das Aufstellen von Betten ist untersagt.

Nr. 1.17 Als Kundgebungsmittel sind zugelassen:

- Maximal sechs Stühle, die klapp-, stapelbar sein sollen,

- ein Tisch, in einer Größe von maximal 2 x 0,5 m für die Auslage von Infomaterial, Unterschriftslisten,

- ein Pavillon (3 x 3 m),

- Plakate,

- Bilder.

Bilder und Plakate dürfen an einzelnen Seiten des Pavillons nicht den Eindruck der völligen Geschlossenheit erzeugen.

Nr. 1.19 Der Pavillon muss auf allen Seiten offen sein.

Zur Begründung dieser Beschränkungen führte die Beklagte im Bescheid vom 15. Juni 2012 im Wesentlichen an, dass das Nächtigen auf öffentlichen Flächen in konsequenter Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 ihrer Sicherheitssatzung zu untersagen gewesen sei. Das Übernachten in den Zelten habe nicht die Meinungskundgabe zum Ziel. Seit Beginn der Veranstaltung erfolgten die Meinungskundgabe und das Platzieren der Thematik durch Plakate, Transparente, Diskussionen, Interviews, Bilder und Schriften. Eine Übernachtung sei hierfür nicht notwendig. Im Übrigen werde auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. April 2012 (10 CS 12.767) verwiesen. In konsequenter Umsetzung dieser Überlegungen, gesehen im Lichte der Situation vor Ort seit dem 13. April 2012, seien bei den Kundgebungsmitteln die bisherigen zwei Pavillons in Ziffer 1.17 auf einen Pavillon zu reduzieren, der nach Ziffer 1.19 dauerhaft an allen Seiten geöffnet sein müsse. Der zweite Pavillon diene seit dem 13. April 2012 weder dem konkreten Versammlungszweck noch der damit verbundenen kollektiven Aussage der Teilnehmer. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der zweite Pavillon seit dem Umzug auf den Unteren Markt zunächst durchgehend geschlossen gewesen sei. In diesem Bereich erfolge keine Meinungskundgabe.

Der Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Klage u. a. gegen die in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 verfügten Beschränkungen wurde vom Verwaltungsgericht Würzburg abgelehnt. Mit Beschluss vom 2. Juli 2012 ordnete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen die Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 mit den in den Gründen dargelegten Maßgaben an.

Zum Aufstellen der Betten (Nr. 1.15) führte der Senat aus, dass die Beklagte jegliches Aufstellen von Betten im angefochtenen Bescheid untersagt habe, der Kläger dagegen geltend mache, dass bei einer Versammlung rund um die Uhr ein zeitweiliges Ausruhen oder Schlafen der Versammlungsteilnehmer für die effektive Grundrechtswahrnehmung unabdingbar sei. Der Senat sei der Auffassung, dass drei Betten ausreichten, um das Ruhebedürfnis der Versammlungsteilnehmer zu befriedigen. Auf ein gemeinsames gleichzeitiges Nächtigen hätten die Versammlungsteilnehmer keinen Anspruch. Auch der Hinweis des Klägers darauf, dass Versammlungsteilnehmer während des Hungerstreiks ein erhöhtes Schlafbedürfnis hätten, greife nicht durch. Ein Hungerstreik könne ein Mittel sein, um dem Motto der Versammlung besonderen Nachdruck zu verleihen. Daraus folge aber kein Recht, dass der Hungerstreik möglichst komfortabel durchgeführt werden könne. Sei ein Teilnehmer derart geschwächt, dass er an einer Versammlung unter freiem Himmel nicht mehr teilnehmen könne, müsse er notfalls die Versammlung verlassen.

Zu den unter Nr. 1.17 angeführten Kundgebungsmitteln führte der Senat im Beschluss vom 2. Juli 2012 aus, dass die lange andauernde stationäre Versammlung ohne den zweiten Pavillon praktisch nicht durchführbar sei. Bereits im Beschluss vom 12. April 2012 habe der Senat dargelegt, dass gewichtige Gründe dafür sprächen, dass diese von den Versammlungsteilnehmern gewählte Form der Präsentation und Meinungsäußerung, auf die schwierige Lage der Asylsuchenden und ihren Leidensdruck in der Öffentlichkeit gerade auch über einen längeren Zeitraum mit einer Art Mahnwache besonders aufmerksam zu machen und dabei der interessierten Öffentlichkeit Einblicke und Bilder über ihr tägliches Leben, Unterlagen und Dokumente ihrer Asylverfahren etc. zu bieten und zu erläutern sowie Unterschriftslisten auszulegen, wohl einen wesentlichen, inhaltsbezogenen Bestandteil der Kundgebung bilde und andererseits der Aufstellung von zwei Pavillons entgegenstehende gewichtige öffentliche Interessen weder hinreichend geltend gemacht noch für den Senat sonst ersichtlich seien. Der zweite Pavillon sei neben anderen versammlungsbezogenen Funktionen gerade auch zum Ausruhen der Versammlungsteilnehmer als erforderlich angesehen worden. Das Einlegen von Ruhepausen, das Ausruhen und Schlafen zur Sicherung der effektiven Kundgabe des Anliegens der Versammlungsteilnehmer sei im Gegensatz zum dauernden Nächtigen ausweislich der Nr. 1.16 des angefochtenen Bescheides nicht verboten. Auch die Verfügung der Beklagten, der Pavillon müsse auf allen Seiten durchgehend offen sein, sei rechtlich zu beanstanden.

Die vom Kläger bezüglich der Beschränkungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage wies das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg - bei teilweiser Stattgabe der Klage bezüglich weiterer versammlungsrechtlicher Beschränkungen - mit Urteil vom 14. März 2013 insoweit ab.

Grundsätzlich seien schon Pavillons, die Informationsstände beherbergten, versammlungsrechtlich nicht geschützt. Dies gelte jedenfalls für Informationsstände, die auf einen dauerhaften Betrieb ausgelegt seien, also über die kurzfristige Begleitung einer Demonstration oder Kundgebung hinausgingen. Informationsstände unterfielen grundsätzlich den Vorgaben des Straßen- und Wegerechts bzw. Ortsrechts und genössen keine versammlungsrechtlichen Privilegien. Dies gelte erst recht für einen zweiten Pavillon, der noch nicht einmal für die Unterbringung eines Informationsstandes, sondern zu Aufenthaltszwecken vorgesehen gewesen sei. Der zweite Pavillon sei vom Beginn der Versammlung an primär als Schlaf- und Lagerstätte genutzt worden. Der Aufbau und Betrieb von Zelten und wie Zelte genutzter Pavillons könne nach Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz untersagt werden, weil Zelte und wie Zelte genutzte Pavillons vorliegend keine Versammlungsbestandteile gewesen seien. Nichts anderes gelte für die Nutzung von Betten. Es könne zwar in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen auch möglich sein, mittels eines oder mehrerer Zelte eine kollektive Aussage zu treffen. Einem solchen Zweck hätten die von den Versammlungsteilnehmern aufgestellten Zelte und der zweite Pavillon jedoch nicht gedient. Eine versammlungsrechtliche Symbolwirkung sei dem Camp aus Pavillons mit Liegeflächen, Igluzelten und zeitweise einem beheizten Versorgungszelt ersichtlich nicht zugekommen. Zelte, Pavillons und Betten seien einer Versammlung unter freiem Himmel grundsätzlich wesensfremd. Vom Versammlungsrecht nicht umfasst sei nämlich das Recht, körperliche Gegenstände wie Zelte oder Wohnwagen mit Inventar in die Versammlung einzubringen. Das Recht auf Versammlungen unter freiem Himmel gewährleiste grundsätzlich noch nicht einmal einen Rechtsanspruch auf das Aufstellen von Sitzgelegenheiten. Auch die Fortsetzung des Hungerstreiks von Versammlungsteilnehmern rechtfertige nicht die Verwendung von Pavillons und Betten. Der Anwendungsbereich des Versammlungsrechts erfasse nicht alle Versammlungen in gleicher Weise, sondern entfalte nach der Art der Versammlung differenzierende Wirkung. Eine Versammlung unter freiem Himmel unterliege anderen tatsächlichen Gegebenheiten und prägenden Strukturen als eine Versammlung in geschlossenen Räumen. Versammlungen unter freiem Himmel seien nur solche, die von ihrer Umgebung nicht durch feste Außenwände abgegrenzt seien. Versammlungen in Zelten oder geschlossenen Pavillons seien Versammlungen in geschlossenen Räumen. Zwar unterfielen auch länger andauernde Versammlungen, etwa Dauermahnwachen oder dergleichen, ohne weiteres dem Schutzzweck des Versammlungsrechts. Das dabei entstehende Bedürfnis nach einem zeitweiligen Schlafen der Versammlungsteilnehmer am Versammlungsort sei aber nicht mehr vom Versammlungsrecht geschützt. Es sei vielmehr Sache der Versammlungsteilnehmer, gegebenenfalls erforderliche Schlafpausen in Wohnräumen abseits des Versammlungsorts zu absolvieren. Lasse man das Schlafen der Versammlungsteilnehmer bei einer Versammlung unter freiem Himmel zu, sei ein dauerhaftes Campieren auf öffentlichen Flächen die nicht zu verhindernde Folge. Mutiere mit zunehmender Verweildauer die Gestaltung der individuellen Lebensverhältnisse zum eigentlichen Medium der Meinungskundgabe, drohe die Paradoxie, dass die durch spezifische Eigentümlichkeiten geprägte Lebensführung der Versammlungsteilnehmer einem permanenten privilegierten Sonderrecht unterstellt werde.

Auf Antrag des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013, soweit es die Fortsetzungsfeststellungsklage bezüglich der Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 abgewiesen hat, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 festzustellen, dass auch die Beschränkungen Nr. 1.15 (Verbot des Aufstellens von Betten), Nr. 1.17 (Beschränkung auf einen Pavillon) und 1.19 (Pavillon muss auf allen Seiten offen sein) im Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

Das Verwaltungsgericht verkenne die Reichweite der Versammlungsfreiheit. Art. 8 GG enthalte keine zeitliche Beschränkung der Versammlungen. Nach seinem Wortlaut kenne Art. 8 GG ein herkömmliches Bild der Versammlung nicht. Der Begriff der Versammlung sei weit auszulegen. In welcher Form die Versammlungsteilnehmer ihre Meinung kundtun wollten, obliege, solange die Versammlung friedlich bleibe, allein ihnen selbst. Bei der vom Kläger gewählten Form einer Dauermahnwache unter freiem Himmel handle es sich um eine versammlungsrechtlich adäquate Form der Meinungsäußerung. Wenn eine Dauermahnwache aber uneingeschränkt dem Schutz der Versammlungsfreiheit unterliege, dann müssten auch alle für die Durchführung einer solchen Mahnwache erforderlichen Utensilien unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fallen, ohne einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zu bedürfen. Zudem hätten die Versammlungsteilnehmer das Recht, eine Versammlungsform zu wählen, die nach ihrer Meinung ihr Anliegen angemessen zum Ausdruck bringe. Die hierfür erforderlichen Mittel unterfielen ebenfalls der Versammlungsfreiheit. Die zeltähnlichen Pavillons seien ein wesentliches Ausdrucksmittel dessen, was durch die Versammlung der Öffentlichkeit kundgetan werden solle. Die zum Teil offenen, zeltähnlichen Pavillons brächten den Zustand eines unbehausten Campierens, dem die Asylbewerber täglich ausgesetzt seien, adäquat zum Ausdruck. Ein einzelner ordentlicher Pavillon reiche zur Erzeugung dieses Eindrucks nicht aus. Der vom Verwaltungsgericht gerügte Zustand der Versammlung in mehreren Pavillons, Liegeflächen, Igluzelten und beheiztem Versorgungszelt mit Wolldecken und Kissen sei nicht das Ergebnis des Lebensstils unordentlich hausender Asylbewerber, sondern die absichtliche Darstellung der Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Gerade dieser Zustand symbolisiere die prekäre Situation der Asylbewerber. Es stehe den Versammlungsteilnehmern auch frei, in welcher Form sie ihre politische Meinung äußern wollten. Sie seien keinesfalls auf schriftliche Aussagen auf Plakaten oder Vorträgen in freier Rede begrenzt. Sie könnten ihr Anliegen auch durch Symbole zum Ausdruck bringen, wie dies vorliegend mit den Pavillons geschehen sei. Eine solche weite Auslegung des Versammlungsbegriffs mache das Versammlungsrecht auch nicht konturlos, denn ersichtlich könne nicht jede politische Meinung durch den symbolischen Nachbau eines Flüchtlingslagers dargestellt werden. Unstreitig dürfte es sein, dass, sofern die Gegenstände wie hier essentieller Bestandteil der demonstrativen Aussage seien, sie eindeutig dem Versammlungsrecht unterfielen und von der Versammlungsfreiheit geschützt würden. Aber nicht nur die Gegenstände, die von essentieller Bedeutung für die Aussage seien, würden vom Versammlungsrecht geschützt. Es sei auch überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass bei Mahnwachen ein Witterungsschutz in Form von Planen, Verpflegungs- und Sanitäreinrichtungen versammlungsrechtlich zulässig sei. Durch den Einsatz von Hilfsmitteln werde aus einer Versammlung unter freiem Himmel auch nicht eine Versammlung in geschlossenen Räumen. Die Versammlung habe nicht, wie dies für eine Versammlung in geschlossenen Räumen typisch sei, wesentlich der Selbstverständigung der Teilnehmer untereinander gedient, sondern sie habe von vornherein darauf abgezielt, möglichst viele Menschen anzusprechen. Dieses Anliegen sei durch die Pavillons nicht verhindert, sondern gefördert worden. Sofern eine bestimmte Form einer Veranstaltung grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit geschützt werde, müssten auch die zur Durchführung einer solchen Versammlung unbedingt erforderlichen Hilfsmittel geschützt sein. Dies betreffe vorliegend die Pavillons als Witterungsschutz ebenso wie das Recht, zu schlafen und die dafür erforderlichen Schlafstätten, Betten etc. zur Verfügung zu haben. Die Auffassung, dass, wer eine Veranstaltung im Freien durchführe, sich damit der Witterung aussetze, sei sicher zutreffend, könne jedoch nichts daran ändern, dass für eine Dauermahnwache ein gewisser Witterungsschutz erforderlich sei, damit sie überhaupt durchgeführt werden könne. Ein nach allen Seiten offener Pavillon biete keinen ausreichenden Witterungsschutz. Ein teilweiser geschlossener Pavillon sei allein schon zum Schutz der Informationsmaterialien aus Papier und der für die Öffentlichkeitsarbeit heute zwingend notwendigen Computer erforderlich. Die erforderliche Zahl solcher Pavillons richte sich nach der Zahl der Teilnehmer. Vorliegend hätten an der Versammlung im Durchschnitt über 20 Personen teilgenommen. Ein einzelner auch für das Unterstellen des Informationsmaterials genutzter Pavillon sei offensichtlich nicht ausreichend gewesen. Auch das Verbot, Betten aufzustellen, sei rechtswidrig. Es sei nicht zumutbar, dass die Teilnehmer bei der Dauerwache ununterbrochen wach seien. Ebenso könne von ihnen nicht verlangt werden, zum Schlafen nach Hause zu gehen. Die Teilnehmer müssten die Möglichkeit haben, sich auszuruhen. Zum Schlafen benötige man eine Bettstelle.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, Pavillons, die geschlossen und abgetrennt vom eigentlichen Versammlungsgeschehen der privaten Unterbringung der Versammlungsteilnehmer dienten, seien vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht umfasst. Das nächtliche Schlafen am Versammlungsort sei weder Kundgebungsmittel noch Ausdruck der Meinungsäußerung der Versammlungsteilnehmer gewesen. Es sei den Versammlungsteilnehmern zuzumuten, zum Schlafen den Versammlungsort zu verlassen. Die Versammlung werde dadurch nicht unterbrochen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen eigenen Antrag. Nach Aktenlage stelle sich jedoch die Frage, ob der zweite Pavillon als wesentliches Ausdrucksmittel für den Versammlungszweck gedient habe. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts sei seine logistische Bedeutung gegenüber der funktionalen und inhaltsbezogenen Bedeutung so stark in den Vordergrund getreten, dass ein versammlungsrechtlicher Schutz ausscheide.

Der Verwaltungsgerichtshof hat am 21. September 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 10 B 14.2242, 10 CS 12.767, 10 CS 12.848, 10 CS 12.1106 und 10 CS 12.1419 in beiden Instanzen und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig (I.) und entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang begründet (II.).

I. Die Klage, die auf die Feststellung gerichtet ist, dass auch die Beschränkungen in Nr. 1.17, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren, ist zulässig. Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (1.). Der Kläger war auch nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt (2.). Es liegt darüber hinaus das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung vor.

1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft.

In den Fällen einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO hebt das Verwaltungsgericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO den angefochtenen Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Vorliegend haben sich die allein noch streitgegenständlichen Beschränkungen der Versammlung in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 nach Klageerhebung, aber vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erledigt.

Die Beschränkungen stellten jeweils Verwaltungsakte dar. Denn es handelte sich dabei, wie Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dies voraussetzt, um Entscheidungen, die die Beklagte zur Regelung eines Einzelfalls, nämlich zur Regelung der vom Kläger für den Zeitraum vom 16. Juni 2012 bis zum 16. August 2012 angezeigten Versammlung, auf dem Gebiet des Versammlungsrechts getroffen hat und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet waren, weil sie für den Kläger als Veranstalter und Versammlungsleiter verbindlich festlegten, dass nur ein Pavillon, der an allen Seiten offen sein musste, errichtet und keine Betten aufgestellt werden durften.

Die angegriffenen Beschränkungen haben sich mit dem Verstreichen des Zeitraums, für den der Bescheid vom 15. Juni 2012 gelten sollte, durch Zeitablauf erledigt und sind dadurch nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG unwirksam geworden. Erledigung ist erst mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Zeitraums am 16. August 2012 eingetreten, weil die Beschränkungen bis zu diesem Zeitpunkt Rechtswirkungen für die Versammlung des Klägers entfalteten. Der Kläger hat noch vor Eintritt der Erledigung innerhalb der Rechtsmittelfrist für den Bescheid vom 15. Juni 2012 am 4. Juli 2012 Anfechtungsklage erhoben.

2. Der Kläger war nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt.

Nach dieser Regelung, die in den Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend anwendbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 23; U. v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 31; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 286), weil die an die Stelle der Anfechtungsklage tretende Fortsetzungsfeststellungsklage einen zum Zeitpunkt der Erledigung des betreffenden Verwaltungsakts bereits vorhandenen Zulässigkeitsmangel nicht zu heilen vermag (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 42 Rn. 375, wo § 42 Abs. 2 VwGO allerdings unmittelbar herangezogen wird), ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Klägers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; U. v. 10.7.2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 jeweils m. w. N.). Danach ist der Kläger klagebefugt. Denn es erscheint zumindest möglich, dass er durch die streitgegenständlichen Beschränkungen in seinem Recht verletzt ist, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für den Kläger, der iranischer Staatsangehöriger ist, folgt dieses Recht aus seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus Art. 11 Abs. 1 Halbsatz 1 Alt. 1 EMRK (vgl. Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, 2015, S. 27; einschränkend in Bezug auf Art. 2 Abs. 1 GG vgl. Depenheuer in Maunz/Dürig, GG, Stand: 74 Ergänzungslieferung Mai 2015, Art. 8 Rn. 109), nach dem jeder das Recht hat, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln. Darüber hinaus ist dieses Recht einfachgesetzlich durch Art. 1 Abs. 1 BayVersG gewährleistet. Denn danach hat jedermann das Recht, sich friedlich und ohne Waffen öffentlich mit anderen zu versammeln.

Da die Möglichkeit einer Rechtsverletzung für die Bejahung der Klagebefugnis ausreicht, braucht an dieser Stelle noch nicht abschließend entschieden werden, ob die angezeigte Dauerversammlung mit Hungerstreik und sämtlichen in der Anzeige des Klägers genannten Kundgebungsmitteln eine Versammlung i. S. d. genannten Vorschriften darstellt (s.u. II.1.).

3. Der Kläger hat darüber hinaus das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die angegriffenen Beschränkungen des Bescheids vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

Als ein solches Interesse kommt grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art in Betracht (vgl. BVerwG, B. v. 12.9.1989 - 1 C 40/88 - juris Rn. 10 m.w.N; BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 25). Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht. In versammlungsrechtlichen Streitigkeiten setzt dies zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 41). Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist hier auf der Grundlage der genannten Maßstäbe von einer Wiederholungsgefahr auszugehen.

Es besteht zunächst die Möglichkeit, dass der Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung durchführt. Denn nach den Darlegungen in der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles besteht erkennbar die Möglichkeit, dass der Kläger auch in Zukunft Versammlungen abhalten wird, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können, wobei nicht erforderlich ist, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 42).

Der Kläger lebt noch im Stadtgebiet der Beklagten und ist weiterhin politisch aktiv. Seine Bevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass immer wieder diskutiert werde, ob die Öffentlichkeit erneut mit einer vergleichbaren Aktion auf die Anliegen, die auch schon Gegenstand der damaligen Veranstaltung gewesen seien, hingewiesen werden solle. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass sich auch ein Hungerstreik, wenn auch vielleicht mit einer geringeren Zahl an Teilnehmern, jederzeit wiederholen lasse. Vor diesem Hintergrund besteht nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs aber erkennbar die Möglichkeit, dass der Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung veranstalten und leiten wird, die unter Verwendung von Pavillons über längere Zeit hinweg rund um die Uhr stattfindet und damit hinsichtlich der Zahl der zum Einsatz kommenden Pavillons und ihrer Nutzung sowie bezüglich der Zulässigkeit der Aufstellung von Betten zu den gleichen Rechtsproblemen, wie sie den streitgegenständlichen Bestimmungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 zugrunde lagen, und zu einer gleichen rechtlichen Beurteilung dieser Probleme durch die Versammlungsbehörde führen kann. Dies gilt umso mehr, als in einer Situation, in der wie gegenwärtig die Asylbewerberzahlen rasch ansteigen, mit dem Auftreten von Problemen zu rechnen ist, die mit denjenigen, die Auslöser der Versammlungen im Jahr 2012 waren, vergleichbar sind. Insbesondere liegt insoweit auf der Hand, dass die steigenden Asylbewerberzahlen zumindest vorübergehend mit einer längeren Dauer der einzelnen Asylverfahren und mit Schwierigkeiten bei der Unterbringung der Betroffenen verbunden sein können.

Ebenso wird die Beklagte nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten. Denn es ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon auszugehen, dass sie Beschränkungen der Durchführung weiterer vergleichbarer Versammlungen des Klägers wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird (vgl. BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 43).

Hinsichtlich der Nr. 1.17 des Bescheids vom 15. Juni 2012, die, soweit sie angegriffen ist, lediglich die Errichtung eines einzigen Pavillons zulässt, folgt dies zunächst daraus, dass der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr ausgegangen ist, weil die Beklagte weiterhin einen zweiten Pavillon nicht als vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt ansehe. Dies gilt in gleicher Weise für die Beschränkungen in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012. Insoweit hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass eingebrachte Gegenstände wie Betten nicht mehr mit der Meinungskundgabe in Zusammenhang stünden und daher auch nicht geschützt seien. Zur Beschränkung in Nr. 1.19 hat sich der Vertreter der Beklagten zwar nicht mehr ausdrücklich geäußert. Es wurde aber in der mündlichen Verhandlung hinreichend deutlich, dass die Beklagte jegliche Infrastruktur, die den Versammlungsteilnehmern ermöglicht, sich vom eigentlichen Versammlungsgeschehen abzusondern, weil z. B. in geschlossenen Pavillons übernachtet wird, als nicht mehr vom Schutzbereich des Versammlungsrechts umfasst ansieht.

II. Die Klage ist im noch streitgegenständlichen Umfang auch begründet. Die Beschränkungen in Nr. 1.17, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 waren im Zeitpunkt ihrer Erledigung rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Es ist deshalb antragsgemäß auszusprechen, dass sie rechtswidrig gewesen sind (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Beschränkungen kommt Art. 15 Abs. 1 BayVersG in Betracht, weil es sich bei der vom Kläger angezeigten „Dauerversammlung in der Form des Hungerstreiks“ vom 16. Juni 2012 bis 16. August 2012 um eine öffentliche Versammlung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 und 2 BayVersG gehandelt hat (1.). Die Beklagte war für den Erlass der beschränkenden Verfügungen im Bescheid vom 15. Juni 2012 zuständig (2.). Die verfügten, noch streitgegenständlichen Beschränkungen stellen sich jedoch als unverhältnismäßig bzw. ermessensfehlerhaft dar (3.).

1. Versammlungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 41; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 15). Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, so ist entscheidend, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG, B. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - juris Rn. 29; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 16). Weitgehend übereinstimmend mit diesen Grundsätzen definiert Art. 2 Abs. 1 BayVersG Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes als Zusammenkünfte von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.

Legt man dies zugrunde, so stellte sich die vom Kläger angezeigte Veranstaltung nach ihrem Gesamtgepräge aber als Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG dar. Denn sie war überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet. Bei der Frage, welches Gesamtgepräge einer Veranstaltung zukommt, ist zwar zu berücksichtigen, dass die Beteiligten berechtigt sind, selbst darüber zu bestimmen, was sie zum Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung machen und welcher Formen der kommunikativen Einwirkung sie sich bedienen wollen. Die rechtliche Einordnung dieses Verhaltens als Versammlung steht aber den dazu berufenen Gerichten zu (BVerfG, B. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 30/01 - juris Rn. 30).

Zweck der Veranstaltung, die als länger andauernde Versammlung in Form eines Hungerstreiks zum Thema Asylpolitik angezeigt worden war, war es, die Öffentlichkeit auf die Situation von Asylbewerbern in Deutschland aufmerksam zu machen und dadurch auf eine Verbesserung dieser Situation hinzuwirken. Dabei ging es zum einen darum, die Asylverfahren der Teilnehmer am Hungerstreik zu beschleunigen und deren Anerkennung als Asylberechtigte zu erreichen. Zum anderen wurde eine Verbesserung der Situation aller Asylbewerber angestrebt. Insbesondere wurde von der Politik die Abschaffung der Unterbringung von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften, der Residenzpflicht und der Zuteilung von Essenspaketen, eine drastische Verkürzung der Dauer der Antragsbearbeitung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Einführung eines Anspruchs aller Asylbewerber auf Teilnahme an professionellen Deutschkursen und die Möglichkeit gefordert, den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu sichern.

War damit die vom Kläger angezeigte Veranstaltung aber auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet, so steht ihrer Einordnung als Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG nicht entgegen, dass in ihrem Rahmen auch Pavillons errichtet worden sind und beibehalten werden sollten, die den Teilnehmern ermöglichten, sich auszuruhen, zu schlafen, Zuflucht vor ungünstigen Witterungsbedingungen zu suchen oder sonst den Aufenthalt am Veranstaltungsort zu erleichtern. Dies betraf nicht nur die hungerstreikenden Versammlungsteilnehmer. Denn ungeachtet dessen stand im Vordergrund der Veranstaltung die beabsichtigte Einflussnahme auf die öffentliche Meinung. Dies gilt nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs unabhängig davon, ob - wie der Kläger nunmehr geltend macht - insbesondere durch das Aufstellen der Pavillons auf die prekäre Situation der Asylbewerber in der Gemeinschaftsunterkunft und den dortigen Mangel jeglicher Privatsphäre aufmerksam gemacht werden sollte. Denn auch die Anwesenheit der Teilnehmer am Versammlungsort rund um die Uhr über mehrere Tage hinweg, die ohne die Möglichkeit, sich zum Schutz vor ungünstigen Witterungsbedingungen und zum Ausruhen und Schlafen in die als Kundgebungsmittel vorgesehenen Pavillons begeben zu können, schon rein faktisch nicht gewährleistet gewesen wäre, war geeignet, dem auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Anliegen der Veranstaltung besonderen Nachdruck zu verleihen.

Schließlich steht der Einordnung der vom Kläger angezeigten Veranstaltung in Form eines Hungerstreiks als (Dauer-)Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG auch nicht entgegen, dass mit ihr auch die Anerkennung der Veranstaltungsteilnehmer als Asylberechtigte herbeigeführt werden sollte. Zwar schützt die Versammlungsfreiheit nur die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstige selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 44). Jedoch ging es hier nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs nicht in erster Linie darum, die eigenen Forderungen in selbsthilfeähnlicher Weise durchzusetzen. Vielmehr stand im Vordergrund das Bestreben, durch den Hungerstreik und durch die Anwesenheit der Veranstaltungsteilnehmer am Veranstaltungsort rund um die Uhr die Bedeutung dieser Forderungen zu unterstreichen und so Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Es überwog damit aber gerade der von der Versammlungsfreiheit geschützte Zweck der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung.

2. Die Beklagte war für den Erlass der streitgegenständlichen Beschränkungen zuständig. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde Versammlungen beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist oder ein Fall des Art. 12 Abs. 1 BayVersG vorliegt. Zuständige Behörde ist nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die Kreisverwaltungsbehörde, ab Beginn der Versammlung die Polizei. Vorliegend verfügte die Beklagte als Kreisverwaltungsbehörde die Beschränkungen vor Beginn der Versammlung am 16. Juni 2012 mit Bescheid vom 15. Juni 2012; sie war damit zuständige Behörde i. S. d. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG.

Auch wenn seit dem 9. März 2012 im Stadtgebiet der Beklagten schon mehrere Versammlungen zum Thema „Asylrecht“ teilweise verbunden mit einem Hungerstreik stattgefunden hatten, so handelte es sich bei der am 13. Juni 2012 vom Kläger angezeigten Versammlung um eine am 16. Juni 2012 beginnende neue Versammlung. Denn mit seiner nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayVersG erforderlichen Anzeige gab der Veranstalter der Versammlungsbehörde zu erkennen, dass ab dem 16. Juni 2012 eine neue, eigenständige Versammlung beginnen wird. Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BayVersG sind in der Anzeige nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayVersG der Ort der Versammlung, der Zeitpunkt des beabsichtigten Beginns und Endes der Versammlung, das Versammlungsthema und der Veranstalter und der Leiter anzugeben. Die Anmeldung soll die Behörde in die Lage versetzen, organisatorische Vorkehrungen treffen zu können. Nur wenn die Behörde zuvor über Zeitpunkt, Ort und Art der Versammlung unterrichtet wird, ist sie auch in der Lage, den Schutz und die Durchführung der Versammlung zu gewährleiten (Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, 2015, Rn. 222; Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 2011, Art. 13 Rn. 20). Da der Veranstalter das Ende der vorangehenden Versammlung auf dem Dominikanerplatz für den 15. Juni 2012 angezeigt hatte, begann am 16. Juni 2012 mit der beabsichtigten Verlegung des Versammlungsgeschehens an den Vierröhrenbrunnen eine neue Versammlung, weil sich wesentliche Kriterien, nämlich der Versammlungsort und der Zeitraum der Versammlung, geändert hatten und offensichtlich auch der Veranstalter davon ausging, dass eine erneute Abstimmung mit der Versammlungsbehörde über den weiteren Verlauf im Versammlungsgeschehen erforderlich war. Die einzelnen Versammlungen, die aufeinanderfolgend zum Thema „Asylpolitik“ an verschiedenen Orten im Stadtgebiet der Beklagten stattgefunden haben, sind tatsächlich und rechtlich auch nicht deshalb eine Versammlung i. S. d. Art. 13 BayVersG, weil sich die jeweiligen Versammlungszeiträume unmittelbar aneinander angeschlossen hatten. Die jeweiligen Versammlungen unterschieden sich nämlich durch den Versammlungsort, die Zahl der Teilnehmer und auch dadurch, dass zeitweise den politischen Forderungen durch einen Hungerstreik Nachdruck verliehen werden sollte. Die Veranstalter hatten ursprünglich auch nicht geplant, ihren Protest über einen so langen Zeitraum auszudehnen. Sie reihten dann letztlich eine Versammlung an die andere, weil ihr Forderungskatalog von den politisch Verantwortlichen (noch) nicht oder nicht umfassend erfüllt wurde.

3. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die in Art. 15 Abs. 1 BayVersG genannten beschränkenden Verfügungen sind keine Nebenbestimmungen zu einem begünstigenden Verwaltungsakt. An diesem fehlt es im Versammlungsrecht angesichts der Erlaubnisfreiheit von Versammlungen (BVerfG, B. v. 21.3.2007 - 1 BvR 232/04) - juris 22). Sie enthalten vielmehr einen eigenständigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit, müssen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen stehen und darauf abzielen, auch noch solche Versammlungen und Aufzüge zu ermöglichen, die aus Rechtsgründen nicht mehr zugelassen werden könnten, wenn sie nach den ursprünglichen Vorstellungen des Veranstalters durchgeführt würden (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 6. Aufl. 2011, § 15 Rn. 45). Der Begriff der öffentlichen Sicherheit knüpft an die polizeiliche Generalklausel an. Er umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung (BVerfG, U. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn. 77), der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie des Bestandes der Einrichtungen und der Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Zur Rechtsordnung gehören Strafgesetze und verwaltungsrechtliche Gebots- und Verbotsnormen. Die Beschränkungen müssen der Abwehr einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen. Eine solche Gefährdung kann sich auch aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergeben. Unzulässig sind Beschränkungen, die dem Normzweck widersprechen. Die Beschränkungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG müssen zudem erforderlich und geeignet sein, die Gefahren zu verhindern, denen sie begegnen sollen und sich auf das zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter unbedingt notwendige Maß unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beschränken (HessVGH, U. v. 26.4.2006 - 5 UE 1567/05 - juris Rn. 32).

Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von der Beklagten verfügten Beschränkungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 aber unverhältnismäßig und damit auch ermessensfehlerhaft. Die Beklagte hat die Bedeutung, die dem Aufstellen des zweiten Pavillons und dem Witterungsschutz durch Planen für die Durchführung der Versammlung zukam, bei ihrer Entscheidung verkannt bzw. nicht hinreichend berücksichtigt (3.1). Zu Nr. 1.15 enthält der Bescheid keinerlei Ausführungen, die erkennen ließen, inwiefern durch das Verbot des Aufstellens von Betten die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet worden wäre (3.2).

3.1 Das Aufstellen eines Pavillons auf einem öffentlichen Platz im Gemeindegebiet der Beklagten verstößt zwar gegen deren Sicherheitssatzung (3.1.1). Der Kläger kann sich als Ausländer zumindest auf die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit nach Art. 1 Abs. 1 BayVersG berufen (3.1.2). Auch der zweite Pavillon war zur Durchführung der Versammlung in der angezeigten Form notwendig (3.1.3). Insoweit ist ein am Durchschnittsbetrachter orientierter objektiver Maßstab anzulegen (3.1.4). Die von der Beklagten zur Begründung des Verbots des Aufstellens eines zweiten Pavillons angeführten Erwägungen stellen sich daher als unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft dar (3.1.5). Dasselbe gilt für die Beschränkung in Nr. 1.19, wonach der Pavillon an allen Seiten offen zu halten war (3.1.6).

3.1.1 Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung der Beklagten über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt Würzburg vom 6. April 2006 (Sicherheitssatzung) ist es zur Vermeidung von Beeinträchtigungen Dritter und zum ordnungsgemäßen Erhalt der Straßen, Wege und Plätze und der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen untersagt, zu nächtigen und zu zelten. Diese Sicherheitssatzung ist Bestandteil der Rechtsordnung, so dass ein Verstoß gegen die in der Sicherheitssatzung geregelten Verbote und Gebote grundsätzlich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen kann. Das Aufstellen eines teilweise geschlossenen Pavillons, um dort die Nacht zu verbringen, erfüllt zumindest den Tatbestand des Zeltens, weil auch der Pavillon eine einem Zelt vergleichbare Grundfläche einnimmt, und somit dem Zweck der Satzung, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Straßen und Plätze zu erhalten und Dritte nicht zu beeinträchtigen, entgegensteht.

3.1.2 Allerdings tritt vorliegend der von der Beklagten durch das Aufstellen des Pavillons angenommene Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Sicherheitssatzung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinter die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit und die grundgesetzlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit zurück. Der Kläger kann sich zwar als iranischer Staatsangehöriger nicht unmittelbar auf Art. 8 Abs. 1 GG, der allen Deutschen das Recht verleiht, sich ohne Anmeldung friedlich und ohne Waffen zu versammeln, berufen. Ausländern steht allein das Auffanggrundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG und das einfachgesetzliche Recht aus Art. 1 Abs. 1 BayVersG bzw. Art. 11 Abs. 1 EMRK zu (s.o. I. 2.). Denn Art. 1 Abs. 1 BayVersG geht von einem Jedermann-Recht aus. Zudem gewährleistet Art. 113 BV allen Bewohnern Bayerns das Recht, sich ohne besondere Erlaubnis und friedlich und unbewaffnet zu versammeln, so dass dem Schutz der Versammlungsfreiheit für Bewohner Bayerns, auch wenn sie Ausländer sind, Verfassungsrang zukommt und die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit eine verfassungsrechtliche Schutzbereichsverstärkung erfährt.

3.1.3 Liegt wie hier nach dem Gesamtgepräge eine Versammlung vor (s.o. II. 1.), so fallen grundsätzlich sämtliche Bestandteile oder Elemente dieser Versammlung in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit. Dies bedeutet, dass diese Versammlungsbestandteile, auch wenn sie nach anderen Rechtsvorschriften erlaubnispflichtig wären, keiner Erlaubnis nach diesen Rechtsvorschriften bedürfen und insoweit privilegiert werden (zum Verhältnis einer versammlungsrechtlichen Beschränkung zu einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis vgl. VGH BW, B. v. 16.12.1993 - 1 S 1957/93 - juris Rn. 7; BVerwG, U. v. 21.4.1989 - 7 C 50/88 - juris Rn. 15; OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.11.2003 - 4 B 365/03 - juris Rn. 18). Außerversammlungsgesetzliche Erlaubnisvorbehalte, die unmittelbar versammlungsbezogene Betätigungen und Verhaltensweisen betreffen, sind suspendiert. Dies ergibt sich aus der aus Art. 1 Abs. 1 BayVersG, Art. 113 BV folgenden prinzipiellen Erlaubnisfreiheit für das Gesamtgeschehen der jeweils aktuellen Versammlung oder Demonstration (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, a. a. O., § 15 Rn. 7).

Nach der Rechtsprechung des BVerfG fallen in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit und der dadurch bewirkten Erlaubnisfreiheit des Versammlungsgeschehens nur Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinsame Kommunikation geprägt sind und auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen (BVerfG, U. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 40, B. v. 20. 12. 2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 16, U. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 - juris Rn. 63). In diesem Rahmen gewährleistet die Versammlungsfreiheit auch das Recht, selbst zu bestimmen, wann, wo und unter welchen Modalitäten eine Versammlung stattfinden soll, und damit ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (BVerfG, B. v. 20.12.2012 a. a. O. Rn. 16; U. v. 22.2.2011 a. a. O. Rn. 64; B. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn. 61). Das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters ist aber beschränkt, soweit durch die geplante Veranstaltung Rechtsgüter beeinträchtigt zu werden drohen. Hinsichtlich der Modalitäten der Durchführung einer Versammlung ergeben sich die Grenzen der Versammlungsfreiheit aus Art. 15 BayVersG. Gefährdet die Durchführung der Versammlung andere Rechtsgüter, so ist es Aufgabe der Behörde, die wechselseitigen Interessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Ausgleich zu bringen. Die Bewertung der gegenläufigen Interessen und ihre Abwägung mit dem Versammlungsinteresse liegt bei der Behörde (BVerfG, B. v. 5.9.2003 - 1 BvQ 32/03 - juris Rn. 22; B. v. 26.1.2001 - 1 BvQ 8/01 - juris Rn. 15).

Bezogen auf Gegenstände oder Hilfsmittel, die in eine Versammlung eingebracht werden sollen, besteht in Literatur und Rechtsprechung jedenfalls weitgehend Einigkeit darüber, dass sie an der durch die Versammlungsfreiheit bewirkten Privilegierung in Bezug auf die Erlaubnisfreiheit teilnehmen, wenn sie funktionale Bedeutung für die Durchführung der Veranstaltung haben (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, a. a. O., § 1 Rn. 60) oder sie zur Verwirklichung des Versammlungszweck wesensnotwendig sind (Schneider in BeckOK, GG, Stand 1.6.2015, Art. 8 Rn. 179). Art. 8 GG schützt auch „infrastrukturelle“ Ergänzungen der Veranstaltung in Form von Informationsständen, Sitzgelegenheiten, Imbissständen oder auch Zelten, sofern sie funktional versammlungsspezifisch eingesetzt werden (Schulze-Fielitz in Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl. 2013, Art. 8 Rn. 34). Nicht in den Schutzbereich von Art. 8 GG fallen infrastrukturelle Begleitaktivitäten, wenn sie über die eigene Versammlungsaktivität hinausgehen, ohne für diese notwendig zu sein (Depenheuer in Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Stand 2014, Art. 8 Rn. 72). Die Rechtsprechung ordnet die Begleiterscheinungen einer Versammlung nur dann dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit zu, wenn die jeweils in Rede stehenden Gegenstände und Hilfsmittel zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional oder symbolisch für die kollektive Meinungskundgabe wesensnotwendig sind (OVG Berlin-Bbg, B. v. 16.8.2012 - OVG 1 S 108.12 - juris 8), wenn es sich dabei um notwendige Bestandteile der Versammlung handelt, ohne die eine gemeinsame Meinungsbildung und Meinungsäußerung nicht möglich ist (VG Frankfurt, B. v. 6.8.2012 - 5 L 2558/12.F - juris Rn. 43), wenn sie inhaltlich in hinreichendem Zusammenhang mit der Durchführung der Versammlung stehen und einen spezifischen Bezug zum Versammlungsthema aufweisen (BVerfG, B. v. 26.6.2014 - 1 BvR 2135/09 - NVwZ 2014, 1453), ihnen eine funktionale oder symbolische Bedeutung für das Versammlungsthema zukommt und sie einen erkennbaren inhaltlichen Bezug zur Meinungskundgabe aufweisen (BayVGH, B. v. 12.4.2012 - 10 CS 12.767 - juris Rn. 10; B. v.20.4.2012 - 10 CS 12.845 - juris Rn. 845) oder wenn nur unter ihrer Verwendung die Versammlung zweckentsprechend durchgeführt werden kann (BayVGH, B. v. 1.7.1995 - 21 CS 95.2131 - BeckRS 1995, 15373).

3.1.4 Ob bestimmte Gegenstände, die von den Veranstaltern der Versammlung zur Durchführung der Versammlung als notwendig erachtet werden und damit funktional-spezifisch versammlungsbezogen sind und einen Bezug zur gewählten Form der Versammlung haben, ist von der Behörde nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Grundlage für diese Beurteilung ist das Vorbringen der Veranstalter. Sie legen gegenüber der Versammlungsbehörde dar, welche Gegenstände sie zur Durchführung der Versammlung in der geplanten Form benötigen. Für die Zugrundelegung eines am Durchschnittsbetrachter orientierten Maßstabs spricht folgendes: Auch bei der Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Versammlung vorliegt, richtet sich die rechtliche Beurteilung danach, ob sich die Veranstaltung aus der Sicht des durchschnittlichen Betrachters als Versammlung darstellt, und ob der Veranstalter sein Konzept schlüssig dargelegt hat (BVerwG, U. v. 22.8.2007 - 6 C 22.06 - juris Rn. 14, 17). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 45) spricht ebenfalls davon, dass es bei der Beurteilung, ob es sich bei einer Blockadeaktion noch um eine Kundgebung handelt, die unter den Schutz des Art. 8 GG fällt, oder um eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen, darauf ankommt, dass der Veranstalter der Versammlung substantiiert darlegt, dass die Aktion auch einen an die Öffentlichkeit gerichteten Kommunikationszweck verfolgt habe. Wenn somit schon bei der Einordnung eines Geschehens als Versammlung eine Überprüfung des vom Veranstalter vorgelegten Konzepts anhand objektiver Kriterien erfolgt, ist es nur konsequent, dass die Versammlungsbehörde auch überprüft, ob bestimmte Gegenstände, die in die Versammlung eingebracht werden sollen, für die Durchführung der Versammlung in der gewählten Form funktional oder symbolisch eingesetzt werden. Denn schließlich wird das durch Art. 1 Abs. 1 BayVersG geschützte Versammlungsgeschehen insoweit privilegiert, als sämtliche mit dem Versammlungsgeschehen in Zusammenhang stehenden „Bestandteile“ keiner etwaigen nach spezialgesetzlichen Regelungen erforderlichen Erlaubnis bedürfen. Ein Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Ort, Zeitpunkt sowie Art und Inhalt bzw. die Form der Versammlung liegt darin nicht, weil die Behörde insoweit lediglich prüft, ob die vom Veranstalter angezeigten Hilfsmittel (hier: Pavillons und Betten) die für die Durchführung der geplanten Form der Versammlung (Dauerversammlung) erforderliche funktionale oder symbolische Bedeutung haben, dem Veranstalter aber nicht die Form seiner Versammlung vorgibt.

3.1.5 Die von der Beklagten verfügte Beschränkung, dass nur ein Pavillon aufgestellt werden darf, erweist sich danach bereits deshalb als rechtswidrig, weil die Beklagte bei der Bewertung ihres Interesses an der Einhaltung der Bestimmungen der Sicherheitssatzung und der gegenläufigen Interessen der Versammlungsteilnehmer zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der zweite Pavillon nicht in funktionalem Zusammenhang mit dem Versammlungszweck steht. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 12. April 2012 (10 CS 12.767 - juris) ausgeführt hat, hatte das Aufstellen eines oder mehrerer Pavillons für die vom Kläger angemeldete Dauerversammlung mit Unterschriftenlisten, Dokumenten und Diskussionsrunden diese funktionale Bedeutung für das Versammlungsthema. Die Versammlungsteilnehmer verblieben über einen längeren Zeitraum, auch nachts, am Versammlungsort, so dass es ihnen auch möglich sein musste, sich auszuruhen oder zu schlafen, um eine effektive Kundgabe ihres Anliegens zu gewährleisten. Dies schloss auch das Schlafen in den errichteten Pavillons nicht aus. An dieser Einschätzung hat sich auch für die hier streitgegenständliche Versammlung nichts geändert. Laut Versammlungsanzeige vom 13. Juni 2012 bestand die Kerngruppe aus dreizehn Protestierenden. Zwanzig Personen hatten sich bereit erklärt, am Hungerstreik teilzunehmen. Die Kundgabeform als Dauerversammlung mit Plakaten, Unterschriftslisten, Diskussionen hatte sich seit Beginn der Aktion im März 2012 im hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht wesentlich verändert. Es liegt auf der Hand, dass für die zur Meinungskundgabe genutzten Kommunikationsmittel und für den zum witterungsgeschützten Ausruhen erforderlichen Platz bei der angezeigten Teilnehmerzahl ein Pavillon mit einer Grundfläche von 9 m² nicht ausreichend ist. Auch wenn die Versammlungsteilnehmer einen Pavillon überwiegend zum Schlafen und Ausruhen und den anderen zur Unterbringung von Tischen und Stühlen für die Diskussion und Information genutzt haben, verlor der erstgenannte Pavillon dadurch nicht den Bezug zum Versammlungszweck. Auch er blieb Teil des Versammlungsgeschehens und war für die kollektive Meinungskundgabe allein aufgrund der angezeigten Teilnehmerzahl und der gewählten Versammlungsform funktional notwendig, weil sonst die Versammlungsteilnehmer ihren Protest und ihre Meinungskundgabe nicht hätten dauerhaft „auf der Straße“ durchführen können. Es kann bei zwei aneinandergebauten Pavillons keinen entscheidungserheblichen Unterschied in ihrer Bedeutung für das Versammlungsgeschehen machen, wenn in einem Pavillon tatsächlich nur geschlafen und im anderen nur diskutiert wird oder beide sowohl zum Ausruhen als auch zum öffentlichen Diskutieren genutzt werden. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob für die von den Versammlungsteilnehmern gewählte Kundgabeform und die Zahl der Versammlungsteilnehmer die von den Pavillons überdachte Fläche zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional oder symbolisch eingesetzt worden ist. Nicht maßgeblich ist entgegen der Auffassung der Beklagten daher, dass der zweite Pavillon nach ihren Beobachtungen ausschließlich zum Ausruhen und Schlafen sowie zur Lagerung von Gegenständen benutzt worden war, während sich die Diskussionen und Informationen auf den ersten Pavillon beschränkten.

Da die Beklagte somit das Interesse der Versammlungsteilnehmer an der Aufstellung eines zweiten Pavillons als nicht in Zusammenhang mit der kollektiven Meinungskundgabe stehend bewertet hat, hat sie das Interesse der Versammlungsteilnehmer nur mit einer unzureichenden Gewichtung in ihre Abwägungsentscheidung eingestellt.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, sie habe erkannt, dass auch der zweite Pavillon eine funktionale Bedeutung für die angezeigte Versammlung habe, so erweist sich die verfügte Beschränkung als unverhältnismäßig, weil die von der Beklagten angestellten Erwägungen, wonach ein Verstoß gegen die Sicherheitssatzung vorliege, der Zugang zu den anliegenden Gewerbebetrieben behindert würde und den Versammlungsteilnehme bereits auseichend Zeit zur Kundgabe ihrer Anliegen zur Verfügung gestellt worden sei, das Interesse der Versammlungsteilnehmer, einen zweiten Pavillon aufzustellen, um die Versammlung ihren Vorstellungen entsprechend durchführen zu können, nicht hinreichend gewichtet hat. Sie hat insbesondere keine Erwägungen dahingehend angestellt, ob nicht durch eine örtliche Verschiebung der Pavillons am Versammlungsort oder einen Wechsel des Versammlungsorts eventuelle Beeinträchtigungen für Dritte hätten reduziert werden können. Auch die von der Beklagten angeführte Überlegung, dass die Versammlungsteilnehmer bereits genügend Zeit gehabt hätten, ihr Anliegen darzustellen, führte nicht ohne weiteres dazu, dass ihr Recht, sich zu versammeln und entsprechend dem Versammlungszweck zwei Pavillons aufzustellen, schon hinter das Zelt- und Nächtigungsverbot der Sicherheitssatzung hätte zurücktreten müssen, wenn nicht gerade in der Dauer des Verstoßes gegen die Sicherheitssatzung eine zusätzliche erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit gelegen hätte.

3.1.6 Auch die Beschränkung in Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012, den Pavillon auf allen Seiten offen zu halten, ist ermessensfehlerhaft. In den Gründen des Bescheids finden sich auch keine weiteren Ausführungen zu dieser Beschränkung. Die Beklagte ging wohl davon aus, dass ein geschlossener Pavillon nicht spezifisch versammlungsbezogen sei, weil durch das Verhängen der Eingänge des Pavillons eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung ausgeschlossen gewesen sei. Dabei verkannte die Beklagte, dass bei Dauerversammlungen zum Schutz der Kundgebungsmittel und der Versammlungsteilnehmer vor Nässe und Wind auch das (teilweise) Verhängen der Pavillons mit Planen zur weiteren Durchführung der Versammlung notwendig war, weil ansonsten bei entsprechenden Witterungsbedingungen die Versammlung hätte abgebrochen werden müssen. Dies hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 2. Juli 2012 (10 CS 12.1419 - juris Rn. 32) klargestellt. Daran hält er auch nach wie vor fest.

3.2 Die Beschränkung in Nr. 1.15 des Bescheids vom 15. Juni 2012, wonach keine Betten aufgestellt werden dürfen, war ebenfalls rechtswidrig. Auch diese Regelung war ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Die Beklagte hat zum Nächtigungsverbot in Nr. 1.16 des Bescheids vom 15. Juni 2012 und zum Verbot des Aufstellens von Betten in den Gründen ausgeführt, dass das Nächtigen gegen § 4 Abs. 2 Nr. 1 der Sicherheitssatzung verstoße. Das Übernachten hätte nicht die Meinungskundgabe zum Ziel gehabt. Das Aufstellen von Betten sei zu untersagen gewesen, weil diese ausschließlich dem Zweck des dauerhaften Nächtigens gedient hätten. Dem Verbot, Betten aufzustellen, kommt aber nach Auffassung des Senats unabhängig vom Verbot des Nächtigens, das der Kläger hat bestandskräftig werden lassen, bezogen auf den Versammlungszweck, nämlich über einen längeren Zeitraum unterbrochen am Versammlungsort präsent zu sein, um den Forderungen der Versammlungsteilnehmer Nachdruck zu verleihen, eine über das Nächtigungsverbot hinausgehende Bedeutung zu. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 12. April 2012 (10 CS 12.767 - juris Rn. 12) erläutert, dass die dauernde Anwesenheit am Versammlungsort zwangsläufig ein Bedürfnis nach Ruhepausen nach sich zieht. Wenn sich die Versammlungsteilnehmer also am Versammlungsort z. B. nur ausruhen (auch tagsüber), steht das Aufstellen eines Bettes zu diesem Zweck in funktionalem Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen. Es kann offen bleiben, ob das Aufstellen eines Bettes per se bereits gegen die Sicherheitssatzung der Beklagten verstoßen hat oder straßenrechtlich erlaubnispflichtig gewesen wäre. Denn die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung über die Beschränkung das Aufstellen von Betten lediglich unter dem Aspekt des Nächtigens gewürdigt und nicht berücksichtigt, dass Betten auch dem Ausruhen dienen und daher einen hinreichend funktionalen Bezug zum konkreten Versammlungsgeschehen aufweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 139 VwGO kann die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) eingelegt werden. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig (Postfachanschrift: Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig), einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

[73] Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, der Kreisverband Trier der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), begehrt die Feststellung, dass die räumliche Verlegung seiner für den 3. September 2014 angemeldeten Versammlung in Trier rechtswidrig gewesen ist.

2

Der Kläger meldete durch seinen Vorsitzenden am 31. August 2014 für den Nachmittag des 3. September 2014 eine Kundgebung im Bereich des Porta-Nigra-Vorplatzes in Trier an, an der voraussichtlich 10 Personen teilnehmen sollten. Bei dem vor der Versammlung geführten Kooperationsgespräch wurden Zeit und Thema der Versammlung einvernehmlich geändert. Keine Einigung konnte hinsichtlich des Versammlungsortes erzielt werden. Während der Kläger die Versammlung am Porta-Nigra-Vorplatz abhalten wollte und alternativ den Bereich vor der Commerzbank in der Simeonstraße/Ecke Margaretengässchen benannte, wurde seitens der Beklagten im Kooperationsgespräch als Versammlungsort der Hauptbahnhof oder der Simeonstiftplatz vorgeschlagen. Anlass der Versammlung war der zum gleichen Zeitpunkt geplante Besuch des Bundespräsidenten Gauck in Trier, der zusammen mit der Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz und dem Oberbürgermeister der Stadt Trier die Porta Nigra besuchen wollte. Im Kooperationsgespräch machte der Kläger deutlich, dass er den Bundespräsidenten mit politischen Forderungen sowie seiner Bezeichnung der NPD-Mitglieder als „Spinner“ im Bundestagswahlkampf 2013 und den Oberbürgermeister mit dem Vorwurf der städtischen Einflussnahme auf die Trierer Ratswahl vom 25. Mai 2014 konfrontieren wolle.

3

Mit Bescheid vom 2. September 2014 verfügte die Beklagte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, dass die von dem Kläger für den Nachmittag des 3. September 2014 angemeldete Versammlung in Trier räumlich verlegt und nicht der Porta-Nigra-Vorplatz, sondern der Simeonstiftplatz als Ort der Versammlung zur Verfügung gestellt werde. Zur Begründung – soweit dies für das Berufungsverfahren noch von Interesse ist – führte die Beklagte aus, dass die Versammlung an dem beantragten Ort nicht durchgeführt werden könne. Der Bundespräsident sei mit der höchsten Sicherheitseinstufung zu schützen, sodass jegliche Versammlungen im „inneren Sicherheitsbereich“, das heißt dem vom Bundespräsidenten und seiner Begleitung unmittelbar zu passierenden Straßenraum, aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen werden könnten. Der Schutz von Leib und Leben des Bundespräsidenten genieße allerhöchste Priorität. Die derzeitige Einsatzkonzeption der Polizeidirektion Trier sehe vor, die Porta Nigra und ihr Umfeld, insbesondere die Zu- und Abfahrten der Kolonnen des Bundespräsidenten, besonders zu schützen. Würde die angemeldete Versammlung auf dem Porta-Nigra-Vorplatz durchgeführt, so könnte der für den Schutz des Bundespräsidenten erforderliche Sicherheitsbereich nicht eingerichtet werden. Es sei dann zu erwarten, dass sich Proteste auf engem Raum zwischen Porta Nigra und Eingang Fußgängerzone hoch emotional und möglicherweise unkontrolliert entlüden und die Situation damit insgesamt unbeherrschbar werde. Dies gelte zunächst unabhängig davon, ob eine Gegendemonstration stattfinde oder nicht. Eine Gegendemonstration führe lediglich zu einer Verschärfung der Situation. Unter solchen Umständen könne die Sicherheit des Bundespräsidenten nicht gewährleistet werden, denn die Konflikte würden im unmittelbaren Bewegungsbereich des Staatsoberhauptes ausgetragen. Da sich der Bundespräsident auf dem Vorplatz der Porta Nigra bewegen werde, scheide der angrenzende Bereich für die Versammlung mit nicht zu verhindernden Gegendemonstrationen absolut aus, zu dem auch der im Kooperationsgespräch beanspruchte Bereich vor der Commerzbank gehöre, der lediglich durch einen kleinen Gebäudevorsprung getrennt und ca. 15 m von dem Porta-Nigra-Vorplatz entfernt sei. Weitere Alternativstandorte seien vom Kläger nicht benannt worden. Einzige adäquate Örtlichkeit in räumlicher Nähe sei der Simeonstiftplatz. Dieser liege ebenfalls sehr zentral und noch in räumlicher Nähe zu dem Aufenthaltsort des Bundespräsidenten.

4

Am 2. September 2014 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein. Den gleichzeitig gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, mit dem er erklärte, auf eine Versammlung am ursprünglich geplanten Porta-Nigra-Vorplatz zu verzichten und stattdessen die Versammlung im Bereich der Commerzbank in der Simeonstraße/Ecke Margaretengässchen durchführen zu wollen, lehnte das Verwaltungsgericht Trier mit einer Klarstellung zum genau zugewiesenen Versammlungsort am Simeonstiftplatz mit Beschluss vom 3. September 2014 (1 L 1611/14.TR) ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 3. September 2014 (7 B 10838/14.OVG) zurück.

5

Der Kläger hat am 2. Oktober 2014 Klage erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Versammlung einen Bezug zum Besuch des Bundespräsidenten gehabt habe. Er, der Kläger, habe deshalb Wert auf eine Versammlung im Blickfeld der Porta Nigra gelegt. Er habe sichtbar seinen Protest gegen Äußerungen des Bundespräsidenten sowie Wahlbeeinflussung durch den Oberbürgermeister der Beklagten zur Schau tragen wollen. Davon abweichend habe die Kundgebung außerhalb der Seh- und Hörweite des Bundespräsidenten stattfinden müssen. Der von ihm vorgeschlagene Alternativstandort vor der Commerzbank sei sicherheitstechnisch weit genug vom Bundespräsidenten entfernt gewesen. Gewalttätige Auseinandersetzungen in der Vergangenheit seien niemals von Teilnehmern an seinen Versammlungen ausgegangen.

6

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vor allem geltend gemacht, dass nach dem Sicherheitskonzept der Polizei, auf das sie keinen Einfluss gehabt habe, zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorgesehen gewesen sei, dass die Wagenkolonne des Bundespräsidenten im Bereich der Commerzbank stehe und der Bundespräsident nach dem Empfang von dort abfahre. Diese Planung sei im Rahmen des Kooperationsgesprächs angesprochen worden.

7

Mit Urteil vom 20. Januar 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klagen des Klägers sowie seines Vorsitzenden, der auch im eigenen Namen geklagt hatte, abgewiesen. Die Klage des Vorsitzenden in eigenem Namen sei mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Die demgegenüber zulässige Klage des Klägers sei unbegründet. Die Verlegung des Versammlungsortes von dem zuletzt begehrten Vorplatz der Commerzbank auf den Simeonstiftplatz sei rechtmäßig gewesen. Aufgrund der Notwendigkeit, einen Sicherheitsbereich für den Besuch des Bundespräsidenten freizuhalten, habe die Versammlung auf dem Vorplatz der Commerzbank nicht stattfinden können. Es sei grundsätzlich möglich, bei Personen der Gefährdungsstufe 1 einen Sicherheitsbereich einzurichten, der generell von Versammlungen freizuhalten sei. Die Beklagte habe in der konkreten Situation einen „inneren Sicherheitsbereich“ für den Bundespräsidenten festlegen dürfen, der sich nach den Darlegungen der Beklagten nachvollziehbar daraus herleitete, dass sich der Bundespräsident und seine Begleitungen konkret dort aufhalten sollten und die angegebenen Zu- und Abfahrtswege gewährleistet sein sollten. Zu diesem Bereich gehörten zumindest der Vorplatz der Porta Nigra und der unmittelbar zu passierende Straßenraum. Nach dem Sicherheitskonzept sei der Bereich vor der Commerzbank für die Fahrzeugkolonne des Bundespräsidenten und dessen späteren Zustieg vorgesehen gewesen. In diesem Bereich wäre es deshalb zu einem unmittelbaren Kontakt mit der Versammlung des Klägers gekommen und daher der für eine Person der Gefährdungsstufe 1 erforderliche Sicherheitsabstand nicht einzuhalten gewesen. Unschädlich sei, dass der Bereich der Commerzbank später nicht als Zustiegsort genutzt worden sei, da sich die von der Beklagten anzustellende Gefahrenprognose auf eine zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung zu treffende ex ante Prognose stütze.

8

Hiergegen richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 23. November 2015 zugelassene Berufung des Klägers. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, dass die Notwendigkeit der Einhaltung eines Sicherheitsabstandes für den Besuch des Bundespräsidenten die Verlegung des Versammlungsortes nicht rechtfertige. Es beständen schon erhebliche Zweifel daran, dass der Platz vor der Commerzbank für die Fahrzeugkolonne und den Zustieg des Bundespräsidenten vorgesehen gewesen sei, denn weder habe dort die Fahrzeugkolonne gestanden, noch sei später ein Zustieg dort erfolgt. Gegen die Richtigkeit der Annahme, der geplante Versammlungsort werde nach dem Sicherheitskonzept für den Besuch des Bundespräsidenten benötigt, spreche auch, dass in der Vergangenheit bei Besuchen von Personen der Gefährdungsstufe 1 an der Porta Nigra in Trier nie der vom ihm als Versammlungsort vorgesehene Platz für Zu- und Abfahrten bzw. das Abstellen von Fahrzeugen benötigt worden sei. Auch sei von der Beklagten erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung behauptet worden, dass nach dem Sicherheitskonzept der Bereich vor der Commerzbank benötigt werde. Ein so gewichtiges Argument hätte die Beklagte jedoch sicher schon im Eilverfahren unmittelbar vor dem Besuch vorgebracht. Selbst wenn ein Zustieg des Bundespräsidenten an dem begehrten Versammlungsort beabsichtigt gewesen sei, so hätte auf einen Zustieg dort verzichtet werden müssen, um nicht das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig zu beeinträchtigen. Es sei durch den anderweitigen Zustiegsort offenkundig, dass der Platz vor der Commerzbank für das Sicherheitskonzept nicht zwingend benötigt worden sei. Auch könne dem Bundespräsidenten zugemutet werden, einer grundrechtlich geschützten Versammlung auszuweichen, wenn es die Verantwortlichen versäumten, rechtzeitig einen Sicherheitsbereich durch Allgemeinverfügung einzurichten. Selbst wenn aber der geplante Versammlungsort rechtmäßig hätte verwehrt werden dürfen, weil nach dem Sicherheitskonzept nicht auf ihn habe verzichtet werden können, so hätte ihm, dem Kläger, ein anderer Versammlungsort in der Nähe der Porta Nigra in Sicht- und Hörweite des Bundespräsidenten zugewiesen werden müssen. Die durchgeführte Versammlung habe letztlich außerhalb der Sicht- und Hörweite des Auftritts des Bundespräsidenten stattfinden müssen und sei öffentlich so gut wie nicht wahrgenommen worden. Die beabsichtigte Konfrontation des Bundespräsidenten und der Bevölkerung mit den Forderungen des Klägers sei so nicht möglich gewesen.

9

Der Kläger beantragt,

10

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Januar 2015 festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2014 rechtswidrig gewesen ist.

11

Die Beklagte ist der Berufung entgegen getreten. Zur Begründung verweist sie auf ihren Vortrag aus dem bisherigen Verfahren, wonach die Bewegungsfreiheit des Bundespräsidenten für den Fall einer notwendigen kurzfristigen Ablaufplanung nicht über Gebühr eingeschränkt werden dürfe. Je mehr Details im Vorfeld preisgegeben würden und je eingeschränkter der Bundespräsident aufgrund der geplanten Versammlungen sei, umso stärker sei seine Sicherheit gefährdet. Hinsichtlich des Sicherheitskonzeptes werde auf die polizeiliche Einsatzplanung „Themenbesuch des Bundespräsidenten Mittwoch, 03.09.2014 in Trier“ verwiesen. Die ursprüngliche polizeiliche Planung sei dort am 29. August 2014 um 10.03 Uhr mit dem Einsatzbefehl Nr. 1 versandt worden. Aus den hierzu vorgelegten Unterlagen sei ersichtlich, dass die Abfahrt des Bundespräsidenten im Bereich vor der Commerzbank vorgesehen gewesen sei. Die alternative polizeiliche Planung, welche dort am 2. September 2014 um 16.12 Uhr mit dem Einsatzbefehl Nr. 2 versandt worden sei, enthalte eine Änderung des Zustiegsortes. Hierzu habe die Polizei gegenüber der Beklagten zwischenzeitlich erklärt, dass aufgrund der kurzfristig bekannt gewordenen Anmeldungen zweier Versammlungen und der Ungewissheit hinsichtlich der gerichtlichen Entscheidungen sowie der zeitlichen Nähe des Besuchs an der Porta Nigra alternative Einsatzplanungen vorgenommen worden seien. Die Beklagte weist darauf hin, dass die vorgenannten Änderungen des geplanten Ablaufs bzw. die Planungsalternativen ihr nicht zugeleitet worden und ihr somit zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und der Durchführung des vorläufigen Rechtsschutzes nicht bekannt gewesen seien. Weitere Hintergründe hierzu seien ihr nicht bekannt. Aus der möglichen Alternativplanung könne jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass dem Versammlungsrecht der Vorzug gegenüber der Einsatzplanung der Polizei eingeräumt werden müsse. Der Schutz der Versammlungsfreiheit gehe nicht soweit, dass man daraus einen Anspruch auf Umplanung des Ereignisses habe, auf welches sich die Versammlung beziehen wolle.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten des Verfahrens 1 L 1611/14.TR (7 B 10838/14.OVG) Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

13

Die Berufung des Klägers, über die das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.

14

Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers, die allein Gegenstand der Berufung ist, nachdem der Vorsitzende des Klägers gegen das klageabweisende Urteil ihn betreffend kein Rechtsmittel eingelegt hat, zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2014, mit dem als Versammlungsort abweichend von der Anmeldung der Simeonstiftplatz bestimmt wurde, ist rechtmäßig gewesen.

15

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz – VersG – kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.

16

Die von Art. 8 Grundgesetz – GG – geschützte Versammlungsfreiheit umfasst auch das Selbstbestimmungsrecht über die Auswahl des Versammlungsortes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, u.a. –, juris, Rn. 61 = BVerfGE 69, 315). Bei Beschränkungen des Rechts des Veranstalters, Zeitpunkt und Ort der Versammlung zu bestimmen, ist zu berücksichtigen, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch das Interesse des Veranstalters schützt, einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu zielen. Dementsprechend kann es dem Veranstalter darauf ankommen, die Versammlung in möglichst großer Nähe zu einem symbolhaltigen Ort durchzuführen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –, juris, Rn. 23 = NJW 2007, 2167) oder in Sicht- und Hörweite zu einem bestimmten Ort zu sein, wenn es auf einen bestimmten Kommunikationszusammenhang ankommt (vgl. dazu OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 31. Mai 2007 – 3 M 53/07 –, juris, Rn. 42). Unabhängig davon, ob eine von der angemeldeten Versammlung abweichende Bestimmung zu Ort und/oder Zeit der Versammlung im Einzelfall schon als (Teil-)Verbot oder noch als Auflage einzuordnen ist, ist die Rechtfertigung der Maßnahme im Lichte des Anliegens des Veranstalters und der Gewährleistungen des Art. 8 GG zu prüfen.

17

Die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 – 6 C 21.07 –, juris, Rn. 13 = BVerwGE 131, 216). Erforderliche ist eine unmittelbare Gefährdung dieser Rechtsgüter, mithin eine Gefahrenprognose, die gestützt auf tatsächliche Anhaltspunkte („erkennbare Umstände“) bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts begründet; bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, u.a. –, juris, Rn. 80 = BVerfGE 69, 315; Beschluss vom 4. September 2009 – 1 BvR 2147/09 –, juris, Rn. 9). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind nach dem aus dem Grundgesetz ableitbaren Grundsatz der Verhältnismäßigkeit umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 – I C 31.72 –, juris, Rn. 41 = BVerwGE 45, 51; Urteil vom 6. September 1974 – I C 17.73 –, juris, Rn. 23 = BVerwGE 47, 31).

18

Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 VersG kommt es für die Gefahrenprognose auf den Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung an. Bei einer nachträglichen Änderung der erkennbaren Umstände, mithin solcher, die offen zu Tage treten oder die der Versammlungsbehörde nach der von ihr zu fordernden Bemühung um Sachaufklärung zur Verfügung stehen, ist allerdings auf Grundlage der neuen Umstände und Erkenntnisse gegebenenfalls eine neue Entscheidung zu treffen (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16. Aufl. 2011, § 15 Rn. 30).

19

Schließlich muss die Gefährdung bei Durchführung der Versammlung eintreten. Zwischen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und der Durchführung der Versammlung ist somit ein hinreichend bestimmter Kausalzusammenhang erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 1998 – 1 BvR 2311/94 –, juris, Rn. 27).

20

2. Ausgehend von diesen Maßgaben ist die angegriffene Beschränkung rechtmäßig gewesen.

21

Der Bundespräsident in Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und seine Funktion als Staatsoberhaupt (Art. 54 ff. GG), mithin als Verfassungs- und oberstes Bundesorgan (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG), werden vom Schutzgut der öffentlichen Sicherheit erfasst. Die Einstufung des Bundespräsidenten in die Gefährdungsstufe 1, d.h. „die Person ist erheblich gefährdet, mit einem Anschlag ist zu rechnen“ (vgl. dazu Stellungnahme der Polizeidirektion Trier vom 2. September 2014, S. 2, Bl. 13 der Verwaltungsakte – VA –), begründet eine unmittelbare Gefährdung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG für die genannten Schutzgüter von höchstem Rang. Denn die mit der Gefährdungseinstufung einhergehende Dauergefahr für das Leben des Bundespräsidenten bedeutet, dass zwar der Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ungewiss ist, mit ihm aber jederzeit gerechnet werden muss, mithin die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts über einen längeren Zeitraum hinweg zu jedem Zeitpunkt besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, juris, Rn. 146 = BVerfGE 115, 320, zur Dauergefahr als konkret Gefahr). Dass die Gefährdungseinstufung ihrerseits auf einer belastbaren Tatsachengrundlage beruht und sich damit von der Annahme (nur) einer allgemeinen Gefährdungslage abhebt, ist angesichts der herausgehobenen Stellung des Bundespräsidenten nicht in Zweifel zu ziehen. Auch die Beteiligten machen Einwendungen gegen die Richtigkeit dieser Einstufung nicht geltend, so dass insgesamt kein Anlass besteht, den Sachverhalt dahingehend weiter aufzuklären.

22

Ein hinreichend bestimmter Kausalzusammenhang zwischen der durch die Gefährdungseinstufung begründeten unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und der Durchführung der Versammlung ist ebenfalls gegeben. Dies folgt zwar nicht daraus, dass die angemeldete Versammlung des Klägers speziell eine Steigerung des Gefahrenpotenzials verursachte, sondern liegt vielmehr darin begründet, dass ein gewisser Sicherheitsbereich von jeder Versammlung – mithin auch von der des Klägers – freigehalten werden kann. Hintergrund bilden insoweit die von einer Versammlung „unter freiem Himmel“ ausgehende spezifischen Gefahren, die ihrerseits unmittelbar in der Verfassung durch den allein auf diese Versammlung bezogenen Gesetzesvorbehalt (Art. 8 Abs. 2 GG) angelegt sind. Im Zusammenhang mit der Abgrenzung zu (gesetzes-)vorbehaltlos gewährten Versammlungen in geschlossenen Räumen hat das Bundesverfassungsgericht auch in Unterscheidung zu einem allgemeinen Publikum aufgrund des Aufeinandertreffens der Versammlungsteilnehmer mit Dritten ein höheres, weniger beherrschbares Gefahrenpotenzial angenommen: „Emotionalisierungen der durch eine Versammlung herausgeforderten Auseinandersetzung können sich im Gegenüber zu einem allgemeinen Publikum schneller zuspitzen und eventuell Gegenreaktionen provozieren. Die Versammlung kann hier leichter Zulauf finden, sie bewegt sich als Kollektiv im öffentlichen Raum. […]“ (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 –, juris, Rn. 77 = BVerfGE 128, 226; vgl. auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 8 Rn. 66). Mithin sind es diese besondere Störanfälligkeit und das intensivierte Kollisionspotenzial von nicht gegenüber der Umwelt abgeschlossenen Versammlungen (vgl. dazu Höfling, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 8 Rn. 61), die auch einen hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen der Versammlung und der hier bestehenden unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit herstellen.

23

Wenn die Versammlungsbehörde vor diesem Hintergrund in Abstimmung mit den für die Sicherheit der gefährdeten Person verantwortlichen Polizeibehörden einen entsprechenden Schutzraum in der Nähe des Ortes schafft, an dem sich die zu schützende Person aufhält, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –, juris, Rn. 30 = BVerfGK 11, 298 „Heiligendamm“). Dabei ist es von Verfassungs wegen auch nicht geboten, den erforderlichen Schutzraum vorab mit Hilfe einer Allgemeinverfügung festzulegen. Nichts anderes ergibt sich aus der zuvor zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 – (juris, Rn. 34 ff.), die zwar die Verfassungsmäßigkeit einer erlassenen Allgemeinverfügung zum Gegenstand hatte und in diesem Zusammenhang auch inhaltliche Anforderungen an den Erlass – insbesondere zur Berücksichtigung der Durchführbarkeit auch von Demonstrationen bei Aufstellung des Sicherheitskonzepts – dieser Allgemeinverfügung aufgestellt hat. Eine (verfassungsrechtliche) Forderung nach einer vorangehenden Allgemeinverfügung wird jedoch nicht formuliert und ist mit Blick auf die Anforderungen von Art. 8 GG auch nicht ersichtlich. Die inhaltliche Prüfung des erforderlichen Sicherheitsraums, seines Umfangs, seiner Grenzen, sowie die Abwägung mit den Gewährleistungen der Versammlungsfreiheit erfolgen ohne vorangehende Allgemeinverfügung nämlich umfänglich bei der zu treffenden Einzelfallregelung. Insbesondere dort, wo nicht mit einer Vielzahl von Versammlungen gerechnet wird und gleichzeitig auch lediglich ein „innerer Sicherheitsbereich“ im unmittelbaren Bewegungsraum der zu schützenden Personen freigehalten werden soll, ist ein rechtsstaatlicher Mehrwert einer vorgeschalteten Allgemeinverfügung weder für den Versammlungsveranstalter noch die Versammlungsteilnehmer gegeben.

24

Liegen danach die tatbestandlichen Voraussetzungen für Maßnahmen nach § 15 Abs. 1 VersG vor, ist auch die konkrete Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden, den zuletzt vom Kläger begehrten Versammlungsort im Bereich vor der Commerzbank in der Simeonstraße/Ecke Margaretengässchen – in Anlehnung an die Konzeption der für den Schutz des Bundespräsidenten verantwortlichen Polizeibehörden – dem „inneren Sicherheitsbereich“ zuzuordnen, dementsprechend von jeglichen Versammlungen freizuhalten und den Kläger auf den Simeonstiftplatz als Versammlungsort zu verweisen.

25

Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren Unterlagen zur konkreten Einsatz- und Ablaufplanung zum Besuch des Bundespräsidenten am 3. September 2014 vorgelegt hat (vgl. Bl. 138 ff., 143 der Gerichtsakte – GA –), besteht für den Senat kein Anlass daran zu zweifeln, dass der Bereich vor der Commerzbank ursprünglich als Zustieg für den Bundespräsidenten und seine Begleiter und damit als Abstell- und Abfahrtsort der Fahrzeugkolonne vorgesehen war. Dies war letztlich auch Grundlage zum Zeitpunkt des Erlasses der hier angegriffenen Verfügung am 2. September 2014. Die Beklagte hatte noch im Eilverfahren gegenüber dem Senat am 3. September 2014 mit Faxnachricht von 12:52 Uhr erklärt, dass der Platz vor der Commerzbank für die Fahrzeugkolonne benötigt werde und eine Versammlung an diesem Ort ein offensichtliches Sicherheitsrisiko darstelle (vgl. Bl. 80 der Gerichtsakte im Verfahren 1 L 1611/14.TR und 7 B 10838/14.OVG), und hat auch im Berufungsverfahren ausdrücklich angegeben, dass ihr eine zwischenzeitliche Änderung der Einsatz- und Ablaufplanung durch die Polizei nicht mitgeteilt worden sei (vgl. Bl. 158 f. GA). Angesichts dessen und mit Blick auf den äußeren Ablauf der Alternativplanung, die nach den nunmehr vorgelegten Unterlagen erst am 2. September 2014 erfolgte und auch erst mit dem Einsatzbefehl Nr. 2 um 16:12 Uhr versandt wurde (vgl. Bl. 138 ff., 146 GA), steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte noch zum Zeitpunkt der Durchführung der Versammlung des Klägers davon ausging, dass der Platz vor der Commerzbank für die Abfahrt des Bundespräsidenten benötigt werde.

26

Mit seinem Einwand, der (geänderte) tatsächliche Ablauf habe gezeigt, dass der von ihm begehrte Versammlungsort für den Besuch des Bundespräsidenten nicht zwingend benötigt worden und deshalb mit Blick auf Art. 8 GG auch eine Umplanung angezeigt gewesen sei, um ihm eine Versammlung in Hör- und Sichtweite zu ermöglichen, übersieht der Kläger den grundsätzlich abwehrrechtlichen Charakter der Versammlungsfreiheit (vgl. dazu Höfling, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 8 Rn. 61), die jedenfalls keinen Anspruch auf einen ihm passenden Ablauf der Veranstaltung verschafft, gegen die er sich mit seinem Versammlungsmotto wenden möchte.

27

Ungeachtet dessen wäre es auch weder unter dem Aspekt der Erforderlichkeit noch der Angemessenheit zu beanstanden gewesen, den Platz vor der Commerzbank trotz der zwischenzeitlich erfolgten Alternativplanung als zusätzlichen Abfahrtspunkt von Versammlungen freizuhalten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich um den „inneren Sicherheitsbereich“ im unmittelbaren Bewegungsumfeld des mit Gefährdungsstufe 1 kategorisierten Bundespräsidenten handelt, so dass es grundsätzlich auch nicht unverhältnismäßig ist, einen zweiten Aufnahmeort vorzuhalten, um bei der für den Bundespräsidenten bestehenden Gefährdungslage situativ reagieren zu können.

28

Selbst wenn man das Thema Fahrzeugkolonne ausblendete, wäre der Platz vor der Commerzbank bei dem am 3. September 2014 durchgeführten Besuch des Bundespräsidenten dem unmittelbaren Bewegungsraum des Bundespräsidenten zuzuordnen gewesen und hätte auch deshalb von Versammlungen freigehalten werden können. Aus der öffentlich zugänglichen Bildberichterstattung über den Besuch ist ersichtlich, dass der geplante Fototermin oberhalb der Treppe am Porta-Nigra-Vorplatz gegenüber der Porta Nigra erfolgen sollte und auch dort erfolgt ist (vgl. dazu nur http://fotos.volksfreund.de/galerie/cme527202,0.html#3172756 oder https://www.spin.de/album/show/318255/3596098). Dieser Punkt liegt indes nur etwa 10 m von dem Gebäudevorsprung entfernt, der den Porta-Nigra-Vorplatz von dem seitens des Klägers zuletzt begehrten Versammlungsort optisch trennt. Unter Berücksichtigung, dass das Bundesverfassungsgericht schon keine verfassungsrechtlichen Bedenken hatte, „in der Nähe“ des Ortes des damaligen G8-Gipfels in Heiligendamm einen Schutzraum zu schaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –, juris, Rn. 30), fällt der hier betroffene absolute Nahbereich – ebenso wie der direkte Bewegungsraum des Bundespräsidenten selbst – in den anzuerkennenden Sicherheitsbereich.

29

Danach kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte nach den von ihr zu fordernden Bemühung um Sachaufklärung hätte Kenntnis von der Um- bzw. Alternativplanung haben müssen. Denn auch unter dieser Prämisse hätte der Bereich vor der Commerzbank von Versammlungen freigehalten werden können, so dass auch dann keine Änderung der ursprünglichen Verfügung erforderlich gewesen wäre.

30

Eine Versammlung im Bereich vor der Commerzbank wäre danach angesichts der erforderlichen sicherheitstechnischen Abschirmung insgesamt nur unter nicht hinnehmbaren Risiken zu realisieren gewesen. Daher wäre auch bei Betrachtung der Verlegung der Versammlung als (Teil-)Verbot dieses gerechtfertigt und ermessensfehlerfrei gewesen. Das Interesse des Staates an der Sicherheit seines Staatsoberhaupts und der Schutz von Leib und Leben des Bundespräsidenten in Person haben hier Vorrang gegenüber der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit des Klägers, noch dazu weil kein generelles Versammlungsverbot ausgesprochen wurde, sondern – auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen – allein der Versammlungsort von der unmittelbaren Umgehung des Besuchsortes in die nähere Umgebung verlegt worden ist.

31

Mit Blick auf die Angemessenheit der Verfügung und den Einwand des Klägers, ihm hätte bei Ausscheiden des Bereichs vor der Commerzbank ein anderer Versammlungsort in Hör- und Sichtweite des Bundespräsidenten und seiner Begleiter zur Verfügung gestellt werden müssen, ist abschließend auf Folgendes hinzuweisen. Zunächst ist es Sache des Klägers, der geschützt von Art. 8 GG grundsätzlich auch über den Versammlungsort bestimmen kann, alternative Versammlungsorte zu benennen, wenn er – beispielsweise im Kooperationsgespräch – Hinweise bekommt, dass der von ihm begehrte Versammlungsort voraussichtlich nicht zugelassen werden wird. Der Kläger hat jedoch weder im Kooperationsgespräch noch im gerichtlichen Verfahren einen alternativen Versammlungsort konkret benannt, den er ausgehend vom (angekündigten) Ausschluss des Bereichs vor der Commerzbank dem zugewiesenen Versammlungsort am Simeonstiftplatz vorgezogen hätte. Demgegenüber hat die Beklagte zu ihrer Ortswahl im Bescheid ausgeführt, dass der Simeonstiftplatz sehr zentral und in räumlicher Nähe zu dem Aufenthaltsort des Bundespräsidenten gelegen sei (vgl. Bl. 23 VA). Zu dieser Einschätzung der Beklagten passt die eigene Darstellung des Vorsitzenden des Klägers zur streitgegenständlichen Versammlung auf der Internetpräsenz des Landesverbandes der NPD. Dort heißt es unter der Überschrift „Mit Bibelvers und Bananengruß: NPD demonstriert gegen Gauck in Trier“ auszugsweise: „Mit einer lautstarken Mahnwache demonstrierte der NPD Landesverband Rheinland-Pfalz heute gegen den Besuch des Bundespräsidenten Joachim Gauck in Trier. Somit durften sich Gauck, der Oberbürgermeister Klaus Jensen und die Ministerpräsidentin Malu Dreyer zwischen 15 und 17 Uhr über nationale Redebeiträge und Musikdarbietungen auf dem Simeon-Stift-Platz mitten in Trier erfreuen. Zahlreiche Passanten, Touristen und Autofahrer waren völlig überrascht“ (vgl. http://www.npd-rlp.org/index.php/86-aktuelles/161-mit-bibelvers-und-bananengruss-npd-demonstriert-gegen-gauck-in-trier). Mithin ist festzuhalten, dass nach eigener Wahrnehmung aus der Sphäre des Klägers durchaus eine Demonstration in Hör- und Sichtweite zum Besuch des Bundespräsidenten durchgeführt werden konnte, denn ansonsten hätten sich der Bundespräsident und seine Begleiter nicht an den Redebeiträgen und Musikdarbietungen „erfreuen können“. Die Versammlung hat nach dieser Darstellung auch die angestrebte öffentliche Wahrnehmung erreicht, schließlich konnten „zahlreiche Passanten, Touristen und Autofahrer … völlig überrascht“ werden. Vor diesem Hintergrund erstaunt es, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren vorträgt, die durchgeführte Versammlung habe außerhalb der Sicht- und Hörweite des Auftrittes des Bundespräsidenten stattgefunden und sei so öffentlich so gut wie nicht wahrgenommen worden (vgl. Schriftsatz vom 21. Januar 2016, S. 5, Bl. 129 GA).

32

3. Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.

Beschluss

33

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 45.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 [LKRZ 2014, 169]).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

10 B 14.2246

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 22. September 2015

(VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.555)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 512

Hauptpunkte: Fortsetzungsfeststellungsklage; berechtigtes Interesse; Wiederholungsgefahr; versammlungsrechtliche Beschränkungen; Versammlung mit Hungerstreik; Einbringen von Gegenständen in die Versammlung; funktionaler Bezug zur gewählten Form der Versammlung; objektiver Maßstab

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...,

gegen

Stadt Würzburg,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Domstr. 1, Würzburg,

- Beklagte -

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,

wegen versammlungsrechtlicher Beschränkungen;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. September 2015 am 22. September 2015

folgendes

Urteil:

I.

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird festgestellt, dass auch die Beschränkungen in Nr. 1.15 (Verbot des Aufstellens von Betten), 1.17 (Beschränkung auf einen Pavillon) und Nr. 1.19 (Pavillon muss auf allen Seiten offen sein) im Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 verfügten versammlungsrechtlichen Beschränkungen für eine Dauerversammlung zum Thema Asylrecht vom 16. Juni 2012 bis einschließlich 16. August 2012 in W. weiter.

Unter dem 13. Juni 2012 meldete der Kläger bei der Beklagten die Durchführung einer „Dauerversammlung zum Thema Asylrecht in der Form des Hungerstreiks rund um die Uhr vom 16. Juni 2012 bis einschließlich 16. August 2012“ an. Mit Bescheid vom 15. Juni 2012 setzte die Beklagte u. a. folgende Beschränkungen fest:

Nr. 1.15 Das Aufstellen von Betten ist untersagt.

Nr. 1.17 Als Kundgebungsmittel sind zugelassen:

- Maximal sechs Stühle, die klapp-, stapelbar sein sollen,

- ein Tisch, in einer Größe von maximal 2 x 0,5 m für die Auslage von Infomaterial, Unterschriftslisten,

- ein Pavillon (3 x 3 m),

- Plakate,

- Bilder.

Bilder und Plakate dürfen an einzelnen Seiten des Pavillons nicht den Eindruck der völligen Geschlossenheit erzeugen.

Nr. 1.19 Der Pavillon muss auf allen Seiten offen sein.

Zur Begründung dieser Beschränkungen führte die Beklagte im Bescheid vom 15. Juni 2012 im Wesentlichen an, dass das Nächtigen auf öffentlichen Flächen in konsequenter Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 ihrer Sicherheitssatzung zu untersagen gewesen sei. Das Übernachten in den Zelten habe nicht die Meinungskundgabe zum Ziel. Seit Beginn der Veranstaltung erfolgten die Meinungskundgabe und das Platzieren der Thematik durch Plakate, Transparente, Diskussionen, Interviews, Bilder und Schriften. Eine Übernachtung sei hierfür nicht notwendig. Im Übrigen werde auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. April 2012 (10 CS 12.767) verwiesen. In konsequenter Umsetzung dieser Überlegungen, gesehen im Lichte der Situation vor Ort seit dem 13. April 2012, seien bei den Kundgebungsmitteln die bisherigen zwei Pavillons in Ziffer 1.17 auf einen Pavillon zu reduzieren, der nach Ziffer 1.19 dauerhaft an allen Seiten geöffnet sein müsse. Der zweite Pavillon diene seit dem 13. April 2012 weder dem konkreten Versammlungszweck noch der damit verbundenen kollektiven Aussage der Teilnehmer. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der zweite Pavillon seit dem Umzug auf den Unteren Markt zunächst durchgehend geschlossen gewesen sei. In diesem Bereich erfolge keine Meinungskundgabe.

Der Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Klage u. a. gegen die in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 verfügten Beschränkungen wurde vom Verwaltungsgericht Würzburg abgelehnt. Mit Beschluss vom 2. Juli 2012 ordnete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen die Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 mit den in den Gründen dargelegten Maßgaben an.

Zum Aufstellen der Betten (Nr. 1.15) führte der Senat aus, dass die Beklagte jegliches Aufstellen von Betten im angefochtenen Bescheid untersagt habe, der Kläger dagegen geltend mache, dass bei einer Versammlung rund um die Uhr ein zeitweiliges Ausruhen oder Schlafen der Versammlungsteilnehmer für die effektive Grundrechtswahrnehmung unabdingbar sei. Der Senat sei der Auffassung, dass drei Betten ausreichten, um das Ruhebedürfnis der Versammlungsteilnehmer zu befriedigen. Auf ein gemeinsames gleichzeitiges Nächtigen hätten die Versammlungsteilnehmer keinen Anspruch. Auch der Hinweis des Klägers darauf, dass Versammlungsteilnehmer während des Hungerstreiks ein erhöhtes Schlafbedürfnis hätten, greife nicht durch. Ein Hungerstreik könne ein Mittel sein, um dem Motto der Versammlung besonderen Nachdruck zu verleihen. Daraus folge aber kein Recht, dass der Hungerstreik möglichst komfortabel durchgeführt werden könne. Sei ein Teilnehmer derart geschwächt, dass er an einer Versammlung unter freiem Himmel nicht mehr teilnehmen könne, müsse er notfalls die Versammlung verlassen.

Zu den unter Nr. 1.17 angeführten Kundgebungsmitteln führte der Senat im Beschluss vom 2. Juli 2012 aus, dass die lange andauernde stationäre Versammlung ohne den zweiten Pavillon praktisch nicht durchführbar sei. Bereits im Beschluss vom 12. April 2012 habe der Senat dargelegt, dass gewichtige Gründe dafür sprächen, dass diese von den Versammlungsteilnehmern gewählte Form der Präsentation und Meinungsäußerung, auf die schwierige Lage der Asylsuchenden und ihren Leidensdruck in der Öffentlichkeit gerade auch über einen längeren Zeitraum mit einer Art Mahnwache besonders aufmerksam zu machen und dabei der interessierten Öffentlichkeit Einblicke und Bilder über ihr tägliches Leben, Unterlagen und Dokumente ihrer Asylverfahren etc. zu bieten und zu erläutern sowie Unterschriftslisten auszulegen, wohl einen wesentlichen, inhaltsbezogenen Bestandteil der Kundgebung bilde und andererseits der Aufstellung von zwei Pavillons entgegenstehende gewichtige öffentliche Interessen weder hinreichend geltend gemacht noch für den Senat sonst ersichtlich seien. Der zweite Pavillon sei neben anderen versammlungsbezogenen Funktionen gerade auch zum Ausruhen der Versammlungsteilnehmer als erforderlich angesehen worden. Das Einlegen von Ruhepausen, das Ausruhen und Schlafen zur Sicherung der effektiven Kundgabe des Anliegens der Versammlungsteilnehmer sei im Gegensatz zum dauernden Nächtigen ausweislich der Nr. 1.16 des angefochtenen Bescheides nicht verboten. Auch die Verfügung der Beklagten, der Pavillon müsse auf allen Seiten durchgehend offen sein, sei rechtlich zu beanstanden.

Die vom Kläger bezüglich der Beschränkungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage wies das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg - bei teilweiser Stattgabe der Klage bezüglich weiterer versammlungsrechtlicher Beschränkungen - mit Urteil vom 14. März 2013 insoweit ab.

Grundsätzlich seien schon Pavillons, die Informationsstände beherbergten, versammlungsrechtlich nicht geschützt. Dies gelte jedenfalls für Informationsstände, die auf einen dauerhaften Betrieb ausgelegt seien, also über die kurzfristige Begleitung einer Demonstration oder Kundgebung hinausgingen. Informationsstände unterfielen grundsätzlich den Vorgaben des Straßen- und Wegerechts bzw. Ortsrechts und genössen keine versammlungsrechtlichen Privilegien. Dies gelte erst recht für einen zweiten Pavillon, der noch nicht einmal für die Unterbringung eines Informationsstandes, sondern zu Aufenthaltszwecken vorgesehen gewesen sei. Der zweite Pavillon sei vom Beginn der Versammlung an primär als Schlaf- und Lagerstätte genutzt worden. Der Aufbau und Betrieb von Zelten und wie Zelte genutzter Pavillons könne nach Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz untersagt werden, weil Zelte und wie Zelte genutzte Pavillons vorliegend keine Versammlungsbestandteile gewesen seien. Nichts anderes gelte für die Nutzung von Betten. Es könne zwar in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen auch möglich sein, mittels eines oder mehrerer Zelte eine kollektive Aussage zu treffen. Einem solchen Zweck hätten die von den Versammlungsteilnehmern aufgestellten Zelte und der zweite Pavillon jedoch nicht gedient. Eine versammlungsrechtliche Symbolwirkung sei dem Camp aus Pavillons mit Liegeflächen, Igluzelten und zeitweise einem beheizten Versorgungszelt ersichtlich nicht zugekommen. Zelte, Pavillons und Betten seien einer Versammlung unter freiem Himmel grundsätzlich wesensfremd. Vom Versammlungsrecht nicht umfasst sei nämlich das Recht, körperliche Gegenstände wie Zelte oder Wohnwagen mit Inventar in die Versammlung einzubringen. Das Recht auf Versammlungen unter freiem Himmel gewährleiste grundsätzlich noch nicht einmal einen Rechtsanspruch auf das Aufstellen von Sitzgelegenheiten. Auch die Fortsetzung des Hungerstreiks von Versammlungsteilnehmern rechtfertige nicht die Verwendung von Pavillons und Betten. Der Anwendungsbereich des Versammlungsrechts erfasse nicht alle Versammlungen in gleicher Weise, sondern entfalte nach der Art der Versammlung differenzierende Wirkung. Eine Versammlung unter freiem Himmel unterliege anderen tatsächlichen Gegebenheiten und prägenden Strukturen als eine Versammlung in geschlossenen Räumen. Versammlungen unter freiem Himmel seien nur solche, die von ihrer Umgebung nicht durch feste Außenwände abgegrenzt seien. Versammlungen in Zelten oder geschlossenen Pavillons seien Versammlungen in geschlossenen Räumen. Zwar unterfielen auch länger andauernde Versammlungen, etwa Dauermahnwachen oder dergleichen, ohne weiteres dem Schutzzweck des Versammlungsrechts. Das dabei entstehende Bedürfnis nach einem zeitweiligen Schlafen der Versammlungsteilnehmer am Versammlungsort sei aber nicht mehr vom Versammlungsrecht geschützt. Es sei vielmehr Sache der Versammlungsteilnehmer, gegebenenfalls erforderliche Schlafpausen in Wohnräumen abseits des Versammlungsorts zu absolvieren. Lasse man das Schlafen der Versammlungsteilnehmer bei einer Versammlung unter freiem Himmel zu, sei ein dauerhaftes Campieren auf öffentlichen Flächen die nicht zu verhindernde Folge. Mutiere mit zunehmender Verweildauer die Gestaltung der individuellen Lebensverhältnisse zum eigentlichen Medium der Meinungskundgabe, drohe die Paradoxie, dass die durch spezifische Eigentümlichkeiten geprägte Lebensführung der Versammlungsteilnehmer einem permanenten privilegierten Sonderrecht unterstellt werde.

Auf Antrag des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013, soweit es die Fortsetzungsfeststellungsklage bezüglich der Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 abgewiesen hat, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 festzustellen, dass auch die Beschränkungen Nr. 1.15 (Verbot des Aufstellens von Betten), Nr. 1.17 (Beschränkung auf einen Pavillon) und 1.19 (Pavillon muss auf allen Seiten offen sein) im Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

Das Verwaltungsgericht verkenne die Reichweite der Versammlungsfreiheit. Art. 8 GG enthalte keine zeitliche Beschränkung der Versammlungen. Nach seinem Wortlaut kenne Art. 8 GG ein herkömmliches Bild der Versammlung nicht. Der Begriff der Versammlung sei weit auszulegen. In welcher Form die Versammlungsteilnehmer ihre Meinung kundtun wollten, obliege, solange die Versammlung friedlich bleibe, allein ihnen selbst. Bei der vom Kläger gewählten Form einer Dauermahnwache unter freiem Himmel handle es sich um eine versammlungsrechtlich adäquate Form der Meinungsäußerung. Wenn eine Dauermahnwache aber uneingeschränkt dem Schutz der Versammlungsfreiheit unterliege, dann müssten auch alle für die Durchführung einer solchen Mahnwache erforderlichen Utensilien unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fallen, ohne einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zu bedürfen. Zudem hätten die Versammlungsteilnehmer das Recht, eine Versammlungsform zu wählen, die nach ihrer Meinung ihr Anliegen angemessen zum Ausdruck bringe. Die hierfür erforderlichen Mittel unterfielen ebenfalls der Versammlungsfreiheit. Die zeltähnlichen Pavillons seien ein wesentliches Ausdrucksmittel dessen, was durch die Versammlung der Öffentlichkeit kundgetan werden solle. Die zum Teil offenen, zeltähnlichen Pavillons brächten den Zustand eines unbehausten Campierens, dem die Asylbewerber täglich ausgesetzt seien, adäquat zum Ausdruck. Ein einzelner ordentlicher Pavillon reiche zur Erzeugung dieses Eindrucks nicht aus. Der vom Verwaltungsgericht gerügte Zustand der Versammlung in mehreren Pavillons, Liegeflächen, Igluzelten und beheiztem Versorgungszelt mit Wolldecken und Kissen sei nicht das Ergebnis des Lebensstils unordentlich hausender Asylbewerber, sondern die absichtliche Darstellung der Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Gerade dieser Zustand symbolisiere die prekäre Situation der Asylbewerber. Es stehe den Versammlungsteilnehmern auch frei, in welcher Form sie ihre politische Meinung äußern wollten. Sie seien keinesfalls auf schriftliche Aussagen auf Plakaten oder Vorträgen in freier Rede begrenzt. Sie könnten ihr Anliegen auch durch Symbole zum Ausdruck bringen, wie dies vorliegend mit den Pavillons geschehen sei. Eine solche weite Auslegung des Versammlungsbegriffs mache das Versammlungsrecht auch nicht konturlos, denn ersichtlich könne nicht jede politische Meinung durch den symbolischen Nachbau eines Flüchtlingslagers dargestellt werden. Unstreitig dürfte es sein, dass, sofern die Gegenstände wie hier essentieller Bestandteil der demonstrativen Aussage seien, sie eindeutig dem Versammlungsrecht unterfielen und von der Versammlungsfreiheit geschützt würden. Aber nicht nur die Gegenstände, die von essentieller Bedeutung für die Aussage seien, würden vom Versammlungsrecht geschützt. Es sei auch überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass bei Mahnwachen ein Witterungsschutz in Form von Planen, Verpflegungs- und Sanitäreinrichtungen versammlungsrechtlich zulässig sei. Durch den Einsatz von Hilfsmitteln werde aus einer Versammlung unter freiem Himmel auch nicht eine Versammlung in geschlossenen Räumen. Die Versammlung habe nicht, wie dies für eine Versammlung in geschlossenen Räumen typisch sei, wesentlich der Selbstverständigung der Teilnehmer untereinander gedient, sondern sie habe von vornherein darauf abgezielt, möglichst viele Menschen anzusprechen. Dieses Anliegen sei durch die Pavillons nicht verhindert, sondern gefördert worden. Sofern eine bestimmte Form einer Veranstaltung grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit geschützt werde, müssten auch die zur Durchführung einer solchen Versammlung unbedingt erforderlichen Hilfsmittel geschützt sein. Dies betreffe vorliegend die Pavillons als Witterungsschutz ebenso wie das Recht, zu schlafen und die dafür erforderlichen Schlafstätten, Betten etc. zur Verfügung zu haben. Die Auffassung, dass, wer eine Veranstaltung im Freien durchführe, sich damit der Witterung aussetze, sei sicher zutreffend, könne jedoch nichts daran ändern, dass für eine Dauermahnwache ein gewisser Witterungsschutz erforderlich sei, damit sie überhaupt durchgeführt werden könne. Ein nach allen Seiten offener Pavillon biete keinen ausreichenden Witterungsschutz. Ein teilweiser geschlossener Pavillon sei allein schon zum Schutz der Informationsmaterialien aus Papier und der für die Öffentlichkeitsarbeit heute zwingend notwendigen Computer erforderlich. Die erforderliche Zahl solcher Pavillons richte sich nach der Zahl der Teilnehmer. Vorliegend hätten an der Versammlung im Durchschnitt über 20 Personen teilgenommen. Ein einzelner auch für das Unterstellen des Informationsmaterials genutzter Pavillon sei offensichtlich nicht ausreichend gewesen. Auch das Verbot, Betten aufzustellen, sei rechtswidrig. Es sei nicht zumutbar, dass die Teilnehmer bei der Dauerwache ununterbrochen wach seien. Ebenso könne von ihnen nicht verlangt werden, zum Schlafen nach Hause zu gehen. Die Teilnehmer müssten die Möglichkeit haben, sich auszuruhen. Zum Schlafen benötige man eine Bettstelle.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, Pavillons, die geschlossen und abgetrennt vom eigentlichen Versammlungsgeschehen der privaten Unterbringung der Versammlungsteilnehmer dienten, seien vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht umfasst. Das nächtliche Schlafen am Versammlungsort sei weder Kundgebungsmittel noch Ausdruck der Meinungsäußerung der Versammlungsteilnehmer gewesen. Es sei den Versammlungsteilnehmern zuzumuten, zum Schlafen den Versammlungsort zu verlassen. Die Versammlung werde dadurch nicht unterbrochen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen eigenen Antrag. Nach Aktenlage stelle sich jedoch die Frage, ob der zweite Pavillon als wesentliches Ausdrucksmittel für den Versammlungszweck gedient habe. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts sei seine logistische Bedeutung gegenüber der funktionalen und inhaltsbezogenen Bedeutung so stark in den Vordergrund getreten, dass ein versammlungsrechtlicher Schutz ausscheide.

Der Verwaltungsgerichtshof hat am 21. September 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 10 B 14.2242, 10 CS 12.767, 10 CS 12.848, 10 CS 12.1106 und 10 CS 12.1419 in beiden Instanzen und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig (I.) und entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang begründet (II.).

I. Die Klage, die auf die Feststellung gerichtet ist, dass auch die Beschränkungen in Nr. 1.17, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren, ist zulässig. Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (1.). Der Kläger war auch nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt (2.). Es liegt darüber hinaus das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung vor.

1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft.

In den Fällen einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO hebt das Verwaltungsgericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO den angefochtenen Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Vorliegend haben sich die allein noch streitgegenständlichen Beschränkungen der Versammlung in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 nach Klageerhebung, aber vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erledigt.

Die Beschränkungen stellten jeweils Verwaltungsakte dar. Denn es handelte sich dabei, wie Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dies voraussetzt, um Entscheidungen, die die Beklagte zur Regelung eines Einzelfalls, nämlich zur Regelung der vom Kläger für den Zeitraum vom 16. Juni 2012 bis zum 16. August 2012 angezeigten Versammlung, auf dem Gebiet des Versammlungsrechts getroffen hat und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet waren, weil sie für den Kläger als Veranstalter und Versammlungsleiter verbindlich festlegten, dass nur ein Pavillon, der an allen Seiten offen sein musste, errichtet und keine Betten aufgestellt werden durften.

Die angegriffenen Beschränkungen haben sich mit dem Verstreichen des Zeitraums, für den der Bescheid vom 15. Juni 2012 gelten sollte, durch Zeitablauf erledigt und sind dadurch nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG unwirksam geworden. Erledigung ist erst mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Zeitraums am 16. August 2012 eingetreten, weil die Beschränkungen bis zu diesem Zeitpunkt Rechtswirkungen für die Versammlung des Klägers entfalteten. Der Kläger hat noch vor Eintritt der Erledigung innerhalb der Rechtsmittelfrist für den Bescheid vom 15. Juni 2012 am 4. Juli 2012 Anfechtungsklage erhoben.

2. Der Kläger war nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt.

Nach dieser Regelung, die in den Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend anwendbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 23; U. v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 31; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 286), weil die an die Stelle der Anfechtungsklage tretende Fortsetzungsfeststellungsklage einen zum Zeitpunkt der Erledigung des betreffenden Verwaltungsakts bereits vorhandenen Zulässigkeitsmangel nicht zu heilen vermag (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 42 Rn. 375, wo § 42 Abs. 2 VwGO allerdings unmittelbar herangezogen wird), ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Klägers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; U. v. 10.7.2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 jeweils m. w. N.). Danach ist der Kläger klagebefugt. Denn es erscheint zumindest möglich, dass er durch die streitgegenständlichen Beschränkungen in seinem Recht verletzt ist, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für den Kläger, der iranischer Staatsangehöriger ist, folgt dieses Recht aus seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus Art. 11 Abs. 1 Halbsatz 1 Alt. 1 EMRK (vgl. Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, 2015, S. 27; einschränkend in Bezug auf Art. 2 Abs. 1 GG vgl. Depenheuer in Maunz/Dürig, GG, Stand: 74 Ergänzungslieferung Mai 2015, Art. 8 Rn. 109), nach dem jeder das Recht hat, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln. Darüber hinaus ist dieses Recht einfachgesetzlich durch Art. 1 Abs. 1 BayVersG gewährleistet. Denn danach hat jedermann das Recht, sich friedlich und ohne Waffen öffentlich mit anderen zu versammeln.

Da die Möglichkeit einer Rechtsverletzung für die Bejahung der Klagebefugnis ausreicht, braucht an dieser Stelle noch nicht abschließend entschieden werden, ob die angezeigte Dauerversammlung mit Hungerstreik und sämtlichen in der Anzeige des Klägers genannten Kundgebungsmitteln eine Versammlung i. S. d. genannten Vorschriften darstellt (s.u. II.1.).

3. Der Kläger hat darüber hinaus das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die angegriffenen Beschränkungen des Bescheids vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

Als ein solches Interesse kommt grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art in Betracht (vgl. BVerwG, B. v. 12.9.1989 - 1 C 40/88 - juris Rn. 10 m.w.N; BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 25). Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht. In versammlungsrechtlichen Streitigkeiten setzt dies zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 41). Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist hier auf der Grundlage der genannten Maßstäbe von einer Wiederholungsgefahr auszugehen.

Es besteht zunächst die Möglichkeit, dass der Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung durchführt. Denn nach den Darlegungen in der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles besteht erkennbar die Möglichkeit, dass der Kläger auch in Zukunft Versammlungen abhalten wird, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können, wobei nicht erforderlich ist, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 42).

Der Kläger lebt noch im Stadtgebiet der Beklagten und ist weiterhin politisch aktiv. Seine Bevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass immer wieder diskutiert werde, ob die Öffentlichkeit erneut mit einer vergleichbaren Aktion auf die Anliegen, die auch schon Gegenstand der damaligen Veranstaltung gewesen seien, hingewiesen werden solle. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass sich auch ein Hungerstreik, wenn auch vielleicht mit einer geringeren Zahl an Teilnehmern, jederzeit wiederholen lasse. Vor diesem Hintergrund besteht nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs aber erkennbar die Möglichkeit, dass der Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung veranstalten und leiten wird, die unter Verwendung von Pavillons über längere Zeit hinweg rund um die Uhr stattfindet und damit hinsichtlich der Zahl der zum Einsatz kommenden Pavillons und ihrer Nutzung sowie bezüglich der Zulässigkeit der Aufstellung von Betten zu den gleichen Rechtsproblemen, wie sie den streitgegenständlichen Bestimmungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 zugrunde lagen, und zu einer gleichen rechtlichen Beurteilung dieser Probleme durch die Versammlungsbehörde führen kann. Dies gilt umso mehr, als in einer Situation, in der wie gegenwärtig die Asylbewerberzahlen rasch ansteigen, mit dem Auftreten von Problemen zu rechnen ist, die mit denjenigen, die Auslöser der Versammlungen im Jahr 2012 waren, vergleichbar sind. Insbesondere liegt insoweit auf der Hand, dass die steigenden Asylbewerberzahlen zumindest vorübergehend mit einer längeren Dauer der einzelnen Asylverfahren und mit Schwierigkeiten bei der Unterbringung der Betroffenen verbunden sein können.

Ebenso wird die Beklagte nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten. Denn es ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon auszugehen, dass sie Beschränkungen der Durchführung weiterer vergleichbarer Versammlungen des Klägers wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird (vgl. BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 43).

Hinsichtlich der Nr. 1.17 des Bescheids vom 15. Juni 2012, die, soweit sie angegriffen ist, lediglich die Errichtung eines einzigen Pavillons zulässt, folgt dies zunächst daraus, dass der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr ausgegangen ist, weil die Beklagte weiterhin einen zweiten Pavillon nicht als vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt ansehe. Dies gilt in gleicher Weise für die Beschränkungen in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012. Insoweit hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass eingebrachte Gegenstände wie Betten nicht mehr mit der Meinungskundgabe in Zusammenhang stünden und daher auch nicht geschützt seien. Zur Beschränkung in Nr. 1.19 hat sich der Vertreter der Beklagten zwar nicht mehr ausdrücklich geäußert. Es wurde aber in der mündlichen Verhandlung hinreichend deutlich, dass die Beklagte jegliche Infrastruktur, die den Versammlungsteilnehmern ermöglicht, sich vom eigentlichen Versammlungsgeschehen abzusondern, weil z. B. in geschlossenen Pavillons übernachtet wird, als nicht mehr vom Schutzbereich des Versammlungsrechts umfasst ansieht.

II. Die Klage ist im noch streitgegenständlichen Umfang auch begründet. Die Beschränkungen in Nr. 1.17, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 waren im Zeitpunkt ihrer Erledigung rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Es ist deshalb antragsgemäß auszusprechen, dass sie rechtswidrig gewesen sind (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Beschränkungen kommt Art. 15 Abs. 1 BayVersG in Betracht, weil es sich bei der vom Kläger angezeigten „Dauerversammlung in der Form des Hungerstreiks“ vom 16. Juni 2012 bis 16. August 2012 um eine öffentliche Versammlung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 und 2 BayVersG gehandelt hat (1.). Die Beklagte war für den Erlass der beschränkenden Verfügungen im Bescheid vom 15. Juni 2012 zuständig (2.). Die verfügten, noch streitgegenständlichen Beschränkungen stellen sich jedoch als unverhältnismäßig bzw. ermessensfehlerhaft dar (3.).

1. Versammlungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 41; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 15). Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, so ist entscheidend, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG, B. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - juris Rn. 29; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 16). Weitgehend übereinstimmend mit diesen Grundsätzen definiert Art. 2 Abs. 1 BayVersG Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes als Zusammenkünfte von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.

Legt man dies zugrunde, so stellte sich die vom Kläger angezeigte Veranstaltung nach ihrem Gesamtgepräge aber als Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG dar. Denn sie war überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet. Bei der Frage, welches Gesamtgepräge einer Veranstaltung zukommt, ist zwar zu berücksichtigen, dass die Beteiligten berechtigt sind, selbst darüber zu bestimmen, was sie zum Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung machen und welcher Formen der kommunikativen Einwirkung sie sich bedienen wollen. Die rechtliche Einordnung dieses Verhaltens als Versammlung steht aber den dazu berufenen Gerichten zu (BVerfG, B. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 30/01 - juris Rn. 30).

Zweck der Veranstaltung, die als länger andauernde Versammlung in Form eines Hungerstreiks zum Thema Asylpolitik angezeigt worden war, war es, die Öffentlichkeit auf die Situation von Asylbewerbern in Deutschland aufmerksam zu machen und dadurch auf eine Verbesserung dieser Situation hinzuwirken. Dabei ging es zum einen darum, die Asylverfahren der Teilnehmer am Hungerstreik zu beschleunigen und deren Anerkennung als Asylberechtigte zu erreichen. Zum anderen wurde eine Verbesserung der Situation aller Asylbewerber angestrebt. Insbesondere wurde von der Politik die Abschaffung der Unterbringung von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften, der Residenzpflicht und der Zuteilung von Essenspaketen, eine drastische Verkürzung der Dauer der Antragsbearbeitung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Einführung eines Anspruchs aller Asylbewerber auf Teilnahme an professionellen Deutschkursen und die Möglichkeit gefordert, den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu sichern.

War damit die vom Kläger angezeigte Veranstaltung aber auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet, so steht ihrer Einordnung als Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG nicht entgegen, dass in ihrem Rahmen auch Pavillons errichtet worden sind und beibehalten werden sollten, die den Teilnehmern ermöglichten, sich auszuruhen, zu schlafen, Zuflucht vor ungünstigen Witterungsbedingungen zu suchen oder sonst den Aufenthalt am Veranstaltungsort zu erleichtern. Dies betraf nicht nur die hungerstreikenden Versammlungsteilnehmer. Denn ungeachtet dessen stand im Vordergrund der Veranstaltung die beabsichtigte Einflussnahme auf die öffentliche Meinung. Dies gilt nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs unabhängig davon, ob - wie der Kläger nunmehr geltend macht - insbesondere durch das Aufstellen der Pavillons auf die prekäre Situation der Asylbewerber in der Gemeinschaftsunterkunft und den dortigen Mangel jeglicher Privatsphäre aufmerksam gemacht werden sollte. Denn auch die Anwesenheit der Teilnehmer am Versammlungsort rund um die Uhr über mehrere Tage hinweg, die ohne die Möglichkeit, sich zum Schutz vor ungünstigen Witterungsbedingungen und zum Ausruhen und Schlafen in die als Kundgebungsmittel vorgesehenen Pavillons begeben zu können, schon rein faktisch nicht gewährleistet gewesen wäre, war geeignet, dem auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Anliegen der Veranstaltung besonderen Nachdruck zu verleihen.

Schließlich steht der Einordnung der vom Kläger angezeigten Veranstaltung in Form eines Hungerstreiks als (Dauer-)Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG auch nicht entgegen, dass mit ihr auch die Anerkennung der Veranstaltungsteilnehmer als Asylberechtigte herbeigeführt werden sollte. Zwar schützt die Versammlungsfreiheit nur die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstige selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 44). Jedoch ging es hier nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs nicht in erster Linie darum, die eigenen Forderungen in selbsthilfeähnlicher Weise durchzusetzen. Vielmehr stand im Vordergrund das Bestreben, durch den Hungerstreik und durch die Anwesenheit der Veranstaltungsteilnehmer am Veranstaltungsort rund um die Uhr die Bedeutung dieser Forderungen zu unterstreichen und so Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Es überwog damit aber gerade der von der Versammlungsfreiheit geschützte Zweck der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung.

2. Die Beklagte war für den Erlass der streitgegenständlichen Beschränkungen zuständig. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde Versammlungen beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist oder ein Fall des Art. 12 Abs. 1 BayVersG vorliegt. Zuständige Behörde ist nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die Kreisverwaltungsbehörde, ab Beginn der Versammlung die Polizei. Vorliegend verfügte die Beklagte als Kreisverwaltungsbehörde die Beschränkungen vor Beginn der Versammlung am 16. Juni 2012 mit Bescheid vom 15. Juni 2012; sie war damit zuständige Behörde i. S. d. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG.

Auch wenn seit dem 9. März 2012 im Stadtgebiet der Beklagten schon mehrere Versammlungen zum Thema „Asylrecht“ teilweise verbunden mit einem Hungerstreik stattgefunden hatten, so handelte es sich bei der am 13. Juni 2012 vom Kläger angezeigten Versammlung um eine am 16. Juni 2012 beginnende neue Versammlung. Denn mit seiner nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayVersG erforderlichen Anzeige gab der Veranstalter der Versammlungsbehörde zu erkennen, dass ab dem 16. Juni 2012 eine neue, eigenständige Versammlung beginnen wird. Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BayVersG sind in der Anzeige nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayVersG der Ort der Versammlung, der Zeitpunkt des beabsichtigten Beginns und Endes der Versammlung, das Versammlungsthema und der Veranstalter und der Leiter anzugeben. Die Anmeldung soll die Behörde in die Lage versetzen, organisatorische Vorkehrungen treffen zu können. Nur wenn die Behörde zuvor über Zeitpunkt, Ort und Art der Versammlung unterrichtet wird, ist sie auch in der Lage, den Schutz und die Durchführung der Versammlung zu gewährleiten (Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, 2015, Rn. 222; Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 2011, Art. 13 Rn. 20). Da der Veranstalter das Ende der vorangehenden Versammlung auf dem Dominikanerplatz für den 15. Juni 2012 angezeigt hatte, begann am 16. Juni 2012 mit der beabsichtigten Verlegung des Versammlungsgeschehens an den Vierröhrenbrunnen eine neue Versammlung, weil sich wesentliche Kriterien, nämlich der Versammlungsort und der Zeitraum der Versammlung, geändert hatten und offensichtlich auch der Veranstalter davon ausging, dass eine erneute Abstimmung mit der Versammlungsbehörde über den weiteren Verlauf im Versammlungsgeschehen erforderlich war. Die einzelnen Versammlungen, die aufeinanderfolgend zum Thema „Asylpolitik“ an verschiedenen Orten im Stadtgebiet der Beklagten stattgefunden haben, sind tatsächlich und rechtlich auch nicht deshalb eine Versammlung i. S. d. Art. 13 BayVersG, weil sich die jeweiligen Versammlungszeiträume unmittelbar aneinander angeschlossen hatten. Die jeweiligen Versammlungen unterschieden sich nämlich durch den Versammlungsort, die Zahl der Teilnehmer und auch dadurch, dass zeitweise den politischen Forderungen durch einen Hungerstreik Nachdruck verliehen werden sollte. Die Veranstalter hatten ursprünglich auch nicht geplant, ihren Protest über einen so langen Zeitraum auszudehnen. Sie reihten dann letztlich eine Versammlung an die andere, weil ihr Forderungskatalog von den politisch Verantwortlichen (noch) nicht oder nicht umfassend erfüllt wurde.

3. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die in Art. 15 Abs. 1 BayVersG genannten beschränkenden Verfügungen sind keine Nebenbestimmungen zu einem begünstigenden Verwaltungsakt. An diesem fehlt es im Versammlungsrecht angesichts der Erlaubnisfreiheit von Versammlungen (BVerfG, B. v. 21.3.2007 - 1 BvR 232/04) - juris 22). Sie enthalten vielmehr einen eigenständigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit, müssen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen stehen und darauf abzielen, auch noch solche Versammlungen und Aufzüge zu ermöglichen, die aus Rechtsgründen nicht mehr zugelassen werden könnten, wenn sie nach den ursprünglichen Vorstellungen des Veranstalters durchgeführt würden (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 6. Aufl. 2011, § 15 Rn. 45). Der Begriff der öffentlichen Sicherheit knüpft an die polizeiliche Generalklausel an. Er umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung (BVerfG, U. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn. 77), der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie des Bestandes der Einrichtungen und der Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Zur Rechtsordnung gehören Strafgesetze und verwaltungsrechtliche Gebots- und Verbotsnormen. Die Beschränkungen müssen der Abwehr einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen. Eine solche Gefährdung kann sich auch aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergeben. Unzulässig sind Beschränkungen, die dem Normzweck widersprechen. Die Beschränkungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG müssen zudem erforderlich und geeignet sein, die Gefahren zu verhindern, denen sie begegnen sollen und sich auf das zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter unbedingt notwendige Maß unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beschränken (HessVGH, U. v. 26.4.2006 - 5 UE 1567/05 - juris Rn. 32).

Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von der Beklagten verfügten Beschränkungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 aber unverhältnismäßig und damit auch ermessensfehlerhaft. Die Beklagte hat die Bedeutung, die dem Aufstellen des zweiten Pavillons und dem Witterungsschutz durch Planen für die Durchführung der Versammlung zukam, bei ihrer Entscheidung verkannt bzw. nicht hinreichend berücksichtigt (3.1). Zu Nr. 1.15 enthält der Bescheid keinerlei Ausführungen, die erkennen ließen, inwiefern durch das Verbot des Aufstellens von Betten die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet worden wäre (3.2).

3.1 Das Aufstellen eines Pavillons auf einem öffentlichen Platz im Gemeindegebiet der Beklagten verstößt zwar gegen deren Sicherheitssatzung (3.1.1). Der Kläger kann sich als Ausländer zumindest auf die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit nach Art. 1 Abs. 1 BayVersG berufen (3.1.2). Auch der zweite Pavillon war zur Durchführung der Versammlung in der angezeigten Form notwendig (3.1.3). Insoweit ist ein am Durchschnittsbetrachter orientierter objektiver Maßstab anzulegen (3.1.4). Die von der Beklagten zur Begründung des Verbots des Aufstellens eines zweiten Pavillons angeführten Erwägungen stellen sich daher als unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft dar (3.1.5). Dasselbe gilt für die Beschränkung in Nr. 1.19, wonach der Pavillon an allen Seiten offen zu halten war (3.1.6).

3.1.1 Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung der Beklagten über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt Würzburg vom 6. April 2006 (Sicherheitssatzung) ist es zur Vermeidung von Beeinträchtigungen Dritter und zum ordnungsgemäßen Erhalt der Straßen, Wege und Plätze und der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen untersagt, zu nächtigen und zu zelten. Diese Sicherheitssatzung ist Bestandteil der Rechtsordnung, so dass ein Verstoß gegen die in der Sicherheitssatzung geregelten Verbote und Gebote grundsätzlich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen kann. Das Aufstellen eines teilweise geschlossenen Pavillons, um dort die Nacht zu verbringen, erfüllt zumindest den Tatbestand des Zeltens, weil auch der Pavillon eine einem Zelt vergleichbare Grundfläche einnimmt, und somit dem Zweck der Satzung, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Straßen und Plätze zu erhalten und Dritte nicht zu beeinträchtigen, entgegensteht.

3.1.2 Allerdings tritt vorliegend der von der Beklagten durch das Aufstellen des Pavillons angenommene Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Sicherheitssatzung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinter die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit und die grundgesetzlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit zurück. Der Kläger kann sich zwar als iranischer Staatsangehöriger nicht unmittelbar auf Art. 8 Abs. 1 GG, der allen Deutschen das Recht verleiht, sich ohne Anmeldung friedlich und ohne Waffen zu versammeln, berufen. Ausländern steht allein das Auffanggrundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG und das einfachgesetzliche Recht aus Art. 1 Abs. 1 BayVersG bzw. Art. 11 Abs. 1 EMRK zu (s.o. I. 2.). Denn Art. 1 Abs. 1 BayVersG geht von einem Jedermann-Recht aus. Zudem gewährleistet Art. 113 BV allen Bewohnern Bayerns das Recht, sich ohne besondere Erlaubnis und friedlich und unbewaffnet zu versammeln, so dass dem Schutz der Versammlungsfreiheit für Bewohner Bayerns, auch wenn sie Ausländer sind, Verfassungsrang zukommt und die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit eine verfassungsrechtliche Schutzbereichsverstärkung erfährt.

3.1.3 Liegt wie hier nach dem Gesamtgepräge eine Versammlung vor (s.o. II. 1.), so fallen grundsätzlich sämtliche Bestandteile oder Elemente dieser Versammlung in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit. Dies bedeutet, dass diese Versammlungsbestandteile, auch wenn sie nach anderen Rechtsvorschriften erlaubnispflichtig wären, keiner Erlaubnis nach diesen Rechtsvorschriften bedürfen und insoweit privilegiert werden (zum Verhältnis einer versammlungsrechtlichen Beschränkung zu einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis vgl. VGH BW, B. v. 16.12.1993 - 1 S 1957/93 - juris Rn. 7; BVerwG, U. v. 21.4.1989 - 7 C 50/88 - juris Rn. 15; OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.11.2003 - 4 B 365/03 - juris Rn. 18). Außerversammlungsgesetzliche Erlaubnisvorbehalte, die unmittelbar versammlungsbezogene Betätigungen und Verhaltensweisen betreffen, sind suspendiert. Dies ergibt sich aus der aus Art. 1 Abs. 1 BayVersG, Art. 113 BV folgenden prinzipiellen Erlaubnisfreiheit für das Gesamtgeschehen der jeweils aktuellen Versammlung oder Demonstration (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, a. a. O., § 15 Rn. 7).

Nach der Rechtsprechung des BVerfG fallen in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit und der dadurch bewirkten Erlaubnisfreiheit des Versammlungsgeschehens nur Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinsame Kommunikation geprägt sind und auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen (BVerfG, U. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 40, B. v. 20. 12. 2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 16, U. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 - juris Rn. 63). In diesem Rahmen gewährleistet die Versammlungsfreiheit auch das Recht, selbst zu bestimmen, wann, wo und unter welchen Modalitäten eine Versammlung stattfinden soll, und damit ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (BVerfG, B. v. 20.12.2012 a. a. O. Rn. 16; U. v. 22.2.2011 a. a. O. Rn. 64; B. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn. 61). Das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters ist aber beschränkt, soweit durch die geplante Veranstaltung Rechtsgüter beeinträchtigt zu werden drohen. Hinsichtlich der Modalitäten der Durchführung einer Versammlung ergeben sich die Grenzen der Versammlungsfreiheit aus Art. 15 BayVersG. Gefährdet die Durchführung der Versammlung andere Rechtsgüter, so ist es Aufgabe der Behörde, die wechselseitigen Interessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Ausgleich zu bringen. Die Bewertung der gegenläufigen Interessen und ihre Abwägung mit dem Versammlungsinteresse liegt bei der Behörde (BVerfG, B. v. 5.9.2003 - 1 BvQ 32/03 - juris Rn. 22; B. v. 26.1.2001 - 1 BvQ 8/01 - juris Rn. 15).

Bezogen auf Gegenstände oder Hilfsmittel, die in eine Versammlung eingebracht werden sollen, besteht in Literatur und Rechtsprechung jedenfalls weitgehend Einigkeit darüber, dass sie an der durch die Versammlungsfreiheit bewirkten Privilegierung in Bezug auf die Erlaubnisfreiheit teilnehmen, wenn sie funktionale Bedeutung für die Durchführung der Veranstaltung haben (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, a. a. O., § 1 Rn. 60) oder sie zur Verwirklichung des Versammlungszweck wesensnotwendig sind (Schneider in BeckOK, GG, Stand 1.6.2015, Art. 8 Rn. 179). Art. 8 GG schützt auch „infrastrukturelle“ Ergänzungen der Veranstaltung in Form von Informationsständen, Sitzgelegenheiten, Imbissständen oder auch Zelten, sofern sie funktional versammlungsspezifisch eingesetzt werden (Schulze-Fielitz in Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl. 2013, Art. 8 Rn. 34). Nicht in den Schutzbereich von Art. 8 GG fallen infrastrukturelle Begleitaktivitäten, wenn sie über die eigene Versammlungsaktivität hinausgehen, ohne für diese notwendig zu sein (Depenheuer in Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Stand 2014, Art. 8 Rn. 72). Die Rechtsprechung ordnet die Begleiterscheinungen einer Versammlung nur dann dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit zu, wenn die jeweils in Rede stehenden Gegenstände und Hilfsmittel zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional oder symbolisch für die kollektive Meinungskundgabe wesensnotwendig sind (OVG Berlin-Bbg, B. v. 16.8.2012 - OVG 1 S 108.12 - juris 8), wenn es sich dabei um notwendige Bestandteile der Versammlung handelt, ohne die eine gemeinsame Meinungsbildung und Meinungsäußerung nicht möglich ist (VG Frankfurt, B. v. 6.8.2012 - 5 L 2558/12.F - juris Rn. 43), wenn sie inhaltlich in hinreichendem Zusammenhang mit der Durchführung der Versammlung stehen und einen spezifischen Bezug zum Versammlungsthema aufweisen (BVerfG, B. v. 26.6.2014 - 1 BvR 2135/09 - NVwZ 2014, 1453), ihnen eine funktionale oder symbolische Bedeutung für das Versammlungsthema zukommt und sie einen erkennbaren inhaltlichen Bezug zur Meinungskundgabe aufweisen (BayVGH, B. v. 12.4.2012 - 10 CS 12.767 - juris Rn. 10; B. v.20.4.2012 - 10 CS 12.845 - juris Rn. 845) oder wenn nur unter ihrer Verwendung die Versammlung zweckentsprechend durchgeführt werden kann (BayVGH, B. v. 1.7.1995 - 21 CS 95.2131 - BeckRS 1995, 15373).

3.1.4 Ob bestimmte Gegenstände, die von den Veranstaltern der Versammlung zur Durchführung der Versammlung als notwendig erachtet werden und damit funktional-spezifisch versammlungsbezogen sind und einen Bezug zur gewählten Form der Versammlung haben, ist von der Behörde nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Grundlage für diese Beurteilung ist das Vorbringen der Veranstalter. Sie legen gegenüber der Versammlungsbehörde dar, welche Gegenstände sie zur Durchführung der Versammlung in der geplanten Form benötigen. Für die Zugrundelegung eines am Durchschnittsbetrachter orientierten Maßstabs spricht folgendes: Auch bei der Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Versammlung vorliegt, richtet sich die rechtliche Beurteilung danach, ob sich die Veranstaltung aus der Sicht des durchschnittlichen Betrachters als Versammlung darstellt, und ob der Veranstalter sein Konzept schlüssig dargelegt hat (BVerwG, U. v. 22.8.2007 - 6 C 22.06 - juris Rn. 14, 17). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 45) spricht ebenfalls davon, dass es bei der Beurteilung, ob es sich bei einer Blockadeaktion noch um eine Kundgebung handelt, die unter den Schutz des Art. 8 GG fällt, oder um eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen, darauf ankommt, dass der Veranstalter der Versammlung substantiiert darlegt, dass die Aktion auch einen an die Öffentlichkeit gerichteten Kommunikationszweck verfolgt habe. Wenn somit schon bei der Einordnung eines Geschehens als Versammlung eine Überprüfung des vom Veranstalter vorgelegten Konzepts anhand objektiver Kriterien erfolgt, ist es nur konsequent, dass die Versammlungsbehörde auch überprüft, ob bestimmte Gegenstände, die in die Versammlung eingebracht werden sollen, für die Durchführung der Versammlung in der gewählten Form funktional oder symbolisch eingesetzt werden. Denn schließlich wird das durch Art. 1 Abs. 1 BayVersG geschützte Versammlungsgeschehen insoweit privilegiert, als sämtliche mit dem Versammlungsgeschehen in Zusammenhang stehenden „Bestandteile“ keiner etwaigen nach spezialgesetzlichen Regelungen erforderlichen Erlaubnis bedürfen. Ein Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Ort, Zeitpunkt sowie Art und Inhalt bzw. die Form der Versammlung liegt darin nicht, weil die Behörde insoweit lediglich prüft, ob die vom Veranstalter angezeigten Hilfsmittel (hier: Pavillons und Betten) die für die Durchführung der geplanten Form der Versammlung (Dauerversammlung) erforderliche funktionale oder symbolische Bedeutung haben, dem Veranstalter aber nicht die Form seiner Versammlung vorgibt.

3.1.5 Die von der Beklagten verfügte Beschränkung, dass nur ein Pavillon aufgestellt werden darf, erweist sich danach bereits deshalb als rechtswidrig, weil die Beklagte bei der Bewertung ihres Interesses an der Einhaltung der Bestimmungen der Sicherheitssatzung und der gegenläufigen Interessen der Versammlungsteilnehmer zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der zweite Pavillon nicht in funktionalem Zusammenhang mit dem Versammlungszweck steht. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 12. April 2012 (10 CS 12.767 - juris) ausgeführt hat, hatte das Aufstellen eines oder mehrerer Pavillons für die vom Kläger angemeldete Dauerversammlung mit Unterschriftenlisten, Dokumenten und Diskussionsrunden diese funktionale Bedeutung für das Versammlungsthema. Die Versammlungsteilnehmer verblieben über einen längeren Zeitraum, auch nachts, am Versammlungsort, so dass es ihnen auch möglich sein musste, sich auszuruhen oder zu schlafen, um eine effektive Kundgabe ihres Anliegens zu gewährleisten. Dies schloss auch das Schlafen in den errichteten Pavillons nicht aus. An dieser Einschätzung hat sich auch für die hier streitgegenständliche Versammlung nichts geändert. Laut Versammlungsanzeige vom 13. Juni 2012 bestand die Kerngruppe aus dreizehn Protestierenden. Zwanzig Personen hatten sich bereit erklärt, am Hungerstreik teilzunehmen. Die Kundgabeform als Dauerversammlung mit Plakaten, Unterschriftslisten, Diskussionen hatte sich seit Beginn der Aktion im März 2012 im hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht wesentlich verändert. Es liegt auf der Hand, dass für die zur Meinungskundgabe genutzten Kommunikationsmittel und für den zum witterungsgeschützten Ausruhen erforderlichen Platz bei der angezeigten Teilnehmerzahl ein Pavillon mit einer Grundfläche von 9 m² nicht ausreichend ist. Auch wenn die Versammlungsteilnehmer einen Pavillon überwiegend zum Schlafen und Ausruhen und den anderen zur Unterbringung von Tischen und Stühlen für die Diskussion und Information genutzt haben, verlor der erstgenannte Pavillon dadurch nicht den Bezug zum Versammlungszweck. Auch er blieb Teil des Versammlungsgeschehens und war für die kollektive Meinungskundgabe allein aufgrund der angezeigten Teilnehmerzahl und der gewählten Versammlungsform funktional notwendig, weil sonst die Versammlungsteilnehmer ihren Protest und ihre Meinungskundgabe nicht hätten dauerhaft „auf der Straße“ durchführen können. Es kann bei zwei aneinandergebauten Pavillons keinen entscheidungserheblichen Unterschied in ihrer Bedeutung für das Versammlungsgeschehen machen, wenn in einem Pavillon tatsächlich nur geschlafen und im anderen nur diskutiert wird oder beide sowohl zum Ausruhen als auch zum öffentlichen Diskutieren genutzt werden. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob für die von den Versammlungsteilnehmern gewählte Kundgabeform und die Zahl der Versammlungsteilnehmer die von den Pavillons überdachte Fläche zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional oder symbolisch eingesetzt worden ist. Nicht maßgeblich ist entgegen der Auffassung der Beklagten daher, dass der zweite Pavillon nach ihren Beobachtungen ausschließlich zum Ausruhen und Schlafen sowie zur Lagerung von Gegenständen benutzt worden war, während sich die Diskussionen und Informationen auf den ersten Pavillon beschränkten.

Da die Beklagte somit das Interesse der Versammlungsteilnehmer an der Aufstellung eines zweiten Pavillons als nicht in Zusammenhang mit der kollektiven Meinungskundgabe stehend bewertet hat, hat sie das Interesse der Versammlungsteilnehmer nur mit einer unzureichenden Gewichtung in ihre Abwägungsentscheidung eingestellt.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, sie habe erkannt, dass auch der zweite Pavillon eine funktionale Bedeutung für die angezeigte Versammlung habe, so erweist sich die verfügte Beschränkung als unverhältnismäßig, weil die von der Beklagten angestellten Erwägungen, wonach ein Verstoß gegen die Sicherheitssatzung vorliege, der Zugang zu den anliegenden Gewerbebetrieben behindert würde und den Versammlungsteilnehme bereits auseichend Zeit zur Kundgabe ihrer Anliegen zur Verfügung gestellt worden sei, das Interesse der Versammlungsteilnehmer, einen zweiten Pavillon aufzustellen, um die Versammlung ihren Vorstellungen entsprechend durchführen zu können, nicht hinreichend gewichtet hat. Sie hat insbesondere keine Erwägungen dahingehend angestellt, ob nicht durch eine örtliche Verschiebung der Pavillons am Versammlungsort oder einen Wechsel des Versammlungsorts eventuelle Beeinträchtigungen für Dritte hätten reduziert werden können. Auch die von der Beklagten angeführte Überlegung, dass die Versammlungsteilnehmer bereits genügend Zeit gehabt hätten, ihr Anliegen darzustellen, führte nicht ohne weiteres dazu, dass ihr Recht, sich zu versammeln und entsprechend dem Versammlungszweck zwei Pavillons aufzustellen, schon hinter das Zelt- und Nächtigungsverbot der Sicherheitssatzung hätte zurücktreten müssen, wenn nicht gerade in der Dauer des Verstoßes gegen die Sicherheitssatzung eine zusätzliche erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit gelegen hätte.

3.1.6 Auch die Beschränkung in Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012, den Pavillon auf allen Seiten offen zu halten, ist ermessensfehlerhaft. In den Gründen des Bescheids finden sich auch keine weiteren Ausführungen zu dieser Beschränkung. Die Beklagte ging wohl davon aus, dass ein geschlossener Pavillon nicht spezifisch versammlungsbezogen sei, weil durch das Verhängen der Eingänge des Pavillons eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung ausgeschlossen gewesen sei. Dabei verkannte die Beklagte, dass bei Dauerversammlungen zum Schutz der Kundgebungsmittel und der Versammlungsteilnehmer vor Nässe und Wind auch das (teilweise) Verhängen der Pavillons mit Planen zur weiteren Durchführung der Versammlung notwendig war, weil ansonsten bei entsprechenden Witterungsbedingungen die Versammlung hätte abgebrochen werden müssen. Dies hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 2. Juli 2012 (10 CS 12.1419 - juris Rn. 32) klargestellt. Daran hält er auch nach wie vor fest.

3.2 Die Beschränkung in Nr. 1.15 des Bescheids vom 15. Juni 2012, wonach keine Betten aufgestellt werden dürfen, war ebenfalls rechtswidrig. Auch diese Regelung war ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Die Beklagte hat zum Nächtigungsverbot in Nr. 1.16 des Bescheids vom 15. Juni 2012 und zum Verbot des Aufstellens von Betten in den Gründen ausgeführt, dass das Nächtigen gegen § 4 Abs. 2 Nr. 1 der Sicherheitssatzung verstoße. Das Übernachten hätte nicht die Meinungskundgabe zum Ziel gehabt. Das Aufstellen von Betten sei zu untersagen gewesen, weil diese ausschließlich dem Zweck des dauerhaften Nächtigens gedient hätten. Dem Verbot, Betten aufzustellen, kommt aber nach Auffassung des Senats unabhängig vom Verbot des Nächtigens, das der Kläger hat bestandskräftig werden lassen, bezogen auf den Versammlungszweck, nämlich über einen längeren Zeitraum unterbrochen am Versammlungsort präsent zu sein, um den Forderungen der Versammlungsteilnehmer Nachdruck zu verleihen, eine über das Nächtigungsverbot hinausgehende Bedeutung zu. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 12. April 2012 (10 CS 12.767 - juris Rn. 12) erläutert, dass die dauernde Anwesenheit am Versammlungsort zwangsläufig ein Bedürfnis nach Ruhepausen nach sich zieht. Wenn sich die Versammlungsteilnehmer also am Versammlungsort z. B. nur ausruhen (auch tagsüber), steht das Aufstellen eines Bettes zu diesem Zweck in funktionalem Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen. Es kann offen bleiben, ob das Aufstellen eines Bettes per se bereits gegen die Sicherheitssatzung der Beklagten verstoßen hat oder straßenrechtlich erlaubnispflichtig gewesen wäre. Denn die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung über die Beschränkung das Aufstellen von Betten lediglich unter dem Aspekt des Nächtigens gewürdigt und nicht berücksichtigt, dass Betten auch dem Ausruhen dienen und daher einen hinreichend funktionalen Bezug zum konkreten Versammlungsgeschehen aufweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 139 VwGO kann die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) eingelegt werden. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig (Postfachanschrift: Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig), einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

[73] Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.