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Die Klägerin verlangt mit ihrer vor dem Amtsgericht Stuttgart erhobenen Klage von der Beklagten, ihrer Tochter, die Räumung einer Wohnung, die der Beklagten seit 1994 überlassen war. Die Beklagte hatte für die Wohnungsnutzung zunächst nichts zu zahlen. Auch die Betriebskosten wurden von der Klägerin getragen. Im Jahr 2000 wurde zwischen den Parteien dann eine Übernahme der Betriebskosten durch die Beklagte vereinbart. Entsprechend entrichtete die Beklagte die Betriebskosten bis August 2004. Seit September 2004 erfolgten keine Zahlungen mehr.
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Das Amtsgericht Stuttgart hat sich nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 27.02.2008 (Bl. 32) für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Stuttgart verwiesen. Aus Sicht des Amtsgerichts liegt keine entgeltliche Nutzungsüberlassung vor. Der Streitwert liege über EUR 5.000,00.
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Das Landgericht Stuttgart hat sich mit Beschluss vom 29.02.2008 (Bl. 47) für sachlich unzuständig erklärt und die Akten dem Oberlandesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 ZPO vorgelegt. Es sei wegen der Vereinbarung der Übernahme von Nebenkosten durch die Beklagte von einer entgeltlichen Gebrauchsüberlassung auszugehen. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts binde nicht.
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1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Das Amtsgericht Stuttgart hat sich durch Verweisungsbeschluss nach § 281 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt. Gleiches geschah durch den die Übernahme förmlich ablehnenden Beschluss des Landgerichts Stuttgart. Auch die die Zuständigkeit verneinende Entscheidung des Landgerichts genügt den Anforderungen an eine rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (BGH NJW 1988, 1794).
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2. Sachlich und örtlich zuständig ist das Landgericht Stuttgart.
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Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart ergibt sich aus dem bindenden Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 27.02.2008 (Bl. 32), § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Die Bindungswirkung dieses Beschlusses wirkt im Bestimmungsverfahren fort (Zöller/Vollkommer ZPO § 36 Rn 28 m. w. N.).
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Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfällt auch nicht deshalb, weil der Verweisung jegliche rechtliche Grundlage fehlen und der Beschluss deshalb objektiv willkürlich erscheinen würde (vgl. BGH NJW 1993, 1273).
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a) Aus Sicht des Senats gibt es durchaus Gründe für die Annahme einer unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung, also eines Leiheverhältnisses (vgl. BGH NJW 1982, 820).
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aa) Zu Recht stellt das Landgericht zwar fest, dass ein Mietvertrag bereits dann vorliegt, wenn der Gebrauch an der Mietsache gegen Zahlung lediglich der Nebenkosten gewährt wird (BGH LM Nr. 45 zu § 535 BGB).
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Wie der Hinweis vom 21.02.2008 (Bl. 15) erkennen lässt, hat das Amtsgericht dies auch erkannt. Die Annahme einer Unentgeltlichkeit stützt das Amtsgericht indes darauf, dass die Übernahme der Betriebskosten nur vorübergehend erfolgt sei. Das Amtsgericht bringt zum Ausdruck, dass es im vorliegenden Fall trotz der Übernahme der Betriebskosten aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht von einer entgeltlichen Besitzgewährung ausgeht - auch wenn die Begründung etwas missverständlich formuliert ist und die Besonderheiten des Falles lediglich knapp zusammenfasst.
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bb) Maßgeblich für die Abgrenzung zur Miete ist die Frage, ob die Zahlung der Beklagten nach dem Willen der Parteien als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung gedacht war (Staudinger/Emmerich vor § 535 BGB Rn 34; Erman/Jendrek vor § 535 BGB Rn 15; Hannemann/Wiegner Wohnraummietrecht § 6 Rn 12). Zu prüfen ist, ob die Klägerin den Gebrauch tatsächlich als Vermieterin gewähren und erhalten oder nur als Verleiherin gestatten wollte (MüKo/Schilling vor § 535 BGB Rn 15; Jauernig § 598 BGB Rn 3 und vor § 535 BGB Rn 3).
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(1) So wurde in der Rechtsprechung Leihe und nicht Miete angenommen, wenn der das Grundstück Nutzende lediglich die Kosten des Grundstücks zu tragen hat, die durch die Benutzung entstehen, also ohne grundstücksbezogene Aufwendungen wie Grundsteuer oder Gebäudeversicherung (OLG Dresden ZMR 2003, 250). Vorliegend sollten allerdings ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Abrechnung (K 7, Bl. 43) auch Aufwendungen für die Versicherung des Gebäudes, also Kosten, die unabhängig von der tatsächlichen Nutzung entstehen, von der Beklagten getragen werden.
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(2) Dennoch liegt es aufgrund der Besonderheiten dieses Falls nicht fern, dass die Übernahme der Betriebskosten kein echtes Entgelt für eine Nutzungsüberlassung sein sollten.
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Gegen die Annahme einer Entgeltlichkeit spricht, dass die Nutzung für die Zeit von 1994 bis 2000 ohne jede Zahlung der Beklagten erfolgte. Für diesen Zeitraum ist eindeutig vom Vorliegen einer Leihe auszugehen. Ob die Klägerin im Zuge der Übernahme von Betriebskosten durch die Beklagte dieser tatsächlich einen mietvertraglichen Anspruch auf Überlassung und auch Gewährleistung des Gebrauchs einräumen wollte, erscheint fraglich. Es ist gut vorstellbar, dass die Klägerin lediglich die weitere Nutzung von den Betriebskostenzahlungen der Beklagten abhängig machen wollte, ohne sich selbst mietvertraglich binden zu wollen. Auch das Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Parteien könnte dafür sprechen, dass die Vereinbarung eines Mietverhältnisses mit der Folge der Geltung zahlreicher besonderer, z. T. sogar zwingender gesetzlicher Regelungen von den Parteien nicht beabsichtigt war.
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b) Ob zwischen den Parteien ein Miet- oder Leiheverhältnis bestand, muss der Senat letztlich nicht abschließend entscheiden. Die Auslegung des Amtsgerichts ist zumindest nicht ganz unvertretbar. Alleine eine unrichtige Rechtsanwendung würde die Bindungswirkung des amtsgerichtlichen Verweisungsbeschlusses nicht ausschließen (BGH NJW-RR 1994, 126). Eine die Annahme von Willkür rechtfertigende evident falsche Erfassung des Sachverhalts (KG MDR 1999, 56) liegt nicht vor. Das Amtsgericht hat seine Entscheidung auch begründet, wobei die Begründung unabhängig von der Frage, ob ihr zu folgen ist, doch immerhin nachvollziehbar (vgl. OLG Köln OLGR 2004, 257) erscheint. Eine zu Willkür führende Häufung grober Rechtsirrtümer (BGH NJW-RR 1992, 383) liegt nicht vor.
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c) Der Senat braucht auch nicht zu entscheiden, ob die Voraussetzungen einer Verweisung durch das Amtsgericht deshalb nicht vorlagen, weil die Beklagte die Unzuständigkeit nicht nach § 282 Abs. 3 ZPO geltend gemacht hat, sie vielmehr sogar einer Verweisung entgegengetreten war und somit erwartet werden konnte, dass in der mündlichen Verhandlung die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 39 ZPO begründet werden würde (wobei umstritten ist, ob § 282 Abs. 3 ZPO die Zuständigkeitsrüge im Termin ausschließt, vgl. zum Streit BGH NJW-RR 1997, 315). Zum Zeitpunkt des Verweisungsbeschlusses war die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 39 ZPO jedenfalls noch nicht entstanden. Es ist auch keine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 ZPO zustande gekommen. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in einem vergleichbaren Fall eine Pflicht des verweisenden Gerichts angenommen, dem die Verweisung Beantragenden Gelegenheit zur Stellungnahme auf die rügelose Einlassung und zur Rücknahme seines Verweisungsantrags einzuräumen (Beschluss vom 06.08.2002, 1Z AR 91/02). Dies ist vorliegend erfolgt. Willkürlich erscheint das Vorgehen des Amtsgerichts jedenfalls auch aus dem Gesichtspunkt der rügelosen Einlassung der Beklagten nicht.
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