|
|
| 1. Der Kläger, von Beruf Zahnarzt, macht gegen das beklagte Land einen Anspruch wegen von ihm behaupteter Amtspflichtverletzung geltend, weil das für ihn zuständige Finanzamt rechtswidrig und schuldhaft mit Antrag vom 16.9.2005 ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eingeleitet habe. |
|
| Die Kosten des vom Insolvenzgericht beauftragten vorläufigen Insolvenzverwalters sind Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, nachdem das Finanzamt das Insolvenzverfahren am 24.4.2006 (Bl. 103 der beigezogenen Insolvenzgerichtsakte 3 IN 915/05 des Amtsgerichts Stuttgart) nach Befriedigung einer schlussendlich noch aus damaliger Sicht des Finanzamts verbliebenen Steuerforderung über 137.221,- EUR durch den vorläufigen Insolvenzverwalter für erledigt erklärt hatte. |
|
| Bei dem Kläger wurde ab 06.11.2001 eine Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2000 durchgeführt. Am Ende einer langwierigen Prüfung, während der sich der Kläger nach der Darstellung der Beklagten nicht kooperativ verhielt, erging am 26.2.2004 der Bericht über die Außenprüfung (B4, Bl.76 ff.). |
|
| Im Wesentlichen streiten die Parteien darüber, ob die in diesem Prüfbericht in der Anl. 6 (Bl.101) vom Prüfer aufgestellte „Zusammenstellung Spekulationsgewinne“, die von Spekulationsgewinnen im Jahre 1998 in Höhe von 95.055,-- DM, im Jahre 1999 in Höhe von 1.195.921,-- DM und im Jahr 2000 in Höhe von 623.894,-- DM ausging, bei der Berechnung der dem Insolvenzantrag später zugrunde liegenden Einkommensbescheide für 1998 bis 2000 habe berücksichtigt werden dürfen und allein der Grund für den Insolvenzantrag des Finanzamts vom 16.09.2005 (B20, Bl.143) bzw. dessen Weiterverfolgung ab November 2005 war. In den Bescheiden vom 13.04.2010 für die Jahre 1998 bis 2000 (K18-K20, Bl.277 ff.) wurden schließlich keine positiven Einkünfte aus Spekulationsgeschäften gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1b EStG (Fassung 1998) bzw. § 23 Abs.1 Nr. 2 EStG (Fassung ab 01.01.1999), mehr festgesetzt. |
|
| Mit Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - Stuttgart vom 11.04.2007 (3 IN 915/05) war die Insolvenzverwaltervergütung auf 41.100,42 EUR festgesetzt worden. Auf Beschwerde des Klägers reduzierte das Landgericht Stuttgart mit Beschluss vom 30.07.2007 (2 T 296/07) diese auf 30.444,85 EUR. In erster Instanz und zunächst auch in der Berufung verlangte der Kläger gleichwohl zunächst den vom Amtsgericht festgesetzten Betrag ersetzt. Erst zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Senat reduzierte der Kläger seinen Antrag auf 30.444,85 EUR und nahm im Übrigen die Berufung zurück. |
|
| Aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen und der beigezogenen Insolvenzgerichtsakte ergibt sich darüber hinaus folgende Übersicht über das Steuer- und Insolvenzverfahren einschließlich der dazu gehörenden Rechtsmittelverfahren: |
|
|
|
|
1.Tag der Betriebsprüfung, Kläger behauptet, er habe Unterlagen übergeben, darauf wäre Tabelle K17, Bl.251 erstellt worden von Betriebsprüfer S |
|
|
|
|
S (Betriebsprüfer) fordert Unterlagen |
|
|
|
|
|
|
|
|
Kläger: Fristverlängerungsantrag |
|
|
|
|
Kläger: Fristverlängerungsantrag |
|
|
|
|
Entwurf Schreiben S: fordert konkrete Unterlagen |
|
|
|
|
„Auskunft“ Kläger ohne Datum, Bezugnahme auf Schreiben S vom 13.11.2002 |
|
|
|
|
Kläger: Fristverlängerungsantrag |
|
|
|
|
Kläger: Fristverlängerungsantrag |
|
|
|
|
|
|
|
|
Prüfbericht Sieder mit Aufstellung der „Spekulationsgewinne“ Aktenvermerk über strafrechtliche Feststellungen |
|
|
|
|
ESt-Bescheide 1999 und 2000 |
|
|
|
|
ESt-Bescheide für 1998, 1999, 2000 |
|
|
|
|
Einspruch gegen Bescheide 1998 -2000 vom 31.03.2004, ohne Begründung |
|
|
|
|
Erneuter Einspruch gegen Bescheide 1999-2000, Stundungsantrag, Begründung: Spekulationsverluste müssten berücksichtigt werden. Weitere Begründung folgt |
|
|
|
|
Finanzamt (FA): Stundung 1999 und 2000 bisher nicht, weitere Begründung des Klägers in 4 Wochen angefordert |
|
|
|
|
Kläger beantragt Fristverlängerung bis 29.08.2004, macht kurze Ausführungen zum Optionsgeschäft 1999 und führt aus, dass die Besteuerung von Spekulationsgewinnen verfassungswidrig sei |
|
|
|
|
FA: Aufstellung Finanzierung soll vorgelegt werden, FA hält Versteuerung von Spekulationsgewinnen ab 1999 für verfassungsgemäß |
|
|
|
|
Kläger: Finanzierungszinsen seien korrekt angegeben und Hinweis auf falsche Behandlung Optionsscheine und weist noch mal auf verfassungsrechtliche Bedenken hin |
|
|
|
|
Sieder: nachhaltig keine Auskunft vom Kläger über Zinsaufwendungen erhalten |
|
|
|
|
Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 31.03.2004 für 1998 über 35.427,94 EUR |
|
|
|
|
FA: zum Stundungsantrag für 1999 und 2000, bisher gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,- EUR, Stellungnahmefrist bis 30.11.2004 |
|
|
|
|
Anklageerhebung gegen den Kläger wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 643.000 EUR |
|
|
|
|
FA: Aussetzung 1999 und 2000 teilweise gegen 300.000,- EUR, in Höhe von 90.118,62 keine Aussetzung |
|
|
|
|
FA: Forderungsaufstellung 696.727,76 EUR |
|
|
|
|
FA: Aktenvermerk über Anruf Kläger, er kann keine Sicherheit leisten |
|
|
|
|
Eintragung Sicherungszwangshypothek auf dem Grundstück des Klägers |
|
|
|
|
FA: Vollstreckungsankündigung auf den 20.06.2005, der Kläger wird nicht angetroffen |
|
|
|
|
Mitteilung Bundesministerium der Finanzen zur Aussetzung der Vollziehung bei Veräußerungsgeschäften und Termingeschäften ab 1999 |
|
|
|
|
Niederschrift persönliche Verhältnisse: keine pfändbaren Gegenstände |
|
|
|
|
FA: Forderungsaufstellung - 916.718,58 EUR |
|
|
|
|
Ankündigung Insolvenzantrag und Anhörung |
|
|
|
|
FA: Forderungsaufstellung- 923.947,08 EUR |
|
|
|
|
|
|
|
|
Amtsgericht (AG) teilt Kläger Antrag mit, Anhörungstermin 07.10. |
|
|
|
|
AG: Vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt |
|
|
|
|
Aktenvermerk Leiter FA III Eigner über Telefonat |
|
|
|
|
Schreiben Kläger an FA III Leiter Eigner: Kläger gibt Anlage SO zur Einkommenssteuer 2003 ab |
|
|
|
|
Schreiben Eigner an Kläger: 1998 wird geändert, ohne Spekulationsgeschäfte, Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung wird abgeändert werden - Ohne Sicherheitsleistung |
|
|
|
|
Einspruch Kläger gegen vorläufigen Insolvenzverwalter |
|
|
|
|
FA: 586.783,93 EUR werden ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt |
|
|
|
|
FA: Forderungsaufstellung 172.281,98 EUR abzüglich 40.000,- EUR, also 132.000,- EUR |
|
|
|
|
FA: Insolvenzantrag bleibt, Rückstand 132.000,- EUR |
|
|
|
|
Urteil BFH (IX R 49/04): Versteuerung privater Veräußerungsgeschäfte ab 1999 verfassungsgemäß |
|
|
|
|
Bericht vorläufiger Insolvenzverwalter (IV): Kläger verweigert jegliche Information |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
AV von Telefonat AG mit IV. Auf Anderkonto des Klägers seien 141.000,- EUR, deshalb nur Zahlungsunwilligkeit |
|
|
|
|
Pfändungsverfügung FA über 137.221 EUR |
|
|
|
|
FA erklärt Insolvenzverfahren in der Hauptsache für erledigt. |
|
|
|
|
Vergütungsantrag des Insolvenzverwalters |
|
|
|
|
Beendigung Aussetzung der Vollziehung für 1999 und 2000 |
|
|
|
|
Beschluss 2.ZK LG über die Kosten des Insolvenzverfahrens |
|
|
|
|
FA: Einspruchsentscheidung |
|
|
|
|
Sitzung vor ER beim Finanzgericht mit teilweiser Verständigung, Feststellung, dass Verlust Dollar/Yen-Geschäft in Höhe von 408.171DM erst im Rechtsbehelfsverfahren geltend gemacht wurde (Bl.214 oben) |
|
|
|
|
Stellungnahme des Betriebsprüfers |
|
|
|
|
| 2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da nicht schlüssig dargelegt sei, dass die behaupteten Pflichtverletzungen für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 kausal dafür seien, dass die Insolvenzverwalterkosten entstanden sind. Inwieweit Steuerrückstände für das Jahr 1998 bestanden hätten, sei ohnehin unerheblich, da der Insolvenzantrag nicht auf Forderungen aus dem Jahre 1998 gestützt worden war. Für 1998 sei die Vollziehung ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt worden. Neben angeblichen Steuerforderungen der Finanzbehörden des beklagten Landes in Höhe von 731.863,48 EUR für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 sei auch ein Betrag in Höhe von 192.083,-- EUR auf die Jahre 2003 bis 2005 entfallen. Allein wegen dieser Rückstände für 2003 bis 2005 hätte der Insolvenzantrag gestellt werden können. Auch nach der teilweisen Aussetzung der Vollziehung mit Beschluss vom 10.11.2005 habe noch eine Forderung in Höhe von rund 132.000,-- EUR bestanden. Soweit der Kläger ausführe, es habe eine Überzahlung für die Jahre 1998 bis 2000 gegeben und bei Verrechnung dieser Überzahlungen mit den Forderungen aus den Folgejahren hätte kein Anspruch bestanden, sei dies nicht schlüssig dargelegt. Auch soweit der Kläger behaupte, der im Schreiben vom 10.11.2005 unstreitig bezeichnete Betrag von rund 132.000,-- EUR habe ebenfalls nicht bestanden, sei dies nicht schlüssig dargelegt. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob die Finanzbehörden im Zusammenhang mit den Steuerfestsetzungen 1998 bis 2000 schuldhafte Amtspflichtverletzungen begangen hätten. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens - sei es auch nur wegen eines Betrages von rund 132.000,-- EUR - sei nicht unverhältnismäßig. Sämtliche vorherigen Vollstreckungsversuche des Finanzamts seien erfolglos gewesen. |
|
|
|
| 3. Der Kläger verfolgt mit der Berufung seinen Klagantrag weiter. |
|
| Das Landgericht habe sich zu Unrecht nicht mit der Frage befasst, ob der Steuerrückstand in Höhe von rund 192.000,-- EUR für die Jahre 2003 bis 2005 bestanden habe. Die Addition der in der Aufstellung vom 09.11.2005 aufgeführten Steuerbeträge für 2003 bis 2005 ergebe lediglich einen Betrag in Höhe von ca. 106.000,-- EUR. Hiervon entfielen knapp 68.000,-- EUR auf das Jahr 2003. Insoweit habe sich aber gemäß dem Schreiben vom 10.11.2005 eine Sollminderung in Höhe von 40.000,-- EUR ergeben, so dass der vermeintliche Steuerrückstand für die Jahre 2003 bis 2005 sich nur noch auf rund 66.000,-- EUR belaufe. Aber auch diese Beträge seien erkennbar falsch. |
|
| Zu Unrecht habe das Landgericht außerdem das Jahr 1998 außer Betracht gelassen. Aus einer erstmals in der Berufung vorgelegten Umbuchungsmitteilung des Finanzamtes vom 11.06.2004 (Anl. K54, Bl.432) würde sich ergeben, dass ein Betrag von 65.557,-- EUR auf die vermeintliche Steuerschuld für 1998 verbucht worden sei. Wäre dies nicht erfolgt, wäre kein erheblicher Rückstand entstanden. |
|
| Auch habe das Landgericht zu Unrecht angenommen, dass nach teilweiser Aussetzung der Vollziehung am 10.11.2005 mindestens 132.000,-- EUR Steuerschulden bestanden hätten. Die errechneten 132.000,-- EUR enthielten auch Steuerforderungen aus dem Jahr 2000 in Höhe von insgesamt 57.860,78 EUR. Der Kläger führt im weiteren aus, dass über Kapitalertragssteuer, Körperschaftssteuer und durch Steuerzahlungen für die Jahre 1998 bis 2000 Einkommensteuer in Höhe von insgesamt 256.000,-- EUR entrichtet worden sei. Tatsächlich angefallen seien nach den maßgeblichen Bescheiden vom 13.04.2010 lediglich 160.218,43 EUR, so dass im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung eine Einkommenssteuerüberzahlung für die Jahre 1998 bis 2000 in Höhe von ca. 96.000,-- EUR bestanden und deshalb kein Insolvenzgrund vorgelegen habe. |
|
| Auch könne dem Kläger keine mangelnde Mitwirkung vorgeworfen werden. Der Betriebsprüfer sei spätestens im November 2003 im Besitz sämtlicher zur Erstellung seines Betriebsprüfungsberichts notwendiger Unterlagen gewesen. |
|
| 4. Der Kläger beantragt zuletzt: |
|
| Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 30.444,85 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (6.11.2009) zu bezahlen. |
|
| Das beklagte Land beantragt, |
|
| die Berufung zurückzuweisen. |
|
| 5. Das beklagte Land verteidigt das Urteil. Die Festsetzung der Steuerschulden des Klägers seitens des Finanzamtes sei aus der damaligen Sicht des Finanzamtes zutreffend gewesen. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass der Kläger erst am 17.10.2005 die Anlage SO zur Einkommensteuer 2003 abgegeben habe und sich hierbei für das Finanzamt erstmalig ergab, dass er im Jahr 2003 bei seinen Spekulationen einen Verlust in Höhe von 1.346.762,-- EUR erlitten habe. Aufgrund dieses Verlustes seien dann zwingend die Vorauszahlungen für die späteren Jahre anzupassen und gravierend zu reduzieren gewesen. Die Forderungsaufstellungen vom 15.09.2005 und 10.11.2005 seien aus damaliger Sicht richtig gewesen. Der Kläger berücksichtige zu Unrecht isoliert einzelne Steuerbescheide aus dem Zeitraum nach Insolvenzantrag und komme so zu unzutreffenden Schlussfolgerungen für die Forderungsaufstellungen der Finanzkasse bei Insolvenzantragstellung und am 9./10.11.2005. |
|
| 6. Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen in den mündlichen Verhandlungen Bezug genommen. |
|
| Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. |
|
| Zwar liegt eine schuldhafte Amtspflichtverletzung darin begründet, dass das Finanzamt bei Beantragung des Insolvenzverfahrens am 16.9.2005 etwaige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften für die Jahre 1999 und 2000 im Hinblick auf die Mitteilung des Bundesministeriums der Finanzen vom 27.06.2005 nicht hätte berücksichtigen dürfen. Diese Pflichtverletzung ist aber nicht kausal für die entstandene Insolvenzverwaltervergütung, da auch ohne diese Einkünfte nach dem Kenntnisstand des Finanzamtes zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung ein erheblicher Anspruch des Finanzamtes bestand und sämtliche vorherigen Vollstreckungsversuche gescheitert waren, so dass sowohl die Beantragung des Insolvenzverfahrens als auch insbesondere die Weiterverfolgung des Insolvenzantrags ab dem 9./10.11.2005 verhältnismäßig war. |
|
| Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil und macht sich diese zu Eigen (vgl. LGU S. 12-16). Ergänzend ist - auch im Blick auf das Berufungsvorbringen des Klägers - folgendes auszuführen: |
|
| 1. Ein Anspruch des Klägers gemäß § 839 BGB, 34 GG ist allerdings nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass mit Beschluss des LG Stuttgart vom 16.07.2007 (2 T 277/05, vgl. Blatt 225) festgestellt wurde, dass das Insolvenzeröffnungsverfahren erledigt ist (Ziffer I.1.) und der Antragsgegner (im vorliegenden Rechtsstreit der Kläger) die Kosten des Insolvenzeröffnungsverfahrens zu tragen hat (Ziffer I.2.), nachdem das beklagte Land das Verfahren (nach Ansicht der Beschwerdekammer einseitig bleibend) für erledigt erklärt hatte. |
|
| Die Kosten des vorläufigen Insolvenzverwalters gehörten nicht zu „den Kosten des Insolvenzeröffnungsverfahrens“, über die das Landgericht Stuttgart im Beschluss vom 16.7.2007 zulasten des Klägers entschieden hatte (vgl. BGH NJW 2008, 583, Rz. 9 ff nach juris) und wurden also auch nicht schon rechtskräftig und für den vorliegenden Rechtsstreit damit bindend dem Kläger überbürdet. |
|
| Für den Schuldner (hier den Kläger) gilt insoweit nichts anderes als für den Gläubiger, dem die Kosten des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht schon dann zur Last fallen, wenn ihm beispielsweise nach Rücknahme des Insolvenzantrags die Kosten des Verfahrens auferlegt werden (vgl. BGHZ 157, 370 Tz.12 nach juris; BGH NJW-RR 2006, 1204 Tz.2 nach juris; BGH NJW 2008, 583 Tz.27 ff nach juris.; Kübler/Prütting-Pape, Kommentar zur InsO, Stand August 2011, § 13 Rz.132b; Uhlenbruck, InsO, 13. Auflage, 2010, § 14 InsO, Rz. 128). |
|
| Der Senat schließt sich der Begründung des BGH in der Entscheidung vom 13.12.2007 (NJW 2008, 583 ff) an, wonach es für das Insolvenzgericht, das (in jener Entscheidung des BGH) die Eröffnung des Verfahrens ablehnt, keine Möglichkeit gibt, einen besonderen, die Kosten des vorläufigen Insolvenzverwalters regelnden Beschluss zu erlassen. Gleiches muss dann auch für den Fall (wie hier) gelten, in dem mit der (einseitig bleibenden) Erledigungserklärung des Gläubigers (hier: des beklagten Landes) eine Verfahrenseröffnung ebenfalls nicht mehr in Betracht kommt (aA wohl Uhlenbruck, InsO, 13. Auflage, 2010, § 14 InsO, Rz. 130 mwN für den Fall einer Kostenentscheidung nach §§ 91, 91a ZPO für die Kostenerstattung im Innenverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner). |
|
| Allerdings kann der Schuldner, der mit seinem Vermögen im Außenverhältnis zum vorläufigen Insolvenzverwalter demnach unabhängig von einer Kostenentscheidung nach Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens für dessen Vergütung und Auslagen aufkommen muss, im Innenverhältnis zum antragstellenden Gläubiger unter Umständen berechtigt sein, von diesem Schadensersatz zu verlangen (vgl. BGH NJW 2008, 583 ff, Rz. 38 nach juris mwN). |
|
| 2. Die Voraussetzungen für ein - nach den Ausführungen unter 1. demnach nicht von vornherein aus Rechtskraftgründen ausgeschlossenes - berechtigtes Schadensersatzverlangen gegen das beklagte Land sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. |
|
| Anders als der private Gläubiger, der dem Schuldner bei unberechtigter Insolvenzantragstellung nur haftet, wenn er den Eröffnungsantrag einsetzt, um den Schuldner sittenwidrig oder vorsätzlich zu schädigen (BGHZ 74, 9, Tz.11 nach juris), beurteilt sich der Insolvenzantrag einer Gemeinde- (oder Landes-)finanzbehörde wegen rückständiger Steuern als Amtshandlung nach § 839 BGB (BGHZ 110, 253; Staudinger/Wurm, (2007), BGB, § 839 Rz.84). Hiergegen spricht nicht, dass diese sich mit dem Insolvenzantrag in gewisser Weise auf die Ebene der Gleichordnung mit anderen Gläubigern und Schuldnern begibt; denn es geht gerade darum, ob die Finanzbehörde diesen Weg überhaupt beschreiten darf (BGH a.a.O., Tz.17 nach juris). |
|
| Da das Finanzamt für die von ihm selbst geschaffenen Verwaltungsakte (Steuerbescheide) gleichzeitig auch Vollstreckungsbehörde ist, ist das Risiko, in diesem Steuerverfahrensabschnitt amtspflichtwidrig einen Schaden zu verursachen, besonders hoch (Tremml/Karger/Burger, Der Amtshaftungsprozess, 3. Aufl. 2009, Rz.1130). Den Mitarbeiter des Finanzamts als Amtswalter trifft u.a. die Pflicht, nicht aus einem unrichtigen Steuerbescheid zu vollstrecken, nicht einen unberechtigten Insolvenzantrag zu stellen und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Wahl der Vollstreckungsmittel zu beachten (Tremml, a.a.O., Rz.1131). |
|
| Dabei kann ein Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB, Art. 34 GG insbesondere begründet sein, wenn die Finanzbehörde den Insolvenzantrag unter eklatantem Verstoß gegen eine Vollstreckungsanweisung der OFD gestellt hat (Uhlenbruck, InsO, 12. Auflage 2002, § 14 Rz.118). |
|
| Im Besteuerungsverfahren hat die Finanzbehörde zudem gem. § 88 AO die Amtspflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen, an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Finanzbehörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 88 II AO). Wenn die Finanzbehörde den Sachverhalt erforscht, hat sie ihn objektiv, also nicht nur im Interesse des Fiskus zu erforschen. Das öffentliche Interesse zielt auf die Feststellung des wahren Sachverhalts, nicht auf ein möglichst hohes Steueraufkommen. Die Finanzbehörde muss den Sachverhalt bis zur Grenze des Verhältnismäßigen und des Zumutbaren ermitteln, wobei sich Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit nach den Umständen des Einzelfalls bestimmen. Die Verwaltungsentscheidungen, mit denen die Finanzbehörde ein Verwaltungsverfahren abschließt, müssen auf sicheren Feststellungen beruhen. An der Verwirklichung des Sachverhalts durch den Steuerpflichtigen darf kein vernünftiger Zweifel zurückbleiben, die Tatbestandsverwirklichung darf nicht nur wahrscheinlich sein, sie muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl. OLG München NJW 1996, 1971f mwN). |
|
| Nach § 91 AO soll desweiteren, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. |
|
| Beide Bestimmungen legen der Finanzbehörde Amtspflichten im Interesse des Steuerpflichtigen auf; bei deren Verletzung stehen diesem Ansprüche nach § 839 BGB zu (vgl. OLG München, aaO). |
|
| a) Gemäß dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 27.06.2005 (B 48, Bl.317, BStBl. 2005 I, 796 f.) war bei Rechtsbehelfen, die für die Zeit ab 1999 die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 S.1 Nr. 2 EStG geltend machten, auf Antrag des Steuerpflichtigen die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren (BStBl. 2005 I, 796, 797 a. E.). Dieses Schreiben wurde am 02.08.2005 noch einmal neu gefasst, was inhaltlich aber zu keiner Änderung führte (IV A 7-S 0338-81/05). |
|
| An diese Schreiben hätte sich das Finanzamt halten und die Vollziehung der Steuerbescheide für 1999 und 2000 weitgehend aussetzen müssen, bevor am 16.9.2005 Insolvenzantrag gestellt wurde. Soweit das beklagte Land ausführt, das Schreiben vom 27.06.2005 sei nicht einschlägig, da es hier um Spekulationsgewinne gehe, übersieht es, dass diese schon ab 1999 im EStG als private Veräußerungsgeschäfte bezeichnet wurden. Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 25.06.2004 (B 9, Bl.121), welches neben einem Fristverlängerungsantrag auch eine kurze Begründung der Einsprüche enthält, ausgeführt, dass nach Ansicht des BVerfG die Versteuerung von Spekulationsgewinnen gegen Art. 3 GG verstoße. Daher waren ab 25.06.2004 die Voraussetzungen, die im Schreiben des BMF genannt waren, erfüllt. Bei der Berechnung der Forderung des FA am 16.09.2005, wie sie Grundlage des Insolvenzantrags wurde, hätten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ab 1999 nicht berücksichtigt werden dürfen, da insoweit die Bescheide außer Vollzug zu setzen waren. |
|
| Wegen der im September 2005 bei Insolvenzantragstellung geltenden Bindungswirkung der Schreiben des BMF vom 27.6.2005 und vom 2.8.2005, die auch ausdrücklich im Interesse der betroffenen Bürger ergingen und daher Schutzwirkung auch für den Kläger hatten, ist unerheblich, dass der Bundesfinanzhof (BFH) später, nämlich am 29.11.2005, entschied, dass die Besteuerung der privaten Veräußerungsgeschäfte ab 1999 verfassungsgemäß sei und am 10.01.2008 das Bundesverfassungsgericht die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht annahm (2 BvR 294/06). Das FA hatte denn auch bereits am 26.10.2005 die Vollziehung der Bescheide in Höhe von 586.783,93 EUR ausgesetzt, nachdem der Kläger am 17.10.2005 erhebliche Verluste aus den Spekulationsgeschäften in 2003 mitgeteilt hatte (vgl. Anlage B 25, Blatt 154). |
|
| b) Das Landgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass auch ohne Berücksichtigung der Einkünfte aus Veräußerungsgewinnen am 15.09.2005 und 09.11.2005 aus damaliger zutreffender Sicht ein so erheblicher Anspruch des Finanzamtes bestand, dass die Stellung eines Insolvenzantrages und später - ab 9./10.11.2005 - die Weiterverfolgung desselben berechtigt, jedenfalls aber nicht schuldhaft ungerechtfertigt war. |
|
| aa) Die Festsetzungen für 1998 sind bei der Berechnung des Anspruchs des Finanzamtes nicht zu berücksichtigen, da aus damaliger Sicht kein Guthaben des Klägers bestand. |
|
| Maßgeblich sind der letzte vor Insolvenzantrag ergangene Bescheid vom 31.03.2004 und der zuletzt ergangene Bescheid vom 13.04.2010. Es ergeben sich folgende Beträge, wobei als festgesetzte Steuer die Einkommenssteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag nebst Zinsen berücksichtigt wurden. Als bereits erhalten wurden zusammengefasst die Zahlungen des Klägers sowie die einbehaltene Kapitalertrags- und Körperschaftssteuer. Die Beträge sind bereits in EUR umgerechnet. |
|
|
|
|
Festgesetzte Steuer in EUR |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
| Maßgebend ist zunächst der Bescheid vom 31.03.2004, da dieser der letzte vor Insolvenzantragstellung ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Finanzamt St auf die Steuer für 1998 bereits erhaltene 21.686,28 EUR verbucht. Im Ergebnis hatte der Kläger gemäß Bescheid vom 13.04.2010 Steuern in Höhe von 34.371,78 EUR zu zahlen, wobei Zinsen nicht berechnet, sondern gutgeschrieben wurden. |
|
| Demnach waren nach dem Vortrag in erster Instanz am 16.09.2005 nicht zu viel einbehaltene Steuern für 1998 verbucht, sondern zu wenig. Da das Finanzamt keine Forderungen aus dem Bescheid vom 31.03.2004 in den Forderungsaufstellungen für das Insolvenzverfahren berücksichtigt hat, kann das Jahr 1998 tatsächlich außer Betracht bleiben. |
|
| Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Berufung vorgelegten Buchungsmitteilung vom 11.06.2004 (K 54, Bl.432). Deren Berücksichtigung steht § 531 Abs. 2 ZPO nicht entgegen, da es sich zwar um neues, aber unstreitiges Vorbringen handelt (BGH NJW 2008, 448). Nach dieser isoliert vorgelegten Buchungsmitteilung wurden 15 Monate vor Insolvenzantragstellung weitere 65.597,21 EUR auf die angenommenen Rückstände für 1998 verbucht. Es ist aber - mangels weiteren nachvollziehbaren Vortrags des Klägers - nicht ersichtlich, ob es bei dieser Buchung bis zum Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens blieb. Der Kläger gab in der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2011 auf Frage, was er nach Erhalt der Umbuchungsmitteilung gemacht habe, an, er habe nichts gemacht, er habe ja laufend solche Mitteilungen erhalten. |
|
| Aber selbst wenn diese Buchung im September 2005 noch für das Jahr 1998 verblieben wäre, wäre wegen dieser behaupteten fehlerhaften Buchung ein Anspruch des Klägers gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. In der Buchungsmitteilung vom 11.06.2004 wird begleitend ausgeführt: |
|
| „Sollten Sie mit den Buchungen nicht einverstanden sein, geben Sie bitte umgehend die beanstandeten Buchungen sowie ihre Buchungswünsche mit Steuernummer, Steuerart/Abgabenart, Zeitraum und Betrag an. Eine Berücksichtigung Ihrer Buchungswünsche ist im Regelfall nur bei vorgenommenen Buchungen auf noch nicht fällige Forderungen möglich“ |
|
| Da der Kläger behauptet, dass Forderungen für 1998 sowie 1999 und 2000 nicht bestanden hätten, hätte er auf diese Buchungsmitteilung umgehend klarstellen müssen, dass die Buchung auf die Rückstände ab 2003 erfolgen soll. Als Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB sind sämtliche Rechtsbehelfe im weitesten Sinne anzusehen (Palandt-Sprau, BGB, 70. Aufl., § 839 Rz.69). Darunter ist demnach auch die von dem Finanzamt bereits als möglich dargestellte anderweitige Buchung auf Mitteilung des Klägers zu sehen. Diese nicht erfolgte Mitteilung des Klägers, dass nämlich eine andere Buchung zu erfolgen habe, ist - den Vortrag des Klägers unterstellt - auch kausal für die Nichtberücksichtigung dieser 65.000,- EUR bei den Forderungsberechnungen vom 15.09.2005 und 09.11.2005. Der Kausalzusammenhang zwischen Nichteinlegung des Rechtsmittels und dem Schaden ist vom Schädiger zu beweisen (BGH NJW 2004, 1241, Tz.15). Kommt es darauf an, wie die Behörde auf den Rechtsbehelf entschieden hätte, ist im Grundsatz darauf abzustellen, wie es nach Auffassung des Gerichts richtigerweise hätte entscheiden müssen. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Behörde entsprechende gerichtliche Entscheidungen beachtet hätte (BGH NJW 1986, 1924, Tz.22). Auch hier ist davon auszugehen, dass das Finanzamt auf Antrag eine fehlerhaft auf die Besteuerung von Spekulationsgewinnen in 1998 festgesetzte Steuer außer Vollzug gesetzt und daher einen etwaig überschießenden Betrag umgebucht hätte. Schließlich erfolgte am 25.10.2004 eine Außervollzugsetzung von Steuerrückständen aus 1998 gerade aus diesem Grund (B 12, Bl.124). |
|
| bb) Bezüglich der Jahre 1999 und 2000 liegen folgende maßgebliche Bescheide vor, wobei die Darstellung wie für das Jahr 1998 erfolgt. |
|
|
|
|
|
|
Festgesetzte Steuer in EUR |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
| Zu den Einkünften aus 2000: |
|
|
|
|
Festgesetzte Steuer in EUR |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
| cc) Bei Stellung des Insolvenzantrages hätten die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Hinblick auf das Schreiben des BMF vom 27.06.2005 nicht berücksichtigt werden dürfen (s.o. II. 2. a)). Die übrigen Annahmen des Finanzamtes am 31.03.2004 durften aber am 16.09.2005 zu Grunde gelegt werden, da aufgrund des Verhaltens des Klägers das Finanzamt keine weiteren Erkenntnisse über einkommensmindernde Umstände bei den übrigen Einkunftsarten hatte. Bei einer auf dieser Grundlage notwendigen Vergleichsrechnung für die Jahre 1999 und 2000 - ohne Berücksichtigung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften - ergibt sich unter Einbeziehung der erhaltenen Zahlungen ein Anspruch des Finanzamtes in Höhe von zirka 40.000,- EUR (s.u.). |
|
| Soweit im Übrigen für den Kläger günstige Umstände, insbesondere Zinsaufwendungen und Ausgaben bei den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung bis zur Erledigungserklärung des Finanzamtes am 24.04.2006 bei der Berechnung der Forderung bei Insolvenzantragstellung und später Anfang November 2005 nicht berücksichtigt wurden, ist dies nicht auf eine Pflichtverletzung der Mitarbeiter des Finanzamtes zurückzuführen. |
|
| Vielmehr war es der Kläger, der Auskünfte gegenüber dem Finanzamt verweigerte und nicht kooperativ war (vgl. hierzu die instruktive tabellarische Auflistung der Geschehnisse unter I.1.). Der Kläger müsste jedenfalls vor diesem Hintergrund schlüssig dartun und sodann beweisen, dass er bis zum Insolvenzantrag oder spätestens vor dem 24.04.2006 Angaben zu Zinsaufwendungen bei Einkünften aus Kapitalvermögen gemacht hatte oder Unterlagen zur Verfügung gestellt hätte, die nicht berücksichtigt wurden. Dies ist nicht erfolgt. Soweit der Kläger überhaupt Angaben gemacht hat, bezogen sich diese auf die Verluste aus Spekulationsgeschäften. Im Übrigen beschränkten sich die Schreiben des Klägers auf Fristverlängerungsanträge. |
|
| Auch im Rahmen der Betriebsprüfung haben sich keine höheren Ausgaben des Klägers ergeben. Das Gegenteil ist der Fall. Nach der Prüfung konnte vielmehr von einem höheren Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit und höheren Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ausgegangen werden. Insbesondere lagen keine Erkenntnisse über Zinsaufwendungen vor. Es wird insoweit auf die Stellungnahme des Betriebsprüfers vom 05.10.2005 (B 1, Bl.64) und Ziffer 15 des Prüfberichts (Bl.80 unten) verwiesen. Danach konnte der Prüfer Zinsaufwendungen nicht zuordnen. Nachweise seien entgegen den Zusagen des Klägers nicht vorgelegt worden. Dem hat der Kläger nichts Stichhaltiges entgegen zu setzen vermocht, insbesondere nicht vor November 2005. Die Amtsermittlungspflicht der Steuerbehörden, auf die der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch vehement hinwies und die nach seiner Ansicht schon spätestens im November 2005 vor Weiterverfolgung des Insolvenzantrags zur Aufdeckung all der Umstände geführt hätte wie später in den verschiedenen Verhandlungsterminen vor dem Finanzgericht, stößt bei Steuerschuldnern wie dem Kläger, die steuerrelevante Vorgänge in einem Maß und in einer Vielfalt veranlasst haben, über die sie selbst den Überblick verloren hatten, und die auf dokumentierte wiederholte Anfragen des Finanzamts, die zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen sollten, nichts Substantielles vorzulegen vermögen, auf mit zumutbaren Maßnahmen des Finanzamts nicht überwindbare Grenzen. |
|
| Auch im vorliegenden Rechtstreit hat der Kläger ausschließlich zu geringeren Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften und nicht zu den anderen Einkunftsarten vorgetragen. |
|
| Auf den Hinweis des Senats im Termin vom 19.10.2011, auch auf der Grundlage der in diesem Termin erfolgten Ausführungen des Klägervertreters erscheine nicht nachvollziehbar, warum gerade die vom Finanzamt angenommenen Steuerforderungen für die Jahre 2003 bis 2005, wie sie im Übrigen Grundlage der Forderungsaufstellung vom 9.11.2005 (Blatt 163 ff d.A.) wurden, hierdurch (nämlich durch die für den Betriebsprüfer nach der Behauptung des Klägers auch ohne Mitwirkung des Klägers erkennbaren Verluste innerhalb der Spekulationsfrist) beeinflusst worden seien, wies der Klägervertreter im Wesentlichen auf die Anlage B 12 (Blatt 124) hin, aus der sich ein an den Kläger zurückzuzahlender Betrag in Höhe von 35.427,94 EUR folge, der vom Finanzamt zu Unrecht nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt worden sei. Abgesehen von dem nicht von der Hand zu weisenden Einwand der Beklagtenvertreterin, dass aus der Anlage B 12 nichts zugunsten des Klägers gefolgert werden könne, weil die Forderungsaufstellung vom 9.11.2005 keine Beträge für das Jahr 1998 aufweise, kann der Hinweis auf den in der Anlage B 12 ausgewiesenen Betrag deshalb keinen Erfolg haben, weil es wiederum an nachvollziehbarem Vortrag des Klägers fehlt, dass die in dem Bescheid vom 25.10.2004 (Anlage B 12) ausgesetzten Beträge „bereits entrichtet sind“; nur unter dieser Voraussetzung ist in diesem Bescheid eine Rückzahlungsankündigung enthalten. |
|
| Wären mit den Bescheiden vom 31.03.2004 die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht berücksichtigt worden, hätte der Kläger im September 2005 zirka 40.000,- EUR an Steuern, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ohne Zinsen für 1999 und 2000 zahlen müssen: |
|
| Dies ergibt sich aus folgender Berechnung: |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
zu versteuerndes Einkommen |
|
|
|
gemäß Bescheid vom 31.03.2004 |
|
|
|
|
|
|
abzüglich Einkünfte aus privaten |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Bleibt zu versteuerndes Einkommen |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
hieraus Solidaritätszuschlag |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Abzüglich bereits erhalten |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
| Die Verrechnung des theoretischen Guthabens von 1999 in Höhe von 2.469,02 EUR mit der theoretischen Forderung 2000 in Höhe von 41.270,95 EUR ergibt eine theoretische Restforderung für 1999 und 2000 in Höhe von 38.801,93 EUR. Hierbei ist die Kirchensteuer nicht berücksichtigt. |
|
| dd) Auch für die Jahre 2003 bis 2005 sind aus der Sicht zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung im September 2005 bzw. bei Weiterverfolgung des Insolvenzantrags im November 2005 keine unverhältnismäßig hohen Vorauszahlungen verlangt worden. |
|
| Hierbei ist zu sehen, dass für 2003 mit Bescheid vom 20.12.2007 insgesamt (K 21, Bl.285) 54.020,73 EUR festgesetzt sind. In der Forderungsaufstellung vom 15.09.2005 waren 69.750,40 an Einkommenssteuer geschätzt. Diese Schätzung ist unter Berücksichtigung der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Zahnarzt auch in Anbetracht der späteren, tatsächlich niedrigeren Festsetzung nicht übersetzt. |
|
| Für 2004 stehen sich eine Schätzung der Einkommenssteuer von 64.225,- EUR und später festgesetzte Einkommenssteuer von 37.878 gegenüber (K 22, Bl.282). Für die Hälfte von 2005 wurden 25.739,- EUR angesetzt. Tatsächlich belief sich die Einkommenssteuer für das gesamte Jahr auf 31.621,- EUR. |
|
| Diese Schätzungen des Finanzamtes waren aufgrund des Ergebnisses der Betriebsprüfung, welche für das Jahr 1998 einen Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit von 229.105 DM, für 1999 von 103.803,07 DM und für 2000 von 167.929,32 DM (Bl.79) und außerdem noch - wenn auch geringe - Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung annahm (Bl.83), nicht übersetzt. Der Kläger erinnert hiergegen nichts. |
|
| c) Somit konnte das FA bei Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16.09.2005 tatsächlich folgende Forderungen zugrunde legen: |
|
|
|
|
|
|
|
Lohnsteuerverspätungszuschlag 2/05 |
|
|
Lohnsteuerverspätungszuschlag 4/05 |
|
|
Lohnsteuerverspätungszuschlag 5/05 |
|
|
|
|
Einkommenssteuer 4.Vj. 2004 |
|
|
Einkommenssteuer 2.Vj. 2005 |
|
|
Einkommenssteuer 1999 und 2000 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
| Es wird zum Vergleich auf die Forderungsaufstellung vom 15.09.2005 verwiesen . |
|
| Auch nach Aussetzung des Vollzugs bezüglich der Steuern aufgrund von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften am 26.10.2005 hat sich keine wesentliche Änderung ergeben. Die Forderungsaufstellung vom 09.11.2005 mit im Ergebnis 132.281,98 EUR ist der Größenordnung nach richtig. Allein der Zinsbetrag von 5.122,50 EUR für eine Einkommenssteuer für das 4. Quartal 2004 in Höhe von 6.967,00 EUR erscheint nicht nachvollziehbar. Insbesondere hat das Finanzamt wie oben dargestellt zu Recht für das Jahr 2000 eine Forderung in der Größenordnung von 40.000,- EUR angenommen. |
|
| d) Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände war die Beantragung des Insolvenzverfahrens durch das Finanzamt am 16.09.2005 angesichts der Steuerforderung in Höhe von knapp 200.000,-- EUR und auch die Aufrechterhaltung des Antrags am 10.11.2005 im Hinblick auf eine Steuerforderung von mindestens 125.000,-- EUR nicht unverhältnismäßig. |
|
| Sämtliche vorherigen Vollstreckungsversuche verliefen erfolglos. In der Niederschrift der persönlichen Verhältnisse vom 28.06.2005 (B 18, Bl.134) ist festgehalten, dass der Kläger keine pfändbaren Gegenstände habe. Der Kläger war dann nicht mehr bereit, die Anlage zu den Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen auszufüllen und hat den Termin abgebrochen (Bl.11 der Akte 3 IN 915/05). So hat der Kläger verschwiegen, dass er noch Eigentümer einer Wohnung in T ist und noch über zirka 100.000 EUR Guthaben verfügte. So gab es der Kläger selbst in Stellungnahmen im Insolvenzverfahren vom 10.04.2007 (Bl.180 der Akte 3 IN 915/05) und 15.04.2007 (Bl.182 der Akte 3 IN 915/05) an. |
|
| Der Kläger hatte die Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,- EUR nicht erbracht und sich auch auf die Gelegenheit zur Stellungnahme zur Höhe der Sicherheitsleistung im Schreiben des FA vom 28.10.2004 (B 13, Bl.125) nicht geäußert. Nach Anordnung der Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,- EUR gab er am 15.02.2005 telefonisch an, er könne keine Sicherheit leisten (B 16, Bl.32). Dies steht im Widerspruch zu seinen oben genannten Angaben im Insolvenzverfahren. |
|
| Demnach war am 16.09.2005 kein milderes Mittel als der Insolvenzantrag möglich, da zuvor sämtliche anderen Vollstreckungsmöglichkeiten vergeblich versucht worden waren und der Kläger angegeben hatte, er habe kein Vermögen. Der Kläger hat bewusst gegenüber dem Finanzamt seine Vermögensverhältnisse nicht vollständig offen gelegt. Er hat sowohl während der Betriebsprüfung als auch nach den Bescheiden vom 31.03.2004 bis zum Insolvenzantrag in der Regel Fristverlängerungen beantragt und nur teilweise Unterlagen vorgelegt. Selbst nach Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens versuchte er, die Post am vorläufigen Insolvenzverwalter vorbeizuleiten, so dass vom Amtsgericht eine Postsperre verhängt werden musste. Noch nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung und der Erläuterung des Beschlusses über die vorläufige Insolvenzverwaltung tätigte der Kläger Wertpapiergeschäfte. Dieses Verhalten des Klägers ist auch nicht damit zu entschuldigen, dass gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen geführt worden waren und am 03.12.2004 Anklage erhoben wurde. Die Beträge waren aufgrund der Bescheide vom 31.03.2004 am 05.05.2004 fällig. Zuvor hatte der Betriebsprüfer seit Beginn der Prüfung am 06.11.2001 den Kläger immer wieder aufgefordert, Unterlagen vorzulegen. Es wird auf den umfangreichen Bericht des Betriebsprüfers Sieder vom 21.12.2010 (B 47, Bl.311) verwiesen. Der Kläger hat fortwährend Fristverlängerung beantragt und nur teilweise Auskünfte gegeben. |
|
| Da die beizutreibende Forderung bei mindestens 125.000,- EUR (132.281,98 EUR abzüglich 5.112,50 EUR, vgl. oben c)) lag, sämtliche Vollstreckungsversuche erfolglos waren und es keine weitere Möglichkeit gab, weitere Zahlungen vom Kläger zu erhalten, war die Beantragung des Insolvenzverfahrens nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft. |
|
| Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger am 09.02.2009 vom Finanzamt eine Gutschrift in Höhe von 221.961,55 EUR erhalten hat. Die Neuberechnung erfolgte, nachdem auch bezüglich der Einkunftsarten außer denen aus privaten Veräußerungsgeschäften die Bescheide ab 1998 aufgrund weiterer Angaben des Klägers abgeändert wurden. Dem ging ein Verfahren vor dem Finanzgericht voraus, in dem eine Verständigung über streitige Fragen erfolgte. Maßgebend ist aber nicht der Kenntnisstand des Finanzamtes im Jahr 2009, sondern derjenige zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags, wie er mit zumutbaren Maßnahmen des Finanzamts unter Berücksichtigung dessen Amtsermittlungspflichten erlangt werden konnte. |
|
| e) Auf die Frage, ob der Anspruch gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, kommt es daher, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht an. Die Frage, ob der Geschädigte fahrlässig den Gebrauch eines Rechtsmittels unterlassen hat, hängt davon ab, ob er die nach den gegebenen Umständen sowie die nach seinem Bildungsstand und seiner Geschäftsgewandtheit gebotene Sorgfalt nicht beachtet hat (Staudinger/Wurm a.a.O., Rn.345). Es wäre hier insbesondere ein Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 124 FGO in Betracht gekommen, um die Aussetzung der Vollziehung ohne oder gegen geringere Sicherheitsleistung zu erwirken. Hier könnte man in Betracht ziehen, dass ein Zahnarzt, der bereits die Rechtsprechung zur möglichen Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften eruiert hat, sich auch zum einstweiligen Rechtsschutz in der FGO hätte kundig machen können, ggf. hätte er Rechtsrat einholen müssen. Im Hinblick auf die fehlende Kausalität bedarf dies aber keiner Entscheidung. |
|
| Die Bewilligung eines vom Klägervertreter am Ende der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragten Schriftsatzrechts ist nicht angezeigt, da die Entscheidung nicht auf neuen rechtlichen Erwägungen beruht, die der Kläger bislang übersehen oder für unerheblich gehalten hätte (vgl. § 139 Abs. 2 ZPO). Hierzu, d.h. zu den Voraussetzungen der Einräumung eines solchen Schriftsatzrechts verhält sich der Kläger auch nicht. |
|
| Der Senat war nicht aus Rechtsgründen gehalten, vorab - mit der dann daraus abzuleitenden Folge der Einräumung eines Schriftsatzrechts - darauf hinzuweisen, wie er die von den Parteien im Einzelnen in den ausgetauschten Schriftsätzen diskutierten Probleme zu lösen gedenkt. Wenn er dies - aus Gründen der Vorhersehbarkeit einer etwaig notwendigen Entscheidung und daher aus Fairnessgründen - dennoch tut, löst dies kein Schriftsatzrecht der Parteien aus (vgl. BGH vom 1.6.2011, I ZR 140/09, GRUR 2011, 803 ff, „Lernspiele“). |
|
|
|
|
|
| Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz des Klägers vom 28.10.2011 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da die hierin angesprochenen Probleme sämtlich schon Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der vorangegangenen Erörterung in den eingereichten Schriftsätzen war. Zudem bestand schon auf Grund des angefochtenen Urteils Anlass zu den nun nachgereichten Ausführungen. |
|