Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 29. Jan. 2010 - 4 Ss 1525/09

published on 29/01/2010 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 29. Jan. 2010 - 4 Ss 1525/09
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Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 17. September 2009 wird mit der Maßgabe als unbegründet

v e r w o r f e n ,

dass in der Liste der angewendeten Vorschriften

a) die Angabe „12.6.3 BKat“ durch „Nr. 12.5.3 BKatV in der bis zum 31. Januar 2009 geltenden Fassung“ ersetzt

b) „§ 25 StVG“ eingefügt

wird.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

 
I.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 26. Januar 2009 mit seinem Pkw die Autobahn A … aus Richtung … kommend in Richtung …. In Höhe von Kilometer benutzte er die linke von den drei Fahrspuren. Bei einer Geschwindigkeit von 111 km/h hielt er zum vorausfahrenden Fahrzeug einen Sicherheitsabstand von lediglich 15 m und somit weniger als 3/10 des halben Tachowertes ein. Dieser Verkehrsverstoß wurde mittels des Video-Brücken-Abstandmessverfahrens ViBrAM-BAMAS festgestellt. Das Amtsgericht hat gegen ihn deshalb wegen Verstoßes gegen §§ 4 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO, 24 StVG entsprechend den Bestimmungen der BKatV (Nr. 12.5.3; bei der Angabe der angewendeten Vorschriften [12. 6 .3] handelt es sich vermutlich um ein Schreibversehen) eine Geldbuße von 100,-- EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt; im Hinblick auf die Nebenfolge ist die Liste der angewendeten Vorschriften um § 25 StVG zu erweitern.
Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt. Er rügt insbesondere unter Berufung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. August 2009 (NJW 2009, 3293) die Verwertbarkeit der Videoaufzeichnung.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
II.
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. § 349 Abs. 2 StPO.
Hinzuweisen ist auf folgendes:
1. Entgegen der Ansicht des Verteidigers steht der genannte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts einer Verwertbarkeit der Videoaufnahme im vorliegenden Fall nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass in der Videoaufzeichnung mittels des Verkehrskontrollsystems VKS ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung liegt, da zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von einer Autobahnbrücke aus alle durchfahrenden Fahrzeuge verdeckt gefilmt worden seien. Dabei sei der jeweilige Fahrer erkennbar und identifizierbar aufgenommen worden. Eine vorherige Auswahl dahin gehend, ob der Betroffene eines Verkehrsverstoßes verdächtig sei, habe nicht stattgefunden. Darüber hinaus sei es unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar, eine derartige Überwachung auf einen Erlass eines Ministeriums zu stützen (ebenso im Anschluss hieran OLG Oldenburg DAR 2010, 32 für das System VKS 3.0).
Das im vorliegenden Fall zur Anwendung gekommene Messverfahren ViBrAM-BAMAS, welches dem Senat bekannt ist (Beschluss vom 14. August 2007 - 4 Ss 23/07 - NStZ-RR 2007, 382), ist mit dem Verfahren VKS 3.0 nicht vergleichbar; es ist ganz anders konzipiert. Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt, dass beim Verfahren ViBrAM-BAMAS der fließende Verkehr mittels einer auf einer Brücke, welche über die Autobahn führt, angebrachten Videokamera auf einer Länge von ca. 300 bis 500 m aufgenommen wird. Anhand dieser Bilder, auf denen weder die Identität des Fahrers noch das Kennzeichen seines Fahrzeuges erkennbar sind, entscheidet der Polizeibeamte, ob ein konkreter Verdacht der Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Abstandes besteht. Ist dies der Fall, schaltet er eine zweite am Fahrbahnrand aufgestellte Kamera hinzu, die das betreffende Fahrzeug aufnimmt. Auf diesen Bildern sind der Fahrer (= jetzt der Betroffene) und das Kennzeichen des Fahrzeuges erkennbar. Somit wurden vorliegend anders als in dem Fall, der der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegt, Videoaufzeichnungen, auf denen die Identität des Fahrers und das Kennzeichen sichtbar sind, erst dann gefertigt, nachdem der Verdacht einer Verkehrsordnungswidrigkeit festgestellt worden war.
2. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des einzelnen Verkehrsteilnehmers (BVerfGE 65, 1) steht der Anwendung des Überwachungssystems ViBrAM-BAMAS nicht entgegen.
Dieses Grundrecht kann nur dann Wirkung entfalten, wenn eine Identifizierung des Verkehrsteilnehmers durch dessen Bild oder das Kennzeichen seines Fahrzeuges möglich ist. Die „Übersichtsaufnahmen“ des laufenden Verkehrs, die mit der auf der Brücke angebrachten Kamera gefertigt werden, lassen - wie dargelegt - eine solche Identifizierung nicht zu, so dass das genannte Grundrecht noch nicht berührt ist (ebenso OLG Bamberg NJW 2010, 100 [101]; Brenner DAR 2009, 579 [580]). Der Gegenansicht von Niehaus (DAR 2009, 632 [633]) folgt der Senat nicht. Es ist gerade nicht möglich, ohne weiteres von der Übersichtsaufnahme auf die Nahaufnahme überzugehen; hierfür bedarf es einer anderen Kamera mit einem anderen Standort.
10 
3. Die Rechtsgrundlage für die Anwendung des ViBrAM-BAMAS -Verfahrens findet sich in § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG. Den Ausführungen des OLG Bamberg (aaO für das in Bayern verwendete System VAMA, welches dem Verfahren ViBrAM-BAMAS ähnlich ist) schließt sich der Senat an (ebenso Thüringer OLG vom 6. Januar 2010 - 1 Ss 291/09 - für eine Geschwindigkeitsmessanlage und AG Schweinfurt DAR 2009, 660 für ein anderes nicht standardisiertes Überwachungssystem) .
11 
a) Diese Bestimmung ist als damaliger § 100 c durch Artikel 3 Nr. 6 des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl I S. 1302) in die StPO eingefügt worden. Ziel war - wie die Überschrift des Gesetzes ausweist - die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und nicht die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten. Andererseits findet sich im Wortlaut dieser Bestimmung keine Beschränkung auf Fälle der organisierten Kriminalität. Auch ergibt sich hieraus nicht, dass Bildaufnahmen nur für Observationszwecke gefertigt werden dürfen (so aber Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 100 h Rn. 1). § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO ist somit im Bußgeldverfahren anwendbar (ebenso Göhler/Seitz, OWiG, 15. Auflage, vor § 59 Rn. 145 a; dagegen Grunert DAR 2010, 28 [29]).
12 
b) Sofern auf den Bildern der am Fahrbahnrand aufgestellten Kamera andere Verkehrsteilnehmer als der Betroffene identifizierbar sein sollten, richtet sich die Statthaftigkeit nach § 100 h Abs. 3 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG.
13 
c) Die Subsidiaritätsklausel in § 100 h Abs. 1 Satz 1 StPO steht der Anwendung dieser Bestimmung nicht entgegen, da die Identität des Betroffenen auf andere Weise nicht ermittelt werden kann. Insbesondere ist es nicht möglich, auf stark befahrenen Autobahnen wie der A … im Bereich die Betroffenen anzuhalten.
14 
d) Der allgemeinen Ermächtigungsgrundlage des § 163 b Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG, welche die Polizei ermächtigt, die zur Feststellung der Identität des Betroffenen erforderlichen Maßnahmen zu treffen, bedarf es deshalb nicht. § 81 b StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG dürfte nicht anwendbar sein, da diese Vorschrift voraussetzt, dass der Betroffene um die Bildaufnahme weiß (vgl. LR-Schäfer, StPO, 25. Auflage, § 100 c Rn. 20).
15 
4. Die vom Betroffenen erhobene Aufklärungsrüge (§ 77 Abs. 1 OWiG) ist - wie von der Generalstaatsanwaltschaft zu Recht ausgeführt - unzulässig, da keine konkrete in das Wissen des Zeugen gestellte Tatsache dargelegt wurde (s. Göhler/Seitz aaO § 77 Rdnr. 8). Gleiches gilt in Bezug auf das Abspielen des Videofilms (Augenschein). Im übrigen ist nicht ersichtlich, dass sich dem Amtsgericht die Erhebung dieser Beweise hätte aufdrängen müssen. Weitere Verfahrensrügen, mit denen die Zuverlässigkeit der Abstandsmessung mittels des ViBrAM-BAMAS -Verfahrens, welches ein standardisiertes Messverfahren darstellt (OLG Stuttgart NStZ-RR 2007, 382), allein in Frage gestellt werden kann (BGHSt 39, 291 [301 f.]), sind nicht erhoben worden.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
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published on 14/08/2007 00:00

Tenor Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 23. Oktober 2006 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Gründe   I. 1 Das Amtsgeric
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Gründe I. 1 1. Der Beschwerdeführer wurde vom Amtsgericht Potsdam am 3. November 2009 wegen fah
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Annotations

(1) Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Wer vorausfährt, darf nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen.

(2) Wer ein Kraftfahrzeug führt, für das eine besondere Geschwindigkeitsbeschränkung gilt, sowie einen Zug führt, der länger als 7 m ist, muss außerhalb geschlossener Ortschaften ständig so großen Abstand von dem vorausfahrenden Kraftfahrzeug halten, dass ein überholendes Kraftfahrzeug einscheren kann. Das gilt nicht,

1.
wenn zum Überholen ausgeschert wird und dies angekündigt wurde,
2.
wenn in der Fahrtrichtung mehr als ein Fahrstreifen vorhanden ist oder
3.
auf Strecken, auf denen das Überholen verboten ist.

(3) Wer einen Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t oder einen Kraftomnibus führt, muss auf Autobahnen, wenn die Geschwindigkeit mehr als 50 km/h beträgt, zu vorausfahrenden Fahrzeugen einen Mindestabstand von 50 m einhalten.

(1) Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Absatz 1, die sie unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihr die Verwaltungsbehörde oder das Gericht in der Bußgeldentscheidung für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a eine Geldbuße festgesetzt, so ist in der Regel auch ein Fahrverbot anzuordnen.

(2) Das Fahrverbot wird mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. Wird er nicht freiwillig herausgegeben, so ist er zu beschlagnahmen.

(2a) Ist in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen die betroffene Person nicht verhängt worden und wird auch bis zur Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot nicht verhängt, so bestimmt die Verwaltungsbehörde oder das Gericht abweichend von Absatz 2 Satz 1, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

(2b) Werden gegen die betroffene Person mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.

(3) In anderen als in Absatz 2 Satz 3 genannten ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt. Zu diesem Zweck kann der Führerschein beschlagnahmt werden.

(4) Wird der Führerschein in den Fällen des Absatzes 2 Satz 4 oder des Absatzes 3 Satz 2 bei der betroffenen Person nicht vorgefunden, so hat sie auf Antrag der Vollstreckungsbehörde (§ 92 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) bei dem Amtsgericht eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib des Führerscheins abzugeben. § 883 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(5) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tag an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.

(6) Die Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozessordnung) wird auf das Fahrverbot angerechnet. Es kann jedoch angeordnet werden, dass die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten der betroffenen Person nach Begehung der Ordnungswidrigkeit nicht gerechtfertigt ist. Der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis steht die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozessordnung) gleich.

(7) Wird das Fahrverbot nach Absatz 1 im Strafverfahren angeordnet (§ 82 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten), so kann die Rückgabe eines in Verwahrung genommenen, sichergestellten oder beschlagnahmten Führerscheins aufgeschoben werden, wenn die betroffene Person nicht widerspricht. In diesem Fall ist die Zeit nach dem Urteil unverkürzt auf das Fahrverbot anzurechnen.

(8) Über den Zeitpunkt der Wirksamkeit des Fahrverbots nach Absatz 2 oder 2a Satz 1 und über den Beginn der Verbotsfrist nach Absatz 5 Satz 1 ist die betroffene Person bei der Zustellung der Bußgeldentscheidung oder im Anschluss an deren Verkündung zu belehren.

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.

(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.

(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.

(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist

1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder
2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
In einem Strafverfahren entnommene Blutproben und sonstige Körperzellen, deren Entnahme im Bußgeldverfahren nach Satz 1 zulässig gewesen wäre, dürfen verwendet werden. Die Verwendung von Blutproben und sonstigen Körperzellen zur Durchführung einer Untersuchung im Sinne des § 81e der Strafprozeßordnung ist unzulässig.

(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.

(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.

(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.

(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.

(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.

(1) Das Gericht bestimmt, unbeschadet der Pflicht, die Wahrheit von Amts wegen zu erforschen, den Umfang der Beweisaufnahme. Dabei berücksichtigt es auch die Bedeutung der Sache.

(2) Hält das Gericht den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt, so kann es außer in den Fällen des § 244 Abs. 3 der Strafprozeßordnung einen Beweisantrag auch dann ablehnen, wenn

1.
nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist oder
2.
nach seiner freien Würdigung das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache ohne verständigen Grund so spät vorgebracht wird, daß die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde.

(3) Die Begründung für die Ablehnung eines Beweisantrages nach Absatz 2 Nr. 1 kann in dem Gerichtsbeschluß (§ 244 Abs. 6 der Strafprozeßordnung) in der Regel darauf beschränkt werden, daß die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.