Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 01. Apr. 2011 - 6 UF 6/11

bei uns veröffentlicht am01.04.2011

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Saarbrücken vom 8. Dezember 2010 – 40 F 212/08 SO – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

3. Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung vom 23. Februar 2011 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für den zweiten Rechtszug unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt, bewilligt.

4. Dem Antragsteller wird die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

Gründe

I.

Aus der am 25. Juni 2003 geschlossenen Ehe des Vaters, Deutscher, und der Mutter, die bulgarische Staatsangehörige ist, ist am 2. Dezember 2005 – nach der Trennung der Eltern im Sommer 2005 – die betroffene Tochter A. hervorgegangen, die seither bei der Mutter lebt. Dieser wurde mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Ottweiler vom 27. März 2006 – 12 F 122/06 SO – mit Zustimmung des Vaters das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. übertragen.

Mit am 27. Mai 2008 beim Familiengericht Saarbrücken eingegangenem und der Mutter am 24. Juli 2008 zugestellten Antrag hat der Vater auf Scheidung der Ehe angetragen. Die Mutter hat mit Schriftsatz vom 24. Juni 2008 ebenfalls Scheidungsantrag gestellt und zugleich beantragt, ihr für den Fall der Ehescheidung die Alleinsorge für A. zu übertragen. Der Vater ist diesem – vom Jugendamt unterstützten – Sorgerechtsantrag entgegengetreten. Einen ferner vom Vater angebrachten und zum Scheidungsverfahren hinzuverbundenen Antrag auf Eheaufhebung haben die Eltern übereinstimmend für erledigt erklärt.

In der mündlichen Verhandlung vom 3. November 2010 haben die Eltern auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet und das Familiengericht die Folgesache elterliche Sorge vom Scheidungsverbund abgetrennt. Durch am selben Tage verkündeten und rechtskräftig gewordenen Beschluss hat es die Ehe der Eltern geschieden und erkannt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. Dezember 2010, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht der Mutter die Alleinsorge für A. übertragen.

Gegen diesen dem Vater am 10. Januar 2011 zugestellten Beschluss richtet sich dessen bereits zuvor – am 22. Dezember 2010 – beim Familiengericht eingegangene Beschwerde, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Sorgerechtsantrags der Mutter erstrebt.

Die Mutter bittet um Zurückweisung der Beschwerde.

Das angehörte Jugendamt hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Beide Eltern suchen um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.

Dem Senat haben neben den Scheidungsverbundakten die Akten des Familiengerichts Ottweiler 12 F 122/06 SO und des Familiengerichts Saarbrücken 52 F 501/10 UG vorgelegen. Letzteres Verfahren hat das Familiengericht am 21. Dezember 2010 auf Antrag der Eltern zum Ruhen gebracht, nachdem diese eine Zwischenvereinbarung geschlossen hatten, in der dem Vater – ohne nähere Konkretisierung – ein „durch den Kinderschutzbund“ begleitetes Umgangsrecht eingeräumt worden ist.

II.

Die Senatsentscheidung richtet sich gemäß Art. 111 Abs. 5 FGG-RG nach dem seit dem 1. September 2009 geltenden Recht; denn abweichend von Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen – wie hier – am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen – wie hier die am 3. November 2010 abgetrennte Folgesache Sorgerecht - ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden, was auch hinsichtlich des in der Rechtsmittelinstanz anzuwendenden Verfahrensrechts gilt (vgl. BGH FamRZ 2011, 100; siehe zum Ganzen Senatsbeschluss vom 31. März 2011 – 6 UF 128/10 – m.w.N.).

Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Vaters bleibt ohne Erfolg.

Das Familiengericht hat zutreffend – stillschweigend – seine internationale Zuständigkeit angenommen, die vorliegend aus Art. 12 Abs. 1 und 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (sog. Brüssel IIa-Verordnung; ABl. EG Nr. L 338 vom 23. Dezember 2003, S. 1) folgt, der Art. 8 Abs. 1 der Verordnung vorgeht (Art. 8 Abs. 2 der Verordnung, vgl. dazu auch BGH FamRZ 2010, 720), und den Streitfall nach Art. 15 Abs. 1 des für die Bundesrepublik Deutschland am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen (BGBl. 2010 II, S. 1527) Haager Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (sog. KSÜ; BGBl. 2009 II S. 602; vgl. dazu Schulz, FamRZ 2011, 156 m.w.N.) deutschem Sachrecht unterworfen; denn hinsichtlich der Frage des anwendbaren Rechts kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung und nicht auf den der Verfahrenseinleitung an (BGH, Beschluss vom 16. März 2011 – XII ZB 407/10 –; dort auch zum Vorrang der Brüssel IIa-Verordnung vor dem KSÜ hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit gemäß Art. 61 Brüssel IIa-Verordnung).

Zu Recht und auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens hat das Familiengericht die gemeinsame elterliche Sorge der Eltern insgesamt aufgehoben und der Mutter – über das ihr bereits zustehende Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. hinausgehend – nach § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB die Alleinsorge für diese übertragen.

Das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 75, 201; 61, 358). Der Schutz des Elternrechts, der dem Vater und der Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 107, 150; 84, 168). Dabei setzt die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus, erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten (BVerfGE 107, 150; BVerfG FamRZ 2004, 354; BGH FamRZ 2008, 592). Insbesondere auch für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf das Elternrecht der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 107, 150; 92, 158; BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010 – 1 BvQ 4/10 –, juris), in deren Rahmen der Gesetzgeber einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind zuordnen darf. Maßstab und Ziel einer Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist indes nicht der Ausgleich persönlicher Defizite zwischen den Eltern mittels Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil, sondern allein das Kindeswohl (BVerfG FF 2009, 416; vgl. auch BGH FamRZ 2005, 1167).

Dem dient § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil – vorbehaltlich der Regelung des § 1671 Abs. 3 BGB – auf Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. BVerfG FF 2009, 416; BGH FamRZ 2010, 1060 m. Anm. Völker). Bei der Anwendung dieser Vorschrift haben die Richter eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010 – 1 BvQ 4/10 –, juris, m.w.N.), insbesondere auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen (vgl. dazu BVerfG FF 2009, 416; FamRZ 2004, 1015; BGH FamRZ 2005, 1167). Dabei ist es allerdings von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen Sorge einen Vorrang einzuräumen; ein solcher findet sich auch nicht in der Regelung des § 1671 BGB wieder. Genauso wenig kann vermutet werden, dass die gemeinsame Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (vgl. BVerfGE 107, 150; BGH FamRZ 2008, 592; 1999, 1646).

Freilich schließt nicht jede Spannung oder Streitigkeit zwischen den Eltern die gemeinsame Wahrnehmung des Sorgerechts aus; vielmehr kommt es darauf an, welche Auswirkungen eine fehlende Einigung bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird. Besteht zwischen den Eltern in den Grundlinien der Erziehung Einvernehmen und streiten sie nur über Nebenfragen, so besteht ebenso wenig Anlass, die gemeinsame Sorge aufzuheben, wie wenn unbeschadet bestehender Meinungsverschiedenheiten eine Kooperation auf der Elternebene noch möglich ist. Denn aufgrund des „ethischen Vorrangs“, der dem Idealbild einer von beiden Elternteilen auch nach ihrer Trennung verantwortungsbewusst im Kindesinteresse ausgeübten gemeinschaftlichen elterlichen Sorge einzuräumen ist, ist eine Verpflichtung der Eltern zum Konsens nicht zu bestreiten. Die bloße Pflicht zur Konsensfindung vermag indessen eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen. Denn nicht schon das Bestehen der Pflicht allein ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität eben nicht verordnen lässt. Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich (BGH FamRZ 2008, 592; vgl. zum Ganzen auch Senatsbeschlüsse vom 26. August 2009 – 6 UF 68/09 –, FamRZ 2010, 385, vom 30. Juli 2010 – 6 UF 52/10 –, juris, und vom 5. Januar 2011 – 6 UF 96/10 –, jeweils m.w.N.).

Diesen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben hält die vom Familiengericht erkannte vollständige Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge für A. stand. Bei den hier gegebenen Umständen und der angezeigten strikt kindeswohlzentrierten Betrachtungsweise hat das Familiengericht zu Recht angenommen, dass eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen – auch in Teilbereichen – nicht mehr in einer Art und Weise gewährleistet ist, die auch bei Meinungsverschiedenheiten den Eltern eine kindeswohlverträgliche Entscheidung erwarten ließe und nachteilige Folgen für das Wohl A.s vermiede.

Das Beschwerdevorbringen des Vaters ist nicht geeignet, diese Beurteilung in Frage zu stellen.

Das Familiengericht hat ausgeführt, die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamts habe in der Sitzung vom (richtig allerdings:) 10. Mai 2010 detailliert berichtet und geschildert, wie der Versuch der Kommunikation der Eltern miteinander und ihr Versuch, eine dauerhafte Umgangsregelung herbeizuführen, gescheitert sei. Dies steht mit der entsprechenden Sitzungsniederschrift in Einklang, in der die Mitarbeiterin anschaulich ihre weit überdurchschnittlichen Bemühungen dargestellt hat, einen Umgang zwischen Vater und Kind anzubahnen, was aber bereits nach zwei stattgefundenen Terminen gescheitert ist. Sie hat ausdrücklich ausgeführt, dass die Kommunikation auf Elternebene überhaupt nicht funktioniere.

Weiter hat sich das Familiengericht ausweislich des angefochtenen Beschlusses davon leiten lassen, dass der Vater der Meinung sei, die Mutter habe ihn bei Eingehung der Ehe arglistig über ihre wahren Motive, unter anderem die Erlangung des Aufenthaltsrechts, getäuscht. Er beschuldige sie in seinem Schreiben vom 22. Juli 2010, ihn zu verleumden. In der Sitzung vom 3. November 2010 habe er gemutmaßt, die Mutter habe zusammen mit ihren Eltern seine medizinische Untersuchung in Gang gesetzt, der er sich verweigert habe und die zu falschen Schlüssen geführt habe. Auch diese Feststellungen entsprechen der Aktenlage und werden vom Vater, dessen Beschwerdevorbringen vor allem rechtliche Fragen aufgreift und ihm vermeintlich günstige Präjudizfälle anführt, im Tatsächlichen nicht ansatzweise belastbar in Zweifel gezogen.

Wenn das Familiengericht auf dieser Grundlage annimmt, dass es den Eltern an der für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge notwendigen Kommunikationsfähigkeit und -willigkeit fehlt, so ist dies bei den vorliegenden Gegebenheiten nicht zu beanstanden und findet die Billigung des Senats, zumal die Verbundakten von erheblichen, sehr herabsetzenden Vorwürfen durchzogen werden, die der Vater gegen die Mutter erhebt. Neben der Behauptung, die Mutter habe ihn aus aufenthaltsrechtlichen Gründen geheiratet, hat die vormalige Verfahrensbevollmächtigte des Vaters mit Schriftsatz vom 28. Januar 2010 im Scheidungsverfahren seine Behauptung wiedergegeben, die Mutter habe ihn nur zur Erlangung des Adelstitels geheiratet. Dies zieht sich auch durch sein persönlich eingereichtes, ausführliches Schreiben vom 7. Dezember 2009; die Mutter wolle mit dem adeligen Namen nur Profit erreichen und verleumde ihn. Er führt darin ferner aus, er schenke der Mutter keinen Glauben mehr, diese und seine eigene Familie versuchten alles, um ihn zu diskreditieren. Er spricht dort von „Lügen“ und „Manipulation[en]“, „Tricks“ und „Intrigen“ der Mutter. Er schreibt, er halte nichts von den Erziehungsmethoden der Mutter. Der Vater beschreibt ferner den Vorfall in der Kanzlei seiner vormaligen Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwältin, und führt in diesem Zusammenhang aus, dies „sprengt jedes Maß an Frechheit und Falschheit und Hinterhältigkeit, dass ich je erlebt habe. Selbst bei D.“ [also der Mutter]. 2001 habe er vermutet, die Mutter würde der Prostitution nachgehen. Ihre Zeugnisse habe er nie geprüft. Er vermute inzwischen, dass die Mutter seiner Verliebtheit zeitweise mit Amphetamin oder Weckaminen nachgeholfen habe. Schädigende Absichten und Profitstreben der Mutter bei der Heirat behauptet der Vater auch mit seinem an das Gericht gerichteten persönlichen Antrag auf Aufhebung der Ehe vom 18. Februar 2010, in dem erneut zahlreiche ehrenrührige Vorwürfe gegen die Mutter enthalten sind („Verleumdung“), zumal der Vater dort einen Zusammenhang zwischen der seiner Auffassung nach von der Mutter befürchteten Eheaufhebung und ihrer Schwangerschaft mit A. herstellt und im selben Absatz ausführt: „Eine Vaterschaft ist wenig wahrscheinlich, sollte aber zugunsten des Kindes derzeit vielleicht besser nicht angefochten sein.“ Die diesem Schreiben beigegebenen Anlagen sprechen dieselbe Sprache und lassen an der Mutter nicht einmal den Ansatz eines guten Haares. Hinzu kommt die – vom Vater unwidersprochen gebliebene – Darstellung der Mutter in der Beschwerdeerwiderung, der Vater habe gegen sie eine Anzeige wegen Scheinehe eingereicht.

Im Lichte all dieser Umstände vermag der Senat schlicht nicht mehr nachzuvollziehen, auf welche Tatsachen der Vater seine in der Beschwerde vertretene Ansicht gründen will, die Beteiligten seien willens und in der Lage, einvernehmliche Lösungen zu finden. Wie bei solch heftigen Anschuldigungen auf die zur Ausübung der gemeinsamen Sorge notwendige tragfähige soziale Beziehung der Eltern geschlossen werden soll, erschließt sich – und zwar auch unter Berücksichtigung der nunmehr zwischen den Eltern im Verfahren 52 F 501/10 UG geschlossenen Zwischenvereinbarung über das Umgangsrecht des Vaters mit A. – dem Senat nicht im Ansatz, zumal der Vater selbst vorgetragen hat, dass er nichts von den Erziehungsmethoden der Mutter halte, so dass es auch an dem für eine für das Kind gedeihliche Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge notwendigen Einvernehmen der Eltern in den Grundlinien der Erziehung fehlt.

Soweit der Vater gegen den angefochtenen Beschluss sinngemäß erinnert, die Kommunikationsschwierigkeiten der Eltern hätten weder in der Vergangenheit zu Nachteilen für das Kind geführt noch sei solches in Zukunft zu erwarten, verfängt dies ebenfalls nicht. Zwar ist nach den dargestellten Maßstäben – neben der fehlenden Kooperationsfähigkeit und -willigkeit der Eltern - Voraussetzung für die Aufhebung der gemeinsamen Sorge auch die Prognose, dass deren Aufrechterhaltung für das Kind nachteiliger wäre. Dies aber kann hier unabhängig davon nicht ernsthaft bezweifelt werden, ob es in der Vergangenheit Situationen gegeben hat, in der die Mitwirkung des Vater erforderlich gewesen, aber ausgeblieben ist, was dieser bestreitet. Denn solches kann jederzeit und unvorhergesehen geschehen; dann aber ist eine A. dienliche Entscheidung schon deshalb nicht zu erwarten, weil der Vater der Mutter nicht einmal in Grundzügen Vertrauen entgegenbringt. Es ist deshalb vielmehr sehr wahrscheinlich, dass er sich reflexartig deren Einschätzung widersetzen und seine eigenen Vorstellungen ohne Kompromissbereitschaft vertreten wird, zumal hier erneut gewichtig zu berücksichtigen ist, dass er die Erziehungsmethoden der Mutter nicht billigt. Abgesehen davon – und selbständig tragend – ist bei den hier obwaltenden Gegebenheiten der Mutter die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge – auch bei strikt kindzentrierter Betrachtung – angesichts der steten und massiven Herabwürdigungen des Vaters auch nicht mehr zumutbar. Hiernach kommt es nicht mehr darauf an, ob der Vater – was die Mutter andeutet – gesundheitlichen Einschränkungen unterliegt.

Unter nochmaliger Wägung der gesamten Einzelfallumstände tritt der Senat auch der Auffassung des Familiengerichts bei, dass eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nur in weiteren Teilbereichen als des Aufenthaltsbestimmungsrechts – trotz des insoweit zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – nicht in Betracht kommt, weil dies dem Wohle A.s nicht entspräche. Es ist vielmehr konkret zu befürchten, dass die Aufrechterhaltung auch nur eines Teils der gemeinsamen Sorge kurzfristig zu erheblichen Nachteilen für diese führen würde; diese wird sich aller Voraussicht nach besser entwickeln, wenn man das sorgerechtliche Band, das die Eltern miteinander verbindet, restlos durchtrennt, wovon das Umgangsrecht des Vaters mit A. unberührt bleibt.

Hat das Familiengericht hiernach zu Recht die gemeinsame elterliche Sorge vollständig aufgehoben, so teilt der Senat ebenfalls vollumfänglich die Auffassung des Familiengerichts, dass – auf der zweiten Prüfungsebene des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) – gerade der Mutter die Alleinsorge zu übertragen ist. Eine auf § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB gegründete Übertragung der Alleinsorge oder Teilbereiche derer auf den Vater kommt schon mangels eines dahingehenden Antrags des Vaters, den § 1671 Abs. 1 BGB ausweislich seines Wortlauts zwingend voraussetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Juli 2010 – 6 UF 52/10 –, juris; Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 4. Aufl. 2011, § 1, Rz. 273), nicht in Betracht, zumal die Mutter bereits das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. innehat, sich dessen Änderung daher – was das Familiengericht zutreffend erkannt hat – nach dem Maßstab des (offensichtlich gemeint:) § 1696 Abs. 1 BGB richten würde (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 21. Februar 2011 – 6 UF 150/10 – m.w.N.).

Anhaltspunkte dafür, dass die elterliche Sorge ganz oder teilweise aufgrund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss (§ 1671 Abs. 3 BGB; siehe dazu BGH FamRZ 2010, 1060 m.w.N.), sind weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.

Die Angriffe des Vaters gegen die erstinstanzliche Verfahrensgestaltung gehen fehl.

Soweit der Vater beanstandet, dass das Familiengericht sich hätte veranlasst sehen müssen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, dringt dies nicht durch. Dessen Einholung, die der Vater auch zweitinstanzlich beantragt, bedurfte und bedarf es im Lichte von § 26 FamFG nicht, da das Familiengericht und der Senat über ausreichende Sachkunde verfügen, um festzustellen, dass im vorliegenden Streitfall zu besorgen ist, dass die Eltern künftig nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge in kindeswohlverträglicher Form beizulegen.

Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge des Vaters, es habe erstinstanzlich keine ordnungsgemäße Anhörung A.s stattgefunden.

Aus der Niederschrift über den in Rede stehenden Anhörungstermin geht hervor, dass der erkennende Richter selbst versucht habe, das Kind anzuhören, A. aber nicht alleine mit dem Richter habe sprechen wollen, weshalb eine Anhörung A.s nicht möglich gewesen sei. Der Richter habe aber im Laufe der Sitzung einen Eindruck von A. gewinnen können, die die Sitzung – im allseitigen Einverständnis – auf dem Schoß ihrer Mutter miterlebt habe. Sie habe gemalt und auf das Lob des Richters erklärt, sie habe das im Kindergarten gelernt.

Bei den hier gegebenen Umständen genügt diese Verfahrensweise den Anforderungen, die § 159 FamFG (früher: § 50 b FGG) an die persönliche Anhörung des Kindes stellt (vgl. dazu – grundlegend – BVerfG FamRZ 1981, 124; vgl. auch BGH FamRZ 2010, 1060). Das Familiengericht hat sich einen unmittelbaren Eindruck von A. verschafft und ihre persönliche Anhörung versucht. Dass diese sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht zu den Fragen äußern wollte oder konnte, die aus der Sicht des Gerichts für die Entscheidung bedeutsam sind, ist grundsätzlich hinzunehmen. Dies gilt – davon unabhängig – umso mehr, als vorliegend die Neigungen, Bindungen oder der Wille der jetzt fünfjährigen A. nicht von streitentscheidender (§ 159 Abs. 2 FamFG) Bedeutung sind, weil sie zur Klärung der allein verfahrensgegenständlichen Frage, ob wesentliche Sorgerechtsbelange von den Eltern gemeinsam oder von der Mutter alleine entschieden werden sollen, altersbedingt keinen entscheidungserheblichen Beitrag leisten kann und A., die nach der Trennung der Eltern geboren worden ist und deren Lebensmittelpunkt vorliegend nicht in Streit steht, aktenersichtlich seit langem kaum Kontakt mehr zu ihrem Vater hatte.

Unter Berücksichtigung auch dessen hat der Senat bei den gegebenen Umständen nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von einer persönlichen Anhörung der Eltern und A.s in der Beschwerdeinstanz abgesehen. Der zu beurteilende Sachverhalt ist erstinstanzlich verfahrensfehlerfrei und umfassend aufgeklärt worden. Von einer erneuten Anhörung sind bei den hier obwaltenden Gegebenheiten keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten, zumal der anwaltlich vertretene Vater keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat, die für die Sachdienlichkeit erneuter Anhörung sprechen (vgl. BVerfG FamRZ 1984, 139; VerfGH Berlin FamRZ 2001, 848; Senatsbeschluss vom 30. Juli 2010 – 6 UF 52/10 –, juris m.w.N.).

Nach alldem bewendet es bei dem angefochtenen Beschluss.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 150 Abs. 5 S. 2, 137 Abs. 3 und Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 84 FamFG; ein Grund dafür, den Vater von den ihm regelmäßig aufzuerlegenden Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu entlasten, ist nicht ersichtlich.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 40 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 45 Abs.1 Nr. 1 FamGKG.

Der Mutter ist Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 114 S. 1, 119 Abs. 1 S. 2 ZPO) und gemäß § 78 Abs. 2 FamFG die sie vertretende Rechtsanwältin beizuordnen.

Dem Vater ist die nachgesuchte Verfahrenkostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht seiner Beschwerde zu verweigern (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 S. 1 ZPO).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 70 FamFG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 01. Apr. 2011 - 6 UF 6/11

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Tenor 1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Saarlouis vom 27. Mai 2009 – 22 F 9/09 SO – wird zurückgewiesen. 2. Der Antragsgegner hat den übrigen Beteiligten ihre außergerichtlichen Kost

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(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

Tenor

1. Auf die als Beschwerde zu behandelnde Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – in St. Wendel vom 20. September 2010 – 6 F 338/07 S – mitsamt des ihm zugrunde liegenden Verfahrens unter Wiederherstellung des Scheidungsverbundes mit den anhängigen Folgesachen Versorgungsausgleich, Güterrecht und nachehelicher Unterhalt aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das Familiengericht zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

Tatbestand

I.

Der 1964 geborene Antragsteller und die 1963 geborene Antragsgegnerin, beide Deutsche, haben am 2. Juli 2001 die Ehe miteinander geschlossen. Aus der Ehe ist die Tochter geboren am 29. Dezember 2001, hervorgegangen, die seit der Trennung der Beteiligten im November 2006 bei der Antragsgegnerin lebt.

Der Trennungsunterhalt wurde durch zwischen den Beteiligten am 7. Juli 2008 vor dem Amtsgericht – Familiengericht – in St. Wendel geschlossenen Vergleich – 6 F 68/07 – geregelt, in dem sich der Antragsteller verpflichtete, an die Antragsgegnerin ab Juli 2008 einen Trennungsunterhalt von monatlich 249 EUR zu zahlen, nachdem dieser zuvor im Verfahren 6 F 68/07 EA Nr. I UE des Familiengerichts im Wege einstweiliger Anordnung, zuletzt – nach Abänderung – in selber Höhe tituliert worden war. Bezüglich des Trennungsunterhalts ist zurzeit beim Familiengericht das Abänderungsverfahren 6 F 192/10 UE anhängig.

Die Antragsgegnerin wendet sich dagegen, dass das Familiengericht die Ehe der Beteiligten vor Entscheidung über die Folgesachen Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt geschieden hat.

Mit am 12. November 2007 eingegangenem und der Antragsgegnerin am 21. November 2007 zugestelltem Antrag hat der Antragsteller die Scheidung der Ehe begehrt.

Im Wege am 25. Februar 2008 eingereichter und am selben Tag vom Antragsgegner als zugestellt angenommener Verbundstufenklage hat die Antragsgegnerin den Antragsteller auf Zugewinnausgleich in Anspruch genommen; zuletzt hat sie beantragt, den Antragsteller zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit der von ihm im Rahmen des Zugewinnausgleichsverfahrens erteilten Auskunft an Eides Statt zu versichern, hilfsweise, den Antragsteller zu verurteilen, an die Antragsgegnerin einen Zugewinnausgleich von mindestens 2.500 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Mit weiterer, am 15. Januar 2009 eingegangener und am 19. Januar 2009 zugestellter Verbundstufenklage hat die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller nachehelichen Unterhalt geltend gemacht, zuletzt hat sie gebeten, den Antragsteller vorbehaltlich der Erhöhung nach Auskunftserteilung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verurteilen, an die Antragsgegnerin einen monatlich im Voraus fälligen nachehelichen Unterhalt von 400 EUR nebst Zinsen auf entstehende Rückstände zu zahlen.

In den beiden letztgenannten Folgesachen ist der Antragsteller dem Begehren der Antragsgegnerin vollumfänglich entgegengetreten.

Zu dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 6. September 2010 gestellten Scheidungsantrag des Antragstellers und seinem Antrag auf Abtrennung aller Folgesachen hat sich die Antragsgegnerin dahin erklärt, dass sie nur im Scheidungsverbund geschieden werden wolle.

Mit Beschluss vom 20. September 2010, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Folgesachen Versorgungsausgleich, Güterrecht und nachehelicher Unterhalt nach § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO abgetrennt. Das Scheidungsverfahren sei seit 21. November 2007 rechtshängig. Ab einer Verfahrensdauer von zwei Jahren liege eine außergewöhnliche Verfahrensdauer vor. Für den Antragsteller liege durch diese Verfahrensdauer eine unzumutbare Härte vor, da er beabsichtige, eine neue Ehe einzugehen. Außerdem sei nach seiner Ansicht der Trennungsunterhalt wesentlich zu hoch tituliert, weshalb die Antragsgegnerin die Scheidung verzögere.

Durch das angefochtene Urteil vom 20. September 2010, das in Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Ehe der Beteiligten geschieden.

Der Senat hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 16. Dezember 2010 Verfahrenkostenhilfe für die Durchführung des von ihr beabsichtigten Rechtsmittels gegen das angefochtene Urteil bewilligt.

Mit ihrer – mit einem Wiedereinsetzungsgesuch verbundenen – Berufung beantragt die Antragsgegnerin zuletzt vorrangig, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen, hilfsweise den Antrag auf Ehescheidung in entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils kostenpflichtig abzuweisen.

Der Antragsteller bittet um Zurückweisung der Berufung.

Der Senat hat der Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung ihres Rechtsmittels gewährt und die beigezogenen Akten 6 F 68/07 und 6 F 68/07 EA Nr. I UE des Familiengerichts zum Gegenstand des Senatstermins gemacht.

Entscheidungsgründe

II.

Die Senatsentscheidung richtet sich – wie im Senatstermin erörtert – gemäß Art. 111 Abs. 5 FGG-RG nach dem seit dem 1. September 2009 geltenden Recht; denn abweichend von Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen – wie hier – am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden (vgl. dazu Horndasch/Viefhues, FamFG, 2. Aufl., Art. 111 FGG-RG, Rz. 21; Schulte-Bunert/Weinreich/Schürmann, FamFG, 2. Aufl., Art. 111 FGG-RG, Rz. 23; Büte, FuR 2010, 421; Friederici, FF 2010, 293; Kemper, FPR 2010, 69; Schneider, NJW-Spezial 2010, 603). Dies gilt auch hinsichtlich des in der Rechtsmittelinstanz anzuwendenden Verfahrensrechts (vgl. BGH FamRZ 2011, 100).

Dessen unbeschadet ist die von der Antragsgegnerin mit dieser Maßgabe entgegen § 64 Abs. 1 FamFG beim Saarländischen Oberlandesgericht eingelegte Berufung nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung als solche statthaft, weil das Familiengericht durch Urteil entschieden hat (vgl. dazu BGHZ 98, 362; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21. Oktober 2010 – 6 UF 77/10 –, juris; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., Vor § 511, Rz. 30 m.w.N.). Auch im Übrigen ist das Rechtsmittel nach Berufungsrecht – nach gewährter Wiedereinsetzung in die Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfrist – zulässig; insbesondere ist die Antragsgegnerin beschwert.

Denn wird einem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine Folgesache gegen den Willen des Betroffenen stattgegeben, so liegt darin eine selbständige, durch Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch rügbare Beschwer (vgl. – zum alten Recht – BGH FamRZ 2008, 2268; 1996, 1070 und 1333; 1986, 898; 1984, 254; Senatsurteile vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris m.w.N. und vom 3. März 2011 – 6 UF 117/10 –; ebenso zum neuen Recht OLG Bremen, Beschluss vom 22. November 2010 – 4 WF 151/10 –, juris).

Dies gilt unabhängig davon, ob die Abtrennung der Folgesache im Scheidungs-erkenntnis selbst oder – wie hier – durch einen gesonderten Beschluss erfolgt ist (vgl. BGH FamRZ 1996, 1070 und 1333; Senatsurteil vom 29. Juli 2004 – 6 UF 12/04 –, OLGR 2004, 660 m.w.N.). Denn der vorangegangene Abtrennungsbeschluss ist gemäß § 140 Abs. 6 FamFG nicht selbständig anfechtbar, sondern unterliegt der Beurteilung des Senats im Rahmen der Anfechtung des Scheidungsausspruchs, § 58 Abs. 2 FamFG.

Die im Weiteren als Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG zu behandelnde Berufung hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg.

Das Familiengericht hat – zudem auf der Grundlage des falschen Verfahrensrechts – ein unzulässiges Teilurteil erlassen. Dieses verfällt wegen § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i.V.m. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 3 i.V.m. § 301 ZPO von dem – allerdings auch ausdrücklich gestellten – Antrag der Antragsgegnerin unabhängig mitsamt des ihm zugrunde liegenden Verfahrens der Aufhebung und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht über den Scheidungsantrag und die – hinsichtlich der Berechtigung ihrer Abtrennung vom Scheidungsverbund allesamt zur Überprüfung des Senats gestellten (vgl. dazu BGH FamRZ 2011, 31) – Folgesachen Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt. Denn das Familiengericht hat unter Verstoß gegen das in § 137 Abs. 1 FamFG niedergelegte Verbundprinzip die Ehe der Beteiligten geschieden, ohne zugleich in jenen Folgesachen zu erkennen.

Die Voraussetzungen des nach neuem Recht maßgeblichen § 140 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 5 FamFG, der mit der vom Familiengericht – aus seiner Sicht folgerichtig – herangezogenen Vorschrift des § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO a.F. bezüglich der hier entscheidungserheblichen Voraussetzungen übereinstimmt, liegen nicht vor.

Jene Vorschrift verpflichtet das Familiengericht auf Antrag eines Ehegatten zur Ausübung seines ihm eingeräumten Ermessens (BGH FamRZ 1991, 1043) hinsichtlich der Frage, ob sich der Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass ein weiterer Aufschub unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Zwar hat das Familiengericht zu Recht angenommen, dass sich vorliegend durch die gleichzeitige Entscheidung über den Scheidungsantrag und alle Folgesachen der Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögern würde. Hiervon ist bei einer – im Falle der Aufrechterhaltung des Scheidungsverbundes zu gewärtigenden – Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren in der Regel auszugehen, wobei auf die Zeit der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages desjenigen Ehegatten abzustellen ist, der sich auf eine unzumutbare Härte beruft (BGH FamRZ 1986, 898; Senatsurteile vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris, m.w.N.). Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 21. November 2007 zugestellt worden, so dass die Verfahrensdauer hier zwei Jahre überschreitet.

Indessen vermag der Senat der weiteren Annahme des Familiengerichts, diese Verfahrensdauer bedeute eine unzumutbare Härte für den – sich allein hierauf berufenden – Antragsteller, nach der gebotenen Abwägung der Umstände des Einzelfalls (BGH FamRZ 1986, 898) nicht beizutreten.

Da die Vorschriften über den Verbund dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten dienen und dieser Zweck nicht vereitelt werden darf, ist § 140 S. 2 Nr. 5 FamFG eng auszulegen. Der Einführung des Scheidungsverbundes liegen nämlich Erwägungen zugrunde, die eine umfassende Regelung der persönlichen und wirtschaftlichen Folgen zusammen mit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Interesse der Ehegatten betreffen. Danach ist Sinn und Zweck des Verbundes die Vermeidung der Rechtslage, die dadurch eintreten kann, dass ein Beteiligter seinen Status als Ehegatte durch die Rechtskraft des Scheidungsausspruchs verliert, ohne dass eine Regelung über die Folgen getroffen ist (vgl. zu § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO a.F. Senatsurteil vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris; OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 64; OLG Köln, FamRZ 1998, 301).

Soweit sich der Antragsteller zur Darstellung seines Interesses an einer möglichst raschen Scheidung darauf beruft, dass er seine Verlobte ehelichen möchte, kann dahinstehen, ob diese Heiratsabsicht ernst oder – wie die Antragsgegnerin unter Behauptung wechselnder Partnerschaften des Antragstellers geltend macht – vorgeschoben ist. Denn mittlerweile ist es gesellschaftlich anerkannt, mit seinem Partner zusammenzuleben, ohne verheiratet zu sein. Etwas anderes mag dann gelten können, wenn ein Kind aus der neuen Verbindung erwartet wird oder die Lebenserwartung des Ehegatten, der nach der Scheidung wieder heiraten will, durch hohes Alter oder schlechten Gesundheitszustand begrenzt ist (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 18. November 2010 – 9 UF 26/10 –, juris; OLG Hamm, FamRZ 2009, 710; KG FamRZ 2001, 928). Solches ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Berufung des Antragstellers darauf, dass seine Verlobte ein Zusammenleben mit ihm davon abhängig macht, dass dieser geschieden sei und sie heirate, und die weitere Verzögerung der Scheidung diese Beziehung gefährde, ist als Grund für eine unzumutbare Härte nicht ausreichend, zumal der Antragsteller seiner eigenen Darstellung nach die Verzögerung nicht zu verantworten habe, er sich also keinen berechtigten Vorwürfen seiner Verlobten ausgesetzt sehen dürfte.

Insoweit, als der Antragsteller vorbringt, die Antragsgegnerin verschleppe das Scheidungsverfahren mit dem Ziel, möglichst lange – und zu hohen – Trennungsunterhalt vom Antragsgegner fordern zu können, kann er auch damit auf der Grundlage des sich dem Senat im Beschwerdeverfahren darbietenden Sach- und Streitstandes nicht durchdringen.

Zwar kann das Verhalten eines Beteiligten, das der prozessualen Förderungspflicht nicht entspricht, im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigt werden (BGH FamRZ 1986, 898; Senatsurteil vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris, m.w.N.). Für die Annahme eines derart einseitigen Verstoßes der Antragsgegnerin entbehrt die Akte indessen sowohl in der Scheidungs- als auch in allen Folgesachen ausreichender Anhaltspunkte.

In der Scheidungssache selbst sind entsprechende Verfahrensverzögerungen nicht zu verzeichnen.

In der Folgesache Versorgungsausgleich hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 11. Mai 2009 vorgetragen, sie habe festgestellt, dass beide Ehegatten in der Vergangenheit eine Rentenversicherung bei der Allianz abgeschlossen hätten, und die Nummer ihrer eigenen Rentenversicherung mitgeteilt. Sie hat begehrt, dem Antragsteller aufzugeben, Auskunft über die von ihm abgeschlossene Rentenversicherung zu erteilen sowie über bestehende Altersversorgungen aus der Ehezeit, insbesondere auch zu Zusatzversorgungen des oder über den Arbeitgeber. Diesen Schriftsatz hat das Familiengericht dem Antragsteller mit Verfügung vom 14. Mai 2009 zugeleitet, ohne dass dieser sich seither hierzu verhalten hat, obwohl die Antragsgegnerin diesbezüglich – zuletzt mit Schriftsatz vom 2. September 2010 im Scheidungsverfahren – ausdrücklich daran erinnert hat. Die Behauptung der Antragsgegnerin ist auch leicht nachvollziehbar, nachdem der Antragsteller selbst mit Schriftsatz vom 28. Januar 2009 in der Folgesache nachehelicher Unterhalt vorgetragen hat, ergänzende Altersvorsorge durch eine Zusatzrentenversicherung zu betreiben. Die Folgesache Versorgungsausgleich war daher – entgegen der Auffassung des Antragstellers – auch auf der Grundlage des alten Versorgungsausgleichsrechts nicht entscheidungsreif, weil die von der Antragsgegnerin aufgeworfene Frage amtswegiger Klärung bedurft hat und weiter bedarf (§ 26 FamFG). Insoweit wird der Antragsteller zur Mitwirkung anzuhalten sein (§ 220 Abs. 1 und 5 FamFG).

Auch die Zeitdauer in der Folgesache Zugewinnausgleich hat nicht die Antragsgegnerin zu verantworten. Die vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 6. März 2008 erteilte Auskunft über sein Anfangs- und Endvermögen hat sich im weiteren Verlauf als unvollständig erwiesen; denn der Antragsteller hat selbst mit Schriftsatz vom 23. April 2009 ergänzend angeben müssen, über eine Fondsbeteiligung bei der Kreissparkasse St. Wendel, Konto Nr. 179 222 427, zu verfügen. Den Depotwert zum für das Endvermögen maßgeblichen Stichtag hat der Antragsteller erst mit Schriftsatz vom 9. März 2010 letztverbindlich anzugeben und zu erläutern gewusst.

Die formlose Aufforderung des Familiengerichts an die Antragsgegnerin vom 1. April 2010, mitzuteilen, welche Auskünfte noch fehlen oder Leistungsantrag zu stellen, hat diese mit Schriftsatz vom 27. Mai 2010 beantwortet und auf ihren weiter gestellten Antrag vom 16. April 2009 auf Verurteilung des Antragstellers zur eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich der Richtigkeit der zu seinem Endvermögen erteilten Auskunft verwiesen. Diesen Antrag hat sie mit Schriftsatz vom 2. September 2010 aufrecht erhalten. Über ihn ist bislang – aus dem Senat nicht bekannten Gründen – nicht entschieden.

In Anbetracht dieses Verfahrensgangs ist der Antragsgegnerin die Verzögerung des Zugewinnausgleichsverfahrens ebenfalls nicht anzulasten.

In der Verbundsache nachehelicher Unterhalt hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 20. April 2009 ihren Anspruch auf mindestens 400 EUR monatlich beziffert. Der letzte Schriftsatz in der Akte dieser Folgesache datiert vom 22. Juli 2009, seitdem wurde das Verfahren vom Familiengericht insoweit nicht mehr gefördert. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens hat die Antragsgegnerin – angesichts der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit unschwer nachvollziehbar – das Familiengericht mit Schriftsatz vom 8. Februar 2010 gebeten, dem Antragsteller aufzugeben, seine Einkünfte aus dem Jahr 2009 vollumfänglich darzutun und zu belegen. Auch dies hat das Familiengericht nicht zum Anlass genommen, in dieser Folgesache zweckdienliche verfahrensleitende Maßnahmen zu ergreifen. Dies hat die Antragsgegnerin jedenfalls nicht alleine zu vertreten, wenngleich nicht verkannt werden kann, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin außergerichtlich mit Schreiben vom 9. Februar 2010 die Einkommensbelege für 2009 übermittelt hat.

Allein der Umstand, dass ein Ehegatte, wenn die Ehe vorab nicht geschieden wird, für die Trennungszeit erheblich mehr Unterhalt zahlen müsste als nach der Scheidung, begründet im Übrigen keine unzumutbare Härte i.S.d. § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG (vgl. zu § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO a.F. OLG Brandenburg, Urteil vom 18. November 2010 – 9 UF 26/10 –, juris; OLG Hamm, FamRZ 2007, 651; OLG Koblenz, FamRZ 1990, 769). Die Antragsgegnerin müsste vielmehr die Folgesache verzögert haben, um möglichst lange die mit der Scheidung wegfallende Unterhaltsrente zu beziehen (BGH FamRZ 1991, 2491; OLG Brandenburg, Urteil vom 18. November 2010 – 9 UF 26/10 –, juris; OLG Hamm, FamRZ 2007, 651). Mag auch das Gesamtverhalten der Antragsgegnerin in jüngster Zeit tendenziell eine solche Absicht nicht als ausgeschlossen erscheinen lassen, so fehlt es doch – wie dargestellt – bezogen auf den gesamten Verfahrensablauf bisher noch an einer schuldhaften Verzögerung einseitig durch die Antragsgegnerin, zumal zu berücksichtigen ist, dass es dem Verbundgedanken entspricht, das Interesse des Ehegatten an wirtschaftlicher Sicherung hoch zu bewerten (Senatsurteil vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris, m.w.N), und der Regelung des Nachscheidungsunterhalts außerdem, weil sie die gegenwärtige Lebenssituation des Unterhaltsberechtigten unmittelbar berührt, hohe Bedeutung zukommt (BGH FamRZ 1986, 898).

Damit steht in Zusammenhang, dass die Antragsgegnerin derzeit über keinen gesicherten Unterhaltstitel verfügt. Mit Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung über den Trennungsunterhalt ist die – ausdrücklich allein diesen bezüglich – erlassene einstweilige Anordnung wegen § 621 g S. 2 i.V.m. § 620 f Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. endgültig außer Kraft getreten (vgl. auch Senatsurteil vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris, m.w.N.). Die vorzeitige Scheidung der Ehe würde daher hier für die Antragsgegnerin zu einem ungeregelten Zustand führen. Genau eine derartige Situation der Unsicherheit soll durch die gesetzliche Regelung des § 137 Abs. 1 FamFG, der eine gleichzeitige Entscheidung von Scheidungs- und Folgesachen vorschreibt, vermieden werden (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2009, 710).

Dieser Zustand könnte auch durch eine neuerliche, umfassende einstweilige Anordnung zum Unterhalt nicht ausreichend abgemildert werden. Diese könnte jederzeit abgeändert werden und hätte daher eine deutlich geringere Bestandskraft als ein Hauptsachetitel auf nachehelichen Unterhalt, der den erheblich strengeren Abänderungsvoraussetzungen des § 238 FamFG unterliegt. Mit einer einstweiligen Anordnung würde daher dem Interesse der Antragsgegnerin an der Beibehaltung des Verbunds nicht entsprochen (vgl. Senatsurteil vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris, m.w.N; OLG Zweibrücken, FamRZ 1998, 1525).

Dem Antragsteller stand und steht es demgegenüber frei, im Rahmen eines – zwischenzeitlich im November 2010 eingeleiteten – Abänderungsverfahrens auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem bestehenden Trennungsunterhaltstitel anzutragen.

Auch wenn sich schließlich die – ebenfalls abwägungsrelevante (OLG Köln, FamRZ 2000, 1294 [Leitsatz, Volltext in juris]) – Zeitdauer des Scheidungsverfahrens hier nicht am unteren Rande derjenigen bewegt, ab der von einer außergewöhnlichen Dauer des Verfahrens gesprochen werden kann, vermag der Senat bei zusammenfassender Würdigung der Gesamtumstände nicht zu erkennen, dass eine gleichzeitige Entscheidung in der Ehe- und den Folgesachen auch unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Antragsgegnerin den Antragsteller unzumutbar hart trifft.

Nach alldem ist das angefochtene Urteil mitsamt des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufzuheben und die Sache an das Familiengericht zurückzuverweisen. Von einer eigenen Sachentscheidung unter Einbeziehung der beim Familiengericht anhängig gebliebenen Folgesachen (siehe dazu BGH NJW-RR 1994, 381) sieht der Senat ab, weil es noch weiterer Feststellungen, insbesondere zum Versorgungsausgleich, bedarf (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 3. März 2011 – 6 UF 117/10 –).

Die Niederschlagung der Gerichtskosten der Beschwerdeinstanz beruht auf § 20 FamGKG; ein Ausspruch zur sofortigen Wirksamkeit (siehe § 116 Abs. 2 FamFG) ist nicht veranlasst.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 70 FamFG).

Gründe

II.

Die Senatsentscheidung richtet sich – wie im Senatstermin erörtert – gemäß Art. 111 Abs. 5 FGG-RG nach dem seit dem 1. September 2009 geltenden Recht; denn abweichend von Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen – wie hier – am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden (vgl. dazu Horndasch/Viefhues, FamFG, 2. Aufl., Art. 111 FGG-RG, Rz. 21; Schulte-Bunert/Weinreich/Schürmann, FamFG, 2. Aufl., Art. 111 FGG-RG, Rz. 23; Büte, FuR 2010, 421; Friederici, FF 2010, 293; Kemper, FPR 2010, 69; Schneider, NJW-Spezial 2010, 603). Dies gilt auch hinsichtlich des in der Rechtsmittelinstanz anzuwendenden Verfahrensrechts (vgl. BGH FamRZ 2011, 100).

Dessen unbeschadet ist die von der Antragsgegnerin mit dieser Maßgabe entgegen § 64 Abs. 1 FamFG beim Saarländischen Oberlandesgericht eingelegte Berufung nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung als solche statthaft, weil das Familiengericht durch Urteil entschieden hat (vgl. dazu BGHZ 98, 362; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21. Oktober 2010 – 6 UF 77/10 –, juris; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., Vor § 511, Rz. 30 m.w.N.). Auch im Übrigen ist das Rechtsmittel nach Berufungsrecht – nach gewährter Wiedereinsetzung in die Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfrist – zulässig; insbesondere ist die Antragsgegnerin beschwert.

Denn wird einem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine Folgesache gegen den Willen des Betroffenen stattgegeben, so liegt darin eine selbständige, durch Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch rügbare Beschwer (vgl. – zum alten Recht – BGH FamRZ 2008, 2268; 1996, 1070 und 1333; 1986, 898; 1984, 254; Senatsurteile vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris m.w.N. und vom 3. März 2011 – 6 UF 117/10 –; ebenso zum neuen Recht OLG Bremen, Beschluss vom 22. November 2010 – 4 WF 151/10 –, juris).

Dies gilt unabhängig davon, ob die Abtrennung der Folgesache im Scheidungs-erkenntnis selbst oder – wie hier – durch einen gesonderten Beschluss erfolgt ist (vgl. BGH FamRZ 1996, 1070 und 1333; Senatsurteil vom 29. Juli 2004 – 6 UF 12/04 –, OLGR 2004, 660 m.w.N.). Denn der vorangegangene Abtrennungsbeschluss ist gemäß § 140 Abs. 6 FamFG nicht selbständig anfechtbar, sondern unterliegt der Beurteilung des Senats im Rahmen der Anfechtung des Scheidungsausspruchs, § 58 Abs. 2 FamFG.

Die im Weiteren als Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG zu behandelnde Berufung hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg.

Das Familiengericht hat – zudem auf der Grundlage des falschen Verfahrensrechts – ein unzulässiges Teilurteil erlassen. Dieses verfällt wegen § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i.V.m. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 3 i.V.m. § 301 ZPO von dem – allerdings auch ausdrücklich gestellten – Antrag der Antragsgegnerin unabhängig mitsamt des ihm zugrunde liegenden Verfahrens der Aufhebung und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht über den Scheidungsantrag und die – hinsichtlich der Berechtigung ihrer Abtrennung vom Scheidungsverbund allesamt zur Überprüfung des Senats gestellten (vgl. dazu BGH FamRZ 2011, 31) – Folgesachen Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt. Denn das Familiengericht hat unter Verstoß gegen das in § 137 Abs. 1 FamFG niedergelegte Verbundprinzip die Ehe der Beteiligten geschieden, ohne zugleich in jenen Folgesachen zu erkennen.

Die Voraussetzungen des nach neuem Recht maßgeblichen § 140 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 5 FamFG, der mit der vom Familiengericht – aus seiner Sicht folgerichtig – herangezogenen Vorschrift des § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO a.F. bezüglich der hier entscheidungserheblichen Voraussetzungen übereinstimmt, liegen nicht vor.

Jene Vorschrift verpflichtet das Familiengericht auf Antrag eines Ehegatten zur Ausübung seines ihm eingeräumten Ermessens (BGH FamRZ 1991, 1043) hinsichtlich der Frage, ob sich der Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass ein weiterer Aufschub unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Zwar hat das Familiengericht zu Recht angenommen, dass sich vorliegend durch die gleichzeitige Entscheidung über den Scheidungsantrag und alle Folgesachen der Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögern würde. Hiervon ist bei einer – im Falle der Aufrechterhaltung des Scheidungsverbundes zu gewärtigenden – Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren in der Regel auszugehen, wobei auf die Zeit der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages desjenigen Ehegatten abzustellen ist, der sich auf eine unzumutbare Härte beruft (BGH FamRZ 1986, 898; Senatsurteile vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris, m.w.N.). Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 21. November 2007 zugestellt worden, so dass die Verfahrensdauer hier zwei Jahre überschreitet.

Indessen vermag der Senat der weiteren Annahme des Familiengerichts, diese Verfahrensdauer bedeute eine unzumutbare Härte für den – sich allein hierauf berufenden – Antragsteller, nach der gebotenen Abwägung der Umstände des Einzelfalls (BGH FamRZ 1986, 898) nicht beizutreten.

Da die Vorschriften über den Verbund dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten dienen und dieser Zweck nicht vereitelt werden darf, ist § 140 S. 2 Nr. 5 FamFG eng auszulegen. Der Einführung des Scheidungsverbundes liegen nämlich Erwägungen zugrunde, die eine umfassende Regelung der persönlichen und wirtschaftlichen Folgen zusammen mit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Interesse der Ehegatten betreffen. Danach ist Sinn und Zweck des Verbundes die Vermeidung der Rechtslage, die dadurch eintreten kann, dass ein Beteiligter seinen Status als Ehegatte durch die Rechtskraft des Scheidungsausspruchs verliert, ohne dass eine Regelung über die Folgen getroffen ist (vgl. zu § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO a.F. Senatsurteil vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris; OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 64; OLG Köln, FamRZ 1998, 301).

Soweit sich der Antragsteller zur Darstellung seines Interesses an einer möglichst raschen Scheidung darauf beruft, dass er seine Verlobte ehelichen möchte, kann dahinstehen, ob diese Heiratsabsicht ernst oder – wie die Antragsgegnerin unter Behauptung wechselnder Partnerschaften des Antragstellers geltend macht – vorgeschoben ist. Denn mittlerweile ist es gesellschaftlich anerkannt, mit seinem Partner zusammenzuleben, ohne verheiratet zu sein. Etwas anderes mag dann gelten können, wenn ein Kind aus der neuen Verbindung erwartet wird oder die Lebenserwartung des Ehegatten, der nach der Scheidung wieder heiraten will, durch hohes Alter oder schlechten Gesundheitszustand begrenzt ist (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 18. November 2010 – 9 UF 26/10 –, juris; OLG Hamm, FamRZ 2009, 710; KG FamRZ 2001, 928). Solches ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Berufung des Antragstellers darauf, dass seine Verlobte ein Zusammenleben mit ihm davon abhängig macht, dass dieser geschieden sei und sie heirate, und die weitere Verzögerung der Scheidung diese Beziehung gefährde, ist als Grund für eine unzumutbare Härte nicht ausreichend, zumal der Antragsteller seiner eigenen Darstellung nach die Verzögerung nicht zu verantworten habe, er sich also keinen berechtigten Vorwürfen seiner Verlobten ausgesetzt sehen dürfte.

Insoweit, als der Antragsteller vorbringt, die Antragsgegnerin verschleppe das Scheidungsverfahren mit dem Ziel, möglichst lange – und zu hohen – Trennungsunterhalt vom Antragsgegner fordern zu können, kann er auch damit auf der Grundlage des sich dem Senat im Beschwerdeverfahren darbietenden Sach- und Streitstandes nicht durchdringen.

Zwar kann das Verhalten eines Beteiligten, das der prozessualen Förderungspflicht nicht entspricht, im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigt werden (BGH FamRZ 1986, 898; Senatsurteil vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris, m.w.N.). Für die Annahme eines derart einseitigen Verstoßes der Antragsgegnerin entbehrt die Akte indessen sowohl in der Scheidungs- als auch in allen Folgesachen ausreichender Anhaltspunkte.

In der Scheidungssache selbst sind entsprechende Verfahrensverzögerungen nicht zu verzeichnen.

In der Folgesache Versorgungsausgleich hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 11. Mai 2009 vorgetragen, sie habe festgestellt, dass beide Ehegatten in der Vergangenheit eine Rentenversicherung bei der Allianz abgeschlossen hätten, und die Nummer ihrer eigenen Rentenversicherung mitgeteilt. Sie hat begehrt, dem Antragsteller aufzugeben, Auskunft über die von ihm abgeschlossene Rentenversicherung zu erteilen sowie über bestehende Altersversorgungen aus der Ehezeit, insbesondere auch zu Zusatzversorgungen des oder über den Arbeitgeber. Diesen Schriftsatz hat das Familiengericht dem Antragsteller mit Verfügung vom 14. Mai 2009 zugeleitet, ohne dass dieser sich seither hierzu verhalten hat, obwohl die Antragsgegnerin diesbezüglich – zuletzt mit Schriftsatz vom 2. September 2010 im Scheidungsverfahren – ausdrücklich daran erinnert hat. Die Behauptung der Antragsgegnerin ist auch leicht nachvollziehbar, nachdem der Antragsteller selbst mit Schriftsatz vom 28. Januar 2009 in der Folgesache nachehelicher Unterhalt vorgetragen hat, ergänzende Altersvorsorge durch eine Zusatzrentenversicherung zu betreiben. Die Folgesache Versorgungsausgleich war daher – entgegen der Auffassung des Antragstellers – auch auf der Grundlage des alten Versorgungsausgleichsrechts nicht entscheidungsreif, weil die von der Antragsgegnerin aufgeworfene Frage amtswegiger Klärung bedurft hat und weiter bedarf (§ 26 FamFG). Insoweit wird der Antragsteller zur Mitwirkung anzuhalten sein (§ 220 Abs. 1 und 5 FamFG).

Auch die Zeitdauer in der Folgesache Zugewinnausgleich hat nicht die Antragsgegnerin zu verantworten. Die vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 6. März 2008 erteilte Auskunft über sein Anfangs- und Endvermögen hat sich im weiteren Verlauf als unvollständig erwiesen; denn der Antragsteller hat selbst mit Schriftsatz vom 23. April 2009 ergänzend angeben müssen, über eine Fondsbeteiligung bei der Kreissparkasse St. Wendel, Konto Nr. 179 222 427, zu verfügen. Den Depotwert zum für das Endvermögen maßgeblichen Stichtag hat der Antragsteller erst mit Schriftsatz vom 9. März 2010 letztverbindlich anzugeben und zu erläutern gewusst.

Die formlose Aufforderung des Familiengerichts an die Antragsgegnerin vom 1. April 2010, mitzuteilen, welche Auskünfte noch fehlen oder Leistungsantrag zu stellen, hat diese mit Schriftsatz vom 27. Mai 2010 beantwortet und auf ihren weiter gestellten Antrag vom 16. April 2009 auf Verurteilung des Antragstellers zur eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich der Richtigkeit der zu seinem Endvermögen erteilten Auskunft verwiesen. Diesen Antrag hat sie mit Schriftsatz vom 2. September 2010 aufrecht erhalten. Über ihn ist bislang – aus dem Senat nicht bekannten Gründen – nicht entschieden.

In Anbetracht dieses Verfahrensgangs ist der Antragsgegnerin die Verzögerung des Zugewinnausgleichsverfahrens ebenfalls nicht anzulasten.

In der Verbundsache nachehelicher Unterhalt hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 20. April 2009 ihren Anspruch auf mindestens 400 EUR monatlich beziffert. Der letzte Schriftsatz in der Akte dieser Folgesache datiert vom 22. Juli 2009, seitdem wurde das Verfahren vom Familiengericht insoweit nicht mehr gefördert. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens hat die Antragsgegnerin – angesichts der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit unschwer nachvollziehbar – das Familiengericht mit Schriftsatz vom 8. Februar 2010 gebeten, dem Antragsteller aufzugeben, seine Einkünfte aus dem Jahr 2009 vollumfänglich darzutun und zu belegen. Auch dies hat das Familiengericht nicht zum Anlass genommen, in dieser Folgesache zweckdienliche verfahrensleitende Maßnahmen zu ergreifen. Dies hat die Antragsgegnerin jedenfalls nicht alleine zu vertreten, wenngleich nicht verkannt werden kann, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin außergerichtlich mit Schreiben vom 9. Februar 2010 die Einkommensbelege für 2009 übermittelt hat.

Allein der Umstand, dass ein Ehegatte, wenn die Ehe vorab nicht geschieden wird, für die Trennungszeit erheblich mehr Unterhalt zahlen müsste als nach der Scheidung, begründet im Übrigen keine unzumutbare Härte i.S.d. § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG (vgl. zu § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO a.F. OLG Brandenburg, Urteil vom 18. November 2010 – 9 UF 26/10 –, juris; OLG Hamm, FamRZ 2007, 651; OLG Koblenz, FamRZ 1990, 769). Die Antragsgegnerin müsste vielmehr die Folgesache verzögert haben, um möglichst lange die mit der Scheidung wegfallende Unterhaltsrente zu beziehen (BGH FamRZ 1991, 2491; OLG Brandenburg, Urteil vom 18. November 2010 – 9 UF 26/10 –, juris; OLG Hamm, FamRZ 2007, 651). Mag auch das Gesamtverhalten der Antragsgegnerin in jüngster Zeit tendenziell eine solche Absicht nicht als ausgeschlossen erscheinen lassen, so fehlt es doch – wie dargestellt – bezogen auf den gesamten Verfahrensablauf bisher noch an einer schuldhaften Verzögerung einseitig durch die Antragsgegnerin, zumal zu berücksichtigen ist, dass es dem Verbundgedanken entspricht, das Interesse des Ehegatten an wirtschaftlicher Sicherung hoch zu bewerten (Senatsurteil vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris, m.w.N), und der Regelung des Nachscheidungsunterhalts außerdem, weil sie die gegenwärtige Lebenssituation des Unterhaltsberechtigten unmittelbar berührt, hohe Bedeutung zukommt (BGH FamRZ 1986, 898).

Damit steht in Zusammenhang, dass die Antragsgegnerin derzeit über keinen gesicherten Unterhaltstitel verfügt. Mit Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung über den Trennungsunterhalt ist die – ausdrücklich allein diesen bezüglich – erlassene einstweilige Anordnung wegen § 621 g S. 2 i.V.m. § 620 f Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. endgültig außer Kraft getreten (vgl. auch Senatsurteil vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris, m.w.N.). Die vorzeitige Scheidung der Ehe würde daher hier für die Antragsgegnerin zu einem ungeregelten Zustand führen. Genau eine derartige Situation der Unsicherheit soll durch die gesetzliche Regelung des § 137 Abs. 1 FamFG, der eine gleichzeitige Entscheidung von Scheidungs- und Folgesachen vorschreibt, vermieden werden (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2009, 710).

Dieser Zustand könnte auch durch eine neuerliche, umfassende einstweilige Anordnung zum Unterhalt nicht ausreichend abgemildert werden. Diese könnte jederzeit abgeändert werden und hätte daher eine deutlich geringere Bestandskraft als ein Hauptsachetitel auf nachehelichen Unterhalt, der den erheblich strengeren Abänderungsvoraussetzungen des § 238 FamFG unterliegt. Mit einer einstweiligen Anordnung würde daher dem Interesse der Antragsgegnerin an der Beibehaltung des Verbunds nicht entsprochen (vgl. Senatsurteil vom 10. September 2009 – 6 UF 40/09 –, juris, m.w.N; OLG Zweibrücken, FamRZ 1998, 1525).

Dem Antragsteller stand und steht es demgegenüber frei, im Rahmen eines – zwischenzeitlich im November 2010 eingeleiteten – Abänderungsverfahrens auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem bestehenden Trennungsunterhaltstitel anzutragen.

Auch wenn sich schließlich die – ebenfalls abwägungsrelevante (OLG Köln, FamRZ 2000, 1294 [Leitsatz, Volltext in juris]) – Zeitdauer des Scheidungsverfahrens hier nicht am unteren Rande derjenigen bewegt, ab der von einer außergewöhnlichen Dauer des Verfahrens gesprochen werden kann, vermag der Senat bei zusammenfassender Würdigung der Gesamtumstände nicht zu erkennen, dass eine gleichzeitige Entscheidung in der Ehe- und den Folgesachen auch unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Antragsgegnerin den Antragsteller unzumutbar hart trifft.

Nach alldem ist das angefochtene Urteil mitsamt des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufzuheben und die Sache an das Familiengericht zurückzuverweisen. Von einer eigenen Sachentscheidung unter Einbeziehung der beim Familiengericht anhängig gebliebenen Folgesachen (siehe dazu BGH NJW-RR 1994, 381) sieht der Senat ab, weil es noch weiterer Feststellungen, insbesondere zum Versorgungsausgleich, bedarf (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 3. März 2011 – 6 UF 117/10 –).

Die Niederschlagung der Gerichtskosten der Beschwerdeinstanz beruht auf § 20 FamGKG; ein Ausspruch zur sofortigen Wirksamkeit (siehe § 116 Abs. 2 FamFG) ist nicht veranlasst.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 70 FamFG).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 407/10
vom
16. März 2011
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 1626 a ff., 1671, 1696; KSÜ Art. 16, 53; FGG §§ 12, 50, 50 b

a) Sorgeerklärungen können formwirksam gemäß § 1626 d BGB auch in Form einer
gerichtlich gebilligten Elternvereinbarung erfolgen.

b) Die Motive des Elternteils für seinen Auswanderungsentschluss stehen grundsätzlich
genauso wenig zur Überprüfung des Familiengerichts wie sein Wunsch, in
seine Heimat zurückzukehren. Verfolgt der Elternteil mit der Übersiedlung allerdings
(auch) den Zweck, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil
zu vereiteln, steht die Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils und
somit seine Erziehungseignung in Frage (im Anschluss an Senatsbeschluss
BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 23 f.).

c) Das Gericht darf die Verfahrenspflegschaft nicht dadurch ineffektiv machen, dass
es ohne nachvollziehbare Begründung den mit der Angelegenheit und vor allem
dem Kind vertrauten Verfahrenspfleger kurz vor Abschluss des Sorgerechtsverfahrens
entpflichtet und einen neuen bestellt, der nicht mehr die Möglichkeit hat, sich
in angemessener Weise mit der Sache vertraut zu machen.
BGH, Beschluss vom 16. März 2011 - XII ZB 407/10 - OLG Brandenburg
AG Potsdam
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2011 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richterin Weber-Monecke sowie die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des 3. Familiensenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. August 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an den 1. Senat für Familiensachen (9. Zivilsenat) des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zurückverwiesen. Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe:

A.

1
Die Kindeseltern (die Beteiligten zu 1 und 2) streiten um das alleinige Sorgerecht für ihre am 12. Oktober 2002 geborene Tochter J. .
2
Die Mutter besitzt die deutsche, der Vater die französische Staatsangehörigkeit. Zur Zeit der Geburt J. lebten die nicht miteinander verheirateten Eltern in Frankreich. Der Vater erkannte die Vaterschaft an. Nach der Geburt trennten sich die Eltern, und die Mutter kehrte mit J. nach Deutschland (P. ) zurück. Zuvor hatten die mit der Sache befassten französischen Gerichte einstweilen entschieden, dass die Eltern ge- meinsam sorgeberechtigt seien und der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes bei der Mutter liege; zudem hatten sie ein umfangreiches Umgangsrecht zugunsten des Vaters beschlossen.
3
In einem Verfahren zur Anerkennung der umgangsrechtlichen Regelungen trafen die Eltern am 6. Juni 2005 vor dem Beschwerdegericht eine Vereinbarung , wonach es u.a. beim gemeinsamen Sorgerecht für J. verbleiben sollte und ihr gewöhnlicher Aufenthalt bei der Mutter sei. Zudem vereinbarten die Eltern, dass J. , "wenn irgend möglich, bereits im Kindergarten und/oder in der Schule zweisprachig, das heißt deutsch/französisch erzogen werden soll". Im Weiteren enthält die Vereinbarung eine umfangreiche Umgangsregelung , die im Wesentlichen zum Gegenstand hat, dass J. ab Oktober 2005 bis zu ihrer Einschulung monatlich zehn Tage beim Vater in Frankreich verbringt.
4
Da sich die Eltern nicht darüber einigen konnten, welche Schule J. in Deutschland besuchen sollte - die Mutter bevorzugte eine Einschulung an der vor Ort in M. befindlichen deutschen Grundschule, der Vater eine Einschulung in der deutsch/französischen J. -Grundschule in B. - stritten sie in einem Verfahren gemäß § 1628 BGB um die Übertragung der entsprechenden Entscheidungsbefugnis. Nachdem das Amtsgericht dem Antrag der Mutter im einstweiligen Anordnungsverfahren stattgegeben hatte , übertrug das Beschwerdegericht die Befugnis einstweilen auf den Vater. Dieser Beschluss wurde auf Verfassungsbeschwerde der Mutter vom Verfassungsgericht des Landes B. aufgehoben, weil das Beschwerdegericht dem Kind keinen Verfahrenspfleger bestellt hatte. Anschließend übertrug auch das Amtsgericht dem Vater in der Hauptsache die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Schulwahl. Über die hiergegen von der Mutter eingelegte Beschwerde hat das Beschwerdegericht noch nicht entschieden. J. wird seit April 2010 nunmehr in der J. -Grundschule in B. beschult. Dies geht mit einer Fahrtzeit von insgesamt mindestens zwei Stunden einher.
5
Daneben ist vor dem Beschwerdegericht noch ein Umgangsrechtsverfahren anhängig.
6
Dem Rechtsbeschwerdeverfahren liegen gegenläufige Sorgerechtsanträge der Eltern zugrunde. Das Amtsgericht hat nach persönlicher Anhörung der Eltern, des Jugendamtes, der Verfahrenspflegerin und des Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht für J. auf die Mutter übertragen und die weitergehenden Anträge beider Eltern zurückgewiesen, im Übrigen also die gemeinsame elterliche Sorge aufrechterhalten. Dabei ist das Amtsgericht davon ausgegangen , dass die Eltern mit der Vereinbarung vom 6. Juni 2005 eine Grundentscheidung für den Lebensmittelpunkt des Kindes bei seiner Mutter getroffen hätten.
7
Auf die hiergegen vom Kindesvater eingelegte befristete Beschwerde hat das Beschwerdegericht nach Austausch des Verfahrenspflegers und ohne Anhörung des Kindes dem Vater das alleinige Sorgerecht mit Beschluss vom 23. August 2010 übertragen und angeordnet, dass die Mutter das Kind bis zum 29. August 2010 herauszugeben habe. Hiergegen wendet sich die Mutter mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.
8
Der Senat hat mit Beschluss vom 26. August 2010 die vom Beschwerdegericht angeordnete sofortige Vollziehung seiner Entscheidung auf Antrag der Mutter einstweilen ausgesetzt.

B.

9
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts.
10
Gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG ist das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht weiterhin anwendbar, weil das Verfahren vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden ist (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 14 mwN).

I.

11
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
12
1. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-VO = EuEheVO). Hinsichtlich der Zuständigkeit geht die Brüssel IIa-VO nach ihrem Art. 61 dem Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung , Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (ABl. 2003 Nr. L 48 S. 3; BGBl. II 2009 S. 602, 603; 2010, 1527 - im Folgenden : Kinderschutzübereinkommen/KSÜ) vor (vgl. Staudinger/Henrich BGB (2008) Art. 21 EGBGB Rn. 82; Palandt/Thorn BGB 70. Aufl. Anhang zu Art. 24 EGBGB Rn. 2).
13
Danach sind für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen , die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hier also Deutschland.
14
2. Die Rechtsbeschwerde ist im vollen Umfang statthaft. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 621 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO aF iVm Art. 111 FGG-RG.

II.

15
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
16
1. Das Beschwerdegericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen , dass der Beteiligte zu 2 auch nach deutschem Recht der rechtliche Vater von J. sei. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts bestehen auch keine Zweifel daran, dass das Sorgerecht nach wie vor den Eltern gemeinsam zustehe. Das folge namentlich aus Ziffer 1 der Elternvereinbarung vom 6. Juni 2006 (richtig 2005), dem ohne weiteres eine gemeinsame Sorgeerklärung nach deutschem Recht im Sinne des § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB zu entnehmen sei.
17
Eine tragfähige soziale Beziehung auf der Elternebene, die Voraussetzung für die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts sei, bestehe zwischen den Eltern jedenfalls jetzt nicht mehr. Sie seien vielmehr offensichtlich heillos zerstritten und misstrauten einander zutiefst. Da sich die Mutter an die getroffene Elternvereinbarung nicht gebunden fühle und auch der Vater sich jetzt nicht mehr an ihr festhalten lassen wolle, sei sie letztlich "faktisch obsolet" geworden. Darauf, ob die Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB für eine Abänderung vorlägen, komme es aus heutiger Sicht schon deshalb nicht mehr entscheidend an.
18
Dem Kindeswohl entspreche es am besten, wenn dem Vater das alleinige Sorgerecht übertragen werde. Dass sich J. trotz der Zerstrittenheit ihrer Eltern bislang sehr erfreulich entwickelt habe, sei ein Verdienst beider Eltern. Dabei habe der Vater im Rahmen des von ihm wahrgenommenen Umgangsrechts eine beachtliche Integrationsleistung in Frankreich erbracht. Zwar habe der Sachverständige festgestellt, dass der Vater zu perseverierendem Verhalten neige, auf Positionen insistiere, in der Interaktion wenig flexibel sei, zur "Verbissenheit" neige, die Mutter im Elternkonflikt massiv abwerte und sie depotenziere; diese Feststellung deckten sich mit dem Eindruck, den auch das Beschwerdegericht vom Vater gewonnen habe. Es sei indes nicht erkennbar, dass sich diese Defizite irgendwie nachteilig auf J. auswirkten.
19
Bei der Mutter habe der Sachverständige Hinweise auf ängstlichabhängige Züge in ihrer Persönlichkeit erfasst. Die Beziehung der Mutter zum Kind habe er als "zu eng und ohne fehlende Distanz", um nicht zu sagen "symbiotisch" bzw. "partnerschaftlich" bezeichnet. Das Beschwerdegericht sehe kritische Züge einer "Parentifizierung" im Sinne einer Instrumentalisierung des Kindes für eigene Bedürfnisse. Dieser Gesichtspunkt lasse die Erziehungsfähigkeit der Mutter als eingeschränkt erscheinen. Hinzu komme ihre deutlich gering ausgeprägte Bindungstoleranz. Das Beschwerdegericht habe nicht verkannt, dass der Sachverständige hier zu einer anderen Wertung neige, wonach die Einschränkung beim Vater etwas größer sei. Kritisch sei aber bereits, dass die Mutter nach der Trennung mit dem Kind nach Deutschland zurückgekehrt sei und dadurch zwischen dem Wohnort des Vaters und dem Aufenthaltsort des Kindes eine Distanz von rund 1.000 km geschaffen habe. Kritisch sei ferner die Tatsache, dass die Mutter sich bis zum heutigen Tage "kompromisslos" weigere , den Beteiligten zu 2 als Vater des Kindes im Geburtenbuch eintragen zu lassen. Hinzu komme die Tatsache, dass die Mutter offenkundig entschlossen sei, dem Kind in Deutschland ihren Namen "S. zu " geben, obwohl J. aufgrund einer gemeinsamen Elternentscheidung in Frankreich bereits seit ihrer Geburt rechtsverbindlich den Namen "C. " trage. Unter dem Gesichtspunkt der Bindungstoleranz sei schließlich auch die Tatsache kritisch , dass die Mutter sich von sich aus kaum, jedenfalls nicht hinreichend bemühe , die auch französische Identität des Kindes zu pflegen, obwohl die Eltern im Jahre 2005 ausdrücklich anderes vereinbart hätten.
20
Ähnlich kritische Verhaltensweisen seien jedenfalls seit Abschluss der Elternvereinbarung im Jahre 2005 auf Seiten des Vaters nicht mehr festzustellen, so dass insgesamt seine Erziehungskompetenz als deutlich besser angesehen werden müsse.
21
Schützenswerte Bindungen des Kindes bestünden nach allem, was der Senat ermittelt habe, sowohl zu beiden Elternteilen als auch zu den jeweiligen Herkunftsfamilien in Frankreich und in Deutschland.
22
Der gegenüber dem Verfahrenspfleger und auch dem Sachverständigen geäußerte Kindeswille spreche zwar eher für eine Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter. J. habe sich in den letzten Monaten klar dahin positioniert , bei der Mutter leben und den Vater "nur" besuchen zu wollen, und Letzteres auch nicht mehr so oft wie in der Vergangenheit. Jedoch stelle sich die Frage nach der Beachtlichkeit des Kindeswillens. Nach den Feststellungen des Sachverständigen neige J. dazu, ihre Mutter zu schützen, wenn sie diese bedroht sehe. Darüber hinaus könne sicher davon ausgegangen werden, dass sich das Kind bei der Mutter und in M. wohl und geborgen fühle. Das erkläre ohne weiteres, dass J. sich eine Veränderung der bestehenden Situation nicht wünsche, sage aber nichts darüber aus, dass sie einen Umzug zum Vater nach Frankreich letztlich nicht auch akzeptieren würde. Dies entspreche auch der Einschätzung des Verfahrenspflegers, der sich zwar den geäußerten Kindeswillen im Sinne einer Empfehlung an den Senat zu eigen gemacht habe, zugleich aber keinen Zweifel daran gelassen habe, dass es unter Kindeswohlgesichtspunkten weniger darauf ankomme, wie der Senat im Elternstreit entscheide, als darauf, dass mit dieser Entscheidung der Elternstreit beendet sei.
23
Auch der Gesichtspunkt der Kontinuität spreche für eine Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter; J. habe praktisch während ihres gesamten bisherigen Lebens ihren Lebensmittelpunkt bei ihr in Deutschland gehabt. Allerdings relativiere sich auch dieses Argument, wenn man sich vergegenwärtige , dass sich das Kind seit seinem dritten Lebensjahr regelmäßig ungefähr ein Drittel seiner Zeit auch in Frankreich aufgehalten habe. J. habe sich deshalb auch in Frankreich gut integriert und werde sich aller Voraussicht nach mühelos dort zurechtfinden.
24
Bei der Gesamtabwägung müsse deswegen auch der Kontinuitätsgesichtspunkt hinter der besseren Erziehungseignung des Vaters zurückstehen.
25
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Teilen nicht stand.
26
a) Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass die Kindeseltern die gemeinsame Sorge innehaben.
27
aa) Voraussetzung für die Ausübung der gemeinsamen Sorge ist die rechtliche Elternschaft. Das heißt, dass der Vater auch rechtlicher Vater im Sinne des § 1592 Nr. 2 und 3 BGB sein muss (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 70. Aufl. § 1626 a Rn. 5; NK-BGB/Rakete-Dombek 2. Aufl. § 1626 a Rn. 7).
28
Dass das Beschwerdegericht von der rechtlichen Vaterschaft des Beteiligten zu 2 ausgegangen ist, ist von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen und auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Dem entspricht im Ergebnis auch der Beschluss des Kammergerichts vom 23. September 2010 - 1 W 70/08, wonach im Geburtenbuch der Beteiligte zu 2 als Vater zu vermerken sei.
29
bb) Im Ergebnis zutreffend ist das Beschwerdegericht vom Bestehen des gemeinsamen Sorgerechts ausgegangen.
30
Die Frage, welches Recht hier anzuwenden ist, richtet sich nach dem Kinderschutzübereinkommen.
31
(1) Gemäß Art. 53 Abs. 1 KSÜ ist das Übereinkommen auf Maßnahmen anzuwenden, die in einem Staat getroffen werden, nachdem das Übereinkommen für diesen Staat in Kraft getreten ist. In der Bundesrepublik Deutschland ist das Übereinkommen am 1. Januar 2011 in Kraft getreten (BGBl II 2010, 1527). Da es vorliegend nicht um die Anerkennung oder Vollstreckung von Maßnahmen, sondern vielmehr um die Frage des anwendbaren Rechts geht und das Revisionsgericht das zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebliche Recht anzuwenden hat, ist das Kinderschutzübereinkommen auf die vom Senat zu treffende Entscheidung anzuwenden (zum vergleichbaren Fall des Inkrafttretens des Haager Minderjährigenschutzabkommens BGH Beschluss vom 20. Dezember 1972 - IV ZB 20/72 - NJW 1973, 417 f.).
32
(2) Nach Art. 16 Abs. 1 KSÜ bestimmt sich die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Damit ist das Statut durch Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ex nunc wandelbar (Finger FamRBint 2010, 95, 99; Schwarz NDV 2011, 39, 40).
33
Da das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, ist somit deutsches Recht anwendbar. Dieses setzt für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge gemeinsame Sorgeerklärungen im Sinne von §§ 1626 a ff. BGB voraus.
34
Ausdrückliche Sorgeerklärungen, deren Form in § 1626 d BGB geregelt ist, liegen hier nicht vor. Indes ist die vom Beschwerdegericht vorgenommene und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffene Auslegung der Elternvereinbarung , wonach dieser entsprechende Sorgeerklärungen zu entnehmen sind, rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. In der am 6. Juni 2005 geschlossenen und gerichtlich gebilligten Elternvereinbarung hatten die Eltern ihren Willen bekundet, das Sorgerecht für J. gemeinsam auszuüben.
35
Zwar müssen gemäß § 1626 d BGB Sorgeerklärungen und Zustimmungen öffentlich beurkundet werden. Urkundsperson ist entweder der Notar (§ 20 Abs. 1 BNotO) oder die Urkundsperson beim Jugendamt. Die Beurkundung kann allerdings auch durch einen gerichtlichen Vergleich ersetzt werden, § 127 a BGB (Staudinger/Coester BGB (2007) § 1626 d Rn. 6; DIJUF Rechtsgutachten JAmt 2004, 127, 128).
36
(3) Ob das Sorgerecht des Vaters daneben auch aus Art. 16 Abs. 3 KSÜ folgt, kann dahinstehen.
37
Nach dieser Vorschrift besteht die elterliche Verantwortung, die sich aus dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ergibt, nach dem Umzug des Kindes in einen anderen Staat fort.
38
Zwar stand beiden Eltern nach der seit März 2002 in Frankreich bestehenden Rechtslage die elterliche Sorge gemeinsam zu, weil das Kindschaftsverhältnis ihnen gegenüber innerhalb eines Jahres nach der Geburt durch An- http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE163603377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE000202377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE163603377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE000202377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 12 - erkenntnis etabliert wurde (vgl. Art. 372 Abs. 1 Cciv, NK-BGB/Junggeburth 2. Aufl. Länderbericht Frankreich Rn. 168). Gemäß Art. 16 Abs. 3 KSÜ bleibt dem betroffenen Elternteil eine solche Sorgerechtsstellung erhalten (vgl. Finger FamRBint 2010, 95, 99 f.).
39
Die Frage, ob hier etwas anderes gilt, weil sich der Erwerb der Sorgerechtsstellung des Vaters zu einer Zeit vollzogen hat, als das Kinderschutzübereinkommen in Deutschland noch nicht in Kraft getreten war, kann hier nach dem oben zu (2) Gesagten allerdings unbeantwortet bleiben.
40
b) Allerdings begegnet die Entscheidung des Beschwerdegerichts, dem Vater das alleinige Sorgerecht zu übertragen, rechtlichen Bedenken; sie kann daher im Ergebnis keinen Bestand haben.
41
aa) Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teiles der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
42
Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 158/05 - FamRZ 2008, 592 Rn. 11 mwN).
43
Maßstab für die Entscheidung ist nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB das Kindeswohl. Der Senat hat bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungseignung) und der Kontinuität sowie die Beach- http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307088901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307088901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307088901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307088901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 13 - tung des Kindeswillens angeführt (Senatsbeschluss vom 6. Dezember 1989 - IVb ZB 66/88 - FamRZ 1990, 392, 393 mwN). Die einzelnen Kriterien stehen aber letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (Senatsbeschlüsse vom 6. Dezember 1989 - IVb ZB 66/88 - FamRZ 1990, 392, 393 mwN und BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 19).
44
bb) Die Beurteilung des Kindeswohls liegt in der Verantwortung der Tatsachengerichte. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 29 mwN).
45
In welchem Umfang vom Familiengericht zur Beurteilung des Kindeswohls Tatsachen zu ermitteln sind, bestimmt sich aufgrund des hier noch anwendbaren - bis Ende August 2009 geltenden - Verfahrensrechts gemäß § 12 FGG (nunmehr § 26 FamFG). Das Gericht hat danach von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben, was auch für Antragsverfahren gilt. Dabei wirken das Elternrecht sowie das staatliche Wächteramt auch auf das Verfahrensrecht und seine Handhabung im Sorgerechtsverfahren ein. Erforderlich ist eine alle Umstände des Einzelfalls abwägende Entscheidung. Das Verfahren muss geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 30 unter Hinweis auf BVerfG FamRZ 2009, 1897 Rn. 18).
46
(1) Gemäß § 50 b Abs. 1 FGG hört das Gericht in einem Verfahren, das die Personensorge betrifft, das Kind persönlich an, wenn die Neigung, Bindung oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn es zur Feststellung des Sachverhalts angezeigt erscheint, dass sich das Gericht von dem Kind einen unmittelbaren Eindruck verschafft (Senatsbeschluss vom 11. Juli 1984 - IVb ZB 73/83 - FamRZ 1985, 169). Dabei kommen dem Kindeswillen zweierlei Funktionen zu. Zum einen kann ihm entnommen werden, zu welcher Person das Kind die stärksten Bindungen hat. Zum anderen dient er der Selbstbestimmung des Kindes. Je älter das Kind ist, desto mehr tritt die zweite Funktion in den Vordergrund.
47
(2) Zur Berücksichtigung des Willens des Kindes und seiner Interessen sieht das Gesetz die Bestellung eines Verfahrenspflegers vor, § 50 FGG (nach neuem Recht gemäß § 158 FamFG: Verfahrensbeistand). Die Einrichtung der Verfahrenspflegschaft ist Ausdruck der Subjektstellung des Kindes in seiner Individualität als Grundrechtsträger. Sie soll in Fällen eines Interessenkonflikts zwischen Kind und Eltern insbesondere die einseitige Vertretung der Interessen des Kindes ermöglichen und unterscheidet sich insofern von dem Aufgabenkreis des Familiengerichts und der weiteren Beteiligten (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 32 mwN).
48
Das Familiengericht hat dem Verfahrenspfleger durch die Gestaltung des Verfahrens zu ermöglichen, seine Funktion sinnvoll wahrzunehmen und zu den die Interessen und den Willen des Kindes betreffenden Tatsachen und den diesbezüglichen Ermittlungen des Familiengerichts umfassend Stellung zu nehmen (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 33).
49
cc) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung in wesentlichen Punkten nicht gerecht. Sie beruht auf einer Verkennung der Gewichtung der jeweiligen Sorgerechtskriterien und vor allem auf unzureichenden Ermittlungen durch das Beschwerdegericht.
50
(1) Vor dem Hintergrund der erheblichen Auseinandersetzungen der Eltern ist es allerdings nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Aufhebung der gemeinsamen Sorge für erforderlich erachtet hat (vgl. Schilling NJW 2007, 3233, 3237 ff. mwN).
51
(2) Schon die vom Beschwerdegericht getroffenen - teilweise auf unzureichenden Ermittlungen beruhenden (s. dazu unten) - Feststellungen rechtfertigen aber die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater nicht.
52
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung letztlich mit einer besseren Erziehungseignung des Vaters begründet, ohne diese aber nachvollziehbar darzustellen. Sein im Rahmen einer Gesamtabwägung gezogener Schluss, der Vater sei besser geeignet, beruht jedenfalls teilweise auf rechtlich nicht haltbaren Annahmen.
53
(a) Soweit das Beschwerdegericht festgestellt hat, der Vater neige zu perseverierendem Verhalten, insistiere auf Positionen, sei in der Interaktion wenig flexibel, neige zur "Verbissenheit", werte die Mutter im Elternkonflikt massiv ab und depotenziere sie, hat es nicht nachvollziehbar begründet, wieso diese Eigenschaften nicht zu einer negativen Bewertung der Bindungstoleranz des Vaters führen. Soweit das Beschwerdegericht ausführt, es sei nicht erkennbar, dass sich diese Defizite irgendwie nachteilig auf J. auswirkten, hat sich das Gericht nicht mit der naheliegenden Frage befasst, ob dies möglicherweise ein Verdienst der Mutter ist. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass es aufgrund dieser Feststellungen zweifelhaft sei, ob der Vater nach einem Aufenthaltswechsel des Kindes den Umgang mit der Mutter in gleicher Weise unterstützen werde.
54
(b) Demgegenüber durfte das Beschwerdegericht unter dem Gesichtspunkt der Bindungstoleranz der Mutter nicht vorwerfen, dass diese nach der Trennung mit dem Kind nach Deutschland zurückgekehrt ist, anstatt in Frankreich zu bleiben. Die Motive des Elternteils für seinen Auswanderungsentschluss stehen grundsätzlich genauso wenig zur Überprüfung des Familiengerichts wie sein Wunsch, in seine Heimat zurückzukehren. Es kommt insoweit auch nicht darauf an, ob der Elternteil triftige Gründe anführen kann. Dementsprechend stehen dem Familiengericht keine Möglichkeiten zur Verfügung, die allgemeine Handlungsfreiheit des Elternteils einzuschränken, auch kann dem Elternteil seine Ausreise nicht in zulässiger Weise untersagt werden. Verfolgt der Elternteil mit der Übersiedlung allerdings (auch) den Zweck, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu vereiteln, steht die Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils und somit seine Erziehungseignung in Frage (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 23 f.).
55
Dass die Mutter mit der Ausreise nach Deutschland den Zweck verfolgt hat, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu vereiteln, hat das Beschwerdegericht nicht positiv festgestellt, erscheint aber auch angesichts des tatsächlich praktizierten Umgangs ausgeschlossen.
56
(c) Hinzu kommt, dass das Beschwerdegericht bei der Prüfung, wie die Bindungstoleranz der Mutter zu bewerten ist, die tatsächliche Entwicklung nicht hinreichend berücksichtigt hat.
57
Weist das Beschwerdegericht noch zutreffend darauf hin, dass es sich bei der Bindungstoleranz um die Fähigkeit und Bereitschaft handelt, die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil zu erhalten und zu fördern, so sind seine hierzu getroffenen und von der Einschätzung des Sachverständigen abweichenden Schlussfolgerungen nicht frei von Widersprüchen. Denn einerseits geht das Beschwerdegericht bei der Mutter von einer deutlich gering ausgeprägten Bindungstoleranz aus, andererseits stellt es fest, dass sich J. seit ihrem dritten Lebensjahr regelmäßig ungefähr ein Drittel der Zeit auch in Frankreich aufgehalten habe und deshalb dort gut integriert sei und sich aller Voraussicht nach mühelos zurechtfinden werde. Wenn das Beschwerdegericht in diesem Kontext ausführt, dass dies nur dem Verhalten des Vaters geschuldet sei, verkennt es, dass bei einer defizitären Bindungstoleranz regelmäßig der Kontakt zwischen Kind und umgangsberechtigten Elternteil erst gar nicht zugelassen wird mit der Folge, dass der umgangsberechtigte Elternteil insoweit auch keinen (positiven) Einfluss auf das Kind nehmen kann.
58
(d) Der Senat verkennt nicht, dass das Beschwerdegericht auch belastbare Feststellungen getroffen hat, die die Erziehungseignung der Mutter in Frage stellen könnten. Zu nennen wäre namentlich der Umstand, dass die Mutter weder den Vater noch den französischen Geburtsnamen des Kindes angegeben hatte, als sie in Deutschland eine Geburtsurkunde für das Kind beantragt hat. Daneben erscheint das - vom Sachverständigen festgestellte - partnerschaftliche Verhältnis zwischen Mutter und Kind problematisch, das seine Ursache nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts in einer ängstlichabhängigen Persönlichkeit der Mutter hat. Ob diese - verbleibenden - Einschränkungen im Vergleich mit den beim Vater festgestellten Defiziten - die möglicherweise das ängstliche Verhalten der Mutter befördern - genügen, die für einen Verbleib des Kindes bei der Mutter sprechenden Umstände wie namentlich die Kontinuität und den Kindeswillen, zu überwiegen, erscheint eher fernliegend.
59
(e) Außerdem fehlen Feststellungen dazu, wie sich die Lebenswirklichkeit des Kindes bei einem dauernden Aufenthalt bei dem Vater gestalten würde. Das Gericht hat sich vor allem nicht mit der Frage befasst, ob er J. die Möglichkeit geben würde, auch ihre deutsche Herkunft in ausreichendem Maße zu erfahren.
60
(3) Die Rechtsbeschwerde rügt zudem zu Recht, dass die angegriffene Entscheidung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Zum einen hätte das Beschwerdegericht das Kind persönlich anhören müssen. Zum anderen hätte es die ursprünglich für das Kind tätige Verfahrenspflegerin nicht entpflichten und damit ihre bereits getätigten Ermittlungen unberücksichtigt lassen dürfen.
61
(a) Um sich ein sicheres Bild von dem Willen, den Neigungen und den Bindungen des Kindes zu machen, hätte das Beschwerdegericht unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Verfahrens das betroffene Kind selbst persönlich anhören müssen, und zwar durch den gesamten Senat.
62
Das Beschwerdegericht hat in der Begründung, warum es die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, auf den aktuellen, "gegebenenfalls auch verfestigten" Kindeswillen Bezug genommen, ohne ihn jedoch durch eigene Anschauung hinreichend ermittelt zu haben. Demgegenüber haben das Amtsgericht, der Verfahrenspfleger und der Sachverständige mit J. gesprochen; sie sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass J. bei der Mutter bleiben sollte (Entsprechendes ergibt sich im Übrigen aus den Stellungnahmen der früheren Verfahrenspflegerin). Gleichwohl hat das Beschwerdegericht es nicht für erforderlich erachtet, das Kind persönlich anzuhören. Der Hinweis darauf, dass das Beschwerdegericht J. in dem Umgangs- sowie in dem Beschulungsverfahren "kennen gelernt" und sich einen persönlichen Eindruck von seinem Entwicklungsstand und auch von seinen Bindungen zu den Eltern wie auch zu Deutschland und zu Frankreich verschafft habe, vermögen die unterbliebene Anhörung nicht zu rechtfertigen. Während es im Beschulungsverfah- ren um die Frage ging, welche Schule J. besuchen solle, und das Umgangsverfahren ihren Umgang zum Vater zum Gegenstand hatte, geht es in dem vorliegenden Sorgerechtsverfahren um die grundlegende Frage, wo das Kind, das seit der Trennung der Eltern immer bei der Mutter in Deutschland gelebt hat, künftig seinen Lebensmittelpunkt haben soll. In dieser besonderen Situation hätte das Beschwerdegericht, bevor es von der Entscheidung des Amtsgerichts bzw. der Empfehlung des Verfahrenspflegers abweicht, das - fast achtjährige - Kind mit einem möglichen Umzug zum Vater konfrontieren müssen.
63
Wie oben bereits dargelegt, lässt sich dem Willen des Kindes auch entnehmen , zu welcher Person es die stärkeren Bindungen hat. Von daher hätte das Gericht J. auch aus diesem Gesichtspunkt heraus anhören müssen , anstatt sich mit der Begründung zu begnügen, schützenswerte Bindungen des Kindes bestünden nach allem, "was der Senat ermittelt hat", sowohl zu beiden Eltern als auch zu den jeweiligen Herkunftsfamilien in Frankreich und in Deutschland.
64
Das Beschwerdegericht durfte sich auch nicht damit begnügen, einen entgegenstehenden Willen des Kindes zu unterstellen. Denn es gehört zu den Aufgaben des Familiengerichts, sich von dem Kind und seinem geäußerten Willen in dem jeweiligen Verfahrenskontext einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen.
65
Aus den vorgenannten Gründen hätte das Beschwerdegericht das Kind auch durch den gesamten Senat anhören müssen. Denn es ist in Sorgerechtsangelegenheiten in der vorliegenden Art angezeigt, dass sich das erkennende Gericht als solches einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 40).
66
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung steht dem Erfordernis der Kindesanhörung nicht der von den Beteiligten in dem Beschulungsverfahren im Termin vom 20. Mai 2010 erklärte Verzicht auf eine weitere Anhörung des Kindes entgegen. Abgesehen davon, dass die dem Gericht obliegende Amtsermittlung nicht der Disposition der Beteiligten unterliegt, bezog sich der im Termin erklärte "Verzicht" soweit ersichtlich nur auf das Beschulungsverfahren.
67
Die angegriffene Entscheidung beruht auf der unterbliebenen Anhörung durch das Beschwerdegericht. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass das Beschwerdegericht, das sich die Entscheidung nach eigenen Worten "nicht leicht gemacht" hat, bei einer Anhörung des Kindes, die einen möglichen Aufenthaltswechsel zum Gegenstand gehabt hätte, zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
68
(b) Das Verfahren ist auch fehlerhaft, soweit es die Verfahrenspflegschaft anbelangt.
69
Es ist nicht nachvollziehbar, wieso das Beschwerdegericht die ursprünglich bestellte und seit über einem Jahr nicht nur in diesem, sondern auch in dem Umgangsrechts- und in dem Beschulungsverfahren engagiert tätige Verfahrenspflegerin kurz vor Abschluss des Verfahrens entpflichtet hat, nur weil sie sich zu dem Termin am 19. August 2010 im Urlaub befunden hat. Die hierzu vom Beschwerdegericht gegebene Begründung, die allein auf die Terminslage abstellt, ist angesichts des Umstandes, dass das Sorgerechtsverfahren bereits seit 2007 anhängig war, und der Bedeutung der Verfahrenspflegschaft gerade auch in diesem Fall nicht nachvollziehbar.
70
Demgegenüber musste der erst am 7. Juli 2010 bestellte neue Verfahrenspfleger kurzfristig J. kennenlernen und sich in die umfangreichen Verfahrensakten einarbeiten. Seinen Angaben zufolge hat er mit J. lediglich etwa 30 Minuten gesprochen und die Akten teilweise auch nur "selektiv" gelesen.
71
Mit dieser Verfahrensweise hat das Beschwerdegericht die Verfahrenspflegschaft ineffektiv gemacht. Zwar hat sich auch der Nachfolger für einen Verbleib J. bei ihrer Mutter ausgesprochen. Gleichwohl lässt sich nicht ausschließen, dass die angegriffene Entscheidung auch auf diesem Verfahrensfehler beruht. Denn hätte das Beschwerdegericht entweder die umfangreichen Erkenntnisse der ursprünglichen Verfahrenspflegerin für sich fruchtbar gemacht oder hätte der neue Verfahrenspfleger die Möglichkeit gehabt, sich intensiver mit dem Kind als auch mit den Akten zu beschäftigen, erscheint es durchaus denkbar, dass möglicherweise fundiertere Stellungnahmen das Beschwerdegericht dazu bewogen hätten, im Ergebnis doch anders zu entscheiden. Vor dem Hintergrund, dass das Familiengericht dem Verfahrenspfleger durch die Gestaltung des Verfahrens zu ermöglichen hat, seine Funktion sinnvoll wahrzunehmen und zu den die Interessen und den Willen des Kindes betreffenden Tatsachen und den diesbezüglichen Ermittlungen des Familiengerichts umfassend Stellung zu nehmen (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 33), genügt das vom Beschwerdegericht eingeschlagene Verfahren nicht ansatzweise, dem Institut des Verfahrenspflegers gerecht zu werden.
72
c) Nach alledem konnte die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben. Sie war deswegen aufzuheben. Angesichts der gravierenden Verfahrensfehler war das Verfahren an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückzuverweisen. Bei dieser Entscheidung hat der Senat auch berücksichtigt, dass das Beschwerdegericht in seiner Entscheidung vom 23. August 2010, die der Bevollmächtigten der Kindesmutter am 26. August 2010 zugegangen ist, angeordnet hat, dass die Mutter das Kind, das bis dahin immer bei ihr gelebt hat, bis zum 29. August 2010 um 12.00 Uhr an den Vater herauszugeben hat. Eine solch kurze Zeitspanne widerspricht dem Kindeswohl. Vor allem erlaubt sie es der Mutter nicht, ihre Tochter kindgerecht auf einen Wechsel ihrer Hauptbezugsperson und ihres Lebensmittelpunktes vorzubereiten.
73
Da das Beschwerdegericht den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt hat, ist der Senat gehindert, in der Sache selbst abschließend zu entscheiden.
74
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat daraufhin, dass die bestehende Regelung über den Aufenthalt des Kindes für die zu treffende Entscheidung nicht ohne Belang ist.
75
a) Dies folgt indes nicht schon aus den Entscheidungen der französischen Familiengerichte, die den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes bei der Mutter festgesetzt haben. Zwar sind diese Entscheidungen von den deutschen Gerichten anzuerkennen. Jedoch handelt es sich hierbei um eine einstweilige Regelung, die nach dem hier anwendbaren deutschen Verfahrensrecht durch die Entscheidung in der Hauptsache abgelöst wird (vgl. § 621 g iVm § 620 f Abs. 1 ZPO aF - jetzt § 56 FamFG) und damit keine bindende Anordnung im Sinne des § 1696 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung (vgl. Art. 111 Abs. 1 Satz 2 FGG-RG) darstellt.
76
b) Allerdings haben sich die Eltern im Juni 2005 vor dem Beschwerdegericht in Ziffer 2 ihrer Vereinbarung in Anlehnung an die vorgenannte Entscheidung darüber verständigt, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes bei der Mutter sei. Hierbei handelt es sich um eine konkrete Ausgestaltung des gemeinsamen Sorgerechts, die über dessen bloße Bestätigung hinausgeht.
77
Zwar fallen gerichtlich gebilligte Elternvereinbarungen zum Sorgerecht - anders als solche zum Umgangsrecht - nicht unmittelbar unter § 1696 BGB, (so zu § 1696 BGB nF NK-BGB/Harms 2. Aufl. § 1696 Rn. 15; vgl. auch MünchKommBGB/Finger 5. Aufl. § 1696 Rn. 7; aA Hammer FamRZ 2005, 1209, 1214 [Fn. 59], 1215). Denn die Eltern können weder über das Sorgerecht im Ganzen noch über Teilbereiche hieraus wie das Aufenthaltsbestimmungsrecht disponieren. Insoweit gelten die Vorschriften des materiellen Rechts (§§ 1671, 1672 und 1680 Abs. 2, 3 BGB), das die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil an eine gerichtliche Entscheidung und an bestimmte Voraussetzungen knüpft (s. hierzu die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/6308, S. 414, mit der sie im Gesetzgebungsverfahren zum FamFG den Wunsch des Bundesrates abgelehnt hat, die Figur des "gerichtlich gebilligten Vergleichs" auf alle Kindschaftssachen des § 156 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu erstrecken, BT-Drucks. 16/6308, S. 376).
78
Auch wenn der Maßstab des § 1696 BGB für die zu treffende Entscheidung danach nicht maßgeblich ist, ändert das nichts an dem Umstand, dass die Eltern sich über die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts verständigt haben und dieser ursprüngliche Wille bei der nach § 1671 BGB zu treffenden Entscheidung zu beachten ist. Denn die im elterlichen Konsens getroffene Entscheidung lässt vermuten, dass sie dem Kindeswohl entspricht, weshalb sie eine gewisse Indizwirkung entfaltet (vgl. Hammer FamRZ 2005, 1209, 1210, 1214; s. auch OLG Brandenburg FamRZ 2009, 1683, 1684; OLGR 2008, 797, 798, das den "Rechtsgedanken des § 1696" heranziehen bzw. die Norm analog anwenden will; ihm folgend Palandt/Diederichsen BGB 70. Aufl. § 1696 Rn. 2).
79
Soweit das Beschwerdegericht meint, die Vereinbarung sei "obsolet", weil sich beide Eltern von ihr gelöst hätten, verkennt es, dass die Mutter nach wie vor den Aufenthalt des Kindes bei sich begehrt.
Hahne Weber-Monecke Klinkhammer
Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Potsdam, Entscheidung vom 04.06.2010 - 43 F 106/09 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 23.08.2010 - 15 UF 77/10 -

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Saarlouis vom 27. Mai 2009 – 22 F 9/09 SO – wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat den übrigen Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

4. Der Antragstellerin wird mit Wirkung vom 13. Juli 2009 ratenfreie Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug bewilligt und Rechtsanwältin N., , beigeordnet.

5. Dem Antragsgegner wird die von ihm nachgesuchte Prozesskostenhilfe für seine Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Saarlouis vom 27. Mai 2009 – 22 F 9/09 SO – verweigert.

Gründe

I.

Aus der seit 7. Januar 2009 rechtskräftig geschiedenen Ehe der Kindeseltern sind die am . November 1995 geborene Tochter A. und der am . November 2004 geborene Sohn G. hervorgegangen, die seit der Trennung der Eltern im April 2008 bei der Antragstellerin leben.

Der Antragsgegner verbüßt zurzeit eine Freiheitsstrafe von vier Jahren, zu der er vom Landgericht – Schwurgericht – in Saarbrücken wegen zum Nachteil der Mutter am 18. April 2008 versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde.

In dem vorliegenden – vom Scheidungsverbund abgetrennten – Sorgerechtsverfahren hat die Antragstellerin erstinstanzlich die Übertragung der elterlichen Alleinsorge für beide Kinder beansprucht.

Der Antragsgegner hat dem für den Teilbereiche Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge zugestimmt und im Übrigen auf Zurückweisung des Antrags angetragen.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird und der dem Antragsgegner am 5. Juni 2009 zugestellt wurde, hat das Familiengericht der Antragstellerin die elterliche Sorge für die beiden Kinder übertragen, nachdem es zuvor die Kinder und die Eltern persönlich angehört und das Jugendamt beteiligt hatte.

Hiergegen richtet sich die am 9. Juni 2009 beim Saarländischen Oberlandesgericht eingegangene Beschwerde des Antragsgegners, mit der er die Aufhebung des familiengerichtlichen Beschlusses begehrt. Er ist nach wie vor bereit, auf die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht und Gesundheitsfürsorge zu verzichten.

Die Antragsgegnerin und das Jugendamt haben um Zurückweisung der Beschwerde gebeten.

II.

Die nach §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens erlassene und wohlerwogen begründete Entscheidung des Familiengerichts, auf der Grundlage von § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 BGB die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und sie der Antragstellerin alleine zu übertragen, findet vollumfänglich die Billigung des Senats.

Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts zur Gesundheitsfürsorge für beide Kinder auf die Antragstellerin hat schon aufgrund der Zustimmung des Antragsgegners zu erfolgen (§ 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB), nachdem sich Anhaltspunkte dafür, dass die elterliche Sorge amtswegig abweichend von dem Antrag der Antragstellerin geregelt werden müsste (§ 1671 Abs. 3 BGB), nicht ergeben haben. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Antragstellerin über den Tötungsversuch des Antragsgegners Presseberichte in der BILD-Zeitung unter vollständiger Nennung der Vornamen der Kinder veranlasst hat. Dies mag erzieherisch ungeschickt gewesen sein, lässt aber keine Gefährdung des Wohls der Kinder erkennen.

Dagegen, dass das Familiengericht der Antragstellerin darüber hinausgehend – nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB – auch die restlichen Teilbereiche der elterlichen Sorge übertragen hat, ist nichts zu erinnern, weil dies dem Wohl der betroffenen Kinder hier am besten entspricht.

Die hiergegen gerichteten Beschwerdeangriffe des Antragsgegners dringen nicht durch.

1. Soweit der Antragsgegner beanstandet, eine Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf die Antragstellerin setze – weil gleichzeitig einen völligen Entzug seines Sorgerechts bedeutend – voraus, dass andernfalls eine Kindeswohlgefährdung entstände, findet dies weder in § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB noch verfassungsrechtlich eine Stütze. Anders als in Fällen der amtswegigen Regelung des Sorgerechts nach der vom Antragsgegner herangezogenen Vorschrift des § 1666 BGB (ggf. i.V.m. § 1671 Abs. 3 BGB) stehen sich in den Fällen des § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 BGB nicht der Staat einerseits und ein oder beide Elternteile andererseits gegenüber, so dass nicht die Schranken gelten, die Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG staatlichen Zwangseingriffen in die elterliche Sorge setzt. Vielmehr stehen sich die Eltern – also auf beiden Seiten Grundrechtsträger –gegenüber, die sich gleichermaßen auf ihr Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG berufen können. Darüber, wie Elternrechte und -pflichten zwischen den Eltern in diesem Konfliktfall zu verteilen sind, sagt Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nichts aus. Können sich die Eltern hier nicht einigen, muss der Staat aufgrund seines Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG entspringenden Wächteramtes für eine Regelung Sorge tragen, die dem Kindeswohl am besten entspricht (vgl. BVerfGE 31, 194; 61, 358); dies hat der Gesetzgeber mit § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB – verfassungsrechtlich unbedenklich – unternommen.

2. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners kann die gemeinsame elterliche Sorge hier auch nicht in Teilbereichen aufrechterhalten werden.

a) Das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 61, 358; 75, 201). Der Schutz des Elternrechts, der dem Vater und der Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168; 107, 150). Dabei setzt die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus, erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten (BVerfGE 107, 150; BVerfG FamRZ 2004, 354; BGH FamRZ 2008, 592).Insbesondere auch für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf das Elternrecht der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 92, 158; 107, 150).

Dem dient § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dabei ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen Sorge einen Vorrang einzuräumen; ein solcher findet sich auch nicht in der Regelung des § 1671 BGB wieder. Genauso wenig kann vermutet werden, dass die gemeinsame Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (vgl. BVerfGE 107, 150; BGH FamRZ 1999, 1646; 2008, 592).

Freilich schließt nicht jede Spannung oder Streitigkeit zwischen den Eltern die gemeinsame Wahrnehmung des Sorgerechts aus; vielmehr kommt es darauf an, welche Auswirkungen eine fehlende Einigung bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird. Besteht zwischen den Eltern in den Grundlinien der Erziehung Einvernehmen und streiten sie nur über Nebenfragen, so besteht ebenso wenig Anlass, die gemeinsame Sorge aufzuheben, wie wenn unbeschadet bestehender Meinungsverschiedenheiten eine Kooperation auf der Elternebene noch möglich ist (BGH FamRZ 2000, 399; 2008, 592; OLGR Saarbrücken 2004, 155). Denn aufgrund des „ethischen Vorrangs“, der dem Idealbild einer von beiden Elternteilen auch nach ihrer Trennung verantwortungsbewusst im Kindesinteresse ausgeübten gemeinschaftlichen elterlichen Sorge einzuräumen ist, ist eine Verpflichtung der Eltern zum Konsens nicht zu bestreiten (BGH FamRZ 2008, 592).

Die bloße Pflicht zur Konsensfindung vermag indessen eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen. Denn nicht schon das Bestehen der Pflicht allein ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität eben nicht verordnen lässt. Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich (BGH FamRZ 2008, 592).

Muss hiernach allerdings die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden, so haben sich die Gerichte nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit Teilentscheidungen – als milderes Mittel – zu begnügen, wo immer dies dem Kindeswohl Genüge tut (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1015; BGH FamRZ 2005, 1167).

b) Nach diesen Maßstäben – denen zufolge die völlige Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge keineswegs, wie der Antragsgegner meint, ultima ratio ist – ist jene hier angezeigt.

Die Antragstellerin sieht sich – wie sie in ihren beiden mündlichen Anhörungen vor dem Familiengericht auch persönlich dargestellt hat – aufgrund des am 18. April 2008 erlittenen Angriffs des Antragsgegners auf ihr Leben außerstande, Kontakt mit dem Antragsgegner aufzunehmen und die gemeinsame elterliche Sorge weiter mit ihm gemeinsam auszuüben; dafür habe der Antragsgegner sie zu sehr verletzt. Sie wolle mit ihm nichts mehr zu tun haben und könne sich nicht vorstellen, mit ihm über irgendwelche Angelegenheiten der Kinder zu sprechen, zumal der Sohn bei der Tat anwesend gewesen sei.

Diese Haltung der Antragstellerin ist vor dem Hintergrund der Umstände des Versuchs des Antragsgegners, sie zu töten, leicht nachvollziehbar.

Den rechtskräftigen Feststellungen des Schwurgerichts zufolge hat der Antragsgegner die – ihm bekannt herzschwache – Antragstellerin im Bereich des Herzens auf die linke Brust geschlagen, dabei gerufen: „Verreck’ doch endlich!“ und sie sodann mit beiden Händen gewürgt, obwohl der Sohn neben der Antragstellerin auf der Couch saß und diese auf jenen deutete, um den Antragsteller zum Aufhören zu veranlassen. Als die Antragstellerin das Bewusstsein verloren hatte, strangulierte er sie noch, vermutlich mit einem Handtuch oder Kleidungsstück. Anschließend läutete die Tochter an der Wohnungstür; der Antragsgegner öffnete ihr, verließ wortlos das Haus und fuhr weg.

Der Antragsgegner hat sich also weder durch die Anwesenheit des damals drei Jahre alten gemeinsamen Sohnes von der Tat oder ihrer Fortsetzung abhalten lassen noch die gemeinsame, im Tatzeitpunkt zwölfjährige Tochter davor bewahrt, allein, plötzlich und unvorbereitet auf ihre lebensgefährlich verletzte Mutter zu stoßen. Durch dieses Verhalten hat der Vater auch den Kindern – unter grobem Verstoß gegen das Gebot gewaltfreier Erziehung, § 1631 Abs. 2 BGB – massive psychische Gewalt angetan. Die Antragstellerin leidet als Folge der Tat unter psychischen Beeinträchtigungen; sie befand sich ausweislich der Feststellungen im Urteil des Schwurgerichts jedenfalls bis Ende 2008 in psychologischer Behandlung.

Die Auseinandersetzung des Antragsgegners mit seiner Tat, sein Bedauern, die außergerichtlichen Schadenersatzleistungen zugunsten der Antragstellerin und die therapeutische Behandlung, die er im Justizvollzug in Angriff genommen hat, fallen demgegenüber jedenfalls sorgerechtsbezüglich ebenso wenig ins Gewicht wie der vom Antragsgegner ins Feld geführte und vom Sachverständigen im Strafverfahren festgestellte Umstand, er habe die Tat im Zustand einer heftigen affektiven Erregung begangen. Die soziale Beziehung der Eltern ist hier nicht mehr tragfähig, sie ist im Gegenteil zerstört. Wer die Mutter seiner Kinder unter solchen Umständen zu töten versucht, kann nicht erwarten, dass diese danach auch nur ansatzweise bereit ist, mit ihm die Kinder betreffende Angelegenheiten zu besprechen. Im Gegenteil ist in solchen Fällen und so auch hier davon auszugehen, dass – wollte man den verletzten Elternteil gegen seinen Willen zur Kooperation mit dem gewalttätigen Elternteil zwingen – sich dies auch auf die Kinder nachteilig auswirkte. Das Elternrecht des Vaters trifft hier nicht nur auf das es begrenzende Elternrecht der Mutter, sondern auch auf deren in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich verbrieften Achtungsanspruch, wenn und weil dessen Berücksichtigung vorliegend mit dem – letztentscheidenden – Kindeswohl vereinbar ist.

Hinzu kommt, dass beide Kinder sich in ihrer richterlichen Anhörung dem Vater gegenüber sehr ablehnend gezeigt haben und durch die Tat ihres Vaters seelisch beeinträchtigt wurden.

Im Sorgerechtsverfahren ist aber der Wille des Kindes zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist (vgl. BVerfGE 55, 171). Denn jede gerichtliche Lösung eines Konflikts zwischen den Eltern, die sich auf die Zukunft des Kindes auswirkt, muss nicht nur auf das Wohl des Kindes ausgerichtet sein, sondern das Kind auch in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen, weil die sorgerechtliche Regelung entscheidenden Einfluss auf das weitere Leben des Kindes nimmt und es daher unmittelbar betrifft (vgl. BVerfGE 37, 217; 55, 171). Hierzu gehört, dass der vom Kind aufgrund seines persönlichen Empfindens und seiner eigenen Meinung geäußerte Wille als Ausübung seines Rechts auf Selbstbestimmung bei der Entscheidung über seine zukünftige Zuordnung zu einem Elternteil hinreichend Berücksichtigung findet (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 1737).

Hat der Kindeswille bei einem Kleinkind noch eher geringes Gewicht, weil das Kind noch nicht in der Lage ist, sich einen eigenen Willen zu bilden, so kommt ihm mit zunehmendem Alter und Einsichtsfähigkeit des Kindes vermehrt Bedeutung zu (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 105; 2007, 1078). Nur dadurch, dass der wachsenden Fähigkeit eines Kindes zu eigener Willensbildung und selbständigem Handeln Rechnung getragen wird, kann das auch mit dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG verfolgte Ziel, dass ein Kind sich durch Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln kann (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 845), erreicht werden.

Der Willensäußerung eines Kindes in seiner Ausprägung als Ausdruck seiner mit zunehmendem Alter immer ernster zu nehmenden Selbstbestimmtheit kommt jedenfalls dann hohes Gewicht zu, wenn Kinder – wie hier und ohne dass der Antragsgegner dies in Zweifel zöge – diesen Wunsch nachvollziehbar und ohne festgestellte Beeinflussung äußern (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 1737).

Vorliegend haben beide Kinder in ihrer Anhörung zu erkennen gegeben, dass sie ihren Vater ablehnen und wollen, dass ihre Mutter sich um sie kümmert. Besonders der ersichtlich hinreichend verstandesgetragene Wille der Tochter hat diesbezüglich Gewicht, da diese im Zeitpunkt ihrer Anhörung durch das Familiengericht bereits dreizehn Jahre alt war. Es wäre den Kindern erzieherisch kaum vermittelbar, zwänge man vermittels Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge auch nur in einem Teilbereich die Antragstellerin dazu, in sorgerechtlichen Fragen von erheblicher Bedeutung gegenseitiges Einvernehmen mit dem Antragsgegner zu suchen und bei Meinungsverschiedenheiten zu versuchen, sich mit ihm zu einigen (§ 1687 S. 1 i.V.m. § 1627 BGB).

Soweit der Antragsgegner hierzu vorgetragen hat, Absprachen könnten über den Sozialarbeiter der Justizvollzugsanstalt erfolgen, zeigt sich zum einen – wie das Familiengericht zutreffend ausführt – gerade, dass eine direkte Kommunikation der Eltern miteinander nicht möglich ist, zum anderen ist auch dies der Antragstellerin – wie ausgeführt – unten den hier gegebenen Umständen nicht zumutbar.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht dem hier nicht entgegen. Zwar ist die lediglich teilweise Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge gegenüber der völligen Aufhebung ein milderer Eingriff in das grundrechtlich geschützte Mitsorgerecht des Antragsgegners. Indessen entspricht die Teilaufhebung vorliegend nach Vorgesagtem deutlich weniger dem Kindeswohl als die vollständige; denn im ersteren Falle bliebe die Antragsgegnerin – kindeswohlwidrig – dazu gezwungen, mit dem Antragsteller – und sei es über Dritte – in Kontakt zu treten. Es stünde dann konkret zu besorgen, dass sich die Ängste und seelischen Beeinträchtigungen der Antragstellerin mittelbar auf die Kinder übertragen.

3. Hat das Familiengericht hiernach zu Recht die gemeinsame elterliche Sorge vollständig aufgehoben, so findet es ebenfalls vollumfänglich die Billigung des Senats, dass und aus welchen Gründen es – auf der zweiten Prüfungsebene des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) – gerade der Antragstellerin die Alleinsorge übertragen hat; hierauf wird Bezug genommen. Der Antragsgegner hat dies in seiner Beschwerde auch nicht gehaltvoll in Frage gestellt, zumal hier dem von den Kindern kundgetanen Wille als Ausdruck von Bindungen zur Antragstellerin und einer stärkeren inneren Beziehung zu ihr nachzukommen ist (vgl. BVerfGE 55, 171; BVerfG FamRZ 2007, 1797; 2008, 1737).

4. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Familiengericht schließlich von der Bestellung eines Verfahrenspflegers für die Kinder nach § 50 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 FGG abgesehen, da diese ihre Meinung in ihrer Anhörung klar und eindeutig geäußert haben – also kein „Sprachrohr“ brauchen – und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Antragstellerin hier das Interesse der Kinder aus dem Blick verloren haben könnte (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2006, 1261; 2008, 845).

III.

Das Prozesskostenhilfegesuch des Antragsgegners war zurückzuweisen; seiner Rechtsverfolgung fehlt in Ansehung obiger Ausführungen die hinreichende Erfolgsaussicht (§ 14 FGG i.V.m. § 114 ZPO).

Der Antragstellerin war Prozesskostenhilfe gemäß § 14 FGG i.V.m. § 119 Abs. 1 ZPO unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 Abs. 1 S. 2 FGG. Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 30 Abs. 2, Abs. 3 KostO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerde-gerichts nicht erfordern (§ 621e Abs. 2 i.V.m. § 543 Abs. 2 ZPO).

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in N. vom 31. März 2010 –Az. – wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat den übrigen Beteiligten die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

3. Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 EUR.

4. Dem Antragsgegner wird die von ihm für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert.

Gründe

I.

Aus der am 31. August 2000 geschlossenen und seit dem 20. Oktober 2009 rechtskräftig geschiedenen Ehe der im August 1976 geborenen Mutter und des im Juni 1968 geborenen Vaters ist die verfahrensbetroffene Tochter S. S., geboren am 00.00. 2000, hervorgegangen. S. lebt seit der Trennung der Eltern am 15. Mai 2007 bei der Mutter. Diese ist aus einer vorangegangenen Beziehung Mutter der weiteren Tochter S. M. L., geboren am 00.00. 1999, für die sie die alleinige elterliche Sorge innehat und die bei ihr wohnt.

In dem vor dem Familiengericht N. zwischen den Eltern geführten Verfahren Az. übernahm der Vater in einem Vergleich am 13. Juli 2007 die Verpflichtung, sich der Mutter – mit Ausnahme unbedingt erforderlicher Kontakte zur Ausübung des Umgangsrechts mit den Kindern S. und S.M.L. sowie nach ausdrücklicher Vereinbarung – nicht mehr auf weniger als 50 Meter zu nähern, diesen Abstand im Falle zufälligen Zusammentreffens sofort wieder herzustellen und es zu unterlassen, die Mutter zu bedrohen, zu beschimpfen und zu schlagen.

Dem lag ein Vorfall zugrunde, wegen dem der Vater im Strafverfahren Az. Amtsgericht N. mit Urteil vom 28. Januar 2009 der – zum Nachteil der Mutter begangenen – vorsätzlichen Körperverletzung für schuldig befunden wurde. Deswegen wurde er – unter Einbeziehung einer vorangegangenen Verurteilung zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Diese Strafe verbüßte der Vater vom 7. Oktober 2009 bis zum 6. Mai 2010. Im Urteil ist festgestellt, dass sich der Vater am 15. Juni 2007 wegen des Sorge- und Umgangsrechts für S. mit der Mutter stritt und der Mutter derart heftig ins Gesicht schlug, dass diese im Bereich der Nase und der Lippe zu bluten begann.

Aus dem bei diesen Strafakten befindlichen Urteil des Amtsgerichts S. vom 7. Mai 2008 –Az.) – gehen zahlreiche, bis in das Jahr 1991 zurückreichende Vorstrafen des Vaters hervor, unter anderem wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung, wegen derer der Vater auch schon mehrfach Strafhaft erlitten hat. Letztmals hatte er bis November 2005 eine Freiheitsstrafe von dreizehn Monaten verbüßt.

Mit Beschluss vom 20. September 2007 –Az., Az. und Az. – übertrug das Familiengericht S. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. im Einvernehmen der Eltern auf die Mutter.

In der vorliegenden, vom vormaligen Scheidungsverbund, der am 4. Juli 2007 eingeleitet worden war, abgetrennten Folgesache Sorgerecht hat die Mutter beantragt, ihr die alleinige elterliche Sorge für S. zu übertragen.

Der Vater hat um Zurückweisung des – vom Kreisjugendamt unterstützten – Antrags gebeten.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht der Mutter die alleinige elterliche Sorge für S. übertragen.

Mit seiner gegen diesen ihm am 16. April 2010 zugestellten Beschluss gerichteten, am 30. April 2010 beim Saarländischen Oberlandesgericht eingegangenen Beschwerde beantragt der Vater, den angefochtenen Beschluss „aufzuheben“ und sucht um Bewilligung von „Verfahrenskostenhilfe“ für das Beschwerdeverfahren nach.

Das Jugendamt hat unter Verteidigung des angefochtenen Beschlusses auf Zurückweisung der Beschwerde angetragen. Die Mutter hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Dem Senat haben die Akten Az. und Az. des Amtsgerichts S., Az. und Az. des Amtsgerichts N. sowie Az. der Staatsanwaltschaft S. vorgelegen.

II.

Die Senatsentscheidung richtet sich gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060 m.w.N.).

Der nach §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässigen Beschwerde des Vaters bleibt ein Erfolg versagt.

Zu Recht, auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens und mit wohlerwogener Begründung hat das Familiengericht der Mutter – über das ihr bereits zustehende Aufenthaltsbestimmungsrecht hinausgehend – nach § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB die Alleinsorge für S. übertragen.

Das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 75, 201; 61, 358). Der Schutz des Elternrechts, der dem Vater und der Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 107, 150; 84, 168). Dabei setzt die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus, erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten (BVerfGE 107, 150; BVerfG FamRZ 2004, 354; BGH FamRZ 2008, 592). Insbesondere auch für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf das Elternrecht der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 107, 150; 92, 158; BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010 – 1 BvQ 4/10 –, juris).

Dem dient § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060 m. Anm. Völker S. 1065). Dabei ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen Sorge einen Vorrang einzuräumen; ein solcher findet sich auch nicht in der Regelung des § 1671 BGB wieder. Genauso wenig kann vermutet werden, dass die gemeinsame Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (vgl. BVerfGE 107, 150; BGH FamRZ 2008, 592; 1999, 1646).

Freilich schließt nicht jede Spannung oder Streitigkeit zwischen den Eltern die gemeinsame Wahrnehmung des Sorgerechts aus; vielmehr kommt es darauf an, welche Auswirkungen eine fehlende Einigung bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird. Besteht zwischen den Eltern in den Grundlinien der Erziehung Einvernehmen und streiten sie nur über Nebenfragen, so besteht ebenso wenig Anlass, die gemeinsame Sorge aufzuheben, wie wenn unbeschadet bestehender Meinungsverschiedenheiten eine Kooperation auf der Elternebene noch möglich ist (BGH FamRZ 2008, 592). Denn aufgrund des „ethischen Vorrangs“, der dem Idealbild einer von beiden Elternteilen auch nach ihrer Trennung verantwortungsbewusst im Kindesinteresse ausgeübten gemeinschaftlichen elterlichen Sorge einzuräumen ist, ist eine Verpflichtung der Eltern zum Konsens nicht zu bestreiten (BGH FamRZ 2008, 592).

Die bloße Pflicht zur Konsensfindung vermag indessen eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen. Denn nicht schon das Bestehen der Pflicht allein ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität eben nicht verordnen lässt. Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich (BGH FamRZ 2008, 592).

Muss hiernach die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden, so haben sich die Gerichte allerdings nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit Teilentscheidungen – als milderes Mittel – zu begnügen, wo immer dies dem Kindeswohl Genüge tut (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1015; BGH FamRZ 2005, 1167; vgl. zum Ganzen auch Senatsbeschluss vom 26. August 2009 – 6 UF 68/09 –, FamRZ 2010, 385 m.w.N.).

Diesen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben hält die vom Familiengericht erkannte Aufhebung der gemeinsamen Sorge der Eltern für S. stand.

Bei den hier gegebenen Umständen ist eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen – auch in Teilbereichen – nicht mehr in einer Art und Weise möglich, die bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleistete.

Angesichts der angezeigten kindeswohlzentrierten Betrachtungsweise kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und ggf. in welchem Umfang die fehlende Kooperationsfähigkeit der Eltern auf dem Verhalten vornehmlich eines Elternteils beruht. Unbeschadet dessen ist die Ablehnung der Mutter, sich mit dem Vater hinsichtlich wesentlicher Kindeswohlbelange auszutauschen und ein Einvernehmen anzustreben (§ 1687 S. 1 i.V.m. § 1627 BGB), leicht nachvollziehbar. Soweit der Vater im Beschwerdeverfahren mit deutlichen Worten die Verantwortung für die Kommunikationsunfähigkeit der Eltern allein der Kindesmutter zuzuweisen versucht, entbehrt dies angesichts der von ihm gegen die Mutter begangenen Straftat einer belastbaren Grundlage, zumal das Familiengericht N. gegen den Vater mit – rechtskräftigem – Beschluss vom 16. Dezember 2008 –Az. – ein Ordnungsgeld von 500 EUR, ersatzweise Ordnungshaft verhängt hat, weil dieser der Mutter am Wochenende vom 29. auf den 31. Dezember 2007 im Beisein beider Kinder auf die Lippe geschlagen und sie am folgenden Wochenende bei Übergabe der Kinder als Kanakenhure beschimpft und ihr gedroht habe, sie in eine Schaufensterscheibe zu werfen und sie umzubringen.

Die soziale Beziehung der Eltern für eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge ist hier nicht mehr tragfähig und zerrüttet. Der Mutter wäre es bei den gegebenen Umständen nicht zumutbar, hielte man sie an der gemeinsamen Sorge mit dem Vater fest. Es stünde dann vielmehr konkret zu erwarten, dass sich dies auch auf die Kinder nachteilig auswirkt, zumal weitere Angriffe des Vaters auf die Mutter zu befürchten sind. Denn dem Vater kann hinsichtlich seiner Gewaltbereitschaft nur eine negative Prognose bescheinigt werden. Er hat sich trotz des Ende 2007 – wie ihm bekannt war – bereits laufenden Strafverfahrens wegen des Vorfalls vom 15. Juni 2007, in dem er angesichts seiner erheblichen Vorstrafen mit einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung rechnen musste, dazu hinreißen lassen, erneut gegenüber der Mutter gewalttätig zu werden. Auch im jüngsten Strafvollstreckungsverfahren wurde eine Aussetzung der Vollstreckung seiner Reststrafe nach zwei Dritteln der Strafverbüßung mit Beschluss vom 27. Januar 2010 –Az. – wegen Fehlens einer günstigen Prognose abgelehnt.

Soweit der Vater im Beschwerdeverfahren in Abrede stellt, dass sein Alkoholproblem stationärer Behandlung bedarf, stellt er sich in diametralen Widerspruch zu seinen Äußerungen vor seiner jüngsten Haftentlassung, die in der Strafakte Az. in der Anhörungsniederschrift der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts S. vom 27. Januar 2010 niedergelegt sind. Dort hat er eingeräumt, eine Alkoholproblematik zu haben, und bekundet, er wolle eine Therapie in der Entzugsklinik T. absolvieren, habe diesbezüglich aber noch keine Bemühungen unternommen. Dies legt im Zusammenhang mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. in seinem Gutachten vom 11. Juli 2008 im Verfahren Az. ein beredtes Zeugnis ab. Darin wird dem Vater eine krankheitswertige Alkoholabhängigkeit (ICD 10 F 10.2) bescheinigt und eine hinreichende Chance einer Entwöhnungsbehandlung nur im Rahmen einer mehrmonatigen stationären Maßnahme gesehen. Der Sachverständige hat auch die Befürchtung geäußert, dass der Vater – dem der Gutachter eine impulsive Persönlichkeitsstruktur zugeschrieben hat – unter dem Einfluss größerer Mengen Alkohol zu unbedachten Handlungen neigt, die auch das Kindeswohl erheblich gefährden können.

In Ansehung dessen hat sich der Vater im Verfahren Az. in einem Zwischenvergleich vom 19. März 2010 dazu verpflichtet, eine Beratung hinsichtlich seiner Alkoholproblematik in Anspruch zu nehmen, entsprechende Blutwertkontrollen vorzunehmen und dem Jugendamt und dem Gericht bis zum 30. Juni 2010 entsprechende Bescheinigungen vorzulegen. Sein Vortrag im Beschwerdeverfahren, er unterziehe sich einer „ambulanten Therapie“ bei der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle der Caritas, wird – worauf der Senat hingewiesen hat – von der von ihm vorgelegten Bescheinigung vom 17. Mai 2010 nicht getragen. Aus dieser geht nur hervor, dass der Vater an diesem Tag an der „offenen Sprechstunde“ teilgenommen hat. Ob er weitere Termine wahrgenommen hat und was Inhalt dieser Sprechstunde ist, erhellt das Beschwerdevorbringen nicht. Der Hinweis des Vaters darauf, der Anstaltsarzt habe bescheinigt, dass eine behandlungsbedürftige Suchterkrankung nicht vorliege, ist ebenfalls unbehelflich. Aus dem zur Stützung dieser Behauptung vorgelegten Attest vom 5. März 2010 geht nur hervor, dass beim Vater bei Aufnahme keine Alkoholentzugszeichen festgestellt und keine Entzugsmedikamente verordnet worden seien. Dies sagt – auch in Gesamtschau mit dem vorgelegten Laborbericht vom 24. Juni 2010 – nichts über die Rückfallgefährdung des Vaters für den Fall aus, dass er die vom Sachverständigen für notwendig erachtete stationäre Therapie nicht in Angriff nimmt.

Dem Vorwurf des Vaters, die Mutter hintertreibe seinen Umgang mit S. und S. M. L., kommt – unabhängig von seiner Berechtigung, für die es an greifbaren Anhaltspunkten fehlt – keine entscheidende Bedeutung zu. Die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts ist nicht Voraussetzung für das hiervon unabhängig bestehende Umgangsrecht des Vaters, über dessen Ausgestaltung die Eltern im Verfahren Az. hinsichtlich beider Kinder streiten. Dort wird allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass das Umgangsrecht des Vaters mit S. M. L. nur aus § 1685 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB folgen kann, also die Feststellung voraussetzt, dass der Umgang dem Wohl S. M. L. dient. Dies wird angesichts ihrer in der Kindesanhörung vor dem Familiengericht deutlich zum Ausdruck gekommen ablehnenden Haltung und der Bedeutung des Willens eines inzwischen elfjährigen Kindes (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2008, 1737 m.w.N.) genauer Prüfung bedürfen.

Insoweit, als sich der Vater auf den Willen S. und ihre enge emotionale Bindung zu ihm beruft, deutet zwar das Ergebnis der erstinstanzlichen Kindesanhörung jedenfalls auf Letzteres hin. Indessen hat dies im Lichte der dargestellten Aspekte bei der Frage der Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge kein durchschlagendes Gewicht, wohl aber bei der Ausgestaltung des dem Vater – insoweit nach § 1684 Abs. 1 BGB – zustehenden Umgangsrechts.

Eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nur in Teilbereichen dient vorliegend trotz des zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht dem Wohle S.. Es ist aus den vorgenannten Gründen davon auszugehen, dass sich diese besser entwickeln wird, wenn man das sorgerechtliche Band, das die Eltern miteinander verbindet, restlos durchtrennt.

Hat das Familiengericht hiernach zu Recht die gemeinsame elterliche Sorge vollständig aufgehoben, so findet es ebenfalls vollumfänglich die Billigung des Senats, dass und warum es – auf der zweiten Prüfungsebene des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) – gerade der Mutter die Alleinsorge übertragen hat. Eine auf § 1671 Abs. 2 Nr. 2 gegründete Übertragung der Alleinsorge auf den Vater kommt schon mangels eines dahingehenden Antrags des Vaters, den § 1671 Abs. 1 BGB ausweislich seines Wortlauts zwingend voraussetzt, nicht in Betracht (Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 3. Aufl. 2010, § 1, Rz. 273 m.w.N.). Soweit der Vater auf Erziehungsdefizite der Mutter verweist – und sich in diesem Zusammenhang zu der Bewertung versteigt, diese würde durch die Übertragung der Alleinsorge „belohnt“ –, nimmt die Mutter die insoweit angezeigten Jugendhilfemaßnahmen ausweislich der Stellungnahme des Kreisjugendamts im Beschwerdeverfahren weiter in Anspruch, sodass es fern liegt, die elterliche Sorge nach § 1671 Abs. 3 BGB abweichend zu regeln.

Der Senat hat unter den gegebenen Umständen von einer persönlichen Anhörung der Eltern und des Kindes in der Beschwerdeinstanz abgesehen, weil der zu beurteilende Sachverhalt erstinstanzlich verfahrensfehlerfrei und umfassend aufgeklärt worden ist und von einer erneuten Anhörung hier keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind, zumal der anwaltlich vertretene Vater keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat, die für die Sachdienlichkeit – von ihm auch nicht angeregter – erneuter Anhörung sprechen (vgl. BVerfG FamRZ 1984, 139; VerfGH Berlin FamRZ 2001, 848; Senatsbeschlüsse vom 18. Februar 2010 – 6 UF 96/09 – , vom 17. Dezember 2009 – 6 UF 92/09 – und vom 16. Dezember 2009 – 6 UF 90/09 –, FamRZ 2010, 1092).

Nach alledem bewendet es bei dem angefochtenen Beschluss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 30 Abs. 2 und 3 KostO.

Dem Vater war die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte (richtig:) Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels zu verweigern (§ 14 FGG i. V. m. § 114 ZPO).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 621e Abs. 2 i.V.m. § 543 Abs. 2 ZPO).

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in N. vom 31. März 2010 –Az. – wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat den übrigen Beteiligten die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

3. Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 EUR.

4. Dem Antragsgegner wird die von ihm für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert.

Gründe

I.

Aus der am 31. August 2000 geschlossenen und seit dem 20. Oktober 2009 rechtskräftig geschiedenen Ehe der im August 1976 geborenen Mutter und des im Juni 1968 geborenen Vaters ist die verfahrensbetroffene Tochter S. S., geboren am 00.00. 2000, hervorgegangen. S. lebt seit der Trennung der Eltern am 15. Mai 2007 bei der Mutter. Diese ist aus einer vorangegangenen Beziehung Mutter der weiteren Tochter S. M. L., geboren am 00.00. 1999, für die sie die alleinige elterliche Sorge innehat und die bei ihr wohnt.

In dem vor dem Familiengericht N. zwischen den Eltern geführten Verfahren Az. übernahm der Vater in einem Vergleich am 13. Juli 2007 die Verpflichtung, sich der Mutter – mit Ausnahme unbedingt erforderlicher Kontakte zur Ausübung des Umgangsrechts mit den Kindern S. und S.M.L. sowie nach ausdrücklicher Vereinbarung – nicht mehr auf weniger als 50 Meter zu nähern, diesen Abstand im Falle zufälligen Zusammentreffens sofort wieder herzustellen und es zu unterlassen, die Mutter zu bedrohen, zu beschimpfen und zu schlagen.

Dem lag ein Vorfall zugrunde, wegen dem der Vater im Strafverfahren Az. Amtsgericht N. mit Urteil vom 28. Januar 2009 der – zum Nachteil der Mutter begangenen – vorsätzlichen Körperverletzung für schuldig befunden wurde. Deswegen wurde er – unter Einbeziehung einer vorangegangenen Verurteilung zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Diese Strafe verbüßte der Vater vom 7. Oktober 2009 bis zum 6. Mai 2010. Im Urteil ist festgestellt, dass sich der Vater am 15. Juni 2007 wegen des Sorge- und Umgangsrechts für S. mit der Mutter stritt und der Mutter derart heftig ins Gesicht schlug, dass diese im Bereich der Nase und der Lippe zu bluten begann.

Aus dem bei diesen Strafakten befindlichen Urteil des Amtsgerichts S. vom 7. Mai 2008 –Az.) – gehen zahlreiche, bis in das Jahr 1991 zurückreichende Vorstrafen des Vaters hervor, unter anderem wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung, wegen derer der Vater auch schon mehrfach Strafhaft erlitten hat. Letztmals hatte er bis November 2005 eine Freiheitsstrafe von dreizehn Monaten verbüßt.

Mit Beschluss vom 20. September 2007 –Az., Az. und Az. – übertrug das Familiengericht S. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. im Einvernehmen der Eltern auf die Mutter.

In der vorliegenden, vom vormaligen Scheidungsverbund, der am 4. Juli 2007 eingeleitet worden war, abgetrennten Folgesache Sorgerecht hat die Mutter beantragt, ihr die alleinige elterliche Sorge für S. zu übertragen.

Der Vater hat um Zurückweisung des – vom Kreisjugendamt unterstützten – Antrags gebeten.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht der Mutter die alleinige elterliche Sorge für S. übertragen.

Mit seiner gegen diesen ihm am 16. April 2010 zugestellten Beschluss gerichteten, am 30. April 2010 beim Saarländischen Oberlandesgericht eingegangenen Beschwerde beantragt der Vater, den angefochtenen Beschluss „aufzuheben“ und sucht um Bewilligung von „Verfahrenskostenhilfe“ für das Beschwerdeverfahren nach.

Das Jugendamt hat unter Verteidigung des angefochtenen Beschlusses auf Zurückweisung der Beschwerde angetragen. Die Mutter hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Dem Senat haben die Akten Az. und Az. des Amtsgerichts S., Az. und Az. des Amtsgerichts N. sowie Az. der Staatsanwaltschaft S. vorgelegen.

II.

Die Senatsentscheidung richtet sich gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060 m.w.N.).

Der nach §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässigen Beschwerde des Vaters bleibt ein Erfolg versagt.

Zu Recht, auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens und mit wohlerwogener Begründung hat das Familiengericht der Mutter – über das ihr bereits zustehende Aufenthaltsbestimmungsrecht hinausgehend – nach § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB die Alleinsorge für S. übertragen.

Das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 75, 201; 61, 358). Der Schutz des Elternrechts, der dem Vater und der Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 107, 150; 84, 168). Dabei setzt die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus, erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten (BVerfGE 107, 150; BVerfG FamRZ 2004, 354; BGH FamRZ 2008, 592). Insbesondere auch für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf das Elternrecht der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 107, 150; 92, 158; BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010 – 1 BvQ 4/10 –, juris).

Dem dient § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060 m. Anm. Völker S. 1065). Dabei ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen Sorge einen Vorrang einzuräumen; ein solcher findet sich auch nicht in der Regelung des § 1671 BGB wieder. Genauso wenig kann vermutet werden, dass die gemeinsame Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (vgl. BVerfGE 107, 150; BGH FamRZ 2008, 592; 1999, 1646).

Freilich schließt nicht jede Spannung oder Streitigkeit zwischen den Eltern die gemeinsame Wahrnehmung des Sorgerechts aus; vielmehr kommt es darauf an, welche Auswirkungen eine fehlende Einigung bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird. Besteht zwischen den Eltern in den Grundlinien der Erziehung Einvernehmen und streiten sie nur über Nebenfragen, so besteht ebenso wenig Anlass, die gemeinsame Sorge aufzuheben, wie wenn unbeschadet bestehender Meinungsverschiedenheiten eine Kooperation auf der Elternebene noch möglich ist (BGH FamRZ 2008, 592). Denn aufgrund des „ethischen Vorrangs“, der dem Idealbild einer von beiden Elternteilen auch nach ihrer Trennung verantwortungsbewusst im Kindesinteresse ausgeübten gemeinschaftlichen elterlichen Sorge einzuräumen ist, ist eine Verpflichtung der Eltern zum Konsens nicht zu bestreiten (BGH FamRZ 2008, 592).

Die bloße Pflicht zur Konsensfindung vermag indessen eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen. Denn nicht schon das Bestehen der Pflicht allein ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität eben nicht verordnen lässt. Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich (BGH FamRZ 2008, 592).

Muss hiernach die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden, so haben sich die Gerichte allerdings nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit Teilentscheidungen – als milderes Mittel – zu begnügen, wo immer dies dem Kindeswohl Genüge tut (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1015; BGH FamRZ 2005, 1167; vgl. zum Ganzen auch Senatsbeschluss vom 26. August 2009 – 6 UF 68/09 –, FamRZ 2010, 385 m.w.N.).

Diesen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben hält die vom Familiengericht erkannte Aufhebung der gemeinsamen Sorge der Eltern für S. stand.

Bei den hier gegebenen Umständen ist eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen – auch in Teilbereichen – nicht mehr in einer Art und Weise möglich, die bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleistete.

Angesichts der angezeigten kindeswohlzentrierten Betrachtungsweise kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und ggf. in welchem Umfang die fehlende Kooperationsfähigkeit der Eltern auf dem Verhalten vornehmlich eines Elternteils beruht. Unbeschadet dessen ist die Ablehnung der Mutter, sich mit dem Vater hinsichtlich wesentlicher Kindeswohlbelange auszutauschen und ein Einvernehmen anzustreben (§ 1687 S. 1 i.V.m. § 1627 BGB), leicht nachvollziehbar. Soweit der Vater im Beschwerdeverfahren mit deutlichen Worten die Verantwortung für die Kommunikationsunfähigkeit der Eltern allein der Kindesmutter zuzuweisen versucht, entbehrt dies angesichts der von ihm gegen die Mutter begangenen Straftat einer belastbaren Grundlage, zumal das Familiengericht N. gegen den Vater mit – rechtskräftigem – Beschluss vom 16. Dezember 2008 –Az. – ein Ordnungsgeld von 500 EUR, ersatzweise Ordnungshaft verhängt hat, weil dieser der Mutter am Wochenende vom 29. auf den 31. Dezember 2007 im Beisein beider Kinder auf die Lippe geschlagen und sie am folgenden Wochenende bei Übergabe der Kinder als Kanakenhure beschimpft und ihr gedroht habe, sie in eine Schaufensterscheibe zu werfen und sie umzubringen.

Die soziale Beziehung der Eltern für eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge ist hier nicht mehr tragfähig und zerrüttet. Der Mutter wäre es bei den gegebenen Umständen nicht zumutbar, hielte man sie an der gemeinsamen Sorge mit dem Vater fest. Es stünde dann vielmehr konkret zu erwarten, dass sich dies auch auf die Kinder nachteilig auswirkt, zumal weitere Angriffe des Vaters auf die Mutter zu befürchten sind. Denn dem Vater kann hinsichtlich seiner Gewaltbereitschaft nur eine negative Prognose bescheinigt werden. Er hat sich trotz des Ende 2007 – wie ihm bekannt war – bereits laufenden Strafverfahrens wegen des Vorfalls vom 15. Juni 2007, in dem er angesichts seiner erheblichen Vorstrafen mit einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung rechnen musste, dazu hinreißen lassen, erneut gegenüber der Mutter gewalttätig zu werden. Auch im jüngsten Strafvollstreckungsverfahren wurde eine Aussetzung der Vollstreckung seiner Reststrafe nach zwei Dritteln der Strafverbüßung mit Beschluss vom 27. Januar 2010 –Az. – wegen Fehlens einer günstigen Prognose abgelehnt.

Soweit der Vater im Beschwerdeverfahren in Abrede stellt, dass sein Alkoholproblem stationärer Behandlung bedarf, stellt er sich in diametralen Widerspruch zu seinen Äußerungen vor seiner jüngsten Haftentlassung, die in der Strafakte Az. in der Anhörungsniederschrift der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts S. vom 27. Januar 2010 niedergelegt sind. Dort hat er eingeräumt, eine Alkoholproblematik zu haben, und bekundet, er wolle eine Therapie in der Entzugsklinik T. absolvieren, habe diesbezüglich aber noch keine Bemühungen unternommen. Dies legt im Zusammenhang mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. in seinem Gutachten vom 11. Juli 2008 im Verfahren Az. ein beredtes Zeugnis ab. Darin wird dem Vater eine krankheitswertige Alkoholabhängigkeit (ICD 10 F 10.2) bescheinigt und eine hinreichende Chance einer Entwöhnungsbehandlung nur im Rahmen einer mehrmonatigen stationären Maßnahme gesehen. Der Sachverständige hat auch die Befürchtung geäußert, dass der Vater – dem der Gutachter eine impulsive Persönlichkeitsstruktur zugeschrieben hat – unter dem Einfluss größerer Mengen Alkohol zu unbedachten Handlungen neigt, die auch das Kindeswohl erheblich gefährden können.

In Ansehung dessen hat sich der Vater im Verfahren Az. in einem Zwischenvergleich vom 19. März 2010 dazu verpflichtet, eine Beratung hinsichtlich seiner Alkoholproblematik in Anspruch zu nehmen, entsprechende Blutwertkontrollen vorzunehmen und dem Jugendamt und dem Gericht bis zum 30. Juni 2010 entsprechende Bescheinigungen vorzulegen. Sein Vortrag im Beschwerdeverfahren, er unterziehe sich einer „ambulanten Therapie“ bei der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle der Caritas, wird – worauf der Senat hingewiesen hat – von der von ihm vorgelegten Bescheinigung vom 17. Mai 2010 nicht getragen. Aus dieser geht nur hervor, dass der Vater an diesem Tag an der „offenen Sprechstunde“ teilgenommen hat. Ob er weitere Termine wahrgenommen hat und was Inhalt dieser Sprechstunde ist, erhellt das Beschwerdevorbringen nicht. Der Hinweis des Vaters darauf, der Anstaltsarzt habe bescheinigt, dass eine behandlungsbedürftige Suchterkrankung nicht vorliege, ist ebenfalls unbehelflich. Aus dem zur Stützung dieser Behauptung vorgelegten Attest vom 5. März 2010 geht nur hervor, dass beim Vater bei Aufnahme keine Alkoholentzugszeichen festgestellt und keine Entzugsmedikamente verordnet worden seien. Dies sagt – auch in Gesamtschau mit dem vorgelegten Laborbericht vom 24. Juni 2010 – nichts über die Rückfallgefährdung des Vaters für den Fall aus, dass er die vom Sachverständigen für notwendig erachtete stationäre Therapie nicht in Angriff nimmt.

Dem Vorwurf des Vaters, die Mutter hintertreibe seinen Umgang mit S. und S. M. L., kommt – unabhängig von seiner Berechtigung, für die es an greifbaren Anhaltspunkten fehlt – keine entscheidende Bedeutung zu. Die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts ist nicht Voraussetzung für das hiervon unabhängig bestehende Umgangsrecht des Vaters, über dessen Ausgestaltung die Eltern im Verfahren Az. hinsichtlich beider Kinder streiten. Dort wird allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass das Umgangsrecht des Vaters mit S. M. L. nur aus § 1685 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB folgen kann, also die Feststellung voraussetzt, dass der Umgang dem Wohl S. M. L. dient. Dies wird angesichts ihrer in der Kindesanhörung vor dem Familiengericht deutlich zum Ausdruck gekommen ablehnenden Haltung und der Bedeutung des Willens eines inzwischen elfjährigen Kindes (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2008, 1737 m.w.N.) genauer Prüfung bedürfen.

Insoweit, als sich der Vater auf den Willen S. und ihre enge emotionale Bindung zu ihm beruft, deutet zwar das Ergebnis der erstinstanzlichen Kindesanhörung jedenfalls auf Letzteres hin. Indessen hat dies im Lichte der dargestellten Aspekte bei der Frage der Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge kein durchschlagendes Gewicht, wohl aber bei der Ausgestaltung des dem Vater – insoweit nach § 1684 Abs. 1 BGB – zustehenden Umgangsrechts.

Eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nur in Teilbereichen dient vorliegend trotz des zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht dem Wohle S.. Es ist aus den vorgenannten Gründen davon auszugehen, dass sich diese besser entwickeln wird, wenn man das sorgerechtliche Band, das die Eltern miteinander verbindet, restlos durchtrennt.

Hat das Familiengericht hiernach zu Recht die gemeinsame elterliche Sorge vollständig aufgehoben, so findet es ebenfalls vollumfänglich die Billigung des Senats, dass und warum es – auf der zweiten Prüfungsebene des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) – gerade der Mutter die Alleinsorge übertragen hat. Eine auf § 1671 Abs. 2 Nr. 2 gegründete Übertragung der Alleinsorge auf den Vater kommt schon mangels eines dahingehenden Antrags des Vaters, den § 1671 Abs. 1 BGB ausweislich seines Wortlauts zwingend voraussetzt, nicht in Betracht (Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 3. Aufl. 2010, § 1, Rz. 273 m.w.N.). Soweit der Vater auf Erziehungsdefizite der Mutter verweist – und sich in diesem Zusammenhang zu der Bewertung versteigt, diese würde durch die Übertragung der Alleinsorge „belohnt“ –, nimmt die Mutter die insoweit angezeigten Jugendhilfemaßnahmen ausweislich der Stellungnahme des Kreisjugendamts im Beschwerdeverfahren weiter in Anspruch, sodass es fern liegt, die elterliche Sorge nach § 1671 Abs. 3 BGB abweichend zu regeln.

Der Senat hat unter den gegebenen Umständen von einer persönlichen Anhörung der Eltern und des Kindes in der Beschwerdeinstanz abgesehen, weil der zu beurteilende Sachverhalt erstinstanzlich verfahrensfehlerfrei und umfassend aufgeklärt worden ist und von einer erneuten Anhörung hier keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind, zumal der anwaltlich vertretene Vater keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat, die für die Sachdienlichkeit – von ihm auch nicht angeregter – erneuter Anhörung sprechen (vgl. BVerfG FamRZ 1984, 139; VerfGH Berlin FamRZ 2001, 848; Senatsbeschlüsse vom 18. Februar 2010 – 6 UF 96/09 – , vom 17. Dezember 2009 – 6 UF 92/09 – und vom 16. Dezember 2009 – 6 UF 90/09 –, FamRZ 2010, 1092).

Nach alledem bewendet es bei dem angefochtenen Beschluss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 30 Abs. 2 und 3 KostO.

Dem Vater war die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte (richtig:) Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels zu verweigern (§ 14 FGG i. V. m. § 114 ZPO).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 621e Abs. 2 i.V.m. § 543 Abs. 2 ZPO).

(1) Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Entscheidungen nach § 1626a Absatz 2 können gemäß § 1671 Absatz 1 geändert werden; § 1671 Absatz 4 gilt entsprechend. § 1678 Absatz 2, § 1680 Absatz 2 sowie § 1681 Absatz 1 und 2 bleiben unberührt.

(2) Eine Maßnahme nach den §§ 1666 bis 1667 oder einer anderen Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die nur ergriffen werden darf, wenn dies zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung oder zum Wohl des Kindes erforderlich ist (kindesschutzrechtliche Maßnahme), ist aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.

(3) Eine Anordnung nach § 1632 Absatz 4 ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson das Kindeswohl nicht gefährdet.

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Das Gericht hat das Kind persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen.

(2) Von der persönlichen Anhörung und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nach Absatz 1 kann das Gericht nur absehen, wenn

1.
ein schwerwiegender Grund dafür vorliegt,
2.
das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun,
3.
die Neigungen, Bindungen und der Wille des Kindes für die Entscheidung nicht von Bedeutung sind und eine persönliche Anhörung auch nicht aus anderen Gründen angezeigt ist oder
4.
das Verfahren ausschließlich das Vermögen des Kindes betrifft und eine persönliche Anhörung nach der Art der Angelegenheit nicht angezeigt ist.
Satz 1 Nummer 3 ist in Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die die Person des Kindes betreffen, nicht anzuwenden. Das Gericht hat sich in diesen Verfahren einen persönlichen Eindruck von dem Kind auch dann zu verschaffen, wenn das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun.

(3) Sieht das Gericht davon ab, das Kind persönlich anzuhören oder sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen, ist dies in der Endentscheidung zu begründen. Unterbleibt eine Anhörung oder die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks allein wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen.

(4) Das Kind soll über den Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in einer geeigneten und seinem Alter entsprechenden Weise informiert werden, soweit nicht Nachteile für seine Entwicklung, Erziehung oder Gesundheit zu befürchten sind. Ihm ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Hat das Gericht dem Kind nach § 158 einen Verfahrensbeistand bestellt, soll die persönliche Anhörung und die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in dessen Anwesenheit stattfinden. Im Übrigen steht die Gestaltung der persönlichen Anhörung im Ermessen des Gerichts.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in N. vom 31. März 2010 –Az. – wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat den übrigen Beteiligten die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

3. Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 EUR.

4. Dem Antragsgegner wird die von ihm für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert.

Gründe

I.

Aus der am 31. August 2000 geschlossenen und seit dem 20. Oktober 2009 rechtskräftig geschiedenen Ehe der im August 1976 geborenen Mutter und des im Juni 1968 geborenen Vaters ist die verfahrensbetroffene Tochter S. S., geboren am 00.00. 2000, hervorgegangen. S. lebt seit der Trennung der Eltern am 15. Mai 2007 bei der Mutter. Diese ist aus einer vorangegangenen Beziehung Mutter der weiteren Tochter S. M. L., geboren am 00.00. 1999, für die sie die alleinige elterliche Sorge innehat und die bei ihr wohnt.

In dem vor dem Familiengericht N. zwischen den Eltern geführten Verfahren Az. übernahm der Vater in einem Vergleich am 13. Juli 2007 die Verpflichtung, sich der Mutter – mit Ausnahme unbedingt erforderlicher Kontakte zur Ausübung des Umgangsrechts mit den Kindern S. und S.M.L. sowie nach ausdrücklicher Vereinbarung – nicht mehr auf weniger als 50 Meter zu nähern, diesen Abstand im Falle zufälligen Zusammentreffens sofort wieder herzustellen und es zu unterlassen, die Mutter zu bedrohen, zu beschimpfen und zu schlagen.

Dem lag ein Vorfall zugrunde, wegen dem der Vater im Strafverfahren Az. Amtsgericht N. mit Urteil vom 28. Januar 2009 der – zum Nachteil der Mutter begangenen – vorsätzlichen Körperverletzung für schuldig befunden wurde. Deswegen wurde er – unter Einbeziehung einer vorangegangenen Verurteilung zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Diese Strafe verbüßte der Vater vom 7. Oktober 2009 bis zum 6. Mai 2010. Im Urteil ist festgestellt, dass sich der Vater am 15. Juni 2007 wegen des Sorge- und Umgangsrechts für S. mit der Mutter stritt und der Mutter derart heftig ins Gesicht schlug, dass diese im Bereich der Nase und der Lippe zu bluten begann.

Aus dem bei diesen Strafakten befindlichen Urteil des Amtsgerichts S. vom 7. Mai 2008 –Az.) – gehen zahlreiche, bis in das Jahr 1991 zurückreichende Vorstrafen des Vaters hervor, unter anderem wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung, wegen derer der Vater auch schon mehrfach Strafhaft erlitten hat. Letztmals hatte er bis November 2005 eine Freiheitsstrafe von dreizehn Monaten verbüßt.

Mit Beschluss vom 20. September 2007 –Az., Az. und Az. – übertrug das Familiengericht S. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. im Einvernehmen der Eltern auf die Mutter.

In der vorliegenden, vom vormaligen Scheidungsverbund, der am 4. Juli 2007 eingeleitet worden war, abgetrennten Folgesache Sorgerecht hat die Mutter beantragt, ihr die alleinige elterliche Sorge für S. zu übertragen.

Der Vater hat um Zurückweisung des – vom Kreisjugendamt unterstützten – Antrags gebeten.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht der Mutter die alleinige elterliche Sorge für S. übertragen.

Mit seiner gegen diesen ihm am 16. April 2010 zugestellten Beschluss gerichteten, am 30. April 2010 beim Saarländischen Oberlandesgericht eingegangenen Beschwerde beantragt der Vater, den angefochtenen Beschluss „aufzuheben“ und sucht um Bewilligung von „Verfahrenskostenhilfe“ für das Beschwerdeverfahren nach.

Das Jugendamt hat unter Verteidigung des angefochtenen Beschlusses auf Zurückweisung der Beschwerde angetragen. Die Mutter hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Dem Senat haben die Akten Az. und Az. des Amtsgerichts S., Az. und Az. des Amtsgerichts N. sowie Az. der Staatsanwaltschaft S. vorgelegen.

II.

Die Senatsentscheidung richtet sich gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060 m.w.N.).

Der nach §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässigen Beschwerde des Vaters bleibt ein Erfolg versagt.

Zu Recht, auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens und mit wohlerwogener Begründung hat das Familiengericht der Mutter – über das ihr bereits zustehende Aufenthaltsbestimmungsrecht hinausgehend – nach § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB die Alleinsorge für S. übertragen.

Das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 75, 201; 61, 358). Der Schutz des Elternrechts, der dem Vater und der Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 107, 150; 84, 168). Dabei setzt die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus, erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten (BVerfGE 107, 150; BVerfG FamRZ 2004, 354; BGH FamRZ 2008, 592). Insbesondere auch für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf das Elternrecht der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 107, 150; 92, 158; BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010 – 1 BvQ 4/10 –, juris).

Dem dient § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060 m. Anm. Völker S. 1065). Dabei ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen Sorge einen Vorrang einzuräumen; ein solcher findet sich auch nicht in der Regelung des § 1671 BGB wieder. Genauso wenig kann vermutet werden, dass die gemeinsame Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (vgl. BVerfGE 107, 150; BGH FamRZ 2008, 592; 1999, 1646).

Freilich schließt nicht jede Spannung oder Streitigkeit zwischen den Eltern die gemeinsame Wahrnehmung des Sorgerechts aus; vielmehr kommt es darauf an, welche Auswirkungen eine fehlende Einigung bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird. Besteht zwischen den Eltern in den Grundlinien der Erziehung Einvernehmen und streiten sie nur über Nebenfragen, so besteht ebenso wenig Anlass, die gemeinsame Sorge aufzuheben, wie wenn unbeschadet bestehender Meinungsverschiedenheiten eine Kooperation auf der Elternebene noch möglich ist (BGH FamRZ 2008, 592). Denn aufgrund des „ethischen Vorrangs“, der dem Idealbild einer von beiden Elternteilen auch nach ihrer Trennung verantwortungsbewusst im Kindesinteresse ausgeübten gemeinschaftlichen elterlichen Sorge einzuräumen ist, ist eine Verpflichtung der Eltern zum Konsens nicht zu bestreiten (BGH FamRZ 2008, 592).

Die bloße Pflicht zur Konsensfindung vermag indessen eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen. Denn nicht schon das Bestehen der Pflicht allein ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität eben nicht verordnen lässt. Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich (BGH FamRZ 2008, 592).

Muss hiernach die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden, so haben sich die Gerichte allerdings nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit Teilentscheidungen – als milderes Mittel – zu begnügen, wo immer dies dem Kindeswohl Genüge tut (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1015; BGH FamRZ 2005, 1167; vgl. zum Ganzen auch Senatsbeschluss vom 26. August 2009 – 6 UF 68/09 –, FamRZ 2010, 385 m.w.N.).

Diesen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben hält die vom Familiengericht erkannte Aufhebung der gemeinsamen Sorge der Eltern für S. stand.

Bei den hier gegebenen Umständen ist eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen – auch in Teilbereichen – nicht mehr in einer Art und Weise möglich, die bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleistete.

Angesichts der angezeigten kindeswohlzentrierten Betrachtungsweise kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und ggf. in welchem Umfang die fehlende Kooperationsfähigkeit der Eltern auf dem Verhalten vornehmlich eines Elternteils beruht. Unbeschadet dessen ist die Ablehnung der Mutter, sich mit dem Vater hinsichtlich wesentlicher Kindeswohlbelange auszutauschen und ein Einvernehmen anzustreben (§ 1687 S. 1 i.V.m. § 1627 BGB), leicht nachvollziehbar. Soweit der Vater im Beschwerdeverfahren mit deutlichen Worten die Verantwortung für die Kommunikationsunfähigkeit der Eltern allein der Kindesmutter zuzuweisen versucht, entbehrt dies angesichts der von ihm gegen die Mutter begangenen Straftat einer belastbaren Grundlage, zumal das Familiengericht N. gegen den Vater mit – rechtskräftigem – Beschluss vom 16. Dezember 2008 –Az. – ein Ordnungsgeld von 500 EUR, ersatzweise Ordnungshaft verhängt hat, weil dieser der Mutter am Wochenende vom 29. auf den 31. Dezember 2007 im Beisein beider Kinder auf die Lippe geschlagen und sie am folgenden Wochenende bei Übergabe der Kinder als Kanakenhure beschimpft und ihr gedroht habe, sie in eine Schaufensterscheibe zu werfen und sie umzubringen.

Die soziale Beziehung der Eltern für eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge ist hier nicht mehr tragfähig und zerrüttet. Der Mutter wäre es bei den gegebenen Umständen nicht zumutbar, hielte man sie an der gemeinsamen Sorge mit dem Vater fest. Es stünde dann vielmehr konkret zu erwarten, dass sich dies auch auf die Kinder nachteilig auswirkt, zumal weitere Angriffe des Vaters auf die Mutter zu befürchten sind. Denn dem Vater kann hinsichtlich seiner Gewaltbereitschaft nur eine negative Prognose bescheinigt werden. Er hat sich trotz des Ende 2007 – wie ihm bekannt war – bereits laufenden Strafverfahrens wegen des Vorfalls vom 15. Juni 2007, in dem er angesichts seiner erheblichen Vorstrafen mit einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung rechnen musste, dazu hinreißen lassen, erneut gegenüber der Mutter gewalttätig zu werden. Auch im jüngsten Strafvollstreckungsverfahren wurde eine Aussetzung der Vollstreckung seiner Reststrafe nach zwei Dritteln der Strafverbüßung mit Beschluss vom 27. Januar 2010 –Az. – wegen Fehlens einer günstigen Prognose abgelehnt.

Soweit der Vater im Beschwerdeverfahren in Abrede stellt, dass sein Alkoholproblem stationärer Behandlung bedarf, stellt er sich in diametralen Widerspruch zu seinen Äußerungen vor seiner jüngsten Haftentlassung, die in der Strafakte Az. in der Anhörungsniederschrift der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts S. vom 27. Januar 2010 niedergelegt sind. Dort hat er eingeräumt, eine Alkoholproblematik zu haben, und bekundet, er wolle eine Therapie in der Entzugsklinik T. absolvieren, habe diesbezüglich aber noch keine Bemühungen unternommen. Dies legt im Zusammenhang mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. in seinem Gutachten vom 11. Juli 2008 im Verfahren Az. ein beredtes Zeugnis ab. Darin wird dem Vater eine krankheitswertige Alkoholabhängigkeit (ICD 10 F 10.2) bescheinigt und eine hinreichende Chance einer Entwöhnungsbehandlung nur im Rahmen einer mehrmonatigen stationären Maßnahme gesehen. Der Sachverständige hat auch die Befürchtung geäußert, dass der Vater – dem der Gutachter eine impulsive Persönlichkeitsstruktur zugeschrieben hat – unter dem Einfluss größerer Mengen Alkohol zu unbedachten Handlungen neigt, die auch das Kindeswohl erheblich gefährden können.

In Ansehung dessen hat sich der Vater im Verfahren Az. in einem Zwischenvergleich vom 19. März 2010 dazu verpflichtet, eine Beratung hinsichtlich seiner Alkoholproblematik in Anspruch zu nehmen, entsprechende Blutwertkontrollen vorzunehmen und dem Jugendamt und dem Gericht bis zum 30. Juni 2010 entsprechende Bescheinigungen vorzulegen. Sein Vortrag im Beschwerdeverfahren, er unterziehe sich einer „ambulanten Therapie“ bei der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle der Caritas, wird – worauf der Senat hingewiesen hat – von der von ihm vorgelegten Bescheinigung vom 17. Mai 2010 nicht getragen. Aus dieser geht nur hervor, dass der Vater an diesem Tag an der „offenen Sprechstunde“ teilgenommen hat. Ob er weitere Termine wahrgenommen hat und was Inhalt dieser Sprechstunde ist, erhellt das Beschwerdevorbringen nicht. Der Hinweis des Vaters darauf, der Anstaltsarzt habe bescheinigt, dass eine behandlungsbedürftige Suchterkrankung nicht vorliege, ist ebenfalls unbehelflich. Aus dem zur Stützung dieser Behauptung vorgelegten Attest vom 5. März 2010 geht nur hervor, dass beim Vater bei Aufnahme keine Alkoholentzugszeichen festgestellt und keine Entzugsmedikamente verordnet worden seien. Dies sagt – auch in Gesamtschau mit dem vorgelegten Laborbericht vom 24. Juni 2010 – nichts über die Rückfallgefährdung des Vaters für den Fall aus, dass er die vom Sachverständigen für notwendig erachtete stationäre Therapie nicht in Angriff nimmt.

Dem Vorwurf des Vaters, die Mutter hintertreibe seinen Umgang mit S. und S. M. L., kommt – unabhängig von seiner Berechtigung, für die es an greifbaren Anhaltspunkten fehlt – keine entscheidende Bedeutung zu. Die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts ist nicht Voraussetzung für das hiervon unabhängig bestehende Umgangsrecht des Vaters, über dessen Ausgestaltung die Eltern im Verfahren Az. hinsichtlich beider Kinder streiten. Dort wird allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass das Umgangsrecht des Vaters mit S. M. L. nur aus § 1685 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB folgen kann, also die Feststellung voraussetzt, dass der Umgang dem Wohl S. M. L. dient. Dies wird angesichts ihrer in der Kindesanhörung vor dem Familiengericht deutlich zum Ausdruck gekommen ablehnenden Haltung und der Bedeutung des Willens eines inzwischen elfjährigen Kindes (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2008, 1737 m.w.N.) genauer Prüfung bedürfen.

Insoweit, als sich der Vater auf den Willen S. und ihre enge emotionale Bindung zu ihm beruft, deutet zwar das Ergebnis der erstinstanzlichen Kindesanhörung jedenfalls auf Letzteres hin. Indessen hat dies im Lichte der dargestellten Aspekte bei der Frage der Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge kein durchschlagendes Gewicht, wohl aber bei der Ausgestaltung des dem Vater – insoweit nach § 1684 Abs. 1 BGB – zustehenden Umgangsrechts.

Eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nur in Teilbereichen dient vorliegend trotz des zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht dem Wohle S.. Es ist aus den vorgenannten Gründen davon auszugehen, dass sich diese besser entwickeln wird, wenn man das sorgerechtliche Band, das die Eltern miteinander verbindet, restlos durchtrennt.

Hat das Familiengericht hiernach zu Recht die gemeinsame elterliche Sorge vollständig aufgehoben, so findet es ebenfalls vollumfänglich die Billigung des Senats, dass und warum es – auf der zweiten Prüfungsebene des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) – gerade der Mutter die Alleinsorge übertragen hat. Eine auf § 1671 Abs. 2 Nr. 2 gegründete Übertragung der Alleinsorge auf den Vater kommt schon mangels eines dahingehenden Antrags des Vaters, den § 1671 Abs. 1 BGB ausweislich seines Wortlauts zwingend voraussetzt, nicht in Betracht (Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 3. Aufl. 2010, § 1, Rz. 273 m.w.N.). Soweit der Vater auf Erziehungsdefizite der Mutter verweist – und sich in diesem Zusammenhang zu der Bewertung versteigt, diese würde durch die Übertragung der Alleinsorge „belohnt“ –, nimmt die Mutter die insoweit angezeigten Jugendhilfemaßnahmen ausweislich der Stellungnahme des Kreisjugendamts im Beschwerdeverfahren weiter in Anspruch, sodass es fern liegt, die elterliche Sorge nach § 1671 Abs. 3 BGB abweichend zu regeln.

Der Senat hat unter den gegebenen Umständen von einer persönlichen Anhörung der Eltern und des Kindes in der Beschwerdeinstanz abgesehen, weil der zu beurteilende Sachverhalt erstinstanzlich verfahrensfehlerfrei und umfassend aufgeklärt worden ist und von einer erneuten Anhörung hier keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind, zumal der anwaltlich vertretene Vater keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat, die für die Sachdienlichkeit – von ihm auch nicht angeregter – erneuter Anhörung sprechen (vgl. BVerfG FamRZ 1984, 139; VerfGH Berlin FamRZ 2001, 848; Senatsbeschlüsse vom 18. Februar 2010 – 6 UF 96/09 – , vom 17. Dezember 2009 – 6 UF 92/09 – und vom 16. Dezember 2009 – 6 UF 90/09 –, FamRZ 2010, 1092).

Nach alledem bewendet es bei dem angefochtenen Beschluss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 30 Abs. 2 und 3 KostO.

Dem Vater war die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte (richtig:) Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels zu verweigern (§ 14 FGG i. V. m. § 114 ZPO).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 621e Abs. 2 i.V.m. § 543 Abs. 2 ZPO).

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) In einer Kindschaftssache, die

1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,
2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,
3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
4.
die Kindesherausgabe oder
5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
betrifft, beträgt der Verfahrenswert 4 000 Euro.

(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.

(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben, wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet der Beteiligte keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihm auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.