Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 10. September 2012 – 9 O 173/12 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger aus abgetretenem Recht den beklagten Rechtsanwalt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Anwaltshaftung auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger war für und dessen GmbH in den Jahren 2003 und 2004 im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens vor dem Amtsgericht Merzig (Geschäftsnummer) tätig. Nachdem im ersten Versteigerungstermin am 18.7.2003 der Zuschlag unter Hinweis auf § 85a Abs. 1 ZVG versagt worden war, war die vom Kläger vertretene Massivhaus GmbH im Versteigerungstermin vom 21.11.2003 mit einem Gebot über 6.000 EUR Meistbietende. Die Gläubigerin beantragte, den Zuschlagstermin um zwei Wochen auszusetzen, woraufhin Termin zur Verkündung einer Entscheidung über den Zuschlag auf den 5.12.2003 bestimmt wurde. Der Termin wurde in der Folge zunächst auf den 8.1.2004, dann auf den 20.1.2004 und schließlich auf den 13.2.2004 vertagt. Mit Beschluss vom 13.2.2004 wurde der Zuschlag versagt, nachdem die Gläubigerin die Einstellung des Verfahrens bewilligt hatte.Zuvor hatte der Schuldner das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 11.2.2004 zum Kaufpreis von 20.000 EUR freihändig verkauft.

Gegen den Beschluss vom 17.2.2004 legte die Massiv Haus GmbH, vertreten durch den Kläger, Beschwerde mit dem Antrag ein, den Beschluss vom 13.2.2004 aufzuheben und den Zuschlag zu erteilen. Die Beschwerde wurde durch Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 26.10.2004 (Geschäftsnummer 5 T 130/04) zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 1.12.2007 machte der Kläger sodann im Namen von Ansprüche gegen das Saarland, vertreten durch das Ministerium für Justiz, geltend und vertrat dabei die Auffassung, dass der Zuschlag auf das Meistgebot von 6.000 EUR pflichtwidrig unterblieben sei. Die Ansprüche wurden mit Schreiben vom 21.1.2008, eingegangen am 31.1.2008, zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 5.2.2008 wandte sich der Kläger erneut an das Ministerium, welches mit Schreiben vom 5.3. und 8.4.2008 reagierte. Mit Schreiben vom 26.4.2008 bat der Kläger um Verzicht auf die Einrede der Verjährung, was das Ministerium mit Schreiben vom 4.6.2008 ablehnte.

Daraufhin wandte sich der Kläger an die Rechtsanwälte & Partner, denen der Beklagte als Partner angehört, und beauftragte diese, einen ihm durch Abtretung zustehenden entgangenen Gewinn von aus dem Zwangsversteigerungsverfahren gegen das Land klageweise geltend zu machen. Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 8.7.2008 mit, nach Prüfung des Sachverhalts seien die Ansprüche in jeder Hinsicht verjährt.

Nunmehr nimmt der Kläger den Beklagten unter Vorlage von Abtretungserklärungen über Schadensersatzansprüche von, N..., und der Massivhaus, in Anspruch. Er trägt vor, der Beklagte habe mit Schreiben vom 8.7.2008 eine unzutreffende Rechtsauskunft erteilt. Tatsächlich seien die Amtshaftungsansprüche in diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt gewesen. Die bis zum 31.12.2007 ablaufende Verjährung sei durch fortlaufende Verhandlungen mit dem Ministerium jedenfalls noch bis zum 4.9.2008 gehemmt gewesen. Nach dem ersten Schreiben habe der Kläger den Sachbearbeiter des Ministeriums telefonisch kontaktiert. Dieser habe ihm erklärt, das Ministerium werde sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen, solange keine endgültige Bearbeitung erfolgt sei.

In der Sache sei der Zuschlag pflichtwidrig nicht erteilt worden. Die Voraussetzungen der Versagung des Zuschlags wegen einer angeblichen sittenwidrigen Verschleuderung hätten nicht vorgelegen, weil das Gebot 12,65 % des Verkehrswertes ausgemacht habe. Durch das pflichtwidrige Verhalten des Rechtspflegers sei dem Kläger ein Schaden in Höhe von mindestens 40.000 EUR entstanden. Der Wert des Objekts habe laut Wertgutachten 55.300 EUR betragen. Hiervon seien der gebotene Preis von 6.000 EUR und die Nebenkosten von 300 EUR abzuziehen, so dass ein reiner Wert von 49.000 EUR verbleibe. Das Haus hätte ohne weiteres zu einem Preis von mindestens 40.000 EUR verkauft werden können.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 40.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2005 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Er hat außerdem eingewandt, er sei nicht passivlegitimiert, weil die Partnerschaftsgesellschaft Vertragspartnerin des Klägers gewesen sei. Überdies fehle es an einem pflichtwidrigen Anwaltsverschulden. Etwaige Amtshaftungsansprüche seien mit Ablauf des 31.12.2007 und damit vor Erteilung des Mandats verjährt gewesen. Eine Hemmung der Verjährung sei nicht eingetreten, weil das Ministerium die Angaben des Klägers höflich, aber ablehnend beantwortet habe und damit gerade keine entsprechenden Verhandlungen stattgefunden hätten. Außerdem habe sich der Auftrag des Klägers an die Rechtsanwälte Dr. & Partner lediglich auf die Prüfung einer Schadensersatzforderung über 5.000 EUR bezogen. Der nunmehr geltend gemachte Schadensersatz sei nicht nachzuvollziehen.

Mit Urteil vom 10.9.2012 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Der Kläger wendet sich nicht dagegen, dass der Zuschlagstermin auf den 8.1.2004 verlegt wurde. Spätestens dann hätte – so die Auffassung der Berufung – jedoch der Zuschlag selbst in extensiver Auslegung der schutzwürdigen Belange des Schuldners erteilt werden müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei in der Regel eine Vertagung des Zuschlagstermins um eine Woche ausreichend, um die schutzwürdigen Belange des Eigentümers zu wahren. Auch und gerade der lange Verfahrensablauf spreche für den Kläger, da aufgrund des langen Verfahrens der Schuldner vielfältige Möglichkeiten besessen habe, um für seinen Schutz zu sorgen. Nachdem dies über zwei Jahre hinweg nicht geschehen sei, hätte es noch nicht einmal einer Vertagung des Zuschlagstermins bedurft. In jedem Fall sei es zu beanstanden, dass der Zuschlagstermin dreimal vertagt worden sei.

Die ergänzende Bewertung des Grundstücks durch den Sachverständigen M... Anfang des Jahres 2004 habe ergeben, dass der Wert des Grundstücks gegenüber der zunächst erfolgten Schätzung gesunken sei.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 10. September 2012 – 9 O 173/12 – den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 40.000 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2005 zu zahlen;

2. hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Das Amtsgericht habe den Zuschlagstermin frei von Ermessensfehlern vertagt: Es sei zu berücksichtigen, dass das Vollstreckungsgericht weitere Ermittlungen über die Werthaltigkeit des Grundstücks getätigt habe und dem Sachverständigen am 20.1.2004 einen entsprechenden Auftrag erteilt habe zu ermitteln, bei welchem Betrag die Verschleuderungsgrenze anzusiedeln sei (Vermerk des Rechtspflegers, Anlage A 3, Bl. 98 d. A.).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Berufungsbegründung vom 13.11.2012 (Bl. 164 ff. d.A.), die Berufungserwiderung vom 25.2.2013 (Bl. 171 ff. d.A.), die Schriftsätze der Klägervertreter vom 26.4.2013 (Bl. 176 ff. d.A.) und vom 23.5.2013 (Bl. 183 d.A.) sowie auf die Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 3.5.2013 (Bl. 180 ff. d.A.) und vom 29.5.2013 (Bl. 184 d.A.) verwiesen.

II.

A. Die Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die angefochtene Entscheidung weder auf einem Rechtsfehler beruht, noch die gemäß § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz wegen der behaupteten Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten aus §§ 280 ff. BGB nicht zu, da die beanstandete Auskunft über die Verjährung des aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG herzuleitenden Amtshaftungsanspruchs für den geltend gemachten Schaden nicht kausal geworden ist. Das Landgericht ist mit zutreffenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass dem Amtsgericht Merzig keine zum Schadensersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Weder die erstmalige Anberaumung eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung über die Erteilung des Zuschlags, noch dessen wiederholte Vertagung auf den 13.2.2004 lassen Rechtsfehler erkennen. Mithin hätte der Kläger einen bei abweichender Beurteilung der Verjährungsfrage angestrengten Amtshaftungsprozess in jedem Fall mangels Nachweises einer Amtspflichtverletzung verloren.

1. Die Rechtsgrundsätze, die das Vollstreckungsgericht im Verfahren der Zwangsversteigerung im Anwendungsbereich des § 87 ZVG beachten muss, stehen im Wesentlichen im Berufungsrechtszug nicht im Streit:

a) Gemäß § 87 Abs. 1 ZVG darf der Beschluss, durch welchen der Zuschlag erteilt oder versagt wird, in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin verkündet werden. Die Anberaumung eines Verkündungstermins steht im Ermessen des Vollstreckungsgerichts, dessen Ausübung durch verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden ist. So berührt die Zwangsversteigerung von Grundeigentum die verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG, die es insbesondere gebietet, eine Verschleuderung von Grundvermögen zu verhindern. Dem muss auch die Ausgestaltung des Zwangsvollstreckungsverfahrens Rechnung tragen. Im Zusammenspiel mit dem gleichfalls verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gewährleistung eines fairen Verfahrens kann es geboten sein, dem Schuldner durch die Anberaumung eines Verkündungstermins die Möglichkeit zu geben, vom Versteigerungsergebnis Kenntnis zu erlangen, um gegebenenfalls Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (BVerfGE 49, 220, 225; 46, 325, 333 ff.).

Darüber hinaus ist das Interesse des vollstreckenden Gläubigers, durch zeitnahen Abschluss des Vollstreckungsverfahrens Befriedigung aus der zu vollstreckenden Forderung zu erlangen, die gleichfalls dem Schutz der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie unterliegt (vgl. hierzu Papier in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 201), in die Ermessensausübung einzubeziehen.

Demgegenüber liegt dem Wunsch des Ersteigers nach einer sofortigen Erteilung des Zuschlags eine differenziert zu beurteilende Motivation zugrunde: Der Meistbietende hat einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erteilung des Zuschlags, sofern ihm der Zuschlag nicht wegen Verfahrensmängeln zu versagen ist (BGH, Urt. v. 13.9.2001 – III ZR 228/00, MDR 2001, 1351). Das auf sofortige Realisierung dieses Anspruchs gerichtete Interesse verdient den uneingeschränkten Schutz der Rechtsordnung insoweit, als der Meistbietende Nachteile vermeiden will, die ihm während des Schwebezustandes entstehen. Diese können insbesondere daraus resultieren, dass der Bieter mit Blick auf einen möglichen zukünftigen Zuschlag Vermögensdispositionen getroffen hat, die seinen finanziellen Spielraum einengen. Demgegenüber tritt das nicht selten von Gewinnsucht motivierte Streben des Meistbietenden, von der Verschleuderung der verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsposition zu profitieren, bei wertender Betrachtung hinter die Interessen von Schuldner und Gläubiger zurück.

Diese Interpretation erlaubt den Schluss, dass die Grenze der ermessensfehlerhaften Hinauszögerung des Zuschlags nur im Ausnahmefall überschritten ist, wenn die Vertagung auf übereinstimmenden Antrag von Schuldner/Eigentümer und Gläubiger erfolgt und sie einer besseren Verwertung des Pfandobjekts dient.

b) Aus diesen Vorgaben der Verfassung lassen sich für die einfachgesetzliche Umsetzung keine starren Verfahrensregeln herleiten. Ob die Anberaumung eines Termins zur Verkündung des Zuschlags geboten ist, ist vielmehr nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten (BGH, Beschl. v. 5.11.2004 – IXa ZB 27/04, MDR 2005, 353; Beschl. v. 30.1.2004 – IXa ZB 196/03, MDR 2004, 774). Hierbei beschränkt sich die Rechtskontrolle auf die Überprüfung, ob dem Vollstreckungsgericht bei der Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens Fehler unterlaufen sind (BGH, Beschl. v. 31.5.2012 – V ZB 207/11, MDR 2012, 998; Beschl. v. 14.7.2011 – V ZB 25/11, MDR 2011, 1203). Bei der Bestimmung der Ermessensgrenzen sind folgende Rechtsgrundsätze gesichert:

aa) Eine Hinausschiebung des Zuschlags ist umso eher geboten, je krasser das Missverhältnis zwischen Meistgebot und Grundstückswert ist. Von einem bedenklichen Missverhältnis ist insbesondere dann auszugehen, wenn das Meistgebot nur ca. 12% des Grundstückswerts entspricht (BGH, MDR 2011, 1203; 2005, 353; Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 87 Rdnr. 6; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 87 Rdnr. 2.1.).

bb) Andererseits ist die Abwesenheit des Schuldners im Versteigerungstermin kein zwingender Anlass zur Anberaumung eines Verkündungstermins: Ein sofortiger Zuschlag kommt zumindest dann in Betracht, wenn der über das Vollstreckungsverfahren vollständig informierte Schuldner zu erkennen gegeben hat, dass das Versteigerungsverfahren durchgeführt werden soll (vgl. BGH, MDR 2004, 774). Ebenso mag ein Verkündungstermin entbehrlich sein, wenn theoretisch in Betracht zu ziehende Vollstreckungsschutzanträge offensichtlich aussichtslos erscheinen (Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, aaO, § 87 Rdnr. 6).

cc) In zeitlicher Hinsicht soll der Verkündungstermin nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 87 Abs. 2 ZVG) nicht über eine Woche hinaus bestimmt werden. Allerdings ist auch diese zeitliche Grenze nicht starr anzuwenden (BVerfGE 49, 225). Eine längere Frist, mitunter auch eine Vertagung des anberaumten Verkündungstermins kann insbesondere dann geboten sein, wenn über während der Frist gestellte Vollstreckungsschutzanträge – etwa nach § 765a ZPO – innerhalb der Spruchfrist nicht sachgerecht entschieden werden kann (Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, aaO, § 87 Rdnr. 12; Stöber, aaO, § 87 Rdnr. 3.3). Der Ermessensspielraum für eine Vertagung ist umso größer, wenn Schuldner/Eigentümer und Gläubiger übereinstimmend auf eine Vertagung antragen. Trägt der vollstreckende Gläubiger auf Vertagung an, hat das Vollstreckungsgericht außerhalb des Anwendungsbereichs von § 87 Abs. 2 ZVG Anlass der Frage nachzugehen, ob der die Vertagung beantragende Gläubiger nicht konkludent gem. § 30 Abs. 1 ZVG die einstweilige Einstellung des Verfahrens bewilligen will (Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, aaO, § 87 Rdnr. 33).

dd) Schließlich besitzt die Dauer des Versteigerungsverfahrens für die Ermessensbindung des Gerichts nur eine untergeordnete Relevanz: Es liegt in der Natur der Sache, dass das Missverhältnis zwischen Grundstückswert und Meistgebot frühestens dann erkennbar wird, wenn das Gericht gem. § 73 Abs. 2 ZVG das letzte Gebot und den Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet (BVerfGE 46, 325).

2. Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze war weder die erstmalige, noch die wiederholte Vertagung des Verkündungstermins ermessensfehlerhaft:

a) Wie die Berufung nicht verkennt, lagen die Voraussetzungen für die Bestimmung eines erstmaligen Verkündungstermins zumindest am Versteigerungstermin vor: Das Meistgebot erreichte mit 6.000 EUR sogar nur 10,84 % des Grundstückswerts.

b) Soweit sich der Rechtspfleger dazu veranlasst sah, den auf Antrag der Gläubigerin auf den 5.12.2003 anberaumten Verkündungstermin auf den 8.1.2004 zu vertagen, ist auch dieses Prozedere nicht zu beanstanden: Ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts Merzig vom 19.3.2004 (Anlage A5, Bl. 101 d. A.) hat das Amtsgericht dem Schuldner erstmalig mit Schreiben vom 16.12.2003 förmlich Gelegenheit gegeben, bis zum 6.1.2004 mit Blick auf das krasse Missverhältnis zwischen Meistgebot und Grundstückswert Stellung zu nehmen. Mithin wurde die verfassungsrechtlich gebotene Beteiligung des Schuldners erst nach dem Verstreichen des ursprünglichen Verkündungstermins erreicht. Nachdem der Schuldner sodann am 5.1.2004 einen auf § 765a ZPO gestützten Einstellungsantrag gestellt hatte, war es ein Gebot des fairen Verfahrens, den Verkündungstermin auf den 20.1.2004 zu vertagen. Soweit der Rechtspfleger auch diesen Termin auf den 13.2.2004 weiter vertagt hat, begegnet dieses Verfahren keinen durchgreifenden Bedenken. Denn die Vertagung diente dem Zweck, die Wertverhältnisse weiter aufzuklären: Wie aus dem Vermerk des Rechtspflegers vom 20.1.2004 zu ersehen, hatte der Rechtspfleger am 15. und 20.1.2004 (so der Bericht in der Anlage A5) Gelegenheit, das Grundstück von innen zu besichtigen. Eine solche Innenbesichtigung war ausweislich der am 5.2.2004 beim Amtsgericht Merzig eingegangenen Stellungnahme des Diplomingenieurs M... vom „2.1.2004" (richtigerweise wohl: 1.2.2004) bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich gewesen. In Anbetracht des zwischenzeitlich gestellten Schutzantrags war es nicht ermessensfehlerhaft, auch im Nachgang zum Versteigerungstermin in eine ergänzende Begutachtung einzusteigen.

c) Schließlich ist in die rechtliche Bewertung einzubeziehen, dass sich die vollstreckende Gläubigerin mit der Verfahrensweise mit Schriftsatz vom 12.1.2004 unter der Bedingung einer außergerichtlichen Auszahlung von 1.000 EUR ausdrücklich einverstanden erklärte, welche die Meistbietende auch zugesagt hatte. Diese Zusage verdeutlicht, dass auch die Meistbietende einer erneuten Vertagung nicht entgegentrat. Anhaltspunkte dafür, dass die Hinauszögerung der Entscheidung über den Zuschlag von ca. drei Monaten den finanziellen Spielraum der Meistbietenden eingeengt haben mag, sind nicht ersichtlich. Sie liegen in Anbetracht der niedrigen Höhe des Gebots auch fern.

Nach alldem sind Ermessensfehler des Vollstreckungsgerichts nicht ersichtlich, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

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(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
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2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Der Beschluß, durch welchen der Zuschlag erteilt oder versagt wird, ist in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin zu verkünden.

(2) Der Verkündungstermin soll nicht über eine Woche hinaus bestimmt werden. Die Bestimmung des Termins ist zu verkünden und durch Anheftung an die Gerichtstafel bekanntzumachen.

(3) Sind nachträglich Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht, so sollen in dem Verkündungstermin die anwesenden Beteiligten hierüber gehört werden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 228/00
Verkündet am:
13. September 2001
F i t t e r e r
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Amtspflicht des Versteigerungsgerichts zur Einhaltung der gesetzlichen
Vorschriften im Zwangsversteigerungsverfahren schützt auch den
Meistbietenden; er ist mithin "Dritter" im Sinne des § 839 BGB. Der
Schutzzweck dieser Amtspflicht umfaßt jedoch nicht den entgangenen
Gewinn, wenn der Zuschlagsbeschluß wegen eines Zustellungsfehlers
wieder aufgehoben wird (insoweit Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung
).
BGH, Urteil vom 13. September 2001 - III ZR 228/00 - OLG München
LG München I
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die
Richter Streck, Schlick, Dr. Kapsa und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 13. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


In den Jahren 1991 bis 1996 wurde beim Amtsgericht M. ein Zwangsversteigerungsverfahren über das Grundstück Flur-Nr. 740/24 der Gemarkung E. durchgeführt. Mit Beschluû vom 10. Januar 1995 lieû das Vollstreckungsgericht den Beitritt der a. L. GmbH (künftig: Firma a.) zu diesem Verfahren zu. Die Firma a. hatte mit ihrem Beitrittsantrag H. W. Verfahrensvollmacht erteilt; er sollte aber nicht Zustellungsbevollmächtigter im Sinne des § 176 ZPO sein.
Am 10. April 1995 bestimmte der Rechtspfleger neuen Versteigerungstermin auf den 13. September 1995 und stellte für die Firma a. die Terminsmitteilung H. W. zu. In diesem Termin blieb der Kläger mit einem Gebot von 620.000 DM Meistbietender. Jedoch wurde der ihm erteilte Zuschlag auf Erinnerung der Firma a. gemäû § 83 Nr. 1 ZVG wieder aufgehoben, weil die Vorschrift des § 43 Abs. 2 ZVG verletzt sei. In einem späteren Versteigerungstermin vom 19. Juni 1996, bei dem der Kläger nicht anwesend war, wurde der Zuschlag rechtskräftig einem Dritten für ein Meistgebot von 500.000 DM erteilt.
Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger den beklagten Freistaat aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat den Beklagten zur Erstattung der dem Kläger durch den fehlgeschlagenen Ersteigerungsversuch entstandenen Kosten in Höhe von 19.047,92 DM (nach teilweiser Klagerücknahme in zweiter Instanz: 18.648,29 DM) verurteilt und die weitergehende Forderung auf Ersatz eines entgangenen Gewinns abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er Zahlung weiterer 294.834,78 DM gefordert hatte, ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger diesen Ersatzanspruch weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht unterstellt, daû dem Kläger durch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses vom 13. September 1995 ein Gewinn aus dem Erwerb des Grundstücks in einer vom Gericht notfalls zu schätzenden Höhe entgangen ist und daû ihm ferner deswegen, weil er sich an der nachfolgenden Versteigerung vom 19. Juni 1996 nicht beteiligt hat, auch kein Mitverschuldensvorwurf gemäû § 254 Abs. 2 BGB gemacht werden kann. Nach seiner Auffassung fällt der entgangene Gewinn schon nicht unter den Schutzzweck der im Streitfall verletzten Normen, nämlich § 43 Abs. 2 ZVG i.V.m. §§ 41 und 9 ZVG. Durch diese Bestimmungen solle der Vollstreckungsgläubiger vor einem fehlerhaften Zuschlag geschützt werden (§ 83 Nr. 1 ZVG). Mit diesem Zweck aber, meint das Berufungsgericht, wäre es unvereinbar, wenn das Gesetz gleichzeitig die Absicht verfolgen würde, den Meistbietenden so zu stellen, als ob ihm dennoch der Zuschlag rechtswirksam erteilt worden wäre. Die Verfolgung derart gegenläufiger, miteinander unvereinbarer Ziele könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Daher beschränke sich der Schadensersatzanspruch des Meistbietenden auf seinen Vertrauensschaden. Im vorliegenden Fall gelte dies auch dann, wenn dem Kläger auûerdem, wie er behauptet habe, eine falsche Auskunft über einen im Zwangsversteigerungsverfahren vorgelegten Mietvertrag erteilt worden wäre.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Senats bestehen die Amtspflichten des das Zwangsversteigerungsverfahren leitenden Beamten zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften auch gegenüber dem Meistbietenden ; er ist mithin Dritter im Sinne des § 839 BGB (RGZ 129, 23, 25 f.; 154, 397, 398 f.; RG HRR 1932 Nr. 1835 und 1836; JW 1934, 2842, 2843 f.; Senatsurteile vom 21. April 1958 - III ZR 218/56 - VersR 1958, 384, 385 = WM 1958, 697, 698 und vom 2. Oktober 1986 - III ZR 93/85 - VersR 1987, 256, 257 = WM 1987, 52, 53; s. auch Senatsbeschluû vom 26. Juli 2001 - III ZR 243/00 - WM 2001, 1711). Daran ist im Ausgangspunkt festzuhalten. Ob der Meistbietende stets eine verfahrensrechtlich gesicherte Anwartschaft auf den Erwerb des Grundstücks erlangt, wie das Reichsgericht und daran anschlieûend ursprünglich auch der Senat gemeint haben (RGZ 129, 23, 25 f.; RG HRR 1932 Nr. 1836; JW 1934, 2842, 2844; Senatsurteile vom 21. April 1958 und vom 2. Oktober 1986, jeweils aaO), ist nicht entscheidend. Die nach der Senatsrechtsprechung erforderliche besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem Geschädigten (vgl. etwa BGHZ 140, 380, 382; Beschluû vom 22. Februar 2001 - III ZR 150/00 - WM 2001, 876) ergibt sich hier bereits daraus, daû sich der Bieter am Verfahren der Grundstückszwangsversteigerung in einer gesetzlich geordneten Weise beteiligt und die dort getroffenen gerichtlichen Maûnahmen ihm darum eine Vertrauensgrundlage für seine unter Umständen weitreichenden Vermögensdispositionen bieten müssen.
2. Der "Dritte" im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB hat jedoch nicht ohne weiteres auch Anspruch auf Ausgleich aller ihm durch die Amtspflichtverletzung zugefügten Nachteile. Vielmehr ist, wie der Senat in seiner neueren Rechtsprechung besonders hervorhebt, jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Es kommt demnach weiter auf den Schutzzweck der Amtspflicht an (BGHZ 90, 310, 312; 140, 380, 382; 144, 394, 396; Urteil vom 18. Mai 2000 - III ZR 180/99 - NJW 2000, 2672, 2675 m.w.N.).
Dieser Schutzbereich bestimmt sich für den Meistbietenden in der Grundstückszwangsversteigerung danach, vor welchen Nachteilen ihn die auch dem Bieter gegenüber bestehende Amtspflicht des Versteigerungsgerichts zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften über die Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens , von deren Beachtung die Erteilung des Zuschlags oder der Bestand des Zuschlagsbeschlusses abhängen kann - hier: ordnungsgemäûe Ladung der Beteiligten (§§ 41 Abs. 1, 43 Abs. 2 ZVG) und fehlerfreie Durchführung des Versteigerungstermins -, bewahren soll. Das sind, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, grundsätzlich nur die im Vertrauen auf die Gesetzmäûigkeit des bisherigen Verfahrens vorgenommenen Aufwendungen, falls sie sich nachträglich wegen eines Verfahrensmangels als nutzlos erweisen, nicht jedoch die an das Meistgebot auûerdem geknüpften Gewinnerwartungen. Einen Rechtsanspruch auf den Zuschlag nach § 81 Abs. 1 ZVG (hierzu Senatsurteil BGHZ 111, 14, 16) hat der Meistbietende nur dann, wenn ihm dieser nicht wegen Verfahrensmängeln oder aus sonstigen gesetzlichen Gründen zu versagen ist (§§ 83 ff. ZVG). Mit der Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens erzeugt das Versteigerungsgericht daher in einer solchen Fallgestaltung kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, daû sich
etwaige Gewinnaussichten eines Bieters auch realisieren lassen; dieser Umstand fällt vielmehr in dessen alleinigen Risiko- und Verantwortungsbereich. Soweit der Senat bisher ohne ausdrückliche Stellungnahme stillschweigend von einer gegenteiligen Beurteilung ausgegangen ist (so insbesondere in dem Urteil vom 2. Oktober 1986 aaO), hält er an dieser Einschätzung nicht mehr fest.
3. Damit erweist sich die Revision als unbegründet. Auf die vom Kläger daneben behaupteten fehlerhaften Auskünfte des Vollstreckungsgerichts über einen im Verfahren vorgelegten Mietvertrag mit dem Vollstreckungsschuldner könnte es auch nach Ansicht der Revision nur dann ankommen, wenn der Bieter entgegen den obigen Ausführungen Anspruch auf das "Erfüllungsinteresse" hätte.
Rinne Streck Schlick Kapsa Galke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 207/11
vom
31. Mai 2012
in der Zwangsversteigerungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Außerhalb des Versteigerungsverfahrens vereinbarte Zuzahlungen des Meistbietenden
an den betreibenden Gläubiger, die diesen dazu veranlassen sollen, einen
Einstellungsantrag zurückzunehmen oder nicht zu stellen, verletzen die Rechte
des Schuldners und führen zu einer Versagung des Zuschlags.
Es ist ermessensfehlerhaft, wenn das Vollstreckungsgericht von einer Entscheidung
über den Zuschlag im Versteigerungstermin nur deshalb absieht, weil der
betreibende Gläubiger Gelegenheit erhalten möchte, mit dem Meistbietenden über
eine solche Zuzahlung zu verhandeln.
BGH, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 207/11 - LG Bonn
AG Euskirchen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Mai 2012 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Czub und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 17. August 2011 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30. August 2011 wird zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 37.500 € für die Gerichtsgebühren und 70.000 € für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 1.

Gründe:


I.

1
Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsversteigerung in das im Eingang dieses Beschlusses bezeichnete Grundstück der Schuldner; dessen Verkehrswert ist auf 70.000 € festgesetzt worden. In dem Versteigerungstermin vom 30. Mai 2011 blieb die Beteiligte zu 2 Meistbietende mit einem Gebot von 37.500 €. Die Beteiligte zu 1 beantragte darauf hin, den Zuschlag wegen Nichterreichens der 7/10Grenze des § 74a Abs. 1 ZVG zu versagen und die Entscheidung über den Zuschlag für eine Woche auszusetzen.
2
Vor dem für den 7. Juni 2011 anberaumten Termin zur Verkündung einer Entscheidung über den Zuschlag nahm die Beteiligte zu 1 den Einstellungsantrag zurück und teilte mit, dass die Meistbietende beabsichtige, eine außergerichtliche Zuzahlung von 7.000 € zu leisten. Im Verkündungstermin erklärte die Beteiligte zu 2, außerhalb des Gebots 7.000 € an die Beteiligte zu 1 gezahlt zu haben, um von dieser „die Zusage zur Zuschlagserteilung“ zu erhalten. Mit Beschluss vom 7. Juni 2011 hat das Vollstreckungsgericht der Beteiligten zu 2 auf ihr Gebot von 37.500 € den Zuschlag erteilt.
3
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldner hat das Landgericht den Zuschlag aufgehoben und die Unwirksamkeit des Gebots der Beteiligten zu 2 festgestellt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beteiligte zu 1 die Wiederherstellung des Zuschlagsbeschlusses.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die Zuzahlung der Meistbietenden außerhalb des Verfahrens stelle ein verstecktes zusätzliches Gebot dar, durch welches die Vorschriften über das Verteilungsverfahren (§§ 105 ff. ZVG) umgangen würden. Denn der faktische Erwerbspreis habe 44.500 € betragen; bei der Bestimmung der Teilungsmasse könnten dagegen nur 37.500 € berücksichtigt werden. Zwar benachteilige die Zahlung hier keine anderen Gläubiger, da die Beteiligte zu 1 vorrangige Rechte in 44.500 € deutlich übersteigender Höhe habe. Verletzt seien aber die Interessen der Schuldner, da nicht sichergestellt sei, dass sich die dinglich gesicherte Forderung, die der Beteiligten zu 1 ihnen gegenüber zustehe, um den außergerichtlich gezahlten Betrag reduziere. Daran ändere auch der Vortrag der Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren nichts, der Zusatzerlös sei den Schuldnern gutgeschrieben worden. Ob etwas anderes gelte, wenn der Ersteher und der Gläubiger zugunsten des Schuldners eine Anrechnung der Zahlung auf die dinglich gesicherte Forderung vereinbarten, könne offen bleiben, da eine solche Vereinbarung hier nicht getroffen worden sei. Die Umgehung der Vorschriften des Verteilungsverfahrens führe zur Unwirksamkeit des Gebots der Beteiligten zu 2.

III.

5
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht nimmt im Ergebnis zutreffend an, dass ein Zuschlagsversagungsgrund gegeben ist. Zwar berührt die nach dem Schluss der Versteigerung zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 getroffene Vereinbarung über eine Zahlung außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht die Wirksamkeit des Gebots der Beteiligten zu 2. Der Zuschlag ist aber gemäß § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen.
6
2. Das Vollstreckungsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob es die Entscheidung über den Zuschlag in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin verkündet (§ 87 Abs. 1 ZVG). Ist seine Entschließung ermessensfehlerhaft und beruht der Zuschlag auf diesem Fehler, ist der Zuschlag nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 – V ZB 25/11, WM 2011, 1759). So liegt es hier.
7
a) Über den von der Beteiligten zu 1 nach dem Schluss der Versteigerung gestellten Einstellungsantrag gemäß § 74a Abs. 1 Satz 1 ZVG hätte das Vollstreckungsgericht sogleich im Versteigerungstermin durch Versagung des Zuschlags (§ 33 ZVG) entscheiden können und müssen. Dass der Einstellungsantrag in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Fragen aufwarf, die einer Klärung außerhalb des Versteigerungstermins bedurften, ist nicht erkennbar. Einzig ersichtlicher Grund für die Anberaumung eines Verkündungstermins ist der Antrag der Beteilig- ten zu 1, die Entscheidung über den Zuschlag für eine Woche „auszusetzen“. Diesem Antrag zu entsprechen war ermessensfehlerhaft, weil er ersichtlich dazu dien- te, „Nachverhandlungen“ zu ermöglichen, bei denen der Meistbietenden die Rück- nahme des Einstellungsantrags gegen eine Zuzahlung außerhalb des Bieterverfahrens in Aussicht gestellt werden sollte (vgl. zu einem solchen Vorgehen Storz/Kiderlen, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 11. Aufl., C 5.4.1., S. 478 ff.; Gerhards/Keller, Die Zwangsversteigerung, 5. Aufl., S. 133 f.). Zu diesem Zweck darf die Verkündung einer ansonsten möglichen Entscheidung über den Zuschlag jedoch nicht aufgeschoben werden. Denn die Vereinbarung einer Zuzahlung außerhalb der Versteigerung, die den Gläubiger zur Rücknahme eines Einstellungsantrags veranlassen oder von der Stellung eines solchen - noch im Verkündungstermins möglichen (Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 95/06, WM 2007, 1284) - Antrags abhalten soll, verletzt die Rechte des Schuldners (unzutreffend daher LG Tübingen, Rpfleger 2011, 392, 393). Die Verfahrensführung des Vollstreckungsgerichts muss eine solche Rechtsverletzung zu vermeiden suchen.
8
aa) Zuzahlungsvereinbarungen außerhalb des Verfahrens widersprechen den grundlegenden Anforderungen, die an die Durchführung einer Zwangsversteigerung zu stellen sind. Die zwangsweise Verwertung eines Grundstücks durch staatliche Stellen bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum des Schuldners, der lediglich im Hinblick auf den legitimen Zweck des Vollstreckungsrechts, nämlich die Durchsetzung titulierter Forderungen des Gläubigers, gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 46, 325, 335; BVerfGK 15, 8, 13). Vor diesem Hintergrund muss das Zwangsversteigerungsverfahren zum einen so ausgestaltet sein, dass das Grundstück bestmöglich verwertet wird (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Mai 2007 – V ZB 83/06, BGHZ 172, 218, 226 Rn. 21; Beschluss vom 30. September 2010 – V ZB 160/09, WM 2010, 2365, 2366 Rn. 7). Zum anderen muss es gewährleisten, dass der Erlös im Rahmen des förmlichen Verteilungsverfahrens als Zahlung des Schuldners an dessen Gläubiger gelangt. Denn der Grundrechtseingriff ist nur gerechtfertigt, wenn und soweit das Vollstreckungsgericht den - gesamten - Erlös aus der Verwertung des Grundstücks in amtlicher Eigenschaft für den Schuldner entgegennimmt und in einem geordneten, die Belange des Schuldners berücksichtigenden Verfahren an die Gläubiger auskehrt.
9
Das ist nicht gewährleistet, wenn der Meistbietende außerhalb des Verfahrens eine Zahlung an den betreibenden Gläubiger bewirken kann, um die Erteilung des Zuschlags, den der Gläubiger durch einen Einstellungsantrag zu verhindern in der Lage ist, zu erreichen. Wirtschaftlich gesehen erhöht er hierdurch sein Gebot und damit den Erlös aus der Verwertung des Grundstücks. Dieser gehört ebenso wie der Anspruch auf den im Bietverfahren erzielten „regulären“ Versteigerungserlös zunächst zu dem Vermögen des Schuldners, aus dem die Gläubiger im Rahmen des sich an die Versteigerung anschließenden Verteilungsverfahrens (§§ 105 ff. ZVG) befriedigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 1977 – VII ZR 336/75, BGHZ 68, 276, 278). Auch wenn der Schuldner über den Erlös nicht frei verfügen kann, hat er einen Anspruch darauf, dass dieser vollständig in die Teilungsmasse gelangt und nach den gesetzlichen Vorschriften an die Gläubiger ausgekehrt wird. Dies ist bei Vereinbarungen über Zuzahlungen außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens schon deshalb ausgeschlossen, weil nach dem Schluss der Versteigerung (§ 73 Abs. 2 ZVG) keine weiteren Gebote mehr zulässig sind und das Vollstreckungsgericht auch nicht erneut in die Versteigerung eintreten kann (vgl. Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 73 Anm. 3.3). Eine nachträglich vereinbarte Zuzahlung bleibt daher im Verteilungsverfahren zwangsläufig unberücksichtigt.
10
Für den Schuldner besteht deshalb die Gefahr, dass eine Zuzahlung an den Gläubiger nicht bekannt wird und ihm damit nicht der gesamte Verwertungserlös zugute kommt. Auch ist nicht sichergestellt, dass die Zahlung von dem Gläubiger - sofern ihm dieser Teil des Erlöses überhaupt zusteht und nicht auf Kosten anderer Gläubiger erlangt ist - als Leistung auf das verwertete Grundpfandrecht vereinnahmt wird und damit ggf. Erfüllungswirkung hinsichtlich der durch dieses Recht gesicherten persönlichen Forderung gegen den Schuldner hat (vgl. zu dieser Erfüllungswirkung BGH, Urteil vom 24. September 1992 – IX ZR 195/91, NJW 1992, 3228, 3229).
11
bb) Der Schuldner muss eine zur Erlangung des Zuschlags erbrachte Zahlung außerhalb des Versteigerungsverfahrens aber auch dann nicht hinnehmen, wenn sie - wie hier - gegenüber dem Gericht offengelegt und deren Anrechnung auf die durch das Grundpfandrecht gesicherte Forderung von dem Gläubiger zugesagt wird und wenn ferner nicht zweifelhaft ist, dass der gezahlte Betrag, wäre das Meistgebot entsprechend erhöht worden, im Verteilungsverfahren an diesen Gläubiger ausgekehrt worden wäre. Auch in diesem Fall verliert die Zuzahlung nicht den Charakter einer irregulären, nämlich außerhalb des hierfür vorgesehenen Verfahrens ohne Beteiligung des Vollstreckungsgerichts und des Schuldners stattfindenden Erlöserzielung und -verteilung. Demgemäß erhält der Schuldner keine dem Protokoll des Verteilungstermins entsprechenden Nachweis über die außergerichtlich erfolgte Zahlung an den Gläubiger; er kann daher nicht sicher sein, dass es tatsächlich zu der zugesagten Anrechnung kommt bzw. bei dieser bleibt, sondern muss sich auf die ungeprüften Angaben des Gläubigers hierzu verlassen. Das Beschwerdegericht weist zutreffend darauf hin, dass es dem Schuldner nicht zuzumuten ist, sich nach Abschluss des – gerade der geordneten Gläubigerbefriedigung dienenden - Zwangsversteigerungsverfahrens mit dem Gläubiger über die Anrechnung einer Zahlung streiten zu müssen. Das Vollstreckungsgericht ist angesichts der Formalisierung des Zwangsversteigerungsverfahrens weder berufen, einen Nachweis über die Anrechnung zu verlangen noch diesen zu prüfen. Entsprechendes gilt für eine zugunsten des Schuldners getroffene Anrechnungsvereinbarung.
12
cc) Auch im Übrigen steht keinesfalls fest, dass eine außerhalb des Verfahrens erfolgte Zuzahlung dem Schuldner nur günstig ist (so aber Storz/Kiderlen, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 11. Aufl., C. 5.4.1, S. 480 f.). Die Alternative zu dieser ist nämlich nicht der Zuschlag zu dem Meistgebot ohne Zuzahlung , sondern die von dem Gläubiger in Aussicht gestellte Einstellungsbewilligung. Diese führt zu einem neuen Versteigerungstermin und damit zu der Chance auf einen insgesamt höheren Erlös. Im Übrigen bietet der Versteigerungstermin dem Gläubiger ausreichende Möglichkeit, den Meistbietenden vor dem Schluss der Versteigerung unter Hinweis auf einen ansonsten beabsichtigten Einstellungsantrag zu einer Erhöhung des Gebots zu veranlassen.
13
b) Der angefochtene Zuschlagsbeschluss beruht auf der ermessenfehlerhaften Anberaumung eines Verkündungstermins. Wäre die Entscheidung über den Zuschlag im Versteigerungstermin ergangen, hätte der Zuschlag gemäß § 33 ZVG versagt werden müssen. Unabhängig davon hätte das Vollstreckungsgericht den Zuschlag auch im Hinblick auf die ihm bekannt gewordene Zuzahlungsvereinbarung gemäß § 83 Nr. 6 ZVG versagen müssen, da eine hieraus folgende Beeinträchtigung der Rechte der Schuldner nicht eindeutig ausgeschlossen ist (vgl. Senat , Beschluss vom 10. April 2008 – V ZB 114/07, NJW-RR 2008, 1018 Rn. 16 f.).

IV.

14
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dass die Beteiligte zu 1 Schuldner die Gerichtskosten des von ihr erfolglos betriebenen Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen hat, folgt aus dem Gesetz. Ein Ausspruch über die außergerichtlichen Kosten scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbe- schwerde grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 – V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 Rn. 7).
15
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist für die Gerichtsgebühren nach dem Wert des Zuschlagsbeschlusses festzusetzen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG) und entspricht dem Meistgebot (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG). Der Wert für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 1 richtet sich, weil der Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung geringer ist als der Wert des ihr zustehenden Rechts, nach Ersterem und beträgt 70.000 € (§ 26 Nr. 1 RVG).
Krüger Stresemann Czub Brückner Weinland

Vorinstanzen:
AG Euskirchen, Entscheidung vom 07.06.2011 - 15 K 93/08 -
LG Bonn, Entscheidung vom 17.08.2011 - 6 T 148/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 25/11
vom
14. Juli 2011
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist die Verkündung des Zuschlags in dem Versteigerungstermin aufgrund einer drohenden
Verschleuderung des Grundbesitzes als verfahrensfehlerhaft anzusehen,
führt dies nur dann zu einem Erfolg der Zuschlagsbeschwerde, wenn der Zuschlag
auf dem Verfahrensfehler beruht.
BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 25/11 - LG Lüneburg
AG Celle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2011 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Schuldner gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 27. Dezember 2010 wird zurückgewiesen. Der Gegenstandswert beträgt für die Gerichtskosten 42.000 € und für die anwaltliche Vertretung der Schuldner 160.000 €.

Gründe:

I.

1
Im Juli 2006 ordnete das Vollstreckungsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 3 die Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks der Schuldner an und setzte den Verkehrswert im Oktober 2007 auf 160.000 € fest. In dem zweiten Versteigerungstermin versagte es den Zuschlag gemäß § 85a ZVG. Im Oktober 2010 verkauften die Schuldner das Grundstück mit notariellem Vertrag zum Preis von 50.000 € an einen Käufer, zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde. An dem sechsten Versteigerungstermin im November 2010 nahm der Käufer teil, ohne ein Gebot abzugeben. Für die Schuldner erschien niemand. Das Gebot des Meistbietenden betrug 42.000 €. Auf Antrag der Gläubigerin hat das Vollstreckungsgericht dem Meistbietenden den Zuschlag in dem Versteigerungstermin erteilt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldner, mit der sie die einstweilige Einstellung des Verfahrens beantragt haben, hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wenden sie sich mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.


2
Das Beschwerdegericht meint, die sofortige Erteilung des Zuschlags in dem Versteigerungstermin sei zwar verfahrensfehlerhaft, weil das Meistgebot nur etwa 26 % des Verkehrswertes betrage und damit eine Verschleuderung des Grundbesitzes zu befürchten sei. Dies führe aber nicht ohne weiteres zu der Aufhebung des Zuschlags, weil er auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens zu erteilen gewesen sei. Der freihändige Verkauf sei wegen des Veräußerungsverbots nicht möglich gewesen, und die Gläubigerin müsse nicht einwilligen. Der in dem Termin anwesende Käufer sei offenbar nicht bereit gewesen, ein Gebot in Höhe des freihändig vereinbarten Kaufpreises von 50.000 € abzugeben. Das Meistgebot liege im Verhältnis zum Verkehrswert nur unwesentlich unter dem Kaufpreis. Schließlich sei unerheblich, dass der Käufer nach dem Vortrag der Schuldner zum Abschluss eines Mietvertrags mit den Schuldnern bereit gewesen sei. Die Notwendigkeit eines Auszugs sei eine mit jedem Zwangsversteigerungsverfahren verbundene Härte.

III.


3
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Ein nach § 100 Abs. 1, 3 ZVG zu berücksichtigender Zuschlagsversagungsgrund liegt nicht vor. Die Rechtsbeschwerde stützt sich ohne Erfolg auf den Versagungsgrund gemäß § 83 Nr. 6 ZVG mit der Überlegung, infolge der verfahrensfehlerhaften Verkündung des Zuschlags im Versteigerungstermin seien die Schuldner an einer günstigeren Verwertung gehindert worden.
4
1. Das Vollstreckungsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es den Zuschlag gemäß § 87 Abs. 1 ZVG in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin verkündet (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2004 - IXa ZB 196/03, NJW-RR 2004, 1074, 1075). Die Kontrolle des Beschwerdegerichts beschränkt sich demzufolge auf Ermessensfehler.
5
a) Aus dem mit dem Zuschlag verbundenen Eingriff in das Eigentumsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG folgt allerdings die Verpflichtung der Gerichte zur Wahrung von Rechtsschutzmöglichkeiten des Schuldners und zu einer rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden fairen Verfahrensführung (vgl. nur BVerfGE 49, 220, 225). Bei einem niedrigen Meistgebot, das einer Verschleuderung gleichkommt, kann das Vollstreckungsgericht verpflichtet sein, gemäß § 87 ZVG einen gesonderten Verkündungstermin anzuberaumen und dem Schuldner dadurch die Möglichkeit einzuräumen, um Rechtsschutz nachzusuchen. Maßgeblich sind insoweit die Umstände des Einzelfalls; allein die Abwesenheit des Schuldners im Versteigerungstermin reicht nicht aus (BGH, Beschluss vom 5. November 2004 - IXa ZB 27/04, WM 2005, 136, 138; Beschluss vom 30. Januar 2004 - IXa ZB 196/03, NJW-RR 2004, 1074, 1075; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/ Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 87 Rn. 6; Löhnig/Pestel, § 87 ZVG Rn. 17 ff.; Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 87 Rn. 2.1 jeweils mwN; vgl. auch OLG Düsseldorf, Rpfleger 1994, 429; für die Zeit vor Einführung des § 85a ZVG BVerfGE 46, 325, 333 ff.). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine solche Pflicht des Vollstreckungsgerichts nach Einführung des § 85 a ZVG in einem besonders gelagerten Sachverhalt anerkannt worden, bei dem sich das Meistgebot auf 12 % des Verkehrswertes belief und die Vollstreckung wegen einer geringfügigen Forderung der öffentlichen Hand betrieben wurde (BGH, Beschluss vom 5. November 2004 aaO).
6
b) Hier hatte das Vollstreckungsgericht bei der Ermessensentscheidung einerseits einzubeziehen, dass ein Zuschlag in Höhe von 26 % des Verkehrswertes einer Verschleuderung des Grundbesitzes gleichkam. Auch waren die Schuldner im Termin nicht anwesend. Andererseits handelte es sich bereits um den sechsten Versteigerungstermin nach einer mehr als fünfjährigen Verfahrensdauer. Die Gläubigerin, deren Forderungen den Verkehrswert des Grundstücks überstiegen, beantragte die sofortige Erteilung des Zuschlags in Kenntnis des freihändig geschlossenen Kaufvertrags, während der anwesende Käufer kein Gebot abgab. Seine Zuschlagsentscheidung hat das Vollstreckungsgericht damit begründet, dass eine bessere Verwertungsmöglichkeit angesichts des bisherigen Verlaufs des Vollstreckungsverfahrens nicht zu erwarten gewesen sei. Ob die sofortige Verkündung des Zuschlags angesichts dieser Gesamtumstände - wie das Beschwerdegericht meint - ermessensfehlerhaft war, ist zweifelhaft, kann im Ergebnis aber dahinstehen.
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2. Selbst wenn nämlich ein solcher Verfahrensfehler unterstellt wird, führt er - wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt - nur dann zu der Versagung des Zuschlags, wenn der Zuschlag auf ihm beruht. Dies ist in der Rechtsprechung geklärt (BGH, Beschluss vom 5. November 2004 - IXa ZB 27/04, WM 2005, 136, 138) und ergibt sich ohne weiteres aus der dienenden Funktion des Verfahrensrechts. Erfolg kann die Zuschlagsbeschwerde danach nur dann haben, wenn sich aus dem Beschwerdevorbringen ein Zuschlagsversagungsgrund ergibt, den die Schuldner bei einer Vertagung der Verkündung mit Erfolg geltend gemacht hätten. Daran fehlt es hier, weil der mit der Beschwerde gestellte Einstellungsantrag gemäß § 765a ZPO nicht begründet und die Zwangsversteigerung nicht unzulässig im Sinne von § 83 Nr. 6 ZVG, § 100 Abs. 1, 3 ZVG war.
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a) Der Umstand, dass nur ein Viertel des Verkehrswertes erzielt worden ist, reicht für sich genommen nicht aus, um eine sittenwidrige Härte im Sinne von § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO zu begründen. Das folgt schon aus der Bestimmung des § 85a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 ZVG, nach der der Zuschlag auf ein Meistgebot unter der Hälfte des Verkehrswertes nur im ersten Termin zu versagen ist. Es müssen Umstände hinzutreten, die mit Wahrscheinlichkeit ein wesentlich höheres Gebot in einem Fortsetzungstermin erwarten lassen (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2003 - IXa ZB 21/03, NJW-RR 2003, 1648, 1649; Senat, Beschluss vom 16. Juli 2009 - V ZR 45/09, juris Rn. 14; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 83 Rn. 25; Stöber, ZVG, 19. Aufl., Einl. Rn. 55.3 jeweils mwN). Ein nur unerheblich höheres Gebot wäre nicht ausreichend, um das Erlöschen eines sicheren Meistgebots zugunsten einer lediglich prognostizierten besseren Verwertung in Kauf zu nehmen. Nur mit dieser Einschränkung werden auch die schutzwürdigen Interessen des Gläubigers in angemessener Weise gewahrt.
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b) Diese Voraussetzung hat das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler verneint. Dabei kann dahinstehen, ob ein mögliches Gebot von 50.000 € im Verhältnis zu Meistgebot und Verkehrswert überhaupt ausreichend wäre, um die Wesentlichkeitsschwelle zu erreichen. Denn mit der Beschwerdebegründung haben die Schuldner lediglich auf die Verschleuderung des Grundbesitzes infolge des Zuschlags und auf den möglichen höheren Erlös aus dem freihändigen Verkauf hingewiesen. Sie haben ferner ausgeführt, die Gläubigerin habe mit Schreiben vom 27. September 2010, also vor dem Versteigerungstermin, ihr Einverständnis mit dem Verkauf zum Preis von 50.000 € erklärt. Dagegen haben sie nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Gläubigerin auch im Zeitpunkt der Beschwerdebegründung noch mit diesem Verkauf einverstanden sei und sich bereit erklären werde, von dem Zwangsversteigerungsverfahren Abstand zu nehmen. Gegen eine solche Bereitschaft spricht schon der Umstand, dass die Gläubigerin in Kenntnis des freihändig geschlossenen Kaufvertrags die sofortige Erteilung des Zuschlags beantragt hat. Ebenso wenig haben die Schuldner konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Käufer entgegen seinem Verhalten in dem Versteigerungstermin in einem Fortsetzungstermin ein 42.000 € wesentlich übersteigendes Gebot abgeben werde.
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c) Soweit sich die Schuldner darauf berufen, der Käufer habe nur deshalb kein Gebot abgegeben, weil er sich zunächst verbindlich mit ihnen darüber habe einigen wollen, dass er im Falle der Ersteigerung den vereinbarten Kaufpreis nicht zusätzlich zahlen müsse, ist dieser Vortrag erstmals mit der Rechtsbeschwerde erfolgt und damit unbeachtlich. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe gegen die Hinweispflicht verstoßen, indem es nicht auf Vortrag zu diesem Punkt hingewirkt habe. Ausweislich des Protokolls hat das Vollstreckungsgericht zu Beginn des Versteigerungstermins mitgeteilt, dass der Kaufvertrag nicht genehmigt worden und wegen Verstoßes gegen das Veräußerungsverbot unbeachtlich sei. Dass der Käufer dennoch kein Gebot abgab, ließ ohne weiteres den Schluss zu, dass er an seinen Erwerbsabsichten nicht festhielt. Es war Sache der Schuldner, in der Beschwerdebegründung darzutun, dass und warum trotz dieses Verhaltens in einem späteren Versteigerungstermin ein höheres Gebot des Käufers zu erwarten sei. Weil das Beschwerdegericht von einer solchen Bereitschaft des Käufers nicht ohne weiteren Vortrag ausgehen konnte, ist auch ohne Belang, dass dieser den Schuldnern vor dem Termin den Abschluss eines langfristigen Mietvertrags angeboten haben soll.

IV.


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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (Senat, BGHZ 170, 378, 381 mwN). Der Gegenstandswert ist nach § 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG nach dem Wert des Zuschlags zu bestimmen, der dem Meistgebot entspricht. Der Wert der anwaltlichen Vertretung richtet sich gemäß § 26 Nr. 2 RVG nach dem Verkehrswert des Grundstücks.
Krüger Stresemann Roth
Brückner Weinland

Vorinstanzen:
AG Celle, Entscheidung vom 11.11.2010 - 39 K 65/06 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 27.12.2010 - 4 T 138/10 -

(1) Der Beschluß, durch welchen der Zuschlag erteilt oder versagt wird, ist in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin zu verkünden.

(2) Der Verkündungstermin soll nicht über eine Woche hinaus bestimmt werden. Die Bestimmung des Termins ist zu verkünden und durch Anheftung an die Gerichtstafel bekanntzumachen.

(3) Sind nachträglich Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht, so sollen in dem Verkündungstermin die anwesenden Beteiligten hierüber gehört werden.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Der Beschluß, durch welchen der Zuschlag erteilt oder versagt wird, ist in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin zu verkünden.

(2) Der Verkündungstermin soll nicht über eine Woche hinaus bestimmt werden. Die Bestimmung des Termins ist zu verkünden und durch Anheftung an die Gerichtstafel bekanntzumachen.

(3) Sind nachträglich Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht, so sollen in dem Verkündungstermin die anwesenden Beteiligten hierüber gehört werden.

(1) Das Verfahren ist einstweilen einzustellen, wenn der Gläubiger die Einstellung bewilligt. Die Einstellung kann wiederholt bewilligt werden. Ist das Verfahren auf Grund einer Bewilligung des Gläubigers bereits zweimal eingestellt, so gilt eine erneute Einstellungsbewilligung als Rücknahme des Versteigerungsantrags.

(2) Der Bewilligung der Einstellung steht es gleich, wenn der Gläubiger die Aufhebung des Versteigerungstermins bewilligt.

(1) Zwischen der Aufforderung zur Abgabe von Geboten und dem Zeitpunkt, in welchem bezüglich sämtlicher zu versteigernder Grundstücke die Versteigerung geschlossen wird, müssen 30 Minuten liegen. Die Versteigerung muß so lange fortgesetzt werden, bis der Aufforderung des Gerichts ungeachtet ein Gebot nicht mehr abgegeben wird.

(2) Das Gericht hat das letzte Gebot und den Schluß der Versteigerung zu verkünden. Die Verkündung des letzten Gebots soll mittels dreimaligen Aufrufs erfolgen.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.