Tenor

1. Das Urteil der 25. Kammer - Kleine Strafkammer - des Landgerichts Stralsund von 13.09.2012 wird aufgehoben

a. auf die Revision des Angeklagten jeweils mit den zugehörigen Feststellungen

(1) in den Fällen 3 und 5 der Gründe, soweit der Angeklagte wegen versuchten Betruges zum Nachteil des Zeugen D. verurteilt worden ist,

(2) im Gesamtstrafenausspruch

b. auf die Revision der Staatsanwaltschaft unter Aufrechterhaltung der insoweit getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die Bestand haben, in den Fällen 1 bis 6 der Gründe, soweit das Landgericht den Angeklagten jeweils vom Vorwurf des (versuchten) Betruges im Termin der Zwangsversteigerung freigesprochen hat.

2. Das Verfahren wird im Umfang der Teilaufhebung zu Ziff. 1 lit. a (1) auf Kosten der Staatskasse eingestellt, die auch die insoweit entstandenen ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat (§ 467 Abs. 1 StPO).

3. Im Umfang der Aufhebung zu Ziff. 1 lit a. (2) und lit. b. wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die insoweit entstandenen Kosten der Revisionen, an eine andere Berufungsstrafkammer des Landgerichts Stralsund zurückverwiesen.

4. Die weitergehenden Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

1

Mit Anklageschrift vom 21.07.2009 wirft die Staatsanwaltschaft Stralsund dem Angeklagten vor, in der Zeit vom 08.09.2006 bis 21.05.2008 in drei Fällen einen vollendeten Betrug (Fälle 1, 4 und 6 der Anklageschrift) und in weiteren drei Fällen einen versuchten Betrug (Fälle 2, 3 und 5) begangen zu haben.

2

Mit Urteil vom 20.09.2011 verurteilte das Amtsgericht Greifswald - 33 Ls 741/09 - den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen (Fälle 2 bis 6 der Anklage). Im Falle 1 sprach es ihn wegen des Verfahrenshindernisses des Strafklageverbrauchs frei.

3

Mit ihrer Berufung wandte sich die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch im Fall 1, der Angeklagte legte umfassend Berufung ein, soweit er verurteilt wurde.

4

Das Landgericht Stralsund - Kleine Strafkammer - verurteilte den Angeklagten auf dessen Berufung am 13.09.2012 unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils wegen vollendeten Betruges zum Nachteil der von ihm als Tatmittlerin benutzten Zeugin F. (Fall 6 der Anklage) und wegen versuchten Betruges zum Nachteil des von ihm benutzten Tatmittlers D. in zwei Fällen (Fälle 3 und 5 der Anklage) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten. Vom Vorwurf des - teils versuchten - Betruges zum Nachteil der Zwangsvollstreckungsgläubiger sprach es den Angeklagten in den Fällen 1 bis 6 jeweils aus Rechtsgründen frei. Über die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht nicht formal entschieden.

5

Gegen das Berufungsurteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit der näher ausgeführten Sachrüge gegen das Urteil, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des (versuchten) Betruges freigesprochen worden ist. Der Angeklagte erhebt neben der nicht näher ausgeführten allgemeinen Sachrüge die Rüge einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen beigetreten.

II.

6

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat in überwiegendem Maße, die Revision des Angeklagten nur in geringem Umfang Erfolg. Dementsprechend waren der Schuldspruch, wie aus dem Tenor ersichtlich, und der Ausspruch über die Gesamtstrafe aufzuheben. Ferner war das Verfahren zum Teil wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen.

7

A. Verfahrensvoraussetzungen

1.

8

Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt, in der "Zusage" der Staatsanwaltschaft vom 03.05.2007 vor dem Amtsgericht Stralsund im Verfahren - 14 Ls 330/06 -, "Mögliche weitere Straftaten, die sich aus dem wirtschaftlichen Zusammenhang des Angeklagten und hiesigen Zuständigkeitsort bis zum Zeitpunkt der heutigen Hauptverhandlung im Hinblick auf das heute zu fällende Urteil gem. § 154 StPO vorläufig (einzustellen)" kein Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs hinsichtlich des Falles 1 der im vorliegendem Verfahren zu Grunde liegenden Anklage gesehen (so auch BGH, Beschl. v. 25.01.2006 - 1 StR 438/05, NStZ-RR 2007, 20).

2.

9

Jedoch war auf die Revision des Angeklagten seine Verurteilung in den Fällen 3 und 5 der Gründe (versuchter Betrug zum Nachteil des Zeugen D.) aufzuheben und das Verfahren insoweit einzustellen. Einer diesbezüglichen Aufhebung und Einstellung auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin bedarf es dabei - unabhängig davon, dass dieses Rechtsmittel auch zu Gunsten des Angeklagten wirkt (§ 301 StPO) - im Hinblick auf die insoweit schon erfolgreiche Revision des Angeklagten nicht (vgl. BGHSt 53, 311). Die vom Revisionsgericht von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Verfahrensvoraus-setzungen hat ergeben, dass diese beiden Taten nicht Gegenstand der öffentlichen Klage sind. Es besteht deshalb ein Prozesshindernis, was die Einstellung des Verfahrens nach § 260 Abs. 3 StPO zur Folge hat.

10

Gegenstand der Anklage war insoweit nur der die jeweiligen Versteigerungstermine betreffende Lebenssachverhalt. Die nunmehr vom Landgericht in den Fällen 3 und 5 seiner Entscheidung abgeurteilten Taten des versuchten Betruges zum Nachteil des Zeugen D. fallen nicht darunter. Insoweit würde es sich um selbständige Taten i. S.d. § 264 StPO handeln.

11

Wesentliches Kriterium für das Vorliegen einer Tat im prozessualen Sinn ist neben dem engen sachlichen der zeitliche und örtliche Zusammenhang der Geschehnisse (vgl. BGHSt 32, 215). Die Anklageschrift vom 21.07.2009 beschränkt sich bei der Konkretisierung des Tatvorwurfs in den Fällen 3 und 5 auf den geschichtlichen Vorgang des Betrugs (-versuchs) im Versteigerungstermin. An dem erforderlichen situativen sowie insbesondere zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zwischen dem den Angeklagten vorgeworfenen Betrugsdelikten im Rahmen des Versteigerungstermins/der Versteigerungstermine und dem Verhalten des Angeklagten im Rahmen der diesem Geschehen vorhergehenden Abschlüsse notarieller Treuhandverträge fehlt es. Der Lebensvorgang, der dem Angeklagten mit der Anklage vorgeworfen worden ist, unterscheidet sich von den Verhaltensweisen, die der Verurteilung zugrunde gelegt worden sind, nicht nur hinsichtlich der Tatzeit, sondern auch in Bezug auf die Tatmodalitäten (Ort, Täuschungshandlung) derart, dass beide Sachverhalte bei natürlicher Betrachtungsweise keinen einheitlichen geschichtlichen Lebensvorgang darstellen. Hinzu tritt, dass in Bezug auf den Abschluss des Treuhandvertrages ein gänzlich anderer als der in der Anklageschrift genannte Täuschungsadressat betroffen war. Vielmehr geht die Anklageschrift im Gegenteil ausdrücklich davon aus, dass es wegen des kollusiven Zusammenwirkens von Angeklagtem und Zeugen gerade keiner Täuschung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Treuhandvertrages bedurfte (Anklageschrift Bl. 7 Ziff. d und Bl. 11 Ziff. c).

12

Eine andere Beurteilung ließe sich auch nicht damit rechtfertigen, dass letztlich jeweils das (vermeintlich) selbe Tatobjekt - das vom Angeklagten ins Auge gefasste Grundstück - betroffen war und diesem "gemeinsamen Nenner" der Vorrang einzuräumen wäre (vgl. KG, StraFo 2012, 375 unter Bezugnahme auf BGHSt 32, 215, 219f.). Dies führte im Ergebnis dazu, dass nicht der im Anklagesatz umschriebene konkrete geschichtliche Vorgang Gegenstand der Urteilsfindung wäre, sondern die Tatsache, dass der Täter in Bezug auf dieses Tatobjekt, wann und in welcher Weise auch immer, etwas in strafbarer Weise getan habe. Eine derartige Verfahrensweise würde dem Tatbegriff des § 264 StPO nicht mehr gerecht, weil dieser an einen bestimmten historisch abgrenzbaren Lebensvorgang anknüpft und nicht allgemein an ein strafbares Verhalten eines Täters, das dieser in verschiedenen Handlungsvorgängen begangen haben kann. Es kann auch nicht darauf ankommen, ob der Tatrichter - wie hier - andere Verhaltensweise des Angeklagten erörtert und nach Ort, Zeit sowie anderen Umständen eingegrenzt hat. Denn gemäß § 155 Abs. 1 StPO darf sich die richterliche Untersuchung und Entscheidung nur auf die im Anklagesatz bezeichnete Tat erstrecken. Würde man den Umfang der Tat danach bestimmen, wie intensiv das Gericht Feststellungen zu anderen Geschehnissen trifft, wäre der durch das Anklageprinzip (§ 151 StPO) dem Angeklagten gewährte Schutz nicht in ausreichendem Maß gewährleistet.

13

B. Zur Revision der Staatsanwaltschaft

14

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:

a.

15

Der Angeklagte trat in verschiedenen Zwangsversteigerungsverfahren, die (vormals) in seinem oder im Eigentum ihm nahestehender Personen oder von ihm beherrschter Gesellschaften stehende Grundstücke betrafen, immer wieder als Bieter auf. Er befand sich schon lange vor September 2006 in finanziellen Schwierigkeiten. Da dies dem Amtsgericht Greifswald, Zwangsversteigerungsabteilung, bekannt war, hatte das Amtsgericht in der Vergangenheit bereits Gebote des Angeklagten im Zwangsversteigerungsverfahren wegen bekannter Zahlungsunfähigkeit als unzulässig zurückgewiesen. Da der Angeklagte bei künftigem offenen Auftreten als Bieter jeweils mit der Zurückweisung seiner Gebote als unzulässig rechnen musste, entschloss er sich, jedenfalls ab September 2009 in verdeckter Treuhandschaft durch die im Folgenden benannten Zeugen Grundstücke ersteigern zu lassen. Damit verfolgt er das Ziel, die Ersteigerung durch Dritte zu verhindern und sich stattdessen seinen Einfluss auf diese Grundstücke durch Ersteigerung durch seinem Einfluss unterliegende und zum Teil durch (nichtige) Treuhandverträge an ihn gebundene Personen zu erhalten. Letztlich sollten die Grundstücke in eine von ihm beherrschte Gesellschaft überführt und damit für ihn vorteilhafte Geschäfte gemacht werden, sei es durch neue Belastung oder durch Weiterverkauf.

b.

16

Im Fall 1 der Gründe der angefochtenen Entscheidung stand das Grundstück "...", eingetragen im Grundbuch von G. Blatt ..., Gemarkung G. Flur .., Flurstücke ... und ... im Eigentum der Torsten A. und ... GbR. Nachdem von der Landesbank Baden-Württemberg wegen einer durch Grundschuld gesicherten Forderung gegen diese GbR in Höhe von über 500.000 € die Zwangsversteigerung des Grundstücks betrieben worden war, erwarb in einem (nicht verfahrensgegenständlichen) ersten Versteigerungstermin der Zeuge K. das Grundstück. Da dieser das Gebot nicht zahlte war eine Sicherungshypothek zu Gunsten der Zwangsvollstreckungsgläubigerin in Höhe von ca. 126.648,99 € nebst Zinsen eingetragen worden. Der Verkehrswert des Grundstücks war zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung auf 240.000 € festgesetzt worden. Nunmehr ersteigerte die (gutgläubige) Zeugin Z. das Grundstück im eigenen Namen, tatsächlich jedoch in verdeckter Treuhandschaft aufgrund nichtigen Treuhandvertrags für die vom Angeklagten beherrschte "... Grundbesitz-Vermögens- und Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG" für ein Gebot von 154.000 € und erhielt auf Antrag der Gläubigerin noch im Termin den Zuschlag. Über die Bietersicherheit in Höhe von 24.000 € hinaus wurden keine weiteren Zahlungen auf das Meistgebot geleistet. Die Zwangsvollstreckungsgläubigerin konnte, weil das Meistgebot im Termin nicht gezahlt wurde, das Geld ab diesem Zeitpunkt nicht Gewinn bringend anlegen.

c.

17

In den Fällen 2 bis 6 der Gründe der angefochtenen Entscheidung wiederholte sich diese Verfahrensweise im Wesentlichen. Der Angeklagte bediente sich jeweils gutgläubiger oder bösgläubiger (Fälle drei und fünf) Treuhänder, die in den jeweils neu vom Amtsgericht angesetzten Versteigerungsterminen durch Abgabe des Meistgebotes versuchten, Grundstücke (in den Fällen 2 und 3 das o.g. Grundstück, im Falle 4 das Grundstück ... in D., Grundbuch von D. Blatt ..., Gemarkung D., Flur ..., Flurstück ... mit einem Verkehrswert von 35.000 € im Eigentum des Angeklagten stehend; in den Fällen 5 und 6 das Grundstück ..., Grundbuch von G. Blatt ..., Gemarkung G., Flur ..., Flurstücke ... und ... und ..., Flur ..., Flurstück ..., das zunächst im Eigentum des Vaters des Angeklagten und ab dem 4.4.2006 im Eigentum der "... GmbH & Co. KG B." mit dem Angeklagten als dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der persönlich haftenden GmbH stand (Verkehrswert von 340.500 €)) zu ersteigern. Das scheiterte in den Fällen 2, 3 und 5, weil die Zuschlagserteilung letztlich verweigert wurde. In den Fällen 4 und 6 kam es zur Zuschlagserteilung, wobei jedoch in der Folge bis auf das Mindestgebot wiederum keine Zahlungen erfolgten.

d.

18

Das Landgericht hat aufgrund dieser Feststellungen in den Fällen 1, 4 und 6 der Anklage einen Vermögensschaden der die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubiger und - weil insoweit beim Angeklagten auch kein von ihm erstrebter stoffgleicher Vermögensvorteil eingetreten sei -, das Vorliegen eines vollendeten Betrugs und in den Fällen 2, 3 und 5 (mangels Zuschlagserteilung) das Vorliegen eines versuchten Betruges zu Lasten der Gläubiger verneint. Desgleichen hat es in den Fällen 1, 2 und 4 der Gründe einen (versuchten) Betrug zu Lasten der treuhänderischen Tatmittler mangels Vermögensschaden bzw. eines darauf gerichteten Vorsatzes des Angeklagten verneint und allein im Fall 6 einen vollendeten Betrug zu Lasten der Tatmittlerin bejaht. Einen vollendeten Betrug zu Lasten der durch die Abgabe des Meistgebotes der Treuhänder unterlegenen Mitbieter hat das Landgericht nicht geprüft.

19

2. Das hält der auf die Revision der Staatsanwaltschaft vorzunehmenden rechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen nicht stand.

20

a. Betrug zu Lasten der das Zwangsversteigerungsverfahren betreibenden Gläubiger

aa.

21

Die das Zwangsversteigerungsverfahren betreibenden Gläubiger haben entgegen der Auffassung der Kammer jeweils einen Vermögensschaden (in noch zu ermittelnder Höhe) erlitten.

22

Zum Vermögen des Gläubigers gehören

(a)

23

die Grundpfandrechte, um deren Realisierung willen die Zwangsversteigerung betrieben wurde (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 17.02.1987 - 5 StR 13/87 Rdn. 3 und 4). Hinsichtlich dieser haben die jeweiligen Zwangsvollstreckungsgläubiger durch die gescheiterten Zwangsversteigerungen auch einen Schaden erlitten.

24

Der Betrugsschaden kann nur in einem Vermögensnachteil bestehen, der unmittelbar durch die irrtumsbedingte Vermögensverfügung des Getäuschten herbeigeführt worden ist. Dafür kommt es nicht darauf an, ob sich zu einem späteren Zeitpunkt der Getäuschte wegen seiner Forderung befriedigen kann oder ob er mit seiner Forderung ausfällt. Ob ein Vermögensschaden entstanden ist, richtet sich stets ausschließlich nach dem Zeitpunkt der Vermögensverfügung (BGH, Beschl. v. 06.06.2000 - 1 StR 161/00, StV 2000, 478; Beschl. v. 06.02.1996 - 1 StR 705/95, StV 1997, 416; Beschl. v. 02.06.1993 2 StR 144/93, wistra 1993, 265; BayObLG Beschl. v. 15.07.2002 - 5St RR 160/02, juris). Entscheidend ist daher die Vermögenslage der Beteiligten, wie sie sich darstellte, nachdem das Amtsgericht den Zuschlag erteilte oder aber von einem Zuschlag (auch an andere seriöse Bieter, die bei Nichtabgabe des Angebots durch die Tatmittler zum Zuge gekommen wären) absah.

25

Ob ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB vorliegt, hängt davon ab, ob nach und infolge des Zuschlags das Gesamtvermögen des Gläubigers einen geringeren Wert hat als vorher. Entscheidend hierfür ist ein - für den Zeitpunkt des Zuschlags anzustellender - Wertvergleich zwischen dem Gegenstand des durch den Zuschlag Erlangten und dem durch den Zuschlag verlustig gegangenen Vermögenswert des Gläubigers. Es kommt darauf an, ob die durch den Zuschlag entstandenen Ansprüche dem in Verlust geratenen Vermögenswert gleichwertig sind. Minderwertig - und damit als Schaden anzusehen - ist ein Anspruch dann, wenn es an einer Sicherheit fehlt, aus der sich der Gläubiger bei ausbleibender Zahlung ohne Schwierigkeiten - insbesondere ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand und ohne Mitwirkung des Täuschenden - befriedigen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 02.06.1993 juris Rdn. 23f.; 06.02.1996 juris Rdn. 5f.; 06.06.2000 juris Rdn. 8f.; BayObLG a.a.O. juris Rdn. 15.). Es entsteht dann kein Betrugsschaden, wenn der Anspruch des Gläubigers aufgrund der Vermögenslage des Darlehensnehmers oder sonstiger Umstände, die den Gläubiger vor einem Verlust seines Geldes schützen, wirtschaftlich sicher ist (BGH, a.a.O.).

26

Das Vermögen der Zwangsvollstreckungsgläubiger hat sich vorliegend gemindert. Die bestehenden Grundpfandrechte sind durch den Zuschlag von Gesetzes erloschen, (§ 91 Abs. 1 ZVG). Die Ansprüche gegen den Meistbietenden und Exspektanzen (Zuschlag an den nicht zum Zuge gekommenen Bieter) konnten nicht realisiert werden.

27

Sicherheiten, die den Gläubiger vor einem Schaden dennoch bewahren, liegen entgegen der Auffassung der Kammer nicht vor. Insbesondere stellt die Eintragung einer Zwangshypothek zugunsten des Gläubigers schon wegen des mit der Realisierung aus dieser Sicherheit verbundenen Aufwands und der damit verbundenen Unsicherheiten keine den Vermögensschaden ausschließende Wertkompensation dar. Ausreichend für die Annahme eines Schadens ist bereits, dass die Realisierbarkeit für den Gläubiger mit neuen konkreten Unsicherheiten verbunden ist (BayOblG, .a.aO., juris Rdn. 15.). Nur dann, wenn die Sicherheit unschwer realisiert werden kann, wird ein Schaden zu verneinen sein (BayOblG, a.a.O. juris Rdn. 15). Vorliegend konnten sich die Gläubiger gerade nicht ohne weiteren finanziellen und zeitlichen Aufwand befriedigen. Vielmehr mussten sie - wie der Sachverhalt zeigt - versuchen, sich nach Übertragung der aus dem Zuschlag erwachsenen Forderung (§ 118 ZVG) - soweit nicht durch die hinterlegte Sicherheit befriedigt - mit all den damit verbunden Unsicherheiten, Kosten und zeitlichen Verzögerungen - erneut im Wege der Zwangsversteigerung/Wiederversteigerung zu befriedigen (dazu auch BayObLG, a.a.O., vgl. juris Rdn. 15f.). Die Verneinung eines Schadens erscheint daher angesichts der bisherigen Feststellungen ausgeschlossen. Selbst wenn man aufgrund konkreter Tatumstände die Eintragung der Zwangshypothek als schadensausschließende Möglichkeit in Betracht zöge, wäre das nur der Fall, wenn die jeweils einzutragende Zwangshypothek in zumindest gleicher Höhe bestünde wie die ursprüngliche Grundschuld. Das ist in den Fällen 1 bis 3 ausweislich der landgerichtlichen Feststellungen nicht der Fall, in denen die Zwangsvollstreckungsgläubigerin "scheibchenweise" mit jeder neuen aber letztlich gescheiterten Zwangsversteigerung des vollen Umfangs ihrer Immobiliarsicherheit verlustig gegangen ist (vgl. auch FG Hannover, Urt. v. 15.02.1994 - VI 385/89, juris Rdn. 42). In den Fällen 4 bis 6 der Gründe des angefochtenen Urteils wird deshalb von der nunmehr zur Entscheidung berufenen Kammer festzustellen sein, ob und inwieweit auf diese Weise hinsichtlich etwaiger Grundpfandrechte durch das Zwangsversteigerungsver-fahren Schäden eingetreten sind.

(b)

28

diejenigen tatsächlichen Anwartschaften (Exspektanzen), die aus der Realisierung der Grundpfandrechte im Wege der Zwangsversteigerung entstehen, insbesondere tatsächliche Anwartschaften auf Zahlungen durch andere potentielle Ersteigerer, deren verbindliches Höchstgebot nur deshalb nicht den Zuschlag erhält, weil der Angeklagte dies durch Abgabe eines vorgetäuschten Höchstgebotes verhindert. Tatsächliche Anwartschaften gehören dann schon zum Vermögen, wenn es sich nicht um bloße Aussichten oder Hoffnungen handelt, sondern ein Vermögenszuwachs mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und die Gewinnaussicht rechtlich realisierbar erscheint. Die Gewinnaussicht muss einen messbaren Vermögenswert besitzen (BGHSt 17, 147; BayObLG, Urt. v. 27.03.1991 - RReg 4 St 15/91, wistra 1991, 230). Stellt eine solche Aussicht nur die Stufe einer flüchtigen, wirtschaftlich noch nicht fassbaren Hoffnung dar, reicht dies nicht aus, hat sie schon solche Gewissheit erlangt, dass sie nach der Verkehrsauffassung messbaren Vermögenswert hat, ist sie Vermögensbestandteil (BGHSt 34, 379 zur (betrügerischen) Abgabe eines Mindestgebotes im Vergabeverfahren mit Folge der Zuschlagserteilung an den Mindestbietenden). Die faktische Wahrscheinlichkeit des Vermögenszuwachses wird dabei konkretisiert bei Begründung der Exspektanz durch ein normativ geregeltes Verfahren (vgl. LK-Tiedemann, StGB, 12. Aufl. 2012, Rdn. 135). Darüber hinaus ist auch die tatsächliche Handhabung eines Verfahrens von Relevanz (BGH a.a.O.).

29

Gemessen an diesen Voraussetzungen erweist sich die Erwartung auf einen Zuschlag an einen anderen Bieter als konkreter Vermögensbestandteil, da dieser Zuschlag in einem gesetzlich geregelten Verfahren erfolgt. Ob solche Gebote, die den Zuschlag erhalten hätten, vorlagen, ist Tatfrage (bei Fall 1 und 6 der Anklage war dies lt. Anklageschrift der Fall, Bd. 3 Bl. 55 und 63), die die zur erneuten Entscheidung berufene Kammer zu klären haben wird. Die Zurechnung einer solchen Exspektanz zum Vermögen des Gläubigers wird nur dann ausscheiden, wenn im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Ablaufs des Versteigerungsverfahrens ein entsprechender Bieter seinerseits wegen Zweifeln an seiner Zahlungsfähigkeit ausgeschlossen worden wäre. Denn dann wäre die Exspektanz nicht mehr wert als der an den Angeklagten bzw. seine Treuhänder erfolgte Zuschlag. Auch dies wird festzustellen sein. Wird dieser konkret realisierbare Vermögenszuwachs verhindert, entsteht ein in der genauen Höhe vom Landgericht festzustellender Vermögensschaden, der nicht durch die Eintragung einer Sicherungshypothek ausgeglichen wird (s.o.).

(c)

30

Zum Vermögen zum Zeitpunkt der Täuschungshandlung gehören entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft jedoch nicht - wie zutreffend vom Landgericht festgestellt - etwaig erzielbare Zinsen (vgl. UA Bl. 30).

31

Hinsichtlich der Vermögenswerte zu a) und b) ist den Gläubigern durch das Handeln des Angeklagten auch jeweils ein Schaden entstanden.

bb.

32

Dem erlittenen Vermögensschaden steht auch ein vom Angeklagten erstrebter stoffgleicher Vermögensvorteil gegenüber.

33

Der Vermögensvorteil besteht in der durch den Zuschlag bewirkten Befreiung der Grundstücke von alten Belastungen und in der damit einhergehenden Erhaltung oder Wiedergewinnung des Zugriffs auf den Wert des Grundstücks. Entgegen der Auffassung des Landgerichts (vgl. UA Bl. 36) war die Absicht des Angeklagten auch in allen Fällen, unabhängig davon, ob die Vorderleute des Angeklagten sich diesem gegenüber durch wirksame oder unwirksame Erklärungen verpflichtet hatten oder nicht, darauf gerichtet, durch den Zuschlag einen unmittelbaren stoffgleichen Vermögensvorteil zu erlangen. Hier kommt es für die Frage beim Angeklagten vorhandener Exspektanzen auf eine wirtschaftliche Betrachtung dergestalt an, ob der Angeklagte bereits zum Zeitpunkt des Zuschlags wesentliche Teilschritte unternommen hatte, die ihm die konkrete Aussicht einer Vermögensmehrung boten, oder ob er sich in dieser Hinsicht auf bloße Hoffnungen stützen musste. Letzteres ist gerade nicht der Fall. Denn der Angeklagte hatte aus verschiedenen Gründen - wie sich schon aus der Bereitschaft der Vorderleute, mitzumachen, ergab - eine solche Herrschaft über das Gesamtgeschehen, dass auch bei fehlender Absicherung durch vertragliche Regelungen (Treuhandvertrag) zwischen ihm und den Vorderleuten davon ausgehen ist, dass der wesentliche Schritt zur Vermögensmehrung im Zuschlag an die Vorderleute und nicht erst bei dem dann folgenden Rechteübergang von diesen auf ihn vorlag. Dies schon deshalb, weil die Vorderleute schon mangels eigenen Interesses (und eigener finanzieller Möglichkeiten) kein Interesse am Erwerb für sich selbst hatten, sondern diesen als reinen "Sicherungs- oder Durchgangserwerb" zugunsten des Angeklagten betrachteten. Der Zuschlag in der Versteigerung war aus Sicht des Angeklagten der maßgebliche Schritt, einerseits Bieter, auf die er keinen Einfluss hatte, vom Grundstückserwerb abzuhalten und andererseits diejenigen, auf die er entscheidenden Einfluss meinte ausüben zu können, in eine Position zu bringen, die es ihm ermöglichte, weiterhin selbst das Grundstück wirtschaftlich zu nutzen. Das ergibt sich insbesondere aus den Feststellungen das Landgerichts, wonach der Angeklagte sowohl gegenüber der Zeugin Z. als auch gegenüber den weiteren Zeugen deutlich gemacht hat, das Grundstück in der Zwangsvollstreckung nicht verlieren zu wollen und darüber hinaus offensichtlich auch schon Vorbereitungen dahingehend getroffen hatte, dass im Falle 1 der Gründe das Grundstück unmittelbar nach Zuschlagserteilung in eine von ihm maßgeblich gesteuerte Gesellschaft übergehen solle, die sich um alles Weitere kümmern werde. Darüber hinaus hat der Angeklagte gegenüber der Zeugin F. angegeben, insbesondere durch die Bestellung von Grundschulden die Nutzung des Grundstücks als "eigenes Kapital" vorbereiten zu wollen (UA Bl. 23).

34

Deshalb besteht auch Stoffgleichheit zwischen dem eingetretenen Schaden und dem angestrebten Vorteil.

35

Vorteil und Schaden beruhen auf derselben Vermögensverfügung und der Vorteil geht zu Lasten des geschädigten Vermögens. Entscheidend ist, dass dieselbe Vermögensverfügung des Getäuschten (hier des Zwangsvollstreckungsgerichts), die den Täter oder einen Dritten bereichern soll, den Schaden unmittelbar herbeiführt (vgl. BGHSt 34, 379, BGHSt 6, 105). Das ist hier der Fall, weil durch die auf Grund der Täuschung und des entsprechenden Irrtums getroffene Entscheidung des Amtsgerichts, den Zuschlag dem Meistbietenden zu erteilen, unmittelbar den Schaden des Gläubigers herbeigeführt hat. Der Vermögensvorteil und der Vermögensschaden entsprechen einander, weil sie durch dieselbe Vermögensverfügung vermittelt wurden.

36

Der Angeklagte handelte in der Absicht, sich um den Vorteil zu Unrecht zu bereichern, um den er den Gläubiger schädigte. Denn die Verhinderung des Zuschlags an den solventen Bieter und die Herbeiführung des (schadenbehafteten) Zuschlags an die Treuhänderin auf der einen Seite bewirkt den Vorteil des Angeklagten auf der anderen Seite. Ein der Höhe nach mit dem Schaden identischer Vorteil wird nach § 263 StGB nicht vorausgesetzt. Der Vorteil des Angeklagten ist nach alledem die Kehrseite des Schadens des Gläubigers.

37

b. Betrug zum Nachteil der im Versteigerungstermin unterlegenen Mitbieter

38

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat auch insoweit Erfolg, als die neu zur Entscheidung berufene Kammer angesichts des Gebots, den Anklagegegenstand - unabhängig davon, ob dieser auch insoweit von der Anklage ins Auge gefasst worden ist - im Rahmen ihrer umfassenden Kognitionspflicht in rechtlicher Hinsicht einer erschöpfenden Beurteilung zu unterziehen (§§ 261, 264 Abs. 2 StPO), den festgestellten Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt wird prüfen müssen, ob der Angeklagte in den betreffenden Fällen tateinheitlich einen (versuchten) Betrug zum Nachteil von Mitbietern begangen hat, die bei der Zwangsversteigerung sonst mit ihrem Höchstgebot zum Zuge gekommen wären (zum Umfang der Kognitionspflicht für den insoweit vergleichbaren Fall der Unterbietung im Vergabeverfahren vgl. BGH, Urt. v. 29.01.1997 - 2 StR 633/96, NStZ 1997, 542; zur Kognitionspflicht bei Betrugshandlungen im Hinblick auf die prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO allgemein vgl. auch BGH, Beschl. v. 06.02.2013 - 1 StR 263/12, StraFO 2013, 299). Diese Prüfung hat das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe nicht vorgenommen. Im Unterschied zu den Fällen 3 und 5 der Gründe des angefochtenen Urteils steht dem nicht etwa eine fehlende Anklageerhebung im Sinne des § 200, § 264 StPO entgegen. Denn während dort das vom Landgericht abgeurteilte Verhalten des Angeklagten in zeitlicher und räumlicher Hinsicht, insb. aber im Hinblick auf seine Stoßrichtung einen anderen Lebenssachverhalt im Sinne des § 264 StPO betrifft (Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses) als den in der Anklage beschriebenen (Geschehen im Rahmen des Versteigerungstermins), stellt sich eine gegenüber den nicht zum Zuge gekommenen Mitbietern begangene Betrugstat nur als rechtliche Facette ein- und desselben Lebenssachverhaltes "Versteigerungstermin" dar. Die Voraussetzungen des § 263 Abs.1 StGB wären in diesen Fällen gegeben, denn der Angeklagte hat mit seiner durch die Treuhänder vermittelten Irrtumserregung dafür Sorge getragen, dass der jeweils Nächstbietende nicht in den Genuss des eigentlich ihm zustehenden Zuschlags kam. Das gilt sowohl für die Fälle des erfolgten Zuschlags als auch für die Fälle, in denen das Zwangsversteigerungsverfahren nach Nichterteilung des Zuschlags abgebrochen wurde. Diese Mitbieter haben dadurch auch einen Schaden in der Höhe der Differenz zwischen dem festgesetzten Verkehrswert und ihrem Gebot erlitten. Hinsichtlich des erstrebten stoffgleichen Vermögensvorteils wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

c.

39

Die Teilaufhebung im Schuldspruch in den Fällen 3 und 5 der Gründe der angefochtenen Entscheidung und die damit einhergehende Aufhebung der ausgeurteilten Einzelstrafen und die zu gegenwärtige Erweiterung des Schuldspruchs ziehen die Aufhebung des Ausspruchs über die Bildung der Gesamtstrafe nach sich.

40

Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es außer in den Fällen 3 und 5, soweit es um die Betrugstaten zum Nachteil des Zeugen D. geht, nicht, da es sich insoweit nur um Wertungsfehler handelt. Ergänzende Feststellungen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen, sind möglich (vgl. BGH, Beschl. v. 05.06.2013 - 4 StR 169/13, juris). Die im bisherigen Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils sind nicht zu beanstanden. Das zur erneuten Entscheidung berufene Landgericht wird jedoch erforderliche weitere mögliche Feststellungen dahingehend zu treffen haben, in welchem Umfang in den Fällen 4, 5 und 6 gesicherte Grundpfandrechte bestanden, die durch die Zwangsversteigerungsverfahren einen Wertverlust erlitten haben. Darüber hinaus wird festzustellen sein, ob und inwieweit den Zwangsvollstreckungsgläubigern durch die Nichterteilung eines Zuschlags an einen seriösen Mitbieter diesem ein Vermögensschaden entstanden ist. In allen Fällen wird die jeweilige Höhe des Vermögensschadens zu ermitteln und festzustellen sein. Die Kammer wird im Hinblick auf einen Betrug zu Lasten der unterlegenen Mitbieter nach Erteilung eines entsprechenden rechtlichen Hinweises gemäß § 265 StPO auch ergänzende Feststellungen dazu zu treffen haben, ob und inwieweit weitere (unterlegene Bieter) an den jeweiligen Versteigerungsterminen beteiligt waren und in welcher Höhe unter Zugrundelegung obiger Maßstäbe bei diesen ein Vermögensschaden eingetreten ist. Eine evtl. daraus folgende Änderung - Erweiterung - des Schuldspruchs und des Rechtsfolgenausspruchs zulasten des Angeklagten sind wegen der umfassenden Revision der Staatsanwaltschaft zulässig.

d.

41

Der Revision der Staatsanwaltschaft ist allerdings insoweit der Erfolg zu versagen, als sie sich dagegen wendet, dass die Kammer in den Fällen 1, 2 und 4 der Gründe den Angeklagten nicht wegen (versuchten) Betruges zu Lasten der von ihm in den Versteigerungsterminen vorgeschobenen Treuhänder verurteilt hat.

aa.

42

Im Fall 2 scheitert dies schon daran, dass ein möglicher Betrug (-sversuch) zu Lasten der Zeugin K. nicht von der Anklage im Sinne des § 200 StPO umfasst ist und damit auch nicht Gegenstand der landgerichtlichen Entscheidung sein konnte (vgl. zum Verfahrensgegen-stand der Anklage insoweit die Ausführungen oben zu Ziff.1 mit dem Unterschied, dass es dort im Hinblick auf die nicht durch eine Anklage veranlasste Verurteilung einer Verfahrenseinstellung bedurfte). Dass das Verhalten des Angeklagten in diesem Punkt nicht von der Anklage umfasst ist, ergibt sich schon daraus, dass im Gegensatz zu den Fällen 1 und 4 der Anklage die Zeugin nicht als Geschädigte benannt worden ist (vgl. zur Notwendigkeit, die einzelnen Geschädigten zur Tatkonkretisierung zu benennen Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. 2013, § 200 Rdn. 9) und sich zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des Betrugs im Hinblick auf die Zeugin keine Ausführungen finden.

bb.

43

Demgegenüber ist im Falle 1 der Gründe ein gegenüber der Zeugin Z. begangener Betrug zwar von der Anklage umfasst, das Landgericht hat den Angeklagten aber mit zutreffenden Erwägungen zu einem insoweit fehlenden Vermögensschaden der Zeugin, die sich der Senat zu Eigen macht, von diesem Vorwurf freigesprochen.

44

Lediglich ergänzend bemerkt der Senat: Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn die Verfügung nicht zu einer durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwertes führt (Gesamtsaldierung). Entscheidend ist also die Minderung des Gesamtvermögenswertes zum Zeitpunkt der Verfügung. Grundsätzlich nicht ausreichend ist die durch die Verfügung bewirkte Einschränkung wirtschaftlicher Freiheit, da § 263 nicht die Dispositionsfreiheit, sondern allein das Vermögen sichert. Ein Vermögensschaden liegt deshalb z.B. nicht schon dann vor, wenn der Getäuschte durch Abschluss eines Austauschvertrages eine Vermögensverfügung trifft, die er ohne die Täuschung nicht getroffen hätte (BGHSt 51, 10). Gemessen an diesen Voraussetzungen liegt bei der Zeugin Z. kein Vermögensschaden vor, da den eingegangen Verpflichtungen als positiver Vermögenswert der Wert des durch den Zuschlag erworbenen Eigentums am Grundstück gegenübersteht (der - gemessen am Verkehrswert - die Summe der eingegangen Verpflichtungen sogar übersteigt). Der Grundsatz der rein wirtschaftlichen Gesamtsaldierung wird zwar dann im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung um die Betrachtung des für den Geschädigten bestehenden subjektiven Wertes unter Beachtung seiner persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse (persönlicher Schadenseinschlag) eingeschränkt, wenn diesem Mittel entzogen werden, die für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner sonstigen Verbindlichkeiten sowie für eine angemessene Wirtschafts- und Lebensführung unerlässlich sind (a), der Geschädigte zu weiteren vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird (b) oder der Geschädigte die (wirtschaftlich gleichwertige) Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfang im vertraglichen vereinbarten Umfang oder sonst wie nutzen kann (c), (vgl. Fischer, StGB 60. Aufl. 2013, § 263 Rdn. 146 ff.). Aber auch dies ist nicht ersichtlich. Es ist nicht Aufgabe des Strafrechts durch die Aufweichung des Prinzips der Gesamtsaldierung durch Hinzufügung von Aspekten des persönlichen Schadenseinschlags Menschen von den Folgen ihrer Entscheidung freizustellen (BGHSt 3, 103). Vielmehr wird dies nur dann der Fall sein, wenn sich das auf Täuschung beruhende Missverhältnis zwischen wirtschaftlicher Bewertung und subjektiver Beeinträchtigung als schlechthin unerträglich erweist (Fischer a.a.O. Rdn. 150). Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr muss einem erwachsenen Menschen wie der Zeugin Z. beim Abschluss eines solch umfassenden Rechtsgeschäfts wie dem der Ersteigerung eines Grundstücks, beim sie zudem noch amtsseitig auf bestehende Erfordernisse für Treuhandverhältnisse hingewiesen wird, mit Händen zu greifen deutlich werden, welche Rechte aber auch Verpflichtungen sich aus einem solchen Geschäft für sie selbst ergeben. Wer sich in einer solchen Situation trotz aufgeworfener Zweifel entschließt, (gegenüber dem Staat) Stillschweigen zu bewahren und lieber auf die Seriosität des Täters zu setzen, bedarf keines erhöhten Schutzes durch das Strafrecht. Auch ein Gefährdungsschaden liegt mit dem Landgericht nicht vor. Auch ein versuchter Betrug zu Lasten der Zeugin ist nicht anzunehmen, weil davon auszugehen ist, dass dem Angeklagten die rechtliche Situation bekannt war und deshalb ein Tatentschluss hinsichtlich eines Vermögensschadens der Zeugin zu verneinen ist.

cc.

45

Auch im Falle 4 der Gründe hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen einen Betrug zu Lasten des Zeugen K. verneint. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den mit Revisionsschrift der Staatsanwaltschaft (dort. S. 5 f. ) vorgebrachten Erwägungen, der Vermögensschaden des Zeugen K. gründe darin, dass dieser bei der absehbaren Wiederversteigerung des Grundstücks wegen ausbleibender Zahlung des Meistgebotes seine durch die Zuschlagserteilung entstandenen Schulden nicht werde kompensieren können. Diese von der Staatsanwaltschaft aufgeführten (möglichen) Schadensbeträge sind/wären keine unmittelbare Folge der irrtumsbedingten Vermögensverfügung, sondern es bedürfte weiterer wesentlicher Zwischenschritte zu ihrer Realisierung. Maßgeblich für den Schadensbegriff ist dagegen allein die Tatsache, dass der Zeuge K. Eigentümer eines Grundstücks geworden ist, dessen Verkehrswert über dem seines Meistgebotes lag. Die von der Staatsanwaltschaft angestellten Erwägungen betreffen allenfalls einen vom Betrugstatbestand gerade nicht geschützten Folgeschaden (vgl. zum Folgeschaden BGH, Beschl. v. 20.07.1988 - 2 StR 348/88, StV 1988, 529).

46

C. Zur Revision des Angeklagten

47

Die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten hat allein insoweit Erfolg, als seine Verurteilung in den Fällen 3 und 5 und die Gesamtstrafe aufzuheben war. Auf die Ausführungen unter Ziffer II. 2. wird Bezug genommen. Im Übrigen ist die Sachrüge unbegründet.

48

Soweit der Angeklagte mit seiner Verfahrensrüge die Verletzung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK (rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung) rügt, kommt es darauf nicht mehr an, weil schon die Sachrüge zur Aufhebung der vom Landgericht ausgeurteilten Gesamtstrafe geführt hat. Die zur erneuten Entscheidung berufene Kammer wird sich jedoch unter Zugrundelegung der insoweit zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 30. Januar 2013 damit auseinandersetzen müssen, inwieweit erhebliche, der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerungen im Rahmen der "Vollstreckungslösung" zu Gunsten des Angeklagten Berücksichtigung werden finden müssen.

III.

49

Der Senat weist abschließend darauf hin, dass die zur erneuten Entscheidung berufene Kammer auch förmlich über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Greifswald vom 20.9.2011 wird entscheiden müssen. Das Landgericht hat dieses Rechtsmittel zwar ausweislich der Gründe seiner Entscheidung (vgl. UA Bl. 3 oben) als im Ergebnis erfolglos angesehen, dies aber nicht tenoriert, was erforderlich ist.

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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

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(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

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(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

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Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafprozeßordnung - StPO | § 260 Urteil


(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils. (2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, gena

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Strafprozeßordnung - StPO | § 151 Anklagegrundsatz


Die Eröffnung einer gerichtlichen Untersuchung ist durch die Erhebung einer Klage bedingt.

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(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 438/05
vom
25. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Januar 2006 gemäß
§§ 154 Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts wird das Verfahren hinsichtlich der Fälle II. 2 Nr. 1 bis 10 der Urteilsgründe (Vereitelung der Zwangsvollstreckung im Zeitraum 12. November 1999 bis 10. Oktober 2000) gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 13. Mai 2005 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Betruges sowie der Vereitelung der Zwangsvollstreckung in 19 Fällen schuldig ist. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht München I hat den Angeklagten wegen Betruges sowie Vereitelung der Zwangsvollstreckung in 29 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstra- fe von vier Jahren verurteilt. Der Gesamtfreiheitsstrafe lagen Einzelstrafen für den Betrug von drei Jahren und zehn Monaten und für jeden Fall der Vereitelung der Zwangsvollstreckung von 50 Tagessätzen zu je 20 Euro zugrunde.

I.

2
Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen II. 2 Nr. 1 bis 10 der Urteilsgründe - Verurteilungen zu jeweils 50 Tagessätzen zu je 20 Euro wegen Vereitelung der Zwangsvollstreckung in zehn Fällen - hat keinen Einfluss auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Angesichts der Einsatzstrafe von drei Jahren zehn Monaten wegen Betruges kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, wenn es von dem nunmehr gegebenen Schuldumfang ausgegangen wäre (vgl. § 354 Abs. 1, 1a, 1b Satz 3 StPO; BGH NJW 2005, 912).

II.

3
In dem nach der Einstellung verbliebenen Umfang hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte initiierte zusammen mit den anderweitig verfolgten J. und G. das „I. -Anlagemodell“. Sie veranlassten die Gründung der Firma I. -Immobilienbeteiligungs GmbH (nachfolgend: Firma I. ), deren einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der bereits rechtskräftig verurteilte St. war. An dieser Firma für Immobilieninvestitionen sollten sich zum Zweck der Kapitalbeschaffung Anleger als stille Gesellschafter beteiligen. Dem Tatplan entsprechend wurden unter Verwendung eines Emissionsprospekts auf diese Weise bis zum 31. Dezember 2003 insgesamt 2.485 Personen als atypisch stille Gesellschafter geworben, von denen am 31. Dezember 2003 noch 1.399 Personen mit einer Gesamtzeichnungssumme von 35 Mio. € und einer erbrachten Gesamteinlagesumme von 5,8 Mio. € vorhanden waren. Das in dem Prospekt beworbene Konzept war, wie der Angeklagte wusste, wegen zu hoher Kosten in Zusammenhang mit dem Vertrieb nicht realisierbar. Im Übrigen wurden, wie von Anfang an beabsichtigt, auch keine Immobilieninvestitionen getätigt. Der Angeklagte und St. verwendeten vielmehr Gelder in einer Gesamthöhe von 2.080.518,30 € für sich, wobei an den Angeklagten allein 1.182.891 € flossen.
5
Außerdem vereinnahmte der Angeklagte in Absprache mit St. Honorare über insgesamt 396.520 DM nicht auf dem Firmenkonto der Firma F. GmbH, sondern auf dem Firmenkonto der ebenfalls von ihm geführten Firma Im. GmbH, um sie der drohenden Vollstreckung der Finanzbehörden zu entziehen.
6
Folgende Rügen des Angeklagten bedürfen - ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts sowie unter Berücksichtigung des weiteren Revisionsvorbringens - näherer Erörterung:
7
1. Das von der Revision geltend gemachte Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs infolge der ursprünglich von der Staatsanwaltschaft vorgenommenen Sachbehandlung nach §§ 154, 154a StPO ist nicht gegeben.
8
Die Verfolgung der in zeitlichem Zusammenhang mit der Erhebung der ersten (später zurückgenommenen) Anklage mit Verfügung vom 28. Juli 2004 nach §§ 154, 154a StPO vorläufig eingestellten Straftaten konnte wieder aufgenommen werden.
9
Die staatsanwaltliche Verfügung ist als vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 StPO, nicht als Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 1 StPO zu qualifizieren. Verwertungs- und Sicherungshandlungen bleiben regelmäßig auch dann selbständige prozessuale Taten, wenn sie materiellrechtlich als mitbestrafte Nachtaten für eine selbständige Bestrafung ausscheiden (vgl. KK-Engelhardt, StPO 5. Aufl. § 264 Rdn. 4). Die die Möglichkeit der Wiederaufnahme einschränkenden Absätze 3 und 4 des § 154 StPO gelten nur im Fall einer gerichtlichen Einstellung. Die Staatsanwaltschaft kann hingegen das Verfahren jederzeit wieder aufnehmen (vgl. BGHSt 30, 165; 37, 10, 13).
10
Vorliegend hat die Staatsanwaltschaft München I das Verfahren mit der insgesamt dritten Anklageerhebung konkludent wieder aufgenommen. Dies ergibt sich eindeutig aus der Anklageschrift vom 29. Oktober 2004 selbst. Auch aus der Verfügung vom 28. Juli 2004 sowie der neuerlichen Einstellungsverfügung (im Zusammenhang mit der dritten Anklageerhebung) vom 29. Oktober 2004, die keine vorläufige Einstellung hinsichtlich des Betrugsvorwurfs mehr enthält, folgt nichts anderes. Denn im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung war es angezeigt, bei dem bereits mit der Sache befassten Gericht die Sache erneut und in dem Umfang anzuklagen, soweit ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von § 203 StPO gegeben ist. Dies war vorliegend zweifelsfrei der Fall, wie sich aus der nach der Einstellung verbleibenden rechtsfehlerfreien Verurteilung ergibt.
11
Die fehlende Anhörung des Angeklagten vor Wiederaufnahme des Verfahrens seitens der Staatsanwaltschaft kann nicht zu einem Verfahrenshindernis führen. Allenfalls ein Verfahrensfehler vor Eröffnung des Hauptverfahrens wäre vorstellbar. Dabei kann jedoch vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Staatsanwaltschaft in diesem Fall überhaupt zur Anhörung verpflichtet ist oder - mangels Vertrauenstatbestand - eine Anhörung wie bei Einleitung der Ermittlungen oder Wiederaufnahme des Verfahrens nach Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO unterbleiben kann. Jedenfalls kann hier ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf der Versagung rechtlichen Gehörs zur Wiederaufnahme des Verfahrens seitens der Staatsanwaltschaft beruht (§ 337 Abs. 1 StGB), zumal der Angeklagte im Zwischenverfahren umfangreich Stellung genommen hat.
12
2. Die Verfahrensrüge, das Geständnis des Verurteilten St. , das dieser nach Abtrennung des Verfahrens gegen ihn abgelegt habe, sei nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden, ist jedenfalls unbegründet.
13
Der Angeklagte macht mit der Rüge geltend, dass sich das Urteil auf Erkenntnisse außerhalb der Hauptverhandlung stütze, und trägt vor, das Geständnis des Verurteilten St. sei nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Das Protokoll ergebe, dass weder das Urteil verlesen noch ein Zeuge zu dem Geständnis gehört worden sei.
14
Die Rüge, es seien Erkenntnisse verwertet worden, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen seien, kann allenfalls dann Erfolg haben, wenn ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung der Nachweis geführt werden kann, dass die im Urteil getroffenen Feststellungen nicht durch die in der Hauptverhandlung benutzten Beweismittel und auch sonst nicht aus dem zum Inbegriff der Handlung gehörenden Vorgängen gewonnen wo rden sind (vgl. KK-Schoreit, StPO 5. Aufl. § 261 Rdn. 52). Vorliegend ergibt sich, dass das Geständnis durch Vorhalt in die Verhandlung eingeführt worden ist. Das Hauptverhandlungsprotokoll enthält hierzu folgende Feststellungen:
15
"Die Verhandlung wurde um 10.15 Uhr unterbrochen und um 11.25 Uhr fortgesetzt.
16
Dem Angeklagten H. wurden die Anklagevorwürfe und Überlegungen dazu sowie die Überlegungen zur rechtlichen Würdigung in Anlehnung an die Ausführungen im Eröffnungsbeschluss und an das gegen den ehemaligen Mitangeklagten St. ergangene Urteil, die einer einvernehmlichen Regelung zugrundezulegen wären, nochmals vom Vorsitzenden ausdrücklich erläutert.
17
Die Verhandlung wurde um 11.45 Uhr unterbrochen und um 11.48 Uhr fortgesetzt."
18
Dem Protokoll zufolge ist das Urteil damit zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemacht worden. Die Verfahrensrüge ist daher jedenfalls unbegründet. Ob die Rüge, wie der Generalbundesanwalt meint, darüber hinaus bereits unzulässig ist, da die Revisionsbegründungsschrift den oben zitierten Protokollausschnitt nicht im Rahmen dieser Rüge wiedergibt, kommt es daher nicht an.
19
3. Die mit „unzulässige Urteilsabsprache“ bezeichnete Rüge dringt ebenfalls nicht durch. Im Kern zielt sie darauf, die Verurteilung des Angeklagten sei ohne jegliche Überprüfung der Glaubhaftigkeit seines Geständnisses erfolgt. Sie greift damit die richterliche Beweiswürdigung an und ist als Sachrüge zu beurteilen.
20
Auch für die Bewertung eines Geständnisses gilt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss allerdings, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Rich- tigkeit überzeugt sein; dies war hier der Fall. Wann und unter welchen Umständen es diese Überzeugung gewinnen darf oder nicht, kann ihm jedoch grundsätzlich nicht vorgeschrieben werden (vgl. BGH NStZ 1999, 92,93). Erforderlich ist allerdings, dass die Einlassung über ein inhaltsleeres Formalgeständnis hinausgeht (vgl. BGH - Großer Senat für Strafsachen - NJW 2005, 1440, 1442; BGHR § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO, Rechtsmittelverzicht 25).
21
Vorliegend hat die Strafkammer die Beurteilung des Geständnisses als glaubhaft zum einen darauf gestützt, dass der Angeklagte die Taten nach einem Gespräch über die in der Anklageschrift erhobenen Vorwürfe in der Hauptverhandlung eingeräumt hat, wobei die Erläuterung der Vorwürfe unter Berücksichtigung der Aktenlage der Besorgnis entgegensteht, bei dem Geständnis des Angeklagten habe es sich nur um ein inhaltsleeres Formalgeständnis gehandelt. Zum anderen hat das Tatgericht die Übereinstimmung mit dem Geständnis des Verurteilten St. ebenso gewürdigt wie auch die Aussagen der beiden Mitangeklagten, wobei diese allerdings nicht den Kernbereich der Tatvorwürfe gegen den Angeklagten betroffen haben.
22
Dass das Gericht unter diesen Umständen die Überzeugung von der Richtigkeit des Geständnisses gewonnen hat, ist nicht zu beanstanden. Dass der Angeklagte bei seiner Einlassung keine detaillierte Angaben mehr zum Anklagevorwurf gemacht und das Geständnis im Hinblick auf die Inaussichtstellung einer Strafobergrenze erfolgt ist, stehen seiner Glaubhaftigkeit nicht entgegen (vgl. BGH NStZ 1999, 92).
23
4. Auch die Sachrüge, das Urteil enthalte keine ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen zur Betrugstat, greift nicht durch. Die Darstellung der Tat lässt die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands erkennen und bezeichnet die Tat so konkret, dass sie von anderen Taten unterscheidbar ist (vgl. KK- Engelhardt, StPO 5. Aufl. § 267 Rdn. 9). Damit ist die Rechtskraftwirkung des Urteils klar umrissen. Dass die geschädigten stillen Gesellschafter der Firma I. nicht einzeln in der angefochtenen Entscheidung genannt werden, ist unschädlich. Da die Kammer den Angeklagten nur wegen einer Betrugstat zum Nachteil aller geschädigten Anleger verurteilt hat, können Probleme im Zusammenhang mit der Rechtskrafterstreckung nicht entstehen.
24
Dass das Urteil im Übrigen den festgestellten Betrugsschaden auf die Beträge beschränkt, welche der Angeklagte und der Verurteilte St. für sich verwendeten, beschwert den Angeklagten nicht. Nack Wahl Kolz Elf Graf

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen.

(2) Innerhalb dieser Grenzen sind die Gerichte zu einer selbständigen Tätigkeit berechtigt und verpflichtet; insbesondere sind sie bei Anwendung des Strafgesetzes an die gestellten Anträge nicht gebunden.

Die Eröffnung einer gerichtlichen Untersuchung ist durch die Erhebung einer Klage bedingt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 161/00
vom
6. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juni 2000 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 28. Oktober 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs unter Einbeziehung früher verhängter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung dieser Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betrugs hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand; die erhobenen Verfahrensrügen bedürfen keiner Erörterung.
1. Das Landgericht hat festgestellt: Zur Finanzierung des Restkaufpreises für ein Grundstück in Höhe von 700.000 DM und der Nebenkosten gewährte die C. bank dem Angeklagten einen Kredit über 747.000 DM. Um diesen Kredit zu erlangen, spiegelte der Angeklagte der Bank wahrheitswidrig vor, er erziele neben seinem laufenden Einkommen Mieteinnahmen in beträchtlicher Höhe und sei deshalb zur Bedienung des Kredits in der Lage. Als Sicherung des Kredits bestellte der Angeklagte eine Buchgrundschuld in Höhe von 747.000 DM. Der Verkehrswert des Grundstücks betrug nach einem Gutachten des Sachverständigen E. 828.000 DM. Nach den Feststellungen zahlte die C. bank den Kredit erst aus, nachdem der Angeklagte "vereinbarungsgemäß" dieses Wertgutachten vorgelegt hatte. Als der Angeklagte seinen monatlichen Verpflichtungen nicht nachkam, wurde der Kredit gekündigt. Im Versteigerungsverfahren wurde der Wert des Grundstücks mit 360.000 DM festgesetzt. Mehrere Zwangsversteigerungstermine blieben erfolglos. 2. Das Landgericht sieht die zur Vermögensverfügung führende Täuschung in den falschen Angaben des Angeklagten über seine weiteren Einnahmen. Zum Vermögensschaden führt das Landgericht aus, der Rückzahlungsanspruch der Bank sei wertlos gewesen und die Sicherheit habe nicht zur Deckung des Kreditrisikos ausgereicht. Zugunsten des Angeklagten sei zwar davon auszugehen, daß die Bewertung des Grundstücks durch den Sachverständigen zutreffend war. Da aber bei einer Verwertung eines Grundstücks "erfahrungsgemäß" nicht der volle Verkehrswert erzielt werde, sei unter Berücksichtigung wertbildender Faktoren wie Lage und Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks ein Abschlag von 30 % auf den Verkehrswert vorzunehmen. Somit sei der Kredit lediglich in Höhe von 579.600 DM gesichert gewesen. Der Ver-
mögensschaden in Gestalt der schadensgleichen Gefährdung belaufe sich mithin auf wenigstens 120.400 DM (700.000 DM ./. 579.600 DM). Dies begegnet durchgreifenden Bedenken.

II.

Nach den Urteilsgründen sind der Vermögensschaden und der Betrugsvorsatz nicht ausreichend dargetan. 1. Betrug ist eine Vermögensstraftat. Nicht die Täuschung an und für sich, sondern die vermögensschädigende Täuschung ist strafbar (BGHSt 16, 220, 221, st. Rspr.). Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob die C. bank zum Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens einen Vermögensschaden erlitten hat. An einem Vermögensschaden fehlt es, wenn die Gläubigerin mit der Buchgrundschuld über eine Sicherheit verfügt, die den Kreditbetrag einschließlich geschuldeter Zinsen voll abdeckt und die sie ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand, namentlich ohne Mitwirkung des Angeklagten als Schuldner , sofort nach Fälligkeit realisieren kann (BGH wistra 1993, 265; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 43). Hinsichtlich der Werthaltigkeit der Sicherheit ist auf den Zeitpunkt der Vermögensverfügung abzustellen (Lackner in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 216 m.w.Nachw.). Daß eine ausreichende Sicherheit vorlag, ist nach den Urteilsgründen möglich. Hier wurde der Wert des Grundstücks durch ein Gutachten des Architekten und vereidigten Sachverständigen E. auf 828.000 DM geschätzt. Der vom Landgericht angenommene Vermögensschaden in Form der Vermögensgefährdung zum Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens kann nicht damit begründet werden, das Grundstück sei in Wahrheit nur 579.000 DM wert gewesen. Der von der Strafkammer vorgenommene Abschlag auf 70 % wegen
der großen Wohnfläche, der Lage des Grundstücks in einer Kleinstadt, der Lärmbeeinträchtigung durch die Bahnlinie und der Tatsache, daß das Haus eine frühere Flüchtlingsbaracke aus der Nachkriegszeit war, ist nicht näher begründet. Es bleibt offen, ob der Abschlag auf den Zeitpunkt der Auszahlung vorgenommen wurde oder eine nachträgliche Bewertung darstellt. Auch ist offen , ob das Gutachten des Sachverständigen E. diese wertbildenden Umstände nicht bereits berücksichtigt hat. 2. Die Urteilsgründe tragen auch die Annahme des bedingten Schädigungsvorsatzes nicht. Es bleibt offen, weshalb der Angeklagte zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung davon ausging, das Darlehen sei in Wahrheit nur in Höhe von 579.000 DM gesichert, obwohl der Sachverständige den Verkehrswert auf 828.000 DM festgesetzt hatte und die C. bank vom Angeklagten
eine Buchgrundschuld über 747.000 DM erhalten hatte. Der Umstand, daß der Verkehrswert für das zwei Jahre später stattfindende Zwangsversteigerungsverfahren auf 360.000 DM festgesetzt wurde, läßt einen Rückschluß auf den Vorsatz des Angeklagten zur Zeit der Vermögensverfügung der C. bank nicht zu. Schäfer Granderath Nack Wahl Boetticher

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Durch den Zuschlag erlöschen unter der im § 90 Abs. 1 bestimmten Voraussetzung die Rechte, welche nicht nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleiben sollen.

(2) Ein Recht an dem Grundstück bleibt jedoch bestehen, wenn dies zwischen dem Berechtigten und dem Ersteher vereinbart ist und die Erklärungen entweder im Verteilungstermin abgegeben oder, bevor das Grundbuchamt um Berichtigung des Grundbuchs ersucht ist, durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden.

(3) Im Falle des Absatzes 2 vermindert sich der durch Zahlung zu berichtigende Teil des Meistgebots um den Betrag, welcher sonst dem Berechtigten gebühren würde. Im übrigen wirkt die Vereinbarung wie die Befriedigung des Berechtigten aus dem Grundstück.

(4) Das Erlöschen eines Rechts, dessen Inhaber zur Zeit des Erlöschens nach § 1179a des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Löschung einer bestehenbleibenden Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld verlangen kann, hat nicht das Erlöschen dieses Anspruchs zur Folge. Der Anspruch erlischt, wenn der Berechtigte aus dem Grundstück befriedigt wird.

(1) Soweit das Bargebot nicht berichtigt wird, ist der Teilungsplan dadurch auszuführen, daß die Forderung gegen den Ersteher auf die Berechtigten übertragen und im Falle des § 69 Abs. 3 gegen den für mithaftend erklärten Bürgen auf die Berechtigten mitübertragen wird; Übertragung und Mitübertragung erfolgen durch Anordnung des Gerichts.

(2) Die Übertragung wirkt wie die Befriedigung aus dem Grundstück. Diese Wirkung tritt jedoch im Falle des Absatzes 1 nicht ein, wenn vor dem Ablauf von drei Monaten der Berechtigte dem Gericht gegenüber den Verzicht auf die Rechte aus der Übertragung erklärt oder die Zwangsversteigerung beantragt. Wird der Antrag auf Zwangsversteigerung zurückgenommen oder das Verfahren nach § 31 Abs. 2 aufgehoben, so gilt er als nicht gestellt. Im Falle des Verzichts soll das Gericht die Erklärung dem Ersteher sowie demjenigen mitteilen, auf welchen die Forderung infolge des Verzichts übergeht.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 263/12
vom
6. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2013 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 21. Februar 2012 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines Betruges in jeweils tateinheitlich begangenen fünfzehn vollendeten und 53.479 versuchten Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
3
1. Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer und „spiritus rector“ mit zwei weiteren nicht revidierenden Mit- angeklagten von Januar 2006 bis Ende des Jahres 2009 die Kreditvermittlungsgesellschaft D. GmbH. Das Geschäftsmodell zielte darauf ab, unter dem Deckmantel einer seriösen Kreditvermittlung von den sich regelmäßig in einer finanziellen Notlage befindenden Kunden einen Auslagenersatzbetrag für Porto-, Telefon- und Auskunftskosten in Höhe von je 47,80 Euro (bzw. vor September 2006 bis 48 Euro) einzutreiben, indem den Kunden wahrheitswidrig vorgespiegelt wurde, dass der Gesellschaft bei der Kreditvermittlung er- forderliche Auslagen i.S.d. § 655d Satz 2 BGB in der geltend gemachten Höhe tatsächlich entstanden seien.
4
Die Kunden wurden mit dem Versprechen geworben, ihnen könnten auf- grund eines „Sofortkredit-Vermittlungsvertrages“ Kredite vermittelt werden, oh- ne dass durch die Kreditanfrage Kosten entstünden. Tatsächlich wollten die Angeklagten allen Kunden, die den „Sofortkredit-Vermittlungsvertrag“ unterschrieben , einen bestimmten Betrag unter 48 Euro - ggf. zuzüglich Mahn- und Inkassokosten - für angeblich "erforderliche Auslagen" in Rechnung stellen (UA S. 13), obwohl bei der Kreditvermittlung Auslagen nur zu einem Bruchteil dieses Betrages entstanden, die letztlich pro Kunde 3,20 Euro nicht überschritten (UA S. 20). Obwohl dem Angeklagten und der Mitangeklagten T. bekannt war, dass sie gesetzlich lediglich berechtigt waren, tatsächlich im Einzelfall entstandene erforderliche Auslagen, nicht jedoch die allgemeinen Geschäftsunkosten auf die Kunden umzulegen, wollten sie durch die Gestaltung des Rechnungstextes bei den Kunden die Fehlvorstellung hervorrufen, die Auslagen seien in der geltend gemachten Höhe entstanden und die Kunden seien auch zur Bezahlung des Rechnungsbetrages verpflichtet (UA S. 19 f).
5
Dem Angeklagten und der Mitangeklagten T. war aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen im Kreditvermittlungsgeschäft bekannt, dass wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage der angesprochenen Klientel nur in den wenigsten Fällen eine erfolgreiche Kreditvermittlung in Betracht kam. Ihnen ging es jedoch nicht darum, Kredite zu vermitteln. Vielmehr war das System von Anfang an darauf angelegt, unter dem Anschein einer seriösen Kreditvermittlung sich gezielt an den in der Regel nahezu mittellosen Kunden zu bereichern und diese dadurch zu schädigen. Dabei rechneten die Angeklagten damit, dass sich die wenigsten Kunden gegen den vergleichsweise geringen Rechnungsbetrag wehren würden. Allerdings gingen sie aufgrund ihrer Erfahrungen davon aus, dass nur etwa 40 Prozent den Rechnungsbetrag begleichen würden (UA S. 14).
6
Zwischen Januar 2006 und Dezember 2009 wurden auf die dargestellte Weise 140.000 Kunden falsche Rechnungen über Auslagenersatz gestellt, auf die - womit die Angeklagten rechneten - nur etwa 40 Prozent der Kunden bezahlten.
7
Aufgrund einer auf die Einvernahme von fünfzehn Kunden beschränkten Beweisaufnahme hat das Landgericht festgestellt, dass lediglich diese Kunden in der irrigen Annahme, der D. GmbH seien tatsächlich Kosten in der geltend gemachten Höhe entstanden, gezahlt hatten (UA S. 902). In den übrigen 53.479 Fällen über Rechnungsbeträge von insgesamt mehr als 2,8 Mio. Euro ging das Landgericht mangels festgestellter Irrtumserregung lediglich von versuchter Täuschung der Kunden aus. Unter Abzug von zehn Prozent höchstens tatsächlich erforderlicher Auslagen nahm es dabei eine erstrebte Bereicherung von etwa 2,5 Mio. Euro an (UA S. 903).
8
2. Das Landgericht ist wegen Vorliegens eines sog. uneigentlichen Organisationsdelikts von Tateinheit (§ 52 StGB) zwischen allen Betrugstaten (§ 263 StGB) ausgegangen (UA S. 915). Hierbei hat es nur in 15 Fällen Vollendung und im Übrigen - entsprechend einem rechtlichen Hinweis in der Hauptverhandlung - lediglich versuchten Betrug angenommen. In den weiteren 53.479 Fällen habe es „nicht vollkommen ausschließen“ können, „dass Rech- nungsempfänger die Unrichtigkeit der Rechnungsstellung erkannten und aus- schließlich leisteten, um ihre Ruhe zu haben“. Nach Auffassung des Landge- richts hätte eine umfassende Aufklärung die Vernehmung sämtlicher Kunden erfordert, um die Motivation bei der Überweisung des Rechnungsbetrages zu ergründen. Dies sei bei über 50.000 Kunden „aus prozessökonomischen Grün- den“ nicht möglich gewesen (UA S. 914).
9
3. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; die von der Revision des Angeklagten erhobenen formellen und materiellen Beanstandungen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
10
Näherer Erörterung bedarf lediglich die Vorgehensweise des Landgerichts , nur fünfzehn Geschädigte zu vernehmen und im Übrigen hinsichtlich der weit überwiegenden Zahl der tateinheitlich begangenen Taten „aus verfahrensökonomischen Gründen“ lediglich Tatversuch anzunehmen (UA S. 914, 917). Das Landgericht sah sich ersichtlich nur auf diesem Wege in der Lage, die Hauptverhandlung, die bereits nahezu fünf Monate gedauert hatte, in angemessener Zeit zu beenden.
11
a) Die vom Landgericht mit dem Begriff der „Prozessökonomie“ be- schriebene Notwendigkeit, die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege zu erhalten (vgl. dazu auch Landau, Die Pflicht des Staates zum Erhalt einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, NStZ 2007, 121), besteht. Jedoch muss ein Tatgericht im Rahmen der Beweisaufnahme die in der Strafprozessordnung dafür bereit gehaltenen Wege beschreiten. Ein solcher Weg ist etwa die Beschränkung des Verfahrensstoffes gemäß den §§ 154, 154a StPO, die allerdings die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft voraussetzen. Eine einseitige Beschränkung der Strafverfolgung auf bloßen Tatversuch ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft, wie sie das Landgericht hier - freilich im Rahmen gleichartiger Tateinheit mit vollendeten Delikten - vorgenommen hat, sieht die Strafprozessordnung jedoch nicht vor.
12
b) Es trifft allerdings zu, dass in Fällen eines hohen Gesamtschadens, der sich aus einer sehr großen Anzahl von Kleinschäden zusammensetzt, die Möglichkeiten einer sinnvollen Verfahrensbeschränkung eingeschränkt sind. Denn dann sind keine Taten mit höheren Einzelschäden vorhanden, auf die das Verfahren sinnvoll beschränkt werden könnte.
13
Dies bedeutet aber nicht, dass es einem Gericht deshalb - um überhaupt in angemessener Zeit zu einem Verfahrensabschluss gelangen zu können - ohne weiteres erlaubt wäre, die Beweiserhebung über den Taterfolg zu unterlassen und lediglich wegen Versuches zu verurteilen. Vielmehr hat das Tatgericht die von der Anklage umfasste prozessuale Tat (§ 264 StPO) im Rahmen seiner gerichtlichen Kognitionspflicht nach den für die Beweisaufnahme geltenden Regeln der Strafprozessordnung (vgl. § 244 StPO) aufzuklären. Die richterliche Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gebietet dabei, zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
14
c) Für das Tatbestandsmerkmal des Irrtums bei Betrug (§ 263 StGB) bedeutet dies:
15
aa) Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, müssen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer die Verfügung getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte. Die Überzeugung des Gerichts, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist, wird dabei - von einfach gelagerten Fällen (z.B. bei standardisierten, auf massenhafte Erledigung ausgerichteten Abrechnungsverfahren ) abgesehen - in der Regel dessen Vernehmung erfordern (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313, 314).
16
bb) Allerdings stößt die praktische Feststellung des Irrtums im Strafverfahren als Tatfrage nicht selten auf Schwierigkeiten. Diese können jedoch in vielen Fällen dadurch überwunden werden, dass das Tatgericht seine Überzeugung auf Indizien (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1993 - 4 StR 347/93, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9) wie das wirtschaftliche oder sonstige Interesse des Opfers an der Vermeidung einer Schädigung seines eigenen Vermögens (vgl. Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 87) stützen kann. In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes kann es daher insgesamt ausreichen , nur einige Zeugen einzuvernehmen, wenn sich dabei das Ergebnis bestätigt findet. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof etwa die Vernehmung der 170.000 Empfänger einer falsch berechneten Straßenreinigungsgebührenrechnung für entbehrlich gehalten (BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434; vgl. dazu auch Hebenstreit in MüllerGugenberger /Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. 2011, § 47 Rn. 37).
17
cc) Ist die Beweisaufnahme auf eine Vielzahl Geschädigter zu erstrecken , besteht zudem die Möglichkeit, bereits im Ermittlungsverfahren durch Fragebögen zu ermitteln, aus welchen Gründen die Leistenden die ihr Vermögen schädigende Verfügung vorgenommen haben. Das Ergebnis dieser Erhebung kann dann - etwa nach Maßgabe des § 251 StPO - in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Hierauf kann dann auch die Überzeugung des Gerichts gestützt werden, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen die Leistenden eine Vermögensverfügung irrtumsbedingt vorgenommen haben.
18
Ob es in derartigen Fällen dann noch einer persönlichen Vernehmung von Geschädigten bedarf, entscheidet sich nach den Erfordernissen des Amtsaufklärungsgrundsatzes (§ 244 Abs. 2 StPO) und des Beweisantragsrechts (insb. § 244 Abs. 3 StPO). In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbil- des kommt dabei die Ablehnung des Antrags auf die Vernehmung einer größeren Zahl von Geschädigten als Zeugen in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434).
19
dd) Demgegenüber dürfte in Fällen mit individueller Motivation zur Leis- tung eines jeden Verfügenden die „Schätzung einer Irrtumsquote“ als Methode der Überzeugungsbildung nach § 261 StPO ausscheiden. Hat ein Tatgericht in solchen Fällen Zweifel, dass ein Verfügender, ohne sich über seine Zahlungspflicht geirrt zu haben, allein deshalb geleistet hat, „um seine Ruhe zu haben“, muss es nach dem Zweifelssatz („in dubio pro reo“) zu Gunsten des Täters ent- scheiden, sofern nicht aussagekräftige Indizien für das Vorliegen eines Irrtums vorliegen, die die Zweifel wieder zerstreuen.
20
d) Für die Strafzumessung hat die Frage, ob bei einzelnen Betrugstaten Vollendung gegeben oder nur Versuch eingetreten ist, in der Regel bestimmende Bedeutung.
21
Gleichwohl sind Fälle denkbar, in denen es für die Strafzumessung im Ergebnis nicht bestimmend ist, ob es bei (einzelnen) Betrugstaten zur Vollendung kam oder mangels Irrtums des Getäuschten oder wegen fehlender Kausalität zwischen Irrtum und Vermögensverfügung beim Versuch blieb. Solches kommt etwa in Betracht, wenn Taten eine derartige Nähe zur Tatvollendung aufwiesen, dass es - insbesondere aus Sicht des Täters - vom bloßen Zufall abhing, ob die Tatvollendung letztlich doch noch am fehlenden Irrtum des Tatopfers scheitern konnte. Denn dann kann das Tatgericht unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und der Tatumstände des konkreten Einzelfalls zum Ergebnis gelangen, dass jedenfalls die fakultative Strafmilderung gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu versagen ist (vgl.
BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 261/10, wistra 2011, 18 mwN). Eine solche Wertung hat das Tatgericht in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht ebenso nachprüfbar darzulegen wie die Würdigung, dass und aus welchen Gründen (etwa Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie) der Umstand, dass die getroffene Vermögensverfügung letztlich trotz eines entsprechenden Vorsatzes des Täters nicht auf einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung beruhte, auch für die konkrete Strafzumessung im Rahmen des eröffneten Strafrahmens nicht von Bedeutung war.
22
e) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob hier ein normativ geprägter Irrtum vorliegen könnte, mit der Folge, dass die Anwendung des Zweifelssatzes durch das Landgericht sachlich-rechtlich fehlerhaft gewesen sein könn- te. Denn jedenfalls ist der Angeklagte durch die vom Landgericht „aus prozessökonomischen Gründen“ gewählte Verfahrensweise nicht beschwert. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht eine niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn es hinsichtlich weiterer tateinheitlich begangener Taten statt von Versuch von Tatvollendung ausgegangen wäre.
Richter am BGH Dr. Wahl ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert.
Nack Nack Jäger Cirener Radtke

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 169/13
vom
5. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
hier: Revision des Angeklagten Z. J.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 5. Juni 2013 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten Z. J. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 30. November 2012 aufgehoben
a) – auch soweit es die Mitangeklagte L. J. betrifft – in den Aussprüchen über die im Fall II. 5 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe und die Gesamtstrafe , wobei die Feststellungen aufrechterhalten bleiben,
b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit es den Angeklagten Z. J. betrifft und eine Entscheidung zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten Z. J. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die nicht revidierende Mitangeklagte L. J. wurde wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge infünf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verhängt. Ferner hat das Gericht den gesamtschuldnerischen Verfall von Wertersatz in Höhe von 20.000 € angeordnet.
2
Die Revision des Angeklagten Z. J. erzielt mit der Sachrüge – gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich der ehemaligen Mitangeklagten L. J. – den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
3
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch und zu den Strafaussprüchen in den Fällen II. 1 bis II. 4 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
4
2. Dagegen hat der Einzelstrafausspruch im Fall II. 5 keinen Bestand; dies führt zur Aufhebung auch des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
5
a) Nach den zu Fall II. 5 getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte Z. J. am 16. Juli 2012 in V. (Niederlande) 300 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 98,1 % zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Nachdem er das Rauschgift in seinem Pkw versteckt hatte, trat er die Rückfahrt nach G. an. Da der Drogentransport durch die Polizei observiert und zugleich die Telekommunikation überwacht wurde, konnte der Angeklagte gegen 18.00 Uhr auf einem Rastplatz in B. festgenommen werden. Das gekaufte Kokain wurde vollständig sichergestellt. Der Angeklagte Z. J. handelte auf Grund eines gemeinsamen Tatplans mit der Mitangeklagten , die von G. aus die telefonische Verbindung aufrechterhielt und den geplanten Verkauf der Drogen vorbereitete.
6
Die Überwachung durch die Polizei und die Sicherstellung der Betäubungsmittel hat die Strafkammer weder bei der Prüfung eines minder schweren Falles noch bei der konkreten Strafzumessung angesprochen.
7
b) Dies ist rechtsfehlerhaft.
8
Zwar hat der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 StPO nur die bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte mitzuteilen. Mit der Überwachung des Drogentransports und der Telekommunikation durch die Polizei sowie der vollständigen Sicherstellung der Betäubungsmittel sind jedoch wesentliche Strafmilderungsgründe unerwähnt geblieben, deren Berücksichtigung sich aufdrängen musste (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2004 – 5 StR 173/04, NStZ 2004, 694; vom 9. Dezember 2008 – 5 StR 561/08; vom 28. Oktober 2009 – 5 StR 443/09, Rn. 16; vom 7. Februar 2012 – 4 StR 653/11, NStZ-RR 2012, 153; Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 965 ff. mwN). Dies führt zur Aufhebung der im Fall II. 5 gegen den Angeklagten Z. J. verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie der Gesamtstrafe, auch wenn die Einzelstrafe trotz einer erheblichen Kokainmenge mit einem sehr hohen Wirkstoffgehalt nur wenig über der Strafrahmenuntergrenze des § 30 Abs. 1 BtMG liegt. Denn das Landgericht hat im ebenfalls 300 Gramm Kokain betreffenden Fall II. 3 der Urteilsgründe, in dem weder eine Überwachung noch eine Sicherstellung erfolgt ist, auch eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt.
9
Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich insoweit nur um einen Wertungsfehler handelt. Ergänzende Feststellungen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen, sind möglich.
10
Die Aufhebung des Urteils war gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die Mitangeklagte L. J. zu erstrecken, da der Wertungsfehler des Landgerichts auch der Strafzumessung hinsichtlich der Nichtrevidentin zugrunde liegt und nicht nur in der Person des Beschwerdeführers vorliegt (MeyerGoßner , StPO, 55. Aufl., § 357 Rn. 15).
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3. Das Urteil kann ferner keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten Z. J. in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist.
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a) Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte während des Tatzeitraums in nicht unerheblichem Umfang Kokain. Er steigerte seinen Konsum seit dem Jahr 2010 und nahm kurz vor seiner Festnahme nahezu täglich bis zu einem Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von etwa 50 % zu sich. Die Kammer ist davon ausgegangen, dass bei den abgeurteilten monatlichen Einfuhrfahrten jeweils eine Menge von 15 Gramm nahezu reinen Kokains für den Eigenbedarf des Angeklagten bestimmt war. Zu Beginn der Untersuchungshaft litt er unter Entzugssymptomen (Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schweißausbrüche). Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ihm zugute gehalten, dass er „möglicherweise auch unter einem gewissen Suchtdruck gehandelt haben mag“ (UA S. 13).
13
b) Vor diesem Hintergrund hätte sich das Landgericht zu der Prüfung gedrängt sehen müssen, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB anzuordnen ist. Denn die getroffenen Feststellungen legen nahe, dass der Angeklagte einen Hang zum übermäßigen Betäubungsmittelkonsum hat, die abgeurteilten Taten jedenfalls auch auf seinen Hang zurückgehen und die Gefahr besteht, dass er infolge des Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begeht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2012 – 4 StR 173/12; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12; vom 12. September 2012 – 4 StR 294/12).
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Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 StPO) der erneuten Prüfung und Entscheidung. Dabei wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB zu beachten sein.
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c) Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 f.).
16
d) Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in den Fällen II. 1 bis II. 4 mildere Einzelstrafen verhängt hätte. Diese Strafaussprüche können deshalb bestehen bleiben.
17
4. Zu der Verfallsanordnung bemerkt der Senat ergänzend:
18
Da die Angeklagten eingeräumt haben, aus den verfahrensgegenständlichen Taten Mindesteinkünfte in Höhe von 20.000 € erzielt zu haben, begegnet die Anordnung des Verfalls von Wertersatz nach § 73a StGB keinen Bedenken. Der erweiterte Verfall nach § 73d StGB musste deshalb nicht in Betracht gezogen werden.
Mutzbauer Cierniak Franke
Quentin Reiter

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.