vorgehend
Landgericht Amberg, 41 HK O 689/14, 27.03.2015

Gericht

Oberlandesgericht Nürnberg

Tenor

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 27.03.2015 (Az. 41 HK O 689/14) aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens und über die durch die Nebenintervention im Berufungsverfahren verursachten Kosten, an das Landgericht Amberg zurückverwiesen.

II.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.353,40 € festgesetzt.

Gründe

A. Die Klägerin begehrt Schadensersatz aufgrund eines Transportschadens.

Die Klägerin macht als (behaupteter, erstinstanzlich bestrittener) führender Transportversicherer der Fa. T. aus (behauptetem, erstinstanzlich bestrittenem) abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche ihrer Versicherungsnehmerin wegen eines Transportschadens einer von dieser gekauften Förderbandanlage geltend.

Geschäftsgegenstand der Beklagten ist die Planung, Fertigung, Montage und Wartung von fördertechnischen Anlagen sowie die Konstruktion und Fertigung von individuellen, elektrischen und maschinellen Transport- und Entsorgungseinrichtungen.

Aufgrund einer in englischer Sprache abgefassten Purchase Order (Bestellung) vom 11.12.2012 (Anlage K1) erwarb die Fa. T. von der Beklagten einen Belt Conveyor (Förderband) zum Preis von netto 159.630,00 EUR. Die Vertragsurkunde enthielt u. a. folgende Regelungen [deutsche Übersetzung jeweils in Klammern]:

„FCA K. (according to Incoterms, Edition 2010)“ [FCA (frei Frachtführer) K. (gemäß Incoterms, Ausgabe 2010) ] (Ziffer 1.2, Seite 2)

„The price/s is/are based on above delivery term excluding value added tax, including the costs for non-returnable suitable packing” [Der/die Preis/e basiert/basieren auf der obenstehenden Lieferbedingung, exklusive Mehrwertsteuer, inclusive der Kosten für nicht umtauschbare angemessene Verpackung] (Ziffer 1.2, Seite 3)

„Delivery/readiness for shipment: After Successful transport the SUPPLIER will execute the following activities to reach the delivery/readiness for shipment: Packing for transport to the packing agent…“ [Lieferung/Versandbereitschaft: Nach der erfolgreichen Inspektion wird der LIEFERANT die folgenden Handlungen ausführen, um die Lieferung/Versandbereitschaft zu erreichen: Verpackung für den Transport zum Verpackungsbeauftragten…] (Ziffer 2, Seite 4)

„Further packing conditions: Packing is to be executed and lifting devices, if applicable, are to be provided acc. to ES 10 MS-ST-01 “Packing Instructions”.” [Weitere Verpackungsanweisungen: Das Verpacken ist durchzuführen und Hebevorrichtungen, falls zutreffend, sind zur Verfügung zu stellen gemäß ES 10 MS-ST-01 “Verpackungsanweisungen”.] (Ziffer 7, Seite 9)

„Delivery Status and Expediting Instructions: The SUPPLIER shall ensure adequate expediting as described in the „Additional Terms and Conditions of Purchase“ from receipt of the P.O. up until delivery…“ [Lieferstatus- und Terminüberwachungsanweisungen: Der LIEFERANT stellt eine adäquate Terminüberwachung wie in den “Zusätzlichen Einkaufsbedingungen” beschrieben sicher, vom Erhalt der P.O. bis zur Lieferung…] (Ziffer 9, Seite 11)

„Attachments: The following attachments form an integral part of this P.O: …#Additional Terms and Conditions of Purchase, Rev.01, dated 26.09.2012” [Anhänge: Die folgenden Anhänge bilden einen wesentlichen Bestandteil dieser P.O. … #Zusätzliche Einkaufsbedingungen, Revision 01, Datum: 26.09.2012] (Ziffer 13, Seite 15)

Die genannten Allgemeinen Einkaufsbedingungen der Fa. T. (Anlage K2) enthalten u. a. folgende Regelung:

„Der Auftragnehmer steht dafür ein, dass seine Lieferung/Leistung die vereinbarte Beschaffenheit hat und den vorgesehenen Einsatzzweck erfüllt. Entstehen dem Auftragnehmer infolge mangelhafter Lieferung/Leistung Kosten, wie z. B. Transport-, Wege-, Arbeits-, Materialkosten, Vertragsstrafen so hat der Auftragnehmer diese Kosten zu tragen.“ (Abschnitt X 1)

Das Förderband sollte zunächst vom Werk der Beklagten in K. per Lkw zu Fa. D. in Dortmund geliefert und in der Folge nach Vietnam verschifft werden.

Die Klägerin beauftragte Fa. C. (ihre Streithelferin) mit der Durchführung des Lkw-Transports; diese beauftragte wiederum Fa. K. (die - nicht beigetretene - Streitverkündete).

Am 26.07.2013 übernahm Fa. K. das Förderband von der Beklagten in K. Unstreitig wurde die Ware von der Beklagten unverpackt auf den Lkw der Fa. K. geladen. Dort wurden die einzelnen Ladungsteile mittels Spanngurten verzurrt; zwischen den Parteien ist streitig, ob dieses Verzurren von der Beklagten (Vortrag der Klägerin und deren Streithelferin) oder von Fa. K. (Vortrag der Beklagten) vorgenommen wurde. Zwischen den Parteien ist weiter streitig, ob das Unterlassen einer Verpackung der Teile des Förderbandes handelsüblich (Vortrag der Beklagten) oder nicht handelsüblich (Vortrag der Klägerin und deren Streithelferin) war.

Am 01.08.2013 wurde der Lkw in Dortmund entladen; hierbei wurden ein teilweiser Verschub der einzelnen Packstücke auf der Ladefläche des Aufliegers und eine eingetretene Beschädigung der Ware festgestellt. Die Höhe dieses Schadens, der von der Klägerin zuletzt mit 16.353,40 EUR (Sachschaden in Höhe von 14.786,65 EUR sowie Gutachterkosten in Höhe von 1.566,75 EUR) beziffert worden war, ist zwischen den Parteien streitig. Nach - bestrittenem - Vortrag der Klägerin hat diese - unter Berücksichtigung eines versicherungsvertraglich vereinbarten Selbstbehalts von 2.500,00 EUR - gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin Fa. T. einen Betrag von 13.853,40 EUR reguliert.

Fa. T. hat zur Klärung von Ursache und Höhe des Schadens das Sachverständigenbüro & Havariekommissariat E., eingeschaltet. Dieses erstattete unter dem 09.10.2013 ein Gutachten-Vorbericht (Anlage K3a) und unter dem 20.02.2014 ein Gutachten-Abschlussbericht (Anlage K3b). In dem Gutachten-Vorbericht heißt es zur Schadensursache (Anlage K3a, dort Seite 4):

„Zum Schadenshergang liegen uns momentan keine nachvollziehbaren Informationen vor, es ist jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der Schaden im Zuge der Verladung und/oder des Transportes ereignet hat.

Aufgrund der Fotografien, welche unmittelbar vor der Entladung der Transportgüter bei D. in Dortmund aufgenommen worden sind, ist ein teilweiser Verschub der einzelnen Packstücke untereinander auf der Ladefläche des Aufliegers festzustellen.

Soweit dies erkennbar ist, erfolgte lediglich eine Ladungssicherung durch Kraftschluss mit einer unbekannten Anzahl und Positionierung von Spanngurten.

Unseren Informationen zufolge hat sich auf dem Transportweg kein besonderes Vorkommnis ereignet, so dass als schadensursächlich derzeit eine unsachgemäße, nicht ausreichende Ladungssicherung anzusehen ist.“

Die Klägerin hat unter Berufung auf dieses Gutachten vorgetragen, ursächlich für den Schaden sei „ein Verpackungs- bzw. Ladungssicherungsmangel“. Nach Ansicht der Klägerin und deren Streithelferin haftet die Beklagte deshalb wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht zur Verpackung und Ladungssicherung auf Schadensersatz.

Die Beklagte hat die Schadensursächlichkeit einer fehlenden Ladungssicherung nicht bestritten, indes die Ursächlichkeit fehlender Verpackung verneint. Nach Ansicht der Beklagten schuldete diese weder eine - nicht handelsübliche - Verpackung noch eine Ladungssicherung, so dass eine Schadensersatzpflicht nicht bestehe.

Die Klägerin hat sich erstinstanzlich auf eine konkludente Abtretung von Schadensersatzansprüchen ihrer Versicherungsnehmerin Fa. T. durch Überlassung von Unterlagen im Rahmen der Schadensregulierung berufen, weiter auf eine am 02.08.2013 erfolgte - dem Grunde wie dem Umfang nach bestrittene - explizite Abtretung von Schadensersatzansprüchen durch Fa. T. Die Beklagte hat erstinstanzlich die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten.

Unter dem 07.04.2014 hat die Klägerin mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreter Schadensersatz in Höhe von 16.353,40 EUR unter Fristsetzung bis 05.05.2014 geltend gemacht (Anlage K11); dem hat die Beklagte mit Schreiben vom 14.04.2014 widersprochen (Anlage K12). Unter dem 01.08.2014 haben die anwaltlichen Vertreter der Klägerin eine Rechnung über vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.266,16 EUR gestellt (Anlage K13), deren Erstattungsfähigkeit zwischen den Parteien streitig ist.

Zur Darstellung des Sachverhalts und des streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird ergänzend auf das angefochtene Urteil vom 27.03.2015 (Bl. 138-142 d. A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Im Rechtsstreit ist aufgrund vorheriger Streitverkündung die Streithelferin C. auf Seiten der Klägerin beigetreten.

Das Landgericht Amberg hat ohne Beweisaufnahme mit Endurteil vom 27.03.2015 die Klage abgewiesen. Auf die Begründung des Urteils wird Bezug genommen.

Gegen dieses, ihr am 31.03.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.04.2015 beim Oberlandesgericht eingegangene und mit am 01.07.2015 innerhalb verlängerter Frist beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung der Klagepartei, die deren erstinstanzliches Klagebegehren vollumfänglich weiterverfolgt.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 27.03.2015 (Az. 41 HK O 689/14) aufzuheben,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 16.353,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr seit dem 06.05.2014 sowie Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.266,16 EUR zu zahlen,

hilfsweise die Sache an das Landgericht Amberg zurückzuverweisen.

Die Streithelferin der Klägerin hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen und beantragt weiterhin,

die Kosten der Streithilfe der Beklagten aufzuerlegen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der Berufungsinstanz haben die Parteien und die Streithelferin ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Der Senat hat keinen Beweis erhoben.

Im Übrigen wird hinsichtlich des beiderseitigen Parteivortrags auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

B. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch sonst zulässig.

Auf die Berufung der Klägerin sind - entsprechend dem insoweit gestellten Hilfsantrag - das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

Derzeit kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob der Klägerin die klagegegenständlichen Ansprüche gemäß §§ 280, 398 BGB zustehen. Insoweit ist die Durchführung einer Beweisaufnahme erforderlich, die das Landgericht verfahrensfehlerhaft unterlassen hat.

I.

Allerdings ist das Landgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass Schadensersatzansprüche wegen unterlassener oder unzureichender Ladungssicherung aus Rechtsgründen nicht bestehen.

1. Zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin (Fa. T.) und der Beklagten ist ein Kaufvertrag über ein - in der Vertragsurkunde (Anlage K1) näher spezifiziertes - Förderband zustande gekommen.

Das entsprechende Vertragsverhältnis beurteilt sich nach deutschem Recht. Der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) ist nicht eröffnet, da das Vertragsverhältnis keine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweist, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO. Beide Vertragsparteien sind deutsche juristische Personen mit Sitz in Deutschland, wo auch die vertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen waren. Allein der Umstand, dass Fa. T. das von ihr erworbene Förderband nach Vietnam exportieren wollte, wie auch die Abfassung des Vertrags in englischer Sprache begründen keine solche Verbindung. Zudem wäre selbst bei Unterstellung einer Auslandsberührung sowohl unter dem Gesichtspunkt einer (konkludenten) Rechtswahl (Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO) wie auch gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO deutsches Sachrecht anwendbar.

Das Vertragsverhältnis bestimmt sich mithin nach den Regelungen der §§ 433ff. BGB, §§ 373ff. HGB. Die Regelungen des CISG [Übereinkommen der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf (UNWaVtrÜbk), englisch: Convention on Contracts for the International Sale of Goods - CISG, vom 11.04.1980] sind nicht anwendbar, da die Vertragsparteien ihre Niederlassungen nicht in verschiedenen Vertragsstaaten haben (Art. 1 Abs. 1 a CISG).

2. Der Senat hat seiner Entscheidung den unstreitigen Umstand zugrunde zu legen, dass eine unzureichende bzw. fehlende Ladungssicherung des Transportgutes auf dem Lkw der von Fa. T. beauftragten (Unter-)Frachtführerin den streitgegenständlichen Schaden verursacht hat.

Das Landgericht hat zwar explizit keine Feststellungen zur Schadensursache getroffen. Aus der Begründung des Urteils, die Beklagte sei nicht zur Ladungssicherung verpflichtet gewesen, kann indes gefolgert werden, dass eine unterlassene bzw. unzureichende Ladungssicherung schadensursächlich gewesen sein könnte.

Die Klägerin hat unter Berufung auf das Privatgutachten E. (Anlage K3) vorgetragen, ursächlich für den Schaden sei ein Ladungssicherungsmangel. Die Beklagte hat die Schadensursächlichkeit einer fehlenden Ladungssicherung nicht bestritten. Als unstreitiger Umstand ist dies vom Senat zu berücksichtigen.

3. Die Beklagte war nach den vertraglichen Regelungen nicht zur Vornahme einer Ladungssicherung verpflichtet. Sie schuldet deshalb nicht wegen Verletzung einer solchen Pflicht Schadensersatz. Die entsprechende Auslegung des Kaufvertrags durch das Landgericht ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) Im Unterschied zu einer Beweiswürdigung hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Auslegung einer Individualvereinbarung gemäß § 513 Abs. 1, § 546 ZPO - auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen - in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob die Auslegung überzeugt. Hält das Berufungsgericht die erstinstanzliche Auslegung lediglich für eine zwar vertretbare, letztlich aber - bei Abwägung aller Gesichtspunkte - nicht für eine sachlich überzeugende Auslegung, so hat es selbst die Auslegung vorzunehmen, die es als Grundlage einer sachgerechten Entscheidung des Einzelfalles für geboten hält (BGH, Urteil vom 14.07.2004 - VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83).

Die Auslegung eines Vertrages hat gemäß §§ 133, 157 BGB trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation von dem Wortlaut der Erklärung auszugehen. Bei der Vertragsauslegung ist in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut der Vereinbarung und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 11.09.2000 - II ZR 34/99, NJW 2001, 144).

Grundsätzlich auch zu berücksichtigen ist der Wortlaut von sonstigen vertraglichen Regelungen. Denn ähnlich wie bei der Gesetzesauslegung sind auch bei Rechtsgeschäften der sprachliche Zusammenhang (grammatikalische Auslegung) und die Stellung der Formulierung im Gesamtzusammenhang des Textes (systematische Auslegung) zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 19.03.1956 - VIII ZR 74/56, NJW 1957, 873, 874).

Es sind daher nach der Ermittlung des Sinnes der verwendeten Formulierungen in einem zweiten Schritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung miteinzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2000 - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, 1003).

Als relevante Begleitumstände sind insbesondere die Vertragsverhandlungen der Parteien (vgl. BGH, Urteil vom 30.10.1970 - V ZR 4/68, WM 1971, 39, 40), (auch spätere) Erklärungen der Parteien über den Inhalt des Rechtsgeschäfts (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.1988 - V ZR 49/87, NJW 1988, 2878, 2879) sowie auch und vor allem die bestehende Interessenlage (vgl. BGH, Urteil vom 03.12.1980 - VIII ZR 300/79, NJW 1981, 1549, 1550) zu berücksichtigen.

b) Mit der Klausel „FCA K. (according to Incoterms, Edition 2010)“ haben die Vertragsparteien die Incoterms FCA, Ausgabe 2010 vereinbart.

Die Incoterms (International Commercial Terms) sind ein von der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce - ICC) in Paris herausgegebenes, zuletzt 2010 revidiertes Klauselwerk (Incoterms 2010) mit Auslegungsregeln für den Handelsverkehr. Im Gegensatz zu den Vorgängerfassungen können die Klauseln der Incoterms 2010 nicht mehr nur für den internationalen Warenverkehr verwendet werden, sondern sind auch für den nationalen Handel ohne Grenzüberschreitung konzipiert. Es handelt sich um international vereinheitlichte Handelsklauseln. Das Regelwerk kann man als Katalog empfohlener Geschäftsbedingungen ansehen. Die Incoterms dienen der Zusammenfassung der Handelsusancen über die Auslegung der handelsüblichen Vertragsformeln im internationalen Handelsverkehr. Sie sind knappe Vertragsformeln, die für die Klarheit des internationalen Handelsverkehrs von besonderer Bedeutung sind (Joost in: EBJS, HGB 3. Aufl. § 346 Rn. 124).

Die Absendeklausel FCA (Free CArrier) (Standort des vereinbarten Frachtführers) bedeutet, dass die Beklagte die verkaufte Ware „frei Frachtführer“ zu leisten hatte.

c) Die Auslegung der Incoterms erfolgt international einheitlich nach dem objektiven Zweck der Incoterms und, da die Parteien von den Incoterms abweichen können, nach dem beiderseitigen Parteiwillen (Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB 37. Aufl. Incoterms Einl Rn. 18; Joost in: EBJS, HGB 3. Aufl. § 346 Rn. 132).

Die in § 412 Abs. 1 HGB enthaltene frachtrechtliche Legaldefinition des Verladens kann deshalb als nationale Regelung nicht zur Auslegung herangezogen werden. Dies hat das Landgericht zutreffend erkannt (Seite 4 der Urteilsgründe).

d) Für die international einheitliche Bedeutung von Incoterms-Klauseln ist vielmehr in der Regel auf die Anwendungshinweise der Internationalen Handelskammer (ICC) zurückzugreifen (BGH, Urteil vom 07.11.2012 - VIII ZR 108/12, BGHZ 195, 243).

Zu den im Streitfall vereinbarten Incoterms FCA 2010 hat die Internationale Handelskammer folgende Anwendungshinweise erlassen:

A. Verpflichtungen des Verkäufers

A3a. Beförderungsvertrag

Der Verkäufer hat gegenüber dem Käufer keine Verpflichtung, einen Beförderungsvertrag abzuschließen. …

A4. Lieferung

Der Verkäufer hat die Ware an den Frachtführer oder eine andere vom Käufer benannte Person an der gegebenenfalls benannten Stelle am benannten Ort zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb des vereinbarten Zeitraums zu liefern.

Die Lieferung ist abgeschlossen

a. falls der benannte Ort beim Verkäufer liegt, wenn die Ware auf das vom Käufer bereitgestellte Beförderungsmittel verladen worden ist. …

A5. Gefahrenübergang

Der Verkäufer trägt bis zur Lieferung gemäß A4 alle Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware…

A9. Prüfung - Verpackung - Kennzeichnung

… Der Verkäufer hat auf eigene Kosten die Ware zu verpacken, es sei denn, es ist handelsüblich, die jeweilige Art der verkauften Ware unverpackt zu transportieren. Der Verkäufer kann die Ware in der für ihren Transport geeigneten Weise verpacken…

B. Verpflichtungen des Käufers …

B3a. Beförderungsvertrag

Der Käufer hat auf eigene Kosten den Vertrag über die Beförderung der Ware vom benannten Lieferort abzuschließen …

B5. Gefahrenübergang

Der Käufer trägt alle Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware ab dem Zeitpunkt, an dem sie wie in A4 vorgesehen, geliefert worden ist.

e) Die verwendeten Incoterms sind vertraglich abdingbar. Sie können von den Parteien auf ihr Vertragsverhältnis durch Ergänzungen, Abänderungen, Präzisierungen oder teilweisen Ausschluss der Klauseln zugeschnitten werden (Joost in: EBJS, HGB 3. Aufl. § 346 Rn. 130).

Der Kaufvertrag (Anlage K1) lässt indes nicht erkennen, dass damit - hinsichtlich der Ladungssicherung - Regelungen der Incoterms abbedungen worden wären. Eine Ladungssicherung, insbesondere eine diesbezügliche Verpflichtung der Beklagten ist vertraglich nicht explizit geregelt.

f) Im Rahmen der Auslegung der Vertragsklausel FCA Incoterms 2010 hat der Senat insbesondere folgende Gesichtspunkte berücksichtigt:

– Ausweislich Abschnitt A4 der Anwendungshinweise der ICC hat der Verkäufer die Ware an den Frachtführer zu liefern. Die entsprechende Verpflichtung des Verkäufers heißt „liefern“, nicht „beförderungssicher verladen“.

– Diese Lieferung ist abgeschlossen, wenn die Ware auf das vom Käufer bereitgestellte Beförderungsmittel „verladen“ worden ist. Aus diesem Regelungszusammenhang, der die Pflicht zur „Lieferung“ regelt und deren Beendigungszeitpunkt festlegen will, folgt noch keine schadensersatzbewehrte Verpflichtung zum „beförderungssicheren Verladen“.

– Ausweislich Abschnitt A5 der Anwendungshinweise der ICC trägt der Verkäufer bis zur Lieferung gemäß A4 alle Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware. Daraus folgt, dass die Beklagte als Verkäuferin die entsprechende Gefahr nur bis zur Lieferung - einschließlich des Verladevorgangs - tragen soll, nicht also die Gefahr einer Beschädigung der Ware nach Abschluss der Lieferung = Verladung.

– Ausweislich Abschnitt A3a der Anwendungshinweise der ICC hat der Verkäufer keine Verpflichtung zum Abschluss eines Beförderungsvertrags. Vielmehr hat gemäß Abschnitt B3a dieser Hinweise der Käufer auf eigene Kosten den Vertrag über die Beförderung der Ware abzuschließen. Auch diese Klauseln unterstreichen, dass die Verantwortlichkeit der Beklagten als Verkäuferin bezüglich des Transports mit der Beendigung der Lieferung, also dem Verladen, endet.

– Konsequenterweise trägt gemäß Abschnitt B5 der Anwendungshinweise der ICC der Käufer alle Gefahren des Verlusts und der Beschädigung der Ware ab dem Zeitpunkt deren Lieferung.

Nach dieser für den Senat eindeutigen Regelung - eine abweichende Vereinbarung ist nicht ersichtlich - war die Beklagte als Verkäuferin zu einer Ladungssicherung bzw. zur beförderungssicheren Verladung nicht verpflichtet; ihre Pflichten beschränkten sich auf das bloße Verbringen der Ware auf das Transportmittel.

g) Eine international einheitliche Auslegung des in den Anwendungshinweisen der ICC verwendeten Begriffs „verladen“ ergibt auch nicht, jedenfalls nicht hinreichend eindeutig, dass hiervon auch die Vornahme einer Ladungssicherung umfasst wäre.

aa) Zwar regeln internationale Abkommen teilweise auch entsprechende Sicherungspflichten des Absenders.

(1) So enthält das Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (Convention de Budapest relative au contract de transport de Marchandises en Navigation Intérieure - CMNI) vom 22.06.2001 in Art. 6 Abs. 4 folgende Regelung:

„Vorbehaltlich der dem Frachtführer obliegenden Pflichten hat der Absender die Güter zu laden und nach Binnenschifffahrtsbrauch zu stauen und zu befestigen, soweit im Frachtvertrag nicht etwas anderes vereinbart wurde.“

(2) Das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (Convention relative aux transports internationaux ferroviaires - COTIF) in Verbindung mit den Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (Règles uniformes concernant le contrat de transport international ferroviaire des marchandises - CIM) (Anhang B zum COTIF-Übereinkommen) vom 03.06.1999 enthält in Art. 13 CIM („Verladen und Entladen des Gutes“) folgende Regelungen:

§ 1 Der Absender und der Beförderer vereinbaren, wem das Verladen und das Entladen des Gutes obliegt. Fehlt eine solche Vereinbarung, trifft die Pflicht zum Verladen und Entladen bei Stückgut den Beförderer, während bei Wagenladungen die Pflicht zum Verladen den Absender und die Pflicht zum Entladen nach der Ablieferung den Empfänger trifft.

§ 2 Wird das Gut vom Absender verladen, so haftet er für alle Folgen der mangelhaften Verladung und hat dem Beförderer insbesondere den ihm daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Beförderer hat die mangelhafte Verladung nachzuweisen.

Die jeweils zur Verladung verpflichtete Person hat dabei das Gut auf den Wagen zu bringen und dort beförderungssicher zu stapeln, zu verstauen und zu befestigen (Koller, Transportrecht, 8. Aufl. Art. 13 CIM Rn. 1).

(3) Das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (Convention relative au Contrat de transport international de marchandises par route - CMR) vom 19.05.1956 enthält in Art. 17 folgende Regelungen:

(1) Der Frachtführer haftet für gänzlichen oder teilweisen Verlust und für Beschädigung des Gutes, sofern der Verlust oder die Beschädigung zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt, sowie für Überschreitung der Lieferfrist.

(2) Der Frachtführer ist von dieser Haftung befreit, wenn der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist durch ein Verschulden des Verfügungsberechtigten, durch eine nicht vom Frachtführer verschuldete Weisung des Verfügungsberechtigten, durch besondere Mängel des Gutes oder durch Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte.

(3) …

(4) Der Frachtführer ist vorbehaltlich des Artikels 18 Absatz 2 bis 5 von seiner Haftung befreit, wenn der Verlust oder die Beschädigung aus den mit einzelnen oder mehreren Umständen der folgenden Art verbundenen besonderen Gefahren entstanden ist: …

c) Behandlung, Verladen, Verstauen oder Ausladen des Gutes durch den Absender, den Empfänger oder Dritte, die für den Absender oder Empfänger handeln;

Der Haftungsbefreiungstatbestand des Art. 17 Abs. 4 lit. c CMR erfasst damit auch Schäden infolge mangelhafter Verladung oder Stauung des Transportgutes durch dessen Absender. Dabei umfasst das Verladen nicht nur das Verbringen des Gutes auf das Transportfahrzeug, sondern auch dessen Befestigung und Sicherung auf dem Fahrzeug (BGH, Versäumnisurteil vom 19.03.2015 - I ZR 190/13, TranspR 2015, 342; Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 39; MünchKomm-HGB/Jesser-Huß, 3. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 68). Für die Anwendung des besonderen Haftungsausschlusstatbestandes gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR kommt es maßgeblich darauf an, wer die Verladung tatsächlich ausgeführt hat (BGH, Urteil vom 25. Januar 2007 - I ZR 43/04, TranspR 2007, 314 Rn. 17). Hat der Absender die Verladetätigkeit vorgenommen, hat er ordnungsmäßig zu verladen. Dazu gehört, dass durch die Art der Verladung Schäden, die dem Gut während der Beförderung drohen, nach Möglichkeit vermieden werden (vgl. § 412 Abs. 1 HGB; zu Art. 17 Abs. 4 lit. c CMR: BGH, Versäumnisurteil vom 19.03.2015 - I ZR 190/13, TranspR 2015, 342; zu Art. 17 KVO: BGH, Urteil vom 21. April 1960 - II ZR 21/58, BGHZ 32, 194, 196 f.).

bb) Das Landgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Aufnahme einer Ladungssicherung in den Pflichtenkreis des Verkäufers - entsprechend den vorgenannten Regelungen - einer ausdrücklichen diesbezüglichen Aufnahme in die Incoterms 2010 bzw. in die hierzu ergangenen Anwendungshinweise der Internationalen Handelskammer bedurft hätte.

cc) Weiter ist zu berücksichtigen, dass die internationalen Regelungen des Art. 6 Abs. 4 CMNI, des Art. 13 CIM und des Art. 17 Abs. 4 lit. c CMR (die jeweils eine Ladungssicherungspflicht des Absenders statuieren können) - wie auch die nationale Regelung des § 412 Abs. 1 HGB - einen Beförderungsvertrag zwischen Absender und Frachtführer voraussetzen (vgl. § 407 Abs. 1 und 2 HGB, Art. 1 Nrn. 2 und 4 CMNI, Art. 3 CIM) und im Rahmen dieses Beförderungsvertrags die Risikotragung gegeneinander abgrenzen.

Zwischen der Beklagten als Verkäuferin und der Streithelferin der Klägerin als Frachtführerin bestand jedoch gerade kein Beförderungsvertrag; einen solchen hatte vielmehr die Käuferin (Fa. T.die Versicherungsnehmerin der Klägerin) abzuschließen (vgl. Incoterms FCA A3a, B3a). Unter frachtvertraglichen Gesichtspunkten oblag damit allenfalls der Käuferin als Absenderin eine Nebenpflicht zur Ladungssicherung.

h) Entgegen der Ansicht der Klägerin kann im Streitfall die Ladungssicherung auch nicht als kaufvertragliche Nebenpflicht der Beklagten angesehen werden, durch deren Verletzung sich die Beklagte schadensersatzpflichtig hätte machen können.

aa) Zwar kann sich eine Rechtspflicht, für die notwendige Ladungssicherung des Transportgutes zu sorgen, nicht nur aus einem Beförderungsvertrag mit dem Frachtführer, sondern auch aus dem Kaufvertrag mit dem Empfänger der Ware ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 23.03.1977 - IV ZR 35/76, DB 1977, 1500). Der Umstand, dass nicht die Beklagte, sondern Fa. T. einen entsprechenden Beförderungsvertrag abgeschlossen hat, steht damit per se einer Haftung der Beklagten noch nicht entgegen.

bb) Grundsätzlich besteht im Rahmen eines Kaufvertrags eine vertragliche Nebenpflicht des Verkäufers zur sachgerechten Verpackung des Gutes für den Transport; bei Verletzung dieser Pflicht haftet der Verkäufer auch dann, wenn der Schaden selbst erst nach Übergabe des Gutes an den Transporteur eingetreten ist (BGH, Urteil vom 07.03.1983 - VIII ZR 331/81, BGHZ 87, 88; Urteil vom 19.09.1983 - VIII ZR 321/81, WM 1983, 1155). Die Klägerin möchte in gleicher Weise eine vertragliche Nebenpflicht zur Ladungssicherung bejahen. Eine solche folge bereits aus der Verpackungspflicht, die sämtliche Maßnahmen zum Schutz des Gutes auf dem Transportweg vor Transportbeschädigungen - damit auch die Verzurrung der Packgüter - beinhalte.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass Verpackung und Transportsicherung - die beide jeweils dem Schutz des Gutes auf dem Transportweg dienen - miteinander korrelieren: je besser und umfangreicher die Verpackung ist, desto niedrigere Anforderungen sind an eine geeignete Transportsicherung zu stellen. Umgekehrt können mit einer exzellenten Ladungssicherung auch nur rudimentär verpackte Güter sicher befördert werden. Auch mag es im Einzelfall zutreffen, dass der Verkäufer, der die von ihm veräußerte Ware kennt, hinsichtlich deren Ladungssicherung sachkundiger ist als ein vom Käufer beauftragter Frachtführer.

Nach der Rechtsprechung scheint grundsätzlich - vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen - wohl auch eine vertragliche Nebenpflicht des Verkäufers zur „sachgerechten“ bzw. „sachgemäßen“ Verladung und in deren Rahmen auch zur notwendigen Befestigung der Ware auf dem Fahrzeug des Käufers (oder dessen Frachtführers) zu bestehen (BGH, Urteil vom 18.06.1968 - VI ZR 120/67, NJW 1968, 1929; Urteil vom 23.03.1977 - IV ZR 35/76, DB 1977, 1500).

Allerdings bedarf es insoweit keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Insbesondere kann dahinstehen, ob eine etwaige Nebenpflicht des Verkäufers zur sachgemäßen Verladung nur dann gegeben ist, wenn der Verkäufer auch zum Transport der verkauften Ware verpflichtet ist. Jedenfalls bestünde aufgrund der dispositiven Haftungsverteilung zwischen Verkäufer und Käufer eine entsprechende kaufvertragliche Nebenpflicht zur Ladungssicherung nur, soweit zwischen den Vertragsparteien nichts anderes vereinbart ist. Durch die klare vertragliche Einbeziehung der Incoterms 2010 in das Vertragsverhältnis, wodurch die beiderseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien hinsichtlich der Ladungssicherung und Gefahrtragung eindeutig geregelt werden (siehe oben B I 3 f, g), wurden etwaige sonstige kaufvertragliche Nebenpflichten, hier die Verpflichtung zur „sachgemäßen“ Verladung mittels Ladungssicherung, abbedungen.

Es spielt deshalb auch keine Rolle, ob das „Verzurren“ des Transportgutes auf dem Lkw der Frachtführerin von Personal der Beklagten oder seitens der Fa. K. vorgenommen wurde.

II.

Das Landgericht hat allerdings rechts- und verfahrensfehlerhaft Schadensersatzansprüche der Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt einer unterbliebenen Verpackung des Transportgutes ausgeschlossen.

1. Der Senat hat seiner Entscheidung den unstreitigen Umstand zugrunde zu legen, dass das verkaufte Förderband während des Transports nicht verpackt war.

a) Zwischen den Parteien besteht Streit, ob das Unterlassen einer Verpackung der Teile des Förderbandes handelsüblich (Vortrag der Beklagten) oder nicht handelsüblich (Vortrag der Klägerin und deren Streithelferin) war. Die Beklagte hat für ihren diesbezüglichen Vortrag Beweis, insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, angeboten (Schriftsatz vom 22.09.2014, Seite 5 = Bl. 31 d. A.).

Das Landgericht hat - ohne Begründung - festgestellt, es sei handelsüblich, ein Förderband dieser Größe unverpackt zu transportieren (Seite 4 der Urteilsgründe). Die Berufung der Klägerin rügt diese Feststellung zu Recht als aufgrund Übergehens der diesbezüglichen Beweisanträge verfahrensfehlerhaft getroffen. Die entsprechende Tatsachenfeststellung des Landgerichts bindet den Senat nicht, da insoweit Zweifel im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO entgegenstehen, da dieser Umstand erstinstanzlich gerade streitig war und kein diesbezüglicher Beweis erhoben wurde. Kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts für die Beurteilung des Streitfalles auf Tatsachen an, die (wie hier) in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden Parteivortrags (hier: mangels Beweisaufnahme) nicht ausreichend festgestellt worden sind, dann bestehen Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten (BGH, Urteil vom 26.09.2012 - XII ZR 122/11, NJW-RR 2012, 1480; Urteil vom 19.03.2004 - V ZR 104/03, BGHZ 158, 295). Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen nur gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 12.03.2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269). Hieran gemessen ist die „Beweiswürdigung“ des landgerichtlichen Urteils zumindest insoweit fehlerhaft, als sie nicht nachvollziehbar ist und auf einer unterbliebenen Beweiserhebung beruht. Das Landgericht hat auch nicht dargelegt, dass und woher es über ausreichende eigene Sachkunde zur Beurteilung dieser Frage verfüge.

b) Zwischen den Parteien besteht weiter Streit, ob das Unterlassen einer Verpackung der Teile des Förderbandes schadensursächlich war oder nicht. Die Klägerin hatte die Ursächlichkeit eines „Verpackungs- bzw. Ladungssicherungsmangels“ behauptet; die Beklagte hat diesen Vortrag, der unter Bezugnahme auf das Privatgutachten E. (Anlage K3) erfolgt war, als unsubstanziiert gerügt und bestritten.

Das Landgericht hat explizit keine Feststellungen zur Schadensursache getroffen. Aus der Begründung des Urteils, aus der grundsätzlichen Verpflichtung des Verkäufers zur Verpackung könne die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch herleiten, da es handelsüblich sei, ein Förderband unverpackt zu transportieren, könnte nur indirekt gefolgert werden, dass auch eine unterlassene Verpackung schadensursächlich gewesen sein könnte, das Landgericht mithin von einer Kausalität ausgegangen ist.

Der Senat geht davon aus, dass diese Frage erstinstanzlich nicht hinreichend geklärt wurde. Insbesondere hat das Landgericht verfahrensfehlerhaft unterlassen, gemäß § 139 ZPO die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie für ihren bestrittenen Vortrag einer Schadenskausalität der unterbliebenen Verpackung beweisfällig geblieben ist. Ein derartiger Hinweis war geboten, da die Klägerin diese Problematik erkennbar übersehen hatte (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO), nachdem sich das erstinstanzliche Verfahren und insbesondere der schriftsätzliche Vortrag der Beteiligten im Wesentlichen auf die Problematik der Ladungssicherung beschränkte (und auch das Urteil des Landgerichts mit Ausnahme des letzten Satzes der Entscheidungsgründe die Problematik der fehlenden Verpackung nicht erörtert). Die Klägerin wird im Fortgang des Rechtsstreits Gelegenheit haben, ihren diesbezüglichen Sachvortrag zu ergänzen und hierfür Beweis anzubieten.

Wie oben (unter B II 1 a) ausgeführt, ist der Senat auch hinsichtlich der Frage der Schadenskausalität der fehlenden Verpackung nicht an (im Wesentlichen nicht vorhandene) Feststellungen des Landgerichts gebunden.

Dem steht nicht entgegen, dass ein entsprechender Verfahrensmangel nicht gerügt ist. Zwar prüft das Berufungsgericht einen Mangel des Verfahrens - soweit er nicht von Amts wegen berücksichtigt werden muss - gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann, wenn er gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO in der Berufungsbegründung gerügt worden ist. Hierdurch wird jedoch die durch § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO geregelte tatsächliche Inhaltskontrolle des Berufungsgerichts nicht eingeschränkt. Von der Aufgabe des Berufungsgerichts, konkreten Anhaltspunkten ungeachtet einer Berufungsrüge nachzugehen, macht das Gesetz keine Ausnahme, wenn sich - was ohnehin die weitaus praktischste Fallgestaltung darstellen dürfte - konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO aus Verfahrensfehlern des Erstrichters bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben (BGH, Urteil vom 12.03.2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269)

2. Die Beklagte war nach den vertraglichen Regelungen grundsätzlich zur Verpackung des verkauften Förderbandes verpflichtet. Dies ergibt sich insbesondere aus Abschnitt A9 der Anwendungshinweise der Internationalen Handelskammer, aber auch aus weiteren vertraglichen Bestimmungen, die jeweils Einzelheiten einer Verpackung regeln (vgl. die oben unter A zitierten Bestimmungen).

Dass eine Verpackungspflicht nicht bestand, weil es handelsüblich ist, die Art der verkauften Ware - das Förderband - unverpackt zu transportieren, kann derzeit nicht festgestellt werden; insoweit wäre ggf. weiter Beweis zu erheben.

3. Schadensersatzansprüche wegen unterbliebener Verpackung scheiden nicht bereits nach § 377 HGB aus, weil die Klägerin bzw. deren beauftragter (Unter-)Frachtführer bei Empfangnahme der Ware die Rüge des Fehlens einer Verpackung unterlassen hätten.

§ 377 HGB erfordert beim Handelskauf eine unverzügliche Rüge nur bei Mangelhaftigkeit der Ware. Eine unzureichende oder fehlende Verpackung begründet jedoch nur dann einen Mangel des Kaufgegenstandes, wenn von der Verpackung die Haltbarkeit der Ware, deren Wert oder die Weiterverkaufsmöglichkeit abhängt oder wenn die Originalverpackung die Ware kennzeichnet (BGH, Urteil vom 28.04.1976 - VIII ZR 244/74, BGHZ 66, 208, Tz. 14ff. nach juris; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. § 377 Rn. 15, 49). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt; das verkaufte Förderband stellt sich nicht wegen seiner fehlenden Verpackung als mangelhaft dar. Klagegegenstand ist nicht Schadensersatz wegen Mangelhaftigkeit des Förderbandes, sondern wegen Verletzung einer nicht mit einem Sachmangel zusammenhängenden Verpackungspflicht.

4. Auch die Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung der strgg. Ansprüche ist bislang nicht geklärt; vielmehr hat das Landgericht auch insoweit verfahrensfehlerhaft Parteivortrag und Beweisangebote übergangen und nicht nachvollziehbare Feststellungen getroffen.

a) Erstinstanzlich war die Aktivlegitimation der Klägerin streitig.

aa) Die Klägerin hat sich zum einen auf eine konkludente Abtretung von Schadensersatzansprüchen ihrer Versicherungsnehmerin (Fa. T.) berufen, die in der Schadensmeldung unter gleichzeitiger Überlassung der entsprechenden Unterlagen sowie in der nachfolgenden Schadensregulierung eines Teilbetrags von 13.853,40 EUR (vgl. Anlagen K10, K17-K19) unter Vereinbarung einer Regressnahme liegen solle. Die Beklagte hat diesen Vortrag jeweils mit Nichtwissen bestritten. Beweis ist insoweit (trotz anfänglicher gerichtlicher Beweisanordnung) nicht erhoben worden.

bb) Die Klägerin hat sich weiter auf eine Abtretungserklärung der Fa. T. vom 02.08.2013 (Anlage K9) berufen. Die Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass diese Erklärung sich auf den Schadensfall und die klagegegenständlichen Ansprüche bezieht und durch vertretungsberechtigte Personen der Versicherungsnehmerin der Klägerin unterzeichnet sei, weiter, dass diese Abtretung auch im Umfang des nicht regulierten Selbstbehaltes erfolgt sei. Die Klägerin hat hierzu weiter vorgetragen und Beweis angeboten, die Beklagte ihr Bestreiten aufrechterhalten. Beweis ist auch insoweit nicht erhoben worden.

cc) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt, § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG. Die Klägerin hat sich auf einen entsprechenden Forderungsübergang im Hinblick auf die Schadensregulierung eines Teilbetrags von 13.853,40 EUR (vgl. Anlagen K10, K17-K21) berufen. Die Beklagte hat diesen Vortrag mit Nichtwissen bestritten und eine Schadenszahlung durch die insoweit vorgelegten Unterlagen als nicht nachvollziehbar gerügt. Beweis ist auch insoweit nicht erhoben worden. Zudem könnte sich aus der behaupteten Zahlung der Klägerin auch allenfalls ein Forderungsübergang in Höhe des Zahlbetrages ergeben.

dd) Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei „führender“ Transportversicherer der Fa. T., und entsprechenden Beweis angeboten. Die Beklagte hat dies mit Nichtwissen bestritten; insbesondere ist bestritten, dass die Klägerin als führender Transportversicherer berechtigt sei, auch die auf die Mitversicherer entfallenden Anteile in eigenem Namen auf Zahlung an sich geltend zu machen. Die Klägerin hat insoweit auf eine „Deckungsnote“ (Anlage K14) verwiesen, weiterhin - zum Nachweis, dass sie auch zur Geltendmachung der Anteile der Mitversicherer ermächtigt sei - auf Anlage K16. Falls es sich insoweit um Regelungen des Versicherungsvertrags handelt - diesbezüglicher Vortrag ist nicht erfolgt - wäre die Klägerin als führender Versicherer von den Mitversicherern zur Prozessführung in eigenem Namen auf Zahlung an sich ermächtigt (vgl. K16, dort Ziffer 26.4 und 26.6).

b) Das Landgericht hat in einem nicht entscheidungserheblichen obiter dictum ausgeführt, es sei angesichts der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen der Überzeugung, dass die Klägerin aktivlegitimiert sei (Seite 4 der Urteilsgründe). Die Berufung der Klägerin rügt diese - ihr günstige - Feststellung (folgerichtig) nicht. Die Berufungserwiderung der Beklagten enthält insoweit keine expliziten Ausführungen, nimmt vielmehr lediglich pauschal auf das erstinstanzliche Vorbringen Bezug.

Die - in der Sache nicht nachvollziehbare - Feststellung des Landgerichts, die Klägerin sei aktivlegitimiert, ist nicht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO der Entscheidung des Senats zugrunde zu legen, da insoweit Zweifel an deren Richtigkeit bestehen. Auf obige Ausführungen (unter B II 1 a) wird Bezug genommen. Die Beweiswürdigung des landgerichtlichen Urteils - die Klägerin sei aktivlegitimiert - ist zumindest insoweit fehlerhaft, als sie nicht nachvollziehbar ist und auf einer unterbliebenen Beweiserhebung beruht. Dies hat der Senat auch ohne diesbezügliche Berufungsrüge zu berücksichtigen (siehe oben unter B II 1 b).

Von daher ist zur Prüfung etwaiger Schadensersatzansprüche der Klägerin auch insoweit eine (erstmalige) Beweisaufnahme zur Frage der Aktivlegitimation der Klägerin veranlasst.

III.

Das angefochtene Urteil leidet damit in mehrfacher Hinsicht an Verfahrensfehlern. Insbesondere erhebt die Berufung der Klägerin zu Recht die Verfahrensrüge der unterbliebenen Beweiserhebung. Die Verletzung der Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO wie auch das Übergehen des entsprechenden Sachvortrags und der diesbezüglichen Beweisangebote der Beklagten wie auch der Klägerin stellt zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel (im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) dar. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW 2000, 131) und erhebliche Beweisantritte zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2005, 1487 und NJW 1991, 285, 286). Die Nichtberücksichtigung eines entscheidungserheblichen Beweisangebotes verletzt den Anspruch der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 36; 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144; BGH, Beschluss vom 11.07.2007 - IV ZR 112/05).

Der Rechtsstreit war deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auf entsprechenden (Hilfs-)Antrag der Klägerin an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen, da das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist.

Nach § 538 Abs. 1 ZPO hat zwar grundsätzlich das Berufungsgericht die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Die Entscheidung zwischen der Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 ZPO und der eigenen Sachentscheidung gemäß § 538 Abs. 1 ZPO steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Zurückverweisung in der Sache in aller Regel zu einer Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits und zu weiteren Nachteilen führt und dies den schützenswerten Interessen der Parteien entgegenstehen kann (BGH, Urteil vom 10.03.2005 - VII ZR 220/03). Im vorliegenden Fall steht jedoch diesem maßgeblichen Gesichtspunkt der Prozessökonomie entgegen, dass eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich wird und der mit einer Zurückverweisung verbundene zusätzliche Zeit- und Kostenaufwand bei Abwägung gegen den Verlust einer Tatsacheninstanz hier ausnahmsweise zurücktritt.

Das Landgericht wird zunächst der Klägerin Gelegenheit zur weiteren Substanziierung ihres Vortrags einer Schadenskausalität der unterbliebenen Verpackung und zu diesbezüglichen Beweisangeboten einzuräumen haben. Sodann wird es - ggf. unter Berücksichtigung neuen Sachvortrags - gemäß den entsprechenden und zu erwartenden Beweisangeboten der Parteien eine Klärung der Schadensursächlichkeit der fehlenden Verpackung sowie ggf. der Handelsüblichkeit des Unterbleibens einer Verpackung vorzunehmen haben. Falls hiernach Schadensersatzansprüche der Klägerin möglich erscheinen, wird es weiter Beweis zur Aktivlegitimation der Klägerin zu erheben haben.

Bei dieser Sachlage, insbesondere im Hinblick auf die Komplexität des Sachverhalts und die Schwierigkeit der Beweiserhebung scheint die Zurückverweisung sachdienlich, da das Interesse an einer schnellen Entscheidung nicht gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz überwiegt.

Der Rechtsstreit war deshalb gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

C.

1. Die Kostenentscheidung bleibt, auch hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens sowie hinsichtlich der durch die Nebenintervention im Berufungsverfahren verursachten Kosten, der Endentscheidung vorbehalten.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

2. Die Revision war nicht zuzulassen.

a) Zwar kommt in Betracht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

Eine grundsätzliche Bedeutung ist dann anzunehmen, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwerfen würde, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat. Die Frage, ob im Rahmen international einheitlicher Auslegung der Incoterms-Klausel FCA unter Berücksichtigung der Anwendungshinweise der Internationalen Handelskammer der Begriff der „Lieferung“ bzw. des „Verladens“ lediglich die Verbringung der Ware auf das vom Käufer (bzw. vom durch diesen beauftragten Frachtführer) bereitzustellende Fahrzeug meint oder weitergehend auch die Ladungssicherung, ist - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden und kann deshalb als grundsätzlich angesehen werden.

Da der Streitfall Veranlassung geben könnte, Leitsätze für die international einheitliche Auslegung der Incoterms-Klauseln aufzustellen, kann auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts wünschenswert erscheinen lassen. Hierzu könnte Anlass bestehen, wenn es für die rechtliche Beurteilung dieser Klauseln, also eines typischen oder verallgemeinerungsfähigen Lebenssachverhalts, an einer richtungweisenden Orientierungshilfe fehlt.

b) Der Zulassung der Revision steht indes entgegen, dass derzeit eine Entscheidungserheblichkeit der oben genannten Frage der Auslegung der Incoterms-Klausel FCA nicht feststeht. Falls der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Verpackung des Transportgutes bereits Schadensersatzansprüche in klagegegenständlicher Höhe zustehen, kommt es auf die Problematik der Verantwortlichkeit für eine Transportsicherung nicht mehr an. Die Frage des Bestehens von Schadensersatzansprüchen der Klägerin wegen fehlender Verpackung des Transportgutes kann jedoch erst nach abschließender Beweisaufnahme geklärt werden.

Auch wenn eine etwaige Beweisaufnahme die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin ergeben würde, wäre die Verantwortlichkeit der Beklagten für eine Transportsicherung nicht mehr entscheidungserheblich.

Grundsätzliche Bedeutung wie auch Fortbildung des Rechts setzen indes eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 19.02.2013 - VIII ZR 178/12, GuT 2013, 25, Tz. 4 nach juris; Beschluss vom 04.07.2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221). Die Frage der Zulassung der Revision stellt sich demgemäß erst im Rahmen einer Schlussentscheidung nach vorangegangener Beweiserhebung.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

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(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem V

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(1) Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern. (2) Der Absender wird verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen. (3) Die Vorschriften dieses U

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die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 34/99 Verkündet am:
11. September 2000
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen hat die Vertragsauslegung in
erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarung
und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen.

b) Beruft sich eine Vertragspartei auf einen vom eindeutigen Wortlaut des
Vertrages abweichenden übereinstimmenden Willen der Vertragspartner,
so obliegt ihr für die dem zugrundeliegenden auslegungsrelevanten Umstände
die Darlegungs- und Beweislast.

c) Zur Auslegung einer Vorrangklausel hinsichtlich der Verteilung des Erlöses
aus der Sicherheitenverwertung in einem Konsortialkreditvertrag.
BGH, Urteil vom 11. September 2000 - II ZR 34/99 - OLG Schleswig
LG Kiel
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und
die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 30. Dezember 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als ihre Berufung in Höhe des Zahlungsantrags von 688.269,24 DM nebst Zinsen (Versteigerungserlösdifferenz von 684.111,73 DM sowie Versteigerungskosten von 4.157,51 DM) zurückgewiesen worden ist.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Am 26. September/11. Oktober 1996 schlossen die Parteien, Geschäftsbanken , einen Konsortialkreditvertrag. Danach sollte die Beklagte den Eheleuten D. (Schuldner) im eigenen Namen ein Darlehen in Höhe von 5 Mio. DM gewähren. Im Innenverhältnis hatte die Klägerin der Beklagten zur Valutierung des Kredits 4 Mio. DM zur Verfügung zu stellen. Dementsprechend war nach § 2 des Vertrages das Kreditrisiko von der Klägerin in Höhe von 4 Mio. DM und von der Beklagten in Höhe von 1 Mio. DM zu tragen. Die Zinsleistungen der Schuldner und die bei einer Verwertung der Sicherheit entstehenden Kosten sollten unter den Parteien im Verhältnis der Beteiligung von 4:1 aufgeteilt werden. Gemäß § 3 Abs. 2 des Vertrages stellten die Schuldner der Beklagten zur Darlehenssicherung eine Grundschuld am "Gut R. " in Höhe von 5 Mio. DM. Nach § 3 Abs. 3 sollten von der Beklagten für weitere Kredite hereingenommene Sicherheiten nicht als gemeinsame Sicherheiten gelten. Im Anschluß daran heißt es in § 3 Abs. 4 des Vertrages:
"Gewährt die B. (Beklagte) später den Eheleuten Dr. D. Kredite außerhalb dieses Konsortialvertrages, so gelten die dann hereingenommenen Sicherheiten nicht als gemeinsame Sicherheiten. An der Sicherheit partizipiert die No. (Klägerin) mit einem erstrangigen Teilbetrag in Höhe von 4.000.000,-- DM, die B. mit einem nachrangigen Teilbetrag in Höhe von 1.000.000,-- DM." Der Beklagten, die die Sicherheit zugleich als Treuhänderin für die Klägerin hielt, oblag auch die Kreditkündigung und die Verwertung der Sicherheit. Nachdem der Kredit notleidend geworden war, kam es auf Antrag der Beklagten zur Zwangsversteigerung des mit der Grundschuld belasteten Grundstücks. Im Versteigerungstermin vom 21. August 1996 gab die Klägerin das höchste
Gebot mit 4 Mio. DM ab; das höchste Drittgebot belief sich auf 2,4 Mio. DM. Da die Beklagte jedoch in dieser Situation die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung beantragte und bewilligte, wurde der Klägerin der Zuschlag versagt. Aufgrund einer am 5. November 1996 von der Klägerin erwirkten einstweiligen Verfügung setzte die Beklagte das Zwangsversteigerungsverfahren fort. Am 14. Mai 1997 wurde das Grundstück von der N. GmbH - einer Tochtergesellschaft der Klägerin - gegen ein bares Meistgebot von 3.510.000,-- DM ersteigert. Von dem an die Beklagte in Höhe von 3.384.500,13 DM ausgekehrten Versteigerungserlös führte diese - entsprechend der von ihr für zutreffend erachteten Beteiligungsquote von 4:1 - am 1. Juli 1997 lediglich 2.800.400,10 DM an die Klägerin ab. Die Klägerin hat bereits nach dem ersten Versteigerungstermin Klage auf Feststellung erhoben, daß ihr der Versteigerungserlös bis zur Höhe von 4 Mio. DM allein zustehe und daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr den durch Bewilligung der einstweiligen Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens am 21. August 1996 entstehenden Schaden zu ersetzen. Nachdem das Landgericht die Feststellungsklage abgewiesen hat, ist die Klägerin nach der zwischenzeitlichen Versteigerung des Grundstücks mit der Berufung zur Leistungsklage auf Zahlung von insgesamt 815.551,08 DM nebst Zinsen übergegangen. Dabei errechnet sie die Differenz des Versteigerungserlöses auf 684.111,73 DM; ferner beansprucht sie Ersatz der angeblich durch den zweiten Versteigerungstermin zusätzlich angefallenen Verfahrenskosten von 4.157,51 DM sowie streitiger Refinanzierungskosten von 127.281,84 DM, weil der Versteigerungserlös ihr um 263 Zinstage verspätet zugeflossen sei. Das Berufungsgericht hat durch Zurückweisung der Berufung zugleich die Zahlungsklage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist in Höhe eines Teilbetrages von 688.269,24 DM nebst Zinsen (Differenz des Versteigerungserlöses von 684.111,73 DM sowie zusätzliche Versteigerungskosten von 4.157,51 DM) begründet und führt insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung. Wegen des weitergehenden Zahlungsbegehrens von 127.281,84 DM (Refinanzierungskosten) ist das Rechtsmittel hingegen unbegründet.
I. Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, die Klägerin könne aus § 3 Abs. 4 Satz 2 des Konsortialvertrages keinen Anspruch auf vorrangige Befriedigung aus der Grundschuld bis zur Höhe eines erstrangigen Teilbetrages von 4 Mio. DM ableiten, weil diese Regelung in auffälligem Widerspruch zu sonstigen Vertragsbestimmungen stehe, die eine gleichrangige pro-rata Beteiligung am Kreditrisiko im Verhältnis 4:1 beinhalteten. Da § 3 Abs. 4 Satz 1 das Verhältnis der Parteien bezüglich anderer Sicherheiten für außerhalb des Konsortialvertrages stehende Kredite der Beklagten an die Darlehensnehmer regele, könne die umstrittene Klausel - entsprechend dem Beklagtenvortrag - auch so zu verstehen sein, daß sie lediglich für den - hier nicht vorliegenden - Konfliktfall der Konkurrenz der Grundschuld mit anderen Sicherheiten gelten solle. Bei einem derartigen Verständnis des § 3 Abs. 4 Satz 2 des Vertrages obliege es der Klägerin, einen davon abweichenden Inhalt der Bestimmung darzulegen und zu beweisen. Deren unter Zeugenbeweis gestelltes Vorbringen, daß nach den Vertragsverhandlungen ihr in jedem Falle der Vorrang bis zum Gesamterlös von 4 Mio. DM habe gebühren sollen, sei mangels konkreter Einzelheiten
unsubstantiiert, mithin einer Beweiserhebung nicht zugänglich. Hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzes habe die Klägerin trotz Vorliegens einer positiven Forderungsverletzung des Konsortialvertrages durch die Beklagte einen Schaden nicht hinreichend dargetan. Denn letztlich habe sie in jedem Falle den Preis für das Grundstück selbst bzw. durch ihr Tochterunternehmen aufbringen, sich mithin refinanzieren müssen.
Diese Beurteilung hält hinsichtlich der Erlösdifferenz (II) und der weiteren Versteigerungskosten (III) revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand; bezüglich der Finanzierungskosten erweist sich die Klageabweisung hingegen aus anderen Gründen gemäß § 563 ZPO als richtig (IV).
II. Die Auslegung der für die umstrittene Beteiligung der Parteien an der gemeinsamen Sicherheit und am Verwertungserlös maßgeblichen Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 2 des Konsortialvertrages durch das Berufungsgericht verletzt anerkannte Auslegungsgrundsätze und beruht zudem auf einer verfahrensfehlerhaften Feststellung des zugrundeliegenden Erklärungstatbestandes (§ 286 ZPO).
1. Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört es, daß die Vertragsauslegung in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarungen und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen hat (BGHZ 121, 13, 16). Dagegen hat das Berufungsgericht dadurch verstoßen, daß es den Wortlaut der Vorrangklausel in § 3 Abs. 4 Satz 2 des Vertrages von vornherein nur als scheinbar eindeutig und im übrigen als widersprüchlich im Verhältnis zu anderen Vertragsregelungen angesehen hat. Beides trifft nicht zu. Der Wortlaut der Klausel spricht eindeutig
von einer erstrangigen und damit vorrangigen Partizipation der Klägerin an der Sicherheit mit einem Teilbetrag von 4 Mio. DM und - korrespondierend dazu - ebenso eindeutig von der nachrangigen Beteiligung der Beklagten mit einem Teilbetrag von 1 Mio. DM. Da im vorausgehenden Text des § 3 Abs. 2 als konkrete Sicherheit für den Konsortialkredit von 5 Mio. DM die Grundschuld am Objekt "Gut R. " in gleicher Höhe benannt ist, besteht schon von der Wortwahl (Singular) her kein Zweifel daran, daß sich die Vorrangklausel hierauf bezieht. An der Eindeutigkeit des Wortlauts der Vorrangklausel änderte nichts, daß nach den Absätzen 3 Satz 2 und 4 Satz 1 solche Sicherheiten, die für weitere Kreditgewährungen der Beklagten an die Darlehensnehmer hereingenommen werden, nicht als gemeinsame Sicherheiten gelten. Der Regelungsgehalt dieser Bestimmungen über spätere "nicht gemeinsame Sicherheiten" , an denen die Klägerin nicht beteiligt sein soll, läßt keinen unmittelbaren Bezug zu der Vorrangklausel, die vom Wortlaut her ersichtlich die einzige gemeinsame Sicherheit erfaßt, erkennen. Da die Vorrangklausel zudem ohne irgendeine Einschränkung formuliert ist, läßt sie sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - jedenfalls nicht "ohne weiteres so lesen", daß durch sie die Rechte der Klägerin lediglich bei anderweitiger Verwendung der Grundschuld bis zum Nennbetrag des von ihr übernommenen Kreditrisikos nicht geschmälert werden sollen. Sowohl dem Wortlaut als auch der Stellung der Vorrangklausel am Ende des § 3 des Vertrages läßt sich vielmehr bei objektiver Betrachtung entnehmen, daß der Klägerin in jedem denkbaren Falle und nicht nur - wie das Berufungsgericht im Anschluß an den Beklagtenvortrag meint - beschränkt auf die Fälle etwaiger Konkurrenz mit anderen, nicht gemeinsamen Sicherheiten der Vorrang gebühren soll. Ein - vom Berufungsgericht hervorgehobener - Widerspruch der Vorrangklausel im Verhältnis zu anderen Vertragsbestimmungen über das allgemeine Beteiligungsverhältnis der Parteien an dem Konsortialkre-
dit ist nicht erkennbar. Die Formulierung der Verteilung des allgemeinen Kreditrisikos im Verhältnis von 4 Mio. DM zu 1 Mio. DM in § 2 ist lediglich als Grundsatzformulierung anzusehen, die an dieser Stelle schon deshalb notwendig war, weil die zahlenmäßige Beteiligung der Klägerin bei der Valutierung erst in § 6 geregelt wurde. Dementsprechend versteht sich die verhältnismäßige Beteiligung der Klägerin an den Zinsen und die Kostenregelung für die Verwertung in § 5 von selbst.
2. Eine Vertragsauslegung kann zwar auch zu einem vom Wortlaut abweichenden Ergebnis gelangen, wenn sich ein dies rechtfertigender übereinstimmender Wille der Vertragspartner feststellen läßt (§ 133 BGB). Einen solchen übereinstimmenden Willen der Parteien hat das Berufungsgericht jedoch nicht einwandfrei festgestellt, sondern - verfahrensfehlerhaft - einseitig auf die von ihm lediglich vermutete Willensrichtung der Beklagten abgestellt.

a) Dabei hat es - ausgehend von der unzureichenden Berücksichtigung des eindeutigen Vertragswortlauts die Darlegungs- und Beweislast zum Nachteil der Klägerin verkannt. Da nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorrangklausel des § 3 Abs. 4 Satz 2 die Klägerin in jedem Falle erstrangig an der Grundschuld bis zur Höhe von 4 Mio. DM partizipieren soll, obliegt es der Beklagten, Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen, aus denen sich ergibt, daß die Vertragsparteien mit ihren Worten einen vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden, auf die Fälle der Konkurrenz von Sicherheiten beschränkten Sinn verbunden haben (BGHZ 86, 41, 46 m.N.; BGHZ 20, 109, 111 f.).

b) Selbst auf der Grundlage seines unzutreffenden Ausgangspunktes hinsichtlich des Vertragswortlauts und der Darlegungslast hätte das Beru-
fungsgericht das Vorbringen der Klägerin zum Inhalt der Vertragsverhandlungen und dem erklärten Willen der Parteien in bezug auf die Vorrangklausel nicht als unsubstantiiert abtun dürfen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen; genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden; es ist Sache des Tatrichters, bei der Beweisaufnahme die Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach allen Einzelheiten zu fragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen (Sen.Urt. v. 13. Juli 1998 - II ZR 131/97, BGHR ZPO § 138 Abs. 1, Darlegungslast 8 m.w.N.). Diesen Maßstab der Substantiierungslast hat das Berufungsgericht verkannt. Die Klägerin hat mehrfach unter Berufung auf den Zeugen Be. vorgetragen, sie sei bei den Vertragsverhandlungen nur unter der Voraussetzung des absoluten Vorrangs bei der Sicherheitenverwertung in Höhe ihres Kreditengagements zur Beteiligung an dem Konsortialvertrag bereit gewesen, die Beklagte habe sich damit einverstanden erklärt, dies habe entsprechend in § 3 Abs. 4 des Vertrages seinen Niederschlag gefunden. Angesichts dieses klaren, dem Beweis zugänglichen Vorbringens ist nicht erkennbar, was die Klägerin noch zusätzlich zu der von ihr behaupteten Einigung hätte vortragen müssen.
III. Einen Schadensersatzanspruch wegen vertragswidriger Verzögerung der Zwangsversteigerung hat das Berufungsgericht in Höhe der geltend gemachten zusätzlichen Gerichtskosten von 4.157,51 DM ohne hinreichende Begründung verneint. Das Berufungsgericht befaßt sich bei der Prüfung von Ansprüchen aus positiver Forderungsverletzung lediglich mit dem ebenfalls gel-
tend gemachten Vorenthaltungsschaden, der ersichtlich nicht deckungsgleich ist mit den durch die Anberaumung des zweiten Versteigerungstermins zusätzlich entstandenen Versteigerungskosten. Das Berufungsurteil, dem auch insoweit eine tragfähige Begründung fehlt, läßt sich nicht - wie die Beklagte in der Revisionserwiderung geltend macht - nach § 563 ZPO mit dem Argument einer Vorteilsausgleichung aufrechterhalten. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe das Grundstück im zweiten Termin um 500 TDM billiger erstanden als im ersten Termin, geht bereits deshalb fehl, weil Ersteigerer nicht die Klägerin selbst, sondern die mit ihr rechtlich nicht identische N. GmbH war.
IV. Demgegenüber hat die Abweisung der Klage hinsichtlich der angeblichen Refinanzierungskosten in Höhe von 127.281,84 DM im Ergebnis bestand. Ein - von der Klägerin insoweit behaupteter - Vorenthaltungsschaden aus positiver Forderungsverletzung läßt sich allerdings nicht mit der Erwägung verneinen, die Notwendigkeit einer Refinanzierung des für die Ersteigerung des Grundstücks erforderlichen Preises hätte sich in jedem Falle ergeben, so daß ihr durch den späteren Zuschlag per Saldo kein Schaden entstanden sei. Diese Argumentation geht bereits deshalb fehl, weil keine rechtliche Identität zwischen der Klägerin als potentieller Erwerberin im ersten Termin und der

N.

GmbH besteht, die im zweiten Termin das Grundstück tatsächlich ersteigert hat. Gleichwohl hat das Berufungsgericht die Klage insoweit letztlich zu Recht abgewiesen, weil der behauptete Vorenthaltungsschaden nicht schlüssig dargetan ist. Die Prämisse der Klägerin, ihr wäre bei einer erfolgreichen Versteigerung im ersten Termin ein Versteigerungserlös in mindestens der Höhe des im zweiten Termin tatsächlich ausgekehrten Erlöses zu-
geflossen, den sie über die Zeitdifferenz von 263 Zinstagen habe refinanzieren müssen, ist unzutreffend. Bei hypothetischer Betrachtung hätte die Klägerin im ersten Termin das Grundstück selbst ersteigert. In diesem Falle hätte sie das Meistgebot von 4 Mio. DM selbst aufbringen müssen, das ihr - nach Abzug der Kosten - alsbald wieder in Gestalt des Versteigerungserlöses zugeflossen wäre.
V. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache weiterer Feststellungen durch das Berufungsgericht. Der Senat hat von der Zurückverweisungsmöglichkeit gemäß § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht. 1. Hinsichtlich des Versteigerungserlöses wird das Oberlandesgericht nunmehr auf der Grundlage der anders gelagerten Darlegungs- und Beweislast zum Vorbringen der Beklagten hinsichtlich eines vom Wortlaut abweichenden Inhalts der Parteivereinbarungen zu § 3 Abs. 4 Satz 2 des Vertrages Beweis zu erheben haben.
2. Zu den bestrittenen Mehrkosten der Versteigerung in Höhe von 4.157,51 DM wird das Oberlandesgericht die insoweit bislang völlig fehlenden Feststellungen nachholen müssen.
Röhricht Hesselberger Goette
Kurzwelly Kraemer

(1) Soweit sich aus den Umständen oder der Verkehrssitte nicht etwas anderes ergibt, hat der Absender das Gut beförderungssicher zu laden, zu stauen und zu befestigen (verladen) sowie zu entladen. Der Frachtführer hat für die betriebssichere Verladung zu sorgen.

(2) Für die Lade- und Entladezeit, die sich mangels abweichender Vereinbarung nach einer den Umständen des Falles angemessenen Frist bemißt, kann keine besondere Vergütung verlangt werden.

(3) Wartet der Frachtführer auf Grund vertraglicher Vereinbarung oder aus Gründen, die nicht seinem Risikobereich zuzurechnen sind, über die Lade- oder Entladezeit hinaus, so hat er Anspruch auf eine angemessene Vergütung (Standgeld).

(4) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, für die Binnenschiffahrt unter Berücksichtigung der Art der zur Beförderung bestimmten Fahrzeuge, der Art und Menge der umzuschlagenden Güter, der beim Güterumschlag zur Verfügung stehenden technischen Mittel und der Erfordernisse eines beschleunigten Verkehrsablaufs die Voraussetzungen für den Beginn der Lade- und Entladezeit, deren Dauer sowie die Höhe des Standgeldes zu bestimmen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 108/12
Verkündet am:
7. November 2012
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
CISG Art. 8, Art. 9, Art. 31; ZPO § 29

a) Ist bei einem internationalen Warenkauf als Lieferklausel der Incoterm DDP (geliefert
verzollt) benannter Bestimmungsort vereinbart worden, ist für die Bedeutung
der Klausel in der Regel auf die Anwendungshinweise der Internationalen Handelskammer
(ICC) zurückzugreifen. Danach hat der Verkäufer die geschuldete
Lieferleistung am benannten Bestimmungsort als Bringschuld zu erfüllen.

b) Für eine an diesen Bestimmungsort anknüpfende gerichtliche Zuständigkeit des
Erfüllungsorts gemäß § 29 ZPO ist es unerheblich, ob sich die Vertragsparteien
dieser Wirkungen bei Vereinbarung der Lieferklausel bewusst waren.
BGH, Urteil vom 7. November 2012 - VIII ZR 108/12 - OLG Köln
LG Köln
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin
Dr. Hessel, die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin
Dr. Fetzer

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 29. Februar 2012 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die in K. ansässige und in der Rechtsform einer GmbH firmierende Klägerin bezog von der in Südkorea ansässigen und in der Rechtsform einer Limited firmierenden Beklagten seit 2003 in ständiger Geschäftsbeziehung Glasfasern (Lichtwellenleiter). Diese verarbeitete die Klägerin zu Glasfaserkabeln und belieferte damit Energieversorgungsunternehmen, die die Kabel unter anderem an Telekommunikationsunternehmen zur schnellen Datenübertragung vermieteten. Mehrere Endkunden der Klägerin rügten in der Folgezeit temperaturabhängige Dämpfungsphänomene, die zu einer Reduzierung der Datenübertragungsgeschwindigkeit führten. Ob diese von der Klägerin als Mangel angesehenen Phänomene auf einer fehlerhaften Produktion der von der Beklagten gelieferten Lichtwellenleiter oder auf deren mangelhafter Verarbeitung durch die Klägerin beruhen, ist zwischen den Parteien streitig.
2
Die Klägerin, die von den Mängeln nur Glasfasern als betroffen ansieht, die nach dem 1. März 2005 bestellt wurden, verlangt von der Beklagten mit ih- rer bei dem Landgericht Köln erhobenen Klage Schadensersatz. Die von ihr angenommene Zuständigkeit des Landgerichts Köln stützt sie darauf, dass ihre Bestellungen neben einem Verweis auf ihre Einkaufsbedingungen 05/2003 jeweils den Zusatz "Terms of delivery: DDP Cologne" enthielten und dass die Rechnungen und Transportdokumente der Beklagten, die selbst keine Auftragsbestätigungen versandt hatte, ebenfalls auf die Incoterm-Klausel DDP Cologne verwiesen.
3
Auf die Rüge einer fehlenden internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts durch die Beklagte, die außerdem hilfsweise im Wege der Aufrechnung und Widerklage die Bezahlung von noch offenen Rechnungen geltend macht, hat das Landgericht die Klage wegen einer fehlenden internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte als unzulässig abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat das Urteil auf die Berufung der Klägerin aufgehoben, das Landgericht Köln zur Entscheidung des Rechtsstreits für international zuständig erklärt und im Übrigen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf die Rüge einer fehlenden internationalen Zuständigkeit gestütztes Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5
Das Berufungsgericht (OLG Köln, Urteil vom 29. Februar 2012 - 16 U 57/11, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6
Die Klägerin könne sich für eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zwar nicht auf eine dahingehende Gerichtsstandsklausel in ihren Ein- kaufsbedingungen stützen, da die erstmals im Berufungsrechtszug vorgelegten Bedingungen nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen seien und die Klägerin auch keinen schlüssigen Vortrag zu einer wirksamen Einbeziehung dieser Bedingungen in die Lieferverhältnisse gehalten habe. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Köln folge aber aus § 29 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit dem den streitgegenständlichen Lieferungen zugrundeliegenden Incoterm Delivered Duty Paid (DDP). Diese habe den Inhalt „Lieferung nach Köln frachtfrei und verzollt“ und bestimme - da die EuGVVO nicht zur Anwendung komme - Köln als den auch für die internationale Zuständigkeit maßgeblichen Erfüllungsort gemäß § 29 ZPO. Insoweit komme es auf das anwendbare materielle Recht an, das hier dem UN-Kaufrechtsübereinkommen (CISG) zu entnehmen sei, da die Klägerin ihre Ansprüche ausschließlich aus Lieferungen nach dem 1. März 2005 herleite und nach diesem Zeitpunkt das Übereinkommen sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Südkorea geltendes Recht gewesen sei.
7
Nach dem Übereinkommen sei Erfüllungsort für den Schadensersatz wegen mangelhafter Lieferung der Ort, an den die Ware zu liefern gewesen sei. Dieser Ort sei nach Art. 31 CISG zwar grundsätzlich der Ort der Niederlassung des Verkäufers. Anderes gelte aber, wenn die Ware nach den Vereinbarungen der Parteien an einen anderen Ort zu liefern gewesen sei. Eine solche, formlos mögliche Vereinbarung hätten die Parteien hier mit der Klausel DDP Cologne getroffen. Denn der Incoterm DDP enthalte die Vereinbarung, dass der Verkäufer die Ware dem Käufer am benannten Bestimmungsort zur Verfügung stellen müsse, und treffe damit entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur eine Regelung zur Gefahr- und Kostentragung, sondern - wie die Anwendungshinweise des Incoterm DDP zu den dortigen Gliederungspunkten A und B 4 bis 6 zeigten - eine Vereinbarung über den Lieferort als Leistungsort im Sinne einer Bringschuld. Insoweit unterscheide sich der Fall von der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Dezember 1996 (VIII ZR 154/95), in der die Sichtweise der Vorinstanz gebilligt worden sei, dass es sich bei der Klausel "Lieferung: frei Haus B. unverzollt" lediglich um eine Regelung zur Gefahrtragung und zu den Transportkosten gehandelt habe. Denn im Gegensatz zu dieser Klausel, der im Handelsverkehr kein typischer, eindeutiger Erklärungswert zukomme, enthielten die Incoterms zum Inhalt der Klausel DDP nähere, für deren Auslegung maßgebliche Bestimmungen, wonach diese Klausel auch den Lieferort regele.
8
Entgegen der Auffassung des Landgerichts liege in einer Vereinbarung über den Lieferort zugleich eine die gerichtliche Zuständigkeit begründende Vereinbarung über den Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO, ohne dass es hierzu einer weiteren, auf die Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit gerichteten Willensübereinstimmung der Parteien bedürfe. Denn § 29 Abs. 2 ZPO, dessen besondere Voraussetzungen hier vorlägen, gehe davon aus, dass eine Vereinbarung über den Erfüllungsort grundsätzlich auch Auswirkungen auf den Gerichtsstand habe, ohne dass es darauf ankomme, ob diese Folge der Beklagten bewusst gewesen sei oder ob weitere Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Vereinbarung des Erfüllungsortes auch den Gerichtsstand habe erfassen sollen. Die Verknüpfung zwischen der Vereinbarung des Erfüllungsortes und dem dort begründeten Gerichtsstand folge nicht aus der Willenseinigung der Parteien auf einen Gerichtsstand. Dies ergebe sich vielmehr aus den entsprechenden Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit, welche unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe einen Gerichtsstand an dem Ort begründeten, an dem die betreffende Verpflichtung nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zu erfüllen sei. Insoweit folge entgegen der Auffassung der Beklagten aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. April 2009 (VIII ZR 156/07), in dem es um den Incoterm FOB und - anders als hier - um Ansprüche auf Kaufpreiszahlung gegangen sei, nichts Gegenteiliges.

II.

9
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
10
Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte , die in jeder Lage des Verfahrens, und zwar auch noch im Revisionsverfahren , von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 - IV ZR 164/11, WM 2012, 1582 Rn. 22 mwN), und damit die Zuständigkeit des Landgerichts Köln zu Recht für gegeben erachtet. Die Zuständigkeit folgt aus § 29 ZPO, weil die Parteien durch den von ihnen verwendeten Incoterm (International Commercial Term, herausgegeben von der Internationalen Handelskammer ) DDP Cologne Köln als Erfüllungsort vereinbart und darüber zugleich - als Formkaufleute im Sinne von § 6 Abs. 1 HGB nach § 29 Abs. 2 ZPO wirksam - die Zuständigkeit des hier bestehenden Gerichts begründet haben.
11
1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften. Dies sind, da nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts eine (wirksame) Vereinbarung über die Zuständigkeit im Sinne von Art. 23 EuGVVO nicht vorliegt und die Bestimmungen der EuGVVO nach deren Art. 4 Abs. 1 auch sonst nicht zur Anwendung kommen, die Vorschriften der deutschen Zivilprozessordnung. Nach deren § 29 Abs. 1 ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Das betrifft nicht nur die örtliche Zuständigkeit. Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes begründet im Regelfall zugleich auch die internationale Zuständigkeit der an diesem Ort bestehenden Gerichte (BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 - X ZR 71/10, BGHZ 188, 85 Rn. 13; vom 4. Dezember 1996 - VIII ZR 306/95, NJW-RR 1997, 690 unter II 1; vom 3. Dezember 1992 - IX ZR 229/91, BGHZ 120, 334, 347).
12
2. Die Schadensersatzpflicht, die Gegenstand der Klage ist, ist von der Beklagten an dem durch den vereinbarten Incoterm DDP Cologne bestimmten Leistungsort Köln und damit in Deutschland zu erfüllen.
13
a) Für die Zuständigkeit der Gerichte, die über die erhobenen Ansprüche zu entscheiden haben, kommt es nach § 29 Abs. 1 ZPO auf den Erfüllungsort für die jeweils streitige Verpflichtung an. Dieser bestimmt sich danach, wo aufgrund materiell-rechtlicher Vorschriften oder aufgrund (ausdrücklicher oder konkludenter ) Parteivereinbarung die im Streit befindliche vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist (Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 29 Rn. 15; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 29 Rn. 26, 32). Bei gegenseitigen Verträgen besteht deshalb im Allgemeinen kein einheitlicher Erfüllungsort; dieser ist vielmehr für jede aus dem Vertrag folgende Verpflichtung gesondert zu bestimmen (BGH, Urteile vom 24. Januar 2007 - XII ZR 168/04, NJW-RR 2007, 777 Rn. 12; vom 4. März 2004 - IX ZR 101/03, WM 2004, 2038 unter 1; jeweils mwN).
14
Allerdings muss die klageweise geltend gemachte Verpflichtung - hier der Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung vertraglicher Verpflichtungen durch die Lieferung mangelhafter Ware - nicht (anspruchs-)identisch sein mit der ihr zugrunde liegenden (Liefer-)Verpflichtung, um deren ordnungsgemäße Erfüllung der eigentliche Streit geht. Maßgeblich für die Erfüllungsortzuständigkeit ist vielmehr die dem erhobenen Anspruch zugrunde liegende Vertragspflicht , deren Verletzung gerügt wird (BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 - X ZR 71/10, aaO Rn. 29). Dementsprechend erfasst der Gerichtsstand des Erfüllungsortes einer Primärverbindlichkeit auch Klagen auf Schadensersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung von Haupt- und Nebenpflichten (BGH, Urteile vom 6. November 1973 - VI ZR 199/71, WM 1974, 182 unter B II 2, 3; vom 11. Dezember 1996 - VIII ZR 154/95, BGHZ 134, 201, 205 mwN [zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ]; österr. OGH, Beschluss vom 29. März 2004 - 5 Ob 313/03w, RISJustiz RS0117841 mwN [zu Art. 5 EuGVÜ]; OLG Saarbrücken, NJW 2000, 670, 671; Musielak/Heinrich, aaO, § 29 Rn. 16 mwN). Der Erfüllungsort solcher Se- kundärverbindlichkeiten folgt daher grundsätzlich dem Erfüllungsort der verletzten Primärverbindlichkeit, hier also dem Erfüllungsort für die Verpflichtung der Beklagten zur Lieferung der bestellten Ware in mangelfreiem Zustand.
15
b) Der Erfüllungsort der verletzten Vertragspflicht bestimmt sich nach dem für das Vertragsverhältnis maßgeblichen und gegebenenfalls nach deutschem Kollisionsrecht zu bestimmenden materiellen Recht; er wird also lege causae durch Rückgriff auf das Vertragsstatut qualifiziert (BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 - X ZR 71/10, aaO mwN; vom 24. Januar 2007 - XII ZR 168/04, aaO Rn. 11; vom 3. Dezember 1992 - IX ZR 229/91, aaO mwN). Das ist - wovon auch das Berufungsgericht unangegriffen ausgeht - gemäß dem zum Zeitpunkt der Bestellungen noch geltenden Art. 3 Abs. 2 EGBGB aF das UNKaufrechtsübereinkommen (CISG), dessen in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a CISG beschriebene Anwendungsvoraussetzungen hier gegeben sind. Der Erfüllungsort entspricht dabei grundsätzlich dem Leistungsort, an dem die verletzte Vertragspflicht nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht zu erfüllen war (BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20, 23 mwN; Urteile vom 4. März 2004 - IX ZR 101/03, aaO; vom 24. Januar 2007 - XII ZR 168/04, aaO), also dem Ort, an dem der Schuldner die von ihm zu erbringende Leistungshandlung vorzunehmen hatte (Stein/Jonas/Roth, aaO, § 29 Rn. 3; BeckOK-ZPO/Toussaint, Stand 15. Juli 2012, § 29 Rn. 18).
16
aa) Die Regeln zur Bestimmung des Leistungsortes für die als verletzt gerügte Pflicht der Beklagten zur Lieferung vertragsgemäßer Ware (Art. 30, 35 CISG) und einen hieraus für die prozessualen Zuständigkeiten abgeleiteten Erfüllungsort finden sich in Art. 31 CISG (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1996 - VIII ZR 154/95, aaO S. 205 f. [zu Art. 5 EuGVÜ]; schweiz. Bundesgericht , IHR 2010, 112, 114 mwN [zu Art. 5 LugÜ]). Dieser enthält in Buchstabe a eine Auslegungsregel dahin, dass bei einem Beförderungskauf - wie er hier vorliegt - der Verkäufer die Ware dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer zu übergeben hat und der Lieferort deshalb am Ort dieser Übergabe liegt, es sei denn, der Verkäufer hat die Ware nach einem bestimmten anderen Ort zu liefern. Eine solche von der Auslegungsregel abweichende Abrede liegt entgegen der Auffassung der Revision in dem hier zu den "Terms ofdelivery" vereinbarten Incoterm DDP Cologne.
17
bb) Die Vereinbarung eines die Auslegungsregel des Art. 31 CISG beiseite schiebenden Erfüllungsortes kann in der - hier vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejahten - Vereinbarung einer Handelsklausel liegen, nach deren schlagwortartig umschriebenem Regelungsgehalt der Lieferort abweichend vom Ort der Übergabe an den ersten Beförderer etwa dahin bestimmt wird, dass der Lieferort und der Ort, an dem der Käufer die Ware zu übernehmen hat, anders als bei der Regel des Art. 31 Buchst. a CISG nicht auseinander fallen, sondern der Lieferort am Bestimmungsort, das heißt dort liegt, wohin der Verkäufer die Ware zwecks Übernahme durch den Käufer zu liefern hat (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2009 - VIII ZR 156/07, NJW 2009, 2606 Rn. 18 f. mwN [zum Incoterm FOB]). Eine solche Fallgestaltung ist auch bei Vereinbarung des in Rede stehenden Incoterm DDP (= geliefert verzollt) benannter Bestimmungsort (hier Köln) gegeben.
18
(1) Diese zu den Ankunftsklauseln gerechnete Klausel wird gemeinhin so verstanden, dass der Verkäufer zur Erfüllung seiner Lieferpflicht die Ware dem Käufer an dem als Bestimmungsort genannten Ort im Einfuhrland zur Verfügung zu stellen und bis dorthin die Kosten einschließlich der zur Einfuhrfreimachung zu entrichtenden Abgaben sowie alle Gefahren zu tragen hat (OLG Hamm, Urteil vom 9. September 2011 - 19 U 88/11, juris Rn. 28; Joost in Ebenroth /Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 346 Rn. 108, 111; Oetker/Pamp, HGB, 2. Aufl., § 346 Rn. 80; Ensthaler/B. Schmidt, HGB, 7. Aufl., § 346 Rn. 35; Heymann/Horn, HGB, 2. Aufl., § 346 Rn. 109; Röhricht/Graf von Westphalen/ Wagner, HGB, 3. Aufl., § 346 Rn. 60, 76; MünchKommBGB/Westermann, 6. Aufl., § 447 Rn. 12; Honsell/Ernst/Lauko, Kommentar zum UN-Kaufrecht, 2. Aufl., Art. 31 Rn. 17, 49; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 5. Aufl., Art. 31 Rn. 76; Piltz, RIW 2000, 485, 486; ders. in Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas, UN-Convention on Contracts for the International Sale of Goods, 2011, Art. 30 Rn. 36; Schackmar, Die Lieferpflicht des Verkäufers in internationalen Kaufverträgen, 2001, Rn. 368, 370). Entsprechende Erläuterungen zu dieser Klausel finden sich auch in den Anwendungshinweisen der zum Bestellzeitpunkt maßgeblichen Incoterms 2000 (abgedruckt etwa bei Ensthaler, aaO, Anhang nach § 346) unter A 4 und B 4, wonach der Verkäufer die Ware dem Käufer auf dem ankommenden Beförderungsmittel unentladen am benannten Bestimmungsort zur vereinbarten Zeit zur Verfügung zu stellen und der Käufer die Ware abzunehmen hat, wenn sie dementsprechend geliefert worden ist.
19
(2) Diesem Verständnis gemäß wird in der Vereinbarung einer Klausel der D-Gruppe der Incoterms und insbesondere des Incoterms DDP benannter Bestimmungsort, der insoweit das Gegenstück zum Incoterm EXW darstellt, einhellig die Vereinbarung einer von den Auslegungsregeln des Art. 31 CISG abweichenden Bringschuld gesehen (Staudinger/Magnus, BGB, Neubearb. 2005, Art. 31 Rn. 31; Honsell/Ernst/Lauko, aaO; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer , aaO; MünchKommHGB/Benicke, 2. Aufl., Art. 31 CISG Rn. 29 f.; Piltz, RIW 2000, 486). Für eine solche Schuld ist kennzeichnend, dass der vom Verkäufer auf eigene Gefahr durchzuführende Transport noch zum Pflichtenkreis seiner Lieferpflicht gehört und seine Lieferhandlung darin besteht, dass er dem Käufer die Ware am Bestimmungsort zu übergeben, zumindest aber zwecks Übernahme oder Abholung zur Verfügung zu stellen hat (Saenger in Ferrari/ Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Schulze/Staudinger, Internationales Vertragsrecht , 2. Aufl., Art. 31 CISG Rn. 19; Honsell/Ernst/Lauko, aaO Rn. 49; MünchKommHGB/Benicke, aaO Rn. 30; Brunner, UN-Kaufrecht, 2004, Art. 31 Rn. 7; Piltz in Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas, aaO, Art. 31 Rn. 63, 65). Dementsprechend liegt hier der Leistungsort für die von der Beklagten vorzunehmende Lieferhandlung an dem in der Klausel benannten Bestimmungsort Köln, wo sie der Klägerin jeweils die gelieferte Ware zur Übernahme anzubieten hatte.
20
cc) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , dass die Parteien mit der Verwendung des Incoterm DDP Cologne nicht nur eine auf die Gefahr- und Kostentragung beschränkte Regelung getroffen hätten, wie dies bei so genannten Frei-Klauseln bisweilen angenommen wird, sondern in Übereinstimmung mit den Anwendungshinweisen der Incoterms eine Vereinbarung über den Ort der Lieferpflicht und damit eine Bringschuld der Beklagten vereinbart hätten. Der Auffassung des Berufungsgerichts steht - anders als die Revision meint - insbesondere nicht entgegen, dass die von ihm herangezogenen Anwendungshinweise lediglich abdingbare Auslegungsregeln zu den unter den einzelnen Klauseln zusammengefassten Rechten und Pflichten der Vertragsparteien bei Außenhandelsgeschäften enthalten, die sich an der von der Internationalen Handelskammer (im Folgenden: ICC) weltweit feststellbaren Praxis orientieren (vgl. Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, Einl. Rn. 13; MünchKommHGB/K. Schmidt, aaO, § 346 Rn. 111; Oetker/Pamp, aaO, § 346 Rn. 72 f.), und dass die Parteien bei Verwendung der DDP-Klausel nicht ausdrücklich auf die Incoterms und die zum Zeitpunkt der Vertragsschlüsse maßgebliche Fassung des Jahres 2000 hingewiesen haben.
21
(1) Das Berufungsgericht stellt auf der Grundlage des dahingehend in den Tatsacheninstanzen übereinstimmend gehaltenen Vortrags der Parteien fest, dass es sich bei der von den Parteien verwendeten DDP-Klausel um einen Incoterm handelt. Soweit die Revision erstmals geltend macht, dass es bei Vereinbarung der Klausel an einer Bezugnahme auf das Regelwerk der Incoterms gefehlt habe, kann dies die Einordnung der Klausel als Incoterm nicht in Frage stellen. Abgesehen davon, dass diese Einordnung dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien in den Tatsacheninstanzen entsprochen hat, zeigt die Revision auch keine Einordnung der Klausel in andere Regelwerke oder deren Verwendung außerhalb der Incoterms mit einem eigenständigen oder gar zum Nachteil der Klägerin abweichenden Bedeutungsgehalt auf. Im Gegenteil ist die DDP-Klausel erstmals überhaupt im Rahmen der Überarbeitung der Incoterms von 1967 zur Verfügung gestellt und seither als Incoterm fortgeführt worden, um die bei einer Verwendung der bis dahin vorgesehenen Klausel "frachtfrei (benannter Bestimmungsort)" angesichts ihrer Nähe zu Frei- oder Franco-Klauseln bestehenden Unklarheiten, ob es sich nur um eine Kosten- und Gefahrtragungsregelung bei einem Versendungskauf oder um eine Ankunftsklausel bei Fernkäufen handelt, zu beseitigen und durch den Klauselzusatz "geliefert" im letztgenannten Sinne zu regeln (vgl. Eisemann, Die "Incoterms", 1976, S. 227 f.; Liesecke, WM 1978, Sonderbeil. 3 S. 30).
22
(2) Entgegen der Auffassung der Revision begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht den vereinbarten Incoterm DDP Cologne als eine Regelung über den Lieferort verstanden und dazu auf die Anwendungshinweise der ICC zu dieser Klausel zurückgegriffen hat. Der Senat ist in seinem Urteil vom 18. Juni 1975 (VIII ZR 34/74, WM 1975, 917 unter II) davon ausgegangen, dass ein Incoterm (hier: FOB) auch dann mit dem Inhalt der dafür bestehenden Auslegungsregeln der ICC zur Anwendung kommt, wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart ist. Diese Sichtweise, die der Senat in seinem Urteil vom 22. April 2009 (VIII ZR 156/07, aaO Rn. 18, 20) aufgegriffen hat (ebenso OLG Hamm, Urteil vom 9. September 2011 - 19 U 88/11, aaO) und die sich - vornehmlich gestützt auf Art. 9 Abs. 2 CISG - verbreitet auch in der jüngeren ausländischen Rechtsprechung zum internationalen Warenkauf findet (vgl. die Nachweise bei UNCITRAL Digest of Case Law on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, 2012, S. 68, 70; Magnus/Lüsing, IHR 2007, 1, 7; Perales Viscasillas in Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas, aaO, Art. 9 Rn. 38), wird ebenfalls vom Gerichtshof der Europäischen Union für die Auslegung von Incoterm-Klauseln (hier: EXW) im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO vertreten (EuGH, NJW 2011, 3018 Rn. 23 - Electrosteel). Daran ist auch für einen dem UN-Kaufrecht unterfallenden internationalen Warenkauf festzuhalten.
23
(3) Ohne Erfolg macht die Revision gegen dieses auch der Auffassung des Berufungsgerichts zugrunde liegende Verständnis geltend, dass die Beklagte den vereinbarten Incoterm DDP nur als Regelung der Kosten- und Gefahrtragung , nicht jedoch als eine Bestimmung des Lieferortes verstanden habe. Die Revision stützt ihre Auffassung darauf, dass es jedenfalls nach dem Vortrag der Beklagten in den Tatsacheninstanzen zwischen den Parteien zu keiner Zeit Gespräche über den Gerichtsstand, den Erfüllungsort und das anwendbare Recht gegeben und dass die Klägerin auch nicht den Nachweis geführt habe, dass es sich bei den Anwendungshinweisen zu dieser Klausel um - vom Berufungsgericht nicht festgestellte - Gebräuche im Sinne von Art. 9 Abs. 2 CISG handele, die bei der Auslegung des hier zu beurteilenden Vertragsinhalts zu berücksichtigen wären. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Maßgeblichkeit der vom Berufungsgericht herangezogenen Anwendungshinweise folgt bereits aus einer Vertragsauslegung am Maßstab des Art. 8 CISG, die das Berufungsgericht zwar unterlassen hat, die der Senat aber selbst vornehmen kann, weil hierzu keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind.
24
(a) Ist - wie hier zu unterstellen ist - kein übereinstimmender oder sonst erkennbarer Parteiwille im Sinne von Art. 8 Abs. 1 CISG zur Behandlung des verwendeten Incoterm feststellbar, sind die Vertragserklärungen der Parteien gemäß Art. 8 Abs. 2 CISG so auszulegen, wie eine vernünftige Person der gleichen Art wie die andere Partei sie unter den gleichen Umständen aufgefasst hätte. Dabei sind nach Art. 8 Abs. 3 CISG alle erheblichen Umstände einschließlich bestehender Gebräuche zu berücksichtigen. Zu beachten ist also auch, ob für bestimmte Klauseln, wie dies in den Incoterms geschehen ist, ein international weit verbreitetes Verständnis einheitlich fixiert worden ist, selbst wenn daraus noch kein den Anforderungen des Art. 9 Abs. 2 CISG entsprechender Handelsbrauch erwachsen oder feststellbar ist. Nicht zuletzt mit Rücksicht auf Art. 7 Abs. 1 CISG, wonach bei Auslegung des Übereinkommens unter anderem sein internationaler Charakter und die Notwendigkeit zu berücksichtigen sind, seine einheitliche Anwendung im internationalen Handel zu fördern, wird Art. 8 Abs. 3 CISG hinsichtlich einer Behandlung der Incoterms zutreffend dahin verstanden, dass ein bestimmter Incoterm, selbst wenn er ohne Hinweis auf das zugrunde liegende Regelwerk verwandt worden ist, im Zweifel anhand des verbreiteten und auf weltweite Vereinheitlichung abzielenden Verständnisses auszulegen ist, wie es im Regelwerk der ICC seinen Niederschlag gefunden hat (Magnus/Lüsing, aaO; Staudinger/Magnus, aaO, Art. 8 Rn. 20, Art. 9 Rn. 32; jeweils mwN; Schlechtriem/Schwenzer/Schmidt-Kessel, aaO, Art. 9 Rn. 26; MünchKommHGB/K. Schmidt, aaO, § 346 Rn. 113; MünchKommBGB/ Westermann, aaO, Art. 8 CISG Rn. 4).
25
(b) Die Revision zeigt auch keine Anhaltspunkte in den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen und den sonst zu berücksichtigenden Umständen auf, die gegen das sich aus den Anwendungshinweisen ergebende Verständnis der Klausel als Ankunftsklausel mit dem Lieferort Köln sprächen. Für diese Auslegung und gegen die von der Revision befürwortete Auslegung als bloße Kosten- und Gefahrtragungsklausel spricht vielmehr zusätzlich, dass der Incoterm DDP Cologne in der Bestellung der Klägerin unter "Terms of delivery" und nicht, wie es sonst zu erwarten gewesen wäre, unter "Terms of payment" oder im Zusammenhang mit der Preisstellung aufgeführt worden ist (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1996 - VIII ZR 154/95, aaO S. 207 f.). Dass die Klausel DDP (benannter Bestimmungsort), wie es etwa bei FOB- oder anderen Frei-Klauseln der Fall sein kann (dazu Schackmar, aaO Rn. 100 ff., 167), mit abweichenden Inhalten und dadurch bedingten zusätzlichen Auslegungsanforderungen in anderen Regelwerken oder außerhalb der Incoterms in nationalen Trade Terms vorkäme (vgl. Ferrari, EuLF 2002, 272, 276 f.), ist ebenfalls nicht ersichtlich.
26
3. Der nach materiellem Recht zwischen den Parteien wirksam vereinbarte Leistungsort Köln und der hieraus abgeleitete Erfüllungsort begründen gemäß § 29 Abs. 1 ZPO an diesem Ort eine - auch internationale - gerichtliche Zuständigkeit für die Streitigkeit über den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch (Art. 45 Abs. 1 Buchst. b, Art. 35, 74 CISG).
27
a) Dabei ist es - anders als die Revision unter Berufung auf Äußerungen im Schrifttum (z.B. Schlechtriem/Schwenzer/Widmer, aaO, Art. 31 Rn. 92) annehmen will - ohne Bedeutung, ob den Parteien bei Vereinbarung des Incoterms DDP diese prozessuale Folge bewusst war. Denn auf eine Kenntnis der Parteien von der zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer Erfüllungsortsvereinbarung kommt es grundsätzlich nicht an. Diese Wirkung folgt vielmehr unmittelbar aus der in § 29 ZPO als der lex fori vorgenommenen Anknüpfung an den sich nach der lex causae ergebenden Leistungsort, gleich ob dieser unmittelbar nach dem Gesetz, nach einer gesetzlichen Regel oder rechtsgeschäftlich bestimmt worden ist. Auf die vom jeweiligen Prozessrecht autonom zu bestimmenden und ex lege eintretenden prozessualen Wirkungen und Folgen solcher Anknüpfungen braucht sich der Parteiwille dabei nicht zu erstrecken, so dass es bei Erfüllungsortsvereinbarungen auch nicht erforderlich ist, dass die Vertragsschließenden sich dieser zusätzlichen Wirkungen und Folgen bewusst sind (RG, Gruchot 54, 676, 679; Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl., § 29 Rn. 97; Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privat- und Zivilprozessrecht, 1985, Rn. 174). Davon ist auch der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 29 ZPO im Rahmen der Gerichtsstandsnovelle des Jahres 1974 ausgegangen, als er Vereinbarungen über den Erfüllungsort nur für den in Absatz 2 genannten Personenkreis noch zuständigkeitsbegründende Wirkungen hatte beimessen wollen, um zu verhindern , dass anderen Verkehrskreisen ein für sie ungünstiger, vom gesetzlichen beziehungsweise wirklichen Leistungsort abweichender Gerichtsstand aufgedrängt werden kann, ohne dass ihnen dies bewusst wird (BT-Drs. 7/268 S. 5 f.).
28
b) Entgegen der Auffassung der Revision besteht vorliegend auch keine Veranlassung, von der durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 29 ZPO indizierten internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte eine Ausnahme zu machen und von einer Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit an die innerstaatliche örtliche Zuständigkeit Abstand zu nehmen. Denn Vertragsgerichtsstände , insbesondere Gerichtsstandsanknüpfungen an einen nach dem Vertrag bestehenden Erfüllungsort (vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht , 5. Aufl., Rn. 288 ff.) oder an den Ort der Vertragswidrigkeit (vgl. Kropholler , Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. 1, 1982, Rn. 346), sind international gebräuchlich. Es konnte deshalb - anders als die Revision etwa unter Bezugnahme auf Saenger (in Ferrari/Kieninger/Mankowski/Otte/ Saenger/Schulze/Staudinger, aaO Rn. 21) meint - für eine ausländische Partei wie die Beklagte nicht überraschend sein, aufgrund eines durch Vereinbarung des Incoterms DDP Cologne für ihre Leistung bestimmten Erfüllungsorts in Deutschland bei Streitigkeiten über eine ordnungsgemäße Erfüllung vor deutschen Gerichten in Anspruch genommen zu werden. Ball Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 29.03.2011 - 87 O 158/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 29.02.2012 - 16 U 57/11 -

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und ihrer Streithelferin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 26. September 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein Speditionsunternehmen, beauftragte die Beklagte im Februar 2011 zu festen Kosten, eine aus mehreren Einzelteilen bestehende Klimaanlage aus der Türkei nach Lübeck zu befördern. Dort sollten die Teile zum Weitertransport an die russische Empfängerin verschifft werden. Die Beklagte betraute mit dem Transport ihrerseits die in der Türkei ansässige Streithelferin.

2

Die Streithelferin beantragte im März 2011 ausgehend von den Angaben zur Höhe der Packstücke in der Packliste der Verkäuferin bei der deutschen Straßenverkehrsbehörde eine Ausnahmegenehmigung für einen Großraumtransport mit einer Transporthöhe von 4,35 m, die ihr für eine vorgeschriebene Fahrtroute erteilt wurde. Am 9. April 2011 kam es bei einem Sattelzug, der nach Darstellung der Beklagten von Angestellten der Verkäuferin unter Aufsicht eines von der Klägerin abgestellten Mitarbeiters beladen worden war, zu einer Kollision mit der Deckenunterseite einer Autobahnbrücke auf der A 5 in Fahrtrichtung Kassel. Dabei wurde das Transportgut teilweise beschädigt. Die Polizei überprüfte den Sattelzug, der an der Kollision beteiligt war, und drei weitere Sattelzüge der Streithelferin und stellte fest, dass bei allen vier Fahrzeugen die genehmigte Gesamthöhe überschritten war. Bei dem Sattelzug, der mit der Brücke kollidiert war, sowie bei einem weiteren Sattelzug wurde eine maximale Gesamthöhe von 4,51 m gemessen.

3

Die Klägerin macht geltend, sie werde von der russischen Empfängerin auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Schaden belaufe sich nach einer ersten Schätzung der Empfängerin auf etwa 55.000 €.

4

Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von sämtlichen Ansprüchen freizustellen, die von der Empfängerin des Gutes wegen des streitgegenständlichen Transportschadens gegen die Klägerin geltend gemacht werden. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin zurückgewiesen (OLG Schleswig, TranspR 2014, 114 = RdTW 2015, 110).

5

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagte und ihre Streithelferin ihre Anträge auf Abweisung der Klage weiter. Die ordnungsgemäß geladene Klägerin war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

Entscheidungsgründe

6

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden unbeschränkt.

7

Auf den Transport sei das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) anzuwenden. Der Schaden sei während der Obhut der Streithelferin als Subunternehmerin der Beklagten eingetreten. Grundsätzlich greife deshalb die verschuldensunabhängige Haftung nach Art. 17 Abs. 1 CMR. Die Haftung sei nicht nach Art. 17 Abs. 2 CMR ausgeschlossen, da der Schaden nicht unvermeidbar gewesen sei.

8

Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf einen vollständigen oder teilweisen Haftungsausschluss wegen einer mangelhaften Verladung der Packstücke der Klimaanlage gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. c und Abs. 5 CMR berufen, weil sie und ihre Streithelferin einen entsprechenden Mangel nicht hinreichend vorgetragen hätten. Die Klägerin hafte ihrerseits nicht für den entstandenen Schaden. Es gebe keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür, dass die von ihr an die Beklagte weitergeleitete Mitteilung der Verkäuferin über die Höhe der Packstücke unrichtig gewesen sei.

9

Die Beklagte hafte abweichend von Art. 23 Abs. 3 CMR in vollem Umfang. Es liege ein vorsatzgleiches Verhalten (Art. 29 Abs. 1 CMR i.V. mit § 435 HGB) der Streithelferin und des Fahrers des Sattelzuges vor, das der Beklagten zuzurechnen sei. Das Unfallfahrzeug habe mit einer Höhe von 4,51 m die nach der Ausnahmegenehmigung zulässige Höhe von 4,35 m überschritten. Der Frachtführer habe die Einhaltung der Vorgaben in einer Ausnahmegenehmigung wegen des erheblichen Schadensrisikos bei einer Höhenüberschreitung genau zu überwachen. Aufgrund der Fotos vom Zugfahrzeug dränge sich die Annahme auf, dass die genehmigte Höhe überschritten worden sei. Bei einer solchen Sachlage hätte der Fahrer die Höhe nachmessen müssen. Es sei nicht ausreichend, die Höhenangaben für die Packstücke und die Ladungshöhe zu addieren. Der Schaden beruhe auf der Überhöhe. Dass er bei einer Höhe von bis zu 4,35 m eingetreten wäre, sei nicht ersichtlich.

10

II. Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Klägerin, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81; Urteil vom 17. Juli 2013 - I ZR 34/12, GRUR 2014, 298 Rn. 14 = WRP 2014, 164 - Runes of Magic).

11

III. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, dass die Beklagte für den infolge des Unfalls entstandenen Schaden in vollem Umfang verantwortlich ist.

12

1. Das Berufungsgericht ist mit Recht von der Zulässigkeit der auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten gerichteten Klage ausgegangen (§ 256 ZPO). Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden besteht allein in ihrer Belastung mit einer Verbindlichkeit. Der zunächst auf Befreiung von dieser Schuld gerichtete Anspruch geht gemäß § 250 Satz 2 BGB zwar in einen Zahlungsanspruch über, wenn der Schädiger die Leistung ernsthaft und endgültig abgelehnt hat (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1992 - IX ZR 54/92, NJW 1993, 1137, 1138 mwN). Das setzt aber voraus, dass die Klägerin tatsächlich mit einer Verbindlichkeit beschwert ist, weil sie die Schadensersatzforderung der Empfängerin der beschädigten Klimaanlage erfüllen muss. Da die Empfängerin der beschädigten Sendung bisher nur eine Schadensschätzung in Höhe von 70.000 $ und noch keine konkrete Schadensermittlung vorgenommen hat und damit die Höhe der Verbindlichkeit, von der Befreiung verlangt wird, nicht feststeht, kann nur auf Feststellung und nicht auf Leistung geklagt werden (BGH, Urteil vom 16. November 2006 - I ZR 257/03, NJW 2007, 1809 Rn. 20; vgl. MünchKomm.ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., § 253 Rn. 147; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl., § 256 Rn. 29).

13

2. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte in vollem Umfang für den eingetretenen Schaden verantwortlich ist. Die entsprechende Annahme des Berufungsgerichts beruht auf Feststellungen, die Vorbringen der Beklagten und ihrer Streithelferin unberücksichtigt lassen.

14

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den von der Klägerin in Auftrag gegebenen Transport die Bestimmungen der CMR anwendbar sind. Die Vorschriften der CMR gelten nach Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Im Streitfall sollte das Gut mit dem Lkw aus der Türkei nach Lübeck befördert werden. Deutschland und die Türkei gehören zu den Vertragsstaaten der CMR.

15

b) Nach Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für die Beschädigung des Gutes, sofern diese zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Zwischen den Beteiligten ist nicht in Streit, dass im Haftungszeitraum an zwei Packstücken auf dem Sattelzug der Streithelferin ein Schaden eingetreten ist.

16

c) Das Berufungsgericht hat einen Haftungsausschluss nach Art. 17 Abs. 2 CMR verneint. Das nimmt die Revision hin. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

17

d) Die Revision der Beklagten und ihrer Streithelferin wendet sich jedoch mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Haftung der Beklagten sei nicht gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR ganz oder teilweise ausgeschlossen.

18

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Verladung sei zwar grundsätzlich Sache des Absenders. Den Frachtführer, der eine mangelhafte Verladung erkenne, träfen aber Hinweispflichten. Ein Ausschluss der Haftung nach Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR greife ein, wenn die Verladung objektiv dermaßen mangelhaft gewesen sei, dass sie normalen Beförderungsbedingungen nicht entspreche. Die Beklagte und ihre Streithelferin hätten nicht hinreichend dargetan, dass die Verladung der Packstücke der Klimaanlage derart mangelhaft gewesen sei. Die Streithelferin mache ohne nähere Konkretisierung geltend, die Ladung habe sich bei der Vollbremsung verschoben und dies falle in den Verantwortungsbereich der Versenderin und damit der Klägerin. Unklar sei schon, ob die Schäden an den beiden Packstücken durch ein Zusammenschieben der Ladung bei einer Vollbremsung entstanden seien oder entstanden sein könnten. Die vorgelegten Lichtbilder von den beschädigten Packstücken sprächen nicht für ein Verschieben der Ladung. Zur behaupteten Notbremsung trage die Streithelferin nichts Näheres vor.

19

bb) Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

20

(1) Von der Haftung nach Art. 17 Abs. 1 CMR ist der Frachtführer gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR vorbehaltlich des Art. 18 Abs. 2 bis 5 CMR befreit, wenn die Beschädigung des Gutes auf einen Verlade- oder Verstaufehler des Absenders zurückzuführen ist. Dabei umfasst das Verladen nicht nur das Verbringen des Gutes auf das Transportfahrzeug, sondern auch dessen Befestigung und Sicherung auf dem Fahrzeug (vgl. Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 39; MünchKomm.HGB/Jesser-Huß, 3. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 68). Für die Anwendung des besonderen Haftungsausschlusstatbestandes gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR kommt es maßgeblich darauf an, wer die Verladung tatsächlich ausgeführt hat (BGH, Urteil vom 25. Januar 2007 - I ZR 43/04, TranspR 2007, 314 Rn. 17). Hat der Absender die Verladetätigkeit vorgenommen, hat er ordnungsmäßig zu verladen. Dazu gehört, dass durch die Art der Verladung Schäden, die dem Gut während der Beförderung drohen, nach Möglichkeit vermieden werden (§ 412 Abs. 1 HGB; zu Art. 17 KVO: BGH, Urteil vom 21. April 1960 - II ZR 21/58, BGHZ 32, 194, 196 f.). Kommt es zu einer Höherstauung der Ladung wegen einer Notbremsung, spricht dies dafür, dass die Verladung normalen Beförderungsbedingungen nicht entsprochen hat, weil auch Notbremsungen zu den vorhersehbaren Transportbedingungen zählen (vgl. Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 36. Aufl., § 412 Rn. 1).

21

(2) Es obliegt dem Frachtführer nach Art. 18 Abs. 2 CMR, zu den Voraussetzungen des Haftungsbefreiungstatbestandes des Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR substantiiert vorzutragen. Dem ist die Beklagte nachgekommen. Sie hat unter Berufung auf Vortrag ihrer Streithelferin geltend gemacht, nicht die Überschreitung der bewilligten Gesamthöhe von 4,35 m, sondern ein Verschieben der Ladung und eine dadurch kurzfristig bedingte Höherstauung des Gutes wegen einer Notbremsung unter der Autobahnbrücke habe zur Kollision mit der Brücke geführt. Die Autobahnbrücke habe mit der tatsächlichen maximalen Gesamthöhe des Transports von 4,51 m problemlos unterquert werden können. Das Fahrzeug mit den beschädigten Packstücken habe nach der Kollision seine Fahrt fortsetzen und die Brücke ohne weitere Probleme unterfahren können. Das Vorbringen zur lichten Durchfahrthöhe der Autobahnbrücke hat die Streithelferin unter Beweis gestellt. Des Weiteren hat die Streithelferin beweisbewehrt vorgetragen, dass ihr von der zuständigen Behörde dieselbe Fahrtroute vorgegeben worden wäre, wenn sie eine Ausnahmegenehmigung für eine Gesamthöhe von 4,51 m beantragt hätte. Für die Richtigkeit des Vortrags zur Notbremsung hat die Streithelferin den Fahrer des Lkw, der mit der Brücke kollidiert ist, als Zeugen angeboten.

22

(3) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht diesen Vortrag als unzureichend angesehen und den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt. Es hat in diesem Zusammenhang schon nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Beklagte bei der Verladung des Gutes nicht anwesend war. Von ihr konnte deshalb kein näherer Sachvortrag zur Ladetätigkeit und zu möglichen Schutzmaßnahmen gegen ein Verrutschen der Ladung erwartet werden. Jedenfalls war das Verladen des Gutes nicht Sache der Beklagten oder ihrer Streithelferin. Die Verladung oblag der Verkäuferin. Außerdem war vereinbart, dass ein namentlich benannter Mitarbeiter der Klägerin die Verladung überwachen und kontrollieren sollte.

23

(4) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die aus den Lichtbildern ersichtlichen, über dem oberen Spoiler liegenden Schäden an den Packstücken sprächen nicht für eine Verschiebung der Ladung, ist diese Beurteilung spekulativ und lässt eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beklagten und ihrer Streithelferin vermissen. Die Überlegungen des Berufungsgerichts rechtfertigen es nicht, die von der Beklagten und ihrer Streithelferin für ihren Vortrag angebotenen Beweise nicht zu erheben. Für die Richtigkeit des Vortrags der Streithelferin zu einem möglichen Ladefehler spricht zudem der Umstand, dass das Fahrzeug mit den beschädigten Packstücken trotz der Kollision die Autobahnbrücke nach dem Unfall unterfahren konnte. Hinzu kommt, dass die Polizei das Fahrzeug, bei dem es zur Beschädigung des Ladegutes gekommen ist, und drei weitere Fahrzeuge der Streithelferin nach der Kollision mit der Autobahnbrücke auf einer Autobahnraststätte kontrolliert hat und dabei nicht nur bei dem Fahrzeug mit der beschädigten Ladung, sondern auch bei einem weiteren Fahrzeug der Streithelferin der Beklagten, das die Brücke schadlos passiert hat, eine maximale Gesamthöhe von 4,51 m festgestellt hat. Bei einer solchen Sachlage kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das Überschreiten der genehmigten Höhe des beladenen Fahrzeugs die alleinige Schadensursache ist. Da das Berufungsgericht Feststellungen zur Durchfahrtshöhe der Autobahnbrücke nicht getroffen hat, hätte es nicht davon absehen dürfen, die von der Beklagten angebotenen Beweise zum Schadenshergang und zur Schadensursache zu erheben.

24

(5) Die Beklagte ist entgegen der Annahme des Landgerichts nicht gehindert, sich auf das entsprechende Vorbringen ihrer Streithelferin zu berufen. Die Vorschrift des § 67 Halbs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen. Der Streithelfer kann grundsätzlich alle Prozesshandlungen einschließlich der Behauptungen von Tatsachen mit Wirkung für die von ihm unterstützte Partei vornehmen. Diese Wirkung bleibt so lange bestehen, als sich nicht zumindest aus dem Gesamtverhalten der unterstützten Partei ergibt, dass sie die Prozesshandlung des Streithelfers nicht gegen sich gelten lassen will. Die Erklärung der Beklagten in der Klageerwiderung, das Vorbringen der Klägerin zum Unfallhergang sei nach ihrer Kenntnis zutreffend, kann nicht als Widerspruch zu dem späteren Vorbringen der Streithelferin hierzu gewertet werden. Dem steht schon die weitere Erklärung der Beklagten in der Klageerwiderung entgegen, zum Unfallhergang nicht mehr zu wissen als die Klägerin. Da die Beklagte dem späteren Vorbringen ihrer Streithelferin nicht ausdrücklich widersprochen hat, steht der Widerspruch im Sinne des § 67 Halbs. 2 ZPO nicht positiv fest, so dass die im Vortrag zum Unfallgeschehen liegende Prozesshandlung der Streithelferin wirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1990 - II ZR 146/89, NJW-RR 1991, 358, 361).

25

cc) Selbst wenn sich aufgrund der noch zu treffenden Feststellungen ergeben sollte, dass Schadensursache die zu hohe Beladung des Fahrzeugs der Streithelferin der Beklagten war, kann nicht von einer uneingeschränkten Haftung der Beklagten ausgegangen werden. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob sich eine Haftungsbefreiung der Beklagten nach Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR deshalb ergibt, weil nach dem Vorbringen der Beklagten, von dem im Revisionsverfahren mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist, die Mitarbeiter der Verkäuferin unter Kontrolle eines von der Klägerin abgestellten Mitarbeiters das Ladegut auf die Fahrzeuge der Streithelferin verladen und dabei die Überschreitung der genehmigten Transporthöhe nicht bemerkt und auf Nachfrage des Fahrers der Streithelferin erklärt hätten, die genehmigte Höhe sei eingehalten.

26

(1) Eine dem Haftungsbefreiungstatbestand des Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR unterfallende mangelhafte Ladung oder Stauung des Transportgutes kann vorliegen, wenn der Absender bei der Beladung die behördlich genehmigte Transporthöhe überschritten hat (österr. OGH, TranspR 2013, 344, 347; österr. OGH, TranspR 2013, 351 ff.).

27

(2) Das Berufungsgericht hätte deshalb dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Beklagten und ihrer Streithelferin nachgehen müssen, die Verladung des Transportgutes sei durch Arbeiter der Verkäuferin unter Kontrolle eines von der Klägerin hierfür abgestellten Mitarbeiters erfolgt, diese hätten dem Fahrer der Streithelferin der Beklagten gegenüber angegeben, dass die Sendung eine Höhe von 4,35 m - das heißt eine der beantragten Ausnahmegenehmigung entsprechende Höhe - gehabt habe.

28

dd) Sollte sich aufgrund der vom Berufungsgericht zu treffenden Feststellungen ergeben, dass der Fahrer der Streithelferin der Beklagten Anlass zu Zweifeln an der Einhaltung der genehmigten Transporthöhe hätte haben und die Ladehöhe überprüfen müssen, kann allerdings eine Schadensteilung nach Art. 17 Abs. 5 CMR in Betracht kommen.

29

e) Von Rechtsfehlern beeinflusst ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten sei ein qualifiziertes Verschulden vorzuwerfen, so dass sie sich auf die Haftungsbeschränkungen des Art. 23 Abs. 3 CMR nicht berufen könne.

30

aa) Vollen Schadensersatz - über die Beschränkung des Art. 23 Abs. 3 CMR hinaus - schuldet die Beklagte nur, wenn die Voraussetzungen des Art. 29 CMR vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann sich der Frachtführer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden verursacht hat (Art. 29 Abs. 1 CMR). Das Gleiche gilt, wenn seinen Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen ein solches qualifiziertes Verschulden zur Last fällt (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR). Im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 CMR ist ergänzend § 435 HGB heranzuziehen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - I ZR 156/12, TranspR 2014, 146 Rn. 15 = RdTW 2014, 55). Nach dieser Vorschrift kann sich der Frachtführer nicht auf gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder bewusst leichtfertig begangen hat. Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen (BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - I ZR 214/10, TranspR 2012, 107 Rn. 27). Welche Sicherheitsvorkehrungen der Frachtführer ergreifen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.

31

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, es liege jedenfalls vorsatzgleiches Verhalten des Fahrers der Streithelferin vor. Die Streithelferin der Beklagten habe Ausnahmegenehmigungen für den Transport in Lastfahrt mit einer Höhe von 4,35 m und in Leerfahrt in Höhe von 4 m erhalten. Das Fahrzeug habe jedoch eine Höhe von 4,51 m Höhe gehabt. Es liege auf der Hand, dass der Frachtführer gerade bei außergewöhnlichen Maßen genau kontrollieren müsse, ob die Voraussetzungen für die Einhaltung der Ausnahmegenehmigung eingehalten seien. Aus den vorgelegten Fotos sei ersichtlich, dass die tatsächliche Gesamthöhe die genehmigte Höhe von 4,35 m überschritten habe. In einer solchen Situation sei es zwingend erforderlich, dass der für den Sattelzug verantwortliche Fahrer nachmessen müsse, ob die in der Ausnahmegenehmigung ausgewiesene Höhe eingehalten sei. Wenn der Fahrer entsprechende Messinstrumente nicht zur Verfügung gehabt habe, bestärke dies das vorsatzgleiche Verhalten eher als dass es den Fahrer entlaste. Die Streithelferin und ihr Fahrer hätten nicht einfach die von der Klägerin angegebene Höhe der Packstücke von 3,16 m und die Ladungshöhe von 0,97 m addieren dürfen. Aus den vorgelegten Fotos sei erkennbar, dass die Ladung den Spoiler auf dem Dach des Zugfahrzeugs weit mehr als nur um 13 cm überragt habe.

32

cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte wegen eines qualifizierten Verschuldens ihrer Streithelferin in vollem Umfang, weil das Fahrzeug die genehmigte Höhe überschritten und der Fahrer die Ladehöhe nicht kontrolliert habe, entbehrt schon deswegen der Grundlage, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass der Unfall tatsächlich auf die 4,35 m übersteigende Höhe zurückzuführen ist. Hierfür wären Feststellungen dazu erforderlich gewesen, welche lichte Höhe die Autobahnbrücke hatte, an der es zum Unfall gekommen ist, und dass das Fahrzeug der Streithelferin der Beklagten mit der von der Polizei festgestellten Ladehöhe die Brücke nicht hätte unfallfrei passieren können.

33

dd) Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren feststellen, dass das Überschreiten der genehmigten Ladehöhe nicht schadensursächlich gewesen ist, sondern dass der Schaden auf eine unzureichende Befestigung des Ladegutes auf dem Auflieger zurückzuführen ist, kann ein der Beklagten zurechenbares qualifiziertes Verschulden des Fahrers der Streithelferin nur vorliegen, wenn dieser eine unzureichende Sicherung des Transportgutes gegen ein Verrutschen hätte erkennen können. Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht bisher nicht getroffen.

34

f) Selbst wenn das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass der Beklagten ein Verschulden im Sinne von § 435 HGB angelastet werden kann, ist es gehalten, eine Mithaftung der Klägerin im Hinblick darauf in Erwägung zu ziehen, dass sie die Verladung des Transportgutes überwacht hat. Auch im Falle eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von § 435 HGB kommt eine Mithaftung des Geschädigten in Betracht (st. Rspr. des Senats; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244, 250 Rn. 29; Urteil vom 30. Januar 2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Rn. 34). Dies gilt ebenfalls bei einer Haftung gemäß Art. 29 CMR (BGH, Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 22 = RdTW 2013, 24; Urteil vom 22. Mai 2014 - I ZR 109/13, TranspR 2015, 33 Rn. 43 = RdTW 2014, 471).

35

IV. Das Urteil des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Büscher     

        

Richter am BGH Prof. Dr. Koch
ist in Urlaub und daher gehindert
zu unterschreiben.

        

Löffler

                 

Büscher

                 
        

Schwonke     

        

     Feddersen     

        
17
aa) Für die Anwendung des besonderen Haftungsausschlusstatbestandes gemäß Art. 17 Abs. 4 lit. c CMR kommt es maßgeblich darauf an, wer die Verladung tatsächlich ausgeführt hat (BGH VersR 1979, 417, 418; BGH, Urt. v. 28.3.1985 - I ZR 194/82, TranspR 1985, 261, 263 = VersR 1985, 754; ÖstOGH TranspR 1991, 424; TranspR 2003, 311, 313; Koller aaO Art. 17 CMR Rdn. 41; Helm aaO Art. 17 Rdn. 160 f.; Huther in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Art. 17 CMR Rdn. 58). Welche Partei vertraglich zur Verladung verpflichtet ist, ist danach zwar grundsätzlich unmaßgeblich, kann aber als Indiz berücksichtigt werden. Wirken bei der Verladung Leute des Frachtführers ohne dessen Kenntnis und Billigung mit, steht dies der Anwendung von Art. 17 Abs. 4 lit. c CMR nicht ohne weiteres entgegen. Hilfstätigkeiten des Fahrers sind nicht in jedem Fall dem Frachtführer zuzurechnen. Der Fahrer kann, wie sich aus der Formulierung "oder Dritte, die für den Absender … handeln" in Art. 17 Abs. 4 lit. c CMR ergibt, auch für den Versender handeln. Entscheidend ist, ob der Fahrer unter der Oberaufsicht und Verantwortung des Absenders tätig geworden ist. Denn in einem solchen Fall handelt der Fahrer im Pflichtenkreis des Versenders (Koller aaO Art. 17 CMR Rdn. 41 f.; Helm aaO Art. 17 Rdn. 160 f.; MünchKomm.HGB /Basedow, Art. 17 Rdn. 67; Neufang/Valder, TranspR 2002, 325, 331).

(1) Soweit sich aus den Umständen oder der Verkehrssitte nicht etwas anderes ergibt, hat der Absender das Gut beförderungssicher zu laden, zu stauen und zu befestigen (verladen) sowie zu entladen. Der Frachtführer hat für die betriebssichere Verladung zu sorgen.

(2) Für die Lade- und Entladezeit, die sich mangels abweichender Vereinbarung nach einer den Umständen des Falles angemessenen Frist bemißt, kann keine besondere Vergütung verlangt werden.

(3) Wartet der Frachtführer auf Grund vertraglicher Vereinbarung oder aus Gründen, die nicht seinem Risikobereich zuzurechnen sind, über die Lade- oder Entladezeit hinaus, so hat er Anspruch auf eine angemessene Vergütung (Standgeld).

(4) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, für die Binnenschiffahrt unter Berücksichtigung der Art der zur Beförderung bestimmten Fahrzeuge, der Art und Menge der umzuschlagenden Güter, der beim Güterumschlag zur Verfügung stehenden technischen Mittel und der Erfordernisse eines beschleunigten Verkehrsablaufs die Voraussetzungen für den Beginn der Lade- und Entladezeit, deren Dauer sowie die Höhe des Standgeldes zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und ihrer Streithelferin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 26. September 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein Speditionsunternehmen, beauftragte die Beklagte im Februar 2011 zu festen Kosten, eine aus mehreren Einzelteilen bestehende Klimaanlage aus der Türkei nach Lübeck zu befördern. Dort sollten die Teile zum Weitertransport an die russische Empfängerin verschifft werden. Die Beklagte betraute mit dem Transport ihrerseits die in der Türkei ansässige Streithelferin.

2

Die Streithelferin beantragte im März 2011 ausgehend von den Angaben zur Höhe der Packstücke in der Packliste der Verkäuferin bei der deutschen Straßenverkehrsbehörde eine Ausnahmegenehmigung für einen Großraumtransport mit einer Transporthöhe von 4,35 m, die ihr für eine vorgeschriebene Fahrtroute erteilt wurde. Am 9. April 2011 kam es bei einem Sattelzug, der nach Darstellung der Beklagten von Angestellten der Verkäuferin unter Aufsicht eines von der Klägerin abgestellten Mitarbeiters beladen worden war, zu einer Kollision mit der Deckenunterseite einer Autobahnbrücke auf der A 5 in Fahrtrichtung Kassel. Dabei wurde das Transportgut teilweise beschädigt. Die Polizei überprüfte den Sattelzug, der an der Kollision beteiligt war, und drei weitere Sattelzüge der Streithelferin und stellte fest, dass bei allen vier Fahrzeugen die genehmigte Gesamthöhe überschritten war. Bei dem Sattelzug, der mit der Brücke kollidiert war, sowie bei einem weiteren Sattelzug wurde eine maximale Gesamthöhe von 4,51 m gemessen.

3

Die Klägerin macht geltend, sie werde von der russischen Empfängerin auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Schaden belaufe sich nach einer ersten Schätzung der Empfängerin auf etwa 55.000 €.

4

Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von sämtlichen Ansprüchen freizustellen, die von der Empfängerin des Gutes wegen des streitgegenständlichen Transportschadens gegen die Klägerin geltend gemacht werden. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin zurückgewiesen (OLG Schleswig, TranspR 2014, 114 = RdTW 2015, 110).

5

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagte und ihre Streithelferin ihre Anträge auf Abweisung der Klage weiter. Die ordnungsgemäß geladene Klägerin war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

Entscheidungsgründe

6

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden unbeschränkt.

7

Auf den Transport sei das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) anzuwenden. Der Schaden sei während der Obhut der Streithelferin als Subunternehmerin der Beklagten eingetreten. Grundsätzlich greife deshalb die verschuldensunabhängige Haftung nach Art. 17 Abs. 1 CMR. Die Haftung sei nicht nach Art. 17 Abs. 2 CMR ausgeschlossen, da der Schaden nicht unvermeidbar gewesen sei.

8

Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf einen vollständigen oder teilweisen Haftungsausschluss wegen einer mangelhaften Verladung der Packstücke der Klimaanlage gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. c und Abs. 5 CMR berufen, weil sie und ihre Streithelferin einen entsprechenden Mangel nicht hinreichend vorgetragen hätten. Die Klägerin hafte ihrerseits nicht für den entstandenen Schaden. Es gebe keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür, dass die von ihr an die Beklagte weitergeleitete Mitteilung der Verkäuferin über die Höhe der Packstücke unrichtig gewesen sei.

9

Die Beklagte hafte abweichend von Art. 23 Abs. 3 CMR in vollem Umfang. Es liege ein vorsatzgleiches Verhalten (Art. 29 Abs. 1 CMR i.V. mit § 435 HGB) der Streithelferin und des Fahrers des Sattelzuges vor, das der Beklagten zuzurechnen sei. Das Unfallfahrzeug habe mit einer Höhe von 4,51 m die nach der Ausnahmegenehmigung zulässige Höhe von 4,35 m überschritten. Der Frachtführer habe die Einhaltung der Vorgaben in einer Ausnahmegenehmigung wegen des erheblichen Schadensrisikos bei einer Höhenüberschreitung genau zu überwachen. Aufgrund der Fotos vom Zugfahrzeug dränge sich die Annahme auf, dass die genehmigte Höhe überschritten worden sei. Bei einer solchen Sachlage hätte der Fahrer die Höhe nachmessen müssen. Es sei nicht ausreichend, die Höhenangaben für die Packstücke und die Ladungshöhe zu addieren. Der Schaden beruhe auf der Überhöhe. Dass er bei einer Höhe von bis zu 4,35 m eingetreten wäre, sei nicht ersichtlich.

10

II. Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Klägerin, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81; Urteil vom 17. Juli 2013 - I ZR 34/12, GRUR 2014, 298 Rn. 14 = WRP 2014, 164 - Runes of Magic).

11

III. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, dass die Beklagte für den infolge des Unfalls entstandenen Schaden in vollem Umfang verantwortlich ist.

12

1. Das Berufungsgericht ist mit Recht von der Zulässigkeit der auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten gerichteten Klage ausgegangen (§ 256 ZPO). Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden besteht allein in ihrer Belastung mit einer Verbindlichkeit. Der zunächst auf Befreiung von dieser Schuld gerichtete Anspruch geht gemäß § 250 Satz 2 BGB zwar in einen Zahlungsanspruch über, wenn der Schädiger die Leistung ernsthaft und endgültig abgelehnt hat (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1992 - IX ZR 54/92, NJW 1993, 1137, 1138 mwN). Das setzt aber voraus, dass die Klägerin tatsächlich mit einer Verbindlichkeit beschwert ist, weil sie die Schadensersatzforderung der Empfängerin der beschädigten Klimaanlage erfüllen muss. Da die Empfängerin der beschädigten Sendung bisher nur eine Schadensschätzung in Höhe von 70.000 $ und noch keine konkrete Schadensermittlung vorgenommen hat und damit die Höhe der Verbindlichkeit, von der Befreiung verlangt wird, nicht feststeht, kann nur auf Feststellung und nicht auf Leistung geklagt werden (BGH, Urteil vom 16. November 2006 - I ZR 257/03, NJW 2007, 1809 Rn. 20; vgl. MünchKomm.ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., § 253 Rn. 147; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl., § 256 Rn. 29).

13

2. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte in vollem Umfang für den eingetretenen Schaden verantwortlich ist. Die entsprechende Annahme des Berufungsgerichts beruht auf Feststellungen, die Vorbringen der Beklagten und ihrer Streithelferin unberücksichtigt lassen.

14

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den von der Klägerin in Auftrag gegebenen Transport die Bestimmungen der CMR anwendbar sind. Die Vorschriften der CMR gelten nach Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Im Streitfall sollte das Gut mit dem Lkw aus der Türkei nach Lübeck befördert werden. Deutschland und die Türkei gehören zu den Vertragsstaaten der CMR.

15

b) Nach Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für die Beschädigung des Gutes, sofern diese zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Zwischen den Beteiligten ist nicht in Streit, dass im Haftungszeitraum an zwei Packstücken auf dem Sattelzug der Streithelferin ein Schaden eingetreten ist.

16

c) Das Berufungsgericht hat einen Haftungsausschluss nach Art. 17 Abs. 2 CMR verneint. Das nimmt die Revision hin. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

17

d) Die Revision der Beklagten und ihrer Streithelferin wendet sich jedoch mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Haftung der Beklagten sei nicht gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR ganz oder teilweise ausgeschlossen.

18

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Verladung sei zwar grundsätzlich Sache des Absenders. Den Frachtführer, der eine mangelhafte Verladung erkenne, träfen aber Hinweispflichten. Ein Ausschluss der Haftung nach Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR greife ein, wenn die Verladung objektiv dermaßen mangelhaft gewesen sei, dass sie normalen Beförderungsbedingungen nicht entspreche. Die Beklagte und ihre Streithelferin hätten nicht hinreichend dargetan, dass die Verladung der Packstücke der Klimaanlage derart mangelhaft gewesen sei. Die Streithelferin mache ohne nähere Konkretisierung geltend, die Ladung habe sich bei der Vollbremsung verschoben und dies falle in den Verantwortungsbereich der Versenderin und damit der Klägerin. Unklar sei schon, ob die Schäden an den beiden Packstücken durch ein Zusammenschieben der Ladung bei einer Vollbremsung entstanden seien oder entstanden sein könnten. Die vorgelegten Lichtbilder von den beschädigten Packstücken sprächen nicht für ein Verschieben der Ladung. Zur behaupteten Notbremsung trage die Streithelferin nichts Näheres vor.

19

bb) Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

20

(1) Von der Haftung nach Art. 17 Abs. 1 CMR ist der Frachtführer gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR vorbehaltlich des Art. 18 Abs. 2 bis 5 CMR befreit, wenn die Beschädigung des Gutes auf einen Verlade- oder Verstaufehler des Absenders zurückzuführen ist. Dabei umfasst das Verladen nicht nur das Verbringen des Gutes auf das Transportfahrzeug, sondern auch dessen Befestigung und Sicherung auf dem Fahrzeug (vgl. Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 39; MünchKomm.HGB/Jesser-Huß, 3. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 68). Für die Anwendung des besonderen Haftungsausschlusstatbestandes gemäß Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR kommt es maßgeblich darauf an, wer die Verladung tatsächlich ausgeführt hat (BGH, Urteil vom 25. Januar 2007 - I ZR 43/04, TranspR 2007, 314 Rn. 17). Hat der Absender die Verladetätigkeit vorgenommen, hat er ordnungsmäßig zu verladen. Dazu gehört, dass durch die Art der Verladung Schäden, die dem Gut während der Beförderung drohen, nach Möglichkeit vermieden werden (§ 412 Abs. 1 HGB; zu Art. 17 KVO: BGH, Urteil vom 21. April 1960 - II ZR 21/58, BGHZ 32, 194, 196 f.). Kommt es zu einer Höherstauung der Ladung wegen einer Notbremsung, spricht dies dafür, dass die Verladung normalen Beförderungsbedingungen nicht entsprochen hat, weil auch Notbremsungen zu den vorhersehbaren Transportbedingungen zählen (vgl. Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 36. Aufl., § 412 Rn. 1).

21

(2) Es obliegt dem Frachtführer nach Art. 18 Abs. 2 CMR, zu den Voraussetzungen des Haftungsbefreiungstatbestandes des Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR substantiiert vorzutragen. Dem ist die Beklagte nachgekommen. Sie hat unter Berufung auf Vortrag ihrer Streithelferin geltend gemacht, nicht die Überschreitung der bewilligten Gesamthöhe von 4,35 m, sondern ein Verschieben der Ladung und eine dadurch kurzfristig bedingte Höherstauung des Gutes wegen einer Notbremsung unter der Autobahnbrücke habe zur Kollision mit der Brücke geführt. Die Autobahnbrücke habe mit der tatsächlichen maximalen Gesamthöhe des Transports von 4,51 m problemlos unterquert werden können. Das Fahrzeug mit den beschädigten Packstücken habe nach der Kollision seine Fahrt fortsetzen und die Brücke ohne weitere Probleme unterfahren können. Das Vorbringen zur lichten Durchfahrthöhe der Autobahnbrücke hat die Streithelferin unter Beweis gestellt. Des Weiteren hat die Streithelferin beweisbewehrt vorgetragen, dass ihr von der zuständigen Behörde dieselbe Fahrtroute vorgegeben worden wäre, wenn sie eine Ausnahmegenehmigung für eine Gesamthöhe von 4,51 m beantragt hätte. Für die Richtigkeit des Vortrags zur Notbremsung hat die Streithelferin den Fahrer des Lkw, der mit der Brücke kollidiert ist, als Zeugen angeboten.

22

(3) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht diesen Vortrag als unzureichend angesehen und den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt. Es hat in diesem Zusammenhang schon nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Beklagte bei der Verladung des Gutes nicht anwesend war. Von ihr konnte deshalb kein näherer Sachvortrag zur Ladetätigkeit und zu möglichen Schutzmaßnahmen gegen ein Verrutschen der Ladung erwartet werden. Jedenfalls war das Verladen des Gutes nicht Sache der Beklagten oder ihrer Streithelferin. Die Verladung oblag der Verkäuferin. Außerdem war vereinbart, dass ein namentlich benannter Mitarbeiter der Klägerin die Verladung überwachen und kontrollieren sollte.

23

(4) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die aus den Lichtbildern ersichtlichen, über dem oberen Spoiler liegenden Schäden an den Packstücken sprächen nicht für eine Verschiebung der Ladung, ist diese Beurteilung spekulativ und lässt eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beklagten und ihrer Streithelferin vermissen. Die Überlegungen des Berufungsgerichts rechtfertigen es nicht, die von der Beklagten und ihrer Streithelferin für ihren Vortrag angebotenen Beweise nicht zu erheben. Für die Richtigkeit des Vortrags der Streithelferin zu einem möglichen Ladefehler spricht zudem der Umstand, dass das Fahrzeug mit den beschädigten Packstücken trotz der Kollision die Autobahnbrücke nach dem Unfall unterfahren konnte. Hinzu kommt, dass die Polizei das Fahrzeug, bei dem es zur Beschädigung des Ladegutes gekommen ist, und drei weitere Fahrzeuge der Streithelferin nach der Kollision mit der Autobahnbrücke auf einer Autobahnraststätte kontrolliert hat und dabei nicht nur bei dem Fahrzeug mit der beschädigten Ladung, sondern auch bei einem weiteren Fahrzeug der Streithelferin der Beklagten, das die Brücke schadlos passiert hat, eine maximale Gesamthöhe von 4,51 m festgestellt hat. Bei einer solchen Sachlage kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das Überschreiten der genehmigten Höhe des beladenen Fahrzeugs die alleinige Schadensursache ist. Da das Berufungsgericht Feststellungen zur Durchfahrtshöhe der Autobahnbrücke nicht getroffen hat, hätte es nicht davon absehen dürfen, die von der Beklagten angebotenen Beweise zum Schadenshergang und zur Schadensursache zu erheben.

24

(5) Die Beklagte ist entgegen der Annahme des Landgerichts nicht gehindert, sich auf das entsprechende Vorbringen ihrer Streithelferin zu berufen. Die Vorschrift des § 67 Halbs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen. Der Streithelfer kann grundsätzlich alle Prozesshandlungen einschließlich der Behauptungen von Tatsachen mit Wirkung für die von ihm unterstützte Partei vornehmen. Diese Wirkung bleibt so lange bestehen, als sich nicht zumindest aus dem Gesamtverhalten der unterstützten Partei ergibt, dass sie die Prozesshandlung des Streithelfers nicht gegen sich gelten lassen will. Die Erklärung der Beklagten in der Klageerwiderung, das Vorbringen der Klägerin zum Unfallhergang sei nach ihrer Kenntnis zutreffend, kann nicht als Widerspruch zu dem späteren Vorbringen der Streithelferin hierzu gewertet werden. Dem steht schon die weitere Erklärung der Beklagten in der Klageerwiderung entgegen, zum Unfallhergang nicht mehr zu wissen als die Klägerin. Da die Beklagte dem späteren Vorbringen ihrer Streithelferin nicht ausdrücklich widersprochen hat, steht der Widerspruch im Sinne des § 67 Halbs. 2 ZPO nicht positiv fest, so dass die im Vortrag zum Unfallgeschehen liegende Prozesshandlung der Streithelferin wirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1990 - II ZR 146/89, NJW-RR 1991, 358, 361).

25

cc) Selbst wenn sich aufgrund der noch zu treffenden Feststellungen ergeben sollte, dass Schadensursache die zu hohe Beladung des Fahrzeugs der Streithelferin der Beklagten war, kann nicht von einer uneingeschränkten Haftung der Beklagten ausgegangen werden. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob sich eine Haftungsbefreiung der Beklagten nach Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR deshalb ergibt, weil nach dem Vorbringen der Beklagten, von dem im Revisionsverfahren mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist, die Mitarbeiter der Verkäuferin unter Kontrolle eines von der Klägerin abgestellten Mitarbeiters das Ladegut auf die Fahrzeuge der Streithelferin verladen und dabei die Überschreitung der genehmigten Transporthöhe nicht bemerkt und auf Nachfrage des Fahrers der Streithelferin erklärt hätten, die genehmigte Höhe sei eingehalten.

26

(1) Eine dem Haftungsbefreiungstatbestand des Art. 17 Abs. 4 Buchst. c CMR unterfallende mangelhafte Ladung oder Stauung des Transportgutes kann vorliegen, wenn der Absender bei der Beladung die behördlich genehmigte Transporthöhe überschritten hat (österr. OGH, TranspR 2013, 344, 347; österr. OGH, TranspR 2013, 351 ff.).

27

(2) Das Berufungsgericht hätte deshalb dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Beklagten und ihrer Streithelferin nachgehen müssen, die Verladung des Transportgutes sei durch Arbeiter der Verkäuferin unter Kontrolle eines von der Klägerin hierfür abgestellten Mitarbeiters erfolgt, diese hätten dem Fahrer der Streithelferin der Beklagten gegenüber angegeben, dass die Sendung eine Höhe von 4,35 m - das heißt eine der beantragten Ausnahmegenehmigung entsprechende Höhe - gehabt habe.

28

dd) Sollte sich aufgrund der vom Berufungsgericht zu treffenden Feststellungen ergeben, dass der Fahrer der Streithelferin der Beklagten Anlass zu Zweifeln an der Einhaltung der genehmigten Transporthöhe hätte haben und die Ladehöhe überprüfen müssen, kann allerdings eine Schadensteilung nach Art. 17 Abs. 5 CMR in Betracht kommen.

29

e) Von Rechtsfehlern beeinflusst ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten sei ein qualifiziertes Verschulden vorzuwerfen, so dass sie sich auf die Haftungsbeschränkungen des Art. 23 Abs. 3 CMR nicht berufen könne.

30

aa) Vollen Schadensersatz - über die Beschränkung des Art. 23 Abs. 3 CMR hinaus - schuldet die Beklagte nur, wenn die Voraussetzungen des Art. 29 CMR vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann sich der Frachtführer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden verursacht hat (Art. 29 Abs. 1 CMR). Das Gleiche gilt, wenn seinen Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen ein solches qualifiziertes Verschulden zur Last fällt (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR). Im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 CMR ist ergänzend § 435 HGB heranzuziehen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - I ZR 156/12, TranspR 2014, 146 Rn. 15 = RdTW 2014, 55). Nach dieser Vorschrift kann sich der Frachtführer nicht auf gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder bewusst leichtfertig begangen hat. Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen (BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - I ZR 214/10, TranspR 2012, 107 Rn. 27). Welche Sicherheitsvorkehrungen der Frachtführer ergreifen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.

31

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, es liege jedenfalls vorsatzgleiches Verhalten des Fahrers der Streithelferin vor. Die Streithelferin der Beklagten habe Ausnahmegenehmigungen für den Transport in Lastfahrt mit einer Höhe von 4,35 m und in Leerfahrt in Höhe von 4 m erhalten. Das Fahrzeug habe jedoch eine Höhe von 4,51 m Höhe gehabt. Es liege auf der Hand, dass der Frachtführer gerade bei außergewöhnlichen Maßen genau kontrollieren müsse, ob die Voraussetzungen für die Einhaltung der Ausnahmegenehmigung eingehalten seien. Aus den vorgelegten Fotos sei ersichtlich, dass die tatsächliche Gesamthöhe die genehmigte Höhe von 4,35 m überschritten habe. In einer solchen Situation sei es zwingend erforderlich, dass der für den Sattelzug verantwortliche Fahrer nachmessen müsse, ob die in der Ausnahmegenehmigung ausgewiesene Höhe eingehalten sei. Wenn der Fahrer entsprechende Messinstrumente nicht zur Verfügung gehabt habe, bestärke dies das vorsatzgleiche Verhalten eher als dass es den Fahrer entlaste. Die Streithelferin und ihr Fahrer hätten nicht einfach die von der Klägerin angegebene Höhe der Packstücke von 3,16 m und die Ladungshöhe von 0,97 m addieren dürfen. Aus den vorgelegten Fotos sei erkennbar, dass die Ladung den Spoiler auf dem Dach des Zugfahrzeugs weit mehr als nur um 13 cm überragt habe.

32

cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte wegen eines qualifizierten Verschuldens ihrer Streithelferin in vollem Umfang, weil das Fahrzeug die genehmigte Höhe überschritten und der Fahrer die Ladehöhe nicht kontrolliert habe, entbehrt schon deswegen der Grundlage, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass der Unfall tatsächlich auf die 4,35 m übersteigende Höhe zurückzuführen ist. Hierfür wären Feststellungen dazu erforderlich gewesen, welche lichte Höhe die Autobahnbrücke hatte, an der es zum Unfall gekommen ist, und dass das Fahrzeug der Streithelferin der Beklagten mit der von der Polizei festgestellten Ladehöhe die Brücke nicht hätte unfallfrei passieren können.

33

dd) Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren feststellen, dass das Überschreiten der genehmigten Ladehöhe nicht schadensursächlich gewesen ist, sondern dass der Schaden auf eine unzureichende Befestigung des Ladegutes auf dem Auflieger zurückzuführen ist, kann ein der Beklagten zurechenbares qualifiziertes Verschulden des Fahrers der Streithelferin nur vorliegen, wenn dieser eine unzureichende Sicherung des Transportgutes gegen ein Verrutschen hätte erkennen können. Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht bisher nicht getroffen.

34

f) Selbst wenn das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass der Beklagten ein Verschulden im Sinne von § 435 HGB angelastet werden kann, ist es gehalten, eine Mithaftung der Klägerin im Hinblick darauf in Erwägung zu ziehen, dass sie die Verladung des Transportgutes überwacht hat. Auch im Falle eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von § 435 HGB kommt eine Mithaftung des Geschädigten in Betracht (st. Rspr. des Senats; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244, 250 Rn. 29; Urteil vom 30. Januar 2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Rn. 34). Dies gilt ebenfalls bei einer Haftung gemäß Art. 29 CMR (BGH, Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 22 = RdTW 2013, 24; Urteil vom 22. Mai 2014 - I ZR 109/13, TranspR 2015, 33 Rn. 43 = RdTW 2014, 471).

35

IV. Das Urteil des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Büscher     

        

Richter am BGH Prof. Dr. Koch
ist in Urlaub und daher gehindert
zu unterschreiben.

        

Löffler

                 

Büscher

                 
        

Schwonke     

        

     Feddersen     

        

(1) Soweit sich aus den Umständen oder der Verkehrssitte nicht etwas anderes ergibt, hat der Absender das Gut beförderungssicher zu laden, zu stauen und zu befestigen (verladen) sowie zu entladen. Der Frachtführer hat für die betriebssichere Verladung zu sorgen.

(2) Für die Lade- und Entladezeit, die sich mangels abweichender Vereinbarung nach einer den Umständen des Falles angemessenen Frist bemißt, kann keine besondere Vergütung verlangt werden.

(3) Wartet der Frachtführer auf Grund vertraglicher Vereinbarung oder aus Gründen, die nicht seinem Risikobereich zuzurechnen sind, über die Lade- oder Entladezeit hinaus, so hat er Anspruch auf eine angemessene Vergütung (Standgeld).

(4) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, für die Binnenschiffahrt unter Berücksichtigung der Art der zur Beförderung bestimmten Fahrzeuge, der Art und Menge der umzuschlagenden Güter, der beim Güterumschlag zur Verfügung stehenden technischen Mittel und der Erfordernisse eines beschleunigten Verkehrsablaufs die Voraussetzungen für den Beginn der Lade- und Entladezeit, deren Dauer sowie die Höhe des Standgeldes zu bestimmen.

(1) Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern.

(2) Der Absender wird verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen.

(3) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts gelten, wenn

1.
das Gut zu Lande, auf Binnengewässern oder mit Luftfahrzeugen befördert werden soll und
2.
die Beförderung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehört.
Erfordert das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht und ist die Firma des Unternehmens auch nicht nach § 2 in das Handelsregister eingetragen, so sind in Ansehung des Frachtgeschäfts auch insoweit die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Vierten Buches ergänzend anzuwenden; dies gilt jedoch nicht für die §§ 348 bis 350.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 122/11 Verkündet am:
26. September 2012
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. September 2012 durch die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling,
Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 3. November 2011 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt von den Beklagten rückständige Miete.
2
Die Beklagten mieteten im 3. und 5. Obergeschoss eines gewerblich genutzten Gebäudekomplexes Räume für eine heilgymnastische und rehabilitative medizinische Massagepraxis. Im 1. und 2. Obergeschoss befanden sich zwei Arztpraxen. In der 4. Etage vermietete der Kläger Räume an den Streithelfer, der dort das Massageinstitut "R. " betreibt. Die Beklagten minderten ab Mai 2007 die monatliche Miete mit der Begründung, bei dem vom Streithelfer betriebenen Massageinstitut handele es sich um einen bordellartigen Betrieb mit sexuellen Dienstangeboten. Die Vermietung von Räumen an einen Bordellbetrieb in einem Gebäude, in dem sich außer der Praxis der Beklagten nur noch zwei Arztpraxen befinden, habe zu einem erheblichen Umsatzverlust geführt und stelle daher einen Mangel der Mietsache dar, der die Beklagten zu einer Mietminderung in voller Höhe berechtige.
3
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage geführt. Auf die Revision des Klägers hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Im hier angefochtenen zweiten Berufungsurteil hat das Landgericht die Klage erneut abgewiesen.
4
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Berufungsgerichts.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt , die Klagforderung sei aufgrund einer berechtigten Minderung der Miete und der zwischenzeitlich von den Beklagten erbrachten Zahlungen nicht (mehr) gegeben.
7
Zwar kämen im Hinblick darauf, dass der Mieter eines Geschäftsraums grundsätzlich das Verwendungsrisiko trage, als Mangel nur äußere Einwirkungen in Betracht, die sich unmittelbar auf die Brauchbarkeit der Mietsache auswirkten. Eine mittelbare Auswirkung reiche nicht. Im vorliegenden Fall liege jedoch eine unmittelbare Auswirkung vor. Hierbei stehe außer Frage, dass es sich bei dem vom Streithelfer betriebenen Massageinstitut um einen Bordellbetrieb handele. Es könne keine Rolle spielen, ob bei den dargestellten "Behandlungen" des Massageinstituts der Geschlechtsakt nicht im eigentlichen Sinne vollzogen werde und dass die Ausgestaltung der "Behandlungen" Elemente fernöstlicher erotischer Praktiken einbeziehe. Auch der Umstand, dass die "Behandlungen" das körperliche Wohlbefinden der Kunden steigerten, mache aus dem Betrieb noch keinen gesundheitsorientierten Therapiebetrieb.
8
Das Vorhandensein eines Bordellbetriebs im gleichen Gebäude wie der Mietgegenstand führe nicht nur zu einer mittelbaren Beeinträchtigung. Vielmehr wohne einem Prostitutionsbetrieb die immanente Gefahr von Beeinträchtigungen inne. Aus diesem Grund würden schließlich Sperrbezirksverordnungen geschaffen. Dieses Verbot werde zum Schutz der Jugend und des Anstandes als erforderlich angesehen, ungeachtet dessen, ob Beeinträchtigungen sich konkret ereignen, da derartige Betriebe als potentiell störend und jugendgefährdend angesehen werden. Anders als etwa bei einem nicht florierenden Geschäftsumfeld seien daher Einnahmeeinbußen aufgrund eines benachbarten Bordellbetriebs naheliegend, die nicht bloß dem unternehmerischen Risiko zugeschrieben werden könnten.
9
Diese immanente Gefahr sei auch nicht angesichts der Darlegungen der Klägerseite ausgeschlossen. Zwar sei durch das Vorhandensein von zwei Treppenhäusern und Lifts auch ein kontaktfreier Zugang der jeweiligen Kundschaft denkbar, aber nicht garantiert. Auch bestehe die Gefahr der Verwechslung der Stockwerke durch Kunden der Beklagten.
10
Ungeachtet der Frage, ob sich konkrete Störungen ereignet und wie sich die Einnahmesituation der Beklagtenseite entwickelt hätten, sei eine Minderung angemessen. Denn es ließe sich ohnehin nicht mathematisch genau feststellen, inwieweit das vom Streithelfer betriebene Massageinstitut auf den Gewerbebetrieb der Beklagten Einfluss habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass ungeachtet eines Wertewandels in der Gesellschaft immer noch ein beachtlicher Prozentsatz in der Bevölkerung existiere, der die Prostitution sozialethisch negativ bewerte und Bereiche, in denen die Prostitution ausgeübt wird, meide.
11
Bestimmten Bevölkerungsteilen sei es bereits nicht recht, in die Nähe eines Prostitutionsbetriebs zu geraten. Nach der Lebenserfahrung sei davon auszugehen , dass sich beim Betrieb einer heilgymnastischen und rehabilitativen Praxis die Kundschaft zu einem nicht unerheblichen Prozentsatz aus älteren Personen und aus Kindern zusammensetze. Es sei überaus nachvollziehbar, dass gerade ältere Kunden, die in der Regel den Wertewandel seltener mittrügen , fürchteten, irrtümlich für Kunden des Massageinstituts gehalten zu werden. Ebenso sei davon auszugehen, dass auch Eltern aus Gesichtspunkten des Jugendschutzes jegliche Möglichkeit einer für ihre Kinder kompromittierende Situation ausschließen möchten. Im Hinblick darauf, dass zahlreiche alternative Möglichkeiten des Besuchs einer heilgymnastischen und rehabilitativen Praxis bestünden, liege es auf der Hand, dass der Betrieb der Beklagten unmittelbar eine nicht unbeachtliche Beeinträchtigung erleide, die mit 30% zu bewerten seien.

II.

12
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat wesentlichen Parteivortrag und Beweisangebote des Klägers nicht berücksichtigt und damit seine Entscheidung unter Verletzung des Verfahrensrechts getroffen. Zudem hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen zu den konkreten tatsächlichen Auswirkungen des Betriebs des Massageinstituts "R. " auf den Mietgebrauch der Beklagten getroffen. Damit fehlt es auch an einer tragfähigen Grundlage für die tatrichterliche Beurteilung, ob ein nicht unerheblicher Mangel der Mietsache i. S. v. § 536 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB vorliegt.
13
1. Das Berufungsgericht hat, wie der Kläger zu Recht rügt, dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise dadurch verletzt, dass es dem Sachvortrag des Klägers und des Streithelfers zu den im Massageinstitut "R. " angebotenen Dienstleistungen und den hierzu angebotenen Beweisen nicht nachgegangen ist.
14
a) Das Berufungsgericht hat zur Begründung eines Mangels der Mietsache entscheidend darauf abgestellt, dass es sich bei dem Massageinstitut "R. " um einen bordellartigen Betrieb handele, ohne in den Urteilsgründen darzulegen, auf welchen Feststellungen diese Annahme beruht. Mit dem umfassenden und unter Beweis gestellten Vorbringen des Klägers und des Streithelfers zu den in dem Massageinstitut angebotenen Leistungen hat es sich nicht auseinandergesetzt. Beide haben behauptet, dass in dem Institut tantrisch-bioenergetische Massagen ohne sexuellen Hintergrund durchgeführt würden, der Streithelfer ausgebildeter Tantralehrer, Massagetherapeut sowie diplomierter Gesundheits- und Ernährungsberater sei und für den Betrieb des Massageinstituts eine behördliche Erlaubnis vorliege. Diesen ausreichend substantiierten Sachvortrag durfte das Berufungsgericht nicht unberücksichtigt lassen.
15
b) Zwar hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf der Grundlage der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen zu treffen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und ist daher nicht stets zur Durchführung einer Beweisaufnahme verpflichtet. Kommt es indes aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts für die Beurteilung des Streitfalles auf Tatsachen an, die in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt worden sind, dann bestehen Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten (BGHZ 158, 295 = NJW 2004, 2152, 2155).
16
c) So liegen die Dinge hier. Das Amtsgericht ist bei seiner Entscheidung von dem Vorbringen der Beklagten, bei dem Massageinstitut "R. " handele es sich um einen Bordellbetrieb, ausgegangen und hat unter Berücksichtigung der von den Beklagten behaupteten Auswirkungen auf ihre Praxis einen Mietmangel verneint. Daher konnte es von der Erhebung der vom Kläger angebotenen Beweise absehen. Das Berufungsgericht hat dagegen gerade mit der Annahme, bei dem Massageinstitut "R. " handele es sich um einen bordellartigen Betrieb, der allein aufgrund seines Vorhandenseins in dem Gebäude zu Beeinträchtigungen des Praxisbetriebs der Beklagten führe, das Vorliegen eines Mietmangels begründet. Da der Kläger die entsprechenden Behauptungen der Beklagten jedoch substantiiert bestritten hat, durfte das Berufungsgericht nicht von der Durchführung einer Beweisaufnahme absehen.
17
d) Das angefochtene Urteil beruht auch auf dieser Gehörsverletzung. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem abweichenden Ergebnis gelangt wäre, wenn es die vom Beklagten und Streithelfer angebotenen Beweise erhoben hätte.
18
2. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Mietsache sei mit einem Mangel behaftet, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht hat den Begriff des Mangels verkannt, wenn es einen solchen allein in der Vermietung der Räume zum Betrieb des Massageinstituts "R. " sieht.
19
a) Unter einem Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache von dem vertraglich geschuldeten zu verstehen, wobei sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Mietsache als Fehler in Betracht kommen können. Erforderlich ist allerdings, um Ausuferungen des Fehlerbegriffs zu vermeiden, stets eine unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit bzw. eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache, wohingegen Umstände, die die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, nicht als Mängel zu qualifizieren sind (Senatsurteile vom 15. Oktober 2008 - XII ZR 1/07 - NJW 2009, 664 Rn. 34; vom 21. September 2006 - XII ZR 66/03 - NJW 2006, 899, 900 und vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714, 1715).
20
Welche Soll-Beschaffenheit eine Mietsache aufzuweisen hat, bestimmt sich in erster Linie nach der Parteivereinbarung. Die Vertragsparteien bestimmen durch die Festlegung des dem Mieter jeweils geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauchs, welchen Zustand die vermietete Sache spätestens bei Überlassung an den Mieter und von da ab während der gesamten Vertragsdauer aufweisen muss. Ist keine ausdrückliche Regelung zum "Soll-Zustand" getroffen , muss anhand von Auslegungsregeln (§§ 133, 157, 242 BGB) geprüft werden , was der Vermieter schuldet. Dabei ist die Verkehrsanschauung als Auslegungshilfe heranzuziehen (Senatsurteil vom 7. Juni 2006 - XII ZR 34/04 - NJW-RR 2006, 1157 Rn. 13).
21
Deshalb hat ein Mieter ohne eine entsprechende vertragliche Vereinbarung in der Regel keinen Anspruch gegen den Vermieter, einen bestimmten "Mietermix" oder ein bestimmtes "Milieuniveau" zu bewahren (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 2008 - XII ZR 1/07 - NJW 2009, 664 Rn. 26 f.). Da den Vermieter von Gewerberäumen jedoch auch ohne besondere Vereinbarung die vertragliche Verpflichtung trifft, den Mieter vor Störungen des vertragsgemäßen Gebrauchs zu schützen (vgl. hierzu Emmerich in Emmerich/Sonnenschein Miete 10. Aufl. § 535 BGB Rn. 11; MünchKommBGB/Häublein 6. Aufl. § 535 Rn. 132), muss er bei der Vermietung von weiteren Räumlichkeiten in derselben Gewerbeeinheit dafür Sorge tragen, dass der Mieter durch die Geschäftstätigkeit der Mitmieter nicht mehr als nur unerheblich in der Nutzung der von ihm angemieteten Gewerberäume beeinträchtigt wird. Daraus folgt, dass ohne eine konkrete Vereinbarung über einen bestimmten "Mietermix", allein aus der Vermietung weiterer Räume in dem Mietobjekt an einen Gewerbebetrieb, von dem die abstrakte Gefahr ausgeht, dass andere Mieter im Gebrauch der Mietsache Beeinträchtigungen erfahren, nicht auf einem Mangel i. S. v. § 536 Abs. 1 BGB geschlossen werden kann. Erst wenn bei einem Mieter eine konkrete und mehr als nur unerhebliche (vgl. § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB) Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache eintritt, liegt ein Mangel der Mietsache vor, der gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Minderung der Miete führt.
22
b) Die Beurteilung, ob eine Abweichung der Mietsache von der vereinbarten Sollbeschaffenheit den vertragsgemäßen Mietgebrauch mehr als nur unwesentlich beeinträchtigt und welche Minderung des Mietzinses ein solcher Mangel gegebenenfalls rechtfertigt, obliegt in erster Linie dem Tatrichter. Das Revisionsgericht hat jedoch zu prüfen, ob der Tatrichter die Sollbeschaffenheit zutreffend beurteilt hat, den Begriff des Mangels nicht verkannt hat und auf entsprechende Rüge hin auch, ob seiner Beurteilung verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen zugrunde liegen (Senatsurteil vom 15. Oktober 2008 - XII ZR 1/07 - NJW 2009, 664 Rn. 13).
23
c) Gemessen an diesen Voraussetzungen hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, dass die von den Beklagten angemieteten Räumlichkeiten aufgrund des Betriebs des Massageinstituts "R. " mit einem Mangel behaftet seien.
24
Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass äußere Einwirkungen auf eine Mietsache nur dann zu einem Mangel i. S. v. § 536 Abs. 1 BGB führen, wenn sie sich unmittelbar auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache auswirken. Es hat jedoch keine ausreichenden Feststellungen zu den konkreten Auswirkungen des Betriebs des Massageinstitut "R. " auf die Praxistätigkeit der Beklagten getroffen. Das Berufungsgericht hat sich vielmehr darauf beschränkt, aus abstrakten Gefahren, die sich aus der Vermietung von Räumlichkeiten an einen Prostitutionsbetrieb für andere Mieter in dem Ge- bäude ergeben können, auf eine unmittelbare Beeinträchtigung des Mietgebrauchs der Beklagten zu schließen.
25
Das Berufungsgericht hat zur Begründung einer unmittelbaren Beeinträchtigung des Praxisbetriebs der Beklagten zunächst allgemein auf die Schaffung von Sperrbezirksverordnungen verwiesen und hierzu ausgeführt, dass das Verbot von Prostitutionsbetrieben in innerstädtischen Bereichen zeige, dass derartige Betriebe als potentiell störend und jugendgefährdend angesehen würden , ungeachtet dessen, ob sich Beeinträchtigungen konkret ereignet haben. Diese Erwägung trägt die Annahme einer konkreten Beeinträchtigung des Mietgebrauchs der Beklagten bereits deshalb nicht, weil das Massageinstitut "R. " nach den getroffenen Feststellungen gerade in dem von der Sperrbezirksverordnung der Stadt W. nicht ausgenommenen Bereich liegt, aber trotzdem - jedenfalls nach dem Vortrag des Klägers - über eine behördliche Erlaubnis für seine Geschäftstätigkeit verfügt. Im Übrigen kann aus dem Zweck der abstrakt-generellen Regelung einer Sperrbezirksverordnung, die in bestimmten städtischen Bereichen zum Schutz öffentlicher Belange Prostitutionsbetriebe verbietet, ohne weitere Feststellungen nicht auf eine konkrete Beeinträchtigung des Mietgebrauchs eines gewerblichen Mieters in demselben Gebäude geschlossen werden, in dem sich - möglicherweise unter Verstoß gegen eine Sperrbezirksverordnung - ein Prostitutionsbetrieb befindet.
26
Unzutreffend nimmt das Berufungsgericht auch an, dass es für die Feststellung einer konkreten Beeinträchtigung des Mietgebrauchs nicht darauf ankomme , ob sich eine Verwechslung der Türen bereits ereignet habe oder noch bevorstehe. Die Beklagten wären nur dann im Gebrauch der von ihnen angemieteten Praxisräume konkret beeinträchtigt, wenn es tatsächlich zu entspre- chenden Verwechslungen gekommen wäre und dies dazu geführt hätte, dass Patienten der Praxis der Beklagten ferngeblieben wären. Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
27
Schließlich bieten auch die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts keine tragfähige Grundlage, um einen Mangel der Mietsache zu begründen. Dies gilt insbesondere für die Annahme, nach der Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass gerade ältere Menschen aufgrund der Gefahr, mit Kunden des Massageinstituts "R. " verwechselt zu werden, der Praxis fernbleiben würden und auch Eltern aus Gesichtspunkten des Jugendschutzes und um jede Möglichkeit einer für ihre Kinder kompromittierenden Situation zu vermeiden , nicht mehr die Praxis der Beklagten besuchen würden. Auch mit diesen Überlegungen hat das Berufungsgericht keine unmittelbare Beeinträchtigung des Praxisbetriebs der Beklagten festgestellt, sondern sich darauf beschränkt, aus den abstrakten Gefahren und Begleiterscheinungen, die sich durch die Vermietung von Räumlichkeiten zum Betrieb eines Bordells ergeben können, auf einen Mangel der Mietsache zu schließen. Dass tatsächlich Patienten der Beklagten wegen des Massageinstituts "R. " ihrer Praxis ferngeblieben sind, ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen nicht.
28
3. Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben. Es ist nach §§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Da weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich sind, ist der Senat daran gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen; dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Klinkhammer Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Wiesbaden, Entscheidung vom 28.01.2008 - 93 C 2524/07-77 -
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 03.11.2011 - 5 S 8/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 104/03 Verkündet am:
19. März 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 264 Nr. 2 und 3; 529 Abs. 1 Nr. 1; 531 Abs. 2 Satz 1; 533

a) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung außer den von dem erstinstanzlichen
Gericht als wahr oder unwahr festgestellten Tatsachen solche Tatsachen zugrunde zu legen, die auch
das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung ohne Prüfung der Wahrheit zugrunde gelegt hat, weil
sie offenkundig oder gerichtsbekannt, ausdrücklich zugestanden oder unstreitig waren, oder weil sie sich
aus gesetzlichen Vermutungen oder Beweis- und Auslegungsregeln ergeben haben.

b) Konkrete Anhaltpunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des erstinstanzlichen
Gerichts begründen, können sich auch aus neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln ergeben
, wenn diese in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen sind (Ergänzung zu Senat, Urt. v. 12. März
2004, V ZR 257/03).

c) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gestattet neues, d.h. in erster Instanz noch nicht geltend gemachtes
Vorbringen zu tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten, die von dem Standpunkt des Berufungsgerichts
aus betrachtet entscheidungserheblich sind, von dem erstinstanzlichen Gericht jedoch erkennbar
übersehen oder für unerheblich gehalten wurden und aus einem von diesem mit zu verantwortenden
Grund in erster Instanz nicht geltend gemacht worden sind (im Anschluß an BGH, Urt. v. 19. Februar
2004, III ZR 147/03).

d) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO betrifft insbesondere den Fall, daß nach § 139 ZPO gebotene Hinweise
des erstinstanzlichen Gerichts unterblieben sind, die zu entsprechendem Vorbringen in erster Instanz Anlaß
gegeben hätten (im Anschluß an BGH, Urt. v. 19. Februar 2004, III ZR 147/03).

e) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO schließt die Berücksichtigung solcher tatsächlichen Umstände, die in
erster Instanz nicht vorgebracht wurden, obwohl sie und ihre Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits
der Partei bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Gericht bekannt
waren oder hätten bekannt sein müssen, in der Berufungsinstanz aus.

f) Änderungen des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 und 3 ZPO sind auch in der Berufungsinstanz nicht als
Klageänderung anzusehen; § 533 ZPO findet auf sie keine Anwendung.

g) Das Berufungsgericht darf seiner rechtlichen Beurteilung eines nach § 264 Nr. 2 und 3 ZPO geänderten
Klageantrags nicht nur die von dem erstinstanzlichen Gericht zu dem ursprünglichen Klageantrag festgestellten
Tatsachen zugrunde legen, sondern auf den gesamten erstinstanzlichen Prozeßstoff zurückgreifen
; kommt es dabei aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts auf Tatsachen an, die
in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt worden sind, bestehen
Zweifel im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die das Berufungsgericht zu eigenen Feststellungen
berechtigt und verpflichtet.
BGH, Urt. v. 19. März 2004 - V ZR 104/03 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. März 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit Vertrag vom 14. Juni 1990 gestattete die Gemeinde G. G. dem Kläger die Nutzung eines in ihrem Besitz befindlichen Hotelgrundstücks, das im Jahr 1950 in Volkseigentum übergeführt und der Gemeinde im Jahr 1989 von dem damaligen Rechtsträger, dem Amt für nationale Sicherheit, überlassen worden war. Mit notariellem Vertrag vom 24. September 1990 verkaufte die Gemeinde das Grundstück an den Kläger. Zu dessen Eintragung in das Grundbuch kam es in der Folgezeit nicht.
Bis zum Jahr 1994 ließen der Kläger und die von ihm gegründete „S. und K. GmbH“ Renovierungsarbeiten an dem Hotelgrundstück durchführen, die nach Art und Umfang zwischen den Parteien streitig sind.
Seit 1992 verlangte die Beklagte unter Hinweis auf ihren Eigentumserwerb nach Art. 21, 22 des Einigungsvertrags die Herausgabe des Grundstücks. Dem kam der Kläger im Februar 1995 im Hinblick auf ein von der Beklagten erwirktes Räumungsurteil nach.
Wegen der von dem Kläger mit 338.600 DM bezifferten renovierungsbedingten Aufwendungen erließ das Amtsgericht Potsdam am 11. März 1996 einen Vollstreckungsbescheid gegen die Beklagte. Diese legte hiergegen am 19. März 1996 Einspruch ein. Im Juni 1997 trat die „S. und K. GmbH“ sämtliche Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger ab.
Erstinstanzlich hat der damalige Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorgetragen , der Kläger habe am 30. März 1997 sämtliche Forderungen aus der Klage an ihn abgetreten. Gleichwohl hat das Landgericht über die von dem Kläger behaupteten Renovierungsarbeiten, die hierdurch bedingte Wertsteigerung des Grundstücks und – wegen einer von der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung – über die Höhe des monatlichen Nutzungsentgelts Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und Einholung von Sachverständigengutachten. Mit Schreiben vom 19. Juni 2001 hat die Sparkasse Mittleres Erzgebirge eine mit „Abtretungserklärung“ überschriebene schriftliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Prozeßbevollmächtigten vom 30. März 1997 mit der Bitte um rechtliche Prüfung zu den Gerichtsakten gereicht. Hiervon sind die Prozeßbeteiligten nicht unterrichtet worden. Ausweislich der Sitzungsnieder-
schrift vom 5. April 2002 hat das Landgericht „mit Rücksicht auf die Zitatstelle in Thomas/Putzo, § 265 Rdn. 13, die verlesen wurde, auf eine etwaige Notwendigkeit der Umstellung des Klageantrages mit Rücksicht auf die Abtretung der Ansprüche des Klägers an Rechtsanwalt H. hingewiesen. Daraufhin hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers erklärt, das Gericht möge über diese Frage entscheiden. Das Landgericht hat sodann den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil der Kläger wegen der erfolgten Abtretung nicht mehr aktivlegitimiert sei.
Mit seiner Berufung hat der Kläger beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit der Maßgabe, daß Zahlung an Rechtsanwalt H. zu leisten ist. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, die Abtretungserklärung vom 30. März 1997 beziehe sich nicht auf die streitgegenständliche Forderung, sondern auf die Summe, welche die Beklagte nach einer etwaigen Verurteilung an den Kläger zahlen werde. Hierüber habe bei Abschluß der Vereinbarung Einvernehmen zwischen den Beteiligten bestanden. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er die im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, der Kläger sei wegen der von dem Landgericht festgestellten Abtretung nicht mehr Inhaber eines eventuellen Verwendungsersatzanspruchs gegen die Beklagte. Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der von dem Landgericht getroffenen Feststellungen, die eine erneute Feststellung gebieten könnten, bestünden nicht. Die erstmals in der Berufungsinstanz aufgestellten Behauptungen des Klägers zu dem Inhalt der am 30. März 1997 geschlossenen Abtretungsvereinbarung seien nicht zu berücksichtigen. Der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Antrag auf Zahlung an den Abtretungsempfänger sei unzulässig, weil das Landgericht keine Feststellungen zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Verwendungsersatzanspruchs getroffen habe.
Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.

II.


Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß die Klage mit dem Hauptantrag unbegründet ist (1.). Soweit es die Zulässigkeit des Hilfsantrags verneint hat, kann ihm dagegen nicht gefolgt werden (2.).
1. Mit seinem Hauptantrag macht der Kläger einen eigenen Verwendungsersatzanspruch gegen die Beklagte geltend. Insoweit kann dahinstehen, ob und inwieweit die Voraussetzungen der §§ 994, 996 BGB erfüllt sind; der
Anspruch scheitert nämlich bereits an der fehlenden Sachlegitimation des Klägers. Das Landgericht hat in seinem Urteil festgestellt, daß der Kläger den Klageanspruch nach Eintritt der Rechtshängigkeit an seinen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten abgetreten hat (a). An diese Feststellung war das Berufungsgericht nach der gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO anwendbaren Vorschrift des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in der Fassung des Zivilprozeßreformgesetzes vom 27. Juli 2001 gebunden, weil keine Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit bestanden (b). Auf der Grundlage dieser gemäß § 559 Abs. 2 ZPO auch in der Revisionsinstanz verbindlichen Feststellung ist es dem Kläger verwehrt, Leistung an sich selbst zu verlangen (c).

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die von dem Eingangsgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen.
aa) Die damit angeordnete Bindungswirkung der erstinstanzlichen Feststellungen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des ZPO-RG, BT-Drs. 14/4722, S. 100) erstreckt sich auch auf sogenannte Rechtstatsachen. Den tatsächlichen Umständen (§ 138 Abs. 1 ZPO) stehen nämlich Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist (Senat , BGHZ 135, 92, 95; Senat, Urt. v. 2. Juni 1995, V ZR 304/93, WM 1995, 1589, 1590; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 138 Rdn. 2). Hierher gehört der den Abschluß eines Abtretungsvertrags gemäß § 398 BGB umschreibende Begriff der Abtretung jedenfalls dann, wenn er, wie hier, von einem Rechtsanwalt verwendet wird (Senat, Urt. v. 2. Februar 1990, V ZR 245/88, BGHR ZPO § 288 Abs. 1 Rechtsbegriff 3).

bb) Festgestellt sind nicht nur solche Tatsachen, hinsichtlich derer das erstinstanzliche Gericht aufgrund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, daß sie wahr oder nicht wahr sind. Eine derartige Beschränkung des tatsächlichen Prüfungsumfangs des Berufungsgerichts wäre nicht sachgerecht, weil das erstinstanzliche Urteil regelmäßig auch auf nicht beweisbedürftigen, insbesondere unstreitigen Tatsachen beruht. Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung deshalb auch solche Tatsachen zugrunde zu legen, die auch das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung ohne Prüfung der Wahrheit zugrunde gelegt hat, sei es, weil sie offenkundig oder gerichtsbekannt (§ 291 ZPO), ausdrücklich zugestanden (§ 288 ZPO) oder – wie die von dem Kläger behauptete Abtretung - unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO) waren, oder weil sie sich aus gesetzlichen Vermutungen oder Beweis- und Auslegungsregeln ergeben haben (MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 529 Rdn. 5). Dies entspricht dem allgemeinen Verständnis des in § 559 Abs. 2 ZPO verwendeten Begriffs der von dem Revisionsgericht zugrunde zu legenden Feststellungen (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 8; Musielak/Ball, aaO, § 559 Rdn. 20; Zöller/Gummer, aaO, § 559 Rdn. 11; für § 561 Abs. 2 ZPO a.F.: Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 561 Rdn. 31), die wegen der in § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorgesehenen Bezugnahme in dem Berufungsurteil auch die von dem erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei getroffenen Tatsachenfeststellungen umfassen.

b) Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der von dem Landgericht festgestellten Abtretung des Klageanspruchs, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts zu diesem Punkt
erforderlich gemacht hätten, lagen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor. aa) Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BT-Drs. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Dies gilt insbesondere dann, wenn es Beweise fehlerhaft erhoben oder gewürdigt (Senat, Urt. v. 12. März 2004, V ZR 257/03, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, Umdruck S. 6) oder wenn es Tatsachenvortrag der Parteien übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat (Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 5). Einen derartigen Verfahrensfehler stellt es nicht dar, daß das Landgericht den Inhalt der schriftlichen Abtretungserklärung vom 30. März 1997 unberücksichtigt gelassen und seine Entscheidung allein auf die mit Schriftsatz des Klägers vom 21. Januar 1998 behauptete Abtretung gestützt hat. Da die von der Sparkasse Mittleres Erzgebirge zu den Gerichtsakten gereichte Vertragsurkunde erstinstanzlich von keiner der Parteien in Bezug genommen worden war, handelte es sich nicht um Parteivortrag, den das Landgericht seiner Entscheidung hätte zugrunde legen dürfen. Hieraus folgt zugleich, daß die mit der Berufung erhobene Rüge, das erstinstanzliche Urteil beruhe auf der von den Parteien nicht vorgetragenen Abtretungserklärung, sachlich unzutreffend ist. Sie wird von der Revision auch nicht aufrecht erhalten.
bb) Zweifelhaft können die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts auch durch neue Angriffs- und Verteidigungsmittel werden, soweit sie in der Berufungsinstanz gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen sind, weil ihre Geltendmachung in erster Instanz we-
gen eines von dem Gericht zu vertretenden Umstands (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO) oder sonst ohne Verschulden der Partei (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) unterblieben ist (BT-Drs. 14/4722, S. 101; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Schnauder, JuS 2002, 162; Crückeberg, MDR 2003, 10). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den von dem Kläger erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragenen Inhalt der schriftlichen Abtretungserklärung vom 30. März 1997 ebensowenig erfüllt wie im Hinblick auf die von ihm im Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen aufgestellte Behauptung, eine Abtretung der Klageforderung hätten die Beteiligten nicht gewollt.
(1) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gestattet neues, d. h. in erster Instanz noch nicht geltend gemachtes (Grunsky, NJW 2002, 800; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1903) Vorbringen zu tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten , die von dem Standpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet entscheidungserheblich sind, von dem Eingangsgericht jedoch erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurden (BT-Drs. 14/4722, S. 101; MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 531 Rdn. 20; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 17) und aus einem von diesem mit zu verantwortenden Grund in erster Instanz nicht geltend gemacht worden ist (BGH, Urt. v. 19. Februar 2004, III ZR 147/03, Umdruck S. 8). Dieser Fall liegt hier nicht vor, weil das Berufungsgericht seine Entscheidung über den ursprünglichen (Haupt-)Antrag ebenso wie das Landgericht auf die von dem Kläger in erster Instanz behauptete Abtretung der Klageforderung gestützt hat. Neues Vorbringen zu diesem bereits dem erstinstanzlichen Urteil zugrunde liegenden Gesichtspunkt war dem Kläger daher verwehrt.
(2) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO betrifft insbesondere den Fall, daß nach § 139 ZPO gebotene Hinweise des Eingangsgerichts unterblieben sind, die zu entsprechendem Vorbringen in erster Instanz Anlaß gegeben hätten (BT-Drs. 14/4722, S. 101; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 531 Rdn. 23; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 18). Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht die ihm obliegende Hinweispflicht jedoch nicht verletzt. Zwar konnte der Kläger aus dem Umstand, daß das Landgericht trotz der bereits vorgetragenen Abtretung Beweis zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Verwendungsersatzanspruchs erhoben hat, schließen, daß es auf diesen Gesichtspunkt für die gerichtliche Entscheidung nicht ankommen werde. Er hatte daher zunächst keinen konkreten Anlaß, zu der Frage der Abtretung weiter vorzutragen oder sein Vorbringen in dem Sinn richtig zu stellen , daß tatsächlich keine Abtretung vereinbart worden sei. Dies änderte sich jedoch, nachdem das Landgericht auf die Bedeutung der Abtretung für die Fassung des Klageantrags hingewiesen hatte. Im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung verlesene Kommentarstelle mußte dem anwaltlich vertretenen Kläger bewußt gewesen sein, daß seine auf Zahlung an sich selbst gerichtete Klage wegen der von ihm vorgetragenen Abtretung des Klageanspruchs keinen Erfolg haben konnte, wenn das Landgericht mit der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eine Umstellung des Klageantrags auf Zahlung an den Abtretungsempfänger für erforderlich hielt. Selbst wenn der Kläger, wie von der Revision behauptet, davon ausgegangen sein sollte, das Landgericht habe in dieser Frage noch keine abschließende Position eingenommen, hätte er jedenfalls mit der Möglichkeit einer Klageabweisung rechnen müssen. Damit wäre es aus Sicht des Klägers nicht nur geboten gewesen , den Klageantrag – wie in der Berufungsinstanz geschehen – zumindest hilfsweise auf Zahlung an den Abtretungsempfänger umzustellen. Darüber
hinaus hätte auch Anlaß bestanden, im Rahmen des ursprünglichen Klageantrags zu der Frage der Abtretung ergänzend Stellung zu nehmen. Daß dies dem Kläger in erster Instanz, sei es auch nach Einräumung einer von ihm zu beantragenden Schriftsatzfrist (vgl. BGH, Urt. v. 25. Juni 2002, X ZR 83/00, NJW 2002, 3317, 3320), nicht möglich gewesen wäre, wird von der Revision nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Von sich aus mußte das Landgericht jedenfalls nicht auf einen weiteren Sachvortrag des Klägers hinwirken, da dessen Prozeßbevollmächtigter ausdrücklich um eine gerichtliche Entscheidung gebeten hatte und keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, sein Vortrag zu der erfolgten Abtretung könne ergänzungs- oder korrekturbedürftig sein.
(3) Hat der Kläger damit diejenigen tatsächlichen Umstände, die nach seiner Auffassung der Annahme einer Abtretung der Klageforderung entgegenstehen , in erster Instanz nicht vorgebracht, obwohl ihm diese Umstände und deren Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, beruht die unterlassene Geltendmachung auf Nachlässigkeit; das schließt eine Berücksichtigung dieser Umstände in der Berufungsinstanz gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO aus (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 101; Musielak /Ball, aaO, § 531 Rdn. 19; Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 531 Rdn. 18 f.; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904). Das Berufungsgericht mußte deshalb der unter Beweis gestellten Behauptung des Klägers, er und sein erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter hätten keine Abtretung der Klageforderung vereinbaren wollen, ebensowenig nachgehen wie der Frage, ob die schriftliche Abtretungsvereinbarung vom 30. März 1997 nur die von dem Kläger aufgrund eines obsiegenden Urteils erlangten Geldmittel erfaßt.


c) Auf der Grundlage der von dem Landgericht fehlerfrei festgestellten Abtretung hat das Berufungsgericht einen in der Person des Klägers bestehenden Verwendungsersatzanspruch zu Recht verneint. Zwar hat die nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgte Abtretung des Klageanspruchs keinen Einfluß auf dessen prozessuale Geltendmachung (§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Rechtsvorgänger behält daher weiter seine Prozeßführungsbefugnis und darf den Rechtsstreit als Partei im eigenen Namen weiterführen (Prozeßstandschaft ). Aufgrund der veränderten materiellen Rechtslage muß der Kläger jedoch grundsätzlich Leistung an seinen Rechtsnachfolger verlangen. Weigert er sich, wie hier, so muß die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen werden. Diese Grundsätze, die der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 26, 31, 37; BGH, Urt. v. 28. September 1982, VI ZR 221/80, WM 1982, 1313; Urt. v. 12. März 1986, VIII ZR 64/85, NJW 1986, 3206, 3207; Urt. v. 20. November 1996, XII ZR 70/95, NJW 1997, 735, 736) und der überwiegenden Auffassung in der Literatur (MünchKomm-ZPO/Lüke, 2. Aufl., § 265 Rdn. 83; Zöller/Greger, aaO, § 265 Rdn. 6a; Musielak/Foerste, aaO, § 265 Rdn. 10; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 265 Rdn. 17; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 265 Rdn. 13; a.A. die sogenannte Irrelevanztheorie: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 102 IV 2, S. 585; Jauernig, Zivilprozeßrecht, 28. Aufl., § 87 III 3, S. 354) entsprechen , stellt auch die Revision nicht in Frage.
Auch war der Kläger nicht etwa deshalb zur Einziehung der abgetretenen Forderung im eigenen Namen befugt, weil ihm der Abtretungsempfänger eine Einziehungsermächtigung erteilt hätte (vgl. BGHZ 26, 31, 37; BGH, Urt. v. 28. September 1982, aaO). Eine entsprechende Behauptung hat der Kläger in
erster Instanz nicht aufgestellt. Sie läßt sich auch seinem Vorbringen in der Berufungsinstanz, soweit es überhaupt zu berücksichtigen ist, nicht entnehmen. Wäre die Klageforderung, wie nunmehr von dem Kläger vorgetragen, nicht abgetreten worden, hätte keinerlei Anlaß zu der Erteilung einer Einziehungsermächtigung bestanden.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, der erstmals in zweiter Instanz gestellte Hilfsantrag, mit dem der Kläger einen Verwendungsersatzanspruch seines erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten geltend macht, sei unzulässig, weil er entgegen § 533 Nr. 2 ZPO nicht auf Tatsachen gestützt werden könne, die der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen waren. Eine mit der Berufung vorgenommene Umstellung des Klageantrags auf Leistung an den Abtretungsempfänger stellt nämlich unabhängig davon, ob sie unbedingt erfolgt oder, wie hier, von dem Mißerfolg des auf Leistung an den Kläger selbst gerichteten Hauptantrags abhängig ist, keine § 533 ZPO unterfallende Klageänderung dar.

a) § 533 ZPO knüpft in seinem Einleitungssatz an den allgemeinen Begriff der Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO an (Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 533 Rdn. 3). Danach ist eine objektive Klageänderung gegeben, wenn sich der Streitgegenstand verändert, insbesondere, wenn bei gleich bleibendem oder geändertem Klagegrund ein anderer Klageantrag gestellt wird (Zöller /Greger, aaO, § 263 Rdn. 2; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 263 Rdn. 1 f.). Wie eine Klageänderung zu behandeln ist der Fall einer nachträglichen (Eventual -)Klagenhäufung, auf den § 263 ZPO entsprechend anwendbar ist (BGH, Urt. v. 29. April 1981, VIII ZR 157/80, WM 1981, 423, 427; Urt. v. 10. Januar 1985, III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842; Urt. v. 26. Mai 1986, II ZR 237/85,
NJW-RR 1987, 58; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 263 Rdn. 21; Zöller /Greger, aaO, § 263 Rdn. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, aaO, § 263 Rdn. 4) und der deshalb auch von § 533 ZPO erfaßt wird (MünchKommZPO /Rimmelspacher, aaO, § 533 Rdn. 10; Musielak/Ball, aaO, § 533 Rdn. 6).

b) Handelt es sich allerdings um eine Antragsänderung, die, wie die Umstellung des Klageantrags auf Leistung an den Abtretungsempfänger, den Bestimmungen des § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO unterfällt (für eine Anwendung von § 264 Nr. 2 ZPO: BGH, Urt. v. 3. Juni 1987, IVb ZR 68/86, FamRZ 1987, 926, 928; Urt. v. 21. Dezember 1989, VII ZR 84/89, NJW-RR 1990, 505; Musielak /Foerste, aaO, § 265 Rdn. 10; Zöller/Greger, aaO, § 264 Rdn. 3b; für eine Anwendung von § 264 Nr. 3 ZPO: Stein/Jonas/Schumann, aaO, § 265 Rdn. 42; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 265 Rdn. 87; Rosenberg/Schwab/Gottwald, aaO, § 101 I 3), ist sie kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht als eine Klageänderung anzusehen. Auf eine solche Modifizierung des Klageantrags finden daher diejenigen Vorschriften, die die Zulässigkeit einer Klageänderung regeln, keine Anwendung (MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 4). Dies gilt nicht nur für § 263 ZPO (Stein/Jonas/Schumann, aaO, § 264 Rdn. 1; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 4), sondern auch für § 533 ZPO (a.A. Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 533 Rdn. 3, die jedenfalls § 533 Nr. 2 ZPO anwenden wollen), weil § 264 ZPO gemäß § 525 Satz 1 ZPO auch auf das Berufungsverfahren anzuwenden ist.

c) Die unbeschränkte Zulässigkeit einer Modifizierung des Klageantrags gem. § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO auch in der Berufungsinstanz entspricht dem Zweck der Vorschrift, der die prozeßökonomische und endgültige Erledigung des Streitstoffs zwischen den Parteien fördern soll (MünchKomm-ZPO/Lüke,
aaO, § 264 Rdn. 1). Kann das Berufungsgericht auf der Grundlage des bereits in erster Instanz angefallenen Prozeßstoffs eine abschließende Entscheidung über den modifizierten Klageantrag treffen, widerspräche es den Grundsätzen der Prozeßwirtschaftlichkeit, würde man die Parteien, gestützt auf § 533 ZPO, auf einen neuen Rechtsstreit verweisen, in dem das erstinstanzliche Verfahren wiederholt werden müßte und das Berufungsgericht erneut mit der Sache befaßt werden könnte. Nach früherem Recht (§ 523 ZPO a. F. in Verbindung mit § 264 ZPO) war eine derart unökonomische Verfahrensgestaltung ausgeschlossen , weil § 264 ZPO in der Berufungsinstanz Anwendung fand (BGHZ 85, 140, 143; BGH, Urt. v. 21. Dezember 1989, VII ZR 84/89, NJW-RR 1990, 505; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 5) und in den von der Vorschrift geregelten Fällen eine Antragsänderung unabhängig von dem Vorliegen weiterer Voraussetzungen ermöglichte. Für das reformierte Berufungsverfahren etwas anderes anzunehmen, hätte im Vergleich zu dem früheren Recht eine verstärkte Belastung der Gerichte und eine verzögerte Erledigung der Streitsachen zur Folge. Damit würde das Ziel der Zivilprozeßreform, die Effizienz innerhalb der Ziviljustiz zu steigern (BT-Drs. 14/4722, S. 1), offensichtlich verfehlt.

d) § 533 ZPO steht einer Anwendung des § 264 ZPO auf das Berufungsverfahren nicht entgegen (§ 525 Satz 1 Halbs. 2 ZPO).
aa) Mit den in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Merkmalen der Einwilligung des Gegners oder der Sachdienlichkeit wollte der Gesetzgeber die bereits nach bisherigem Recht (§ 523 ZPO a. F. in Verbindung mit § 263 ZPO) geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen einer zweitinstanzlichen Klageänderung übernehmen (BT-Drs. 14/4722, S. 102). Auf das Vorliegen dieser Vorausset-
zungen kam es jedoch auch bislang nicht an, wenn es sich um eine Antragsänderung gemäß § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO handelte (§ 523 ZPO a. F. in Verbindung mit § 264 ZPO). Daß der Gesetzgeber hieran etwas ändern wollte, läßt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Die Annahme, derartige Modifizierungen des Klageantrags sollten nach neuem Recht nur noch unter den in § 533 Nr. 1 ZPO geregelten Voraussetzungen zulässig sein, ist auch deshalb fernliegend, weil diese Antragsänderungen in aller Regel als sachdienlich anzusehen sind (vgl. MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 2), § 533 Nr. 1 ZPO insoweit also ohnehin keine zulässigkeitsbeschränkende Wirkung haben könnte.
bb) Sinn und Zweck des § 533 Nr. 2 ZPO gebieten es ebenfalls nicht, Antragsänderungen gemäß § 264 Nr. 2 und 3 ZPO in der Berufungsinstanz als Klageänderungen anzusehen.
(1) § 533 Nr. 2 ZPO bringt die geänderte Funktion des Berufungsverfahrens zum Ausdruck, die keine vollständige zweite Tatsacheninstanz mehr eröffnet , sondern in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient (BT-Drs. 14/4722, S. 64, 102). Für diesen Berufungszweck ist es unerheblich, ob das erstinstanzliche Gericht subjektiv fehlerhaft gehandelt und entschieden hat, was nicht der Fall ist, wenn seine Entscheidung gemessen an dem in erster Instanz gestellten Klageantrag - wie hier - zutreffend ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob das erstinstanzliche Urteil objektiv fehlerhaft ist, was nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts zu beurteilen ist (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 513 Rdn. 7; Rimmelspacher , NJW 2002, 1897). Damit kann sich die Korrekturbedürftigkeit des mit der Berufung angefochtenen Urteils auch aus einer im Berufungsverfahren
erfolgten Modifizierung des Klageantrags ergeben, wenn, wie im vorliegenden Fall, mit der Umstellung des Klageantrags einer Veränderung der materiellen Rechtslage Rechnung getragen wird, an deren sachgerechter Beurteilung das erstinstanzliche Gericht wegen des in erster Instanz gestellten Klageantrags gehindert war.
(2) Ausweislich der Gesetzesbegründung will § 533 Nr. 2 ZPO verhindern , daß im Wege der Klageänderung unzulässiger neuer Tatsachenstoff in das Berufungsverfahren eingeführt wird (BT-Drs. 14/4722, S. 102). In den Fällen des § 264 Nr. 2 und 3 ZPO ist das aber schon deswegen nicht zu befürchten , weil die Vorschrift insoweit voraussetzt, daß der - bereits in erster Instanz dargelegte - Klagegrund unverändert bleibt. Sollen zu dessen Ergänzung neue Tatsachen vorgetragen werden, ist dies nur in den durch § 531 Abs. 2 ZPO gezogenen Grenzen zulässig. Damit ist sichergestellt, daß der von dem Berufungsgericht zu beurteilende Prozeßstoff im wesentlichen mit demjenigen der ersten Instanz übereinstimmt.
(3) Schließlich soll durch die Regelung des § 533 Nr. 2 ZPO vermieden werden, daß das Berufungsgericht eine Klageänderung bei Vorliegen der in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Voraussetzungen zwar zulassen müßte, an einer der materiellen Rechtslage entsprechenden Entscheidung über die geänderte Klage aber gehindert sein könnte, weil es gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung nur die von dem erstinstanzlichen Gericht zu der ursprünglichen Klage festgestellten Tatsachen zugrunde legen darf (BTDrs. 14/4722, S. 102). Diese Gefahr, die den Gesetzgeber zu einer über die frühere Rechtslage hinausgehenden Beschränkung der Zulässigkeit zweitinstanzlicher Klageänderungen bewogen hat, besteht bei einer Antragsänderung
gemäß § 264 Nr. 2 und 3 ZPO nicht. Vielmehr kann das Berufungsgericht bei der Beurteilung des modifizierten Klageantrags auf den gesamten in erster Instanz angefallenen Prozeßstoff zurückgreifen.
(a) Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 12. März 2004 (V ZR 257/03) ausgeführt hat, gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozeßstoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (Umdruck S. 14). Im Gegensatz zum Revisionsrecht (§ 559 Abs. 1 ZPO) enthalten die gesetzlichen Vorschriften über das Berufungsverfahren keine das berücksichtigungsfähige Parteivorbringen beschränkende Bestimmung. Eine Verengung des zweitinstanzlichen Prozeßstoffs auf das aus dem erstinstanzlichen Urteil ersichtliche Parteivorbringen ergibt sich auch nicht aus § 314 ZPO, weil dem Urteilstatbestand im Hinblick auf schriftsätzlich angekündigtes Parteivorbringen keine negative Beweiskraft zukommt (Umdruck S. 17 f. m.w.N.). Unabhängig hiervon kann der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils den der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Prozeßstoff auch deshalb nicht begrenzen, weil das Berufungsverfahren nicht nur, wie das Revisionsverfahren, der Rechtsfehlerkontrolle, sondern gemäß § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO auch der Kontrolle und Korrektur fehlerhafter Tatsachenfeststellungen dient (BT-Drucks. 14/4722, S. 64; Hannich /Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 1, 7, 12 f.). Dies setzt voraus, daß das Berufungsgericht schriftsätzlich angekündigtes entscheidungserhebliches Parteivorbringen berücksichtigen darf, das von dem erstinstanzlichen Gericht für unerheblich erachtet oder übersehen worden ist und das deshalb im Urteilstatbestand keine Erwähnung gefunden hat (Barth, NJW 2002, 1702, 1703). Die in § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO zum Ausdruck kommende Funktion der Berufung würde eine den berücksichtigungsfähigen Prozeßstoff begrenzende Wirkung des
erstinstanzlichen Urteils also selbst dann ausschließen, wenn man im übrigen mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (zuletzt BGH, Urt. v. 16. Mai 1990, IV ZR 64/89, NJW-RR 1990, 1269) und des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 13. April 1989, 1 B 21/89, juris) an der negativen Beweiskraft des Urteilstatbestands ohne Einschränkungen festhielte. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage ist deshalb für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits im Ergebnis ohne Bedeutung, so daß es weder einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) noch an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 RsprEinhG) bedarf (vgl. BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 zu § 132 GVG; GmS-OGB, BGHZ 88, 353, 357 zu § 2 RsprEinhG).
(b) Bei der Entscheidung über den modifizierten Klageantrag ist das Berufungsgericht nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO an die von dem erstinstanzlichen Gericht zu dem ursprünglichen Klageantrag getroffenen Feststellungen gebunden. Kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 35; Ball, ZGS 2002, 146, 149) für die Beurteilung des modifizierten Klageantrags auf Tatsachen an, die in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt worden sind, dann bestehen Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten.

III.


Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und inwieweit die Voraussetzungen eines von dem Kläger an seinen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten abgetretenen Verwendungsersatzanspruchs gemäß §§ 994, 996 BGB erfüllt sind und in welchem Umfang ein solcher Anspruch gegebenenfalls durch die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung erloschen ist. Durch die Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, die erforderlichen Fest-
stellungen nachzuholen. Dabei kann es die Ergebnisse der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme verwerten, soweit nicht deren Wiederholung nach den von der Rechtsprechung zu §§ 398, 402 ZPO entwickelten Grundsätzen geboten ist (vgl. Senat, Urt. v. 12. März 2004, V ZR 257/03, Umdruck S. 10 m.w.N.).
Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 257/03 Verkündet am:
12. März 2004
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1
Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen
des erstinstanzlichen Gerichts begründen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern
ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen
sind.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1
Ist eine Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht geboten, so beurteilt sich die
Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme verpflichtet ist, nach denselben Grundsätzen wie aus der Zeit vor Geltung
des Zivilprozeßreformgesetzes.
ZPO (2002) § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3
Wird in der Berufungsbegründung gerügt, das erstinstanzliche Gericht habe Parteivorbringen
übergangen, so ist eine genaue Bezeichnung unter Angabe der Fundstelle in den
Schriftsätzen der Vorinstanz nicht erforderlich.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1
Auch bei einem Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts obliegt dem Berufungsgericht
nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die tatsächliche Inhaltskontrolle
des erstinstanzlichen Urteils ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge.
Für schriftsätzlich angekündigtes Vorbringen kommt dem Urteilstatbestand keine negative
Beweiskraft zu.
BGH, Urt. v. 12. März 2004 - V ZR 257/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war von der Stadt O. beauftragt, auf einem ehemaligen Kasernengelände gelegene Grundstücke und Wohnungen zu vermarkten. Mit notariellem Vertrag vom 8. Juli 1999 verkaufte sie eine durch Ausbau des Dachgeschosses eines Hauses noch zu errichtende Wohnung zum Preis von 444.000 DM an die Klägerin.
Dem Vertragsschluß vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen einer Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin Dr. L. , und der Klägerin, die von ihrem Bekannten, dem Zeugen Rechtsanwalt W. , begleitet wur-
de. Nach den Behauptungen der Klägerin erklärte Dr. L. während der Verhandlungen, auf dem der künftigen Dachgeschoßwohnung gegenüber liegenden Grundstück der Beklagten solle ein lediglich zweigeschossiges Gebäude errichtet werden, so daß die Sicht aus der Wohnung auf den Taunus uneingeschränkt erhalten bleibe. Tatsächlich war bereits zu diesem Zeitpunkt der - zwischenzeitlich begonnene - Bau eines viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses durch einen Investor geplant, wovon die Klägerin erst nach Bezug der Wohnung Kenntnis erhielt. Die mehr als zweigeschossige Nachbarbebauung , so hat die Klägerin behauptet, habe zu einem um 20 % geminderten Wert der Wohnung geführt.
Sie verlangt daher Schadensersatz in Höhe von 20 % des Kaufpreises sowie entsprechend geminderter Erwerbskosten und nimmt die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung von 47.613,80 Landgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen W. und der Zeugin Dr. L. über den Inhalt der Vertragsverhandlungen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gewandt und insbesondere gerügt, daß das Landgericht die Zeugen nicht gehört habe, die sie zur Erschütterung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. benannt habe. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht hält die Klage auf der Grundlage der in erster Instanz getroffenen Feststellungen für unbegründet. Die von der Klägerin behaupteten Falschangaben der Zeugin Dr. L. zur zweigeschossigen Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks seien nicht bewiesen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erneute Feststellungen in der Berufungsinstanz gebieten könnten, habe die Klägerin nicht aufgezeigt. Die von dem Eingangsgericht vorgenommene Beweiswürdigung unterliege zwar gewissen Zweifeln, sei im Ergebnis jedoch zutreffend. Soweit die Klägerin das Übergehen erstinstanzlicher Beweisanträge gerügt habe, betreffe dies einen nicht von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel , der gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründen könne, wenn er nach Maßgabe des § 520 Abs. 3 ZPO in der Berufungsbegründung ordnungsgemäß geltend gemacht worden sei. Diesen Anforderungen entspreche die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge nicht, weil es an einer konkreten Bezeichnung der angebotenen Zeugen und der Angabe des genauen Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote fehle.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

II.


1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts. Für den Fall, daß - wie die Klägerin behauptet - die für die Beklagte handelnde Zeugin Dr. L. im Rahmen der Vertragsverhandlungen unzutreffende Angaben zu der geplanten Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks gemacht haben sollte, wären die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsschluß erfüllt (vgl. Senat, Urt. v. 20. September 1996, V ZR 173/95, NJW-RR 1997, 144, 145; Urt. v. 26. September 1997, V ZR 29/96, NJW 1998, 302). Die Gewährleistungsvorschriften des hier weiterhin anwendbaren früheren Rechts (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) sind nicht einschlägig und stehen mithin einer Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsschluß nicht entgegen. Der Umstand, daß der gegenwärtige oder zukünftige Eigentümer eines benachbarten Grundstücks zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht den Willen hat, dieses entsprechend den baurechtlichen Möglichkeiten zu bebauen, stellt keine Eigenschaft des veräußerten Objekts, deren Fehlen als Sachmangel qualifiziert werden könnte (BGH, Urt. v. 14. Januar 1993, IX ZR 206/91, NJW 1993, 1323, 1324).
2. Hingegen rügt die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht erneute Feststellungen zu dem zwischen den Parteien streitigen Inhalt der Vertragsverhandlungen unter Verletzung des Verfahrensrechts abgelehnt hat. Auch nach neuem Recht unterliegen Berufungsurteile auf entsprechende Verfahrensrüge hinsichtlich der vollständigen Berücksichtigung des Streitstoffs und der Beweisangebote der Überprüfung durch das Revisionsgericht (MünchKomm -ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 546 Rdn. 15). Dies führt vorliegend zu dem Ergebnis, daß sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an
der Vollständigkeit des von dem Eingangsgericht zugrunde gelegten Sachverhalts , die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts gebieten, sowohl aus Fehlern der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil (a), als auch aus dem Übergehen erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin (b) ergeben.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann , NJW 2003, 169, 171).
aa) Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind (Hannich /Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 529 Rdn. 21; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 8). Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urt. v. 11. Februar 1987, IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558; Senat, Urt. v. 9. Juli 1999, V ZR 12/98, NJW 1999, 3481, 3482). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt unter anderem dann vor,
wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können , oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (BGH, Urt. v. 22. Januar 1991, VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894, 1895; Urt. v. 23. Januar 1997, I ZR 29/94, NJW 1997, 2757, 2759).
(1) Hieran gemessen ist die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil zumindest insoweit fehlerhaft, als es um die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. geht. Dessen Bekundungen hat das Gericht erster Instanz vor allem deshalb für unglaubhaft gehalten, weil der Zeuge die angebliche Zusicherung der Zeugin Dr. L. , das gegenüberliegende Grundstück werde nur zweigeschossig bebaut, nicht überprüft und sich insbesondere bei der Stadt O. nicht nach dem Bestand und dem Inhalt eines etwaigen Bebauungsplans erkundigt habe. Diesem Umstand kommt indes die ihm vom Gericht zuerkannte Indizwirkung nicht zu. Es ist nicht ersichtlich , aus welchem Grund für den Zeugen W. , der an den Vertragsverhandlungen nicht als beauftragter Rechtsanwalt, sondern allein wegen seiner Bekanntschaft mit der Klägerin teilgenommen hatte, Anlaß bestehen konnte, Erkundigungen zu den Äußerungen der Zeugin Dr. L. einzuholen. Zudem ist das herangezogene Indiz auch auf Grund seiner Ambivalenz nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. in Frage zu stellen. Selbst für die Klägerin gab es nämlich keine Veranlassung, die von der Zeugin Dr. L. erteilten Auskünfte zu überprüfen, wenn sie auf deren Richtigkeit vertraute. Daß die Angaben der Zeugin einen für den Vertragswillen der Klägerin bedeutsamen Punkt betrafen, steht dieser Möglichkeit nicht entgegen. Das Unterbleiben von Nachforschungen läßt deshalb nicht ohne weiteres darauf schließen, daß die Zeugin Dr. L. eine zweigeschossige Nachbarbebauung nicht zugesagt hat. Vielmehr läßt dieser Umstand auch den
Schluß zu, die Klägerin habe sich ebenso wie der Zeuge W. auf eine derartige Zusage verlassen. (2) Geht das Eingangsgericht - wie hier - auf Grund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung aus, so bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 13, § 529 Rdn. 35). Hierbei genügt es, wenn nur ein tragendes Element der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in seiner Aussagekraft geschmälert wird (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 32), weil bereits dann die Unrichtigkeit oder Lückenhaftigkeit der getroffenen Feststellungen als Folge der konkreten Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann (Rimmelspacher , NJW 2002, 1897, 1902). So liegt der Fall auch hier. Ausweislich seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung ist das erstinstanzliche Gericht nur deshalb zu dem Ergebnis der Nichterweislichkeit unzutreffender Angaben der Zeugin Dr. L. gelangt, weil es Anlaß gesehen hat, an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen W. zumindest zu zweifeln. Können diese Bedenken ausgeräumt werden, so ist es möglich, daß der Tatrichter die Aussage des Zeugen W. als glaubhaft ansieht. Da die Beweiswürdigung dann auch zu einem anderen Ergebnis führen kann, besteht die nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses. In solcher Situation sind erneute oder auch erstmalige (Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 12) neue Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geboten (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 14/6036, S. 123; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 36; MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 529 Rdn. 24; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 11).
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich weder das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte noch die Erforderlichkeit erneuter Feststellungen mit der Erwägung verneinen, das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweiswürdigung unterliege zwar "gewissen Zweifeln", sei aber aus anderen Gründen richtig. Zu dieser Schlußfolgerung konnte das Berufungsgericht nur auf Grund einer eigenständigen Würdigung der in erster Instanz erhobenen Beweise gelangen. Dies stellt jedoch, worauf die Revision zutreffend hinweist, der Sache nach eine erneute Tatsachenfeststellung dar, die aber nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte und das Gebotensein nochmaliger Feststellungen gerade voraussetzt.
cc) Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht deshalb als richtig dar (§ 561 ZPO), weil das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO gebotenen erneuten Tatsachenfeststellung zwar - fehlerhaft - verneint, eine solche aber doch vorgenommen hat. Die Tatsachenfeststellung in dem Berufungsurteil leidet nämlich ebenfalls an einem Verfahrensmangel und kann deshalb keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung, die von der Klägerin behauptete Zusicherung einer zweigeschossigen Bebauung des Nachbargrundstücks sei nicht erwiesen , darauf, daß beide Zeugen ein persönliches Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits hätten. Damit stellt das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Frage, was - wie die Revision zu Recht rügt - nur auf Grund deren nochmaliger Vernehmung zulässig gewesen wäre, nachdem das erstinstanzliche Gericht beide Zeugen als glaubwürdig angesehen hat. Es hat sich mit der fehlenden Glaubwürdigkeit der Zeugen W. und Dr. L. nur insoweit befaßt, als es angesichts der sich widersprechenden Aussagen erwogen hat, einer von beiden Zeugen müsse gelogen haben. Zu
einer Aufklärung hat sich das erstinstanzliche Gericht jedoch außer Stande gesehen, seine Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit daher nicht weiterverfolgt und seine weiteren Ausführungen auf die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen beschränkt. Die Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme verpflichtet ist, wenn die Voraussetzungen für eine erneute Tatsachenfeststellung vorliegen, beantwortet sich nach den von der Rechtsprechung zum bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen (Musielak/Huber, aaO, § 398 Rdn. 5; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 13). Es verbleibt mithin dabei, daß das Berufungsgericht bei pflichtgemäßer Ausübung des ihm durch §§ 525 Satz 1, 398 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen muß, wenn es dessen Glaubwürdigkeit abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BGH, Urt. v. 29. Oktober 1996, VI ZR 262/95, NJW 1997, 466; Urt. v. 10. März 1998, VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222, 2223 m.w.N.).

b) Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben sich zudem daraus, daß das Eingangsgericht die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin nicht berücksichtigt hat, die Zeugin Dr. L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Bebauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Träfe diese Behauptung zu, so wäre sie geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. , sie habe die Klägerin ebenso wie alle übrigen Interessenten auf die geplante viergeschossige Bebauung hingewiesen, in Frage zu stellen. Besteht mithin unter Zugrundelegung der von der Klägerin behaupteten Tatsache zumindest die Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses, so ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Entgegen der Auf-
fassung des Berufungsgerichts ist hierfür eine den formalen Anforderungen des Revisionsrechts genügende Berufungsrüge selbst dann nicht Voraussetzung , wenn - wie hier - zugleich auch ein Verfahrensfehler des Erstrichters vorliegt. Insoweit stellt das Berufungsgericht, was die Revision mit Erfolg geltend macht, zum einen zu hohe Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit einer Verfahrensrüge gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (aa) und verkennt zum anderen auch die Bedeutung des § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO (bb).
aa) Das Berufungsgericht überspannt die inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung, soweit es die Ordnungsmäßigkeit der von der Klägerin gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erhobenen Berufungsrüge mit der Begründung verneint, es fehle an der erforderlichen namentlichen Benennung der in erster Instanz angebotenen Zeugen und an der Angabe des Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote.
(1) Wendet sich der Berufungskläger - wie hier - gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil, so greift er, gestützt auf den Berufungsgrund des § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO, die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen mit dem Ziel einer erneuten Feststellung durch das Berufungsgericht an. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Berufung muß er deshalb gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO die Voraussetzungen darlegen, unter denen nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die Bindung des Berufungsgerichts an die vom Eingangsgericht getroffenen Feststellungen entfällt (BGH, Beschl. v. 28. Mai 2003, XII ZB 165/02, NJW 2003, 2531, 2532). Dies hat die Klägerin bereits dadurch getan, daß sie die Feststellungen des Erstrichters unter Hinweis auf ein bereits in erster Instanz vorgelegtes Beschwerdeschreiben mehrerer Wohnungseigentümer angegriffen und ihre Behauptung wiederholt hat, die Zeugin Dr.
L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Be- bauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Da dieses Vorbringen die Glaubhaftigkeit der inhaltlich widersprechenden Aussage der Zeugin in Frage stellen kann und in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil nicht berücksichtigt worden ist, sind nach der Berufungsbegründung konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen mit der Folge gegeben , daß das Berufungsgericht insoweit nicht mehr gebunden ist. Auf die von der Klägerin angebotenen Zeugen wäre es erst angekommen, wenn die vom Berufungsgericht vorzunehmende Prüfung ergeben hätte, daß die Behauptung der Klägerin von der Beklagten wirksam bestritten worden war.
(2) Nichts anderes folgt aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, falls diese Regelung für Angriffe gegen Tatsachenfeststellungen auf Grund von Verfahrensfehlern - zusätzlich - anwendbar sein sollte (befürwortend Fellner, MDR 2003, 721, 722; ablehnend MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 40). Hieraus ergeben sich im Ergebnis keine weitergehenden Anforderungen an den notwendigen Inhalt der Berufungsbegründung. Die ohnehin erforderliche Darlegung der in § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen reicht nämlich im Falle eines Verfahrensmangels auch für die nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO gebotene Darlegung einer entscheidungskausalen Rechtsverletzung aus. Insbesondere muß der Berufungskläger zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensfehlers lediglich aufzeigen, daß das Eingangsgericht ohne den Verfahrensverstoß möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (Musielak /Ball, aaO, § 520 Rdn. 33).
(3) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lassen sich strengere formale Anforderungen an die Berufungsbegründung nicht daraus herleiten, daß ein Revisionskläger, der gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b ZPO ein verfahrensfehlerhaftes Übergehen von Tatsachenbehauptungen oder Beweisangeboten rügen will, diese unter Angabe der Fundstelle in den Schriftsätzen der Vorinstanzen genau bezeichnen muß (vgl. dazu BGHZ 14, 205, 209 f; BAG, ZIP 1983, 605, 606; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 554 Rdn. 13; MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 551 Rdn. 21; Musielak/Ball, aaO, § 551 Rdn. 11). Dieses revisionsrechtliche Erfordernis ist auf das Berufungsverfahren nicht übertragbar (a.A. Musielak/Ball, aaO, § 520 Rdn. 32; Ball, WuM 2002, 296, 299; wohl auch Stackmann, NJW 2003, 169, 171 f). Es findet seine Rechtfertigung in der durch § 559 Abs. 1 ZPO allein für das Revisionsverfahren angeordneten Beschränkung des Prozeßstoffs. Danach kann aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll nicht ersichtliches Parteivorbringen nur über eine Nichtberücksichtigungsrüge zur Beurteilungsgrundlage des Revisionsgerichts werden (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 3, 7). Diese Rüge muß so konkret sein, daß keine Zweifel an dem vom Revisionsgericht zugrunde zu legenden Tatsachenstoff verbleiben. Das Berufungsverfahren kennt hingegen keine § 559 Abs. 1 ZPO vergleichbare Bestimmung. Eine entsprechende Anwendung der revisionsrechtlichen Regelung scheitert an den unterschiedlichen Funktionen der Rechtsmittel (Gaier, NJW 2004, 110, 111; a.A. Grunsky, NJW 2002, 800, 801; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901). Anders als im Revisionsverfahren ist das angefochtene Urteil nicht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen, vielmehr gehört es gemäß § 513 Abs. 1 ZPO zu den Aufgaben der Berufung, das Urteil der Vorinstanz auch auf konkrete Anhaltspunkte für Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen zu prüfen und etwaige Fehler zu beseiti-
gen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 64; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 1, 7, 12 f). Fehlt es mithin an einer begrenzenden Regelung, so gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte - wie noch auszuführen sein wird, aus den Akten ersichtliche - Prozeßstoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (Barth, NJW 2002, 1702, 1703; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Damit steht auch der von dem Berufungsgericht zu berücksichtigende Tatsachenstoff fest, weshalb es einer Nichtberücksichtigungsrüge und der für sie geltenden formalen Anforderungen nicht bedarf. bb) Zudem hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß die ihm nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO obliegende Kontrolle der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des erstinstanzlichen Urteils im Fall eines - wie hier - zulässigen Rechtsmittels ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge besteht.
(1) Eine Bindung des Berufungsgerichts an solche Zweifel begründende Umstände, die in der Berufungsbegründung dargelegt sind, folgt insbesondere nicht aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO. Danach müssen zwar konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO in der Berufungsbegründung bezeichnet werden. Auf solche Umstände wird die Überprüfung durch das Berufungsgericht allerdings nicht beschränkt, sondern lediglich eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels geregelt (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Notwendigkeit einer Rüge läßt sich dem Wortlaut anderer Gesetzesvorschriften ebensowenig entnehmen. Sie entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Nach den Gesetzesmaterialien hat das Berufungsgericht Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen selbst dann nachzugehen, wenn es sie unabhängig vom Partei-
vortrag auf Grund lediglich bei ihm gerichtskundiger Tatsachen gewonnen hat (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses , BT-Drucks. 14/4722, S. 100). Damit kann und muß das Berufungsgericht erst recht konkrete Anhaltspunkte berücksichtigen, die ihre Grundlage im erstinstanzlichen Vorbringen der Parteien haben, auch wenn das Übergehen dieses Vortrags von dem Berufungskläger nicht zum Gegenstand einer Berufungsrüge gemacht worden ist (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 12). Bemerkt das Berufungsgericht etwa anläßlich der Prüfung sonstiger Berufungsrügen, daß das Eingangsgericht eine für die Beweiswürdigung bedeutsame Tatsache oder ein erhebliches Beweisangebot übergangen hat, dann bestehen auch ohne dahingehende Rüge konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichten (a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, 2003, S. 11, 16).
(2) Dem steht nicht entgegen, daß das erstinstanzliche Gericht hier Parteivorbringen übergangen hat und darin ein Verfahrensfehler in Gestalt der Versagung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder des Verstoßes gegen § 286 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2000, VIII ZR 31/99, NJW 2000, 2024, 2026) zu sehen ist. Zwar prüft das Berufungsgericht einen Mangel des Verfahrens - soweit er nicht von Amts wegen berücksichtigt werden muß - gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann, wenn er gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO in der Berufungsbegründung gerügt worden ist. Hierdurch wird jedoch die durch § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geregelte tatsächliche Inhaltskontrolle des Berufungsgerichts entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 53, § 529
Rdn. 14, 38; ders., NJW 2002, 1897, 1902; ders., NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 15; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 9, 23; Hinz, NZM 2001, 601, 605; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428) nicht eingeschränkt (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 529 Rdn. 12; Vorwerk, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 4, 6; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Von der Aufgabe des Berufungsgerichts, konkreten Anhaltspunkten ungeachtet einer Berufungsrüge nachzugehen, macht das Gesetz keine Ausnahme, wenn sich - was ohnehin die weitaus praktischste Fallgestaltung darstellen dürfte - konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO aus Verfahrensfehlern des Erstrichters bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben. Dies zeigt sich an der Systematik des § 529 ZPO, der mit seinen Absätzen klar zwischen den Aufgaben des Berufungsgerichts bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht trennt (Hannich /Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43). Für die tatsächliche Inhaltskontrolle ist ausschließlich § 529 Abs. 1 ZPO maßgebend, eine Vermischung mit der in § 529 Abs. 2 ZPO geregelten Rechtsfehlerkontrolle darf mithin selbst dann nicht stattfinden, wenn die fehlerhaften Tatsachenfeststellungen im erstinstanzlichen Urteil auf einem Verfahrensmangel beruhen.
(3) Das Berufungsgericht ist an der Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens nicht deshalb gehindert gewesen, weil dieser Vortrag weder durch eine Darstellung im Tatbestand noch durch eine § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO genügende Bezugnahme (vgl. BGH, Urt. v. 18. Februar 1954, IV ZR 126/53, LM § 295 ZPO Nr. 9) in dem erstinstanzlichen Urteil Erwähnung gefunden hat.
Die auf § 314 ZPO gestützte Annahme, daß nicht erwähnte Angriffsund Verteidigungsmittel, auch tatsächlich unterblieben sind (negative Beweiskraft des Tatbestandes), wäre nur dann gerechtfertigt, wenn das Parteivorbringen in dem Urteilstatbestand vollständig wiedergegeben werden müßte. Nur dann könnte nämlich von dem Fehlen einer Darstellung auf das Fehlen entsprechenden Vortrags geschlossen werden. Eine vollständige Wiedergabe des Parteivorbringens kann aber nicht mehr zu den Funktionen des Urteilstatbestandes zählen, nachdem sich das Gesetz in § 313 Abs. 2 ZPO mit einer "knappen" Darstellung nur des "wesentlichen Inhalts" der vorgebrachten Angriffs - und Verteidigungsmittel begnügt (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 7; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 7, § 559 Rdn. 17; ders., in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20; Fischer, DRiZ 1994, 461, 462 f; Crückeberg, MDR 2003, 199, 200; Gaier, NJW 2004, 110, 111; Rixecker, NJW 2004, 705, 708; a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 13). Dies hängt eng zusammen mit der Aufgabe der ursprünglichen Konzeption des Zivilprozesses als eines rein mündlichen Verfahrens, nach der mündlicher Vortrag weder durch ein Verlesen noch durch eine Bezugnahme auf Schriftsätze ersetzt werden konnte (§ 128 Abs. 3 Satz 1 CPO 1877/§ 137 Abs. 3 Satz 1 CPO 1900). Wurde hiernach ausschließlich das mündlich Vorgetragene zum Prozeßstoff, so konnte dieser nicht durch den Inhalt der Schriftsätze , sondern allein durch den - tunlichst vollständigen - Urteilstatbestand nachgewiesen werden. Insbesondere seit der gänzlichen Aufgabe des Bezugnahmeverbots durch die Neufassung des § 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO (RGBl. I 1924, 135) stehen indessen die vorbereitenden Schriftsätze ebenfalls zum Nachweis des Parteivorbringens zur Verfügung. Da mit der Antragstellung und der mündlichen Verhandlung im Zweifel eine Bezugnahme der Parteien auf den Inhalt der zur Vorbereitung vorgelegten Schriftstücke verbunden ist (BGH,
Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, NJW-RR 2002, 381 m.w.N.), ergibt sich der Prozeßstoff auch aus dem Inhalt der Gerichtsakten. Der Bundesgerichtshof hat bereits vor dem Hintergrund dieser Überlegung - wenn auch ohne ausdrückliche Aufgabe der Rechtsprechung zur negativen Beweiskraft - auf entsprechende Revisionsrüge Vorbringen berücksichtigt, das im Tatbestand nicht erwähnt war (BGH, Urt. v. 16. Juni 1992, XI ZR 166/91, NJW 1992, 2148, 2149; Urt. v. 7. Dezember 1995, III ZR 141/93, NJW-RR 1996, 379; vgl. auch Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, aaO). Allein mit dem Hinweis auf die negative Beweiskraft des Urteilstatbestandes kann mithin Parteivorbringen, das sich aus den vorbereitenden Schriftsätzen ergibt, in den Rechtsmittelverfahren nicht unberücksichtigt bleiben. Hingegen bleibt die negative Beweiskraft für solche Angriffs- und Verteidigungsmittel von Bedeutung, die in der mündlichen Verhandlung ohne vorherige Ankündigung in einem vorbereitenden Schriftsatz vorgebracht werden (Ball, in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20). Allerdings hat die Rechtsprechung bisher dem Urteilstatbestand auf Grund des § 314 ZPO auch negative Beweiskraft hinsichtlich des mündlichen Parteivorbringens beigelegt. Danach soll der Tatbestand nicht nur Beweis dafür erbringen, daß das, was in ihm als Parteivortrag wiedergegeben wird, tatsächlich vorgetragen worden ist, sondern auch beweisen, daß von den Parteien nichts behauptet worden ist, was nicht aus dem Tatbestand ersichtlich ist (Senat, Urt. v. 25. Mai 1984, V ZR 199/82, NJW 1984, 2463, insoweit in BGHZ 91, 282 nicht abgedruckt; BGH, Urt. v. 27. Mai 1981, IVa ZR 55/80, NJW 1981, 1848; Urt. v. 3. November 1982, IVa ZR 39/81, NJW 1983, 885, 886 m.w.N.; Urt. v. 16. Mai 1990, IV ZR 64/89, NJW-RR 1990, 1269). Dieser bereits vom Reichsgericht (RGZ 4, 418, 420; RG, JW 1887, 38; 1896, 72; 1897, 52, 53) vertretenen Auffassung ist das Bundesverwaltungsgericht beigetreten (BVerwG, Beschl. v. 13. April 1989, 1 B 21/89 m.w.N.). Gleichwohl bedarf es
hier weder einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) noch an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 RsprEinhG). Beide Vorlagen setzen voraus, daß die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird, das vorlegende Gericht also bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 zu § 132 GVG; GmS-OGB, BGHZ 88, 353, 357 zu § 2 RsprEinhG). An diesem Erfordernis fehlt es; denn das angefochtene Urteil ist bereits deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit des zugrunde gelegten Sachverhalts aus den bereits erörterten Fehlern der Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil ergeben.

III.


Nach alledem war die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zunächst die gebotenen Feststellungen zum Inhalt der geführten Vertragsverhandlungen nachholen müssen. Sollte danach von dem Vorliegen der Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs auszugehen sein, wären weitergehende Feststellungen zur Schadenshöhe erforderlich. Da die Klägerin an dem geschlossenen Vertrag festhalten will, wäre als ersatzfähiger Schaden der Betrag anzusetzen, um den die Klägerin die Dachgeschoßwohnung im Vertrauen auf
die Richtigkeit der Angaben der Zeugin Dr. L. zu teuer erworben hat (vgl. Senat, Urt. v. 6. April 2001, V ZR 394/99, NJW 2001, 2875, 2877 m.w.N.).
Wenzel Krüger Klein Gaier RiBGH Dr. Stresemann ist infolge Urlaubsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben. Wenzel

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 257/03 Verkündet am:
12. März 2004
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1
Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen
des erstinstanzlichen Gerichts begründen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern
ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen
sind.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1
Ist eine Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht geboten, so beurteilt sich die
Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme verpflichtet ist, nach denselben Grundsätzen wie aus der Zeit vor Geltung
des Zivilprozeßreformgesetzes.
ZPO (2002) § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3
Wird in der Berufungsbegründung gerügt, das erstinstanzliche Gericht habe Parteivorbringen
übergangen, so ist eine genaue Bezeichnung unter Angabe der Fundstelle in den
Schriftsätzen der Vorinstanz nicht erforderlich.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1
Auch bei einem Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts obliegt dem Berufungsgericht
nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die tatsächliche Inhaltskontrolle
des erstinstanzlichen Urteils ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge.
Für schriftsätzlich angekündigtes Vorbringen kommt dem Urteilstatbestand keine negative
Beweiskraft zu.
BGH, Urt. v. 12. März 2004 - V ZR 257/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war von der Stadt O. beauftragt, auf einem ehemaligen Kasernengelände gelegene Grundstücke und Wohnungen zu vermarkten. Mit notariellem Vertrag vom 8. Juli 1999 verkaufte sie eine durch Ausbau des Dachgeschosses eines Hauses noch zu errichtende Wohnung zum Preis von 444.000 DM an die Klägerin.
Dem Vertragsschluß vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen einer Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin Dr. L. , und der Klägerin, die von ihrem Bekannten, dem Zeugen Rechtsanwalt W. , begleitet wur-
de. Nach den Behauptungen der Klägerin erklärte Dr. L. während der Verhandlungen, auf dem der künftigen Dachgeschoßwohnung gegenüber liegenden Grundstück der Beklagten solle ein lediglich zweigeschossiges Gebäude errichtet werden, so daß die Sicht aus der Wohnung auf den Taunus uneingeschränkt erhalten bleibe. Tatsächlich war bereits zu diesem Zeitpunkt der - zwischenzeitlich begonnene - Bau eines viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses durch einen Investor geplant, wovon die Klägerin erst nach Bezug der Wohnung Kenntnis erhielt. Die mehr als zweigeschossige Nachbarbebauung , so hat die Klägerin behauptet, habe zu einem um 20 % geminderten Wert der Wohnung geführt.
Sie verlangt daher Schadensersatz in Höhe von 20 % des Kaufpreises sowie entsprechend geminderter Erwerbskosten und nimmt die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung von 47.613,80 Landgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen W. und der Zeugin Dr. L. über den Inhalt der Vertragsverhandlungen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gewandt und insbesondere gerügt, daß das Landgericht die Zeugen nicht gehört habe, die sie zur Erschütterung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. benannt habe. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht hält die Klage auf der Grundlage der in erster Instanz getroffenen Feststellungen für unbegründet. Die von der Klägerin behaupteten Falschangaben der Zeugin Dr. L. zur zweigeschossigen Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks seien nicht bewiesen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erneute Feststellungen in der Berufungsinstanz gebieten könnten, habe die Klägerin nicht aufgezeigt. Die von dem Eingangsgericht vorgenommene Beweiswürdigung unterliege zwar gewissen Zweifeln, sei im Ergebnis jedoch zutreffend. Soweit die Klägerin das Übergehen erstinstanzlicher Beweisanträge gerügt habe, betreffe dies einen nicht von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel , der gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründen könne, wenn er nach Maßgabe des § 520 Abs. 3 ZPO in der Berufungsbegründung ordnungsgemäß geltend gemacht worden sei. Diesen Anforderungen entspreche die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge nicht, weil es an einer konkreten Bezeichnung der angebotenen Zeugen und der Angabe des genauen Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote fehle.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

II.


1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts. Für den Fall, daß - wie die Klägerin behauptet - die für die Beklagte handelnde Zeugin Dr. L. im Rahmen der Vertragsverhandlungen unzutreffende Angaben zu der geplanten Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks gemacht haben sollte, wären die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsschluß erfüllt (vgl. Senat, Urt. v. 20. September 1996, V ZR 173/95, NJW-RR 1997, 144, 145; Urt. v. 26. September 1997, V ZR 29/96, NJW 1998, 302). Die Gewährleistungsvorschriften des hier weiterhin anwendbaren früheren Rechts (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) sind nicht einschlägig und stehen mithin einer Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsschluß nicht entgegen. Der Umstand, daß der gegenwärtige oder zukünftige Eigentümer eines benachbarten Grundstücks zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht den Willen hat, dieses entsprechend den baurechtlichen Möglichkeiten zu bebauen, stellt keine Eigenschaft des veräußerten Objekts, deren Fehlen als Sachmangel qualifiziert werden könnte (BGH, Urt. v. 14. Januar 1993, IX ZR 206/91, NJW 1993, 1323, 1324).
2. Hingegen rügt die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht erneute Feststellungen zu dem zwischen den Parteien streitigen Inhalt der Vertragsverhandlungen unter Verletzung des Verfahrensrechts abgelehnt hat. Auch nach neuem Recht unterliegen Berufungsurteile auf entsprechende Verfahrensrüge hinsichtlich der vollständigen Berücksichtigung des Streitstoffs und der Beweisangebote der Überprüfung durch das Revisionsgericht (MünchKomm -ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 546 Rdn. 15). Dies führt vorliegend zu dem Ergebnis, daß sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an
der Vollständigkeit des von dem Eingangsgericht zugrunde gelegten Sachverhalts , die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts gebieten, sowohl aus Fehlern der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil (a), als auch aus dem Übergehen erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin (b) ergeben.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann , NJW 2003, 169, 171).
aa) Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind (Hannich /Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 529 Rdn. 21; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 8). Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urt. v. 11. Februar 1987, IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558; Senat, Urt. v. 9. Juli 1999, V ZR 12/98, NJW 1999, 3481, 3482). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt unter anderem dann vor,
wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können , oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (BGH, Urt. v. 22. Januar 1991, VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894, 1895; Urt. v. 23. Januar 1997, I ZR 29/94, NJW 1997, 2757, 2759).
(1) Hieran gemessen ist die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil zumindest insoweit fehlerhaft, als es um die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. geht. Dessen Bekundungen hat das Gericht erster Instanz vor allem deshalb für unglaubhaft gehalten, weil der Zeuge die angebliche Zusicherung der Zeugin Dr. L. , das gegenüberliegende Grundstück werde nur zweigeschossig bebaut, nicht überprüft und sich insbesondere bei der Stadt O. nicht nach dem Bestand und dem Inhalt eines etwaigen Bebauungsplans erkundigt habe. Diesem Umstand kommt indes die ihm vom Gericht zuerkannte Indizwirkung nicht zu. Es ist nicht ersichtlich , aus welchem Grund für den Zeugen W. , der an den Vertragsverhandlungen nicht als beauftragter Rechtsanwalt, sondern allein wegen seiner Bekanntschaft mit der Klägerin teilgenommen hatte, Anlaß bestehen konnte, Erkundigungen zu den Äußerungen der Zeugin Dr. L. einzuholen. Zudem ist das herangezogene Indiz auch auf Grund seiner Ambivalenz nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. in Frage zu stellen. Selbst für die Klägerin gab es nämlich keine Veranlassung, die von der Zeugin Dr. L. erteilten Auskünfte zu überprüfen, wenn sie auf deren Richtigkeit vertraute. Daß die Angaben der Zeugin einen für den Vertragswillen der Klägerin bedeutsamen Punkt betrafen, steht dieser Möglichkeit nicht entgegen. Das Unterbleiben von Nachforschungen läßt deshalb nicht ohne weiteres darauf schließen, daß die Zeugin Dr. L. eine zweigeschossige Nachbarbebauung nicht zugesagt hat. Vielmehr läßt dieser Umstand auch den
Schluß zu, die Klägerin habe sich ebenso wie der Zeuge W. auf eine derartige Zusage verlassen. (2) Geht das Eingangsgericht - wie hier - auf Grund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung aus, so bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 13, § 529 Rdn. 35). Hierbei genügt es, wenn nur ein tragendes Element der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in seiner Aussagekraft geschmälert wird (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 32), weil bereits dann die Unrichtigkeit oder Lückenhaftigkeit der getroffenen Feststellungen als Folge der konkreten Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann (Rimmelspacher , NJW 2002, 1897, 1902). So liegt der Fall auch hier. Ausweislich seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung ist das erstinstanzliche Gericht nur deshalb zu dem Ergebnis der Nichterweislichkeit unzutreffender Angaben der Zeugin Dr. L. gelangt, weil es Anlaß gesehen hat, an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen W. zumindest zu zweifeln. Können diese Bedenken ausgeräumt werden, so ist es möglich, daß der Tatrichter die Aussage des Zeugen W. als glaubhaft ansieht. Da die Beweiswürdigung dann auch zu einem anderen Ergebnis führen kann, besteht die nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses. In solcher Situation sind erneute oder auch erstmalige (Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 12) neue Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geboten (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 14/6036, S. 123; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 36; MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 529 Rdn. 24; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 11).
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich weder das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte noch die Erforderlichkeit erneuter Feststellungen mit der Erwägung verneinen, das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweiswürdigung unterliege zwar "gewissen Zweifeln", sei aber aus anderen Gründen richtig. Zu dieser Schlußfolgerung konnte das Berufungsgericht nur auf Grund einer eigenständigen Würdigung der in erster Instanz erhobenen Beweise gelangen. Dies stellt jedoch, worauf die Revision zutreffend hinweist, der Sache nach eine erneute Tatsachenfeststellung dar, die aber nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte und das Gebotensein nochmaliger Feststellungen gerade voraussetzt.
cc) Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht deshalb als richtig dar (§ 561 ZPO), weil das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO gebotenen erneuten Tatsachenfeststellung zwar - fehlerhaft - verneint, eine solche aber doch vorgenommen hat. Die Tatsachenfeststellung in dem Berufungsurteil leidet nämlich ebenfalls an einem Verfahrensmangel und kann deshalb keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung, die von der Klägerin behauptete Zusicherung einer zweigeschossigen Bebauung des Nachbargrundstücks sei nicht erwiesen , darauf, daß beide Zeugen ein persönliches Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits hätten. Damit stellt das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Frage, was - wie die Revision zu Recht rügt - nur auf Grund deren nochmaliger Vernehmung zulässig gewesen wäre, nachdem das erstinstanzliche Gericht beide Zeugen als glaubwürdig angesehen hat. Es hat sich mit der fehlenden Glaubwürdigkeit der Zeugen W. und Dr. L. nur insoweit befaßt, als es angesichts der sich widersprechenden Aussagen erwogen hat, einer von beiden Zeugen müsse gelogen haben. Zu
einer Aufklärung hat sich das erstinstanzliche Gericht jedoch außer Stande gesehen, seine Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit daher nicht weiterverfolgt und seine weiteren Ausführungen auf die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen beschränkt. Die Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme verpflichtet ist, wenn die Voraussetzungen für eine erneute Tatsachenfeststellung vorliegen, beantwortet sich nach den von der Rechtsprechung zum bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen (Musielak/Huber, aaO, § 398 Rdn. 5; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 13). Es verbleibt mithin dabei, daß das Berufungsgericht bei pflichtgemäßer Ausübung des ihm durch §§ 525 Satz 1, 398 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen muß, wenn es dessen Glaubwürdigkeit abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BGH, Urt. v. 29. Oktober 1996, VI ZR 262/95, NJW 1997, 466; Urt. v. 10. März 1998, VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222, 2223 m.w.N.).

b) Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben sich zudem daraus, daß das Eingangsgericht die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin nicht berücksichtigt hat, die Zeugin Dr. L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Bebauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Träfe diese Behauptung zu, so wäre sie geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. , sie habe die Klägerin ebenso wie alle übrigen Interessenten auf die geplante viergeschossige Bebauung hingewiesen, in Frage zu stellen. Besteht mithin unter Zugrundelegung der von der Klägerin behaupteten Tatsache zumindest die Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses, so ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Entgegen der Auf-
fassung des Berufungsgerichts ist hierfür eine den formalen Anforderungen des Revisionsrechts genügende Berufungsrüge selbst dann nicht Voraussetzung , wenn - wie hier - zugleich auch ein Verfahrensfehler des Erstrichters vorliegt. Insoweit stellt das Berufungsgericht, was die Revision mit Erfolg geltend macht, zum einen zu hohe Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit einer Verfahrensrüge gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (aa) und verkennt zum anderen auch die Bedeutung des § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO (bb).
aa) Das Berufungsgericht überspannt die inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung, soweit es die Ordnungsmäßigkeit der von der Klägerin gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erhobenen Berufungsrüge mit der Begründung verneint, es fehle an der erforderlichen namentlichen Benennung der in erster Instanz angebotenen Zeugen und an der Angabe des Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote.
(1) Wendet sich der Berufungskläger - wie hier - gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil, so greift er, gestützt auf den Berufungsgrund des § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO, die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen mit dem Ziel einer erneuten Feststellung durch das Berufungsgericht an. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Berufung muß er deshalb gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO die Voraussetzungen darlegen, unter denen nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die Bindung des Berufungsgerichts an die vom Eingangsgericht getroffenen Feststellungen entfällt (BGH, Beschl. v. 28. Mai 2003, XII ZB 165/02, NJW 2003, 2531, 2532). Dies hat die Klägerin bereits dadurch getan, daß sie die Feststellungen des Erstrichters unter Hinweis auf ein bereits in erster Instanz vorgelegtes Beschwerdeschreiben mehrerer Wohnungseigentümer angegriffen und ihre Behauptung wiederholt hat, die Zeugin Dr.
L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Be- bauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Da dieses Vorbringen die Glaubhaftigkeit der inhaltlich widersprechenden Aussage der Zeugin in Frage stellen kann und in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil nicht berücksichtigt worden ist, sind nach der Berufungsbegründung konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen mit der Folge gegeben , daß das Berufungsgericht insoweit nicht mehr gebunden ist. Auf die von der Klägerin angebotenen Zeugen wäre es erst angekommen, wenn die vom Berufungsgericht vorzunehmende Prüfung ergeben hätte, daß die Behauptung der Klägerin von der Beklagten wirksam bestritten worden war.
(2) Nichts anderes folgt aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, falls diese Regelung für Angriffe gegen Tatsachenfeststellungen auf Grund von Verfahrensfehlern - zusätzlich - anwendbar sein sollte (befürwortend Fellner, MDR 2003, 721, 722; ablehnend MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 40). Hieraus ergeben sich im Ergebnis keine weitergehenden Anforderungen an den notwendigen Inhalt der Berufungsbegründung. Die ohnehin erforderliche Darlegung der in § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen reicht nämlich im Falle eines Verfahrensmangels auch für die nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO gebotene Darlegung einer entscheidungskausalen Rechtsverletzung aus. Insbesondere muß der Berufungskläger zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensfehlers lediglich aufzeigen, daß das Eingangsgericht ohne den Verfahrensverstoß möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (Musielak /Ball, aaO, § 520 Rdn. 33).
(3) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lassen sich strengere formale Anforderungen an die Berufungsbegründung nicht daraus herleiten, daß ein Revisionskläger, der gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b ZPO ein verfahrensfehlerhaftes Übergehen von Tatsachenbehauptungen oder Beweisangeboten rügen will, diese unter Angabe der Fundstelle in den Schriftsätzen der Vorinstanzen genau bezeichnen muß (vgl. dazu BGHZ 14, 205, 209 f; BAG, ZIP 1983, 605, 606; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 554 Rdn. 13; MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 551 Rdn. 21; Musielak/Ball, aaO, § 551 Rdn. 11). Dieses revisionsrechtliche Erfordernis ist auf das Berufungsverfahren nicht übertragbar (a.A. Musielak/Ball, aaO, § 520 Rdn. 32; Ball, WuM 2002, 296, 299; wohl auch Stackmann, NJW 2003, 169, 171 f). Es findet seine Rechtfertigung in der durch § 559 Abs. 1 ZPO allein für das Revisionsverfahren angeordneten Beschränkung des Prozeßstoffs. Danach kann aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll nicht ersichtliches Parteivorbringen nur über eine Nichtberücksichtigungsrüge zur Beurteilungsgrundlage des Revisionsgerichts werden (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 3, 7). Diese Rüge muß so konkret sein, daß keine Zweifel an dem vom Revisionsgericht zugrunde zu legenden Tatsachenstoff verbleiben. Das Berufungsverfahren kennt hingegen keine § 559 Abs. 1 ZPO vergleichbare Bestimmung. Eine entsprechende Anwendung der revisionsrechtlichen Regelung scheitert an den unterschiedlichen Funktionen der Rechtsmittel (Gaier, NJW 2004, 110, 111; a.A. Grunsky, NJW 2002, 800, 801; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901). Anders als im Revisionsverfahren ist das angefochtene Urteil nicht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen, vielmehr gehört es gemäß § 513 Abs. 1 ZPO zu den Aufgaben der Berufung, das Urteil der Vorinstanz auch auf konkrete Anhaltspunkte für Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen zu prüfen und etwaige Fehler zu beseiti-
gen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 64; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 1, 7, 12 f). Fehlt es mithin an einer begrenzenden Regelung, so gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte - wie noch auszuführen sein wird, aus den Akten ersichtliche - Prozeßstoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (Barth, NJW 2002, 1702, 1703; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Damit steht auch der von dem Berufungsgericht zu berücksichtigende Tatsachenstoff fest, weshalb es einer Nichtberücksichtigungsrüge und der für sie geltenden formalen Anforderungen nicht bedarf. bb) Zudem hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß die ihm nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO obliegende Kontrolle der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des erstinstanzlichen Urteils im Fall eines - wie hier - zulässigen Rechtsmittels ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge besteht.
(1) Eine Bindung des Berufungsgerichts an solche Zweifel begründende Umstände, die in der Berufungsbegründung dargelegt sind, folgt insbesondere nicht aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO. Danach müssen zwar konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO in der Berufungsbegründung bezeichnet werden. Auf solche Umstände wird die Überprüfung durch das Berufungsgericht allerdings nicht beschränkt, sondern lediglich eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels geregelt (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Notwendigkeit einer Rüge läßt sich dem Wortlaut anderer Gesetzesvorschriften ebensowenig entnehmen. Sie entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Nach den Gesetzesmaterialien hat das Berufungsgericht Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen selbst dann nachzugehen, wenn es sie unabhängig vom Partei-
vortrag auf Grund lediglich bei ihm gerichtskundiger Tatsachen gewonnen hat (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses , BT-Drucks. 14/4722, S. 100). Damit kann und muß das Berufungsgericht erst recht konkrete Anhaltspunkte berücksichtigen, die ihre Grundlage im erstinstanzlichen Vorbringen der Parteien haben, auch wenn das Übergehen dieses Vortrags von dem Berufungskläger nicht zum Gegenstand einer Berufungsrüge gemacht worden ist (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 12). Bemerkt das Berufungsgericht etwa anläßlich der Prüfung sonstiger Berufungsrügen, daß das Eingangsgericht eine für die Beweiswürdigung bedeutsame Tatsache oder ein erhebliches Beweisangebot übergangen hat, dann bestehen auch ohne dahingehende Rüge konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichten (a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, 2003, S. 11, 16).
(2) Dem steht nicht entgegen, daß das erstinstanzliche Gericht hier Parteivorbringen übergangen hat und darin ein Verfahrensfehler in Gestalt der Versagung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder des Verstoßes gegen § 286 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2000, VIII ZR 31/99, NJW 2000, 2024, 2026) zu sehen ist. Zwar prüft das Berufungsgericht einen Mangel des Verfahrens - soweit er nicht von Amts wegen berücksichtigt werden muß - gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann, wenn er gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO in der Berufungsbegründung gerügt worden ist. Hierdurch wird jedoch die durch § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geregelte tatsächliche Inhaltskontrolle des Berufungsgerichts entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 53, § 529
Rdn. 14, 38; ders., NJW 2002, 1897, 1902; ders., NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 15; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 9, 23; Hinz, NZM 2001, 601, 605; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428) nicht eingeschränkt (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 529 Rdn. 12; Vorwerk, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 4, 6; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Von der Aufgabe des Berufungsgerichts, konkreten Anhaltspunkten ungeachtet einer Berufungsrüge nachzugehen, macht das Gesetz keine Ausnahme, wenn sich - was ohnehin die weitaus praktischste Fallgestaltung darstellen dürfte - konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO aus Verfahrensfehlern des Erstrichters bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben. Dies zeigt sich an der Systematik des § 529 ZPO, der mit seinen Absätzen klar zwischen den Aufgaben des Berufungsgerichts bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht trennt (Hannich /Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43). Für die tatsächliche Inhaltskontrolle ist ausschließlich § 529 Abs. 1 ZPO maßgebend, eine Vermischung mit der in § 529 Abs. 2 ZPO geregelten Rechtsfehlerkontrolle darf mithin selbst dann nicht stattfinden, wenn die fehlerhaften Tatsachenfeststellungen im erstinstanzlichen Urteil auf einem Verfahrensmangel beruhen.
(3) Das Berufungsgericht ist an der Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens nicht deshalb gehindert gewesen, weil dieser Vortrag weder durch eine Darstellung im Tatbestand noch durch eine § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO genügende Bezugnahme (vgl. BGH, Urt. v. 18. Februar 1954, IV ZR 126/53, LM § 295 ZPO Nr. 9) in dem erstinstanzlichen Urteil Erwähnung gefunden hat.
Die auf § 314 ZPO gestützte Annahme, daß nicht erwähnte Angriffsund Verteidigungsmittel, auch tatsächlich unterblieben sind (negative Beweiskraft des Tatbestandes), wäre nur dann gerechtfertigt, wenn das Parteivorbringen in dem Urteilstatbestand vollständig wiedergegeben werden müßte. Nur dann könnte nämlich von dem Fehlen einer Darstellung auf das Fehlen entsprechenden Vortrags geschlossen werden. Eine vollständige Wiedergabe des Parteivorbringens kann aber nicht mehr zu den Funktionen des Urteilstatbestandes zählen, nachdem sich das Gesetz in § 313 Abs. 2 ZPO mit einer "knappen" Darstellung nur des "wesentlichen Inhalts" der vorgebrachten Angriffs - und Verteidigungsmittel begnügt (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 7; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 7, § 559 Rdn. 17; ders., in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20; Fischer, DRiZ 1994, 461, 462 f; Crückeberg, MDR 2003, 199, 200; Gaier, NJW 2004, 110, 111; Rixecker, NJW 2004, 705, 708; a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 13). Dies hängt eng zusammen mit der Aufgabe der ursprünglichen Konzeption des Zivilprozesses als eines rein mündlichen Verfahrens, nach der mündlicher Vortrag weder durch ein Verlesen noch durch eine Bezugnahme auf Schriftsätze ersetzt werden konnte (§ 128 Abs. 3 Satz 1 CPO 1877/§ 137 Abs. 3 Satz 1 CPO 1900). Wurde hiernach ausschließlich das mündlich Vorgetragene zum Prozeßstoff, so konnte dieser nicht durch den Inhalt der Schriftsätze , sondern allein durch den - tunlichst vollständigen - Urteilstatbestand nachgewiesen werden. Insbesondere seit der gänzlichen Aufgabe des Bezugnahmeverbots durch die Neufassung des § 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO (RGBl. I 1924, 135) stehen indessen die vorbereitenden Schriftsätze ebenfalls zum Nachweis des Parteivorbringens zur Verfügung. Da mit der Antragstellung und der mündlichen Verhandlung im Zweifel eine Bezugnahme der Parteien auf den Inhalt der zur Vorbereitung vorgelegten Schriftstücke verbunden ist (BGH,
Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, NJW-RR 2002, 381 m.w.N.), ergibt sich der Prozeßstoff auch aus dem Inhalt der Gerichtsakten. Der Bundesgerichtshof hat bereits vor dem Hintergrund dieser Überlegung - wenn auch ohne ausdrückliche Aufgabe der Rechtsprechung zur negativen Beweiskraft - auf entsprechende Revisionsrüge Vorbringen berücksichtigt, das im Tatbestand nicht erwähnt war (BGH, Urt. v. 16. Juni 1992, XI ZR 166/91, NJW 1992, 2148, 2149; Urt. v. 7. Dezember 1995, III ZR 141/93, NJW-RR 1996, 379; vgl. auch Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, aaO). Allein mit dem Hinweis auf die negative Beweiskraft des Urteilstatbestandes kann mithin Parteivorbringen, das sich aus den vorbereitenden Schriftsätzen ergibt, in den Rechtsmittelverfahren nicht unberücksichtigt bleiben. Hingegen bleibt die negative Beweiskraft für solche Angriffs- und Verteidigungsmittel von Bedeutung, die in der mündlichen Verhandlung ohne vorherige Ankündigung in einem vorbereitenden Schriftsatz vorgebracht werden (Ball, in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20). Allerdings hat die Rechtsprechung bisher dem Urteilstatbestand auf Grund des § 314 ZPO auch negative Beweiskraft hinsichtlich des mündlichen Parteivorbringens beigelegt. Danach soll der Tatbestand nicht nur Beweis dafür erbringen, daß das, was in ihm als Parteivortrag wiedergegeben wird, tatsächlich vorgetragen worden ist, sondern auch beweisen, daß von den Parteien nichts behauptet worden ist, was nicht aus dem Tatbestand ersichtlich ist (Senat, Urt. v. 25. Mai 1984, V ZR 199/82, NJW 1984, 2463, insoweit in BGHZ 91, 282 nicht abgedruckt; BGH, Urt. v. 27. Mai 1981, IVa ZR 55/80, NJW 1981, 1848; Urt. v. 3. November 1982, IVa ZR 39/81, NJW 1983, 885, 886 m.w.N.; Urt. v. 16. Mai 1990, IV ZR 64/89, NJW-RR 1990, 1269). Dieser bereits vom Reichsgericht (RGZ 4, 418, 420; RG, JW 1887, 38; 1896, 72; 1897, 52, 53) vertretenen Auffassung ist das Bundesverwaltungsgericht beigetreten (BVerwG, Beschl. v. 13. April 1989, 1 B 21/89 m.w.N.). Gleichwohl bedarf es
hier weder einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) noch an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 RsprEinhG). Beide Vorlagen setzen voraus, daß die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird, das vorlegende Gericht also bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 zu § 132 GVG; GmS-OGB, BGHZ 88, 353, 357 zu § 2 RsprEinhG). An diesem Erfordernis fehlt es; denn das angefochtene Urteil ist bereits deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit des zugrunde gelegten Sachverhalts aus den bereits erörterten Fehlern der Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil ergeben.

III.


Nach alledem war die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zunächst die gebotenen Feststellungen zum Inhalt der geführten Vertragsverhandlungen nachholen müssen. Sollte danach von dem Vorliegen der Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs auszugehen sein, wären weitergehende Feststellungen zur Schadenshöhe erforderlich. Da die Klägerin an dem geschlossenen Vertrag festhalten will, wäre als ersatzfähiger Schaden der Betrag anzusetzen, um den die Klägerin die Dachgeschoßwohnung im Vertrauen auf
die Richtigkeit der Angaben der Zeugin Dr. L. zu teuer erworben hat (vgl. Senat, Urt. v. 6. April 2001, V ZR 394/99, NJW 2001, 2875, 2877 m.w.N.).
Wenzel Krüger Klein Gaier RiBGH Dr. Stresemann ist infolge Urlaubsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben. Wenzel

(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.

(2) Unterläßt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, daß es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.

(3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muß die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.

(4) Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige.

(5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen.

(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.

(2) Der Versicherungsnehmer hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 112/05
vom
11. Juli 2007
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 11. Juli 2007

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird seine Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 11. Zivilsenat, vom 31. März 2005 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 102.258,38 €

Gründe:


1
I. 1. Die Klägerin verlangt vom Beklagten nach Kündigung mehrerer verzinslicher Darlehen deren Rückzahlung. Die Parteien streiten darüber , ob die Darlehen dem Beklagten persönlich - in seiner Eigenschaft als Einzelkaufmann in Firma "H. K. S. " - oder einer 1997 gegründeten gleichnamigen Kommanditgesellschaft gewährt wur- den bzw. auf diese übergegangen sind. Die Klägerin gewährte dem Beklagten zunächst am 16. Juni 1980 ein Darlehen in Höhe von 100.000 DM und 1995 ein weiteres in Höhe von 55.000 DM. 1998 oder 1999 wurde ein undatierter "Darlehensvertrag" über 150.000 DM geschlossen , der "an die Stelle des Darlehensvertrages vom 16.06.1980" treten sollte. Die Urkunde weist für den Darlehensnehmer einen Stempelaufdruck der Firma des Beklagten ohne den Zusatz "KG" auf und ist von dem Zeugen Kö. mit dem Zusatz "ppa" unterschrieben.
2
2. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel des Beklagten gegen seine antragsgemäße Verurteilung durch das Landgericht zurückgewiesen. Der Beklagte sei aus den Darlehensverbindlichkeiten mit Ausnahme eines unstreitigen Abzugsbetrags in Höhe von 5.000 DM weder durch Vereinbarung der Parteien noch anlässlich der Gründung der KG entlassen worden. Die bis 1996 gewährten Darlehen über 155.000 DM, so das Berufungsgericht, hätten nur dem Beklagten persönlich gewährt werden können, da die KG damals noch nicht existiert habe. Ob die Beträge für den Beklagten privat oder den Betrieb seiner Spedition bestimmt gewesen seien, könne dahinstehen, da auch in diesem Fall der Beklagte als Einzelkaufmann hierfür persönlich hafte. Der Vertrag von 1998/1999 über die Summe von 150.000 DM verdeutliche die Schuldnerstellung des Beklagten , indem dieser Vertrag nicht auf die KG, sondern die Einzelfirma des Beklagten laute. Der Unterschriftszusatz "ppa" schade insoweit nicht. Der Beklagte müsse sich mangels Zusatzes der neuen Firma daran festhalten lassen, persönlich mit seinem Vermögen mitzuhaften. Die Grundsätze des unternehmensbezogenen Geschäfts griffen nicht, da sie nur eine Auslegungsregel darstellten, hier der Beklagte als Schuldner aber eindeutig benannt sei. Ein eventuell entgegenstehender Verpflichtungswille sei nach § 164 Abs. 2 BGB unbeachtlich; für eine befreiende Schuldübernahme durch die KG fehle es an einem substantiierten Vortrag.
3
Entscheidung Die des Berufungsgerichts verletzt in entscheidungserheblicher Weise das Grundrecht des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und führt deshalb zur Aufhebung des Berufungsurteils nach § 544 Abs. 7 ZPO.
4
II. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW 2000, 131) und erhebliche Beweisantritte zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2005, 1487 und NJW 1991, 285, 286). Die Nichtberücksichtigung eines entscheidungserheblichen Beweisangebotes verletzt den Anspruch der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 36; 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144).
5
1. Das Berufungsgericht hat gemeint, dem Beweisangebot des Beklagten dafür, dass die Darlehensvereinbarungen seit 1998 zwischen der KG und der Klägerin geschlossen worden seien, die Darlehensvaluta von der KG empfangen und im Einvernehmen mit der Klägerin in den Büchern der KG geführt worden sei, habe nicht nachgegangen werden müssen. Beim Zustandekommen eines Vertrages handele es sich um eine rechtliche Bewertung, die dem Beweis nicht zugänglich sei. Zum anderen fehle der Behauptung des Einvernehmens mit der Klägerin eine hinreichende Tatsachengrundlage, da sich der Beklagte für keinen der Verträge auf eine bestimmte Begebenheit bezogen oder einen konkreten Anlass geschildert habe, aus dessen Umständen sich ergeben könnte, dass die KG entweder schon ursprünglich anstelle des Beklagten Schuldnerin der Darlehensverbindlichkeiten werden sollte oder dass die Klägerin im Nachhinein auf die Verpflichtung des Beklagten verzichtet hätte.
6
Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierungspflicht des Beklagten überspannt. Eine Partei genügt dieser Pflicht, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien besteht. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters , bei der Beweisaufnahme die Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach allen Einzelheiten zu fragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen. Der Pflicht zur Substantiierung ist mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (BGH, Urteile vom 13. Juli 1998 - II ZR 131/97 - VersR 1999, 1120 unter I und vom 25. Juli 2005 - II ZR 199/03 - BGH-Report 2005, 1589 unter II 2 b; Beschluss vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02 - NJW 2005, 2710 unter II 2 a). Gemessen daran war der Beweisantrag des Beklagten hinreichend substantiiert. Ob schon der von seinem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gestellte Antrag, durch Einvernahme der Zeugen Kö. und F. über die Behauptung Beweis zu erheben, "dass die KG Darlehensnehmerin ist", hinreichend bestimmt war, kann letztlich dahinstehen. Jedenfalls der im Schriftsatz vom 16. Juni 2004 erneut gestellte und inhaltlich präzisierte Antrag ent- hält hinreichend substantiierten Tatsachenvortrag. Das Beweisangebot ergibt, dass es dem Beklagten auf den Beweis von Tatsachen ankam. Da der Vertrag von 1998/1999 "ppa" unterschrieben wurde, ergibt sich daraus , dass der als Zeuge benannte Prokurist Angaben zur Person des von ihm Vertretenen würde machen können.
7
Damit hat das Berufungsgericht bei der Auslegung der maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen die Vernehmung eines auch aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Zeugen mit unzutreffender prozessualer Begründung abgelehnt.
8
2. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
9
Das Berufungsgericht wird nach Beweisaufnahme die vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere den Vertrag von 1998/1999, erneut auslegen und dabei je nach deren Ergebnis gegebenenfalls auch eine befreiende Schuldübernahme durch die KG erwägen müssen. Hinsichtlich des Vertrages vom 16. März 1999 fehlen ferner bislang Feststellungen dazu, ob die Originalurkunde mit dem Zusatz "KG" unterschrieben wurde oder nicht. Insoweit obliegt der Klägerin der volle Beweis dafür, einen Vertrag ohne diesen gesellschaftsrechtlichen Zusatz abgeschlossen zu haben (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1992 - XI ZR 71/91 - NJW 1992, 829 unter III 2).
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 09.09.2004 - 327 O 74/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 31.03.2005 - 11 U 221/04 -

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 178/12
vom
19. Februar 2013
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger
sowie die Richter Dr. Achilles und Dr. Bünger

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 8. Mai 2012 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO). Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 6.540,48 €.

Gründe:

1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
2
1. Die Zulassung der Revision ist weder im Hinblick auf eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch zur Fortbildung des Rechts geboten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 Alt. 1 ZPO).
3
Zwar ist die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine entsprechende Anwendung der Ausnahmeregelung des § 566 Abs. 1 BGB (vgl. Senatsurteile vom 14. Oktober 1981 - VIII ZR 331/80, NJW 1982, 221 unter 3 b cc; vom 22. Mai 1989 - VIII ZR 192/88, BGHZ 107, 315, 319 f. [jeweils zu § 571 BGB aF]; vom 9. Juli 2008 - VIII ZR 280/07, NJW 2008, 2773 Rn. 12) bei Personenverschiedenheit von Vermieter und veräußerndem Eigentümer in Betracht kommt, höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt (offen gelassen im Senatsurteil vom 20. Januar 2010 - VIII ZR 84/09, NJW-RR 2010, 1095 Rn. 16; ohne nähere Begründung verneint in BGH, Urteil vom 22. Oktober 2003 - XII ZR 119/02, NJW-RR 2004, 657 unter [II] 2 c [zu § 571 BGB aF]).
4
Gleichwohl kommt eine Zulassung der Revision wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts nicht in Betracht. Denn diese Rechtsfrage ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Die auf § 985 BGB - und hilfsweise auf § 546 BGB - gestützte Klage hat schon deswegen keinen Erfolg, weil der Kläger trotz Bestreitens der Beklagten seine Aktivlegitimation nicht nachgewiesen hat. Den vom Kläger zum Nachweis seiner Eigentümerstellung vorgelegten Unterlagen lässt sich - wie das Berufungsgericht in seinem im angefochtenen Beschluss in Bezug genommenen Hinweisbeschluss vom 2. April 2012 rechtsfehlerfrei und unbeanstandet festgestellt hat - nicht entnehmen , dass auch die streitgegenständliche Wohnung an ihn veräußert worden ist.
5
2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geboten. Weder liegt eine Divergenz zum Urteil des Oberlandesgerichts Celle (OLGR 2000, 164 f.) vor noch sind dem Berufungsgericht die von der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Verfahrensverstöße (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG) unterlaufen. Darüber hinaus fehlt es auch insoweit an der Entscheidungserheblichkeit der beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts, so dass auch aus diesem Grund eine Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht eröffnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02, NJW 2003, 3205 unter II 1 b bb mwN).
6
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Bünger

Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 18.01.2012 - 472 C 6108/11 -
LG München I, Entscheidung vom 08.05.2012 - 14 S 2114/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 16/02
vom
4. Juli 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 233 Fc

a) Eine Sache, die eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige
Rechtsfrage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen
stellen kann, hat grundsätzliche Bedeutung.

b) Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt,
wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als
einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die
Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung
überläßt, ist eine Frage des Einzelfalls und als solche einer Verallgemeinerung
nicht zugänglich.

c) Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
nur dann, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung
von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen
oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlaß, wenn es
für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte
an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise
fehlt.

d) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung
des Rechtsbeschwerdegerichts nur dann, wenn bei der Auslegung
oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus
die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren. Dies ist in der Regel dann
der Fall, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen
Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zutage tritt, also offenkundig ist und die
angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
BGH, Beschl. v. 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - KG in Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am4. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten
des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluû des 25. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. Februar 2002 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 8.835,12 ?.

Gründe:

I.


Das Landgericht Berlin hat die Beklagte zur Herausgabe eines Grundstücks an die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin verurteilt. Gegen dieses ihrem Prozeûbevollmächtigten am 24. August 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 25. September 2001 beim Kammergericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist um einen Tag beantragt. Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie vorgetragen und glaubhaft gemacht: Eine im Büro des Beklagtenvertreters seit 1990 stets sehr zuverlässig und fehlerlos arbeitende Gehilfin habe die Akte am Freitag, dem 21. September 2001 (weisungsgemäû notierte dreitägige Vorfrist), im Büro
nicht auffinden können. Zu diesem Zeitpunkt sei sie infolge Urlaubs einer weiteren Vollzeitmitarbeiterin und Abwesenheit einer nur an drei Tagen in der Woche tätigen Teilkraft die einzig verfügbare Angestellte gewesen. Wegen des von ihr zu bewältigenden auûerordentlichen Arbeitsanfalles habe sie die Aktensuche auf Montag, den 24. September 2001 (Ablauf der notierten Berufungsfrist ), verschoben. An diesem Tag habe die Gehilfin die im Fristenbuch eingetragenen Verfahrensakten herausgesucht, jedoch in der unzutreffenden, nicht überprüften Annahme, die den vorliegenden Fall betreffende Akte läge dem Beklagtenvertreter bereits mit einem Extrazettel "Fristablauf" vor, die rot notierte Berufungsfrist gestrichen und später im Fristenbuch neben der dort bereits durchgestrichenen Rotfrist einen Erledigungsvermerk mit ihrem Kürzel angebracht. Auch an diesem Tag sei sie als wiederum allein im Büro anwesende Angestellte einem auûerordentlichen Arbeitsdruck ausgesetzt gewesen. Allerdings habe der Beklagtenvertreter sie dadurch entlastet, daû er die am Wochenende und Montag eingegangene umfangreiche Post selbst bearbeitet, insbesondere die Notierung der jeweiligen Fristen und Termine verfügt habe. Diese Maûnahme habe sich in der Vergangenheit immer als ausreichend erwiesen , zumal der Beklagtenvertreter in Urlaubs- und Krankheitszeiten durch regelmäûige Stichproben überprüft habe, ob die im Kalender eingetragenen Fristen ordnungsgemäû gestrichen würden.
Das Kammergericht hat mit Beschluû vom 8. Februar 2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen am 5. März 2002 zugestellten Beschluû richtet sich die am 22. März 2002 eingegangene Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie ihr Wiedereinsetzungsgesuch weiterverfolgt und die Aufhebung der vom Kammergericht ausgesprochenen Verwerfung der Berufung erstrebt.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rdn. 20; Zöller/Greger, aaO, § 238 Rdn. 7). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 60. Aufl., § 543 Rdn. 4; Musielak /Ball, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rdn. 5; Zöller/Gummer, aaO, § 543 Rdn. 11). So liegen die Dinge hier nicht. Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt, wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung überläût, hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab und ist einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Denn dabei ist nicht allein entscheidend, in welchem Umfang der Personalbestand reduziert ist, sondern es kommt vor allem darauf an, ob infolge einer angespannten Personallage eine erkennbare und durch zumutbare Maûnahmen behebbare Überlastung der mit der Fristenkontrolle betrauten, verfügbaren Mitarbeiter
eingetreten ist. Dementsprechend hat die höchstrichterliche Rechtsprechung je nach Fallgestaltung eine Erhöhung der grundsätzlichen Organisationspflichten eines Anwalts im Falle einer erheblichen Mehrbelastung des verfügbaren Personals manchmal bejaht (vgl. BGH, Beschl. v. 1. April 1965, II ZB 11/64, VersR 1965, 596, 597: Ausfall zweier von drei Bürokräften; Beschl. v. 1. Juli 1999, III ZB 47/98, NJW-RR 1999, 1664: Ausfall zweier von drei Mitarbeiterinnen während eines Arbeitstages; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99, NJW 1999, 3783 f: Reduzierung der Belegschaft auf fast die Hälfte für mehr als einen Monat; Beschl. v. 28. Juni 2001, III ZB 24/01, NJW 2001, 2975, 2976: Verzicht auf Eintragung des Fristablaufes bei Erkrankung einer Mitarbeiterin zum Fristende und unzureichender Wiedervorlagezeit wegen eines Wochenendes), teilweise aber auch verneint (BGH, Beschl. v. 17. November 1975, II ZB 8/75, VersR 1976, 343: Abwesenheit zweier von drei Kräften; Beschl. v. 29. Juni 2000, Vll ZB 5/00, NJW 2000, 3006: Ausscheiden eines Anwalts und Eheprobleme einer Anwaltssekretärin; Beschl. v. 27. März 2001, VI ZB 7/01, NJW-RR 2001, 1072, 1073: Doppeltes Fehlverhalten einer Bürokraft in einer Sache). Vorliegend erschöpft sich die Beurteilung der Sorgfaltspflichten des Beklagtenvertreters ebenfalls in einer Würdigung der konkreten Einzelfallumstände und ist damit nicht auf eine unbestimmte Anzahl von Fällen übertragbar.
Ob einer Sache grundsätzliche Bedeutung auch dann zukommt, wenn nur die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung für die Allgemeinheit von Bedeutung sind, kann hier offen bleiben, weil dieser Tatbetand hier ebenfalls nicht vorliegt.
2. Aus denselben Gründen ist eine Entscheidung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) geboten.
Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts nur dann erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 104; BGHSt 24, 15, 21 f; Hannich in: Hannich/Meyer/Seitz, ZPO-Reform 2002, § 543 Rdn. 22; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 7; Zöller/Greger, aaO, § 543 Rdn. 12). Die Beklagte zeigt aber nicht auf, daû über die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Verschärfung der Organisationspflichten eines Anwalts in Fällen angespannter Personallage (vgl. vor allem Beschl. vom 1. Juli 1999, III ZB 47/98 aaO; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99 aaO; Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, aaO), zur fehlenden Zurechenbarkeit organisationsunabhängigen Fehlverhaltens von Angestellten (vgl. Beschl. v. 23. März 2001, VI ZB 7/01, aaO) oder zum Überwachungs- und Organisationsverschulden bei Häufung von Mängeln (vgl. Beschl. v. 18. Dezember 1997, III ZB 41/97, BGHR ZPO § 233 Büropersonal 11) hinaus eine Notwendigkeit für weitere sachverhaltsbezogene Leitlinien besteht. Für die Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann Anlaû, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich.

a) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zunächst in den Fällen einer Divergenz
geboten (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 5 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 8, § 574 Rdn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers, aaO, § 543 Rdn. 6, 574 Rdn. 2). Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, daû die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die von ihr angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Vergleichsentscheidungen tragenden Rechtssatz abweicht (vgl. BGHZ 89, 149, 151; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, aaO).

b) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung schlieûlich auch dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren (BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 543 Rdn. 23, § 574 Rdn. 12).
aa) Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn das Beschwerdegericht Verfahrensgrundrechte verletzt hat (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Lipp, NJW 2002, 1700, 1701; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, aaO, § 543 Rdn. 8; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO; Zöller/Vollkommer, aaO, Einl. Rdn. 103), namentlich die Grundrechte auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Aus dem Beschluû des IX. Zivilsenats vom 7. März 2002, IX ZB 11/02, NJW 2002, 1577 - zur Veröffentl. in BGHZ
vorgesehen) ergibt sich nichts anderes. Dieser verweist ledigIich darauf, daû zur Korrektur von Verfahrensgrundrechtsverletzungen (§ 544 ZPO) eine "auûerordentliche Rechtsbeschwerde" nicht statthaft ist. Zu der - hiervon zu unterscheidenden - Frage, unter welchen Voraussetzungen eine "statthafte" Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 ZPO) zulässig ist, hat der IX. Zivilsenat dagegen nicht Stellung genommen. Ist die Rechtsbeschwerde - wie hier - gemäû § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, dann hat das Rechtsbeschwerdegericht - im Rahmen seiner Möglichkeiten - die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten und einen Grundrechtsverstoû der Vorinstanz zu beseitigen (vgl. BVerfGE 49, 252, 257 ff; 73, 322, 327; vgl. ferner BVerfG, Vorlagebeschl., ZVI 2002; 122), sofern diese nicht - etwa im Wege der Gegenvorstellung - die Grundrechtsverletzung selbst geheilt hat (vgl. BVerfGE 63, 77, 79; 73, 322, 327; BGHZ 130, 97, 99 ff; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99, JZ 2000, 526 f; Beschl. v. 26. April 2001, IX ZB 25/01, NJW 2001, 2262; vgl. ferner BT-Drucks. 14/4722, S. 63). Da andererseits für die Frage, ob die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung erfordert, Art und Gewicht eines Rechtsfehlers nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann Bedeutung erlangen sollen, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung im ganzen zu beschädigen (BT-Drucks. 14/4722 S. 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), wird eine auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO gestützte Rechtsbeschwerde in der Regel nur dann zulässig sein, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist (vgl. auch BVerfGE 47, 182, 187; 69, 233, 246; 73, 322, 329; 86, 133, 145 f; BVerfG, NJW-RR 2002, 68, 69), und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
bb) Die Beklagte zeigt jedoch keine (hinreichenden) Anhaltspunkte für eine offenkundige Verletzung von Verfahrensgrundrechten auf.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 ff; 41, 332, 334 ff; 44, 302, 305 ff; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1993, 720; 1995, 249; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162). Demgemäû dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlaût haben muû, um Wiedereinsetzung zu erlangen, insbesondere beim "ersten Zugang" zum Gericht (vgl. BVerfGE 25, 158, 166; 38, 35, 38; 40, 88, 91; 67, 208, 212 ff), aber auch beim Zugang zu einer weiteren Instanz (vgl. BVerfGE 44, 302, 305 ff; 62, 334, 336; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1995, 249; 1996, 2857; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162) nicht überspannt werden. Entsprechendes gilt für die Anforderungen, die nach Fristversäumung an den Vortrag und die Glaubhaftmachung der Versäumungsgründe gestellt werden dürfen (vgl. BVerfGE 26, 315, 319, 320; 37, 100, 103; 40, 42, 44; 40, 88, 91; BVerfG, NJW 1997, 1770, 1771).
(2) Gegen diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht nicht verstoûen. Insbesondere hat es die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts und
die Kausalität einer Pflichtverletzung zu stellenden Anforderungen nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überspannt.
Das Beschwerdegericht geht davon aus, daû die von der Beklagten vorgetragenen und glaubhaft gemachten organisatorischen Maûnahmen grundsätzlich den von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine hinreichende Fristenkontrolle genügen (vgl. BGH, Beschl. v. 26. Februar 1996, II ZB 7/95, NJW 1996, 1540, 1541; Beschl. v. 14. März 1996, III ZB 13/96, VersR 1996, 1298; Beschl. v. 27. November 1996, XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312, 1313). Es ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, daû im Büro des Beklagtenvertreters sowohl im Zeitpunkt der auf den 21. September 2001 notierten Vorfrist als auch bei Ablauf der Berufungsfrist (24. September 2001) infolge des Ausfalls von zwei Bürokräften und der hierdurch bedingten erheblichen Mehrbelastung der allein verbliebenen Mitarbeiterin eine Sondersituation gegeben war, die den Beklagtenvertreter ausnahmsweise zu einer eigenen Fristenkontrolle verpflichtete. Diese auf den Einzelfall bezogene rechtliche Würdigung hält sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zwar hätte das Beschwerdegericht nicht ohne weitere Aufklärung unterstellen dürfen, daû die allein verbliebene Bürokraft des Beklagtenvertreters auch deswegen einer erheblichen Arbeitsbelastung ausgesetzt war, weil sie nicht nur für diesen, sondern auch für einen mit diesem in Bürogemeinschaft verbundenen weiteren Rechtsanwalt tätig gewesen sei. Hierin liegt jedoch kein Verstoû gegen die Grundrechte auf rechtliches Gehör und Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Denn eine Beeinträchtigung dieser Verfahrensgrundrechte läge nur dann vor, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts hierauf beruhte (vgl. BVerfGE 86, 133, 147; 89, 381, 392 f). Dies ist jedoch nicht der Fall, da bereits allein der im Büro des Beklagtenvertreters
selbst aufgetretene auûergewöhnliche Arbeitsanfall Anlaû zu einer eigenen Fristenkontrolle des Anwalts gab. Aus dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Beklagten ergibt sich nämlich, daû das dort am 21. und 24. September anstehende Arbeitspensum von der verbliebenen Kanzleikraft allein nicht hinreichend bewältigt werden konnte.
(3) Auch für eine offenkundige Verletzung des Grundrechts auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Ein Verstoû hiergegen kommt nur in Betracht , wenn die angefochtene Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 87, 273, 278 ff; BVerfG, NJW 1996, 1336; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99 aaO) oder wenn durch zu strenge Anforderungen an die Erfolgsaussicht eines Vorbringens (Prozeûkostenhilfe) eine sachwidrige Ungleichbehandlung erfolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 92/97, NJW 1998, 82). Dies ist jedoch nicht der Fall.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Klein Lemke

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.