Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 26. Feb. 2013 - 12 U 168/12

bei uns veröffentlicht am26.02.2013

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stendal vom 11. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das angefochtene Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stendal ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf ... € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rückerstattung von Vergütung für bezogene Gaslieferungen.

2

Die Beklagte versorgte das Werk der Klägerin aufgrund eines Gaslieferungsvertrages vom 2./13. Mai 2003 (Anlage K1 im Anlagenband). Dieser lautet unter Ziff. 2 auszugsweise wie folgt:

3

2. Der Kunde vergütet dem Unternehmen für die Bereitstellung und Lieferung der Gasmengen ein Entgelt gemäß beigefügter Preisregelung (Anlage 2).

4

In der im Erdgaslieferungsvertrag als Anlage 2 genannten Preisregelung heißt es auszugsweise wie folgt:

5

1. Erdgaspreis

6

Der vom Kunden an das Unternehmen zu zahlende Erdgaspreis setzt sich zusammen aus einem Jahresleistungspreis (LP) und einem Arbeitspreis (AP).

7

1.1 Jahresleistungspreis

8

Für die in Ziffer 1 des Vertrages bereitgestellten Tagesmengen zahlt der Kunde an das Unternehmen einen Leistungspreis (LP) in ct/kWhHS gemäß folgender Formel:

9

LP = 70,750 + 0,016 * (L -2.067,00) ct/kWhHS

10

11

In dieser Formel bedeuten

12

L = Lohn gemäß Ziffer 2.1

13

Zum 1. Januar 2003 lautet die aktuelle Bezugsgröße zur Berechnung:

14

L = 2.141,00 €/Monat

15

16

1.2 Arbeitspreis

17

Für die gelieferten Erdgasmengen zahlt der Kunde dem Unternehmen einen Arbeitspreis (AP), bezogen auf den jeweiligen Brennwert HS des Erdgases, Januar 2003 mit 11,437 kWhHS /Nm³, gemäß folgender Formel:

18

AP = 2,3000 + 0,085 (HEL -30,67) in ct/kWhHS

19

In dieser Formel bedeutet:

20

HEL = HEL-Notierung gemäß Ziffer 2.2

21

Zum 1. Januar 2003 lautet die aktuelle Bezugsgröße zur Berechnung:

22

HEL = 30,66 €/hl

23

Der Arbeitspreis erhöht sich um jeweils geltende Mineralölsteuer auf Erdgas von z. Z. …

24

Auf den jeweiligen Arbeitspreis wird zum teilweisen Ausgleich bis auf weiteres ein Nachlass von 0,2812 ct/kWhHS in Abhängigkeit von der Höhe des HEL-Preises zum jeweiligen Anpassungszeitpunkt gewährt.

25

26

Ersatzarbeitspreisregelung

27

Der Arbeitspreis, der sich nach Punkt 1.2 für eine Preisperiode (Preisperiode = Dreimonatszeitraum zwischen zwei Preisänderungszeitpunkten) ergibt, darf nicht unter dem folgenden Ersatzarbeitspreis liegen.

28

0,0620 x HEL - LPA +0,3100 ct/kWhHS

29

In der Ersatzarbeitspreisformel hat HEL die gleiche Bedeutung wie bei der Ermittlung des Arbeitspreises nach Punkt 1.2.

30

Der Ersatzarbeitspreis ändert sich zu den gleichen Zeitpunkten nach den gleichen Bestimmungen wie der Arbeitspreis.

31

32

Liegt der sich nach Punkt 1.2 ergebene Arbeitspreis in einer Preisperiode unter dem vorstehenden Ersatzarbeitspreis, so werden die in dieser Preisperiode bezogenen Gasmengen mit dem Ersatzarbeitspreis abgerechnet.

33

34

2 Preisanpassungsbestimmungen

35

2.1 Als Lohn ist maßgebend der Monatstabellenlohn eines verheirateten Lohnempfängers mit mehr als 40 Lebensjahren in Lohngruppe V, Stufe 2 des Tarifvertrages für Mitglieder des Arbeitgeberverbandes energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmen e.V. (AVEU) Berlin, zuzüglich der im nachstehenden Absatz aufgeführte Nebenleistungen

36

37

2.2 Als Preis für leichtes Heizöl in €/hl gilt der in den monatlichen Veröffentlichungen des statistischen Bundesamtes, Wiesbaden, unter Fachserie 17 – Preise, Reihe 2: „Preise und Preisindizes für gewerbliche Produkte (Erzeugerpreise)“ – unter „2. Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Inlandabsatz)“ für die Berichtsorte Düsseldorf, Frankfurt/Main und Mannheim/Ludwigshafen (sog. Rheinschiene) veröffentlichte Preis für leichtes Heizöl bei Lieferung in Tankkraftwagen an Verbraucher, 40 bis 50 hl pro Auftrag, einschließlich Mineralölsteuer und EBV. Maßgebend ist das arithmetische Mittel der Monatswerte der drei vorgenannten Berichtsorte.

38

39

Die Anpassung des Jahresleistungspreises aufgrund einer Änderung des Lohnes kann am 1. Tag des der Lohnanhebung folgenden Monats geändert werden.

40

Der Arbeitspreis wird quartalsweise an die oben genannten HEL-Notierungen angepasst. Für den Erdgaspreis zu Beginn des Quartals sind die HEL-Notierungen des vergangenen 6-Monatsmittels vom 9. Vormonat bis einschließlich 4. Vormonat maßgeblich.

41

42

4. Umsatzsteuer

43

Allen vorstehenden Preisen wird die Umsatzsteuer in der jeweiligen gesetzlich festgelegten Höhe aufgeschlagen.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Erdgaslieferungsvertrages sowie der Preisregelung wird auf die im Anlagenband befindlichen Ablichtungen (Anlagen K1 und K2) Bezug genommen.

45

Die Klägerin kündigte den Erdgaslieferungsvertrag vom 2./13. Mai 2003 mit Schreiben vom 27. Juni 2006 „vorsorglich und fristgerecht“. Die Parteien führten daraufhin Verhandlungen, die in einem Angebot der Beklagten vom 28. Juni 2006, ergänzt durch ein Schreiben vom 9. August 2006, mündeten. Danach waren besondere Konditionen, unter anderem ein Rabatt in Gestalt eines „Marketingzuschusses“, vorgesehen. Im Schreiben vom 28. Juni 2006 heißt es unter anderem:

46

Alle weiteren bisher im Gasliefervertrag vereinbarten Bedingungen bleiben wie gehabt bestehen.

47

Die Klägerin erklärte sich hiermit einverstanden. In der Folgezeit rechnete die Beklagte ihre Leistungen nach Maßgabe des modifizierten Vertrags ab. Am 8./31. Juli 2007 vereinbarten die Parteien eine weitere Sonderpreisregelung über einen „Marketingzuschuss“ für den Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008. Erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Dezember 2010, übersandt per Fax am gleichen Tage, rügte die Klägerin die abgerechneten Preise insbesondere im Hinblick auf die Bindung des Arbeitspreises an Heizöl und forderte die Beklagte zur Rückzahlung vermeintlich zu viel gezahlter Vergütung in Höhe von ... € zuzüglich Mehrwertsteuer unter Fristsetzung bis zum 15. Dezember 2010 auf.

48

Das an die Klägerin gelieferte Gas bezog die Beklagte von der H….

49

… -Aktiengesellschaft (jetzt: A. ). Der zu Grunde liegende Vertrag weist gleichfalls eine Bindung des Arbeitspreises an den Preis für leichtes Heizöl auf.

50

Die Klägerin hat mit ihrer Klage zunächst die Rückerstattung des von ihr gezahlten Entgelts für Erdgaslieferungen in Höhe der im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 30. September 2008 erfolgten Gaspreiserhöhungen verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Klausel zur Anpassung des Arbeitspreises unwirksam sei. Es handele sich hierbei als allgemeine Geschäftsbedingung um eine kontrollfähige Preisnebenabrede, welche die Klägerin unangemessen benachteilige. So bilde die Preisänderungsklausel die mögliche Kostenentwicklung bei der Beklagten nicht in jedem Fall zutreffend ab, sondern belasse dieser die Möglichkeit einer unzulässigen Gewinnsteigerung. Der Beklagten sei durch die Klausel eine Preiserhöhung auch in den Fällen erlaubt, in denen ein Anstieg bei einem der Kostenfaktoren durch rückläufige Kosten anderen Bereichen ausgeglichen würde und das Versorgungsunternehmen daher insgesamt keine höheren Kosten zu tragen habe. Die Regelung sei daher unwirksam, so dass die Beklagte die auf den Erhöhungen beruhenden, über die im ursprünglichen Vertrag vom 2./13. Mai 2003 vereinbarten hinausgehenden Entgelte nicht verlangen könne.

51

Im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin den sich aus der Rechnung der Beklagten vom 12. November 2007 ersichtlichen Arbeitspreis von ... Ct/kWh (ohne Steuern und Nachlässe) akzeptiert, ihren Rückzahlungsanspruch auf den Zeitraum Januar 2008 bis September 2008 beschränkt und die Klage in Höhe von ... € zurückgenommen.

52

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

53

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ...  € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Dezember 2010 zu zahlen.

54

Die Beklagte hat beantragt,

55

die Klage abzuweisen.

56

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die streitgegenständliche Preisklausel keiner richterlichen Inhaltskontrolle unterliege, jedenfalls aber keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin darstelle. Der Klägerin sei es zudem verwehrt, die Abrechnungen zu beanstanden, nachdem sie diese über Jahre hinweg widerspruchslos hingenommen habe. Hilfsweise hat sie sich auf die fehlerhafte Berechnung des Rückerstattungsanspruchs berufen. Denn im streitgegenständlichen Lieferzeitraum sei die Belieferung der Klägerin auf Grundlage der Sonderpreisregelung vom 18./24. Juli 2007 erfolgt. Dem behaupteten Rückerstattungsanspruch hätte daher jedenfalls der zu diesem Zeitpunkt geltende HEL-Wert zu Grunde gelegt werden müssen, da dieser mit dem Zustandekommen der Sonderpreisregelung vereinbart worden sei.

57

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

58

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die den Zahlungen der Klägerin zu Grunde liegende Preisklausel der Beklagten nicht unwirksam gewesen sei. Zum einen unterliege diese Preisklausel nicht der richterlichen Inhaltskontrolle, da sie eine Preishauptabrede beinhalte. Denn die unter Ziff. 2 der Preisregelung enthaltene Preisanpassungsklausel stelle nur scheinbar eine selbstständige Regelung dar. Vielmehr sei sie Bestandteil der Definition eines von vornherein variabel gestalteten Preises. Gegen eine Differenzierung spreche bereits der äußere Anschein der vertraglichen Gestaltung. Denn die Regelungen in Ziff. 1 und 2 der Anlage „Preisregelung“ seien in ein und demselben Dokument zusammengefasst und stellten eine einheitliche Regelung dar, die nicht künstlich aufgespalten werden dürfe. Da sich der Preis gemäß Ziff. 1 aus einer Formel ergebe, lasse sich selbst bei Vertragsbeginn der geltende Preis nicht ablesen, sondern bedürfe der Berechnung. Die Variablen L und HEL stellten Werte dar, die nach dem Verständnis der Parteien lediglich eine temporäre Bedeutung haben sollten. Die Einheitlichkeit der Regelung werde auch durch die Bezugnahmen innerhalb der einzelnen Ziffern deutlich; so werde etwa bei Überschreitung der vereinbarten Jahresmenge nach dem „jeweils gültigen Arbeitspreis“ abgerechnet. Noch deutlicher sei die Abhängigkeit der unter Ziff. 1 und 2 getroffenen Regelungen beim Ersatzarbeitspreis, dessen Definition eine Veränderlichkeit des Preises geradezu voraussetze. Schließlich ergebe sich aus einer systematischen Betrachtung, dass die Umsatzsteuer angesichts der im Vertragstext nachfolgenden Abgabenregelung unter Ziff. 4 auf den sich in Zusammenschau von Ziff. 1 und 2 zu errechnenden Preis anfalle. Für eine Preishauptabrede spreche ferner, dass die vertragliche Regelung nicht an die Stelle eines dispositiven Gesetzes trete. Denn das dispositive Recht biete keine ausreichende Möglichkeit, auf die Änderung der Gestehungskosten der Beklagten adäquat zu reagieren. Nach § 313 BGB sei eine Vertragsanpassung nur bei einer massiven Äquivalenzstörung möglich, kleinere Preisschwankungen könnte hierdurch nicht abgefangen werden. Die Anlage 2 verfolge damit nicht den Zweck, eine Regelung zu schaffen, die vom gesetzlich geregelten Wegfall der Geschäftsgrundlage abweiche.

59

Hilfsweise sei die Klage auch unbegründet, weil die Preisregelung die Klägerin nicht im Sinne von § 307 BGB unangemessen benachteilige. Denn mit der getroffenen Preisregelung gebe die Beklagte lediglich ihre Gestehungskosten weiter. Aus dem Vertrag zwischen der Beklagten und ihrem Lieferanten ergebe sich, dass sich die Gestehungskosten der Beklagten, mit Ausnahme der der Klägerin gewährten Rabatte, parallel zu den Entgelten entwickeln, welche die Klägerin zu leisten habe. Die von der Beklagten zu zahlenden Preise berechneten sich nach derselben Formel.

60

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags vertritt sie weiterhin die Auffassung, dass es sich bei der Regelung in Ziff. 2 um eine kontrollfähige Preisnebenabrede handle. Denn die eigentliche Preisabrede ergebe sich aus Ziff. 1.2. Lediglich aus Ziff. 2 der Anlage 2 folge, dass der Arbeitspreis entsprechend der Preisformel in Ziff. 1.2 zu einem jeweils bestimmten Zeitpunkt verändert werde. Gegen eine Hauptpreisabrede spreche mithin bereits die Struktur der betreffenden Regelungen. Zu diesem Ergebnis gelange auch der 2. Zivilsenat in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 – 2 U 14/12 – in einem vergleichbaren Fall. Das Landgericht habe verkannt, dass der anfänglich geschuldete Ausgangspreis gerade nicht als variabler Preis ausgestaltet worden sei, sondern sich die Parteien übereinstimmend auf einen festen Ausgangspreis geeinigt hätten, der mittels einer Formel im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu berechnen gewesen sei. So sei eine Preisanpassung nach Ziff. 2 nur in festen zeitlichen Abständen vorgesehen gewesen. Dies zeige bereits im Umkehrschluss, dass es zu Beginn des Lieferverhältnisses eine - wenn auch kurze – Anfangszeit gegeben habe, in welcher der sich aus der Formel in Ziffer 1.2 ergebende Ausgangspreis unverändert Bestand gehabt habe. Unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landgerichts Erfurt vom 30. März 2012 – 9 O 559/11 – vertritt die Klägerin die Auffassung, dass es auf die Festlegung eines festen ct-kWh-Betrages in der Vertragsurkunde oder in einem dem Vertrag beigefügten Preisblatt nicht ankomme. Die Annahme des Landgerichts, die Vereinbarung einer einheitlichen Preisabrede in Form eines variablen Preises folge bereits aus den Bezugnahmen in Ziffer 1.2 der Anlage 2 auf den jeweiligen Arbeitspreis oder die aktuelle Bezugsgröße, sei formal und nicht überzeugend. Fehlerhaft sei darüber hinaus auch die Begründung des Landgerichts, dass im Falle der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel dispositives Gesetzesrecht nicht an deren Stelle treten könnte. Dann an ihre Stelle träte im Falle der Unwirksamkeit der das dispositive Rechte beherrschende Grundsatz der Bindung der Preisvereinbarung für die gesamte Vertragsdauer.

61

Schließlich gehe auch die Annahme des Landgerichts fehl, dass keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin vorliege. Es sei vollkommen unerheblich, ob sich die Gestehungskosten der Beklagten parallel zu dem von ihr zu entrichtenden Entgelt entwickelten. Denn die streitgegenständliche Klausel führe selbst dann zu einer Erhöhung des Gaspreises, wenn die steigenden Bezugspreise durch Kostensenkungen der Beklagten außerhalb der Gasbezugskosten, also im Rahmen der Netznutzung sowie der gegenüber dem Netzbetreiber zu entrichtenden Konzessionsabgaben, aufgefangen würden. Dies führe zu einer Störung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Soweit die Preisänderungsklausel in Ziff. 2 unwirksam sei, werde in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein angemessener Interessenausgleich schließlich dadurch erreicht, dass die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen nicht geltend gemacht werden könne, wenn sie nicht innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet werde. Dem sei die Klägerin durch Beschränkung des Rückforderungszeitraums vom 1. Januar 2008 bis 30. September 2008 nachgekommen.

62

Die Klägerin beantragt,

63

unter Abänderung des am 11. Oktober 2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Stendal (Geschäftsnummer: 31 O 69/11) wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin ... € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16. Dezember 2010 zu zahlen.

64

Die Beklagte beantragt,

65

die Berufung unter Aufrechterhaltung des Urteils des Landgerichts Stendal vom 11. Oktober 2012 (Geschäftsnummer: 31 O 69/11) zurückzuweisen.

66

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

67

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine abweichende Beurteilung.

68

Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin einen Anspruch auf Herausgabe geleisteter Vergütung für Erdgaslieferungen gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1 Alt. BGB versagt. Denn die Zahlungen der Klägerin erfolgten nicht ohne rechtlichen Grund. Grundlage der Zahlungen sind die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien und die in diesem Zusammenhang wirksam einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vom 02./13. Mai 2003, deren Geltung die Parteien auch mit der Nachfolgeregelung vom Juli/August 2007 bestimmt haben. Dies gilt auch für die – zwischen den Parteien allein in Streit stehende – Preisabrede zum Arbeitspreis gem. Ziff. 1.2 i.V.m. Ziff. 2.2 der Anlage zum Erdgaslieferungsvertrag. Zwar handelt es sich bei dieser Regelung nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien um eine allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten. Diese ist jedoch gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogen. Denn sie stellt die eigentliche Preisbestimmung dar und beinhaltet nicht lediglich von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen. Da die Vertragsparteien nach dem im bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit Leistung und Gegenleistung grundsätzlich frei regeln können, sind formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der Hauptleistung oder der hierfür zu erbringenden Vergütung unmittelbar bestimmen, nach der Rechtsprechung von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB ausgenommen. Ihre Festlegung ist grundsätzlich Sache der Vertragsparteien, denn es gibt vielfach keine gesetzliche Preisreglung, die bei Unwirksamkeit der vertraglichen Abrede gemäß § 306 Abs. 2 BGB an deren Stelle treten könnte. Zu den einer richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB entzogenen Preisbestimmungen zählen auch solche Klauseln, die den Preis bei Vertragsschluss zwar nicht unmittelbar beziffern, jedoch die für die Ermittlung des Preises maßgeblichen Bewertungsfaktoren und das hierbei einzuhaltende Verfahren festlegen. Denn auch die vertragliche Festlegung preisbildender Faktoren gehört zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung. Hiervon zu unterscheiden sind die kontrollfähigen (Preis-)Nebenabreden, also Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Anders als die unmittelbaren Preisabreden bestimmen sie nicht das Ob und den Umfang von Entgelten, sondern treten als ergänzende Regelungen, die lediglich die Art und Weise der zu erbringenden Vergütung und/oder etwaige Preismodifikationen zum Inhalt haben, „neben“ eine bereits bestehende Preishauptabrede. Sie weichen von dem das dispositive Recht beherrschenden Grundsatz ab, nach dem die Preisvereinbarung der Parteien bei Vertragsschluss für die gesamte Vertragsdauer bindend ist, und sind daher einer Inhaltskontrolle unterworfen (z.B. BGHZ 185, 96, 104 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Danach handelt es sich bei der Arbeitspreisregelung der Beklagten gem. Ziff. 1.2 i.V.m. Ziff. 2.2 insgesamt um eine Preishauptabrede. Denn gem. Ziff. 1.2 berechnet sich der Arbeitspreis ausdrücklich aus dem Preis für leichtes Heizöl (HEL). Dieser Preis ist jedoch schwankend und die Variabilität des Arbeitspreises damit der Preisabrede – sogar schon bei Ermittlung des ersten Preises - immanent. Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus der Formulierung von Ziff. 1.2, die auf den „jeweiligen Arbeitspreis“ abstellt. Ziff. 2.2. bestimmt insoweit nur die Begrifflichkeit des HEL-Preises und die Anpassungszeitpunkte. Dass die Parteien grundsätzlich einen festen Preis zu Grunde legen wollten, der erst später angepasst werden sollte, ist an keiner Stelle aus dem Vertrag ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus der Intention der Regelung. Wäre die Kopplung des Arbeitspreises an den HEL-Preis unwirksam, gäbe es im Vertrag mithin keine Preisregelung mehr (vgl. auch LG München RdE 2012, 166). Eine entsprechende gesetzliche Regelung, die an deren Stelle treten könnte, existiert nicht. Soweit in Ziff. 1.2. eine Bezugsgröße für den 1. Januar 2003 genannt wird, hat dies erkennbar nur informatorischen Charakter, da der Vertragsbeginn auf den 1. Juli 2003 datiert und bis zu diesem Termin ohnehin bereits zwei Anpassungstermine nach Ziff. 2.2 vergangen wären.

69

Dieses Ergebnis steht in Übereinstimmung mit der einschlägigen Rechtsprechung: Denn danach sind nur solche Bestimmungen über Preisänderungen als kontrollfähig angesehen worden, die nicht Bestandteil der eigentlichen Preisabrede – etwa bei Angabe eines festen ct/kWh-Betrages in der Vertragsurkunde oder einem beigefügten Preisblatt – sind (BGHZ 185, 96, 105). Umgekehrt muss dies bedeuten, dass eine Kontrolle der HEL-Klausel nicht stattfindet, wo diese mangels anderweitiger Bezifferung des Anfangspreises die Preisbestimmung darstellt (Zabel BB 2010, 1369). Entscheidend ist damit, ob ein bei Vertragsschluss vereinbarter Vertragspreis im Laufe der Vertragsdauer der Anpassung unterliegen soll oder ob die Preisabsprache aus der maßgeblichen Sicht des Kunden einer Preisvereinbarung im Sinne eines von vorne herein für die Vertragsdauer variablen Preises entspricht (OLG Hamm, Urteil vom 28.10.2010, 2 U 60/10, zitiert nach Juris; LG München RdE 2012, 166; LG Hof, Urteil vom 23. Mai 2012, 1 HK O 73/11, zitiert nach Juris; LG Freiburg, Urteil vom 27. April 2012, 10 O 41/11, zitiert nach Juris; LG Kassel, Urteil vom 22. Februar 2012, 4 O 200/11, zitiert nach Juris). So liegt es aus den vorgenannten Gründen hier. Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des zweiten Senats des OLG Naumburg vom 13. Dezember 2012 (Gesch-Nr.: 2 U 14/12). Denn in dieser Entscheidung wird entsprechend den vorgenannten Grundsätzen ausdrücklich zwischen kontrollfreien Hauptabreden über einen variablen Preis sowie kontrollfähigen Preisnebenabreden in Gestalt einer Preisanpassungsklausel zu einem Ausgangspreis differenziert und im konkreten Fall ein fester Ausgangspreis aufgrund einer Zonenregelung angenommen. Einen solchen festen Ausgangspreis gibt es vorliegend aber gerade nicht.

70

Mangels Kontrollfähigkeit der Preisregelung kann im Ergebnis deshalb dahingestellt bleiben, ob die Regelung die Klägerin im Sinne von § 307 BGB unangemessen benachteiligen würde.

III.

71

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO

72

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

73

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.


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(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
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2.
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(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. Dezember 2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Halle teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ... € nebst Zinsen hierauf in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. März 2011 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Beklagten und die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil werden zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin zu 72,4 % und die Beklagte zu 27,6 % zu tragen; die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 56,7 % und der Beklagten zu 43,3 % auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Gründe

A.

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten teils aus eigenem, teils aus abgetretenem Recht die Rückzahlung von Entgelten für Gaslieferungen im Zeitraum vom 01.10.2005 bis zum 31.12. 2007 aufgrund von Preiserhöhungen, die sie für unwirksam hält.

2

Die Klägerin ist ein Unternehmen, welches Geflügelfarmen betreibt. Im vorgenannten Zeitraum setzte sie für die Beheizung zweier Produktionsstandorte in T. und L. Erdgas als Energieträger ein, das ihr eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, die E. GmbH (künftig: die Beklagte), als Gasversorgerin lieferte.

3

Hinsichtlich des Produktionsstandorts der Klägerin in T. – Abnahmestelle Nr. ... – erfolgte die Belieferung auf der Grundlage eines Gaslieferungsvertrages vom 13.08.1996, der von den Vertragsparteien am 26./27.05.1997 unterzeichnet worden war. Der Vertrag enthielt in seinem Haupttext unter Ziffer 0.2 „Gaspreis“ lediglich die Regelung, dass ein Entgelt nach den Bestimmungen der Anlage 3 zu zahlen sei. Vertragsbestandteile waren u.a. die Anlagen 1 und 3. Anlage 1 enthielt unter Abschnitt 1.10. Regelungen zur Abrechnung und Zahlung. Danach war eine monatliche Abrechnung, und zwar jeweils am Anfang eines Monats für den jeweiligen Vormonat, vorgesehen. In Ziffer 1.10.3 hieß es:

4

„Einwände gegen Rechnungen berechtigen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, soweit sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen. Der Zahlungsaufschub oder die Zahlungsverweigerung können in diesem Falle nur innerhalb von zwei Jahren nach Zugang der fehlerhaften Rechnung geltend gemacht werden.“

5

In Anlage 3 waren Einzelheiten der sog. Zonenpreisregelung des Gaspreises enthalten. Unter 3.1 wurde eine Abrechnung der gelieferten Gasmengen nach ihrem thermischen Brennwert in Kilowattstunden je Kubikmeter vereinbart. Unter 3.2 folgte eine Regelung zum Gaspreis; darin hieß es:

6

„3.2.1 Der Preis für die im Rechnungsjahr gelieferten Gasmengen beträgt

7

für die ersten

  

1.000.000 kWh

  

… Pf/kWh

für die nächsten

  

4.000.000 kWh

  

… Pf/kWh

für die nächsten

  

12.000.000 kWh

  

… Pf/kWh

für die nächsten

  

34.000.000 kWh

  

… Pf/kWh

für alle weiteren

  

kWh   

  

… Pf/kWh.

8

3.2.2 Für die monatliche Abrechnung werden mit Beginn des Rechnungsjahres die einzelnen Preiszonen entsprechend der im Jahr fortschreitenden Lieferung nacheinander angewendet.

9

3.2.3 Der Kunde hat jährlich mindestens 4,9 Mio. kWh zu bezahlen. …“

10

Der Abschnitt 3.3 war mit „Änderung des Gaspreises“ überschrieben. Der Abschnitt enthielt Regelungen, die eine möglichst unveränderte Bindung des Arbeitspreises für geliefertes Erdgas an den Preis für leichtes Heizöl (künftig: HEL) gewährleisten sollten (vgl. Ziffer 3.3.4 Unterabs. 2), zudem sollte die Lohnentwicklung bei der Lieferantin einschließlich aller tarifvertraglichen und gesetzlichen Nebenleistungen Berücksichtigung finden (vgl. Ziffer 3.3.6 Unterabs. 3). Zur Änderung des Gaspreises hieß es u.a.:

11

„3.3.1 Die in 3.2 genannten Zonenpreise ermäßigen oder erhöhen sich nach der Formel

12

B =

 

0,091 (HEL – 38,66) + 0,000079 (L-2,674,54) Pf/kWh,
wenn HEL-Werte von 38,66 und größer zur Abrechnung kommen

bzw. nach der Formel

B =

 

0,062 (HEL – 38,66) + 0,000079 (L-2,674,54) Pf/kWh,
wenn HEL-Werte kleiner als 38,66 zur Abrechnung kommen. …

13

3.3.3 Der Gaspreis ändert sich – soweit abhängig von HEL – mit Wirkung vom 01. Januar, 01. April, 01. Juli und 01. Oktober eines jeden Jahres. …

14

3.3.7 Der Gaspreis ändert sich – soweit abhängig von L – mit Wirkung vom ersten Tag des der Lohnänderung folgenden Monats. …

15

3.3.9 Die Vertragsschließenden gehen davon aus, dass die Preisänderungsklausel die Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt für den Erdgassektor zutreffend wiedergibt. Sollte dies nicht der Fall sein, so sind entsprechend anderweitige Vereinbarungen über eine angemessene Preisänderungsklausel zu treffen. …“

16

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gaslieferungsvertrages vom 13.08.1996 (vgl. Anlage K 1) Bezug genommen.

17

Hinsichtlich des Produktionsstandorts der Klägerin in L. – Abnahmestelle Nr. ... – erfolgte die Belieferung auf der Grundlage eines Gaslieferungsvertrages, der am 22.08. / 17.09.1997 unterzeichnet worden war und der bezüglich der vorzitierten Regelungen wortidentische Klauseln – mit Ausnahme des Betrages der jährlichen Mindestabnahmemenge – enthielt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gaslieferungsvertrages vom 22.08. / 17.09.1997 (vgl. Anlage K 2) Bezug genommen. Beide Gaslieferungsverträge waren ursprünglich zeitlich befristet; sie verlängerten sich durch Nichtausübung des Kündigungsrechts.

18

Die Vertragsverhältnisse bestanden im streitgegenständlichen Zeitraum fort; auf der Grundlage der zitierten Regelungen zur Änderung des Gaspreises wurden wiederholt Erhöhungen des Gas-Arbeitspreises je kWh vorgenommen. Auf Verlangen der Klägerin und nach Verhandlungen wurden die Lieferungsverträge mehrfach zugunsten der Klägerin geändert, insbesondere auch durch Gewährung eines sukzessiv zunehmenden Nachlasses beim Arbeitspreis zunächst nur bei jährlichen Liefermengen von mehr als sieben Mio. kWh, später durch einen Rabatt auf alle Zonenpreise. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen B 1 bis B 9 Bezug genommen.

19

Mit zwei Schreiben vom 21.12.2004 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin jeweils Erhöhungen des Gaspreises in den Lieferverhältnissen zu den Abnahmestellen in T. und L. an. Die Klägerin widersprach den Erhöhungen jeweils mit Schreiben vom 23.12.2004 unter Verweis auf die Unbilligkeit der beabsichtigten Gaspreiserhöhungen. Bei nachfolgenden Ankündigungen der Beklagten zur Änderung des Gaspreises wiederholte die Klägerin ihren Widerspruch mit den Schreiben vom 10.11.2006, 01.03.2007 und 21.02.2008 (vgl. Anlagen K 8 und K 9).

20

Die Beklagte erstellte ihre Abrechnungen auf der Grundlage der von ihr berechneten Gaspreise; wegen der Einzelheiten der Abrechnungen der Beklagten gegenüber der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2007 wird auf das Anlagenkonvolut B 15 Bezug genommen. Die Klägerin beglich die Rechnungen.

21

Die Beklagte belieferte u.a. in den Jahren 2006 und 2007 eine weitere Geflügelfarm mit Erdgas, und zwar eine Betriebsstätte in G. als Abnahmestelle Nr. ... . Die Gasversorgung dieses Standorts erfolgte auf der Grundlage des Gaslieferungsvertrages vom 17. / 25.09.2003. Der Vertrag war ursprünglich mit der Unternehmung D. GmbH geschlossen und mit Vereinbarung vom 19.01.2007, rückwirkend ab dem 01.01.2007, mit allen Rechten und Pflichten auf die Unternehmung S. GmbH übergeleitet worden. Die vertraglichen Regelungen zum Gaspreis im Hauptvertrag, dort unter Ziffer 0.2, sind wortidentisch; Gleiches trifft für die Klauseln in Anlage 1, dort Abschnitt 1.10, zu. Die Anlage 3 zum Vertrag weist dieselbe Struktur auf, wie bei den beiden vorgenannten Gaslieferungsverträgen für die Abnahmestellen in T. und L. . In Ziffer 3.2.1 sind Zonenpreise in gleicher Staffelung, jedoch anderen Preisbeträgen aufgeführt; die Regelung ist ergänzt um folgenden Zusatz:

22

„Die genannten Preise sind Basis-Preise. Die derzeit gültigen Preise ergeben sich aus der Anwendung der Preisänderungsbestimmungen der Anlage 3 zum Gaslieferungsvertrag. Darüber hinaus handelt es sich um Netto-Preise, also Preise exklusiv Mineralöl- und Umsatzsteuer.“

23

Die Klauseln in 3.3.1, 3.3.3, 3.3.7 und 3.3.9 sind wiederum wortidentisch mit Ausnahme der Zahlenwerte in den beiden Formeln in Ziffer 3.3.1 – der Schwellenwert betrug danach 19,77. Auch im Hinblick auf die Abnahmestätte in G. wurden zwischen den Vertragsparteien nachträgliche Vertragsänderungen u.a. in Gestalt von Nachlässen auf den Arbeitspreis vereinbart. Die jeweiligen Vertragspartner widersprachen den von der Beklagten vorgenommenen Preisanpassungen auf der Grundlage der Regelungen in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 des Vertrages zu keinem Zeitpunkt.

24

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.12.2010 forderte die Klägerin die Beklagte zur Rückzahlung überhöhter Lieferentgelte für die Abnahmestellen T. und L. für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2007 sowie für die Abnahmestelle G. für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2007 in Höhe von insgesamt ... € netto zzgl. Mehrwertsteuer auf. Auf Nachfrage legte sie eine Abtretungsvereinbarung vom 22. / 28.02.2011 zwischen der S. GmbH als Zedentin und ihr als Zessionarin vor, wonach sie alle Rückforderungsansprüche gegen die Beklagte aus dem Gaslieferungsvertrag vom 17. / 25.09.2003 erworben hatte.

25

Mit ihrer am 19.03.2011 erhobenen Klage hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch in Höhe von ... € nebst Prozesszinsen geltend gemacht. Der Anspruch setzt sich wie folgt zusammen:

26

Abnahmestelle T.

01.01.2005 – 31.12.2005

        

… €

01.01.2006 – 31.12.2006

        

… €

01.01.2007 – 31.12.2007

        

… €

Zwischensumme:

        

… €

Abnahmestelle L.

01.01.2005 – 31.12.2005

        

… €

01.01.2006 – 31.12.2006

        

… €

01.01.2007 – 31.12.2007

        

… €

Zwischensumme:

        

… €

Abnahmestelle G.

01.01.2006 – 31.12.2006

        

… €

01.01.2007 – 31.12.2007

        

… €

Zwischensumme:

        

… €

27

Wegen der Einzelheiten wird auf die tabellarische Darstellung in den Anlagen K 6 und K 7 Bezug genommen.

28

Die Beklagte hat die Wirksamkeit der Preisänderungsklausel verteidigt und sich insbesondere darauf berufen, dass es sich um individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen handele.

29

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich eines Anspruchs auf (teilweise) Rückzahlung der Entgelte für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis zum 31.12.2007 hinsichtlich aller drei Abnahmestellen in Höhe von ... € nebst Prozesszinsen stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil es von einer Verjährung der weitergehenden Forderungen ausgegangen ist.

30

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin als Berufungsklägerin I. Sie hat gegen das ihr am 23.12.2011 zugestellte Urteil mit einem am 17.01.2012 beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung mit einem am 20.02.2012 eingegangenen Schriftsatz begründet. Mit ihrer Berufung verfolgt sie die ursprüngliche Klageforderung für die Abnahmestelle G. für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.11.2006 weiter. (Soweit in der Berufungsbegründung ein Zeitraum, beginnend am 01.01.2005, benannt ist, ergibt sich sowohl aus dem Betrag als auch aus der verbalen Begründung und dem Prozessverlauf, dass keine Klageerweiterung gewollt ist und es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt.)

31

Die Beklagte hat als Berufungsklägerin II gegen das ihr am 05.01.2012 zugestellte Urteil mit einem am 26.01.2012 beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen Schriftsatz ihr Rechtsmittel eingelegt und dieses innerhalb der bis zum 19.03.2012 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet. Sie wendet sich gegen die Zuerkennung des Rückzahlungsanspruchs dem Grunde nach und meint insbesondere, dass die Preisänderungsregelungen Individualvereinbarungen seien, welche einer Klauselkontrolle nicht zugänglich seien. Hilfsweise seien sie als nicht kontrollfähige Preishauptabreden zu bewerten. Äußerst hilfsweise vertritt sie die Auffassung, dass es sich um zulässige Spannungsklauseln handele. Selbst wenn die Preisregelungen unwirksam seien, sei die so entstehende Lücke im Vertrag durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Schließlich meint sie, dass auch etwaige Rückzahlungsansprüche der Klägerin gegen sie im Hinblick auf Entgelte aus dem Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 30.11.2006 bereits verjährt seien.

32

Die Klägerin beantragt,

33

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere ... € zu zahlen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

34

Die Beklagte beantragt,

35

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

36

Der Senat hat am 26.10.2012 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls Bezug genommen.

B.

37

Beide Berufungen sind zulässig; insbesondere sind sie jeweils form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

38

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung von Entgelten für Gaslieferungen an die Abnahmestellen in T. und L. hat. Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Beklagten im Berufungsverfahren sind unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist jedoch erfolgreich hinsichtlich der Abnahmestelle G.; dort wurden Einwendungen gegen die Abrechnungen der Gaslieferungen in den Jahren 2006 und 2007 anders, als das Landgericht gemeint hat, nicht rechtzeitig geltend gemacht. Aus diesem Grunde ist die Berufung der Klägerin unbegründet. Die Feststellungen des Landgerichts zur Höhe der bereicherungsrechtlichen Einzelansprüche sind im Berufungsverfahren nicht angegriffen worden.

39

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung von Entgelten für die Gaslieferungen an die Abnahmestellen unter Nr. ... in T. und unter Nr. ... in L. nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Dieser Anspruch besteht jedenfalls für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis zum 31.12.2007, hinsichtlich dessen das Landgericht die Beklagte zur Rückzahlung verurteilt hat. Die Beklagte hat von der Klägerin Zahlungen auf die von ihr für Gaslieferungen in diesem Zeitraum erstellten Rechnungen erhalten; diese Zahlungen waren zur Erfüllung der Leistungspflichten in den Gaslieferungsverträgen geleistet worden. Hinsichtlich der ab 01.01.2005 vorgenommenen Gaspreiserhöhungen erfolgten die Zahlungen der Klägerin ohne Rechtsgrund, denn die in beiden Gaslieferungsverträgen enthaltene Klausel zur Änderung der Gaspreise war unwirksam.

40

1. Auf beide streitgegenständlichen Vertragsverhältnisse ist das BGB in seiner Neufassung durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB), d.h. auch die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB anstelle des AGBG. Bei den Gaslieferungsvertragsverhältnissen handelt es sich jeweils um Dauerschuldverhältnisse. Soweit in jedem der beiden Verträge eine anfängliche Vertragsfrist bestimmt worden ist, hat diese im Hinblick auf die gleichzeitig vorgesehene automatische Vertragsverlängerung bei Nichtausübung des Kündigungsrechts durch eine der Vertragsparteien nur den Charakter einer Mindestlaufzeit der insgesamt unbefristeten Verträge.

41

2. Die in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 zu den Gaslieferungsverträgen vom 13.08.1996, unterzeichnet am 26./27.05.1997 (künftig: Vertrag T.), und vom 22.08./17.09.1997 (künftig: Vertrag L.) enthaltene Regelung ist jeweils durch entsprechende Verweise auf die Anlagen im Hauptvertrag (vgl. Ziffer 0.8 in allgemeiner Form und Ziffer 0.2 konkret für die Preisbestimmung) Vertragsbestandteil geworden. Sie enthält sowohl nach ihrem objektiven Erklärungswert als auch nach der übereinstimmenden Auffassung beider Prozessparteien kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten als Lieferantin i.S. von § 315 Abs. 1 BGB, deren Ausübung nach Abs. 3 dieser Rechtsvorschrift einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterläge, sondern mit dieser Klausel sind konkrete Berechnungsfaktoren für Preisanpassungen während der Durchführung des unbefristeten Vertragsverhältnisses vereinbart worden.

42

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die vorgenannte Vertragsklausel zur Preisänderung in beiden Verträgen, die jeweils Sonderkundenverträge sind, rechtlich nicht als eine Individualvereinbarung, sondern als eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S. von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB zu bewerten.

43

a) Die Prozessparteien gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass die jeweils in Anlage 3 zu den Gaslieferungsverträgen enthaltenen Vertragsbedingungen von der Beklagten als Lieferantin für eine Vielzahl von Sonderkundenverträgen vorformuliert und im Rahmen der streitgegenständlichen Vertragsverhältnisse gestellt worden sind.

44

b) Nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB liegt eine – der Inhaltskontrolle unterworfene – Allgemeine Geschäftsbedingung gleichwohl nicht vor, soweit die Vertragsbedingung zwischen den Vertragsparteien individuell ausgehandelt worden ist. Der Ausschluss der Inhaltskontrolle setzt ein wirkliches Verhandeln voraus, was insbesondere bedeutet, dass der Verwender der vorformulierten Vertragsbedingung den gesetzesfremden Kerngehalt seiner Allgemeinen Geschäftsbedingung inhaltlich ernstlich zur Disposition stellen und dem anderen Vertragsteil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen muss (vgl. nur Grüneberg in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 305 BGB Rn. 20 m.w.N.). Dies trifft hier weder im Hinblick auf die Struktur der Anlage 3 noch für den Inhalt der Preisänderungsregeln zu.

45

aa) Bereits nach dem Wortlaut der Vertragsbedingungen, insbesondere nach den Formulierungen in den Ziffern 3.3.4 Unterabs. 2, 3.3.6 Unterabs. 3 und 3.3.9, sollte die Bindung des Arbeitspreises für geliefertes Erdgas an den Preis für leichtes Heizöl und an die Lohnentwicklung bei der Lieferantin „möglichst unverändert“ gewährleistet sein. Für den Fall der Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen in Abschnitt 3.3 war eine ergänzende Vereinbarung vorgesehen, welche eine Preisanpassung in funktional gleicher Weise sicherstellt.

46

bb) Auch unter Berücksichtigung der Angaben der Beklagten zum Verlauf der Vertragsverhandlungen ist nicht feststellbar, dass etwa die Abrechnung der Lieferungen nach dem thermischen Brennwert gemäß Abschnitt 3.1 oder die Beträge der Zonennettopreise in Abschnitt 3.2 verhandelbar gewesen wären. Gleiches trifft auf die von der Beklagten vorgegebenen Berechnungsfaktoren und die Formel der Preisänderung in Bindung an den HEL-Preis und die Lohnentwicklung zu. Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich ohne Weiteres entnehmen, dass sie auf jeden Fall die Preisbindung an die für repräsentativ für die Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt erachtete Entwicklung des HEL-Preises (vgl. Ziffer 3.3.9) zum Vertragsinhalt machen wollte. Die vorgegebenen Berechnungsfaktoren der Preisanpassung sind ein zentrales Element der Preisregelungen aus Sicht der Beklagten; sie haben eine weitaus größere Bedeutung als die Regelungen z. Bsp. zu den Folgen von Zahlungsverzögerungen oder auch zu den Anfangspreisen. Für einen auf die Beibehaltung des vorgegebenen Anpassungsmechanismus´ gerichteten Geschäftswillen sprechen auch objektive Umstände. So wäre insbesondere eine auch nur teilweise Abänderung der Berechnungsfaktoren des Gaspreises gegenüber der Klägerin für die Beklagte mit einem deutlich erhöhten Abrechnungsaufwand verbunden gewesen, der nur durch die zwingende Vorgabe derselben Berechnungsfaktoren in allen Sonderkundenverträgen vermieden werden konnte.

47

cc) Soweit die Beklagte der Klägerin im Rahmen von Vertragsverhandlungen Zugeständnisse bei den Preisregelungen gemacht hat, betreffen diese gerade nicht die Berechnungsfaktoren von Preisänderungen, sondern sind jeweils lediglich auf eine Ergebniskorrektur gerichtet. Der geänderte Arbeitspreis sollte danach weiter nach den vertraglich vorgegebenen Anpassungsfaktoren berechnet und erst danach durch individuell ausgehandelte Preisnachlässe (hier in den Vereinbarungen vom 08.09.1998, vom 19.04.2000, vom 14.08.2000 und vom 02.05.2005) oder Zahlungsgutschriften (hier vom 09.11.2000) verringert werden. Ebenso stellen die Verlängerung der Zahlungsfrist zugunsten der Klägerin im Vertragsverhältnis T. (durch Vereinbarung vom 21.10.1996) sowie die Modifizierung der Haftungsregelungen zugunsten der Klägerin im Vertragsverhältnis L. (durch Vereinbarung vom 22.07.1997), auf die sich die Beklagte jeweils berufen hat, keine Vereinbarungen dar, welche darauf schließen ließen, dass die Beklagte auch die Regelungen der Preisänderungsklausel zur Disposition gestellt hatte.

48

4. Eine Inhaltskontrolle der vorgenannten Vertragsklauseln ist bereits wegen des subjektiven Anwendungsbereiches der §§ 305 ff BGB auf die Vorgaben des § 307 BGB beschränkt. Die Vorschriften der §§ 308 und 309 BGB sind nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB nicht anwendbar, weil es sich bei der Klägerin als Vertragspartnerin der Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen um ein Unternehmen i.S. von § 14 BGB handelt.

49

5. Die wortidentischen Regelungen in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 zu beiden Gaslieferungsverträgen halten, wie das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt hat, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand und sind daher unwirksam.

50

a) Der sachliche Anwendungsbereich des § 307 BGB ist eröffnet, insbesondere ist die gerichtliche Inhaltskontrolle nicht im Hinblick auf § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen. Danach findet die Inhaltskontrolle von Vertragsbedingungen ihre Schranken dort, wo nicht von Rechtsvorschriften abweichende oder sie ergänzende, also abstrakte Regelungen, sondern in Ausübung der Vertragsfreiheit unmittelbare Regelungen des Vertragsgegenstandes vereinbart werden. Dies trifft auf die Regelungen in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 der Verträge T. und L. nicht zu.

51

aa) Preisvereinbarungen unterliegen nicht der Inhaltskontrolle, soweit sie Art und Umfang der Vergütung unmittelbar regeln (sog. Preishauptabreden, vgl. nur BGH, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96 = RdE 2010, 209 – in juris Tz. 19; ebenso, wie vom Landgericht zitiert, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 304/08, RdE 2010, 215, in juris Tz. 25; vgl. auch Grüneberg, a.a.O., § 307 BGB Rn. 46 m.w.N.). Hiervon zu unterscheiden sind die – kontrollfähigen – sog. Preisnebenabreden, das sind Abreden, die nur mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben und an deren Stelle im Falle ihrer Unwirksamkeit dispositives Gesetzesrecht treten kann (vgl. BGH, jeweils a.a.O. – in VIII ZR 178/08 in juris Tz. 20, in VIII ZR 304/08 in juris Tz. 26; Grüneberg, a.a.O., § 307 BGB Rn. 47 m.w.N.). Regelungen zur Änderung eines Ausgangspreises sind grundsätzlich als Preisnebenabreden zu bewerten, weil sie den Vertragspreis nicht unmittelbar bestimmen, wie es bei den Ausgangspreisen der Fall ist, sondern lediglich Vereinbarungen über den Anlass und die Art und Weise der Preisanpassung enthalten. Solche Regelungen enthalten eine Abweichung von der im BGB vorgesehenen Unabänderlichkeit der Preise (vgl. BGH, Urteil v. 06.02.1985, VIII ZR 61/84, BGHZ 93, 358 – in juris Tz. 12 noch für § 8 AGBG für Preisregelungen in einem Trinkwasserversorgungsvertrag; Urteil v. 28.03.2007, VIII ZR 144/06, BGHZ 171, 374 für Preisregelungen in einem Stromversorgungs-Tarifvertrag; Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 178/08, a.a.O. – in juris Tz. 19 f.).

52

bb) Die Vertragsbedingungen in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 zu beiden Gaslieferungsverträgen sind nach ihrem Regelungsgehalt entgegen der Auffassung der Beklagten keine Angaben dazu, wie der Ausgangspreis des Vertrages kalkuliert ist, und auch keine Hauptabreden zu einem variablen Preis, wie z. Bsp. bei einer Stufenpreisvereinbarung. Sie sind kontrollfähige Preisnebenabreden.

53

(1) Gegen eine Preishauptabrede spricht bereits die Struktur der in Anlage 3 enthaltenen Vereinbarungen. Die Vertragsparteien differenzieren in Anlage 3 ausdrücklich jeweils zwischen dem Abschnitt 3.2 mit Bestimmungen zum „Gaspreis“ und dem Abschnitt 3.3 mit Regelungen zur „Änderung des Gaspreises“. Diese Strukturierung des Vertragsinhalts lässt den Schluss auf eine systematische Unterscheidung zwischen einem Ausgangspreis i.S. der vorzitierten Rechtsprechung, festgelegt in Abschnitt 3.2, und einer Preisanpassungsklausel, geregelt in Abschnitt 3.3, zu.

54

(2) Gleiches ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarungen. Danach wird in Abschnitt 3.2 ein „Preis“ mit einem festen Betrag je Preiszone festgelegt, während in Abschnitt 3.3 Berechnungsfaktoren für „Ermäßigungen“ oder „Erhöhungen“ der „in 3.2 genannten Zonenpreise“ geregelt werden (vgl. Ziffer 3.3.1), wobei die Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (in Ziffer 3.3.9) selbst den Begriff der „Preisänderungsklausel“ benutzt.

55

(3) Schließlich entspricht die Bewertung der Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede durch das Landgericht, welcher der Senat folgt, auch dem objektiven Erklärungswert der Vertragsbedingung aus Sicht eines Erklärungsempfängers i.S. von §§ 133, 157 BGB.

56

In Ziffer 3.2.1 sind jeweils bezifferte Preise für das im Rechnungsjahr gelieferte Erdgas nach Brennwerten, und zwar unterteilt nach Preiszonen, aufgeführt. Die Regelung ist in sich geschlossen und ermöglicht eine Bestimmung der zu zahlenden Entgelte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und zu Beginn des Lieferverhältnisses. Selbst wenn der Senat zugunsten der Beklagten unterstellte, dass diese Preisangaben kalkulatorisch nach den alternativen Berechnungsformeln in Ziffer 3.3.1 ermittelt worden seien, änderte dies nichts am Charakter der Regelungen in Abschnitt 3.2 als Bestimmung des Ausgangspreises. In diesem Falle käme den Berechnungsformeln in Ziffer 3.3.1 lediglich ein neben ihre originäre Funktion tretender zusätzlicher Zweck zu, nämlich derjenige einer Offenlegung der kalkulatorischen Ermittlung der Ausgangspreise. Die Vereinbarungen in Ziffer 3.3.1 hätten im Hinblick auf die Ausgangspreise lediglich eine erklärende Funktion.

57

Dem gegenüber werden in Abschnitt 3.3 die Modalitäten der Anpassung der in Abschnitt 3.2 bezifferten Ausgangspreise in Form von Erhöhungen oder Ermäßigungen konstitutiv geregelt. Die so ermittelten Preise sollen jedoch nur gelten, wenn sich entweder die Preise für HEL nach Maßgabe der Bestimmungen in Ziffern 3.3.2 bzw. 3.3.4 und 3.3.5 oder die Löhne nach Maßgabe der Bestimmungen in Ziffer 3.3.6 oder beide Preise gegenüber der Situation z. Zt. des Vertragsabschlusses ändern. Eine Preisanpassung ist nach Ziffer 3.3.3 bzw. nach Ziffer 3.3.7 auch nur in festen zeitlichen Abständen vorgesehen, also zu Beginn eines neuen Quartals bzw. zu Beginn des auf die Lohnänderung folgenden Monats. Dies zeigt im Umkehrschluss, dass es zu Beginn der Lieferverhältnisse jeweils eine – ggf. nur kurze – Anfangszeit gibt, in der die in Abschnitt 3.2 genannten Ausgangspreise unverändert gelten.

58

(4) Soweit sich die Beklagte in der Begründung ihres Rechtsmittels darauf beruft, dass zu unterscheiden sei zwischen Preisanpassungsregelungen, bei denen Erhöhungen bzw. Ermäßigungen durch Addition oder Subtraktion berechnet werden, und denen, die auf einer „multiplikativen Methode“ beruhen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die angewandte mathematische Methode ist nicht maßgeblich für die rechtliche Bewertung der Klausel als Preishaupt- oder Preisnebenabrede. Enthält ein Vertrag eine Berechnungsformel für einen Vertragspreis, so kommt es darauf an, ob mit dieser Formel der Ausgangspreis konstitutiv festgelegt wird (so der Arbeitspreis in dem Fall, welcher der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Landgerichts München I, Urteil v. 13.01.2012, 23 O 13695/11, RdE 2012, 166 – vgl. in juris Tz. 7 bis 14, insbes. Tz. 11, zugrunde lag) oder ob deren Anwendung, wie hier, erst bei einer Veränderung der dem Vertragsschluss zugrunde liegenden kalkulatorischen Umstände eröffnet wird.

59

b) Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen insbesondere dann unwirksam, wenn sie für den Vertragspartner des Verwenders intransparent, d.h. nicht klar und verständlich ist. Eine solche Intransparenz des Abschnitts 3.3 wurde und wird von der Klägerin schon nicht geltend gemacht.

60

c) Das Landgericht ist aber zu Recht davon ausgegangen, dass die Preisänderungsklausel in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 der Verträge T. und L. nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist, weil sie die Klägerin als Kundin der Beklagten unangemessen benachteiligt.

61

aa) Die vorgenannte Preisänderungsklausel ist als Spannungsklausel auszulegen. Sie soll sowohl nach ihrem Wortlaut (vgl. insbesondere Ziffer 3.3.9) als auch nach ihrem Regelungsgehalt eine Preisanpassung proportional zur Wertentwicklung des leichten Heizöls gewährleisten. Die Bindung an den Preis des HEL wird insbesondere mit den Beschaffungskosten der Lieferantin begründet.

62

bb) Für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB kann offen bleiben, ob die Preisänderungsklausel gegen § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (PrKG) verstößt, nach dem der Betrag von Geldschulden nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis von anderen Gütern bestimmt werden darf, die mit den vereinbarten Gütern nicht vergleichbar sind. Die Unzulässigkeit würde nach § 8 PrKG zu einer Unwirksamkeit ab dem Zeitpunkt der Feststellung des Verstoßes führen. Keiner Entscheidung bedarf ferner, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegen § 1 Abs. 1 PrKG verstoßen, den Vertragspartner des Klauselverwenders allein aus diesem Grunde unangemessen i.S. von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteiligen. Insoweit ist jedoch darauf zu verweisen, dass vieles dafür spricht, dass die Vergleichbarkeit der Preise für leitungsgebundenes Erdgas und leichtes Heizöl zum maßgeblichen Zeitpunkt der streitgegenständlichen Vereinbarungen der Spannungsklausel jeweils im Jahre 1997 nicht gegeben sein dürfte. Im Jahre 1997 existierte ein liberalisierter Markt für leitungsgebundenes Erdgas nicht, so dass mangels wirksamen Wettbewerbs schon keine Marktpreise für dieses Gas feststellbar waren (vgl. BGH, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 178/08, a.a.O. – in juris Tz. 31). Im Schrifttum wird zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass die Güter Erdgas und leichtes Heizöl auch bezüglich ihrer Klimaschutzbilanz nicht vergleichbar sein dürften (vgl. Derleder, CuR 2010, 92). Selbst eine etwaige Zulässigkeit der Preisänderungsklausel in den Verträgen T. und L. hinderte eine darüber hinausgehende Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht (vgl. BGH, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 304/08, a.a.O. – in juris Tz. 31).

63

cc) Eine Spannungsklausel in Sonderkunden-Lieferungsverträgen für leitungsgebundenes Erdgas, die eine Änderung des Gaspreises ausschließlich an die Preisentwicklung für leichtes Heizöl knüpft und Kostensenkungen des Lieferanten außerhalb der Gasbezugskosten weder beim Arbeitspreis noch beim Grundpreis berücksichtigt, benachteiligt den Kunden des Versorgungsunternehmens unangemessen, weil sie die Grenzen eines angemessenen vertraglichen Interessenausgleichs überschreitet.

64

(1) Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist auf den Zeitpunkt der Vereinbarung dieser Preisänderungsklausel abzustellen (vgl. nur Grüneberg, a.a.O., § 307 BGB Rn. 7 mw.N.); dieser liegt hier bei beiden Verträgen im Jahre 1997.

65

(2) Auf Seiten des Kunden des Versorgungsunternehmens ist – unabhängig davon, ob der Kunde Verbraucher i.S. von § 13 BGB oder Unternehmer i.S. von § 14 BGB ist – stets das Interesse daran zu berücksichtigen, vor Preisanpassungen geschützt zu werden, die über die Wahrung des ursprünglich festgelegten Äquivalenzverhältnisses hinausgehen (vgl. BGH, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 304/08, a.a.O. – in juris Tz. 33 m.w.N.).

66

(3) Als ein berechtigtes Interesse der Beklagten als Gasversorgerin an einer Änderung der Vertragspreise kommt eine Bindung an die allgemeine Preisentwicklung für leitungsgebundenes Erdgas schon deshalb nicht in Betracht, weil im Jahre 1997, wie ausgeführt, in diesem Bereich kein Wettbewerb und somit keine Marktpreise existierten. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellte, dass im Jahre 1997 eine Bindung der Vertragspreise an die Entwicklung der Preise für HEL einer Anpassung an die allgemeine Preisentwicklung für leitungsgebundenes Erdgas entsprochen hätte, wie die Beklagte geltend macht, eröffnete eine solche Spannungsklausel die Möglichkeit der Erzielung zusätzlicher, auf unzureichendem Wettbewerb in der gesamten Branche beruhender Gewinne, welche den Kunden der Gasversorgerin, hier die Klägerin, unangemessen benachteiligte.

67

(4) Zwar wird in der Rechtsprechung grundsätzlich das Interesse des Gasversorgungsunternehmens anerkannt, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit in adäquater Form (auch) an ihre Sonderkunden weiterzugeben. Die Schranke des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist jedoch überschritten, wenn Preisänderungsklauseln dem Verwender die Möglichkeit einräumen, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne jede Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (vgl. BGH, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 178/08, a.a.O. – in juris Tz. 35 m.w.N.; VIII ZR 304/08, a.a.O. – in juris Tz. 33 f.). So liegt der Fall hier. Die Beklagte wurde durch die Preisänderungsklausel in den Verträgen T. und L. jeweils in die Lage versetzt, Gaspreiserhöhungen in Abhängigkeit von der Preisentwicklung bei HEL durchzusetzen, ungeachtet dessen, ob ihre eigenen Beschaffungskosten z. Zt. des Wirksamwerdens der Preiserhöhung vollständig derselben Preisbindung unterliegen und ob etwaigen Kostensteigerungen bei der Beschaffung des Erdgases nicht u.U. Kostensenkungen in anderen Bereichen gegenüberstehen und diese ganz oder teilweise kompensieren bzw. sie sogar übertreffen. Die Preisänderungsklausel war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse jeweils im Jahre 1997 objektiv geeignet, der Beklagten die Möglichkeit einer – im Hinblick auf einen angemessenen Interessenausgleich unzulässigen – Gewinnsteigerung während der Vertragslaufzeit zu eröffnen.

68

dd) Für die Bewertung der Unangemessenheit der mit der Preisänderungsklausel objektiv eröffneten Möglichkeit einer unzulässigen Gewinnsteigerung zugunsten der Beklagten als Gasversorgerin ist es aus den vorgenannten Gründen unerheblich, dass die Klägerin Unternehmerin ist (ebenso OLG Hamm, Urteil v. 28.10.2010, I-2 U 60/10 – zitiert nach juris; auch Ebbinghaus/Schroeder RdE 2012, 228). Die Unangemessenheit ergibt sich allein daraus, dass die Beklagte nach der Vertragsbestimmung das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegenüber der ursprünglichen Vereinbarung zu ihren Gunsten verändern kann; insoweit lässt das BGB jedoch eine Differenzierung der Schutzwürdigkeit der Interessen von Verbrauchern und Unternehmen als Kunden nicht erkennen.

69

6. Allerdings hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung zu Recht darauf verwiesen, dass die durch die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel in Abschnitt 3.3 der Verträge T. und L. entstehende Regelungslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Doch führt auch die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer Unbegründetheit der von der Klägerin in der Berufungsinstanz noch geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung von Entgelten im Hinblick auf die Verträge T. und L. .

70

a) Die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung, wie sie sich aus der neueren Rechtsprechung des VIII. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes zu Energieversorgungsverträgen (vgl. Urteile jeweils v. 14.03.2012, VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372; und VIII ZR 93/11, RdE 2012, 200) ergeben, welcher sich der Senat anschließt, sind erfüllt. Durch die Feststellung der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel in Abschnitt 3.3 entsteht eine planwidrige Regelungslücke in den Verträgen, wie insbesondere auch die Bestimmungen in Ziffer 3.3.9 zeigen. Zwischen den Vertragsparteien bestand bei Vertragsabschluss zumindest Einigkeit darüber, dass der vereinbarte Ausgangspreis nur zu Beginn der jeweiligen Vertragsverhältnisse gelten und seine zeitnahe Anpassung an allgemeine Preisentwicklungen erfolgen sollte. Jedenfalls dann, wenn der Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresrechnungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht widersprochen hat, wie hier die Klägerin im Zeitraum von 1997 bis 2004, und nunmehr mit ihrer Ende 2010 erhobenen Klage für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, entsteht eine nicht mehr hinnehmbare Störung des Vertragsgefüges, die nicht mehr durch die vertraglich vorgesehene, nur in die Zukunft gerichtete Kündigungsmöglichkeit des Versorgungsunternehmens in einer für beide Seiten zumutbaren Weise geschlossen werden kann. Gesetzliche Regelungen einer Preisanpassung, mit deren Anwendung die beschriebene planwidrige Vertragslücke adäquat geschlossen werden könnte, gibt es nicht.

71

b) Die ergänzende Vertragsauslegung führt dazu, dass die in den beiden Verträgen jeweils vorgesehenen Fristen zur Geltendmachung von Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abrechnungen der Beklagten auch auf die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Preisänderung unter Berufung auf Abschnitt 3.3 der Anlage 3 des jeweiligen Vertrages angewendet werden.

72

aa) Eine geltungserhaltende Reduktion der Preisänderungsklausel kommt nicht in Betracht, weil sie generell unzulässig ist (vgl. Grüneberg, a.a.O., § 306 BGB Rn. 6 m.w.N.).

73

bb) Der Bundesgerichtshof hat in den beiden o.g. Entscheidungen die infolge der Unwirksamkeit der formularmäßig vereinbarten Preisänderungsklausel nach § 307 Abs. 1 BGB entstehende planwidrige Regelungslücke in einem Energieversorgungsvertrag dadurch geschlossen, dass er im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung davon ausgegangen ist, dass ein Kunde die Unwirksamkeit einer Preiserhöhung, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führt, dann nicht mehr geltend machen können soll, wenn er sie nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (vgl. BGH, Urteil v. 14.03.2012, VIII ZR 113/11, a.a.O. – in juris Tz. 23 f., 31 f.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

74

cc) Anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen, bedarf es hier jedoch wegen der Bestimmung der Länge der Geltendmachungsfrist eines Rückgriffs auf allgemeine Vorschriften in der AVBGasV bzw. der GasGVV, welche die Geltendmachung von Beanstandungen gegen Abrechnungen der Gasversorgerin zum Gegenstand haben, nicht. Denn die Vertragsparteien haben unter Ziffer 1.10.3 der Anlage 1 zum Vertrag im Rahmen der Bestimmungen über die Abrechnungs- und Zahlungsmodalitäten für eine vergleichbare Konstellation eine Regelung getroffen. Danach sind Einwendungen gegen Rechnungen nur innerhalb von zwei Jahren ab Zugang der Rechnung zulässig und berechtigen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zum Zahlungsaufschub bzw. zur Zahlungsverweigerung. Diese Regelung bezieht sich auch auf den Zugang von Monatsabrechnungen, wie sie im Vertragsverhältnis jeweils vorgesehen sind.

75

c) Selbst wenn der Senat zugunsten der Beklagten unterstellte, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen sei, dass der Kunde, hier die Klägerin, mit Einwendungen gegen die Wirksamkeit einer Preiserhöhung, die zu einem Arbeitspreis über dem vereinbarten Ausgangspreis führt, ausgeschlossen ist, wenn er sie nicht innerhalb von zwei Jahren ab Zugang derjenigen Monatsrechnung geltend macht, in der sich die Preiserhöhung erstmals ausgewirkt hat, hätte die Klägerin in den Vertragsverhältnissen T. und L. ihre Einwendungen gegen die Monatsabrechnungen für Dezember 2006 und alle zwölf Monate des Jahres 2007, die in der Berufungsinstanz noch streitgegenständlich sind, rechtzeitig und fristwahrend erhoben. Die Klägerin beanstandete die Preiserhöhungen bereits vor der ersten Abrechnung mit Schreiben vom 23.12.2004 und ließ durch die Wiederholung der Einwendungen erkennen, dass sie an dieser Einwendung auch nach Zugang der Abrechnungen festhielt.

76

7. Die gerichtliche Durchsetzung der vorgenannten Ansprüche der Klägerin ist, worauf das Landgericht im Ergebnis zu Recht erkannt hat, nicht wegen Verjährung gehindert.

77

a) Die Verjährung bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsansprüche wegen Gaspreisüberzahlungen beginnt allerdings nicht bereits mit der Leistung von (monatlichen) Abschlagszahlungen, sondern erst mit dem Zugang der Jahresabrechnung bzw. einer dieser gleichstehenden Abrechnung für den Monat Dezember des jeweiligen Jahres zu laufen (vgl. BGH, Urteil v. 23.05.2012, VIII ZR 210/11, RdE 2012, 292). Dies war hier in den Vertragsverhältnissen T. und L. jeweils der – von den Prozessparteien nicht konkret mitgeteilte – Zeitpunkt des Zugangs der Abrechnungen für die Monate Dezember 2006 bzw. Dezember 2007, d.h im Januar 2007 bzw. im Januar 2008.

78

b) Die Verjährungsfrist beträgt nach § 195 BGB auch für bereicherungsrechtliche Ansprüche drei Jahre, so dass die Verjährungsfrist hinsichtlich der Zahlungen für den Monat Dezember 2006 jeweils am 31.12.2010 und hinsichtlich der Zahlungen für das Kalenderjahr 2007 jeweils am 31.12.2011 vollendet war.

79

c) Die am 30.12.2010 bewirkte Zustellung eines Mahnbescheids an die Beklagte u.a. wegen der vorgenannten Rückzahlungsansprüche der Klägerin führte nach § 204 Nr. 3 BGB zur rechtzeitigen Hemmung der Verjährung.

80

8. Die Beklagte hat mit ihrer Berufung Einwendungen gegen die vom Landgericht festgestellte Höhe der Rückzahlungsansprüche der Klägerin aus den Vertragsverhältnissen T. und L. nicht erhoben. Das Landgericht hat diese Ansprüche hinsichtlich des Vertrags T. auf ... € und hinsichtlich des Vertrags L. auf ... €, zusammen mithin auf ... € beziffert. Hinzu kommen Ansprüche auf Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 2 BGB in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

81

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Entgelten, die sie für Gaslieferungen in den Jahren 2006 und 2007 an die Abnahmestelle G. gezahlt hat.

82

1. Allerdings ist die Klägerin, wovon das Landgericht zu Recht ausgegangen ist, aus abgetretenem Recht der vormaligen Vertragspartnerin der Beklagten zur Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen aktiv legitimiert. Hiergegen hat die Beklagte mit ihrer Berufung auch keine Einwendungen erhoben, so dass auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden kann.

83

2. Der Senat geht auch davon aus, dass die Zedentin der Klägerin an die Beklagte Zahlungen zur Vertragserfüllung geleistet hat, die nach den vorgenannten, für die Verträge T. und L. ausgeführten Maßstäben teilweise ohne Rechtsgrund geleistet worden sein könnten, was hier aber offen bleiben kann.

84

3. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellte, dass die Preisänderungsklausel in Abschnitt 3.3 des Vertrages G. eine kontrollfähige Preisnebenabrede beinhaltete und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam wäre, wäre auch insoweit eine ergänzende Vertragsauslegung, wie in den Verträgen T. und L. vorgenommen, geboten. Weder die Klägerin noch die Zedentin der Klägerin haben Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abrechnungen der Beklagten rechtzeitig geltend gemacht. Die letzte, den Monat Dezember 2007 betreffende Abrechnung der Beklagten ist der Zedentin der Klägerin im Januar 2008, spätestens also am 31.01.2008, zugegangen. Die Zweijahresfrist endete mithin spätestens am 31.01.2010. Die Klägerin hat dagegen die Abrechnungen der Beklagten im Vertragsverhältnis G. erstmals mit Schriftsatz vom 22.12.2010 beanstandet. Zu diesem Zeitpunkt war ihre Zedentin bereits mit der Geltendmachung unwirksamer Gaspreiserhöhungen, betreffend die Gaslieferungen in den Jahren 2006 und 2007, ausgeschlossen, so dass die Abtretung an die Klägerin ins Leere ging.

C.

85

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen beruht jeweils auf § 92 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der Berufungsinstanz daneben auf § 97 Abs. 1 ZPO.

86

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

87

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.

(2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.

(3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 93.416,00 EUR, ab dem 14.12.2011 auf 88.292,00 EUR.

Tatbestand

 
Die Klägerin fordert von dem beklagten Energielieferungsunternehmen unter Berufung auf angeblich unwirksame Preisänderungsklauseln geleistete Zahlungen auf Gaspreislieferungen aus dem Jahre 2007 teilweise zurück.
Die Klägerin wurde schon seit dem Jahr 1991 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Gas beliefert. Im Jahre 2004 schlossen die Parteien einen Sonderkundenvertrag (K 1). Dieser Vertrag regelt den Erdgaspreis unter Ziffer 5. Unter Ziffer 5.1 wird „zum Stichtag 01.07.2004“ der Arbeitspreis, der Messpreis und der Grundpreis jeweils beziffert, wobei ausgeführt ist, dass diese Preise „ auf den Preisänderungsbestimmungen, wie sie in Punkt 5.2 festgelegt sind“ basieren. Unter Ziffer 5.2 sind Regelungen zu Preisänderungen aufgeführt. 5.2.1 enthält eine auf dem Preis für extra leichtes Heizöl basierende Preisformel, woraus der Arbeitspreis berechnet wird. Unter 5.2.2 a) ist geregelt, dass sich der Arbeitspreis am 01.01., 01.04, 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres aufgrund der Änderungen der Notierungen für leichtes Heizöl verändert. Nach Ziffer 6.1 wird der Erdgasbezug monatlich abgelesen und verrechnet. Nach Ziffer 7 tritt der Vertrag zum 01. des Monats in Kraft, in dem der Beklagten ein von beiden Seiten unterschriebenes Vertragsexemplar vorliegt, frühestens jedoch zum 01.10.2004. Der Vertrag war bis 30.06.2009 fest abgeschlossen. Bezüglich der genauen Formulierungen wird auf die Anlage K 1 verwiesen. Der Vertrag war am 26.07.2004 von beiden Seiten unterschrieben, die erste Lieferung auf Grundlage dieses Vertrages erfolgte zum 01.10.2004.
Am 06.06.2006 vereinbarten die Parteien für den Zeitraum vom 01.07.2006 bis 30.06.2008 einen Preisnachlass (B 2). Die Beklagte bezahlte alle Gasrechnungen nach entsprechenden Preisänderungen ohne Beanstandung. Die Klägerin hat den Vertrag zum 30.06.2009 gekündigt. Mit Schreiben vom 17.06.2010 behauptete die Klägerin unter Berufung auf höchstrichterliche Rechtsprechung die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel und kündigte Rückforderungsansprüche an. Mit Anwaltsschreiben vom 28.10.2010 bezifferte die Klägerin diese Ansprüche für die Jahre 2007 bis zum Vertragsende mit gut 337.000,00 EUR netto (K 2). Die Rückforderungsansprüche bezüglich der Zahlungen aus dem Jahr 2007 sind Gegenstand dieses Rechtsstreits.
Die Klägerin trägt vor, dass eine individuelle Aushandlung der Preisvereinbarungen nicht stattgefunden habe. Die Regelung unter Ziffer 5.1 stelle die Preishauptklausel dar. Die Preisänderungsklausel sei als Nebenklausel als allgemeine Geschäftsbedingung überprüfbar und nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unwirksam. Die Preisänderungsklausel benachteilige die Klägerin unangemessen, weil sie der Beklagten die Möglichkeit der unzulässigen Gewinnsteigerung eröffne. Eine abweichende Bewertung deshalb, weil die Klägerin Unternehmerin sei, sei nicht angebracht. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheide nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen des Gesichtspunkts der Zumutbarkeit aus, weil die Beklagte als Verwenderin der Klausel den Zustand selbst geschaffen habe. Eine andere Beurteilung könne danach zwar bei langjährigen Gasversorgungsverhältnissen und fehlendem Widerspruch gegen Preisänderungen in der Vergangenheit für länger zurückliegende Zeitabschnitte in Betracht kommen. Diesem Argument sei dadurch Rechnung getragen, dass die Klägerin Ansprüche aus dem Jahr 2007, also aus noch unverjährter Zeit geltend mache. Die Klägerin habe Anspruch auf Rückzahlung der Differenz zwischen dem sich aus Ziffer 5.1 des Vertrages ergebenden Ausgangspreises und den abgerechneten Arbeitspreisen, wie sie unter Zugrundelegung der streitgegenständlichen Formel abzurechnen gewesen wäre. Zu den Einzelheiten wird auf die Klageschrift (Seite 12, AS. 23) verwiesen. Auf dieser Berechnung beruhte der ursprüngliche Klageantrag in Höhe von 93.416,45 EUR, den die Klägerin dann teilweise zurücknahm, nachdem sie den Nachlass entsprechend der Anlage B 2 berücksichtigt hatte. Sie stellte deshalb zuletzt folgenden Antrag:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 88.292,93 EUR brutto (einschließlich Umsatzsteuer) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 02.12.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klageforderung sei schon nicht schlüssig berechnet, weil allenfalls die Differenz zu den - unter Berücksichtigung weiterer Nachlässe - tatsächlich abgerechneten Arbeitspreisen maßgeblich sein könne. Diese - unstreitig - abgerechneten Arbeitspreise (vgl. Klageerwiderung Seite 5, AS. 59 und Anlage B 1) lägen aber unter den von der Klägerin in ihre Berechnung eingestellten Einheitspreisen. Die Preisregelung sei im Einzelnen im Rahmen mehrfacher Gespräche individuell ausgehandelt worden, so dass schon keine Allgemeine Geschäftsbedingung vorliege. Jedenfalls sei ein von vorne herein variabler Preis vereinbart worden, so dass die Preisänderungsklausel die Preishauptabrede darstelle. Die Regelung unter Ziffer 5.1 stelle lediglich informativ zu einem Stichtag Preise fest, sei aber nie Vertragsgegenstand geworden sei, zumal am 01.10.2004 - unstreitig - bereits ein anderer Arbeitspreis gegolten habe. Selbst wenn aber eine Allgemeine Geschäftsbedingung vorläge, sei diese nicht unangemessen. Die vorgesehene Bindung an den Ölpreis habe für den Verbraucher auch Vorteile gebracht, weil ansonsten zu vereinbarende Risikozuschläge in früheren Zeiten zu höheren Preisen geführt hätten, obwohl der Ölpreis gar nicht gestiegen sei. Unabhängig davon sei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nicht auf Unternehmen zu übertragen, weil diese Planungssicherheit benötigten und für diese deshalb kalkulierbar und klar sein müsse, wie sich der Preis in der Zukunft gestalte. Nicht zuletzt sei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte jahrelang den Preisänderungen nie widersprochen und immer ohne Beanstandung Zahlung geleistet habe. Zwar habe der Bundesgerichtshof in den maßgeblichen Entscheidungen für Privatkunden diesen Umstand als unbeachtlich beurteilt. Im unternehmerischen Verkehr habe aber Schweigen anerkanntermaßen durchaus Bedeutung. Letztlich komme es hierauf aber nicht an, weil nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 14.03.2012, VIII ZR 113/11) eine ergänzende Vertragsauslegung dahin vorzunehmen sei, dass in derartigen Fällen die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen nur für den Zeitraum geltend gemacht werden kann, der drei Jahre nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung liege. Nach diesen Grundsätzen habe die Klägerin die Arbeitspreise des zweiten Quartals 2007 und früher akzeptiert und könne diese deshalb auch nicht mehr beanstanden, da die entsprechend maßgebliche Monatsrechnung vom 10.05.2007 stamme, die Klägerin ihre Beanstandungen aber erstmals am 17.06.2010 vorgebracht habe. Die Arbeitspreise im zweiten Halbjahr 2007 lägen aber alle - unstreitig - niedriger. Zu bedenken sei schließlich auch noch, ob nicht durch die Zusatzvereinbarung (B 2) eine individuelle Preisvereinbarung getroffen worden sei, so dass spätestens ab diesem Zeitpunkt keine Allgemeine Geschäftsbedingung mehr vorläge.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
10 
Die Klage ist unbegründet.
1.
11 
Es kann offenbleiben, ob die Preisvereinbarung zwischen den Parteien individuell ausgehandelt wurde oder nicht.
2.
12 
Denn die beanstandete Preisänderungsklausel stellt selbst die vertragliche Preisabrede dar.
a)
13 
Formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der Hauptleistung oder der hierfür zu erbringenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 ff BGB ausgeschlossen. Nicht überprüfbar sind auch solche Klauseln, die den Preis bei Vertragsschluss zwar nicht unmittelbar beziffern, jedoch die für die Ermittlung des Preises maßgeblichen Bewertungsfaktoren und das hierbei einzuhaltende Verfahren festlegen. Überprüfbar sind dagegen Preisnebenabreden, also solche, die sich mittelbar auch auf den Preis auswirken und welche gegebenenfalls durch dispositives Gesetzesrecht ersetzbar wären. Solche Klauseln weichen von dem Grundsatz ab, nach dem die Preisvereinbarung der Parteien bei Vertragsschluss für die gesamte Vertragsdauer bindend ist, weshalb sie einer Inhaltskontrolle unterworfen sind (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2010, VIII ZR 178/08, RN 18ff.). Ein von vorneherein für die Vertragsdauer vereinbarter variabler Preis unterliegt demgemäß nicht der Inhaltskontrolle, während ein bei Vertragsschluss vereinbarter Vertragspreis, der im Laufe der Vertragsdauer der Anpassung unterliegen soll, auf seine Angemessenheit überprüft werden kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28.10.2010, 2 U 60/10 - Anlage K 6 - Seite 9).
14 
Nach diesen Grundsätzen ist die beanstandete Preisänderungsklausel als eine einer Inhaltskontrolle nicht unterliegende Preishauptklausel zu bewerten.
15 
Der unter Ziffer 5.1 bezifferte Arbeitspreis stellt keinen vereinbarten Vertragspreis dar, auch wenn bei Vertragsabschluss im Juli 2004 dieser Arbeitspreis für etwaige Lieferungen maßgeblich gewesen wäre. Nach dem Willen beider Parteien sollte der Vertrag aber frühestens zum 01.10.2004 in Kraft treten, zu einem Zeitpunkt also, in dem nach Ziffer 5.2.2 des Vertrages auf jeden Fall ein anderer Arbeitspreis gelten sollte und auch galt. Zudem ist der unter Ziffer 5.1 bezifferte Preis ausdrücklich so beschrieben, dass er selbst schon das Ergebnis der Preisänderungsbestimmungsklausel der Ziffer 5.2 darstellt. Es war also von Anfang an nie ein fester Preis vereinbart, der sich später ändern sollte, vielmehr war von Anfang an ein variabler Preis vereinbart. Dies stellt einen deutlichen und entscheidenden Unterschied zu dem vom Oberlandesgericht Hamm (a.a.O.) beurteilten Fall dar - dort erfolgte die Lieferung im März zu dem im Vertrag benannten, nicht auf eine Berechnungsformel verweisenden Preis, die erste Änderung wurde zum 1.4. mitgeteilt, die im Mai beanstandet wurde.
16 
Die Klägerin beanstandet somit einen Faktor dieser preislichen Hauptabrede, der einer Inhaltskontrolle aber nicht unterliegt.
c)
17 
In vergleichbarer Weise haben diverse Landgerichte (B 5, B 7 bis B 9) entschieden, auch wenn in jenen Fällen jeweils offensichtlich überhaupt nie ein konkreter Preis im Vertrag benannt ist. Vorliegend ist dies zwar beispielhaft unter Ziffer 5.1 erfolgt, ohne dass dies für die eigentliche vertragliche Regelung aber eine Bedeutung gehabt hätte.
3.
18 
Unabhängig davon stünden der Klägerin selbst dann, wenn vom Vorliegen einer Allgemeinen Geschäftsbedingung auszugehen wäre, wegen der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung für das Jahr 2007 keine Ansprüche zu.
a)
19 
Nach der genannten Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 14.03.2012, VIII ZR 113/11, Anlage B 11) ist von einer nicht mehr hinnehmbaren Störung des Vertragsgefüges auszugehen, wenn ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis vorliegt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht. In derartigen Fällen ist eine ergänzende Vertragsauslegung geboten. Der Kunde kann die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Denn die Parteien hätten, wie der Bundesgerichtshof annimmt, dann, wenn sie erkannt hätten, dass die Wirksamkeit der vereinbarten Preisanpassungsklausel unsicher war, jedenfalls eine Regelung vereinbart, nach der es ausgeschlossen ist, nach einem längeren Zeitraum die Unwirksamkeit von Preisanpassungen geltend zu machen, die zuvor nicht in Frage gestellt worden sind.
b)
20 
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass keine Ansprüche der Klägerin bestünden. Zwar wurden vorliegend keine Jahresabrechnungen, sondern Monatsabrechnungen erstellt. Denn der Bundesgerichtshof hat auf die Dreijahresfrist und darauf abgestellt, dass die in den Jahresabrechnungen enthaltenen Preiserhöhungen Jahr für Jahr aufeinander aufbauen und daher nicht unvertretbar lange mit Unsicherheiten behaftet sein dürfen. Der Verbraucher weiß dann, mit welchen Kosten er zu rechnen hat um hiernach sein Verbrauchsverhalten und gegebenenfalls auch die Wahl des Energieversorgers auszurichten. Vor diesem Hintergrund macht es keinen Unterschied, ob ein (Klein-) Verbraucher Jahresabrechnungen erhält oder aber ein - wie hier - (Groß-) Verbraucher Monatsabrechnungen empfängt. In beiden Fällen weiß der Abnehmer um die Preisänderungen und hat Gelegenheit, sich auf diese einzustellen und gegebenenfalls eben darauf zu reagieren. Unstreitig hat die Klägerin die Arbeitspreise aus dem vierten Quartal 2006 in Höhe von 4,5308 Cent je kWh im Januar 2007 erhalten (B 13), sie hat diesen nicht widersprochen. Erhalten hat sie auch die Monatsrechnung vom 10.05.2007 für April 2007, mit einem Arbeitspreis von 3,9016 Cent je kWh (B 12). Da ihre Beanstandung erstmals am 17.06.2010 erfolgte, ist sie gehindert, Preiserhöhungen anzugreifen, die sie vor diesem Zeitpunkt akzeptiert hat. Die Arbeitspreise bis 30.04.2007 wurden der Klägerin mitgeteilt, die in den späteren Monaten berechneten Arbeitspreise waren gleich hoch oder niedriger. Alle Arbeitspreise des Jahres 2007 waren niedriger als der akzeptierte Arbeitspreis des vierten Quartals 2006.
c)
21 
Es kommt deshalb nicht darauf an, ob für die Klägerin als Unternehmerin nicht möglicherweise noch eine kürzere Frist anzusetzen ist, innerhalb derer Beanstandungen hätten erfolgen müssen. Dies macht die Beklagte mit guten Gründen geltend.
4.
22 
Dahinstehen kann deshalb auch,
23 
- ob bei der Beurteilung der Unangemessenheit wegen der Bezugnahme auf den Ölpreis andere Maßstäbe gelten müssen als in den von der Klägerin in Bezug genommenen, sich auf Privatverbraucher beziehenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, weil die Klägerin Unternehmerin ist;
24 
- ob das Schweigen auf die jeweiligen Monatsabrechnungen mit den darin enthaltenen Preisänderungen im unternehmerischen Verkehr anders zu werten wäre,
25 
- ob die Vereinbarung über den Nachlass (B 1) eine individuelle (Gesamt-) Preisabrede darstellt.
5.
26 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Gründe

 
10 
Die Klage ist unbegründet.
1.
11 
Es kann offenbleiben, ob die Preisvereinbarung zwischen den Parteien individuell ausgehandelt wurde oder nicht.
2.
12 
Denn die beanstandete Preisänderungsklausel stellt selbst die vertragliche Preisabrede dar.
a)
13 
Formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der Hauptleistung oder der hierfür zu erbringenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 ff BGB ausgeschlossen. Nicht überprüfbar sind auch solche Klauseln, die den Preis bei Vertragsschluss zwar nicht unmittelbar beziffern, jedoch die für die Ermittlung des Preises maßgeblichen Bewertungsfaktoren und das hierbei einzuhaltende Verfahren festlegen. Überprüfbar sind dagegen Preisnebenabreden, also solche, die sich mittelbar auch auf den Preis auswirken und welche gegebenenfalls durch dispositives Gesetzesrecht ersetzbar wären. Solche Klauseln weichen von dem Grundsatz ab, nach dem die Preisvereinbarung der Parteien bei Vertragsschluss für die gesamte Vertragsdauer bindend ist, weshalb sie einer Inhaltskontrolle unterworfen sind (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2010, VIII ZR 178/08, RN 18ff.). Ein von vorneherein für die Vertragsdauer vereinbarter variabler Preis unterliegt demgemäß nicht der Inhaltskontrolle, während ein bei Vertragsschluss vereinbarter Vertragspreis, der im Laufe der Vertragsdauer der Anpassung unterliegen soll, auf seine Angemessenheit überprüft werden kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28.10.2010, 2 U 60/10 - Anlage K 6 - Seite 9).
14 
Nach diesen Grundsätzen ist die beanstandete Preisänderungsklausel als eine einer Inhaltskontrolle nicht unterliegende Preishauptklausel zu bewerten.
15 
Der unter Ziffer 5.1 bezifferte Arbeitspreis stellt keinen vereinbarten Vertragspreis dar, auch wenn bei Vertragsabschluss im Juli 2004 dieser Arbeitspreis für etwaige Lieferungen maßgeblich gewesen wäre. Nach dem Willen beider Parteien sollte der Vertrag aber frühestens zum 01.10.2004 in Kraft treten, zu einem Zeitpunkt also, in dem nach Ziffer 5.2.2 des Vertrages auf jeden Fall ein anderer Arbeitspreis gelten sollte und auch galt. Zudem ist der unter Ziffer 5.1 bezifferte Preis ausdrücklich so beschrieben, dass er selbst schon das Ergebnis der Preisänderungsbestimmungsklausel der Ziffer 5.2 darstellt. Es war also von Anfang an nie ein fester Preis vereinbart, der sich später ändern sollte, vielmehr war von Anfang an ein variabler Preis vereinbart. Dies stellt einen deutlichen und entscheidenden Unterschied zu dem vom Oberlandesgericht Hamm (a.a.O.) beurteilten Fall dar - dort erfolgte die Lieferung im März zu dem im Vertrag benannten, nicht auf eine Berechnungsformel verweisenden Preis, die erste Änderung wurde zum 1.4. mitgeteilt, die im Mai beanstandet wurde.
16 
Die Klägerin beanstandet somit einen Faktor dieser preislichen Hauptabrede, der einer Inhaltskontrolle aber nicht unterliegt.
c)
17 
In vergleichbarer Weise haben diverse Landgerichte (B 5, B 7 bis B 9) entschieden, auch wenn in jenen Fällen jeweils offensichtlich überhaupt nie ein konkreter Preis im Vertrag benannt ist. Vorliegend ist dies zwar beispielhaft unter Ziffer 5.1 erfolgt, ohne dass dies für die eigentliche vertragliche Regelung aber eine Bedeutung gehabt hätte.
3.
18 
Unabhängig davon stünden der Klägerin selbst dann, wenn vom Vorliegen einer Allgemeinen Geschäftsbedingung auszugehen wäre, wegen der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung für das Jahr 2007 keine Ansprüche zu.
a)
19 
Nach der genannten Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 14.03.2012, VIII ZR 113/11, Anlage B 11) ist von einer nicht mehr hinnehmbaren Störung des Vertragsgefüges auszugehen, wenn ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis vorliegt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht. In derartigen Fällen ist eine ergänzende Vertragsauslegung geboten. Der Kunde kann die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Denn die Parteien hätten, wie der Bundesgerichtshof annimmt, dann, wenn sie erkannt hätten, dass die Wirksamkeit der vereinbarten Preisanpassungsklausel unsicher war, jedenfalls eine Regelung vereinbart, nach der es ausgeschlossen ist, nach einem längeren Zeitraum die Unwirksamkeit von Preisanpassungen geltend zu machen, die zuvor nicht in Frage gestellt worden sind.
b)
20 
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass keine Ansprüche der Klägerin bestünden. Zwar wurden vorliegend keine Jahresabrechnungen, sondern Monatsabrechnungen erstellt. Denn der Bundesgerichtshof hat auf die Dreijahresfrist und darauf abgestellt, dass die in den Jahresabrechnungen enthaltenen Preiserhöhungen Jahr für Jahr aufeinander aufbauen und daher nicht unvertretbar lange mit Unsicherheiten behaftet sein dürfen. Der Verbraucher weiß dann, mit welchen Kosten er zu rechnen hat um hiernach sein Verbrauchsverhalten und gegebenenfalls auch die Wahl des Energieversorgers auszurichten. Vor diesem Hintergrund macht es keinen Unterschied, ob ein (Klein-) Verbraucher Jahresabrechnungen erhält oder aber ein - wie hier - (Groß-) Verbraucher Monatsabrechnungen empfängt. In beiden Fällen weiß der Abnehmer um die Preisänderungen und hat Gelegenheit, sich auf diese einzustellen und gegebenenfalls eben darauf zu reagieren. Unstreitig hat die Klägerin die Arbeitspreise aus dem vierten Quartal 2006 in Höhe von 4,5308 Cent je kWh im Januar 2007 erhalten (B 13), sie hat diesen nicht widersprochen. Erhalten hat sie auch die Monatsrechnung vom 10.05.2007 für April 2007, mit einem Arbeitspreis von 3,9016 Cent je kWh (B 12). Da ihre Beanstandung erstmals am 17.06.2010 erfolgte, ist sie gehindert, Preiserhöhungen anzugreifen, die sie vor diesem Zeitpunkt akzeptiert hat. Die Arbeitspreise bis 30.04.2007 wurden der Klägerin mitgeteilt, die in den späteren Monaten berechneten Arbeitspreise waren gleich hoch oder niedriger. Alle Arbeitspreise des Jahres 2007 waren niedriger als der akzeptierte Arbeitspreis des vierten Quartals 2006.
c)
21 
Es kommt deshalb nicht darauf an, ob für die Klägerin als Unternehmerin nicht möglicherweise noch eine kürzere Frist anzusetzen ist, innerhalb derer Beanstandungen hätten erfolgen müssen. Dies macht die Beklagte mit guten Gründen geltend.
4.
22 
Dahinstehen kann deshalb auch,
23 
- ob bei der Beurteilung der Unangemessenheit wegen der Bezugnahme auf den Ölpreis andere Maßstäbe gelten müssen als in den von der Klägerin in Bezug genommenen, sich auf Privatverbraucher beziehenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, weil die Klägerin Unternehmerin ist;
24 
- ob das Schweigen auf die jeweiligen Monatsabrechnungen mit den darin enthaltenen Preisänderungen im unternehmerischen Verkehr anders zu werten wäre,
25 
- ob die Vereinbarung über den Nachlass (B 1) eine individuelle (Gesamt-) Preisabrede darstellt.
5.
26 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. Dezember 2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Halle teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ... € nebst Zinsen hierauf in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. März 2011 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Beklagten und die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil werden zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin zu 72,4 % und die Beklagte zu 27,6 % zu tragen; die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 56,7 % und der Beklagten zu 43,3 % auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Gründe

A.

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten teils aus eigenem, teils aus abgetretenem Recht die Rückzahlung von Entgelten für Gaslieferungen im Zeitraum vom 01.10.2005 bis zum 31.12. 2007 aufgrund von Preiserhöhungen, die sie für unwirksam hält.

2

Die Klägerin ist ein Unternehmen, welches Geflügelfarmen betreibt. Im vorgenannten Zeitraum setzte sie für die Beheizung zweier Produktionsstandorte in T. und L. Erdgas als Energieträger ein, das ihr eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, die E. GmbH (künftig: die Beklagte), als Gasversorgerin lieferte.

3

Hinsichtlich des Produktionsstandorts der Klägerin in T. – Abnahmestelle Nr. ... – erfolgte die Belieferung auf der Grundlage eines Gaslieferungsvertrages vom 13.08.1996, der von den Vertragsparteien am 26./27.05.1997 unterzeichnet worden war. Der Vertrag enthielt in seinem Haupttext unter Ziffer 0.2 „Gaspreis“ lediglich die Regelung, dass ein Entgelt nach den Bestimmungen der Anlage 3 zu zahlen sei. Vertragsbestandteile waren u.a. die Anlagen 1 und 3. Anlage 1 enthielt unter Abschnitt 1.10. Regelungen zur Abrechnung und Zahlung. Danach war eine monatliche Abrechnung, und zwar jeweils am Anfang eines Monats für den jeweiligen Vormonat, vorgesehen. In Ziffer 1.10.3 hieß es:

4

„Einwände gegen Rechnungen berechtigen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, soweit sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen. Der Zahlungsaufschub oder die Zahlungsverweigerung können in diesem Falle nur innerhalb von zwei Jahren nach Zugang der fehlerhaften Rechnung geltend gemacht werden.“

5

In Anlage 3 waren Einzelheiten der sog. Zonenpreisregelung des Gaspreises enthalten. Unter 3.1 wurde eine Abrechnung der gelieferten Gasmengen nach ihrem thermischen Brennwert in Kilowattstunden je Kubikmeter vereinbart. Unter 3.2 folgte eine Regelung zum Gaspreis; darin hieß es:

6

„3.2.1 Der Preis für die im Rechnungsjahr gelieferten Gasmengen beträgt

7

für die ersten

  

1.000.000 kWh

  

… Pf/kWh

für die nächsten

  

4.000.000 kWh

  

… Pf/kWh

für die nächsten

  

12.000.000 kWh

  

… Pf/kWh

für die nächsten

  

34.000.000 kWh

  

… Pf/kWh

für alle weiteren

  

kWh   

  

… Pf/kWh.

8

3.2.2 Für die monatliche Abrechnung werden mit Beginn des Rechnungsjahres die einzelnen Preiszonen entsprechend der im Jahr fortschreitenden Lieferung nacheinander angewendet.

9

3.2.3 Der Kunde hat jährlich mindestens 4,9 Mio. kWh zu bezahlen. …“

10

Der Abschnitt 3.3 war mit „Änderung des Gaspreises“ überschrieben. Der Abschnitt enthielt Regelungen, die eine möglichst unveränderte Bindung des Arbeitspreises für geliefertes Erdgas an den Preis für leichtes Heizöl (künftig: HEL) gewährleisten sollten (vgl. Ziffer 3.3.4 Unterabs. 2), zudem sollte die Lohnentwicklung bei der Lieferantin einschließlich aller tarifvertraglichen und gesetzlichen Nebenleistungen Berücksichtigung finden (vgl. Ziffer 3.3.6 Unterabs. 3). Zur Änderung des Gaspreises hieß es u.a.:

11

„3.3.1 Die in 3.2 genannten Zonenpreise ermäßigen oder erhöhen sich nach der Formel

12

B =

 

0,091 (HEL – 38,66) + 0,000079 (L-2,674,54) Pf/kWh,
wenn HEL-Werte von 38,66 und größer zur Abrechnung kommen

bzw. nach der Formel

B =

 

0,062 (HEL – 38,66) + 0,000079 (L-2,674,54) Pf/kWh,
wenn HEL-Werte kleiner als 38,66 zur Abrechnung kommen. …

13

3.3.3 Der Gaspreis ändert sich – soweit abhängig von HEL – mit Wirkung vom 01. Januar, 01. April, 01. Juli und 01. Oktober eines jeden Jahres. …

14

3.3.7 Der Gaspreis ändert sich – soweit abhängig von L – mit Wirkung vom ersten Tag des der Lohnänderung folgenden Monats. …

15

3.3.9 Die Vertragsschließenden gehen davon aus, dass die Preisänderungsklausel die Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt für den Erdgassektor zutreffend wiedergibt. Sollte dies nicht der Fall sein, so sind entsprechend anderweitige Vereinbarungen über eine angemessene Preisänderungsklausel zu treffen. …“

16

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gaslieferungsvertrages vom 13.08.1996 (vgl. Anlage K 1) Bezug genommen.

17

Hinsichtlich des Produktionsstandorts der Klägerin in L. – Abnahmestelle Nr. ... – erfolgte die Belieferung auf der Grundlage eines Gaslieferungsvertrages, der am 22.08. / 17.09.1997 unterzeichnet worden war und der bezüglich der vorzitierten Regelungen wortidentische Klauseln – mit Ausnahme des Betrages der jährlichen Mindestabnahmemenge – enthielt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gaslieferungsvertrages vom 22.08. / 17.09.1997 (vgl. Anlage K 2) Bezug genommen. Beide Gaslieferungsverträge waren ursprünglich zeitlich befristet; sie verlängerten sich durch Nichtausübung des Kündigungsrechts.

18

Die Vertragsverhältnisse bestanden im streitgegenständlichen Zeitraum fort; auf der Grundlage der zitierten Regelungen zur Änderung des Gaspreises wurden wiederholt Erhöhungen des Gas-Arbeitspreises je kWh vorgenommen. Auf Verlangen der Klägerin und nach Verhandlungen wurden die Lieferungsverträge mehrfach zugunsten der Klägerin geändert, insbesondere auch durch Gewährung eines sukzessiv zunehmenden Nachlasses beim Arbeitspreis zunächst nur bei jährlichen Liefermengen von mehr als sieben Mio. kWh, später durch einen Rabatt auf alle Zonenpreise. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen B 1 bis B 9 Bezug genommen.

19

Mit zwei Schreiben vom 21.12.2004 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin jeweils Erhöhungen des Gaspreises in den Lieferverhältnissen zu den Abnahmestellen in T. und L. an. Die Klägerin widersprach den Erhöhungen jeweils mit Schreiben vom 23.12.2004 unter Verweis auf die Unbilligkeit der beabsichtigten Gaspreiserhöhungen. Bei nachfolgenden Ankündigungen der Beklagten zur Änderung des Gaspreises wiederholte die Klägerin ihren Widerspruch mit den Schreiben vom 10.11.2006, 01.03.2007 und 21.02.2008 (vgl. Anlagen K 8 und K 9).

20

Die Beklagte erstellte ihre Abrechnungen auf der Grundlage der von ihr berechneten Gaspreise; wegen der Einzelheiten der Abrechnungen der Beklagten gegenüber der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2007 wird auf das Anlagenkonvolut B 15 Bezug genommen. Die Klägerin beglich die Rechnungen.

21

Die Beklagte belieferte u.a. in den Jahren 2006 und 2007 eine weitere Geflügelfarm mit Erdgas, und zwar eine Betriebsstätte in G. als Abnahmestelle Nr. ... . Die Gasversorgung dieses Standorts erfolgte auf der Grundlage des Gaslieferungsvertrages vom 17. / 25.09.2003. Der Vertrag war ursprünglich mit der Unternehmung D. GmbH geschlossen und mit Vereinbarung vom 19.01.2007, rückwirkend ab dem 01.01.2007, mit allen Rechten und Pflichten auf die Unternehmung S. GmbH übergeleitet worden. Die vertraglichen Regelungen zum Gaspreis im Hauptvertrag, dort unter Ziffer 0.2, sind wortidentisch; Gleiches trifft für die Klauseln in Anlage 1, dort Abschnitt 1.10, zu. Die Anlage 3 zum Vertrag weist dieselbe Struktur auf, wie bei den beiden vorgenannten Gaslieferungsverträgen für die Abnahmestellen in T. und L. . In Ziffer 3.2.1 sind Zonenpreise in gleicher Staffelung, jedoch anderen Preisbeträgen aufgeführt; die Regelung ist ergänzt um folgenden Zusatz:

22

„Die genannten Preise sind Basis-Preise. Die derzeit gültigen Preise ergeben sich aus der Anwendung der Preisänderungsbestimmungen der Anlage 3 zum Gaslieferungsvertrag. Darüber hinaus handelt es sich um Netto-Preise, also Preise exklusiv Mineralöl- und Umsatzsteuer.“

23

Die Klauseln in 3.3.1, 3.3.3, 3.3.7 und 3.3.9 sind wiederum wortidentisch mit Ausnahme der Zahlenwerte in den beiden Formeln in Ziffer 3.3.1 – der Schwellenwert betrug danach 19,77. Auch im Hinblick auf die Abnahmestätte in G. wurden zwischen den Vertragsparteien nachträgliche Vertragsänderungen u.a. in Gestalt von Nachlässen auf den Arbeitspreis vereinbart. Die jeweiligen Vertragspartner widersprachen den von der Beklagten vorgenommenen Preisanpassungen auf der Grundlage der Regelungen in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 des Vertrages zu keinem Zeitpunkt.

24

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.12.2010 forderte die Klägerin die Beklagte zur Rückzahlung überhöhter Lieferentgelte für die Abnahmestellen T. und L. für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2007 sowie für die Abnahmestelle G. für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2007 in Höhe von insgesamt ... € netto zzgl. Mehrwertsteuer auf. Auf Nachfrage legte sie eine Abtretungsvereinbarung vom 22. / 28.02.2011 zwischen der S. GmbH als Zedentin und ihr als Zessionarin vor, wonach sie alle Rückforderungsansprüche gegen die Beklagte aus dem Gaslieferungsvertrag vom 17. / 25.09.2003 erworben hatte.

25

Mit ihrer am 19.03.2011 erhobenen Klage hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch in Höhe von ... € nebst Prozesszinsen geltend gemacht. Der Anspruch setzt sich wie folgt zusammen:

26

Abnahmestelle T.

01.01.2005 – 31.12.2005

        

… €

01.01.2006 – 31.12.2006

        

… €

01.01.2007 – 31.12.2007

        

… €

Zwischensumme:

        

… €

Abnahmestelle L.

01.01.2005 – 31.12.2005

        

… €

01.01.2006 – 31.12.2006

        

… €

01.01.2007 – 31.12.2007

        

… €

Zwischensumme:

        

… €

Abnahmestelle G.

01.01.2006 – 31.12.2006

        

… €

01.01.2007 – 31.12.2007

        

… €

Zwischensumme:

        

… €

27

Wegen der Einzelheiten wird auf die tabellarische Darstellung in den Anlagen K 6 und K 7 Bezug genommen.

28

Die Beklagte hat die Wirksamkeit der Preisänderungsklausel verteidigt und sich insbesondere darauf berufen, dass es sich um individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen handele.

29

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich eines Anspruchs auf (teilweise) Rückzahlung der Entgelte für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis zum 31.12.2007 hinsichtlich aller drei Abnahmestellen in Höhe von ... € nebst Prozesszinsen stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil es von einer Verjährung der weitergehenden Forderungen ausgegangen ist.

30

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin als Berufungsklägerin I. Sie hat gegen das ihr am 23.12.2011 zugestellte Urteil mit einem am 17.01.2012 beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung mit einem am 20.02.2012 eingegangenen Schriftsatz begründet. Mit ihrer Berufung verfolgt sie die ursprüngliche Klageforderung für die Abnahmestelle G. für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.11.2006 weiter. (Soweit in der Berufungsbegründung ein Zeitraum, beginnend am 01.01.2005, benannt ist, ergibt sich sowohl aus dem Betrag als auch aus der verbalen Begründung und dem Prozessverlauf, dass keine Klageerweiterung gewollt ist und es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt.)

31

Die Beklagte hat als Berufungsklägerin II gegen das ihr am 05.01.2012 zugestellte Urteil mit einem am 26.01.2012 beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen Schriftsatz ihr Rechtsmittel eingelegt und dieses innerhalb der bis zum 19.03.2012 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet. Sie wendet sich gegen die Zuerkennung des Rückzahlungsanspruchs dem Grunde nach und meint insbesondere, dass die Preisänderungsregelungen Individualvereinbarungen seien, welche einer Klauselkontrolle nicht zugänglich seien. Hilfsweise seien sie als nicht kontrollfähige Preishauptabreden zu bewerten. Äußerst hilfsweise vertritt sie die Auffassung, dass es sich um zulässige Spannungsklauseln handele. Selbst wenn die Preisregelungen unwirksam seien, sei die so entstehende Lücke im Vertrag durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Schließlich meint sie, dass auch etwaige Rückzahlungsansprüche der Klägerin gegen sie im Hinblick auf Entgelte aus dem Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 30.11.2006 bereits verjährt seien.

32

Die Klägerin beantragt,

33

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere ... € zu zahlen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

34

Die Beklagte beantragt,

35

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

36

Der Senat hat am 26.10.2012 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls Bezug genommen.

B.

37

Beide Berufungen sind zulässig; insbesondere sind sie jeweils form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

38

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung von Entgelten für Gaslieferungen an die Abnahmestellen in T. und L. hat. Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Beklagten im Berufungsverfahren sind unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist jedoch erfolgreich hinsichtlich der Abnahmestelle G.; dort wurden Einwendungen gegen die Abrechnungen der Gaslieferungen in den Jahren 2006 und 2007 anders, als das Landgericht gemeint hat, nicht rechtzeitig geltend gemacht. Aus diesem Grunde ist die Berufung der Klägerin unbegründet. Die Feststellungen des Landgerichts zur Höhe der bereicherungsrechtlichen Einzelansprüche sind im Berufungsverfahren nicht angegriffen worden.

39

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung von Entgelten für die Gaslieferungen an die Abnahmestellen unter Nr. ... in T. und unter Nr. ... in L. nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Dieser Anspruch besteht jedenfalls für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis zum 31.12.2007, hinsichtlich dessen das Landgericht die Beklagte zur Rückzahlung verurteilt hat. Die Beklagte hat von der Klägerin Zahlungen auf die von ihr für Gaslieferungen in diesem Zeitraum erstellten Rechnungen erhalten; diese Zahlungen waren zur Erfüllung der Leistungspflichten in den Gaslieferungsverträgen geleistet worden. Hinsichtlich der ab 01.01.2005 vorgenommenen Gaspreiserhöhungen erfolgten die Zahlungen der Klägerin ohne Rechtsgrund, denn die in beiden Gaslieferungsverträgen enthaltene Klausel zur Änderung der Gaspreise war unwirksam.

40

1. Auf beide streitgegenständlichen Vertragsverhältnisse ist das BGB in seiner Neufassung durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB), d.h. auch die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB anstelle des AGBG. Bei den Gaslieferungsvertragsverhältnissen handelt es sich jeweils um Dauerschuldverhältnisse. Soweit in jedem der beiden Verträge eine anfängliche Vertragsfrist bestimmt worden ist, hat diese im Hinblick auf die gleichzeitig vorgesehene automatische Vertragsverlängerung bei Nichtausübung des Kündigungsrechts durch eine der Vertragsparteien nur den Charakter einer Mindestlaufzeit der insgesamt unbefristeten Verträge.

41

2. Die in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 zu den Gaslieferungsverträgen vom 13.08.1996, unterzeichnet am 26./27.05.1997 (künftig: Vertrag T.), und vom 22.08./17.09.1997 (künftig: Vertrag L.) enthaltene Regelung ist jeweils durch entsprechende Verweise auf die Anlagen im Hauptvertrag (vgl. Ziffer 0.8 in allgemeiner Form und Ziffer 0.2 konkret für die Preisbestimmung) Vertragsbestandteil geworden. Sie enthält sowohl nach ihrem objektiven Erklärungswert als auch nach der übereinstimmenden Auffassung beider Prozessparteien kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten als Lieferantin i.S. von § 315 Abs. 1 BGB, deren Ausübung nach Abs. 3 dieser Rechtsvorschrift einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterläge, sondern mit dieser Klausel sind konkrete Berechnungsfaktoren für Preisanpassungen während der Durchführung des unbefristeten Vertragsverhältnisses vereinbart worden.

42

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die vorgenannte Vertragsklausel zur Preisänderung in beiden Verträgen, die jeweils Sonderkundenverträge sind, rechtlich nicht als eine Individualvereinbarung, sondern als eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S. von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB zu bewerten.

43

a) Die Prozessparteien gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass die jeweils in Anlage 3 zu den Gaslieferungsverträgen enthaltenen Vertragsbedingungen von der Beklagten als Lieferantin für eine Vielzahl von Sonderkundenverträgen vorformuliert und im Rahmen der streitgegenständlichen Vertragsverhältnisse gestellt worden sind.

44

b) Nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB liegt eine – der Inhaltskontrolle unterworfene – Allgemeine Geschäftsbedingung gleichwohl nicht vor, soweit die Vertragsbedingung zwischen den Vertragsparteien individuell ausgehandelt worden ist. Der Ausschluss der Inhaltskontrolle setzt ein wirkliches Verhandeln voraus, was insbesondere bedeutet, dass der Verwender der vorformulierten Vertragsbedingung den gesetzesfremden Kerngehalt seiner Allgemeinen Geschäftsbedingung inhaltlich ernstlich zur Disposition stellen und dem anderen Vertragsteil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen muss (vgl. nur Grüneberg in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 305 BGB Rn. 20 m.w.N.). Dies trifft hier weder im Hinblick auf die Struktur der Anlage 3 noch für den Inhalt der Preisänderungsregeln zu.

45

aa) Bereits nach dem Wortlaut der Vertragsbedingungen, insbesondere nach den Formulierungen in den Ziffern 3.3.4 Unterabs. 2, 3.3.6 Unterabs. 3 und 3.3.9, sollte die Bindung des Arbeitspreises für geliefertes Erdgas an den Preis für leichtes Heizöl und an die Lohnentwicklung bei der Lieferantin „möglichst unverändert“ gewährleistet sein. Für den Fall der Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen in Abschnitt 3.3 war eine ergänzende Vereinbarung vorgesehen, welche eine Preisanpassung in funktional gleicher Weise sicherstellt.

46

bb) Auch unter Berücksichtigung der Angaben der Beklagten zum Verlauf der Vertragsverhandlungen ist nicht feststellbar, dass etwa die Abrechnung der Lieferungen nach dem thermischen Brennwert gemäß Abschnitt 3.1 oder die Beträge der Zonennettopreise in Abschnitt 3.2 verhandelbar gewesen wären. Gleiches trifft auf die von der Beklagten vorgegebenen Berechnungsfaktoren und die Formel der Preisänderung in Bindung an den HEL-Preis und die Lohnentwicklung zu. Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich ohne Weiteres entnehmen, dass sie auf jeden Fall die Preisbindung an die für repräsentativ für die Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt erachtete Entwicklung des HEL-Preises (vgl. Ziffer 3.3.9) zum Vertragsinhalt machen wollte. Die vorgegebenen Berechnungsfaktoren der Preisanpassung sind ein zentrales Element der Preisregelungen aus Sicht der Beklagten; sie haben eine weitaus größere Bedeutung als die Regelungen z. Bsp. zu den Folgen von Zahlungsverzögerungen oder auch zu den Anfangspreisen. Für einen auf die Beibehaltung des vorgegebenen Anpassungsmechanismus´ gerichteten Geschäftswillen sprechen auch objektive Umstände. So wäre insbesondere eine auch nur teilweise Abänderung der Berechnungsfaktoren des Gaspreises gegenüber der Klägerin für die Beklagte mit einem deutlich erhöhten Abrechnungsaufwand verbunden gewesen, der nur durch die zwingende Vorgabe derselben Berechnungsfaktoren in allen Sonderkundenverträgen vermieden werden konnte.

47

cc) Soweit die Beklagte der Klägerin im Rahmen von Vertragsverhandlungen Zugeständnisse bei den Preisregelungen gemacht hat, betreffen diese gerade nicht die Berechnungsfaktoren von Preisänderungen, sondern sind jeweils lediglich auf eine Ergebniskorrektur gerichtet. Der geänderte Arbeitspreis sollte danach weiter nach den vertraglich vorgegebenen Anpassungsfaktoren berechnet und erst danach durch individuell ausgehandelte Preisnachlässe (hier in den Vereinbarungen vom 08.09.1998, vom 19.04.2000, vom 14.08.2000 und vom 02.05.2005) oder Zahlungsgutschriften (hier vom 09.11.2000) verringert werden. Ebenso stellen die Verlängerung der Zahlungsfrist zugunsten der Klägerin im Vertragsverhältnis T. (durch Vereinbarung vom 21.10.1996) sowie die Modifizierung der Haftungsregelungen zugunsten der Klägerin im Vertragsverhältnis L. (durch Vereinbarung vom 22.07.1997), auf die sich die Beklagte jeweils berufen hat, keine Vereinbarungen dar, welche darauf schließen ließen, dass die Beklagte auch die Regelungen der Preisänderungsklausel zur Disposition gestellt hatte.

48

4. Eine Inhaltskontrolle der vorgenannten Vertragsklauseln ist bereits wegen des subjektiven Anwendungsbereiches der §§ 305 ff BGB auf die Vorgaben des § 307 BGB beschränkt. Die Vorschriften der §§ 308 und 309 BGB sind nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB nicht anwendbar, weil es sich bei der Klägerin als Vertragspartnerin der Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen um ein Unternehmen i.S. von § 14 BGB handelt.

49

5. Die wortidentischen Regelungen in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 zu beiden Gaslieferungsverträgen halten, wie das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt hat, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand und sind daher unwirksam.

50

a) Der sachliche Anwendungsbereich des § 307 BGB ist eröffnet, insbesondere ist die gerichtliche Inhaltskontrolle nicht im Hinblick auf § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen. Danach findet die Inhaltskontrolle von Vertragsbedingungen ihre Schranken dort, wo nicht von Rechtsvorschriften abweichende oder sie ergänzende, also abstrakte Regelungen, sondern in Ausübung der Vertragsfreiheit unmittelbare Regelungen des Vertragsgegenstandes vereinbart werden. Dies trifft auf die Regelungen in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 der Verträge T. und L. nicht zu.

51

aa) Preisvereinbarungen unterliegen nicht der Inhaltskontrolle, soweit sie Art und Umfang der Vergütung unmittelbar regeln (sog. Preishauptabreden, vgl. nur BGH, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96 = RdE 2010, 209 – in juris Tz. 19; ebenso, wie vom Landgericht zitiert, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 304/08, RdE 2010, 215, in juris Tz. 25; vgl. auch Grüneberg, a.a.O., § 307 BGB Rn. 46 m.w.N.). Hiervon zu unterscheiden sind die – kontrollfähigen – sog. Preisnebenabreden, das sind Abreden, die nur mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben und an deren Stelle im Falle ihrer Unwirksamkeit dispositives Gesetzesrecht treten kann (vgl. BGH, jeweils a.a.O. – in VIII ZR 178/08 in juris Tz. 20, in VIII ZR 304/08 in juris Tz. 26; Grüneberg, a.a.O., § 307 BGB Rn. 47 m.w.N.). Regelungen zur Änderung eines Ausgangspreises sind grundsätzlich als Preisnebenabreden zu bewerten, weil sie den Vertragspreis nicht unmittelbar bestimmen, wie es bei den Ausgangspreisen der Fall ist, sondern lediglich Vereinbarungen über den Anlass und die Art und Weise der Preisanpassung enthalten. Solche Regelungen enthalten eine Abweichung von der im BGB vorgesehenen Unabänderlichkeit der Preise (vgl. BGH, Urteil v. 06.02.1985, VIII ZR 61/84, BGHZ 93, 358 – in juris Tz. 12 noch für § 8 AGBG für Preisregelungen in einem Trinkwasserversorgungsvertrag; Urteil v. 28.03.2007, VIII ZR 144/06, BGHZ 171, 374 für Preisregelungen in einem Stromversorgungs-Tarifvertrag; Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 178/08, a.a.O. – in juris Tz. 19 f.).

52

bb) Die Vertragsbedingungen in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 zu beiden Gaslieferungsverträgen sind nach ihrem Regelungsgehalt entgegen der Auffassung der Beklagten keine Angaben dazu, wie der Ausgangspreis des Vertrages kalkuliert ist, und auch keine Hauptabreden zu einem variablen Preis, wie z. Bsp. bei einer Stufenpreisvereinbarung. Sie sind kontrollfähige Preisnebenabreden.

53

(1) Gegen eine Preishauptabrede spricht bereits die Struktur der in Anlage 3 enthaltenen Vereinbarungen. Die Vertragsparteien differenzieren in Anlage 3 ausdrücklich jeweils zwischen dem Abschnitt 3.2 mit Bestimmungen zum „Gaspreis“ und dem Abschnitt 3.3 mit Regelungen zur „Änderung des Gaspreises“. Diese Strukturierung des Vertragsinhalts lässt den Schluss auf eine systematische Unterscheidung zwischen einem Ausgangspreis i.S. der vorzitierten Rechtsprechung, festgelegt in Abschnitt 3.2, und einer Preisanpassungsklausel, geregelt in Abschnitt 3.3, zu.

54

(2) Gleiches ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarungen. Danach wird in Abschnitt 3.2 ein „Preis“ mit einem festen Betrag je Preiszone festgelegt, während in Abschnitt 3.3 Berechnungsfaktoren für „Ermäßigungen“ oder „Erhöhungen“ der „in 3.2 genannten Zonenpreise“ geregelt werden (vgl. Ziffer 3.3.1), wobei die Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (in Ziffer 3.3.9) selbst den Begriff der „Preisänderungsklausel“ benutzt.

55

(3) Schließlich entspricht die Bewertung der Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede durch das Landgericht, welcher der Senat folgt, auch dem objektiven Erklärungswert der Vertragsbedingung aus Sicht eines Erklärungsempfängers i.S. von §§ 133, 157 BGB.

56

In Ziffer 3.2.1 sind jeweils bezifferte Preise für das im Rechnungsjahr gelieferte Erdgas nach Brennwerten, und zwar unterteilt nach Preiszonen, aufgeführt. Die Regelung ist in sich geschlossen und ermöglicht eine Bestimmung der zu zahlenden Entgelte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und zu Beginn des Lieferverhältnisses. Selbst wenn der Senat zugunsten der Beklagten unterstellte, dass diese Preisangaben kalkulatorisch nach den alternativen Berechnungsformeln in Ziffer 3.3.1 ermittelt worden seien, änderte dies nichts am Charakter der Regelungen in Abschnitt 3.2 als Bestimmung des Ausgangspreises. In diesem Falle käme den Berechnungsformeln in Ziffer 3.3.1 lediglich ein neben ihre originäre Funktion tretender zusätzlicher Zweck zu, nämlich derjenige einer Offenlegung der kalkulatorischen Ermittlung der Ausgangspreise. Die Vereinbarungen in Ziffer 3.3.1 hätten im Hinblick auf die Ausgangspreise lediglich eine erklärende Funktion.

57

Dem gegenüber werden in Abschnitt 3.3 die Modalitäten der Anpassung der in Abschnitt 3.2 bezifferten Ausgangspreise in Form von Erhöhungen oder Ermäßigungen konstitutiv geregelt. Die so ermittelten Preise sollen jedoch nur gelten, wenn sich entweder die Preise für HEL nach Maßgabe der Bestimmungen in Ziffern 3.3.2 bzw. 3.3.4 und 3.3.5 oder die Löhne nach Maßgabe der Bestimmungen in Ziffer 3.3.6 oder beide Preise gegenüber der Situation z. Zt. des Vertragsabschlusses ändern. Eine Preisanpassung ist nach Ziffer 3.3.3 bzw. nach Ziffer 3.3.7 auch nur in festen zeitlichen Abständen vorgesehen, also zu Beginn eines neuen Quartals bzw. zu Beginn des auf die Lohnänderung folgenden Monats. Dies zeigt im Umkehrschluss, dass es zu Beginn der Lieferverhältnisse jeweils eine – ggf. nur kurze – Anfangszeit gibt, in der die in Abschnitt 3.2 genannten Ausgangspreise unverändert gelten.

58

(4) Soweit sich die Beklagte in der Begründung ihres Rechtsmittels darauf beruft, dass zu unterscheiden sei zwischen Preisanpassungsregelungen, bei denen Erhöhungen bzw. Ermäßigungen durch Addition oder Subtraktion berechnet werden, und denen, die auf einer „multiplikativen Methode“ beruhen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die angewandte mathematische Methode ist nicht maßgeblich für die rechtliche Bewertung der Klausel als Preishaupt- oder Preisnebenabrede. Enthält ein Vertrag eine Berechnungsformel für einen Vertragspreis, so kommt es darauf an, ob mit dieser Formel der Ausgangspreis konstitutiv festgelegt wird (so der Arbeitspreis in dem Fall, welcher der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Landgerichts München I, Urteil v. 13.01.2012, 23 O 13695/11, RdE 2012, 166 – vgl. in juris Tz. 7 bis 14, insbes. Tz. 11, zugrunde lag) oder ob deren Anwendung, wie hier, erst bei einer Veränderung der dem Vertragsschluss zugrunde liegenden kalkulatorischen Umstände eröffnet wird.

59

b) Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen insbesondere dann unwirksam, wenn sie für den Vertragspartner des Verwenders intransparent, d.h. nicht klar und verständlich ist. Eine solche Intransparenz des Abschnitts 3.3 wurde und wird von der Klägerin schon nicht geltend gemacht.

60

c) Das Landgericht ist aber zu Recht davon ausgegangen, dass die Preisänderungsklausel in Abschnitt 3.3 der Anlage 3 der Verträge T. und L. nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist, weil sie die Klägerin als Kundin der Beklagten unangemessen benachteiligt.

61

aa) Die vorgenannte Preisänderungsklausel ist als Spannungsklausel auszulegen. Sie soll sowohl nach ihrem Wortlaut (vgl. insbesondere Ziffer 3.3.9) als auch nach ihrem Regelungsgehalt eine Preisanpassung proportional zur Wertentwicklung des leichten Heizöls gewährleisten. Die Bindung an den Preis des HEL wird insbesondere mit den Beschaffungskosten der Lieferantin begründet.

62

bb) Für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB kann offen bleiben, ob die Preisänderungsklausel gegen § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (PrKG) verstößt, nach dem der Betrag von Geldschulden nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis von anderen Gütern bestimmt werden darf, die mit den vereinbarten Gütern nicht vergleichbar sind. Die Unzulässigkeit würde nach § 8 PrKG zu einer Unwirksamkeit ab dem Zeitpunkt der Feststellung des Verstoßes führen. Keiner Entscheidung bedarf ferner, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegen § 1 Abs. 1 PrKG verstoßen, den Vertragspartner des Klauselverwenders allein aus diesem Grunde unangemessen i.S. von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteiligen. Insoweit ist jedoch darauf zu verweisen, dass vieles dafür spricht, dass die Vergleichbarkeit der Preise für leitungsgebundenes Erdgas und leichtes Heizöl zum maßgeblichen Zeitpunkt der streitgegenständlichen Vereinbarungen der Spannungsklausel jeweils im Jahre 1997 nicht gegeben sein dürfte. Im Jahre 1997 existierte ein liberalisierter Markt für leitungsgebundenes Erdgas nicht, so dass mangels wirksamen Wettbewerbs schon keine Marktpreise für dieses Gas feststellbar waren (vgl. BGH, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 178/08, a.a.O. – in juris Tz. 31). Im Schrifttum wird zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass die Güter Erdgas und leichtes Heizöl auch bezüglich ihrer Klimaschutzbilanz nicht vergleichbar sein dürften (vgl. Derleder, CuR 2010, 92). Selbst eine etwaige Zulässigkeit der Preisänderungsklausel in den Verträgen T. und L. hinderte eine darüber hinausgehende Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht (vgl. BGH, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 304/08, a.a.O. – in juris Tz. 31).

63

cc) Eine Spannungsklausel in Sonderkunden-Lieferungsverträgen für leitungsgebundenes Erdgas, die eine Änderung des Gaspreises ausschließlich an die Preisentwicklung für leichtes Heizöl knüpft und Kostensenkungen des Lieferanten außerhalb der Gasbezugskosten weder beim Arbeitspreis noch beim Grundpreis berücksichtigt, benachteiligt den Kunden des Versorgungsunternehmens unangemessen, weil sie die Grenzen eines angemessenen vertraglichen Interessenausgleichs überschreitet.

64

(1) Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist auf den Zeitpunkt der Vereinbarung dieser Preisänderungsklausel abzustellen (vgl. nur Grüneberg, a.a.O., § 307 BGB Rn. 7 mw.N.); dieser liegt hier bei beiden Verträgen im Jahre 1997.

65

(2) Auf Seiten des Kunden des Versorgungsunternehmens ist – unabhängig davon, ob der Kunde Verbraucher i.S. von § 13 BGB oder Unternehmer i.S. von § 14 BGB ist – stets das Interesse daran zu berücksichtigen, vor Preisanpassungen geschützt zu werden, die über die Wahrung des ursprünglich festgelegten Äquivalenzverhältnisses hinausgehen (vgl. BGH, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 304/08, a.a.O. – in juris Tz. 33 m.w.N.).

66

(3) Als ein berechtigtes Interesse der Beklagten als Gasversorgerin an einer Änderung der Vertragspreise kommt eine Bindung an die allgemeine Preisentwicklung für leitungsgebundenes Erdgas schon deshalb nicht in Betracht, weil im Jahre 1997, wie ausgeführt, in diesem Bereich kein Wettbewerb und somit keine Marktpreise existierten. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellte, dass im Jahre 1997 eine Bindung der Vertragspreise an die Entwicklung der Preise für HEL einer Anpassung an die allgemeine Preisentwicklung für leitungsgebundenes Erdgas entsprochen hätte, wie die Beklagte geltend macht, eröffnete eine solche Spannungsklausel die Möglichkeit der Erzielung zusätzlicher, auf unzureichendem Wettbewerb in der gesamten Branche beruhender Gewinne, welche den Kunden der Gasversorgerin, hier die Klägerin, unangemessen benachteiligte.

67

(4) Zwar wird in der Rechtsprechung grundsätzlich das Interesse des Gasversorgungsunternehmens anerkannt, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit in adäquater Form (auch) an ihre Sonderkunden weiterzugeben. Die Schranke des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist jedoch überschritten, wenn Preisänderungsklauseln dem Verwender die Möglichkeit einräumen, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne jede Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (vgl. BGH, Urteil v. 24.03.2010, VIII ZR 178/08, a.a.O. – in juris Tz. 35 m.w.N.; VIII ZR 304/08, a.a.O. – in juris Tz. 33 f.). So liegt der Fall hier. Die Beklagte wurde durch die Preisänderungsklausel in den Verträgen T. und L. jeweils in die Lage versetzt, Gaspreiserhöhungen in Abhängigkeit von der Preisentwicklung bei HEL durchzusetzen, ungeachtet dessen, ob ihre eigenen Beschaffungskosten z. Zt. des Wirksamwerdens der Preiserhöhung vollständig derselben Preisbindung unterliegen und ob etwaigen Kostensteigerungen bei der Beschaffung des Erdgases nicht u.U. Kostensenkungen in anderen Bereichen gegenüberstehen und diese ganz oder teilweise kompensieren bzw. sie sogar übertreffen. Die Preisänderungsklausel war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse jeweils im Jahre 1997 objektiv geeignet, der Beklagten die Möglichkeit einer – im Hinblick auf einen angemessenen Interessenausgleich unzulässigen – Gewinnsteigerung während der Vertragslaufzeit zu eröffnen.

68

dd) Für die Bewertung der Unangemessenheit der mit der Preisänderungsklausel objektiv eröffneten Möglichkeit einer unzulässigen Gewinnsteigerung zugunsten der Beklagten als Gasversorgerin ist es aus den vorgenannten Gründen unerheblich, dass die Klägerin Unternehmerin ist (ebenso OLG Hamm, Urteil v. 28.10.2010, I-2 U 60/10 – zitiert nach juris; auch Ebbinghaus/Schroeder RdE 2012, 228). Die Unangemessenheit ergibt sich allein daraus, dass die Beklagte nach der Vertragsbestimmung das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegenüber der ursprünglichen Vereinbarung zu ihren Gunsten verändern kann; insoweit lässt das BGB jedoch eine Differenzierung der Schutzwürdigkeit der Interessen von Verbrauchern und Unternehmen als Kunden nicht erkennen.

69

6. Allerdings hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung zu Recht darauf verwiesen, dass die durch die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel in Abschnitt 3.3 der Verträge T. und L. entstehende Regelungslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Doch führt auch die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer Unbegründetheit der von der Klägerin in der Berufungsinstanz noch geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung von Entgelten im Hinblick auf die Verträge T. und L. .

70

a) Die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung, wie sie sich aus der neueren Rechtsprechung des VIII. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes zu Energieversorgungsverträgen (vgl. Urteile jeweils v. 14.03.2012, VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372; und VIII ZR 93/11, RdE 2012, 200) ergeben, welcher sich der Senat anschließt, sind erfüllt. Durch die Feststellung der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel in Abschnitt 3.3 entsteht eine planwidrige Regelungslücke in den Verträgen, wie insbesondere auch die Bestimmungen in Ziffer 3.3.9 zeigen. Zwischen den Vertragsparteien bestand bei Vertragsabschluss zumindest Einigkeit darüber, dass der vereinbarte Ausgangspreis nur zu Beginn der jeweiligen Vertragsverhältnisse gelten und seine zeitnahe Anpassung an allgemeine Preisentwicklungen erfolgen sollte. Jedenfalls dann, wenn der Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresrechnungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht widersprochen hat, wie hier die Klägerin im Zeitraum von 1997 bis 2004, und nunmehr mit ihrer Ende 2010 erhobenen Klage für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, entsteht eine nicht mehr hinnehmbare Störung des Vertragsgefüges, die nicht mehr durch die vertraglich vorgesehene, nur in die Zukunft gerichtete Kündigungsmöglichkeit des Versorgungsunternehmens in einer für beide Seiten zumutbaren Weise geschlossen werden kann. Gesetzliche Regelungen einer Preisanpassung, mit deren Anwendung die beschriebene planwidrige Vertragslücke adäquat geschlossen werden könnte, gibt es nicht.

71

b) Die ergänzende Vertragsauslegung führt dazu, dass die in den beiden Verträgen jeweils vorgesehenen Fristen zur Geltendmachung von Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abrechnungen der Beklagten auch auf die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Preisänderung unter Berufung auf Abschnitt 3.3 der Anlage 3 des jeweiligen Vertrages angewendet werden.

72

aa) Eine geltungserhaltende Reduktion der Preisänderungsklausel kommt nicht in Betracht, weil sie generell unzulässig ist (vgl. Grüneberg, a.a.O., § 306 BGB Rn. 6 m.w.N.).

73

bb) Der Bundesgerichtshof hat in den beiden o.g. Entscheidungen die infolge der Unwirksamkeit der formularmäßig vereinbarten Preisänderungsklausel nach § 307 Abs. 1 BGB entstehende planwidrige Regelungslücke in einem Energieversorgungsvertrag dadurch geschlossen, dass er im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung davon ausgegangen ist, dass ein Kunde die Unwirksamkeit einer Preiserhöhung, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führt, dann nicht mehr geltend machen können soll, wenn er sie nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (vgl. BGH, Urteil v. 14.03.2012, VIII ZR 113/11, a.a.O. – in juris Tz. 23 f., 31 f.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

74

cc) Anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen, bedarf es hier jedoch wegen der Bestimmung der Länge der Geltendmachungsfrist eines Rückgriffs auf allgemeine Vorschriften in der AVBGasV bzw. der GasGVV, welche die Geltendmachung von Beanstandungen gegen Abrechnungen der Gasversorgerin zum Gegenstand haben, nicht. Denn die Vertragsparteien haben unter Ziffer 1.10.3 der Anlage 1 zum Vertrag im Rahmen der Bestimmungen über die Abrechnungs- und Zahlungsmodalitäten für eine vergleichbare Konstellation eine Regelung getroffen. Danach sind Einwendungen gegen Rechnungen nur innerhalb von zwei Jahren ab Zugang der Rechnung zulässig und berechtigen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zum Zahlungsaufschub bzw. zur Zahlungsverweigerung. Diese Regelung bezieht sich auch auf den Zugang von Monatsabrechnungen, wie sie im Vertragsverhältnis jeweils vorgesehen sind.

75

c) Selbst wenn der Senat zugunsten der Beklagten unterstellte, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen sei, dass der Kunde, hier die Klägerin, mit Einwendungen gegen die Wirksamkeit einer Preiserhöhung, die zu einem Arbeitspreis über dem vereinbarten Ausgangspreis führt, ausgeschlossen ist, wenn er sie nicht innerhalb von zwei Jahren ab Zugang derjenigen Monatsrechnung geltend macht, in der sich die Preiserhöhung erstmals ausgewirkt hat, hätte die Klägerin in den Vertragsverhältnissen T. und L. ihre Einwendungen gegen die Monatsabrechnungen für Dezember 2006 und alle zwölf Monate des Jahres 2007, die in der Berufungsinstanz noch streitgegenständlich sind, rechtzeitig und fristwahrend erhoben. Die Klägerin beanstandete die Preiserhöhungen bereits vor der ersten Abrechnung mit Schreiben vom 23.12.2004 und ließ durch die Wiederholung der Einwendungen erkennen, dass sie an dieser Einwendung auch nach Zugang der Abrechnungen festhielt.

76

7. Die gerichtliche Durchsetzung der vorgenannten Ansprüche der Klägerin ist, worauf das Landgericht im Ergebnis zu Recht erkannt hat, nicht wegen Verjährung gehindert.

77

a) Die Verjährung bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsansprüche wegen Gaspreisüberzahlungen beginnt allerdings nicht bereits mit der Leistung von (monatlichen) Abschlagszahlungen, sondern erst mit dem Zugang der Jahresabrechnung bzw. einer dieser gleichstehenden Abrechnung für den Monat Dezember des jeweiligen Jahres zu laufen (vgl. BGH, Urteil v. 23.05.2012, VIII ZR 210/11, RdE 2012, 292). Dies war hier in den Vertragsverhältnissen T. und L. jeweils der – von den Prozessparteien nicht konkret mitgeteilte – Zeitpunkt des Zugangs der Abrechnungen für die Monate Dezember 2006 bzw. Dezember 2007, d.h im Januar 2007 bzw. im Januar 2008.

78

b) Die Verjährungsfrist beträgt nach § 195 BGB auch für bereicherungsrechtliche Ansprüche drei Jahre, so dass die Verjährungsfrist hinsichtlich der Zahlungen für den Monat Dezember 2006 jeweils am 31.12.2010 und hinsichtlich der Zahlungen für das Kalenderjahr 2007 jeweils am 31.12.2011 vollendet war.

79

c) Die am 30.12.2010 bewirkte Zustellung eines Mahnbescheids an die Beklagte u.a. wegen der vorgenannten Rückzahlungsansprüche der Klägerin führte nach § 204 Nr. 3 BGB zur rechtzeitigen Hemmung der Verjährung.

80

8. Die Beklagte hat mit ihrer Berufung Einwendungen gegen die vom Landgericht festgestellte Höhe der Rückzahlungsansprüche der Klägerin aus den Vertragsverhältnissen T. und L. nicht erhoben. Das Landgericht hat diese Ansprüche hinsichtlich des Vertrags T. auf ... € und hinsichtlich des Vertrags L. auf ... €, zusammen mithin auf ... € beziffert. Hinzu kommen Ansprüche auf Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 2 BGB in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

81

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Entgelten, die sie für Gaslieferungen in den Jahren 2006 und 2007 an die Abnahmestelle G. gezahlt hat.

82

1. Allerdings ist die Klägerin, wovon das Landgericht zu Recht ausgegangen ist, aus abgetretenem Recht der vormaligen Vertragspartnerin der Beklagten zur Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen aktiv legitimiert. Hiergegen hat die Beklagte mit ihrer Berufung auch keine Einwendungen erhoben, so dass auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden kann.

83

2. Der Senat geht auch davon aus, dass die Zedentin der Klägerin an die Beklagte Zahlungen zur Vertragserfüllung geleistet hat, die nach den vorgenannten, für die Verträge T. und L. ausgeführten Maßstäben teilweise ohne Rechtsgrund geleistet worden sein könnten, was hier aber offen bleiben kann.

84

3. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellte, dass die Preisänderungsklausel in Abschnitt 3.3 des Vertrages G. eine kontrollfähige Preisnebenabrede beinhaltete und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam wäre, wäre auch insoweit eine ergänzende Vertragsauslegung, wie in den Verträgen T. und L. vorgenommen, geboten. Weder die Klägerin noch die Zedentin der Klägerin haben Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abrechnungen der Beklagten rechtzeitig geltend gemacht. Die letzte, den Monat Dezember 2007 betreffende Abrechnung der Beklagten ist der Zedentin der Klägerin im Januar 2008, spätestens also am 31.01.2008, zugegangen. Die Zweijahresfrist endete mithin spätestens am 31.01.2010. Die Klägerin hat dagegen die Abrechnungen der Beklagten im Vertragsverhältnis G. erstmals mit Schriftsatz vom 22.12.2010 beanstandet. Zu diesem Zeitpunkt war ihre Zedentin bereits mit der Geltendmachung unwirksamer Gaspreiserhöhungen, betreffend die Gaslieferungen in den Jahren 2006 und 2007, ausgeschlossen, so dass die Abtretung an die Klägerin ins Leere ging.

C.

85

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen beruht jeweils auf § 92 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der Berufungsinstanz daneben auf § 97 Abs. 1 ZPO.

86

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

87

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.