Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 19. Dez. 2017 - 2 OLG 6 Ss 138/17
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Trier vom 4. April 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Trier zurückverwiesen.
Gründe
I.
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Das Amtsgericht Trier hat den Angeklagten durch Urteil vom 7. September 2015 wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung „infolge grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen falschen Überholens mit fahrlässiger Herbeiführung der Gefahr“ zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt und ihm für die Dauer eines Monats untersagt, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen (§§ 315c Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 2, 44 StGB).
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Durch Urteil vom 4. April 2017 hat das Landgericht Trier auf die unbeschränkte Berufung des Angeklagten das erstinstanzliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 45 Euro verurteilt wird und das erstinstanzlich angeordnete Fahrverbot entfällt.
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Die Berufungskammer hat zum Tatgeschehen folgenden Sachverhalt festgestellt:
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„Am 08.03.2014 war der Angeklagte gegen 19:40 Uhr berechtigter Führer und Fahrer des Pkw's der Marke Skoda Fabia RS mit dem amtlichen Kennzeichen …. Es handelt sich hierbei um einen Kleinwagen mit Schrägheck, dessen Dieselmotor eine Leistung von 96 kW bzw. 130 PS erbringt. Die Höchstgeschwindigkeit ist mit 206 km/h angegeben. Der Angeklagte befuhr an diesem Abend die B 53 aus Richtung ...[X] kommend in Fahrtrichtung ...[Y]. Vor ihm fuhr das von dem Zeugen ...[A] geführte Fahrzeug der Marke BMW mit dem amtlichen Kennzeichen …. Es handelte sich um einen BMW 328, der über eine Leistung von 142 kW bzw. 193 PS verfügt. Die beiden Fahrzeuge fuhren zunächst hintereinander, und zwar in dem Bereich der B 53, der durch Verkehrszeichen auf 70 km/h begrenzt ist. Nach der Abfahrt nach ...[Z] (in Höhe der Firma ...[B]) wird die Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben. Die B 53 stellte sich am Tattag so dar, dass zunächst dichter Bewuchs rechtsseitig den Blick auf die Mosel versperrte. Im weiteren Verlauf ist es so, dass die B 53 eine langgezogene Rechtskurve beschreibt. Innerhalb der Kurve ist der Bewuchs rechtsseitig deutlich gemindert.
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Wegen der Einzelheiten der Streckenbeschreibung wird auf die zu den Akten gereichten Übersichtsaufnahmen von der Strecke Bezug genommen.
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Unmittelbar nach Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h setzte der Angeklagte, der sich alleine in seinem Fahrzeug befand, zum Überholen des vor ihm fahrenden Fahrzeugs des Zeugen ...[A] an. Hierbei war dem Angeklagten nicht nur bewusst, dass er die vom (Anm. des Senats: gemeint ist „von ihm“) benötigte Überholstrecke von 300 - 330 m nicht annähernd einsehen konnte, da die Sicht maximal 250 m betrug, sondern auch, dass das Fahrzeug des Zeugen ...[A] über eine erhebliche Beschleunigung verfügen musste. In seiner höchst eigensinnigen Art, die grundsätzlich dadurch gekennzeichnet wird, dass der Angeklagte meint, sich über Interessen anderer Verkehrsteilnehmer hinwegsetzen zu dürfen, aber auch um des schnelleren Fortkommens willens (Anm. des Senats: richtig: willen), überholte der Angeklagte das Fahrzeug des Zeugen ...[A]. Dies stellte sich allerdings als schwierig dar, da auch der Zeuge ...[A] zum Ende der Geschwindigkeitsbegrenzung sein Fahrzeug voll beschleunigte. Obwohl der Angeklagte dies zwanglos erkannte, setzte er seinen Überholvorgang munter unter Außerachtlassung jedweder Sorgfalts- und Rücksichtspflichten fort und versuchte weiterhin das Fahrzeug des Zeugen ...[A] „auf Teufel komm raus“ zu überholen, wobei der Angeklagte Bedenken gegen seine Fahrweise nicht aufkommen ließ. Nach ca. 200 m erkannte der Angeklagte, dass ihm Gegenverkehr entgegenkam und er daher den Überholvorgang nicht fortsetzen konnte, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. All dies interessierte den Angeklagten jedoch nicht. Er beabsichtigte weiterhin, sein vermeintliches Überholrecht durchzusetzen und dem Zeugen ...[A] in selbstsüchtiger und bedenkenloser Manier mit aller Gewalt zu zeigen, wie er, der Angeklagte, den Überholvorgang eiskalt und berechnend ohne Rücksicht auf Verluste fortsetzt und schneller als der Zeuge vorankommt. Der Angeklagte zog daher mit seinem Fahrzeug in Kenntnis der absoluten Gefährlichkeit seines Tuns nach rechts auf die Fahrspur des Zeugen herüber. Hierbei war dem Angeklagten nicht nur bewusst, dass (Anm. des Senats: zu ergänzen ist „er“) das Fahrzeug des Zeugen schneiden musste, um nach rechts ziehen zu können, sondern auch dass der Zeuge durch das Lenkmanöver gezwungen sein würde, sein Fahrzeug nach rechts zu ziehen und abzubremsen. Der Angeklagte zog wie von ihm beabsichtigt in der vorbeschriebenen Art brutal und bedenkenlos nach rechts, so dass der Zeuge ...[A] durch des Lenkmanövers (Anm. des Senats: gemeint ist „das Lenkmanöver“) des Angeklagten gezwungen wurde, sein Fahrzeug weiter nach rechts zu lenken und darüber hinaus, um dem Angeklagten ein Einscheren zu ermöglichen, sein Fahrzeug unverzüglich sehr stark auf ca. 30 km/h abzubremsen. Dies tat der Zeuge auch. Wäre der Zeuge ...[A] unvermindert weitergefahren, wäre es zwangsläufig zu einem Zusammenstoß nicht nur mit dem entgegenkommenden Fahrzeug, sondern auch mit dem Fahrzeug des Zeugen ...[A] gekommen, wobei neben erheblichen Sachschäden auch Personenschäden (Zeuge ...[A] und seine damalige Ehefrau als Beifahrerin) zu erwarten gewesen wären.
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...[A] setzte anschließend seine Fahrt fort; es gelang ihm auch, auf das Fahrzeug des Angeklagten erneut aufzuschließen. In der Zwischenzeit hatte die Ehefrau des Zeugen ...[A] die Polizei telefonisch über den Vorfall verständigt. ...[A] fuhr eine Zeitlang hinter dem Angeklagten her, der entgegen seiner ursprünglichen Absicht nicht direkt zum Ladengeschäft ...[C] fuhr, sondern durch mehrere Seitenstraßen fuhr, um schließlich auf dem Parkplatz des Geschäftes ...[C] in den ...[W] in ...[Y] anzuhalten. Dort kam es zu einem verbalen Disput zwischen dem Zeugen ...[A] und dem Angeklagten, indem der Zeuge ...[A] dem Angeklagten lautstark sein Fehlverhalten vorhielt, was der Angeklagte in seiner eigensinnigen Art jedoch schlichtweg in Abrede stellte.
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Unmittelbar nach diesem Vorfall begab sich der Zeuge ...[A] mit seiner damaligen Ehefrau zur Polizeiinspektion ...[Y], um den Vorfall zur Anzeige zu bringen. Der Angeklagte seinerseits erstattete noch am selben Abend schriftlich Anzeige gegen den Zeugen ...[A], in der er dem Zeugen vorwarf, dass er ihn nicht habe überholen lassen und stark beschleunigt habe. Hintergrund war, dass wer (Anm. des Senats: richtig „er“) zu Hause von Polizeibeamten aufgesucht worden war und Kenntnis von der Anzeige gegen ihn hatte.“
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Die Einlassung des Angeklagten, erst in der Kurvenmitte bei einer Sichtweite von etwa 900 m mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von etwa 90 km/h zum Überholen angesetzt zu haben und nahezu am überholten Fahrzeug vorbeigewesen zu sein, als dieses offensichtlich voll beschleunigt habe, um ihn nicht wieder einscheren zu lassen, hat die Strafkammer aufgrund der Aussagen des Fahrers und der Beifahrerin des überholten Fahrzeugs für widerlegt erachtet, die von dem Verkehrssachverständigen als technisch nachvollziehbar und möglich bezeichnet worden seien. Die die Einlassung des Angeklagten stützende Aussage seines Bruders hat die Strafkammer als Falschaussage bewertet.
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In der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer folgendes ausgeführt:
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„Zu Gunsten des Angeklagten geht die Kammer zunächst davon aus, dass der Angeklagte die durch ihn herbeigeführte Gefahr nur fahrlässig verursacht hat, da er, wenn auch grob fahrlässig, darauf vertraute, dass kein Gegenverkehr kommen würde, als er seinen Überholvorgang begann und nicht sehenden Auges mit direktem Vorsatz sich in eine solche Verkehrssituation begeben. Der Angeklagte hat indes grob verkehrswidrig überholt.
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Gemäß § 5 Abs. 2 StVO darf nur derjenige überholen, der übersehen kann, dass während des gesamten Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Überholen, darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt. Das Überholen beginnt spätestens mit dem Ausscheren nach links. Beendet ist das Überholen mit dem Wiedereinordnen nach rechts mit ausreichendem Abstand. Der Überholer muss grundsätzlich überblicken können, dass der gesamte Vorgang vom Ausscheren bis zum Wiedereinscheren mit richtigem Abstand unter Berücksichtigung etwaigen Gegenverkehrs für einen durchschnittlichen Fahrer ohne irgendein Wagnis gefahr- und behinderungslos möglich sein werde.
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Dies war nicht der Fall.
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Der Angeklagte konnte die von ihm benötigte Strecke zum Überholen nicht annähernd übersehen. Er hat auch direkt angesetzt zu überholen, ohne sich darüber zu vergewissern, ob er tatsächlich eine deutlich höhere Geschwindigkeit als der zu Überholende fuhr. Das gesamte Verhalten wertet die Kammer als grob verkehrswidrig, da es sich um ein besonders gefährliches Abweichen vom pflichtgemäßen Verhalten gehandelt hat.
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Die Kammer wertet das Verhalten des Angeklagten darüber hinaus auch als rücksichtslos. Rücksichtslos handelt grundsätzlich, wer sich entweder eigensinnig über bekannte Pflichten hinwegsetzt oder sich aus Gleichgültigkeit auf seine Fahrerpflichten nicht besinnt und unbekümmert um mögliche Folgen drauf los fährt. Das Merkmal der Rücksichtslosigkeit will hierbei nur „extrem“ verwerfliche Verfehlungen, bzw. geradezu „unverständliche“ Nachlässigkeiten treffen, nicht durchschnittliches Fehlverhalten. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist Rücksichtslosigkeit als subjektives Merkmal schlechthin in der Regel nicht aus dem äußeren Hergang allein zu folgern; jedoch ist das äußere Tatgeschehen erster und bei schweigenden oder lügenden Angeklagten - wie hier - oftmals einzigster Anknüpfungspunkt, sodass es zur Überzeugung der Kammer zur Beurteilung der Frage, ob der Angeklagte rücksichtslos gehandelt hat, mit herangezogen werden kann.
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Für ein rücksichtsloses Verhalten des Angeklagten spricht hier die Tatsache, dass er unmittelbar nach Beginn der Aufhebung der 70er Zone mit seinem Überholvorgang begonnen hat, obwohl er weder die weitere Strecke übersehen konnte, noch bis dahin das Fahrverhalten des zu Überholenden annähernd einschätzen konnte. Das Merkmal der Rücksichtslosigkeit folgert die Kammer allerdings auch aus dem Verhalten des Angeklagten im Rahmen der Berufungshauptverhandlung. Der Angeklagte hat sich als unbelehrbarer Verkehrsteilnehmer gezeigt, der jegliches Fehlverhalten von sich weist, dies auch keiner kritischen Prüfung unterzieht, sondern Fehlverhalten ausschließlich bei den anderen Verkehrsteilnehmern sucht. So hat er beispielsweise den Zeugen ...[A] beschuldigt, ein testosterongesteuertes Fahrverhalten an den Tag zu legen. Auch der Umstand, dass der Angeklagte, sofort nachdem er von der Anzeige des Zeugen ...[A] erfahren hat, eine im Ergebnis falsche Gegenanzeige gegen den Zeugen erstattet hat, belegt sein rücksichtsloses und skrupelloses Vorgehen mit anderen Personen. Die Tatsache, dass die Zeugin ...[A] bei der Polizei angerufen hat, hat der Angeklagte sogar so gedeutet, dass der Zeuge und seine ehemalige Ehefrau die Anzeige erstatten mussten, da sie bereits zuvor bei der Polizei angerufen hatten. Der Angeklagte hat es im Rahmen der Berufungshauptverhandlung schließlich verstanden, jedes Argument so zu drehen, dass hieraus ein Fehlverhalten des Zeugen ...[A] konstruiert wird, welches von seinem Fehlverhalten ablenken sollte.
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Dies ist bei dem Angeklagten ein offensichtlich allgemein verfestigter Charakterzug, aus dem die Kammer schließt, dass der Angeklagte diesen auch im Straßenverkehr zeigt und sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit seine eigenen Interessen, wie schnelleres Fortkommen, Beweisen (Anm. des Senats: gemeint sein dürfte „beweisen muss“), dass man mit einem kleinen Fahrzeug auch in unmöglichen Situationen überholen kann, Überholen, auch wenn andere dafür ausweichen müssen usw., über die Interessen anderer Verkehrsteilnehmer setzt. Aus diesen Merkmalen und dem äußeren Verhalten schließt die Kammer auf ein besonders rücksichtsloses Verhalten des Angeklagten i.S. des § 315c StGB.“
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Innerhalb der Ausführungen zum Entfallen des Fahrverbots hat die Strafkammer demgegenüber ausgeführt, für ein solches sei kein Raum mehr, weil die Tat bereits längere Zeit zurückliege und der Angeklagte seither offensichtlich unbeanstandet am Straßenverkehr teilnehme.
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Gegen das Berufungsurteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Gestützt auf die Verfahrensrüge der Mitwirkung eines abgelehnten Richters (§ 338 Nr. 3 StPO) und die teilweise näher ausgeführte Sachrüge beantragt sein Verteidiger, das Berufungsurteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Trier zurückzuverweisen.
II.
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Der zulässigen Revision kann auf die Sachrüge ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht versagt bleiben. Auf die in zulässiger Weise erhobene Verfahrensrüge kommt es deshalb nicht an.
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1. Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch nicht.
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a) Sie belegen das Tatbestandsbestandsmerkmal der konkreten Gefährdung nicht.
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Der objektive Tatbestand des § 315c StGB setzt den Eintritt einer konkreten Gefährdung voraus. Eine solche ist anzunehmen, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund objektiv nachträglicher Prognose die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache von bedeutendem Wert durch das Verhalten des Täters so stark beeinträchtigt ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob die Rechtsgutverletzung eintritt oder nicht (Senat, 2 OLG 4 Ss 18/16 v. 17.03.2016, juris Rn. 16; 2 Ss 12/00 v. 10.02.2000 mwN). Zur Verhinderung einer ausufernden Anwendung der Vorschrift sind dabei an die tatrichterlichen Feststellungen strenge Anforderungen zu stellen. Das Vorliegen einer hochgradigen Existenzkrise für die bedrohten Rechtsgüter ist präzise und nachvollziehbar zu belegen; „inhaltsleere“ und eher wertende Begriffe wie z.B. „Notbremsung“, „Vollbremsung“ oder „scharfes Abbremsen“ sind im Hinblick auf die ungenügende Aussagekraft zu vermeiden. Nachvollziehbar beschrieben werden kann die Gefahrenlage indes durch möglichst konkrete Angaben zum Fahrverhalten des Fahrzeugs, zu Reaktionen des Fahrers und zu wahrnehmbaren Veränderungen des verkehrstypischen Geschehensablaufs, wozu bei einem starken Bremsvorgang etwa quietschende Reifen, Ausbrechen, Schlingern oder Schleudern des Fahrzeugs, das Umherfliegen von Gegenständen im Fahrzeuginneren oder das Ansprechen von Sicherheitsgurten gehören können (Senat a.a.O.; 2 Ss 232/98 v. 02.09.1998; 2 Ss 286/97 v. 09.11.1997; 2 Ss 231/96 v. 13.08.1996; 2 Ss 24/95 v. 28.03.1995; OLG Koblenz, 1. Strafsenat, 1 Ss 167/08 v. 23.10.2008). Eine zahlenmäßig präzise Festlegung von Entfernungen, Geschwindigkeiten und Bremsverzögerungen ist für die Annahme des Tatbestandsmerkmals nicht unabdingbar; vielmehr können hierzu bei sorgfältiger Beweiswürdigung auch ungefähre Angaben und wertende Angaben der gehörten Zeugen hinreichen, wenn sich daraus ein Bild der fraglichen Verkehrssituation erschließt (BGH NJW 1995, 3131, 3132; 4 StR 324/13 v. 24.09.2013, juris Rn. 5).
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An diesem Maßstab gemessen hat die Strafkammer das Vorliegen einer hochgradigen Existenzkrise, bei der der Eintritt eines Unfalls nur noch vom Zufall abhing, nicht in ausreichender Weise ausgeführt. Die Urteilsfeststellungen beschränken sich diesbezüglich im Kern darauf, dass der mit einem Pkw überholende Angeklagte bei Ansichtigwerden des Gegenverkehrs sein Fahrzeug nach rechts auf die Fahrspur des Überholten gelenkt und diesen dabei geschnitten habe; der Überholte sei deshalb gezwungen gewesen, sein Fahrzeug weiter nach rechts zu steuern und auf etwa 30 km/h abzubremsen, um dem Angeklagten ein Einscheren zu ermöglichen, weil es ansonsten zu einem Zusammenstoß sowohl mit dem entgegenkommenden Fahrzeug, als auch dem überholten Fahrzeug gekommen wäre. Letzteres erweist sich als bloße Bewertung, die einer hinreichenden Tatsachengrundlage entbehrt (vgl. BGH, 4 StR 324/13 v. 24.09.2013, juris Rn. 5; Senat, 2 OLG 4 Ss 18/16 v. 17.03.2016, juris Rn. 19). An einer nachvollziehbaren Beschreibung der Verkehrssituation fehlt es bereits, weil die Beschaffenheit der B 53 am Tatort nur unzureichend dargestellt wird. Es fehlen insbesondere Ausführungen zur Straßenbreite am konkreten Tatort, der Anzahl der Fahrspuren und des etwaigen Vorhandenseins von Seitenstreifen. Ob der Überholte tatsächlich nach rechts ausweichen musste, und falls das der Fall war, ob es sich um ein im Bereich einer verkehrsüblichen Reaktion liegendes Brems- und Ausweichmanöver handelte, das der An-nahme einer konkreten Gefährdung entgegenstünde (vgl. OLG Hamm, 4 RVs 111/14 v. 11.09.2014, Rn. 17), kann deshalb nicht beurteilt werden. Die fehlenden Feststellungen werden auch nicht durch den Verweis „auf zu den Akten gereichte Übersichtsaufnahmen von der Strecke“ (UA S. 4) ersetzt. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO gestattet lediglich wegen der Einzelheiten eine Bezugnahme auf Abbildungen. Die Schilderung des wesentlichen Aussagegehalts der Abbildung darf aber nicht, wie es hier der Fall ist, ganz entfallen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 267 Rn. 10 mwN). Hinzukommt, dass keine Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO vorliegt. Diese muss deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck kommen und sich auf konkret bezeichnete, in der Akte befindliche Abbildungen beziehen (BGH, 3 StR 425/15 v. 28.01.2016, juris Rn. 15; NStZ-RR 2016, 178; Meyer-Goßner/Schmitt aaO Rn. 8 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Der Tatrichter überlässt es vielmehr dem Revisionsgericht, sich die passende Abbildung aus der Akte herauszusuchen. An einer nachvollziehbaren Beschreibung der Verkehrssituation fehlt es aber auch deshalb, weil Angaben zur ungefähren Entfernung der drei involvierten Fahrzeuge beim Einscheren des Angeklagten, zu den Geschwindigkeiten der Fahrzeuge in dieser Situation und dem weiteren Fahrverhalten des entgegenkommenden Fahrzeugs fehlen (Ausweichen und/oder Abbremsen) fehlen.
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b) Auch das Tatbestandsmerkmal der groben Verkehrswidrigkeit erscheint zumindest zweifelhaft, weil nähere Ausführungen zu der gegen § 5 Abs. 6 Satz 1 StVO verstoßenden Beschleunigung des überholten Fahrzeugs fehlen. Es wird weder mitgeteilt, auf welche Geschwindigkeit das überholte Fahrzeug beschleunigt wurde, noch ob seine Geschwindigkeit weiter erhöht wurde, nachdem der Angeklagte mit dem von ihm gesteuerten Fahrzeug auf gleicher Höhe war.
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2. Auch die Beweiswürdigung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
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a) Will sich das Gericht dem Ergebnis eines zu einer bestimmten Frage eingeholten Sachverständigengutachtens ohne Angabe eigener Erwägungen anschließen, müssen in den Urteilsgründen zumindest die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergegeben werden, damit das Revisionsgericht die Schlüssigkeit des Gutachtens, insbesondere seine Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der Wissenschaft prüfen kann (vgl. BGHSt 34, 29, 31; BGH NStZ RR 1996, 258; OLG Koblenz, 2 SsBs 100/09 v. 02.10.2009; 1 Ss 225/07 v. 17.01.2008; 1 Ss 255/02 v. 12.12.2002; Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 267 Rn. 13; speziell für Gutachten zum Hergang eines Verkehrsgeschehens: OLG Düsseldorf VRS 78, 125; BayObLG, 1St RR 169/93 v. 29. 11. 1993 und 2St RR 19/96 v. 09.02.1996, juris). Die Wiedergabe der wesentlichen Anknüpfungstatsachen des Sachverständigengutachtens fehlt hier völlig. Die Beweiswürdigung ist deshalb lückenhaft.
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b) Darüber hinaus besteht ein Widerspruch zwischen Feststellungen und Beweiswürdigung. Während die einsehbare Strecke am Ort des Ausscherens in den Urteilsfeststellungen mit „maximal 250 m“ (UA S. 4) angegeben wird, soll sie nach den Ausführungen des Sachverständigen ab dem Zeichen 278, nach dessen Passieren der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen unmittelbar zum Überholen angesetzt haben soll, maximal 150 - 200 m betragen (UA S. 12). Es handelt sich insoweit - isoliert betrachtet - zwar nicht um einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Aufgrund des Widerspruchs lassen sich aber die zur Sichtweite getroffenen Feststellungen auf keine Beweisgrundlage mehr zurückführen.
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Darüber hinaus ist die Beweiswürdigung im genannten Punkt auch deshalb lückenhaft, weil jegliche Ausführungen dazu fehlen, ob es sich um die Sichtverhältnisse bei Tageslicht oder bei Dunkelheit handelt, wie sie zur festgestellten Tatzeit geherrscht haben muss. Das darf nicht offen bleiben, weil bei Dunkelheit das Scheinwerferlicht entgegenkommender Fahrzeuge trotz des vor dem Scheitelpunkt der Kurve vorhandenen Pflanzenbewuchses am rechten Straßenrand sichtbar gewesen sein kann.
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c) Die Beweiswürdigung erweist sich aber auch deshalb als lückenhaft, weil sich die Strafkammer mit einem naheliegenden Motiv für eine etwaige Falschaussage des Zeugen ...[A] nicht auseinandersetzt. Da er nach den Urteilsfeststellungen während des Überholvorgangs des Angeklagten entgegen dem Verbot nach § 5 Abs. 6 Satz 1 StVO beschleunigt hat, bestand für ihn selbst die Gefahr einer Strafverfolgung wegen Straßenverkehrsgefährdung (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 315c Rn. 6a a.E.).
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Hinzu kommt, dass die Strafkammer dem Zeugen einmal „keine erhebliche Belastungstendenz“ (UA S. 10), an anderer Stelle „keinerlei Belastungstendenz“ (UA S. 10) bescheinigt. Die Bewertung ist mithin nicht frei von Widersprüchen.
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d) Auch die innerhalb der Ausführungen zur rechtlichen Würdigung vorgenommene Beweiswürdigung zur Rücksichtslosigkeit des falschen Überholens ist rechtsfehlerhaft.
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Nach der Rechtsprechung handelt rücksichtslos im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB, wer sich zwar seiner Pflichten als Verkehrsteilnehmer bewusst ist, sich aber aus eigensüchtigen Gründen darüber hinwegsetzt, oder wer sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise gar nicht erst aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seiner Fahrweise darauf losfährt (BGHSt 5, 392; Senat, 2 OLG 4 Ss 18/16 v. 17.03.2016, juris Rn. 12 mwN). Betrifft das Merkmal der groben Verkehrswidrigkeit im Wesentlichen die objektive Seite des Verkehrsverstoßes, bezieht sich die Voraussetzung der Rücksichtslosigkeit mehr auf die subjektive Tatseite (Senat aaO mwN). In subjektiver Hinsicht darf die Rücksichtslosigkeit des Täters nicht allein aus dem äußeren Tatgeschehen geschlossen werden (Senat aaO mwN). Bedeutung gewinnen können insoweit der Grad der objektiven Verkehrswidrigkeit, vorangehendes oder nachfolgendes Verhalten des Täters und der Ausschluss entlastender subjektiver Faktoren, wie ein mögliches Augenblicksversagen, Schreck, Eile aus nachvollziehbaren Gründen (Senat aaO; 2 Ss 110/08 v. 04.08.2008; OLG Koblenz, 1. Strafsenat, 1 Ss 95/13 vom 08.11.2013; Groeschke, in: Münchener Kommentar, StGB, 1. Aufl., § 315c Rn. 27; Zieschang, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 315c Rn. 35).
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Die Strafkammer hat zwar bedacht, dass die Rücksichtslosigkeit nicht allein aus dem äußeren Tatgeschehen hergeleitet werden darf. In ihre wertende Gesamtschau hat sie aber zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung einbezogen. Es kann hier offen bleiben, ob das in der Beweiswürdigung zu subjektiven Tatbestandsmerkmalen ebenso unzulässig ist, wie es regelmäßig bei der Strafzumessung (vgl. dazu BGH, 4 StR 532/12 v. 29.01.2013, juris Rn. 7, NStZ-RR 2013, 170; BGH, 5 StR 453/12 v. 09.10.2012, juris Rn. 2; 3 StR 219/10 v. 06.07.2010, juris Rn. 5, NStZ 2010, 692) und der Anordnung der Sicherungsverwahrung (vgl. dazu BGH, 1 StR 320/14 v. 21.08.2014, juris Rn. 7 mwN, NStZ-RR 2015, 9; 1 StR 64/12 v. 20.03.2012) der Fall ist. Jedenfalls bietet zulässiges Verteidigungsverhalten keine verlässliche Grundlage für die Bewertung des Charakters eines Angeklagten. Stehen die Grundlagen für eine Schlussfolgerung nur in einer so losen Beziehung zur Tat, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind, so ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, NStZ 1986, 373; 3 StR 302/85 v. 07.08.1985, juris Rn. 2; OLG Koblenz, 1 Ss 113/99 v. 29.06.1999, juris Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 261 Rn. 38).
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Die von der Strafkammer angestellte Charakterstudie erweist sich im Übrigen als widersprüchlich. Während ihm innerhalb der Ausführungen zur Rücksichtslosigkeit bescheinigt wird, dass er „bei jeder sich bietenden Gelegenheit seine eigenen Interessen, wie schnelleres Fortkommen, … über die Interessen anderer Verkehrsteilnehmer setzt“ (UA S. 17), hat die Strafkammer ihm beim Absehen vom Fahrverbot nach § 44 StGB zugutezuhalten, er nehme seit der drei Jahre zurückliegenden Tat „offensichtlich unbeanstandet am Straßenverkehr teil“ (UA S. 18).
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3. Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils und der getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 1 und 2 StPO). Da nicht ausgeschlossen erscheint, dass Feststellungen zu dem Geschehensablauf getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen einer Straftat nach § 315c StGB tragen, bedarf die Sache insgesamt neuer tatrichterlicher Überprüfung (§ 354 Abs. 2 StPO).
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Sollte eine erneute Beweisaufnahme nach den genannten Maßstäben den gegen den Angeklagten erhobenen verkehrsstrafrechtlichen Vorwurf nicht bestätigen, wird der Angeklagte freizusprechen sein. Denn eine Ahndung der Tat als Ordnungswidrigkeit kommt infolge Verjährung nicht in Betracht. Die erste Unterbrechung der dreimonatigen Verjährungsfrist nach § 26 Abs. 3 StVG fand am 20. März 2014 durch Bekanntgabe des Tatvorwurfs gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statt (vgl. Graf in KK-OWiG, 4. Aufl., § 33 Rn. 28). Die nächste zur Verjährungsunterbrechung geeignete Handlung liegt in der Erhebung der öffentlichen Klage durch Eingang der unter dem 11. Juni 2014 gefertigten Anklageschrift bei Gericht (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 OWiG). Diese ist erst am 20. Juni 2014 bei dem Amtsgericht Trier eingegangen. An diesem Tag war die dreimonatige Verjährungsfrist bereits abgelaufen. Sie endete am 19. Juni 2014. Denn die Verjährungsfrist läuft mit Ende des Tages ab, der im Kalender dem Anfangstag vorangeht (KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl., OWiG § 31 Rn. 35 mwN).
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(1) Wer im Straßenverkehr
- 1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er - a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder - b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder - 2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos - a)
die Vorfahrt nicht beachtet, - b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt, - c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt, - d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt, - e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält, - f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder - g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.
(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.(1) Es ist links zu überholen.
(2) Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt.
(3) Das Überholen ist unzulässig:
- 1.
bei unklarer Verkehrslage oder - 2.
wenn es durch ein angeordnetes Verkehrszeichen (Zeichen 276, 277) untersagt ist.
(3a) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t führt, darf unbeschadet sonstiger Überholverbote nicht überholen, wenn die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m beträgt.
(4) Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden. Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 m und außerorts mindestens 2 m. An Kreuzungen und Einmündungen kommt Satz 3 nicht zur Anwendung, sofern Rad Fahrende dort wartende Kraftfahrzeuge nach Absatz 8 rechts überholt haben oder neben ihnen zum Stillstand gekommen sind. Wer überholt, muss sich so bald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Wer überholt, darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern.
(4a) Das Ausscheren zum Überholen und das Wiedereinordnen sind rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.
(5) Außerhalb geschlossener Ortschaften darf das Überholen durch kurze Schall- oder Leuchtzeichen angekündigt werden. Wird mit Fernlicht geblinkt, dürfen entgegenkommende Fahrzeugführende nicht geblendet werden.
(6) Wer überholt wird, darf seine Geschwindigkeit nicht erhöhen. Wer ein langsameres Fahrzeug führt, muss die Geschwindigkeit an geeigneter Stelle ermäßigen, notfalls warten, wenn nur so mehreren unmittelbar folgenden Fahrzeugen das Überholen möglich ist. Hierzu können auch geeignete Seitenstreifen in Anspruch genommen werden; das gilt nicht auf Autobahnen.
(7) Wer seine Absicht, nach links abzubiegen, ankündigt und sich eingeordnet hat, ist rechts zu überholen. Schienenfahrzeuge sind rechts zu überholen. Nur wer das nicht kann, weil die Schienen zu weit rechts liegen, darf links überholen. Auf Fahrbahnen für eine Richtung dürfen Schienenfahrzeuge auch links überholt werden.
(8) Ist ausreichender Raum vorhanden, dürfen Rad Fahrende und Mofa Fahrende die Fahrzeuge, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen.
(1) Wer im Straßenverkehr
- 1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er - a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder - b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder - 2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos - a)
die Vorfahrt nicht beachtet, - b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt, - c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt, - d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt, - e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält, - f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder - g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.
(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn - a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder - b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und - aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind, - bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder - cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
- 2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war; - 3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist; - 4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; - 5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat; - 6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind; - 8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
(1) Wer im Straßenverkehr
- 1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er - a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder - b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder - 2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos - a)
die Vorfahrt nicht beachtet, - b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt, - c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt, - d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt, - e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält, - f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder - g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.
(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgerichts Münster zurückverwiesen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Münster vom 14. Mai 2014 wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von 70 Tages-sätzen zu je 50,- Euro verurteilt worden; ferner ist ihm die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen worden, vor Ablauf von noch 15 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
4Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
5„Am 22.03.2013 befuhr die Zeugin L mit ihrem PKW der Marke BMW X6, amtliches Kennzeichen F unter anderem die Autobahn 43 in Fahrt-richtung Osnabrück. Dabei fuhr die Zeugin L über längere Strecken mit einer Geschwindigkeit von 190-210 km/h auf dem linken Fahrstreifen. Die Zeugin X befand sich auf dem Beifahrersitz des Fahrzeuges. Einige Fahrzeuglängen voraus fuhr mit etwa gleichbleibender Geschwindigkeit ein PKW der Marke Mercedes Benz mit einem nicht näher bekannten Kennzeichen der Stadt L. Kurz nach 19:00 Uhr bemerkte die Zeugin L hinter sich den Angeklagten in seinem PKW der Marke Seat mit dem amtlichen Kennzeichen N, da sich dieser mit hoher Geschwindigkeit dem Fahrzeug der Zeugin L näherte und sodann dicht auffuhr. Noch bevor die Zeugin die linke Fahrspur räumen konnte um den Angeklagten passieren zu lassen, zog dieser mit seinem Fahrzeug auf die rechte Fahrspur, überholte von dort das Fahrzeug der Zeugin L und scherte nur wenige Meter
6- unter deutlicher Unterschreitung des Sicherheitsabstands - vor dem Fahrzeug der Zeugin L wieder ein. Sodann bremste er seinen Wagen - ohne dass hierzu eine verkehrsbedingte Veranlassung bestanden hätte - auf eine Geschwindigkeit von ca. 150 km/h ab. Aufgrund des geringen Abstandes zwischen den Fahrzeugen konnte L einen Zusammenstoß nur durch eine sehr starke Bremsung verhindern. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit einerseits und dem geringen Abstand anderer-seits verspürte L große Angst und Panik, da sie nicht einschätzen konnte, ob
7es ihr gelingen würde, das Fahrzeug rechtzeitig abzubremsen und vor einem unkontrollierten Manöver zu bewahren. Unmittelbar nach dem Bremsvorgang beschleunigte der Angeklagte sein Fahrzeug erneut und vollzog ein vergleichbares Fahrmanöver - bei hoher Geschwindigkeit rechts überholen, links einscheren, starke Bremsung - erneut bei dem vor ihm fahrenden Mercedes mit dem Ler Kenn-zeichen. Genaue Angaben zu den gefahrenen Geschwindigkeiten sowie den Abständen zwischen diesen Fahrzeugen können insofern nicht getroffen werden.
8Nach einigen Kilometern Fahrstrecke zog der Angeklagte mit seinem Fahrzeug wiederum auf die rechte Fahrspur und verlangsamte seine Geschwindigkeit erheblich. So gelang es der Zeugin L, sowie dem immer noch vor ihr fahrenden Mercedes, den Angeklagten mit einer Geschwindigkeit von ca. 200 km/h auf der linken Spur zu überholen. Unmittelbar nach diesem Überholmanöver scherte der Angeklagte erneut nach links aus und beschleunigte sein Fahrzeug stark. Als er
9L eingeholt hatte zog er sein Fahrzeug wiederum auf die rechte Spur, überholte von dort das Fahrzeug der Zeugin L erneut und scherte nach links ein. Wiederum bremste er sein Fahrzeug ohne verkehrsbedingte Veranlassung auf eine Geschwindigkeit von 130-150 km/h ab, so dass L einen Zusammenstoß wiederum nur durch eine starke Bremsung verhindern konnte. Ein weiterer Überhol-versuch des Angeklagte bei dem Mercedes misslang, da dieser zwischenzeitlich beide Fahrstreifen blockierte und so ein Passieren auf der rechten oder linken Seite unmöglich machte. Bei sämtlichen dieser drei Überholmanöver setzte sich der Angeklagte grob verkehrswidrig und rücksichtslos über die Sicherheitsinteressen der anderen Verkehrsteilnehmer hinweg.
10Aufgrund des äußerst riskanten Fahrmanövers des Angeklagten entschlossen sich L und X noch während der Fahrt die Polizei zu verständigen, um möglicherweise eine sofortige Festnahme des Angeklagten erwirken lassen zu können. Versehentlich gaben sie dabei jedoch als Tatort die Autobahn BAB 1 - statt BAB 43 - an. Nachdem sie ihren Irrtum bemerkt hatten, begaben sich X und L am nächsten Tag jedoch unaufgefordert zur Polizeidienststelle und schilderten den zuvor beschriebenen Sachverhalt. Aufgrund des von ihnen mitgeteilten Kennzeichens des Tatfahrzeuges konnte durch den PHK T der Angeklagte als Halter des Fahrzeugs ermittelt werden. Mit Schreiben vom 04.04.2013 schrieb PHK T den Angeklagten als Zeugen zur Ermittlung des Fahrzeugführers an und fügte diesem einen Anhörungsbogen bei. Dieser Anhörungsbogen wurde von dem Angeklagten am 10.04.2013 ausgefüllt und zweifach - nämlich unter den Angaben zur Person des Zeugen sowie zu den Personalien des Fahrers - eigenhändig unterschrieben. Als Fahrer des Fahrzeugs zum fraglichen Zeitpunkt benannte sich der Angeklagte selbst.
11Der Angeklagte hat sich durch die Tat zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erwiesen.“
12Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Sprungrevision, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.
13II.
14Das Rechtsmittel ist zulässig und hat in der Sache – zumindest vorläufig – Erfolg.
15Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat vom
1602. September 2014 beantragt, das angefochtene Urteil mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Münster zurückzuverweisen.
17Zur Begründung hat die Generalstaatsanwaltschaft Folgendes ausgeführt:
18„Die Feststellungen des Urteils sowohl zum Schuldspruch als auch zum Rechts-folgenausspruch weisen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
19Die Feststellungen des Urteils tragen den Schuldspruch wegen vorsätzlicher
20Gefährdung des Straßenverkehrs nicht. Sie sind lückenhaft.
21Die amtsgerichtlichen Feststellungen lassen bereits nicht erkennen, welche
22Tatbestandsvariante des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB das Amtsgericht der
23Verurteilung zugrunde gelegt hat. Soweit in den angewendeten Vorschriften
24§ 315 c Abs. 1 Nr. 2a StGB benannt wird, ergibt sich aus den weiteren Urteils-gründen nicht, worin eine Nichtbeachtung der Vorfahrt durch den Angeklagten gesehen wird. Eine solche ist auch nicht ohne Weiteres ersichtlich. Der Begriff der Vorfahrt erfasst alle Verkehrsvorgänge, bei denen die Fahrlinien verschiedener Fahrzeuge bei unveränderter Fahrtrichtung zusammentreffen oder einander so
25nahe kommen, dass der Verordnungsgeber sich veranlasst gesehen hat, durch ausdrückliche Regelungen einem Verkehrsteilnehmer den Vorrang einzuräumen
26(zu vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 315c Rdnr. 5a m.w.N.). Eine solche Konstellation ergibt sich hier aus den Urteilsfeststellungen nicht.
27Auch ein falsches Fahren beim Überholvorgang i. S. v. § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB lässt sich den Urteilsfeststellungen nicht ohne Weiteres entnehmen. Hierfür ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Überholvorgang erforderlich. Ein Fehl-verhalten nach Abschluss des Überholens wird von Nr. 2b nicht erfasst (zu vgl. Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 315c Rdnr. 17 m.w.N.). Abgeschlossen ist der Überholvorgang bei einem Überholen mit Spurwechsel dann, wenn sich das überholende Fahrzeug in die ursprüngliche Fahrspur eingeordnet hat und der Überholte seine Fahrt ungehindert und ungefährdet fortsetzen kann (zu vgl. Schönke/Schröder, a.a.O. m.w.N.). Daher ist auch ein Ausbremsmanöver beim Wiedereinordnen in die ursprüngliche Fahrspur vom falschen Überholen erfasst (zu vgl. Schönke/Schröder, a.a.O., Rdnr. 18 m.w.N.). Dass die vom Amtsgericht festgestellten - drei - Ausbremsmanöver in diesem Sinne beim Wiedereinordnen in die linke Fahrspur erfolgt sind, lässt sich den Feststellungen nicht hinreichend deutlich entnehmen. Die Formulierungen „sodann“ (UA S. 3), „links einscheren, starke Bremsung“ (UA S. 3) sowie „scherte nach links ein. Wiederum bremste er“ (UA S. 4) lassen vielmehr die Möglichkeit offen, dass das jeweilige Abbremsmanöver bereits nach Abschluss des Überholvorganges erfolgt ist.
28Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen zudem mangels genauer Darstellung der jeweiligen Entfernung des Fahrzeugs des Angeklagten zu den weiteren betroffenen Fahrzeugen nicht die Annahme einer - jeweils - konkreten Gefahr.
29Nach allgemeiner Meinung in der Rechtsprechung und Literatur (zu vgl. Fischer, a.a.O., § 315c Rdnr. 15 m.w.N.) liegt eine konkrete Gefahr i. S. v. § 315c StGB vor, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation geführt hat. In dieser
30Situation muss - was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiven nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (zu vgl. BGH NJW 1995, 3131 m.w.N.; sog. „Beinaheunfall“).
31Über den Umfang der vom Tatrichter insoweit zu treffenden tatsächlichen Fest-
32stellungen und die Anforderungen an die tatrichterlichen Ausführungen besteht in
33der obergerichtlichen Rechtsprechung Streit. Während die Oberlandesgerichte, insbesondere das Oberlandesgericht Hamm, dazu einen strengeren Maßstab anlegen, vertritt der Bundesgerichtshof (zu vgl. BGH a.a.O.) eine weitere Auffassung. Die Frage kann hier indes offen bleiben, da die amtsgerichtlichen Feststellungen weder den Anforderungen des Oberlandesgerichts Hamm noch denen des Bundesgerichtshofs genügen.
34Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm ist die konkrete Gefährdung anhand objektiver Kriterien wie etwa der Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge, des Abstandes zwischen ihnen und der Beschaffenheit ggf. bestehender Ausweichmöglichkeiten zu ermitteln. Nicht ausreichend sind nach dieser Rechtsprechung nur wertende Umschreibungen wie etwa ein „scharfes“ Abbremsen oder Ausweichen
35(zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20.10.2005 - 2 Ss 381/05 - m.w.N.; zitiert nach Burhoff online). Die zugespitzte Gefahrenlage ohne Weiteres nachvollziehbar beschreiben sollen Angaben zum Fahrverhalten des Fahrzeugs, zu Reaktionen des Fahrers oder wahrnehmbaren Veränderungen des verkehrstypischen Geschehensablaufes, wobei beispielhaft quietschende Reifen oder ein Schlingern/Schleudern in einer näher beschriebenen Art und Weise genannt werden (zu vgl. OLG Düsseldorf NZV 1994, 37, 38). Eine konkrete Gefährdung liegt danach nicht vor, wenn es dem betroffenen Fahrer noch möglich ist, auf das verkehrswidrige Überholen des Fahrers durch ein im Bereich einer verkehrsüblichen Reaktion liegendes Brems- oder Ausweichmanöver zu reagieren und so den Unfall abzuwenden (zu vgl. Senatsbeschluss vom 09.12.2004 - 4 Ss 510/04 -; zitiert nach Burhoff online).
36Die danach erforderlichen Beschreibungen des notwendig gewordenen Brems-manövers finden sich in den tatsächlichen Feststellungen nicht hinreichend, wenn hier lediglich von einer „sehr starken Bremsung“, um einen Zusammenstoß zu verhindern, die Rede ist. Das Fehlen einer genaueren Abstandseingrenzung sowohl zu Beginn des - jeweiligen - Bremsmanövers als auch bei dessen Abschluss lassen die Annahme eines „Beinaheunfalls“ nicht zu. Die Umschreibung „geringer Abstand“ vermag die erforderlichen Feststellungen insoweit nicht zu ersetzen.
37Auch wenn man mit dem Bundesgerichtshof (zu vgl. BGH a.a.O.) wertende Umschreibungen der Gefahrensituation für die tatsächlichen Feststellungen einer Verurteilung nach § 315c StGB zulässt, genügt das angegriffene Urteil den an die Feststellungen einer konkreten Gefahr zu stellenden Anforderungen nicht. Nach Auf-
38fassung des Bundesgerichtshofs dürfen keine überspannten Anforderungen an die Feststellung einer konkreten Gefahr gestellt werden (zu vgl. BGH a.a.O.). Erforderlich, aber auch ausreichend ist danach eine besonders sorgfältige, die Gefahren
39ungenauer Beschreibungen und ihren geringeren Beweiswert berücksichtigende
40richterliche Beweiswürdigung (zu vgl. BGH a.a.O.).
41Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurde ein Unfall - in zwei Fällen - vermieden, weil die betroffene Fahrzeugführerin L eine starke Bremsung vornahm. Mangels näherer Beschreibung der Geschwindigkeitsreduzierung durch das jeweilige Bremsmanöver sowie der Entfernung zu dem vorausfahrenden Fahrzeug des Angeklagten kann indes von einer konkreten Gefährdung noch nicht ausgegangen werden.
42Darüber hinaus ist das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes des§ 315 c StGB, einschließlich des - angenommenen - Vorsatzes hinsichtlich der Gefährdung, weder festgestellt noch aus dem Beweisergebnis abgeleitet (zu vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 11.08.2005 - 4 Ss 308/05 -; zitiert nach Burhoff online). Das wäre aber erforderlich gewesen, zumal § 315 c StGB im subjektiven Bereich durch Abs. 1 und Abs. 3 der Vorschrift mehrere unterschiedliche Varianten vorsieht.
43Bereits aus diesen Gründen ist das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben.
44Darüber hinaus halten auch die Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
45So bleibt bereits unklar, von welchem Strafrahmen das Amtsgericht hier ausgegangen ist. Ausführungen dazu fehlen gänzlich. Sie waren auch nicht entbehrlich, da zum einen die Vorschrift des § 315c StGB selbst in Abs. 1 und in Abs. 3 unterschiedliche Strafrahmen bereit hält, und zum anderen im Rubrum des angefochtenen Urteils von tateinheitlich verwirklichter Nötigung die Rede ist, die nach § 240 StGB einen eigenständigen Straftatbestand mit eigenem Strafrahmen darstellt, ohne dass das Amtsgericht in den weiteren Urteilsgründen hierzu Feststellungen getroffen hat.
46Auch die Maßregelanordnung gemäß §§ 69, 69a StGB begegnet - ungeachtet dessen, dass ihr die Grundlage durch den rechtsfehlerhaften Schuldspruch zu § 315 c StGB entzogen wird - rechtlichen Bedenken.
47So fehlen Ausführungen dazu, ob die Regelwirkung des § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB hier ausnahmsweise wegfällt. Dies kann zu bejahen sein, wenn die Tat - wie hier - geraume Zeit zurückliegt und der Täter seither nicht mehr aufgefallen ist (zu vgl. BGH StV 1992, 64). Die Ungeeignetheit des Täters muss sich aus der Tat ergeben, aber nach allgemeinen Grundsätzen zum Zeitpunkt der (letzten tatrichterlichen) Aburteilung bestehen. Daher sind bei der Beurteilung auch Vorgänge aus der Zeit zwischen Tatbegehung und Aburteilung zu berücksichtigen, wie der Umstand einer längerfristigen beanstandungsfreien Teilnahme am Verkehr zwischen Tat und Urteil (mangels vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis) [zu vgl. Fischer, a.a.O., § 69 Rdnr. 46 m.w.N.]). Dazu verhält sich das angefochtene Urteil nicht, obwohl bei länger verstrichener Zeit, in der der Täter beanstandungsfrei am Straßenverkehr teil-genommen hat, die Verhängung der Maßregel der §§ 69, 69a StGB zumindest zweifelhaft erscheinen kann (zu vgl. OLG Frankfurt a.M. NZV 1996, 414).
48Da das angefochtene Urteil bereits aufgrund der Sachrüge aufzuheben ist, können die weiteren in der Revision vorgetragenen Rügen unerörtert bleiben.
49Da dem Senat eine eigene Sachentscheidung gemäß § 354 StPO wegen fehlender Feststellungen nicht möglich ist, ist die Sache zurückzuverweisen.
50Für die erneute Hauptverhandlung wird darauf hinzuweisen sein, dass ein willkür-
51liches Abbremsen aus hoher Geschwindigkeit, um den nachfolgenden Kraftfahrzeugführer zu einer scharfen Bremsung oder Vollbremsung zu zwingen, (auch) eine Nötigung i.S.d. § 240 StGB und auch einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr durch Hindernisbereiten i.S.d. § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen kann (zu vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1990, 265). Hierzu enthält das angefochtene Urteil bisher keinerlei Feststellungen.
52Das neue Tatgericht wird sich auch näher mit dem Konkurrenzverhältnis der einzelnen - drei - geschilderten Fahrmanöver des Angeklagten, soweit sie einen Straftatbestand erfüllen, auseinanderzusetzen haben.“
53Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.
54Soweit die Generalstaatsanwaltschaft eine Verurteilung des Angeklagten wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr durch Hindernisbereiten iSd.
55§ 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB für möglich erachtet, ist vorsorglich Folgendes anzumerken:
56Nach der neueren Rechtsprechung des BGH setzt ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr iSd. § 315 b Abs. 1 StGB voraus, dass zu dem bewußt zweck-widrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, dass es der Täter mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug - mißbraucht (vgl. BGHSt 48, 233-239; BGH NStZ-RR 2012,
57123-124).
58Ferner weist der Senat darauf hin, dass die bisherigen Feststellungen zum ersten Überholvorgang eine Verurteilung gem. § 315 c I Nr. 2 b StGB tragen können.
59Nach alledem ist das Urteil mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechts-mittels, an das Amtsgericht Münster zurückzuverweisen.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Es ist links zu überholen.
(2) Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt.
(3) Das Überholen ist unzulässig:
- 1.
bei unklarer Verkehrslage oder - 2.
wenn es durch ein angeordnetes Verkehrszeichen (Zeichen 276, 277) untersagt ist.
(3a) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t führt, darf unbeschadet sonstiger Überholverbote nicht überholen, wenn die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m beträgt.
(4) Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden. Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 m und außerorts mindestens 2 m. An Kreuzungen und Einmündungen kommt Satz 3 nicht zur Anwendung, sofern Rad Fahrende dort wartende Kraftfahrzeuge nach Absatz 8 rechts überholt haben oder neben ihnen zum Stillstand gekommen sind. Wer überholt, muss sich so bald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Wer überholt, darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern.
(4a) Das Ausscheren zum Überholen und das Wiedereinordnen sind rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.
(5) Außerhalb geschlossener Ortschaften darf das Überholen durch kurze Schall- oder Leuchtzeichen angekündigt werden. Wird mit Fernlicht geblinkt, dürfen entgegenkommende Fahrzeugführende nicht geblendet werden.
(6) Wer überholt wird, darf seine Geschwindigkeit nicht erhöhen. Wer ein langsameres Fahrzeug führt, muss die Geschwindigkeit an geeigneter Stelle ermäßigen, notfalls warten, wenn nur so mehreren unmittelbar folgenden Fahrzeugen das Überholen möglich ist. Hierzu können auch geeignete Seitenstreifen in Anspruch genommen werden; das gilt nicht auf Autobahnen.
(7) Wer seine Absicht, nach links abzubiegen, ankündigt und sich eingeordnet hat, ist rechts zu überholen. Schienenfahrzeuge sind rechts zu überholen. Nur wer das nicht kann, weil die Schienen zu weit rechts liegen, darf links überholen. Auf Fahrbahnen für eine Richtung dürfen Schienenfahrzeuge auch links überholt werden.
(8) Ist ausreichender Raum vorhanden, dürfen Rad Fahrende und Mofa Fahrende die Fahrzeuge, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen.
(1) Wer im Straßenverkehr
- 1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er - a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder - b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder - 2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos - a)
die Vorfahrt nicht beachtet, - b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt, - c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt, - d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt, - e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält, - f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder - g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.
(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Es hat weiter die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und in der Sicherungsverwahrung angeordnet und zum einen bestimmt, dass die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vor der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu vollziehen ist, und zum anderen , dass vor der Unterbringung in der Entziehungsanstalt drei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind.
- 2
- Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt und die er auf die Anordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt wissen will.
- 3
- Sein Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Der gesamte Maßregelausspruch war aufzuheben.
- 4
- 1. Die Beschränkung auf die Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) ist hier unwirksam. Die Anfechtung erstreckt sich auch auf die zugleich angeordnete Unterbringung in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB). Beide Anordnungen sind - wie sich auch aus den Urteilsgründen ergibt (UA S. 42 ff.) - untrennbar verknüpft. Sie können nicht losgelöst voneinander geprüft und beurteilt werden (vgl. auch § 72 StGB).
- 5
- 2. Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es kann dahinstehen, ob die vom Landgericht gegebene Begründung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) und des Bundesgerichtshofs (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 8. Februar 2012 - 2 StR 346/11; BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - 4 StR 594/11) gerecht wird. Die Maßregelanordnung war schon deshalb aufzuheben, weil die Strafkammer bei der Prüfung des Hangs und im Rahmen der Gefahrenprognose zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu dessen Nachteil verwertet hat (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 5 StR 267/11; BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 5 StR 189/11 und BGH, Beschluss vom 5. April 2011 - 3 StR 12/11 jeweils mwN). Der Angeklagte bestreitet die Taten im Wesentlichen (UA S. 20 bis 22). Die Strafkammer stellt gleichwohl bei Bejahung der materiellen Voraussetzungen des § 66 StGB u.a. darauf ab, dass der Angeklagte zu seinen Taten nicht steht, diese im Wesentlichen bestreitet, sein Verhalten bagatellisiert und die Opferzeugin der Lüge bezichtigt (UA S. 40/41). Dieses Verhalten durfte ihm im Zuge der Maßregelanordnung nicht angelastet werden. Anderenfalls wäre der Angeklagte gezwungen , seine Verteidigungsstrategie aufzugeben, will er hinsichtlich der Siche- rungsverwahrung einer ihm ungünstigen Entscheidung entgegenwirken (vgl. BGH aaO).
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- Die Aufhebung der Anordnung der Sicherungsverwahrung zieht die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt nach sich, da beide hier untrennbar miteinander verknüpft sind.
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- Es kommt deshalb nicht darauf an, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft die Zeit der erlittenen Untersuchungshaft von der Dauer des Vorwegvollzugs der Unterbringung gemäß § 64 StGB abgezogen hat (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 - 5 StR 423/11 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 28. September 2011 - 2 StR 376/11; BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 4 StR 17/11 jeweils mwN; auch Fischer, StGB, 59. Aufl., Rn. 9a zu § 67 StGB).
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- Es kann auch dahinstehen, ob im vorliegenden Fall zu erörtern gewesen wäre, dass sich an die Unterbringung in die Entziehungsanstalt erst die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anschließt, der Angeklagte also nicht ohne Weiteres im Anschluss an die Therapie in Freiheit kommt (vgl. hierzu BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 14 = BGH, Beschluss vom 9. Oktober 1998 - 2 StR 423/98 zu § 67 Abs. 2 StGB aF). Nack Rothfuß Elf Jäger Sander
(1) Wird jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Auch wenn die Straftat nicht bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, kommt die Anordnung eines Fahrverbots namentlich in Betracht, wenn sie zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann. Ein Fahrverbot ist in der Regel anzuordnen, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 3 oder § 316 die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 unterbleibt.
(2) Das Fahrverbot wird wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. In anderen ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt.
(3) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tage an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.
(4) Werden gegen den Täter mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.
(1) Wer im Straßenverkehr
- 1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er - a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder - b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder - 2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos - a)
die Vorfahrt nicht beachtet, - b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt, - c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt, - d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt, - e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält, - f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder - g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.
(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Bei Ordnungswidrigkeiten nach den § 24 Absatz 1, § 24a Absatz 1 bis 3 und § 24c Absatz 1 und 2 ist Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten die Behörde oder Dienststelle der Polizei, die von der Landesregierung durch Rechtsverordnung näher bestimmt wird. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen.
(2) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist das Kraftfahrt-Bundesamt
- 1.
abweichend von Absatz 1 bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 1, soweit es für den Vollzug der bewehrten Vorschriften zuständig ist, oder - 2.
bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 2 Satz 1.
(3) Die Frist der Verfolgungsverjährung beträgt bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 1 drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen ist noch öffentliche Klage erhoben worden ist, danach sechs Monate. Abweichend von Satz 1 beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 oder 10 zwei Jahre, soweit diese Ordnungswidrigkeiten Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften mit Anforderungen an Fahrzeuge oder Fahrzeugteile betreffen, die der Genehmigung ihrer Bauart bedürfen. Die Frist der Verfolgungsverjährung beträgt bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c und d und Nummer 2 Buchstabe c und d fünf Jahre.
(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch
- 1.
die erste Vernehmung des Betroffenen, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe, - 2.
jede richterliche Vernehmung des Betroffenen oder eines Zeugen oder die Anordnung dieser Vernehmung, - 3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch die Verfolgungsbehörde oder den Richter, wenn vorher der Betroffene vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist, - 4.
jede Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung der Verfolgungsbehörde oder des Richters und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten, - 5.
die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Betroffenen durch die Verfolgungsbehörde oder den Richter sowie jede Anordnung der Verfolgungsbehörde oder des Richters, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Ermittlung des Aufenthalts des Betroffenen oder zur Sicherung von Beweisen ergeht, - 6.
jedes Ersuchen der Verfolgungsbehörde oder des Richters, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen, - 7.
die gesetzlich bestimmte Anhörung einer anderen Behörde durch die Verfolgungsbehörde vor Abschluß der Ermittlungen, - 8.
die Abgabe der Sache durch die Staatsanwaltschaft an die Verwaltungsbehörde nach § 43, - 9.
den Erlaß des Bußgeldbescheides, sofern er binnen zwei Wochen zugestellt wird, ansonsten durch die Zustellung, - 10.
den Eingang der Akten beim Amtsgericht gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 2 und die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde nach § 69 Abs. 5 Satz 1, - 11.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung, - 12.
den Hinweis auf die Möglichkeit, ohne Hauptverhandlung zu entscheiden (§ 72 Abs. 1 Satz 2), - 13.
die Erhebung der öffentlichen Klage, - 14.
die Eröffnung des Hauptverfahrens, - 15.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung.
(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.
(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 31 Abs. 3 bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist, mindestens jedoch zwei Jahre verstrichen sind. Wird jemandem in einem bei Gericht anhängigen Verfahren eine Handlung zur Last gelegt, die gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit ist, so gilt als gesetzliche Verjährungsfrist im Sinne des Satzes 2 die Frist, die sich aus der Strafdrohung ergibt. § 32 bleibt unberührt.
(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht. Die Unterbrechung tritt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7, 11 und 13 bis 15 auch dann ein, wenn die Handlung auf die Verfolgung der Tat als Straftat gerichtet ist.