Hanseatisches Oberlandesgericht Urteil, 16. Dez. 2014 - 1 Rev 49/14

bei uns veröffentlicht am16.12.2014

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Amtsgericht Hamburg hat die Angeklagte wegen Parteiverrats zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Landgericht hat mit Urteil vom 10. Juli 2014 die - auf das Strafmaß beschränkte - Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen und auf die Berufung der Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Angeklagte aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Gegen den Freispruch richtet sich die - auf die Sachrüge gestützte - Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

A.

I.

2

Mit Anklage der Staatsanwaltschaft war der Angeklagten vorgeworfen worden, pflichtwidrig die Zeugin L im Zeitraum vom 6. Oktober 2010 bis zum 3. Februar 2011 in einem gegen sie gerichteten Strafverfahren wegen des Vorwurfs der uneidlichen Falschaussage vertreten zu haben. Der Zeugin L sei - wie der Angeklagten bewusst gewesen sei - zur Last gelegt worden, in der Hauptverhandlung gegen die Frau B als Zeugin falsch ausgesagt zu haben. Die Angeklagte habe das Mandat übernommen, obwohl sie, wie ihr gleichfalls bewusst gewesen sei, bereits Frau B in einem Strafverfahren wegen des Vorwurfs verteidigt habe, mit der - zum Zeitpunkt ihrer Zeugenaussage insoweit bereits rechtskräftig verurteilten - Frau L gemeinsam einen Betrug begangen zu haben.

II.

3

Das Landgericht hat die Angeklagte auf der Grundlage folgender Feststellungen und Bewertung freigesprochen:

4

1. Die Angeklagte hat als Rechtsanwältin zeitgleich sowohl die Zeugin B als auch die Zeugin L jeweils in gegen diese gerichteten Strafverfahren verteidigt.

5

Gegen beide Zeuginnen erging jeweils ein Strafbefehl über eine Geldstrafe wegen gemeinschaftlich miteinander begangenen Betruges. Der Strafbefehl gegen die Zeugin L wurde nach Ablauf der Einspruchsfrist rechtskräftig, während die von der Zeugin B mit ihrer Verteidigung betraute Angeklagte Einspruch gegen den gegen die Zeugin B ergangenen Strafbefehl einlegte.

6

In der Hauptverhandlung gegen die Zeugin B vor dem Amtsgericht Hamburg sagte auch die frühere Mitbeschuldigte L als Zeugin aus. Sie bestritt in ihrer Aussage den der Zeugin B vorgeworfenen Tatablauf. Das Amtsgericht schenkte den Angaben der Zeugin L keinen Glauben und verurteilte die Zeugin B zu einer Geldstrafe. Gegen die Zeugin L leitete die Staatsanwaltschaft wegen ihrer Aussage noch am selben Tag ein Ermittlungsverfahren wegen falscher uneidlicher Aussage ein.

7

Die Zeugin B ließ durch die Angeklagte Berufung einlegen. In der Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Hamburg berief sich die Zeugin L nunmehr auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht und wurde unvernommen entlassen. Die Berufung wurde mit Urteil vom 18. Januar 2010 verworfen. Das Urteil wurde auf die Revision der Zeugin B mit Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 18. August 2010 teilweise aufgehoben und im Umfang der Aufhebung zur erneuten Entscheidung an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Nach Vorgesprächen wurde das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 StPO Mitte Februar 2011 endgültig eingestellt.

8

Zuvor war bereits am 22. September 2010 gegen die Zeugin L wegen des Vorwurfes der uneidlichen Falschaussage Anklage erhoben worden. Die Zeugin L meldete sich am 6. Oktober 2010 nach der Zustellung der Anklage telefonisch bei der Kanzlei der Angeklagten. Dort sprach sie mit der Büroangestellten der Anklagten, der Zeugin L, teilte dieser das amtsgerichtliche Aktenzeichen mit und bat um anwaltliche Vertretung durch die Angeklagte. Die Zeugin L legte, wie in der Kanzlei der Angeklagten üblich, selbständig einen Datensatz an, verschickte eine Prozessvollmacht an die Zeugin L und druckte einen Akteneinsichtsantrag aus, den sie unterschrieb und an das Amtsgericht versandte, wo er am 6. Oktober 2010 einging. Am 8. Oktober übersandte die Zeugin L die von der Zeugin L unterschriebene Vollmacht an das Amtsgericht mit einem von ihr, der Zeugin L, unterschriebenen Schriftsatz.

9

Am 8. Oktober 2010 rief der Zeuge RiAG J bei der Angeklagten an und teilte ihr mit, dass eine Vertretung der Zeugin L mit Blick auf das Mandat der Zeugin B und dem ansonsten bestehenden Verdacht des Parteiverrats nicht in Betracht kommen dürfte. Der Zeuge J, der sich zuvor über den Stand des Verfahrens gegen die Zeugin B informiert hatte, hat diesbezüglich folgendes in der Akte vermerkt:

10

„Telefonat mit Rechtsanwalt M. (vom 08.10.2010) Ich habe ihr mitgeteilt, dass eine Vertretung der Beschuldigten L nicht in Betracht kommen dürfte, da sie bereits die Angeklagte B verteidigt. Es käme Parteiverrat in Betracht. Sie will das Mandat umgehend niederlegen“. (UA S. 7)

11

Der Angeklagten wurde der Vorgang von der Zeugin L „spätestens“ (UA S. 7) am 21. Oktober 2010 vorgelegt, da die beantragte Akteneinsicht noch nicht gewährt worden war. Die Angeklagte „erinnerte sich an die zuvor am 08.10.2010 vom Zeugen J telefonisch erhaltenen mündlichen Mitteilungen. Sie entschloss sich aber, die Akte gleichwohl anzufordern, um sich ein eigenes Bild von den Verfahrenszusammenhängen machen zu können“ (UA S. 7 f.). Die Angeklagte hatte keine schriftlichen Unterlagen aus dem Verfahren gegen die Zeugin L, die den mündlichen Hinweis des Zeugen J bestätigt hätten. Dementsprechend erinnerte sie mit an das Amtsgericht gerichteten Schriftsätzen vom 21. Oktober 2010 und vom 15. Dezember 2010 an ihr unerledigtes Akteneinsichtsgesuch vom 6. Oktober 2010, bevor sie auf einen erneuten Hinweis des Zeugen J schließlich das Mandat am 3. Februar 2011 niederlegte. Die Zeugin L wurde später wegen uneidlicher Falschaussage verurteilt.

12

2. Das Landgericht hat die Angeklagte freigesprochen, da sie den Zeuginnen nicht pflichtwidrig gedient habe. Das erste Akteneinsichtsgesuch vom 6. Oktober 2010 sei ihr nicht zuzurechnen. Die weiteren Akteneinsichtsgesuche seien nicht pflichtwidrig. Die Angeklagte habe sich nicht auf die bloß mündlich erteilten Auskünfte des Zeugen J verlassen müssen, sondern sei als Organ der Rechtspflege dazu berufen und berechtigt, gegenüber ihrer Mandantin, der Zeugin L, sogar verpflichtet gewesen, sich über die Sach- und Rechtslage durch Akteneinsicht zu informieren.

B.

13

Das Urteil hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Die gegen den Freispruch gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat schon deshalb Erfolg, weil die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Strafbarkeit wegen Parteiverrats abgelehnt hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen. Nach § 356 Abs. 1 StGB macht sich ein Anwalt strafbar, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient.

I.

14

Mit Recht ist die Strafkammer zwar davon ausgegangen, dass der Angeklagten in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin mit der Verteidigung der Zeugin L und der Zeugin B die Vertretung von zwei Parteien in derselben Rechtssache anvertraut war.

15

1. Parteien in diesem Sinne sind die an einer Rechtssache beteiligten Personen (BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 - 5 StR 109/07 Rn. 11; Gillmeister in Leipziger Kommentar, 12. Aufl., § 356 Rn. 39), die ein rechtliches Anliegen verfolgen, vorliegend die Vertretung der Zeuginnen L und B in Strafsachen in dem Bemühen um Straflosigkeit oder eine milde Strafe. Die Parteistellung hängt nicht an der prozessrechtlichen Parteistellung oder einer anderen formellen Verfahrensbeteiligung (Gillmeister, a.a.O., Rn. 43). Der Begriff derselben Rechtssache umfasst alle Angelegenheiten, die zwischen mehreren Beteiligten mit jedenfalls möglicherweise entgegengesetzten rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden sollen (BGH, a.a.O., Rn. 11). Maßgeblich ist dabei der sachlich-rechtliche Inhalt der anvertrauten Interessen (Dahs in MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 356 Rn. 43), das dem Rechtsanwalt unterbreitete Lebensverhältnis in seinem gesamten Tatsachen- und materiellen Rechtsgehalt; dies gilt selbst dann, wenn dieses in Verfahren verschiedener Art und verschiedener Zielrichtung der maßgebliche Verfahrensgegenstand ist (BGH, a.a.O., Rn. 20). Als Parteien derselben Rechtssache sind für das Strafverfahren der Angeklagte und sämtliche, im Verhältnis zu diesem nicht völlig unbeteiligte Zeugen anerkannt (BGH, a.a.O, Rn. 12 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 4. Februar 1954 - 4 StR 724/53, BGHSt 5, 301, 304; weitergehend generell für Zeugen: Fischer, StGB, 61. Aufl., § 356 Rn. 6, Kuhlen, a.a.O., Rn. 26; Müssig, NStZ 2009, 421, 423 f.).

16

2. Um eine völlig unbeteiligte Zeugin handelte es sich bei der Zeugin L im Verhältnis zur seinerzeit angeklagten Zeugin B nach den Urteilsfeststellungen erkennbar nicht. Sie war als Mittäterin der nämlichen Tat (§ 264 StPO) rechtskräftig verurteilt worden und war wegen ihrer zeugenschaftlichen Aussagen in dem Verfahren gegen die Zeugin B der uneidlichen Falschaussage verdächtig. Die Zeuginnen L und B hatten hiernach ersichtlich wechselseitig ein rechtliches Interesse am jeweiligen Verlauf ihrer Verfahren und am Aussageverhalten der jeweils anderen, an das rechtliche Folgen für den jeweils anderen geknüpft waren.

II.

17

Soweit die Berufungsstrafkammer aber in den Akteneinsichtsgesuchen der Angeklagten kein pflichtwidriges Dienen erkennt, legt sie einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde.

18

1. Pflichtwidrig handelt der Rechtsanwalt, der beiden Parteien trotz widerstreitender Interessen dient.

19

a) Der Begriff des Dienens durch Rat und Beistand erfasst jede berufliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts, durch die das Interesse einer Partei gefördert werden soll (BGH, Urteil vom 2. Dezember 1954 - 4 StR 500/54, BGHSt 7, 17, 19 [Vertretungsanzeige]; Rogall in SK-StGB, 128. Lfg., § 356 Rn. 26). Hierfür reicht bereits die Vorlage einer Verteidigervollmacht ebenso wie die Informationsbeschaffung und Sachverhaltsaufklärung im Rahmen eines Mandats aus. Dies gilt auch, wenn der Rechtsbeistand die Informationen durch Akteneinsicht erhält (vgl. Gillmeister, a.a.O., Rn. 53).

20

b) Hingegen ist darüber hinaus - anders als bei § 356 Abs. 2 StGB - ein Nachteil für oder eine Gefährdung der Interessen der anderen Partei nicht erforderlich (BVerfG, [Kammerbeschluss vom 24. Mai 2001 - 2 BvR 1373/00; NJW 2001, 3180, 3181; BGH, a.a.O., S. 21; BayObLG, Urteil vom 26. Juli 1989 - RReg. 3 St 50/89, NJW 1989, 2903; vgl. aber auch KG, Urteil vom 10. Mai 2006 - (3) 1 Ss 409/05 [139/05], NStZ 2006, 688). Dies folgt aus dem Deliktscharakter. Der Parteiverrat ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt (Fischer, a.a.O., Rn. 2), bei dem die - generelle - Gefährlichkeit des strafbaren Handelns durch den Gesetzgeber bestimmt ist.

21

c) Der Straftatbestand des Parteiverrats schützt daher nicht in erster Linie die nur mittelbar erfassten Auftraggeber, sondern das Vertrauen der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit und Integrität der Anwaltschaft, die Funktionsfähigkeit der Anwaltschaft in ihren inneren und äußeren Funktionsbedingungen, ihr Ansehen als Institution und Organ der Rechtspflege (BVerfG [Kammer], Beschluss vom 24. Mai 2001 - 2 BvR 1373/00; NJW 2001, 3180 3181; Rogall, a.a.O., § 356 Rn. 3). Anders als im Zivilverfahren unterliegen die Interessen der Verfahrensbeteiligten im Strafverfahren allenfalls eingeschränkt ihrer Disposition; maßgeblich ist die objektiv wirkliche Interessenlage (BGH, Urteil vom 16. November 1962 - 4 StR 344/62, BGHSt 18, 192, 198; Kuhlen, a.a.O., Rn. 52 m. w. Nachw; ferner Müller/Leitner, MAH Strafverteidigung, 2. Aufl., § 39 Rn. 115). Normativ ist es das Interesse der Parteien, im Rahmen der Regeln des Strafverfahrens nicht oder gegebenenfalls möglichst mild bestraft zu werden und insoweit durch den Verteidiger unvoreingenommen über die verschiedenen Handlungsspielräume und Möglichkeiten informiert und beraten zu werden.

22

d) Soweit der Begriff des pflichtwidrigen Dienens demgegenüber zur Abgrenzung von straflosen Vorbereitungs- und Versuchshandlungen einschränkend dahin ausgelegt wird, es müsse sich um eine materielle Tätigkeit, nicht bloß um reine Vorfeldtätigkeiten und formelle Tätigkeiten, welche die Interessen des anderen Mandanten nicht unmittelbar berühren, handeln (Fischer, a.a.O., Rn. 10 Heine/Weißer in Schönke/Schröder, a.a.O., Rn. 14; Kuhlen, a.a.O., Rn. 18), wird dies dem Wortlaut und dem genannten Zweck der Vorschrift nicht gerecht. Die vorgeschlagenen Einschränkungen laufen darauf hinaus, den maßgeblichen Interessengegensatz ausschließlich subjektiv zu bestimmen und eine konkrete Gefährdung der Mandanteninteressen in den Vordergrund zu stellen oder - teilweise überschneidend - den Deliktscharakter zu einem sogenannten abstrakt-konkreten („potentiellen“) Gefährdungsdelikt (zum Begriff: BGH, Urteil vom 25. März - 1 StR 493/98, Rn. 9; Heine/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., Vorbem. §§ 306 ff., Rn. 4) abzuwandeln.

23

2. Gemessen hieran tragen die Urteilsgründe ein pflichtwidriges Dienen der Angeklagten.

24

a) Durch ihre Anträge auf Akteneinsicht im Verfahren gegen die Zeugin L hat die wirksam bevollmächtigte Angeklagte - jedenfalls anknüpfend an den bereits durch ihre Bürovorsteherin gestellten Akteneinsichtsantrag - eine Informationsbeschaffung betrieben und damit objektiv und wissentlich der Zeugin L gedient.

25

b) Die Urteilsfeststellungen tragen auch die tatbestandlich erforderliche Pflichtwidrigkeit.

26

(1) Bei den Zeuginnen L und B bestand ein Interessenwiderstreit. Ein strafmilderndes Geständnis der einen hätte zur Belastung der jeweils anderen geführt. Die Angeklagte war nicht mehr in der Lage, beide Zeuginnen jeweils unvoreingenommen und umfassend über Vor- und Nachteile unterschiedlicher Vorgehensweisen und Ziele der Verteidigung zu informieren. Unerheblich ist aus den genannten, spezifisch auf das Strafverfahren bezogenen Gründen, dass beide Zeuginnen den ihnen vorgeworfenen Betrug bestritten haben.

27

(2) Die Pflichtwidrigkeit wird auch durch die übrigen Urteilsfeststellungen nicht in Zweifel gezogen.

28

(a) Hiernach stellte die Angeklagte den Akteneinsichtsantrag vom 21. Oktober 2010, „um sich ein eigenes Bild von den Verfahrenszusammenhängen machen zu können, zumal sie bis dahin keine schriftlichen Unterlagen aus dem Verfahren“ gegen die Beschuldigte L „vorliegen hatte“ (UA S. 7/8).

29

(b) Zwar mag es sein, dass sich ein Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege nicht auf den Hinweis eines Richters betreffend einen aus dessen Sicht bestehenden Interessenwiderstreit verlassen muss. Im Einzelfall mag hierzu über ein sorgfältig zu führendes Anbahnungsgespräch hinaus auch der Inhalt der jeweiligen Verfahrensakten von Bedeutung sein. So lag es hier aber nicht. Der Angeklagten war ausweislich der Urteilsfeststellungen sowohl der Inhalt der Verfahrensakte im Strafverfahren gegen ihre Mandantin B als auch der Inhalt der in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht getätigten Aussage der Zeugin L bekannt. Vor diesem Hintergrund war jede weitere Aktenkenntnis zu einer sorgfältigen Beurteilung etwa widerstreitender Interessen erkennbar nicht erforderlich.

30

(c) Aber auch rechtlich waren weder die - mit Blick auf die Feststellungen zur subjektiven Tatseite hier bedeutungslose - Erteilung einer Strafprozessvollmacht noch die begehrte Akteneinsicht nach § 147 StGB für die Angeklagte erforderlich, um „sich ein eigenes Bild von den Verfahrenszusammenhängen“ zu machen (UA S. 8). Die Angeklagte hätte auch ohne Strafprozessvollmacht die begehrten Auskünfte nach § 475 Abs. 1 StPO erhalten und entsprechend beantragen können. Hiernach kann ein Rechtsanwalt für eine Privatperson Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt.

31

Privatpersonen sind solche, die nicht schon nach den vorrangigen Vorschriften (etwa §§ 147, 406e StPO) Auskünfte oder Akteneinsicht erhalten (vgl. Hilger in Le-Rosenberg, 26. Aufl., § 475 Rn. 3). Solange eine Strafprozessvollmacht nicht erteilt worden ist, steht ein Rechtsanwalt im Zuge eines Anbahnungsgespräches einer Privatperson gleich; auf ein eigenes Akteneinsichts- oder Auskunftsrecht kann er sich nämlich zu diesem Zeitpunkt nicht berufen. Das - auch berufsrechtlich gebotene (§ 43a Abs. 4 BRAO) - Interesse an einer Abklärung eines etwaigen Interessenwiderstreits zwischen einem bereits bestehenden Mandatsverhältnis und einem solchen, das sich noch in der Anbahnungsphase befindet, erweist sich grundsätzlich auch als berechtigtes Interesse im Sinne des § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO. An den zur Begründung dieses Anspruchs gebotenen schlüssigen Tatsachenvortrag sind mit Blick auf die gesetzlichen Wertungen des § 53 StPO wie § 203 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2014 - StB 8/13) keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Namentlich wird eine Benennung der Rechtsrat nachsuchenden Person regelmäßig nicht gefordert werden können. Der Umfang der Aktenauskunft korrespondiert hiernach - anders als das nach § 147 i.V.m. § 169a StPO unbegrenzte Akteneinsichtsrecht - im Zuge einer gerichtlichen Ermessensbetätigung mit dem dargelegten berechtigten Interesse. So kann bereits die - auch auf der Geschäftsstelle des Gerichts zu gewährleistende - Auskunft über einzelne Aktenbestandteile, Seiten oder Teilbände, ausreichen, um im Einzelfall diesem Interesse an der Abklärung eines Interessenwiderstreits zu genügen.

32

(d) Vor diesem regelungssystematischen Hintergrund und dem eindeutigen Wortlaut des § 147 Abs. 1 StPO, der ausdrücklich auf die Verteidigerstellung abhebt, besteht für eine - ersichtlich - entsprechende Anwendung der Norm auf das Mandatsanbahnungsverhältnis die notwendige Regelungslücke jedenfalls in solchen Konstellationen nicht, in denen ein Interessenwiderstreit aufzuklären ist. Ob diese Regelungslücke in anderen Verfahrenskonstellationen, etwa bei der Überprüfung des Umfangs eines Verfahrens, besteht - was eher fernliegt - bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. aber für eine entsprechende Anwendung nur Lüderssen/Jahn in Le-Rosenberg a.a.O., § 147 Rn. 121; Wohlers in SK-StPO, 4. Aufl., § 147 Rn. 21; m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 147 Rn. 9).

33

3. Der genannte Rechtsfehler schlägt auch auf die Feststellungen des Landgerichts zum subjektiven Tatbestand durch.

34

4. Lediglich ergänzend bemerkt der Senat:

35

a) Sollte das neue Tatgericht den hier aufgehobenen Urteilsgründen entsprechende Feststellungen treffen, dürfte die Annahme fernliegen, dass die Angeklagte die Akteneinsicht zum Zwecke der Abklärung des Interessenwiderstreits begehrte. Ersichtlich mit ihrer Genehmigung war eine Strafprozessvollmacht der Zeugin L zur Akte gelangt. Diese wies im Außenverhältnis - ersichtlich auch für die Angeklagte - ein bestehendes Verteidigungsverhältnis nach. Zur Abklärung eines Interessenwiderstreits wäre die Fortführung des Mandats aber nicht erforderlich gewesen. In Kenntnis der nach außen unbegrenzt bestehenden Strafprozessvollmacht begehrte die Angeklagte sodann aber ohne jeden Hinweis auf eine entsprechende Abklärungsabsicht umfänglich Einsicht in die Verfahrensakten; dies sogar, nachdem der Zeuge J ihr seinen entsprechenden Verdacht nahegebracht hatte, was zumindest - entsprechend gebotener anwaltlicher Vorsicht - Aufklärungsbemühungen und eine Klarstellung geboten erschienen lassen hätte.

36

b) Auch läge - entgegen der Ansicht der Berufungsstrafkammer - die Annahme eines vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums (§ 16 StGB) für den Zeitraum nach dem Anruf des Zeugen J mit Blick auf die gebotene Gesamtwürdigung der vorliegenden Beweistatsachen, namentlich der Aktennotiz des Zeugen J vom 28. Januar 2011 (UA S. 9), nicht etwa nahe. Soweit die Kommentarliteratur bislang davon ausgeht, dass § 147 StPO auch ein Akteneinsichtsrecht im Mandatsanbahnungsverhältnis umfasst, ändert dies nichts. Denn auch hiernach wäre die Anzeige, dass die Einsicht allein zur Prüfung der Mandatsübernahme begehrt wird, obligatorisch gewesen (vgl. nur Lüderssen/Jahn in Le-Rosenberg a.a.O., § 147 Rn. 21 m.w.N.).

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Strafgesetzbuch - StGB | § 356 Parteiverrat


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Strafgesetzbuch - StGB | § 147 Inverkehrbringen von Falschgeld


(1) Wer, abgesehen von den Fällen des § 146, falsches Geld als echt in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafprozeßordnung - StPO | § 169a Vermerk über den Abschluss der Ermittlungen


Erwägt die Staatsanwaltschaft, die öffentliche Klage zu erheben, so vermerkt sie den Abschluß der Ermittlungen in den Akten.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2014 - StB 8/13

bei uns veröffentlicht am 18.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS S t B 8 / 1 3 vom 18. Februar 2014 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland hier: sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Besc

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1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Handelt derselbe im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei, so tritt Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren ein.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Handelt derselbe im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei, so tritt Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren ein.

(1) Wer, abgesehen von den Fällen des § 146, falsches Geld als echt in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann unbeschadet des § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.

(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können auch Privatpersonen und sonstigen Stellen Auskünfte aus den Akten erteilt werden.

(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.

(2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenteile sowie die Besichtigung von amtlich verwahrten Beweisgegenständen versagt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. Liegen die Voraussetzungen von Satz 1 vor und befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder ist diese im Fall der vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen in geeigneter Weise zugänglich zu machen; in der Regel ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren.

(3) Die Einsicht in die Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.

(4) Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(6) Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluß der Ermittlungen auf. Dem Verteidiger oder dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.

(7) (weggefallen)

(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. In den in § 395 genannten Fällen bedarf es der Darlegung eines berechtigten Interesses nicht.

(2) Die Einsicht in die Akten ist zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. Sie kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, gefährdet erscheint. Sie kann auch versagt werden, wenn durch sie das Verfahren erheblich verzögert würde, es sei denn, dass die Staatsanwaltschaft in den in § 395 genannten Fällen den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat.

(3) Der Verletzte, der nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 und 2 befugt, die Akten einzusehen und amtlich verwahrte Beweisstücke unter Aufsicht zu besichtigen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten übermittelt werden. § 480 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für die in § 403 Satz 2 Genannten.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befaßten Gerichts. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar, solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(1) Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.

(2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Dies gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Der Rechtsanwalt hat die von ihm beschäftigten Personen in Textform zur Verschwiegenheit zu verpflichten und sie dabei über die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung zu belehren. Zudem hat er bei ihnen in geeigneter Weise auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht hinzuwirken. Den von dem Rechtsanwalt beschäftigten Personen stehen die Personen gleich, die im Rahmen einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an seiner beruflichen Tätigkeit mitwirken. Satz 4 gilt nicht für Referendare und angestellte Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen wie der Rechtsanwalt unterliegen. Hat sich ein Rechtsanwalt mit anderen Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen unterliegen wie er, zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen und besteht zu den Beschäftigten ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so genügt auch der Nachweis, dass eine andere dieser Personen die Verpflichtung nach Satz 4 vorgenommen hat.

(3) Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben.

(4) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Das Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des Rechtsanwalts nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit des Rechtsanwalts sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Rechtsanwalt auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für die Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst im Rahmen der Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. Absatz 4 Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn dem Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 eine Tätigkeit als Referendar nach Satz 1 zugrunde liegt.

(6) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für ein berufliches Tätigwerden des Rechtsanwalts außerhalb des Anwaltsberufs, wenn für ein anwaltliches Tätigwerden ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 bestehen würde.

(7) Der Rechtsanwalt ist bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Fremde Gelder sind unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen.

(8) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden.

(1) Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann unbeschadet des § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.

(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können auch Privatpersonen und sonstigen Stellen Auskünfte aus den Akten erteilt werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt

1.
Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
2.
Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3.
Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist; für Syndikusrechtsanwälte (§ 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung) und Syndikuspatentanwälte (§ 41a Absatz 2 der Patentanwaltsordnung) gilt dies vorbehaltlich des § 53a nicht hinsichtlich dessen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3a.
Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3b.
Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit in einer Beratungsstelle, die eine Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
4.
Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst;
5.
Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.
Die in Satz 1 Nr. 5 genannten Personen dürfen das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

(2) Die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3b Genannten dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind. Die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 Genannten über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen entfällt, wenn die Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll oder wenn Gegenstand der Untersuchung

1.
eine Straftat des Friedensverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 80a, 85, 87, 88, 95, auch in Verbindung mit § 97b, §§ 97a, 98 bis 100a des Strafgesetzbuches),
2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1 des Strafgesetzbuches oder
3.
eine Geldwäsche nach § 261 des Strafgesetzbuches, deren Vortat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist,
ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Zeuge kann jedoch auch in diesen Fällen die Aussage verweigern, soweit sie zur Offenbarung der Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten oder der ihm im Hinblick auf seine Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 gemachten Mitteilungen oder deren Inhalts führen würde.

(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als

1.
Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
2.
Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlußprüfung,
3.
Rechtsanwalt, Kammerrechtsbeistand, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten,
3a.
Organ oder Mitglied eines Organs einer Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten, einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechtsanwälten oder europäischen niedergelassenen Rechtsanwälten oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Patentanwälten oder niedergelassenen europäischen Patentanwälten im Zusammenhang mit der Beratung und Vertretung der Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Berufsausübungsgesellschaft im Bereich der Wirtschaftsprüfung, Buchprüfung oder Hilfeleistung in Steuersachen oder ihrer rechtsanwaltlichen oder patentanwaltlichen Tätigkeit,
4.
Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist,
5.
Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,
6.
staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem Sozialpädagogen oder
7.
Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als

1.
Amtsträger oder Europäischer Amtsträger,
2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt,
4.
Mitglied eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, das nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans ist, oder als Hilfskraft eines solchen Ausschusses oder Rates,
5.
öffentlich bestelltem Sachverständigen, der auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, oder
6.
Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Einem Geheimnis im Sinne des Satzes 1 stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen gleich, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfaßt worden sind; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden, soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt.

(2a) (weggefallen)

(3) Kein Offenbaren im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen Geheimnisse den bei ihnen berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen zugänglich machen. Die in den Absätzen 1 und 2 Genannten dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist; das Gleiche gilt für sonstige mitwirkende Personen, wenn diese sich weiterer Personen bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der in den Absätzen 1 und 2 Genannten mitwirken.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm bei der Ausübung oder bei Gelegenheit seiner Tätigkeit als mitwirkende Person oder als bei den in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen tätiger Datenschutzbeauftragter bekannt geworden ist. Ebenso wird bestraft, wer

1.
als in den Absätzen 1 und 2 genannte Person nicht dafür Sorge getragen hat, dass eine sonstige mitwirkende Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind,
2.
als im Absatz 3 genannte mitwirkende Person sich einer weiteren mitwirkenden Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, bedient und nicht dafür Sorge getragen hat, dass diese zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind, oder
3.
nach dem Tod der nach Satz 1 oder nach den Absätzen 1 oder 2 verpflichteten Person ein fremdes Geheimnis unbefugt offenbart, das er von dem Verstorbenen erfahren oder aus dessen Nachlass erlangt hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 sind auch anzuwenden, wenn der Täter das fremde Geheimnis nach dem Tod des Betroffenen unbefugt offenbart.

(6) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
S t B 8 / 1 3
vom
18. Februar 2014
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
im Ausland
hier: sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss
des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 2013
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 18. Februar 2014
gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 2013 - 2 BGs 147/13 - wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels sowie die dem Beschuldigten und Rechtsanwalt R. dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.


1
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft ineiner terroristischen Vereinigung im Ausland. Auf seinen Antrag ordnete der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 6. Dezember 2011 in diesem Verfahren die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation über die vom Beschuldigten genutzten Fernmeldeanschlüsse an. Bei der Durchführung dieser Anordnung wurden am 12. Dezember 2011 zwei Anrufe des Rechtsanwalts R. aufgezeichnet. In dem ersten Telefonat ab 18:02:03 Uhr sprach Rechtsanwalt R. mit einer unbekannten Person, in dem zweiten ab 18:54:47 Uhr mit dem Beschuldigten selbst. Inhalt der Telefonate war das Angebot des Rechtsanwalts R. , den Beschuldigten in dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren anwaltlich zu vertreten. Es wurde ein Besprechungstermin für den Folgetag vereinbart. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2011 legitimierte sich Rechtsanwalt R. als Verteidiger des Beschuldigten unter Beifügung einer unterzeichneten Strafprozessvollmacht.
2
Über die Ergebnisse der am 30. Dezember 2011 beendeten Überwachung erstellte das Bundeskriminalamt unter dem 28. Februar 2012 einen Zwischenbericht. Mit Schreiben vom 10. August 2012 benachrichtigte der Generalbundesanwalt den Beschuldigten sowie Rechtsanwalt R. von den Maßnahmen. Im eigenen wie auch im Namen des Beschuldigten beantragte Rechtsanwalt R. mit am 22. August 2012 eingegangenem Schreiben, die Rechtswidrigkeit der Überwachung der beiden Telefongespräche vom 13. Dezember 2011 festzustellen. Der Generalbundesanwalt trat den Anträgen entgegen , ordnete jedoch mit Verfügung vom 6. September 2012 die Sperrung der entsprechenden Aufzeichnungen für eine Verwendung zu anderen Zwecken als die der gerichtlichen Überprüfung der Maßnahmen an (§ 101 Abs. 8 Satz 3 StPO).
3
Mit Beschluss vom 16. Mai 2013 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs unter Verwerfung der weitergehenden Anträge die Rechtswidrigkeit des Vollzugs der angeordneten Überwachung in Bezug auf Rechtsanwalt R. insoweit festgestellt, als die Aufzeichnungen beider Telefonate nicht mit Ablauf des 28. Februar 2012 gelöscht wurden, hinsichtlich des Beschuldigten sei die unterbliebene Löschung zu dem genannten Zeitpunkt bezüglich des zweiten, ab 18:54:47 Uhr geführten Gesprächs rechtswidrig. Hiergegen wendet sich der Generalbundesanwalt mit der sofortigen Beschwerde.

II.


4
Das Rechtsmittel ist zulässig. Der Senat entnimmt den Materialien den Willen des Gesetzgebers, die sofortige Beschwerde nach § 101 Abs. 7 Satz 3 StPO auch gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters über die Art und Weise des Vollzugs einer Maßnahme nach § 101 Abs. 1 StPO zuzulassen (BTDrucks. 16/5846, S. 62 f.; aA SK-StPO/Frisch, 4. Aufl., § 304 Rn. 66). Diese erweist sich jedoch als unbegründet.
5
1. Die anlässlich der verfahrensgegenständlichen Telefongespräche erlangten Erkenntnisse dürfen - wie der Ermittlungsrichter zutreffend festgestellt hat - gemäß § 160a Abs. 1 Satz 2 und 5 StPO nicht verwendet werden, da Rechtsanwalt R. über diese als Verteidiger des Beschuldigten gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO das Zeugnis verweigern dürfte.
6
a) Nach dieser Vorschrift bekanntgeworden ist dem Berufsausübenden all das, was ihm in anderer Weise als durch Anvertrauen im Sinne des Mitteilens in der erkennbaren Erwartung des Stillschweigens (hM, vgl. SK-StPO/ Rogall, 4. Aufl., § 53 Rn. 62 mwN; weitergehend SK-StGB/Hoyer, 56. Ergänzungslieferung , § 203 Rn. 20 f.) in funktionalem Zusammenhang mit seiner Berufsausübung zur Kenntnis gelangt, unabhängig davon, von wem, aus welchem Grund oder zu welchem Zweck er sein Wissen erworben hat (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2011 - IV ZB 23/09, NJW 2011, 1077, 1078 zu § 43a Abs. 2 BRAO; OLG Köln, Beschluss vom 4. Juli 2000 - Ss 254/00, NJW 2000, 3656, 3657; SK-StPO/Rogall, 4. Aufl., § 53 Rn. 63; Radtke/Hohmann/Otte, StPO, § 53 Rn. 10; LR/Ignor/Bertheau, StPO, 26. Aufl., § 53 Rn. 17). Nicht erfasst sind allein solche Tatsachen, die er als Privatperson oder nur anlässlich seiner Berufsausübung in Erfahrung gebracht hat (BGH, Beschluss vom 15. Novem- ber 2006 - StB 15/06, BGHSt 51, 140, 141; OLG Bamberg, Beschluss vom 11. August 1983 - 4 Ws 401/83, StV 1984, 499, 500). Wenn auch eigene Tätigkeiten oder Äußerungen des Zeugnisverweigerungsberechtigten mangels eigener Wahrnehmung nicht bekanntgewordene Tatsachen sein können (vgl. BGHSt 51, 140, 142 f.), so werden sie dennoch dann vom Zeugnisverweigerungsrecht erfasst, wenn Angaben über diese Tätigkeiten oder Äußerungen Rückschlüsse auf geschützte Tatsachen zulassen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1977 - 1 StR 287/77, bei Holtz MDR 1978, 281).
7
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen unterliegt der gesamte Inhalt beider verfahrensgegenständlicher Telefongespräche dem Schutz des § 53 StPO. Ungeachtet des Umstands, von wem die Initiative für die Telefonate ausging, standen die Äußerungen der Gesprächspartner von Rechtsanwalt R. jeweils in direktem Bezug zu dessen Funktion. Da das Weigerungsrecht des Verteidigers nicht von seiner Beziehung zum Beschuldigten, sondern allein vom Vernehmungsgegenstand abhängt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1985 - 2 StR 561/84, BGHSt 33, 148, 152), kommt es auch nicht darauf an, dass die den ersten Anruf entgegennehmende Person zu keinem Zeitpunkt ein Mandatsverhältnis mit Rechtsanwalt R. begründen wollte.
8
c) Dass zum Zeitpunkt der Telefonate ein Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt R. und dem Beschuldigten noch nicht bestand, ist ebenfalls ohne Bedeutung. Denn das berufsbezogene Vertrauensverhältnis, das zu schützen § 53 StPO beabsichtigt (vgl. KK-Senge, StPO, 7. Aufl., § 53 Rn. 1), beginnt nicht erst mit Abschluss des zivilrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrages , sondern umfasst auch das entsprechende Anbahnungsverhältnis (BGHSt aaO S. 151 zum Arzt-Patienten-Verhältnis; SK-StPO/Rogall aaO, Rn. 84, 101). Ein Beschuldigter, der auf der Suche nach einem Verteidiger ist, bringt jedem Rechtsanwalt, mit dem er zu diesem Zweck kommuniziert, typischerweise das Vertrauen entgegen, dass der Inhalt dieser Gespräche vertraulich behandelt wird, unabhängig davon, ob anschließend ein Verteidigungsverhältnis zustande kommt (Schäfer, Festschrift für Hanack, 1999, 77, 82). Damit besteht bereits zu diesem Zeitpunkt die Sonderbeziehung, die von einer - vornehmlich zu § 203 StGB vertretenen (S/S-Lenckner/Eisele, StGB, 28. Aufl., § 203 Rn. 15 mwN; ablehnend OLG Köln aaO) und vom Generalbundesanwalt für seine Argumentation herangezogene - Ansicht über den funktionalen Zusammenhang mit der Berufsausübung hinaus verlangt wird. Der Senat kann daher offenlassen, ob dieser Ansicht zu folgen wäre (ebenso BGH aaO, S. 150 f.).
9
d) Dieses Verständnis des Tatbestandsmerkmals des Bekanntwerdens ist - unabhängig davon, ob es tatsächlich, wie der Generalbundesanwalt meint, Ergebnis einer weiten bzw. ausdehnenden Auslegung ist (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 20. Dezember 1977 - 1 StR 287/77, bei Holtz MDR 1978, 281; SKStPO /Rogall aaO, Rn. 63; Radtke/Hohmann/Otte aaO; LR/Ignor/Bertheau, StPO aaO) - vom dargelegten Schutzzweck der Norm her geboten. Das bestehende Spannungsverhältnis zwischen der Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts und der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit als unerlässliche Voraussetzung der Verwirklichung des Schuldprinzips wurde vom Gesetzgeber gesehen. Dennoch hat er - im Bewusstsein der zu § 53 StPO ergangenen Rechtsprechung - dem Vertrauensverhältnis zunächst nur zum Verteidiger, später auch zu dem nicht verteidigenden Rechtsanwalt uneingeschränkten Vorrang eingeräumt und in § 160a Abs. 1 StPO ein absolutes Erhebungs- und Verwendungsverbot statuiert (BT-Drucks. 16/5846, S. 25, 35 f.; BT-Drucks. 17/2637, S. 6). Soweit das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang die Pflicht zur Wahrheitserforschung betont hat, geschah dies mit Blick auf den am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG zu messenden, abschließenden Charakters der in § 53 StPO aufgeführten Berufsgruppen (Beschluss vom 19. Juli 1972 - 2 BvL 7/71, BVerfGE 33, 367, 383 zum Sozialarbeiter; Beschluss vom 15. Januar 1975 - 2 BvR 65/74, NJW 1975, 588, 589 zum Tierarzt ). Eine Einschränkung des Schutzes des Vertrauensverhältnisses ist damit nicht zu rechtfertigen oder gar verfassungsrechtlich geboten (vgl. BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 u.a., BVerfGE 109, 279, 329).
10
e) Darauf, ob die einzelnen Äußerungen aus objektiver Sicht vertrauensund damit schutzwürdig erscheinen, kann es nicht ankommen. Derjenige, der Vertrauen sucht, muss, um dieses Vertrauen aufbauen zu können, im Vorfeld sicher sein, dass sämtliche vom Berufsausübenden in seiner Funktion gewonnenen Erkenntnisse unabhängig von der Bewertung durch Dritte dem Zeugnisverweigerungsrecht unterfallen. Allerdings findet der Schutz bei solchen Informationen eine Grenze, die gerade mit dem Ziel erteilt werden, sie an Dritte weiterzugeben (BGH, Beschluss vom 20. Juli 1990 - StB 10/90, StV 1990, 433; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Januar 2009 - 5 Ws 24/09, NStZ 2010, 164). Dies trifft bezogen auf einen Verteidiger zwar auf die Mitteilung des Bestehens eines Mandatsverhältnisses - wie vorliegend mit Schreiben vom 13. Dezember 2011 geschehen - zu. Davon unberührt bleibt jedoch, dass darauf bezogene weitere Erkenntnisse wie der Umstand, wann, auf wessen Initiative und aus welchen Gründen es zu einer Kontaktaufnahme gekommen war, grundsätzlich nicht offengelegt werden sollen.
11
2. Der Ermittlungsrichter ist auch zutreffend von einem Vorrang der Regelung des § 160a Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Satz 3 StPO gegenüber § 101 Abs. 8 StPO ausgegangen, weshalb sich die unterlassene Löschung der Aufzeichnung seit 28. Februar 2012 als rechtswidrig erweist. Dem Generalbundesanwalt ist allerdings darin zuzustimmen, dass das Ziel der Regelung, einer Perpetuierung der Verletzung des Erhebungsverbots nach § 160a Abs. 1 Satz 1 StPO vorzubeugen und die Einhaltung des Verwertungsverbots nach § 160a Abs. 1 Satz 2 StPO abzusichern (BT-Drucks. 16/5846, S. 36), die Schaffung des absoluten Löschungsgebots nicht zwingend erfordert hätte. Es hätte vielmehr ausgereicht, eine - vorliegend allerdings auch nicht am 28. Februar 2012 vorgenommene, sondern erst mit Verfügung vom 6. September 2012 angeordnete - Sperrung der Daten wie nach § 101 Abs. 8 Satz 3 Halbs. 2 StPO vorzusehen. Gegen ein Nebeneinander beider Vorschriften sprechen jedoch Wortlaut und Gesetzgebungsgeschichte ; ein solches ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten.
12
a) Der Wortlaut des § 160a Abs. 1 Satz 3 StPO ist eindeutig. Während § 101 Abs. 8 StPO zwischen Löschung im Sinne des Unkenntlichmachens gespeicherter personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 4 Nr. 5 BDSG) und Sperrung zum Zwecke der gerichtlichen Überprüfung der Maßnahme (vgl. § 3 Abs. 4 Nr. 4 BDSG) unterscheidet, verlangt § 160a Abs. 1 Satz 3 StPO stets die Löschung. Da beide Regelungen durch dasselbe Gesetz (Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007) eingeführt wurden, kann ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber - ohne dies deutlich zu machen - dem Begriff der Löschung in § 160a Abs. 1 Satz 3 StPO unter bestimmten Voraussetzungen auch als Sper- rung im Sinne des § 101 Abs. 8 Satz 3 Halbs. 2 StPO verstanden wissen wollte.
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b) § 160a Abs. 1 Satz 3 StPO stellt auch nicht lediglich eine Spezialregelung gegenüber der Löschung im Sinne des § 101 Abs. 8 Satz 1 StPO dar, die den Anwendungsbereich für die Sperrung von Daten nach § 101 Abs. 8 Satz 3 Halbs. 2 StPO unberührt ließe. Eine Datensperrung nach dieser Vorschrift kommt nur dann in Betracht, wenn der Inhalt ansonsten für die Strafverfolgung nicht mehr erforderlicher und deshalb grundsätzlich zu löschender Erkenntnisse (§ 101 Abs. 8 Satz 1 StPO) lediglich zu Zwecken der gerichtlichen Überprüfung der Maßnahme aufbewahrt werden soll. Diese Gewährleistung nachträglichen Rechtsschutzes übernimmt nach dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen des § 160a Abs. 1 StPO jedoch die durch § 160a Abs. 1 Satz 4 StPO vorgesehene Regelung, wonach unter Verzicht auf eine inhaltliche Speicherung der Aufzeichnungen zur Sicherung etwaiger Rechtsschutzbegehren die Tatsache der Erlangung der unverwendbaren Erkenntnisse sowie der Löschung der entsprechenden Aufzeichnungen aktenkundig zu machen ist (BT-Drucks. 16/5846, S. 36). Dabei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. § 160a Abs. 1 Satz 3 und 4 StPO wurde § 100c Abs. 5 Satz 2 und 4 StPO nachgebildet, der seinerseits mit Gesetz vom 24. Juni 2005 zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 eingeführt wurde. Bezogen auf letztgenannte Bestimmungen wurden ausdrücklich etwaige der Vernichtung der erlangten Daten entgegenstehende Belange des (nachträglichen ) Rechtsschutzes mit Blick auf den Menschenwürdebezug von Aufzeichnungen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung als unerheblich bezeichnet (BT-Drucks. 15/4533, S. 15). Dies hatte das Bundesverfassungsgericht in Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz, wonach Art. 19 Abs. 4 GG eine Abstimmung der Pflicht zur Vernichtung mit der Rechtsschutzgarantie verlange (BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 2 BvR 2378/98 u.a., BVerfGE 109, 279, 380 f.), in diesem Zusammenhang gefordert. Denn wegen des Risikos einer Vertiefung der Persönlichkeitsverletzung habe jede weitere Aufbewahrung von höchstpersönlichen Daten, die nicht hätten erhoben werden dürfen, zu unterbleiben , auch wenn dadurch ein mögliches Interesse der Betroffenen auf vollständige Kenntnis darüber, welche Gesprächsinhalte von den Strafverfolgungsbehörden überwacht wurden, unbefriedigt bleibt (BVerfG aaO, S. 332 f.).
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c) Dass der Gesetzgeber auch bei dem Schutz der Vertraulichkeit des Verhältnisses eines Beschuldigten zu seinem Verteidiger Aspekte der Garantie der Menschenwürde in seine Überlegungen miteinbezogen und deswegen etwaige Belange eines nachträglichen Rechtsschutzes hintangestellt hat, ist von den Fachgerichten hinzunehmen; auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG bestehen insoweit keine Bedenken. Die für die Verkürzung der Rechtsschutzgarantie erforderliche Menschenwürderelevanz der personenbezogenen Erkenntnisse aus dem Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandant folgt daraus, dass § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO nicht nur generell den Schutz dieses Verhältnisses bezweckt, sondern seine Funktion darüber hinaus auch darin liegt dafür Sorge zu tragen, dass der Beschuldigte nicht zum bloßen Objekt eines Strafverfahrens wird (BVerfG aaO, S. 322; BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2011, 2 BvR 236/08 u.a., BVerfGE 129, 208, 263 f.; BT-Drucks. 16/5846, S. 25). Diese gesteigerte Bedeutung spiegelt sich auch in der Differenzierung zwischen den einzelnen Berufsgruppen in § 160a Abs. 1 und Abs. 2 StPO wider (vgl. zu der Verfassungsgemäßheit dieser Unterscheidung im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG BVerfG aaO, S. 261 ff.).
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d) Dass die unterschiedlichen Normen betreffend die Löschung und Speicherung von Daten sowie die diesbezüglichen Rechtsschutzmöglichkeiten insgesamt nicht ausgewogen aufeinander abgestimmt sind (vgl. KK-Bruns aaO, § 100c Rn. 37), lässt ein anderes Verständnis der § 160a Abs. 1 Satz 3 und 4 StPO angesichts der Eindeutigkeit der Auslegung nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte nicht zu.
Becker Hubert Mayer

Erwägt die Staatsanwaltschaft, die öffentliche Klage zu erheben, so vermerkt sie den Abschluß der Ermittlungen in den Akten.

(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.

(2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenteile sowie die Besichtigung von amtlich verwahrten Beweisgegenständen versagt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. Liegen die Voraussetzungen von Satz 1 vor und befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder ist diese im Fall der vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen in geeigneter Weise zugänglich zu machen; in der Regel ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren.

(3) Die Einsicht in die Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.

(4) Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(6) Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluß der Ermittlungen auf. Dem Verteidiger oder dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.

(7) (weggefallen)

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.

(2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenteile sowie die Besichtigung von amtlich verwahrten Beweisgegenständen versagt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. Liegen die Voraussetzungen von Satz 1 vor und befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder ist diese im Fall der vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen in geeigneter Weise zugänglich zu machen; in der Regel ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren.

(3) Die Einsicht in die Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.

(4) Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(6) Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluß der Ermittlungen auf. Dem Verteidiger oder dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.

(7) (weggefallen)