Oberlandesgericht Hamm Urteil, 27. Okt. 2016 - 5 U 83/15
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 27.04.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit zukünftig eine Durchwurzelung der Rohrleitungen auf dem Grundstück der Kläger Q-Straße 7a in H durch den auf dem Beklagtengrundstück, Q-Straße 9, H befindlichen Silberahornbaum unterbleibt.
Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit ein Umstürzen oder Abbrechen und Herunterfallen von Teilen des Silberahornbaumes auf das oben genannte Grundstück der Kläger verhindert wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden dem Beklagten zu 70 % und dem Kläger zu 30 % auferlegt.Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten zu 80% und dem Kläger zu 20% auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Hinsichtlich des Hauptsachetenors darf der Beklagte die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 Euro abwenden, wenn die Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Im Übrigen darf der Beklagte die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Kläger Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2A.
3Die Parteien sind Nachbarn. Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Q-Straße 7a in H. Der Beklagte ist Eigentümer des Nachbargrundstückes Q-Straße 9. Beide Grundstücke befinden sich in einem Gebiet, in dem bergbaubedingte Einflüsse vorliegen.
4Die Parteien haben sich in erster Instanz unter anderem über die Höhe einer an ihrer gemeinsamen Grundstücksgrenze errichteten Eibenhecke gestritten, was jedoch nicht mehr Gegenstand im Berufungsverfahren ist. Genauso verhält es sich mit dem von den Klägern in erster Instanz beantragten Kostenvorschuss samt Feststellungsantrag. Diese Streitpunkte sind in einem im Senatstermin abgeschlossenen Teilvergleich erledigt worden.
5Auf dem Grundstück des Beklagten steht ein etwa 15-16 m hoher Silberahornbaum. Die Äste und Wurzeln dieses Baumes ragen und wachsen auf das Grundstück der Kläger herüber.
6Die Parteien streiten sich noch über die Verhinderung der Durchwurzelung von Rohrleitungen der Kläger durch den auf dem Beklagtengrundstück befindlichen Silberahornbaum sowie über dessen Stand- und Bruchfestigkeit.
7In der Kanalisation des klägerischen Hauses kann es seit geraumer Zeit immer wieder zu Rückstau von Schmutzwasser. Im Dezember 2011 beauftragten die Kläger deshalb die Rohrreinigungsfirma T2 mit der Überprüfung ihrer aus Steinzeug bestehenden Rohrleitungen. Die Firma stellte fest, dass die Rohrleitungen durchwurzelt waren, und nahm Ausfräsungen von Baumwurzeln in den Rohrleitungen der Kläger vor. Die Firma T2 stellte diese Arbeiten unter dem 16.01.2012 mit 422,93 Euro in Rechnung (Anlage A 10 Bl. 43).
8Seit dem Jahr 2012 führten die Kläger ein verwaltungsgerichtliches Verfahren gegen die Stadt H, weil die Stadt eine am 15.12.2011 von den Klägern beantragte Fällgenehmigung für den streitgegenständlichen Silberahornbaum abgelehnt hat. Aufgrund dieses Verfahrens holten die Kläger mit Datum vom 15.09.2012 (Anlage A 7, Bl. 21) und 05.11.2012 (Anlage A 8, Bl. 26) zwei Stellungnahmen des Dipl.- Ing. N ein. Diese haben sie ebenfalls zur Grundlage ihres erstinstanzlichen Vorbringens im hiesigen Verfahren gemacht. Zur Beseitigung der Wurzelschäden wurde in der Stellungnahme vom 05.11.2012 (Anlage A 8, Bl. 26) ein Betrag von 9.300,00 Euro ermittelt. Die Kosten für die Gutachten stellte Herr N den Klägern mit Rechnung vom 15.09.2012 mit 189,00 Euro und mit Rechnung vom 05.11.2012 mit 1.197,00 Euro in Rechnung.
9Im Oktober 2012 beauftragten die Kläger die Firma T2 erneut mit der Dichtheitsprüfung und Schadensfeststellung der Rohrleitungen. Diese Leistungen stellte die Firma T2 den Klägern mit Schreiben vom 19.10.2012 mit 952,00 Euro (Anlage A 6, Bl. 20) in Rechnung.
10Zur Abklärung eines möglicherweise bergbaubedingten Schadensanteils an der Durchwurzelung der Rohre holten die Kläger unter dem 20.03.2013 (Anlage A 16, Anlagenband zum Ss. vom 12.04.2013) ein weiteres Gutachten des Herrn N ein.
11Die Kläger holten außerdem ein Sachverständigengutachten des Dr. T zur zukünftigen Entwicklung der bestehenden Bepflanzung mit dem Silberahorn (Risikobewertung) ein, welches am 02.04.2013 fertiggestellt wurde (Anlage A 17, Anlagenband zum Ss. vom 12.04.2013).
12Zu der Frage, ob ein anderes Gehölz als der Silberahorn mit seinen Wurzeln in ihr Leitungssystem eingedrungen ist, holten die Kläger eine ergänzende Stellungnahme des Dr. T vom 29.07.2013 (Bl. 114 ff.) ein.
13Die Stadt H hat mit Schreiben vom 09.09.2015 (Bl. 311) die positive Bescheidung eines Antrags zur Fällgenehmigung des streitgegenständlichen Baumes angekündigt, wenn dieser Antrag vom Beklagten gestellt werden würde. Daraufhin erklärten die Beteiligten vor dem Verwaltungsgericht die Hauptsache für erledigt.
14Die Parteien haben in der Zeit vom 13.11.2012 bis 18.12.2012 erfolglos das Schlichtungsverfahren durchgeführt (Erfolglosigkeitsbescheinigung Anlage K 11, Bl. 44 ).
15Im Frühjahr 2016 ließen die Kläger die von der Durchwurzelung betroffenen Rohrleitungen durch die Firma P sanieren. Dies geschah durch eine Renovation der Leitungen mittels Schlauchlinern (Longliner).
16Die Kläger haben behauptet, dass ihre Rohrleitungen durch die Wurzeln des Silberahorns durchwurzelt werden. Die Bergbauschäden hätten nichts mit der bestehenden Durchwurzelung zu tun. Dies gehe auch aus dem Zusatzgutachten von Herrn N vom 20.03.2013 hervor (Anlage A 16). Weiterhin haben die Kläger unter Verweis auf S. 3 des Gutachtens von Herrn N vom 14.09.2012 (Bl. 23) behauptet, dass von dem Silberahorn eine Gefahr durch Sturmfall drohe. Der Baum sei nicht standsicher.
17Die Kläger sind außerdem der Ansicht gewesen, der Beklagte habe die Kosten für die Maßnahmen der Firma T2 sowie die Kosten für die Gutachten des Herrn N vom 15.09.2012 und 05.11.2012 von insgesamt 2.760,93 Euro zu ersetzen. Weiterhin habe der Beklagte die Kosten für die Reparatur des Leitungssystems zu tragen. Für künftige Sanierungsmaßnahmen seien gemäß dem Gutachten des Herrn N vom 05.11.2012 (Anlage A 8 Bl. 26 ff.) 9.300,00 Euro aufzuwenden.
18Die Kläger haben beantragt,
19den Beklagten zu verurteilen,
20- 21
1. durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die sich an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aber auf dem Grundstück des Beklagten befindlichen Eibenhecke eine Höhe von 2m zukünftig nicht überschreitet,
- 23
2. den an der gemeinsamen Grundstücksgrenze in einem Abstand von ca. 0,9 m stehenden Silberahorn zu fällen, ggfls. nach gerichtlicher Durchsetzung einer Fällgenehmigung durch die Stadt H,
- 25
3. hilfsweise zu 2 durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass eine Durchwurzelung des Leitungssystems auf dem Grundstück der Kläger durch den Silberahorn unterbleibt,
- 27
4. weiter hilfsweise zu 2 Maßnahmen zu treffen, die ein Umstürzen des Silberahorns oder das Abbrechen und Herunterfallen von Teilen des Silberahorns auf das Grundstück der Kläger, insbesondere des Eigenheims, verhindern,
- 29
5. an die Kläger 2.760,93 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit dieser Klage,
- 31
6. an die Kläger einen Kostenvorschuss zum Zwecke der Reparatur des Entwässerungssystems auf dem Grundstück der Kläger in Höhe von 9.300,00 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit,
- 33
7. hilfsweise zu 6 festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für die Sanierung des Entwässerungssystems auf dem Grundstück Q-Straße 7a der Kläger – soweit diese aufgrund einer Durchwurzelung des auf dem Grundstück des Beklagten stehenden Silberahorns beruht – zu übernehmen.
Der Beklagte hat beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Der Beklagte hat behauptet, der Silberahorn sei standfest. Die Durchwurzelung der Rohre auf dem klägerischen Grundstück gehe nicht von dem Silberahorn aus, sondern von den eigenen Bepflanzungen der Kläger. Es sei nicht nachweisbar, dass die Durchwurzelung von dem Silberahorn des Beklagten ausgehe. Wenn, dann sei eine Durchwurzelung nur deshalb möglich, weil sich die Leitungen in einem vorgeschädigten Zustand befunden hätten, insbesondere bergbaubedingt.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
38Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. I vom 21.11.2014 und des Sachverständigen Dr.-Ing. L vom 03.01.2014 sowie von zwei Ergänzungsgutachten Dr. L vom 05.05.2014 (allesamt Anlagen zur Gerichtsakte).
39Das Landgericht hat bezüglich der Anträge zu 1., 5. und 7. (Hilfsantrag) antragsgemäß entschieden. Den Antrag zu 6. (Hauptantrag zu Antrag zu 7) hat das Landgericht nur in Höhe von 5.378,00 Euro als begründet angesehen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt:
401.
41Die Kläger hätten gem. §§ 823, 1004 BGB i.V.m. § 42 NachbG NW einen Anspruch gegen die Beklagten, Maßnahmen zu ergreifen, damit die Eibenhecke eine Höhe von 2 m nicht überschreitet.
422.
43Gem. §§ 823 Abs. 1, 249 BGB hätten die Kläger weiterhin einen Anspruch gegen den Beklagten darauf, diejenigen Schäden ersetzt zu bekommen, die auf ihrem Grundstück aufgrund der Durchwurzelung durch den Silberahorn entstanden seien.
44Dazu gehörten die Kosten der Schadensfeststellung in Höhe von insgesamt 2.760,93 Euro, nämlich durch die Firma T2 gem. Rechnungen vom 19.10.2012 (952,00 Euro) und 16.01.2012 (422,93 Euro) sowie die Kosten der Gutachten des Herrn N gem. Rechnungen vom 15.09.2012 (189,00 Euro) und 05.11.2012 (1.197,00 Euro). Diese hätten der Schadensfeststellung und gleichzeitig der Vorbereitung des zu führenden Schadensersatzprozesses gedient. Solche Kosten gehörten als notwendige Begleitkosten zu dem, was zur Wiederherstellung des vor dem Schadensereignis bestehenden Zustandes geboten sei. Außerdem seien die Kosten auch für die Ausfräsung, also für die unmittelbare – vorläufige – Schadensbeseitigung entstanden.
45Den Klägern stehe es weiterhin zu, von dem Beklagten den Ersatz der Kosten für die Reparatur der Leitungen zu verlangen. Ein Kostenvorschuss sei nicht möglich. Der Antrag sei dahingehend auszulegen, dass der Kläger Ersatz der voraussichtlich anfallenden Kosten, die er durch die Gutachten beziffert habe, ersetzt verlange. Die Mehrwertsteuer sei jedoch nicht erstattungsfähig. Der Sachverständige L habe die Aufwendungen zur Schadensbeseitigung in seinem Gutachten vom 03.01.2014 nachvollziehbar kalkuliert. Unter Berücksichtigung der Schadensminderungspflicht, aber auch der Effektivität der Maßnahme, sei aus der Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Geschädigten eine Reparatur mit Schlauchlinern (bzw. Longlinern) durchzuführen. Diese Maßnahme werfe laut Sachverständigengutachten Kosten i.H.v. 9.550,00 Euro auf, verhindere jedoch auch laut Sachverständigengutachten weitere Schäden durch einwachsende Wurzeln. Außerdem trete eine Wertverbesserung der bestehenden Anlage ein. Der Kläger müsse sich den Wert der durch die Reparatur entstehenden Nutzungsverlängerung durch einen Abzug „neu für alt“ anrechnen lassen. Es sei, wie vom Sachverständigen L ausgewiesen, ein Abzug von 33% vorzunehmen, sodass ein Betrag von 6.400,00 Euro abzüglich Mehrwertsteuer, also schließlich ein Betrag von 5.378,00 Euro, von den Beklagten zu erstatten sei.
46Sollten bei der tatsächlichen Herstellung weitere Kosten anfallen, so seien diese ebenso wie die dann auszuweisende und zu zahlende Mehrwertsteuer vom Beklagten zu erstatten (Feststellungsantrag zu 7).
47Es habe kein Mitverursachungsbeitrag des Klägers festgestellt werden können. Selbst wenn Bergschäden verantwortlich wären, wozu es keine verlässlichen Auskünfte des Sachverständigen gegeben habe, so fielen diese nicht in den Verantwortungsbereich der Kläger. Verlegungsfehler ließen sich ebenfalls nicht konkret feststellen.
483.
49Ein Anspruch auf Beseitigung des Silberahornbaumes bestehe nicht. Die Auswertung des Sachverständigengutachtens des Dr. I habe ergeben, dass der Baum standsicher sei, was das Landgericht im Einzelnen ausführt.
50Zwar seien die Wurzeln des Silberahorns in das Kanalsystem unterhalb des Hauses der Kläger, Q-Straße 7a, eingewachsen. Grundsätzlich bestünde auch eine vom Baum ausgehende weitere Gefährdung. Das Landgericht sei – nach zunächst vertretener anderer Auffassung – nunmehr jedoch der Überzeugung, dass aufgrund der erforderlichen und zu erwartenden Reparatur des Leitungssystems mit Schlauchlinern, zukünftig weitere Einwüchse des Wurzelsystems verhindert würden. Auch dies ergebe sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. L.
51Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung.
52Die Kläger behaupten, es bestehe auch nach der Renovation noch die Gefahr, dass Wurzeln des Silberahornbaumes in die Leitungen ihres Entwässerungssystems einwüchsen. Es sei nachgewiesen, dass die Wurzeln nach Einbau des Schlauchliners weiterhin in dem Raum zwischen dem Schlauchliner und dem Trägermaterial (hier: Steinzeug) weiterwüchsen. Dies sei der Fall, da der Schlauchliner beim Einbau mit dem Trägermaterial nicht kraftschlüssig verklebt werde. Weiterhin würden lediglich 19-20 m von 60 m der Rohleitungen mit einer Barriere gegen das Einwachsen von Wurzeln ausgestattet werden. Ziehe man weitere 6,5 m wegen Bergbauschäden sanierte Grundleitung ab, blieben immer noch ca. 34 m Grundleitung übrig, welche keinen Schutz gegen einwachsende Wurzeln hätten. Es sei zu erwarten, dass die Wurzeln nach ein paar Jahren in die Bereiche (34 m) eindrängen, die dann nicht mit Schlauchliner ausgekleidet seien. Der Sachverständige Dr. I habe geäußert, dass die Wurzeln nach Überbrückung einer Barriere weiterstrebten und dem Leitungsverlauf der Rohre folgten, bis sie eine neue Stellen fänden, um in das Grundleitungssystem zu gelangen. Außerdem habe das Institut für unterirdische Infrastruktur (IKT) H die Feststellung getroffen, dass Wurzeln nicht nur in undichte Rohre bzw. Rohrverbindungen einwüchsen, sondern auch in dichte, die den Wurzeln keinen ausreichenden Widerstand entgegenstellen. Auch die von ihnen – den Klägern – eingeholte „ergänzende Stellungnahme“ des Sachverständigen Dr. T vom 26.05.2015 (Bl. 301 ff.) komme zu dem Ergebnis, dass das Gericht einer Fehlannahme erlegen sei, wenn es davon ausgehe, dass nach Einbau des Schlauchliners in Zukunft die Leitungen gegen Wurzeleinwuchs geschützt seien. Das Landgericht sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass durch die Auskleidung mit Schlauchlinern das gesamte Leitungssystem unter dem Haus des Klägers geschützt bleibe.
53Der Silberahorn sei außerdem keineswegs standsicher. Das ergebe sich aus dem Sachverständigengutachten des Dr. I vom 24.11.2014. Der Silberahorn weise demnach einen potenziell instabilen und gefährlichen Druckzwiesel aus. Eine starke Windböe könne dazu führen, dass der Druckzwiesel auseinander reiße und die fast halbe Baumkrone teilweise auf das Haus der Kläger stürze.
54Die Kläger haben ursprünglich beantragt,
55den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen
56- 57
1. den an der gemeinsamen Grundstücksgrenze in einem Abstand von ca. 0,9 m stehenden Silberahorn zu fällen, ggfls. nach gerichtlicher Durchsetzung einer Fällgenehmigung durch die Stadt H,
- 59
2. hilfsweise zu 1., durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass eine Durchwurzelung des Leitungssystems auf dem Grundstück der Kläger durch den Silberahorn unterbleibt,
- 61
3. weiter hilfsweise zu 1., Maßnahmen zu treffen, die ein Umstürzen des Silberahorns oder das Abbrechen und Herunterfallen von Teilen des Silberahorns auf das Grundstück der Kläger, insbesondere das Eigenheim, verhindern,
- 63
4. an die Kläger einen Kostenvorschuss zum Zwecke der Reparatur des Entwässerungssystems auf dem Grundstück der Kläger in Höhe von 9.300,00 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit.
In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien einen Teilvergleich über die von dem Beklagten zu erstattenden Kosten für die Sanierung der Rohrleitungen geschlossen, nachdem im Auftrage der Kläger von der Fa. P im März 2016 die im wesentlich durch Wurzeleinwuchs betroffenen ca. 20 m Entwässerungsleitungen im Schlauchlinerverfahren saniert worden waren. Die Fa. P stellte dafür 12.149,90 € brutto in Rechnung (Bl. 361).
65Die Kläger beantragen nunmehr,
66den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen
67- 68
1. den an der gemeinsamen Grundstücksgrenze in einem Abstand von ca. 0,9 m stehenden Silberahorn zu fällen, ggfls. nach gerichtlicher Durchsetzung einer Fällgenehmigung durch die Stadt H,
- 70
2. hilfsweise zu 1., durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass eine Durchwurzelung des Leitungssystems auf dem Grundstück der Kläger durch den Silberahorn unterbleibt,
- 72
3. weiter hilfsweise zu 1., Maßnahmen zu treffen, die ein Umstürzen des Silberahorns oder das Abbrechen und Herunterfallen von Teilen des Silberahorns auf das Grundstück der Kläger, insbesondere des Eigenheims verhindern.
Der Beklagte beantragt,
74die Berufung zurückzuweisen.
75Er verteidigt das angefochtene Urteil, indem er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.
76Es werde bestritten, dass sich die Ausdehnung der Wurzeln weiter fortbilden werde, also in Bereiche vordringe, in denen bisher keine Wurzeleinwüchse beobachtet worden seien.
77Es werde des Weiteren bestritten, dass nach dem Einbringen von Longlinern (Schlauchlinern) Wurzeln den Querschnitt der Kunststoffrohre beeinträchtigen könnten.
78Der Baum sei standsicher.
79Das Oberlandesgericht hat Beweis erhoben durch eine ergänzende Anhörung der Sachverständigen Dr. I und Dr. L zu ihren schriftlich erstatteten Gutachten. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zu der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2016 verwiesen.
80B.
81Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
82I.
83Der Hauptantrag ist allerdings unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB auf das Fällen des Silberahornbaumes. Aus § 1004 Abs. 1 BGB kann grundsätzlich von dem Störer keine konkrete Maßnahme zur Beseitigung der Beeinträchtigung verlangt werden. Insoweit liegt das Wahlrecht grundsätzlich beim Störer (Palandt/Bassenge, BGB, 75.Aufl. 2016, § 1004 BGB, Rn. 51). Die Kläger haben mit dem Fällen des Baumes aber gerade eine solche konkrete Maßnahme beantragt. Das Fällen des Baumes ist auch nicht die einzige Maßnahme, die dazu geeignet ist, die von dem Silberahornbaum ausgehenden Beeinträchtigungen zu verhindern.
841.
85Die Beeinträchtigung, die für das Eigentum des Klägers von dem Silberahornbaum aufgrund des Druckzwiesels ausgeht, kann neben dem Fällen des Baumes durch eine Kronensicherung beseitigt werden. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest, aufgrund des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. I vom 24.11.2014 und dessen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung. In seinem schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige Dr. I aufgezeigt, dass durch eine Kronensicherung das Auseinanderbrechen der Stämmlinge des Silberahornbaumes verhindert werden könne. Dies hat er in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen sind überzeugend, lückenlos und widerspruchsfrei. Auch seine mündlichen Erläuterungen in der Verhandlung vor dem Senat haben überzeugt. Sie decken sich mit den Schilderungen, die der Sachverständige in seinem Gutachten getätigt hat.
862.
87Die Beeinträchtigungen, die von den Wurzeln des Silberahornbaumes für die im Eigentum der Kläger stehenden Leitungen zu besorgen sind, können neben dem Fällen des Baumes auch dadurch beseitigt werden, dass das gesamte Leitungssystem der Kläger mit Schlauchlinern (Longlinern) ausgekleidet wird. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Erklärungen des Sachverständigen Dr. L in der mündlichen Verhandlung fest. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Renovation der Leitungen mittels Schlauchlinern (Longlinern) zwar nicht zu einer vollkommenen Wurzelfestigkeit der Leitungen führe, die Wahrscheinlichkeit des Einwachsens von Wurzeln jedoch durch eine Auskleidung des gesamten Leitungssystems mit Schlauchlinern erheblich verringert werde. Würde das gesamte Leitungssystem mit Schlauchlinern ausgekleidet, so bestünde eine Wahrscheinlichkeit von 99,5 %, dass keine Wurzeln mehr in das Leitungssystem der Kläger einwüchsen. Dabei müsse man mit weiteren Kosten in einer Größenordnung von etwa 20.000,00 Euro rechnen. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. L haben den Senat überzeugt. Sämtliche Fragen im Senatstermin vermochte der Sachverständige präzise zu beantworten. Seine Erklärungen ergänzten die von ihm in seinen schriftlichen Gutachten gemachten Ausführungen ohne zu diesen im Widerspruch zu stehen.
88Das nach einer solchen Sanierung mit allenfalls 0,5 % zu veranschlagende Risiko erneuter Wurzeleinwachsungen kann nach Auffassung des Senats vernachlässigt werden, zumal mit der Komplettsanierung des Grundleitungssystems eine erhebliche Wertverbesserung, verbunden mit einem nachhaltigen Schutz der Leitungen auch vor den Wurzeln anderer Gewächse, einherginge. Sollte sich der Beklagte, um seinen Baumbestand zu erhalten, zu dieser - auf seine Kosten durchzuführenden – Sanierung entschließen, ist es den Klägern deshalb zuzumuten, die dafür auf ihrem Grundstück erforderlichen Maßnahmen zu dulden. Bei der insoweit zu treffenden Abwägung hat der Senat auch berücksichtigt, dass durch eine zeitnahe Beseitigung des Silberahorns ein weiterer großer Baum auf dem Grundstück des Beklagten, wie der Sachverständige Dr. I ausgeführt hat, seine Standfestigkeit verlieren könnte und zur Abwehr erheblicher Gefahren für das Haus des Beklagten und seine Bewohner ebenfalls gefällt werden müsste.
89II.
90Die Hilfsanträge zu 2) und 3) sind zulässig und begründet.
911.
92Die Hilfsanträge zu 2) und 3) sind zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Anträge unter einer Bedingung gestellt worden sind. Solche Hilfsanträge sind als Ausnahme von der grundsätzlichen Bedingungsfeindlichkeit von Anträgen (so § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zulässig, weil es sich bei der Bedingung um ein innerprozessuales Ereignis, nämlich die Unbegründetheit des Hauptantrages handelt. Eine derartige Bedingung bewirkt keine Rechtsunsicherheit, wie sie § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verhindern soll, weil sie allein von der Entscheidung des erkennenden Gerichts abhängt.
93Es handelt sich bei den Hilfsanträgen zu 2) und 3) um eine zulässige anfängliche, objektive, kumulative Klagehäufung gem. § 260 ZPO.
942.
95Der Hilfsantrag zu 2) ist begründet.
96Den Klägern steht aus § 1004 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf das Ergreifen von Maßnahmen durch den Beklagten zu, damit ein Wurzeleinwuchs in ihr Eigentum, nämlich ihr Rohrleitungssystem, in Zukunft unterbleibt.
97Auch ein Begehren auf Unterlassung zukünftiger Beeinträchtigungen ist von dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB umfasst (Palandt/Bassenge a.a.O. Rn. 31 ff.). Dem Beklagten stehen in diesem Zusammenhang zwei Handlungsmöglichkeiten offen, um die Beeinträchtigung zu verhindern. Zum einen das Fällen des Ahornbaumes und zum anderen das Auskleiden des kompletten Leitungssystems der Kläger mit Schlauchlinern (s.u. I. 2.).
98a)
99Das klägerische Grundstück ist mit einem Einfamilienhaus bebaut. Die Kläger sind Eigentümer dieses Gebäudes gem. §§ 946, 94 BGB. Die streitgegenständlichen Rohre stehen ebenfalls im Eigentum der Kläger. Bei den Rohren handelt es sich um wesentliche Bestandteile gem. § 94 Abs. 1 BGB. Aufgrund ihrer festen Verbindung mit Grund und Boden handelt es sich bei Versorgungs- und Entsorgungsleitungen für Gas, Wasser/Abwasser, elektrischen Strom, Fernwärme, Öl oder andere Rohstoffe grundsätzlich um wesentliche Bestandteile nach § 94 Abs. 1 BGB (MüKo/Stresemann, 7. Auflage 2015,§ 94 BGB, Rn. 16).
100b)
101Auch ist eine zukünftige Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger zu besorgen. Eine Beeinträchtigung ist jeder dem Inhalt des Eigentums widersprechende Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers (Palandt/Bassenge, a.a.O., § 1004, Rn. 6). Durch die Durchwurzelung der Leitungen und den damit eintretenden Rückstau des (Ab)-Wassers liegt eine Beeinträchtigung dieses Eigentums vor (s.a. BGH, Urteil vom 26.04.1991, Az. V Z 346/89 Rn. 13 zitiert nach juris). Eine solche Beeinträchtigung bestand bereits in der Vergangenheit durch in das Leitungssystem der Kläger einwachsende Wurzeln und damit eine Störung des Abflusses des (Ab)- Wassers mit der Konsequenz, dass es in den Leitungen der Kläger zu Rückstaus kam.
102Durch die Renovation der betreffenden Leitungen mittels Schlauchlinern (Longlinern) im Frühjahr 2016 wurde die ursprüngliche Beeinträchtigung zunächst beseitigt. Es liegt jedoch eine Wiederholungsgefahr vor. Entgegen der Annahme des Landgerichts steht zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass durch die erfolgte Renovation der Leitungen mittels Schlauchlinern nicht ausgeschlossen ist, dass auch in Zukunft Wurzeln in das Leitungssystem der Kläger einwachsen werden.
103Eine weitere ergänzende Beweisaufnahme war insoweit geboten. Es bestanden Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Einbau von Schlauchlinern den Wurzeleinwuchs in Zukunft verhindern könne, und stützte sich dabei auf das Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. L. Aus dem Sachverständigengutachten des Dr. L geht jedoch lediglich hervor, dass eine Renovation einen besseren Schutz vor nachwachsenden Wurzeln bietet als die Methode der Reparatur mit Kurzlinern. An keiner Stelle ist erwähnt, dass durch den Einbau von Schlauchlinern das Einwachsen von Wurzeln gänzlich verhindert werden kann.
104Zu dem Vorbringen der Kläger, dass Wurzeleinwuchs in Zukunft in nicht von dem Renovationsverfahren betroffenen Leitungsteilen zu erwarten sei, war ebenfalls Beweis zu erheben. Obwohl die Kläger erstmals in der Berufungsbegründung diese Argumentation angeführt haben, ist das Vorbringen nicht verspätet. Das Vorbringen war zuzulassen gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO, da die Nichtgeltendmachung nicht auf einer Nachlässigkeit der Kläger beruhte. Dies ist der Fall, da das Landgericht in der mündlichen Verhandlung augenscheinlich noch eine andere Rechtsauffassung vertreten hatte, nämlich die, dass der Silberahorn beseitigt werden müsse. Den Klägern ist keine Gelegenheit gegeben worden, sich zu der von dem Landgericht nunmehr vertretenen Rechtsauffassung, eine Reparatur mittels Schlauchlinern sei ausreichend, um den Wurzeleinwuchs zu verhindern, zu äußern.
105Im Rahmen der ihm nach § 286 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung hat der Senat nunmehr die Überzeugung gewonnen, dass zum Leitungssystem weitere Leitungen gehören, die bisher nicht saniert wurden, weshalb dort weiterhin Wurzeln eindringen können. Diese Annahme gründet sich auf die überzeugenden Erläuterungen der Sachverständigen Dr. I und Dr. L in der mündlichen Verhandlung.
106So hat der Sachverständige Dr. L erklärt, dass sich die von ihm im Gutachten vom 03.01.2014 vorgenommene Kalkulation der Kosten für ein Renovationsverfahren nur auf ein Teilbereich des Leitungssystems bezogen hätten, nämlich vier Leitungen. Er gehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass es daneben noch weitere Leitungen gebe, welche aber nicht untersucht worden sei.
107Durch die nunmehr vorgenommene Sanierung sei nicht das gesamte Leitungssystem geschützt. Die Vergangenheit zeige, dass nicht wurzelfest gebaut worden sei. Es könnte jederzeit zukünftig weiteres Wurzelwerk in den nicht sanierten Bereich des Leitungssystems eindringen. Der Silberahorn sei in dieser Hinsicht sehr aggressiv, da er ein Flachwurzler sei.
108Die Erörterungen des Sachverständigen Dr. L sind überzeugend und ergänzen das in seinem schriftlichen Gutachten gefundene Ergebnis. Dr. L hat die Beweisfragen präzise beantwortet und konnte durch Bezugnahmen auf das durch ihn gefertigte Gutachten nachvollziehbar und logisch begründen, wie er zu seinen Antworten ableitet.
109Der Sachverständige Dr. I hat ebenso plausibel dargelegt, dass eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass in Zukunft Wurzeln in die Rohrleitungen einwüchsen. Der bisher nicht betroffene Bereich könne von den Wurzeln befallen werden. Der Bereich sei ebenso anfällig wie der jetzt sanierte Bereich, da sich die Wurzeln den einfachsten Weg suchten. In der Nähe von Rohrleitungen, die in Sand oder Kies verlegt seien, hätten es die Wurzeln relativ einfach, das begünstige das Wurzelwachstum. Weiterhin bestehe durchaus die Möglichkeit, dass die Wurzeln des Silberahornbaumes sich auf bis zu 20 m erstrecken.
110Die Ausführungen beider Sachverständigen im Senatstermin haben übereingestimmt und sich gegenseitig ergänzt.
111c)
112Bei dem Beklagten handelt es sich um einen Zustandsstörer.
113Der Beklagte ist Eigentümer des Silberahornbaumes. Dieser steht auf dem Grundstück des Beklagten. Er ist dort mit dem Grundstück verwurzelt und stellt somit einen wesentlichen Grundstücksbestandteil gem. § 94 Abs. 1 BGB dar.
114Zustandsstörer ist der Eigentümer einer Sache, von der eine Beeinträchtigung ausgeht, nicht schon alleine aufgrund dieser Rechtsstellung, sondern nur, wenn die Beeinträchtigung durch eine Handlung adäquat mitverursacht wurde oder er trotz Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache ihre Beseitigung entgegen einer Handlungspflicht (insbesondere aus Rechtsvorschrift, Verkehrssicherungspflicht gegen technische Defekte und nachbarlichem Gemeinschaftsverhältnis) unterlässt bzw. ihre Beseitigung entgegen einer Duldungspflicht nicht duldet (Palandt/Bassenge a.a.O. Rn. 19).
115Die Beeinträchtigung geht hier vom Eigentum des Beklagten aus, nämlich den Wurzeln des Silberahornbaumes. Dies steht nach dem Sachverständigengutachten von Herrn Dr. L fest. Der Sachverständige hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen, dass der ursprüngliche Wurzeleinwuchs augenscheinlich auf den Silberahornbaum zurückzuführen. Die Parteien verzichteten deshalb auf eine Wurzeluntersuchung (S. 16 des Ausgangsgutachtens). Die eingewachsenen Wurzeln führten in der Vergangenheit zu einer teilweise Undurchlässigkeit der Rohrleitungen der Kläger. Auch in Zukunft ist ein Wurzeleinwuchs durch Wurzeln des Silberahornbaumes mit entsprechenden Folgen zu erwarten (s.o.).
116Der Annahme der Störereigenschaft steht auch nicht entgegen, dass es sich bei den einwachsenden Wurzeln grundsätzlich um Natureinwirkungen handelt. Die Bejahung der Störereigenschaft bei Natureinwirkungen ist grundsätzlich möglich, kann jedoch zu Zurechnungsproblemen führen, da Natureinwirkungen allein nicht zu einer Zustandshaftung führen (Palandt/Bassenge, a.a.O. Rn. 19). Gerade bei auf ein Nachbargrundstück eindringenden Baumwurzeln wurde in früherer Rechtsprechung die Störereigenschaft des den Baum pflanzenden und unterhaltenden Nachbarn bejaht ( BGH, Urteil vom 21.10.1994, Az. V ZR 12/94). Diese Rechtsprechung führte der BGH dahingehend fort, ob es eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen des Nachbargrundstückes gibt (BGH, Urteil vom 07.07.1995, Az. V ZR 213/94; Urteil vom 16.02.2001, Az. V ZR 422/99). Entscheidend soll nunmehr sein, ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung halte (BGH, Urteil vom 14.11.2003, Az. V ZR 102/03). Von diesem Ansatz aus muss der Eigentümer eines Baumes dafür Sorge tragen, dass dessen Wurzeln nicht in das Nachbargrundstück herüberwachsen (BGH, Urteil vom 28.11.2003, Az. V ZR 99/2003). Dies folgt aus dem in § 903 BGB enthaltenen Grundgedanken, der in der Spezialregelung des § 910 BGB eine besondere Ausprägung gefunden hat (BGH, Urteil vom 07.07.1995, Az. V ZR 213/94; Urteil vom 28.11.2003, Az. V ZR 99/03).
117d)
118Es ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Pflicht zur Duldung des Wurzeleinwuchses und dessen Auswirkungen durch die Kläger ersichtlich. Insbesondere hat die Stadt H mit Schreiben vom 09.09.2015 (Bl. 311) versichert, dass sie einen Antrag des Beklagten auf Fällung des Silberahornbaumes positiv bescheiden werde (vgl. zum Ganzen: BGH, NJW 1993, 925 – Rn. 14 ff. zitiert nach juris u. Palandt/Bassenge a.a.O., Rn. 39).
119e)
120Den Klägern kann auch nicht vorgeworfen werden, die Beeinträchtigung in irgendeiner Weise mit verursacht zu haben bzw. mit zu verursachen.
121Ein Mitverursachungsbeitrag ist im Rahmen eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Insofern findet § 254 BGB entsprechende Anwendung, ohne dass es allerdings auf ein Verschulden des Anspruchstellers ankommt. Es reicht Mitverursachung (BGH, NJW 1997, 2234 – Rn. 12 – 15 und BGH, NJW 2006, 3628 – Rn. 22 zitiert nach juris).
122Eine möglicherweise bestehende Vorschädigung der Rohre durch bergbaubedingte Einflüsse, die den Wurzeleinwuchs begünstigt haben, ist von den Klägern nicht verursacht worden. Auch insoweit sind die Kläger Geschädigte.
123Hinzu kommt, dass es bereits fraglich ist, ob solche Schäden bestehen und überhaupt zu einer Begünstigung des Wurzeleinwuchses geführt haben. In seinem Ausgangsgutachten vom 03.01.2014 (dort S. 16 ff.) führt Herr Dr. L aus, dass ein bergbaubedingter Einfluss auf die oben genannten Vorschädigungen wenig wahrscheinlich sei. Diese Unsicherheit geht zu Lasten des insoweit beweisbelasteten Beklagten (Palandt/Bassenge a.a.O., Rn. 52).
124Eine Mitverursachung liegt auch nicht dadurch vor, dass die Rohrleitungen fehlerhaft verlegt wurden. Grundsätzlich kann eine fehlerhafte Verlegung von Kanalrohren eine Mitverursachung begründen (BGH, NJW 1995, 395 – Rn. 17 zitiert nach juris). Dem Landgericht ist jedoch dahingehend zu folgen, dass nicht ermittelt werden konnte, ob Verlegungsfehler das Einwachsen der Wurzeln begünstigt haben und deshalb auch in Zukunft begünstigen werden. Dies geht ebenfalls zu Lasten des insofern beweisbelasteten Beklagten (Palandt/Bassenge, a.a.O. Rn. 52). Zu der Frage, ob die Verlegung der Rohre dem Stand der Technik im Jahre 1980 entsprach und ob handwerkliche Fehler das Wurzelwachstum erleichtert haben, holte das Landgericht ein 2. Ergänzungsgutachten durch den Sachverständigen Dr. L ein. In diesem Gutachten vom 05.05.2014 äußerte sich der Sachverständige Dr. L dahingehend, dass das Leitungssystem einen als alterstypisch zu bezeichnenden ausreichenden Gesamtzustand aufweise. Es sei nach dem damaligen Stand der Technik errichtet worden. Es sei jedoch nicht möglich, definitiv zu beantworten, ob es Wurzeleinwachsungen in Bereichen gebe, in denen handwerkliche Einbaufehler das Einwachsen erleichtert hätten. Durch die eingewachsenen Wurzeln seien die Einwuchsstellen nicht direkt visuell erkennbar. Durch die vorhandene Technik könne außerdem kein Einblick in die Rohrverbindung genommen werden. Einwachsungen seien vielmehr auch nach dem Stand der Technik unvermeidbar, da minimale Abweichungen von den normativ vorgegebenen Soll-Werten, die im Regelfall unvermeidbar seien, das Einwachsen der Wurzeln erleichterten.
1253.
126Der Hilfsantrag zu 3) ist ebenfalls begründet.
127Den Klägern steht aus § 1004 Abs. 1 BGB ein Anspruch gegen den Beklagten darauf zu, dass dieser Maßnahmen ergreift, die dazu geeignet sind, ein Umstürzen des Silberahornbaumes oder das Abbrechen und Herunterfallen von Teilen des Silberahorns auf das Grundstück der Kläger, insbesondere das Eigenheim, zu verhindern.
128Als solche Maßnahme kommt - neben dem Fällen des Baumes - eine Kronensicherung in Betracht.
129Sollte der Beklagte zur Verhinderung des Wurzeleinwuchses den Baum fällen, anstatt auch das restliche Rohrsystem auf dem Grundstück der Kläger im Schlauchlinerverfahren zu sichern, ist eine Kronensicherung naturgemäß nicht mehr möglich ist und notwendig. Dies hat jedoch keinen Einfluss darauf, dass dem Beklagten grundsätzlich ein Wahlrecht bezüglich der vorzunehmenden Maßnahme zusteht und er auch nur dahingehend verurteilt werden kann.
130a)
131Auch eine zukünftige Beeinträchtigung ist von dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB umfasst (s.o.). Dies gilt ebenso für eine erstmalige Beeinträchtigung, dann aber nur unter der Voraussetzung, dass die Beeinträchtigung ernsthaft droht (Palandt/Bassenge a.a.O. Rn. 32).
132(1)
133Eine solche Beeinträchtigung kann vorliegend jedoch nicht aus einer nicht ausreichenden Standsicherheit des Silberahorns hergeleitet werden.
134Das Landgericht hat in seiner Entscheidung das Sachverständigengutachten des Dr. I vom 21.11.2014 gewürdigt und ist auch auf das vom Kläger in den Rechtsstreit eingebrachte Gutachten des Dr. T vom 02.04.2013 eingegangen. Das Landgericht hat festgestellt, dass gemäß dem Gutachten Sachverständigen Dr. I der Silberahorn nicht standunsicher sei und nicht deshalb gefällt werden müsse. Dies ergebe sich auch aus dem Gutachten des Dr. T. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, an den Feststellungen des Landgerichtes zu zweifeln. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. I ergibt sich, dass der Silberahornbaum einen vitalen Eindruck macht und die Standsicherheit des Baumes nicht gefährdet ist, solange die Zugwurzeln, die sich unterhalb des Hauses der Kläger erstrecken, intakt bleiben (S. 4 d. Gutachtens).
135(2)
136Aus dem potentiell gefährlichen und instabilen Druckzwiesel des Baumes, der seine beiden Stämmlinge verbindet, ergibt sich jedoch eine zukünftige, ernsthaft drohende Beeinträchtigung des klägerischen Eigentums. Der Druckzwiesel droht bei ungünstigen Windverhältnissen jederzeit auseinanderzureißen. In der Folge werden Teile der Baumkrone auf das Grundstück der Kläger stürzen.
137Dieser Umstand steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der Erläuterungen des Sachverständigen Dr. I in der mündlichen Verhandlung des Senats und in seinem schriftlichen Gutachten. In diesem hat der Sachverständige Dr. I ausgeführt, der Silberahorn verfüge zwar über die notwendige Standfestigkeit, nicht aber die erforderliche Bruchfestigkeit. Das Landgericht hat sich zu dieser Problematik in seinem Urteil nicht geäußert. Deshalb kann das Berufungsgericht die betreffenden Tatsachen ermitteln. Das klägerische Vorbringen zu diesem Punkt ist auch nicht neu im Sinne von § 533 Abs. 2 ZPO und kann deshalb Berücksichtigung finden. In ihrem Schriftsatz vom 17.12.2014 haben sich die Kläger das Sachverständigengutachten des Dr. I vom 24.11.2014 zu Eigen gemacht. Damit haben sie sich auch auf den durch den Sachverständigen in seinem Gutachten festgestellten instabilen Druckzwiesel bezogen.
138Der Sachverständige Dr. I hat in der mündlichen Verhandlung am 29.09.2016 bekräftigt, dass er sich zu dem Druckzwiesel in seinem Gutachten nicht geäußert hätte, wenn dieser nicht wirklich gefährlich wäre. Er könne als Sachverständiger eine solche Feststellung nicht treffen, ohne die Betroffenen darauf aufmerksam zu machen. Wenn der Wind aus einer bestimmten Richtung komme, wirke die zwischen den Stämmlingen eingewachsene Rinde wie ein „schlafender“ Riss mit der Folge, dass die Stämmlinge auseinanderreißen. Aufgrund der starken Neigung der Stämmlinge nach Nordosten bedeutete dies zwangsläufig, dass ein Stämmling auf die Terrasse und/oder das Haus der Kläger stürzen werde. Der Sachverständige hat betont, dass umgehend eine Kronensicherung vorgenommen werden sollte, um ein solches Auseinanderreißen der Stämmlinge zu verhindern.
139Die Angaben des Sachverständigen sind überzeugend. Sie sind nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Die in der mündlichen Verhandlung gemachten Ausführungen decken sich mit jenen des schriftlichen Gutachtens.
140b)
141Bei dem Beklagten handelt es sich als Eigentümer des Silberahornbaumes um einen Zustandsstörer. Bei dem drohenden Auseinanderbrechen des Druckzwiesels handelt es sich nicht lediglich um eine Natureinwirkung. Von dem Silberahornbaum geht ein objektiv pflichtwidriger Zustand aus, auf den der Beklagte Einfluss nehmen kann (s. BGH, NJW 2003, 1732 zu umsturzgefährdeten Pappeln). Sollte der Druckzwiesel auseinanderreißen und ein Teil der Baumkrone auf das Grundstück der Kläger stürzen, so hätte der Beklagte durch das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen die Beeinträchtigung entscheidend mit verursacht. Da der Beklagte den Baum unterhält, ist er dazu verpflichtet, solche Maßnahmen durchzuführen.
142c)
143Auch in diesem Zusammenhang ist aus keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt ersichtlich, warum die Kläger die drohende Beeinträchtigung zu dulden hätten.
144C.
145Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ZPO.
146Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Höhe der zur Abwendung der Vollstreckung bezüglich der Hauptsache erforderlichen Sicherheitsleistung errechnet sich aus den für die Renovation der Rohrleitungen mittels Schlauchlinern zu erwartenden Kosten in Höhe von ca. 20.000,00 Euro zuzüglich der durch die Kronensicherung entstehenden Kosten in Höhe von etwa 5.000,00 Euro.
147In derselben Größenordnung (25.000,00 €) bewegt sich auch ein etwaiger dem Beklagten als Folge einer Entfernung des Baumes entstehender Schaden.
148Die Revision war nicht zuzulassen. Die gesetzlichen Voraussetzungen gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die vorliegende Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung, noch ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich. Vielmehr hat der Senat auf die hier zu klärenden Rechtsfragen die höchstrichterliche Rechtsprechung angewandt.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 27. Okt. 2016 - 5 U 83/15
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Urteil einreichenOberlandesgericht Hamm Urteil, 27. Okt. 2016 - 5 U 83/15 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
Wird eine bewegliche Sache mit einem Grundstück dergestalt verbunden, dass sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird, so erstreckt sich das Eigentum an dem Grundstück auf diese Sache.
(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.
(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.
(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 13. Mai 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Weinerzeuger und bewirtschaften in der Gemarkung D. unmittelbar aneinandergrenzende Weinberge. Im Jahre 1995 wurden die Reben beider Weinberge in besonders hohem Maße mit Mehltau befallen. Da der Beklagte seinen Weinberg in diesem Jahr nicht bewirtschaftete, die Fläche vielmehr zur Erhöhung seiner zulässigen Erntehöchstmenge ausnutzte, konnte sich der Pilz auf seinem Grundstück ungehindert ausbreiten. Nach Behauptung des Klägers führte dies zu einem verstärkten Übergreifen des Pilzbefalls durch Windverbreitung, das er trotz massiven Einsatzes von Pflanzen-
schutzmitteln nicht habe verhindern können. Dadurch habe er Ertrags- und Qualitätseinbußen hinnehmen müssen.
Der Kläger verlangt wegen dieser Einbußen Schadensersatz in Höhe von 70.380 DM nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr dem Grunde nach stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB. Es meint, den Beklagten habe die Verpflichtung getroffen, den Schädlingsbefall auf seinem Grundstück durch Einsatz chemischer oder mechanischer Mittel in einem Umfang in Grenzen zu halten, wie dies der Verkehrsanschauung entspreche. Dies ergebe sich daraus, daß die Winzer einer Region eine Gefahrengemeinschaft bildeten, in der sie einerseits selbst durch Schaffung einer Monokultur zu erhöhter Gefahr des Pilzbefalls beigetragen hätten und andererseits von den Auswirkungen bei Verwirklichung der Gefahr existentiell betroffen seien. Da der Beklagte keinerlei Maßnahmen ergriffen habe, um den Befall mit Mehltau auf seinem Grundstück einzudämmen, sei ihm ein pflichtwidriges und damit haftungsbegründendes Unterlassen anzulasten.II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, daß eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten nur dann in Betracht kommt, wenn ihm ein pflichtwidriges Unterlassen vorzuwerfen ist, seine Reben nicht gegen den Befall mit Mehltau durch Einsatz chemischer oder mechanischer Mittel geschützt zu haben. Stützt man den Anspruch auf § 823 Abs. 1 BGB, so kann sich eine Handlungspflicht unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflicht ergeben. Knüpft man die Haftung an § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB, so ist Voraussetzung, daß der Beklagte Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB ist. Das wiederum bedingt, daß die Eigentumsbeeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Beklagten zurückgeht (vgl. Senat, BGHZ 142, 66, 69 m.w.N.), was bei einem Unterlassen nur angenommen werden kann, wenn eine Handlungspflicht besteht. Auch insoweit kommt es somit darauf an, ob den Beklagten eine entsprechende Verkehrssicherungspflicht traf (vgl. Senatsurt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634).
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , der Beklagte sei verpflichtet gewesen, seinen Weinberg gegen Mehltaubefall zu schützen.
a) Nicht tragfähig ist der Gedanke des Berufungsgerichts, eine unter den Winzern bestehende "Gefahrengemeinschaft" verpflichte den Einzelnen zur Vornahme von Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen. Das Gebilde einer Gefah-
rengemeinschaft ist kein vom Gesetz allgemein anerkanntes Rechtsinstitut, aus dem Handlungs- oder Unterlassungspflichten hergeleitet werden können. Mit dem Begriff der Gefahrengemeinschaft wird der Umstand umschrieben, daß mehrere einem nur sie treffenden Risiko ausgesetzt sind. Eine solche Situation kann für den Gesetzgeber Anlaß sein, Regelungen für den Fall zu treffen, daß sich das Risiko verwirklicht. Welcher Art diese Regelungen sind, ist aber nicht vorgegeben, sondern steht im Ermessen des Gesetzgebers. Er kann sich darauf beschränken, die bei Verwirklichung der Gefahr eintretenden Nachteile gleichmäßig zu verteilen (so bei der großen Haverei, §§ 700 ff, insbesondere § 716 HGB), er kann aber auch Pflichten statuieren, wozu der rheinlandpfälzische Verordnungsgeber im Jahre 1997 in der Landesverordnung zum Schutz bestockter Rebflächen vor Schadorganismen (GVBl. S. 443) die Möglichkeit geschaffen hat. Solange aber der Gesetzgeber nicht tätig geworden ist, ergeben sich allein aus der Zugehörigkeit zu einer besonderen Gefahrengemeinschaft keine Handlungspflichten.
b) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann auch nicht schon aus der bloßen landwirtschaftlichen Nutzung von Grundstücken zum Weinanbau auf eine zum Handeln verpflichtende Verkehrssicherungspflicht geschlossen werden. Allerdings ist anerkannt, daß derjenige verkehrssicherungspflichtig ist, der eine Gefahrenquelle schafft. Er muß die zum Schutze des Verkehrs notwendigen Vorkehrungen treffen, um Schäden zu verhindern, die sich bei Verwirklichung der Gefahr für Dritte ergeben können. Wann indes von einer Pflichten dieser Art auslösenden Verhaltensweise auszugehen ist, kann nicht begrifflich allgemein gültig festgelegt werden, sondern ist das Ergebnis einer wertenden Betrachtung. Danach kann die Unterhaltung eines Weinbergs nicht als Schaffung einer Gefahrenquelle angesehen werden.
Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, daß der Tatbestand des § 1004 BGB nicht erfüllt ist, wenn von einem Grundstück Beeinträchtigungen ausgehen, die ausschließlich auf Naturkräfte zurückgehen (BGHZ 90, 255, 266; 114, 183, 187; Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, "Wolläuse"). Das schließt es zugleich aus, daß dem Nutzer in solchen Fällen besondere Verkehrssicherungspflichten auferlegt werden können. Das Berufungsgericht hat allerdings festgestellt, daß die landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke zum Weinanbau und die damit einhergehende Monokultur die Verbreitung von Pflanzenschädlingen wie Mehltau begünstigt. Daher stellt sich der Pilzbefall nicht ausschließlich als ein zufälliges, von menschlicher Einwirkung weitgehend unabhängiges Naturereignis dar. Gleichwohl erscheint es zweifelhaft, ob dies schon eine andere Bewertung rechtfertigt. Denn der Betreiber eines Weinbergs hat nicht einseitig eine Gefahrenquelle geschaffen, von der schädigende Auswirkungen auf andere Grundstücke ausgehen, sondern er nimmt nur teil an einer allgemein verfolgten landwirtschaftlichen Nutzung , die erst in ihrem Zusammenwirken eine Gefahrenquelle schafft, von der alle Nutzer betroffen sind.
Jedenfalls steht der Annahme einer Verkehrssicherungspflicht entgegen, daß die Bewirtschaftung von Acker- und Wiesenflächen im Rahmen normaler landwirtschaftlicher Nutzung, auch wenn hierdurch nachteilige Einwirkungen auf ein Nachbargrundstück ausgehen, keine Abwehransprüche nach § 1004 BGB auslösen (BGHZ 90, 255, 266 f; 114, 183, 188). Der Nachbar muß solche Auswirkungen hinnehmen und kann nicht verlangen, daß der Eigentümer des Grundstücks, von dem diese Auswirkungen herrühren, Maßnahmen zu seinem Schutz ergreift. Wollte man solche Pflichten begründen, würden der landwirt-
schaftlichen Nutzung zu enge Grenzen gesetzt. Landwirtschaft kann, auch und gerade wenn es sich um intensiv und großflächig genutzte Anbaugebiete handelt , vielfältige Nachteile für benachbarte Grundstücke, insbesondere für Grundstücke, die selbst Teil der Gesamtbewirtschaftung sind, mit sich bringen. So kann die Art der Bewirtschaftung den Wasserabfluß zum Nachteil umliegender Grundstücke beeinflussen (vgl. BGHZ 114, 183). Art und Umfang der Düngung oder der Ungezieferbekämpfung kann über Grund- und Oberflächenwasser auf Nachbargrundstücke einwirken (vgl. BGHZ 90, 255). Oder die Unterhaltung von Monokulturen wie hier (doch nicht auf den Weinbau beschränkt) kann die Gefahr des Schädlingsbefalls erhöhen. Ob und inwieweit in solchen Fällen regelnd einzugreifen ist, muß grundsätzlich dem Gesetz- oder Verordnungsgeber vorbehalten bleiben. Daß eine Statuierung von Handlungspflichten , wie sie der Kläger einfordert, keineswegs zwingend ist, zeigt sich gerade im vorliegenden Fall. Der Verordnungsgeber hat es nicht etwa für angemessen erachtet, dem Weinbergsbetreiber generell die Pflicht der Schädlingsbekämpfung aufzuerlegen. Vielmehr hat er ein Eingreifen zum Schutze benachbarter Rebflächen vor Schädlingsausbreitung erst dann für geboten gehalten, wenn eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung während zweier aufeinanderfolgender Kalenderjahre unterblieben ist.
Im konkreten Fall hält sich die Verhaltensweise des Beklagten noch im Rahmen normaler landwirtschaftlicher Nutzung. Die vorübergehende Nichtbewirtschaftung einer Anbaufläche stellt nicht generell eine landwirtschaftsfremde Nutzung dar. Sie kann vielmehr Folge einer, gemessen an landwirtschaftlichen Maßstäben, vernünftigen unternehmerischen Entscheidung sein und gehört dann zu einer Art der Bewirtschaftung, die keine besonderen Pflichten zum Schutze Dritter vor schädlichen Auswirkungen der Bewirtschaftung begründet.
So ist es hier. Der Beklagte hat die Flächen im Jahre 1995 nicht bewirtschaftet, um auf anderen Flächen höhere Erträge erzielen zu können, ohne die ihm zustehende Höchstquote zu übersteigen. Solche Maßnahmen müssen möglich sein, ohne daß sich daran weitreichende, insbesondere kostenverursachende Pflichten knüpfen.
c) Eine Handlungspflicht bestand für den Beklagten auch nicht unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit § 242 BGB. In der Regel begründet der Gedanke von Treu und Glauben im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich als Schranke der Rechtsausübung aus (Senat, BGHZ 88, 344, 351; 113, 384, 389). Nur ausnahmsweise hält es der Senat für geboten, einen Anspruch unmittelbar aus dem besonderen Verhältnis von Nachbarn zu begründen, dann nämlich, wenn dies aus zwingenden Gründen eines billigen Interessenausgleichs geboten ist (BGHZ 113, 384, 389). Nichts anderes gilt für die Annahme einer besonderen Handlungspflicht. Solche zwingenden Gründe sind hier nicht ersichtlich. Auch der Verordnungsgeber ist - wie dargelegt - hiervon nicht ausgegangen.
d) Schließlich kann nicht angenommen werden, daß gewohnheitsrechtlich eine Pflicht des Beklagten bestanden hat, seine Reben zum Schutze benachbarter Grundstücke mit Schädlingsbekämpfungsmitteln zu behandeln. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hat der Kläger für die Geltung eines solchen gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatzes nicht hinreichend vorgetragen. Die Entstehung von Gewohnheitsrecht erfordert eine lang andauernde tatsächliche Übung sowie die Überzeugung der beteiligten
Verkehrskreise, durch die Einhaltung der Übung bestehendes Recht zu befolgen (BVerfGE 28, 28; BGHZ 37, 219, 222).
Eine lang andauernde tatsächliche Übung müßte sich gerade für die hier vorliegende Konstellation herausgebildet haben, daß Weinbauern auch dann Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen auf ihren Anbauflächen durchführen, wenn sie sie gar nicht bewirtschaften wollen. Daß eine solche Übung besteht, läßt sich weder dem Klägervortrag entnehmen, noch ist dies wahrscheinlich. Solche Maßnahmen erforderten den Einsatz finanzieller Mittel, ohne daß dies dem eigenen Anbau unmittelbar zugute käme, müßten also allein im Interesse der Nachbarwinzer vorgenommen werden. Gegen sie spricht auch, daß in den von der Revision benannten Urteilen des Amtsgerichts und des Landgerichts Bad Kreuznach (2 C 440/96 - 1 S 197/96) in einem Fall, in dem die Bewirtschaftung aufgegeben worden war, solche Feststellungen gerade nicht getroffen worden sind. Es ist auch nicht gut vorstellbar, daß eine zeitlich unbegrenzte Übung geherrscht haben sollte, den eigenen Weinberg im Interesse der Nachbarn von Schädlingen freizuhalten, unabhängig davon, welchen eigenen Zwekken die Anbaufläche dienen sollte. Daß hier verschiedene Möglichkeiten denkbar sind, zeigt schon die 1997 erlassene Verordnung zum Schutz bestockter Rebflächen vor Schadorganismen, die die Rodung nicht ordnungsgemäß bewirtschafteter Flächen nach zwei Jahren verlangt, nicht aber den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln. Auffallend ist in diesem Zusammenhang auch, daß der Verordnungsgeber Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen nicht als Kennzeichen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung nennt, sondern dazu nur Rebschnitt und Bodenpflege hervorhebt. Dies alles spricht nicht für das Bestehen einer Übung, wie sie die Revisionserwiderung zur Begründung einer Handlungspflicht in Anspruch nimmt. Zwar kann eine Verordnung anderes be-
stimmen, als es einer bis dahin befolgten Übung entsprach. Es ist jedoch nicht naheliegend, daß der Verordnungsgeber eine lang andauernde, gar zum Gewohnheitsrecht erstarkte Gepflogenheit vollständig außer acht gelassen hätte, müßte er doch in diesem Fall um die Akzeptanz seiner Regelungen fürchten. Angesichts aller dieser Besonderheiten genügt jedenfalls der pauschale Vortrag des Klägers, die Winzer sorgten dafür, daß ihre Weinbergsparzellen schadfrei gehalten würden, und sie bekämpften etwa entstehende oder befürchtete Schädlinge mit geeigneten Mitteln, nicht den Anforderungen an eine dem Beweis zugängliche Sachdarstellung.
Auch für eine Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise, durch die Einhaltung der behaupteten Übung bestehendes Recht zu befolgen, trägt der Kläger nicht ausreichend vor. Die Überzeugung, daß die regelmäßige Schädlingsbekämpfung die "richtige und gesetzmäßige Bewirtschaftung ihrer Weinbergsgrundstücke" sei, sagt nichts darüber aus, ob die Winzer darin eine - mit Sanktionen bewehrte - Verpflichtung sehen. Im übrigen schließt die behauptete Überzeugung gerade den hier vorliegenden Fall aus, daß ein Winzer seinen Weinberg nicht bewirtschaften will.
3. Der Klage kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltung einer gefahrdrohenden Anlage (§ 907 Abs. 1 BGB) zum Erfolg verholfen werden , §§ 823 Abs. 2, 907 BGB. Unabhängig davon, daß es an Feststellungen dazu fehlt - und solche auch kaum getroffen werden könnten -, daß "mit Sicherheit vorauszusehen" war, daß der Weinberg des Beklagten die im konkreten Fall festgestellten Auswirkungen auf das Grundstück des Klägers haben würde, so stellt der Weinberg schon keine Anlage im Sinne der Norm dar; er
fällt unter die Privilegierung des Absatzes 2 (vgl. Staudinger/Roth, BGB, Stand 1995, § 907 Rdn. 18).
4. Erwägenswert ist demgegenüber eine Haftung des Beklagten wegen Verletzung einer Informationspflicht. Der Senat hat bereits im Wolläuse-Fall ausgesprochen (Urt. v. 7. Juli 1996, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2635), daß bei einem Schädlingsbefall, den zu verhindern der Eigentümer nicht verpflichtet ist, dem Nachbarn mit Rücksicht auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis das Recht zuzubilligen sein kann, Bekämpfungsmaßnahmen auf dem Grundstück zu ergreifen, von dem die Störung ausgeht. Dies kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn - wie hier - der Eigentümer des störenden Grundstücks durch die Bekämpfungsmaßnahmen keine unzumutbaren Beeinträchtigungen erleidet. Ein solches Vorgehen zum eigenen Schutz setzt allerdings voraus, daß der Nachbar von dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Bekämpfung notwendig wird, rechtzeitig über den Befall oder den drohenden Befall informiert wird. Hierzu kann der Eigentümer nach § 242 BGB im Hinblick auf die nachbarliche Verbundenheit verpflichtet sein. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann er nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung schadensersatzpflichtig sein.
Eine Informationspflicht besteht aber nur, wenn der Nachbar einer Unterrichtung über die drohende Gefahr bedarf. Sind ihm die Umstände, aus denen sich die Gefahr ergibt, bekannt bzw. sind sie für ihn ohne weiteres erkennbar, so gebietet der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, daß ihn der andere hierauf erneut hinweist. So liegt der Fall hier. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme , insbesondere den Bekundungen des Zeugen K. , war spätestens im Juni 1995, und zwar bevor ein Mehltaubefall ersichtlich war, erkenn-
bar, daß der Beklagte die dem Weinberg des Klägers benachbarte Fläche nicht bewirtschaftete. Es lag daher für den Kläger auf der Hand, daß der Beklagte auf seinen Rebflächen nichts zum Schutze vor Schädlingsbefall tat. Dieses Beweisergebnis kann der Senat verwerten, weil die bekundeten Tatsachen zwischen den Parteien unstreitig sind, wie die Ausführungen von Revision und Revisionserwiderung ergeben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Lambert-Lang Tropf Krüger Lemke
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten stehen nahe der Grundstücksgrenze zwei Kiefern, die bei Klageerhebung ca. 14 m hoch waren. Von einem der Bäume ragten Zweige in einer Höhe
von ca. 9 m ungefähr 2,3 m, von dem anderen Baum ragen Zweige in einer Höhe von ca. 5 m ungefähr 0,4 m auf das Grundstück des Klägers herüber; auch fallen Kiefernnadeln und -zapfen auf sein Grundstück.
Der Kläger behauptet, daß er wegen der abfallenden Nadeln und Zapfen das Dach, die Dachrinnen und Dacheinläufe seines Wohnhauses sowie seinen Garten mehrfach im Jahr säubern müsse; auch habe er wegen des starken Nadelfalls einen Gartenteich verschließen müssen.
Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zum Zurückschneiden der Kiefern auf die Höhe, die sie fünf Jahre vor der Klageerhebung hatten, und zum künftigen jährlichen Zurückschneiden auf diese Höhe sowie zur Beseitigung der auf sein Grundstück herüberragenden Zweige beantragt; weiter hat er von den Beklagten die Zahlung eines jährlichen Ausgleichsbetrags von (, 0 1' & 2' 34 657 8 -9 ;: 3 )<9= >#@?9 ! A B 204,52 / / hat die Verpflichtung der Beklagten, die Kiefern durch jährliches Zurückschneiden auf einer Höhe von 14 m zu halten, festgestellt; weiter hat es die Beklagten zur Beseitigung der von einem der Bäume in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Nach dem Erlaß dieses Urteils haben die Beklagten die Bäume auf eine Höhe von 10 m bzw. 11 m gekürzt und die in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige entfernt.
Die Berufung des Klägers, mit der er seine in erster Instanz abgewiesenen Klageanträge weiterverfolgt und hilfsweise die Verurteilung der Beklagten
beantragt hat, die Kiefern durch jährliches Zurückschneiden auf einer Höhe von 11 m bzw. 12 m zu halten, ist erfolglos geblieben. Die Anschlußberufung der Beklagten hat insoweit Erfolg gehabt, als das Landgericht ihre Verpflichtung zum jährlichen Zurückschneiden der Kiefern aufgehoben und lediglich ihre Verurteilung zur Beseitigung der in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige aufrecht erhalten hat.
Mit der in dem Berufungsurteil zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will der Kläger die Feststellung erreichen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Verurteilung der Beklagten zum Zurückschneiden der Kiefern in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 15. März 2003 beantragt worden ist; im übrigen verfolgt er seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Anspruch des Klägers auf Zurückschneiden der Kiefern nach § 54 Abs. 2 des Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetzes (Nds.NRG) wegen Fristablaufs ausgeschlossen. Die Vorschrift bezwecke, daß der weitere Wuchs von Bäumen später als fünf Jahre nach Erreichen der gesetzlich zulässigen Höhe von dem Nachbarn nicht mehr verhindert werden könne. Auch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf Zurückschneiden der Kiefern oder auf die künftige Einhaltung einer bestimmten Wuchshöhe. Ein Anspruch
auf Beseitigung der in ca. 5 m Höhe herüberragenden Zweige habe der Kläger ebenfalls nicht, weil der Überhang so geringfügig sei, daß hiervon keine bemerkenswerte Beeinträchtigung ausgehe.
Ein Ausgleichsbetrag wegen erhöhten Reinigungsaufwands stehe dem Kläger nicht zu. Es fehle an einer wesentlichen und unzumutbaren Beeinträchtigung seines Grundstücks im Sinne von § 906 BGB. Nach dem Ablauf der in § 54 Abs. 2 Nds.NRG genannten Frist stünden die Bäume rechtmäßig auf dem Grundstück der Beklagten; deshalb seien die Auswirkungen der Anpflanzungen nicht rechtswidrig. Die natürlichen Emissionen der Bäume seien von dem Nachbarn hinzunehmen. Im übrigen stelle die Einwirkung durch Nadelfall keine über das ortsübliche zumutbare Maß hinausgehende Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers dar. Der Nadel- und Zapfenfall sei angesichts der überragenden Nützlichkeit von Bäumen für die Gesellschaft entschädigungslos hinzunehmen.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand.
II.
1. Zutreffend verneint das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf das Kürzen der Kiefern.
a) Ein auf landesrechtliche Grundlage gestützter Anspruch ist nach § 54 Abs. 2 Nds.NRG, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlan-
desgerichts hinaus erstreckt und deshalb der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (§ 545 Abs. 1 ZPO), wegen Fristablaufs ausgeschlossen.
aa) Ursprünglich stand dem Kläger der Anspruch zu. Die beiden Kiefern auf dem Grundstück der Beklagten sind unstreitig über die nach § 50 Abs. 1 Nds.NRG in Abhängigkeit von ihrem Abstand zu der Grundstücksgrenze zulässige Höhe hinausgewachsen. Sie hätten daher auf Verlangen des Klägers auf die zulässige Höhe zurückgeschnitten werden müssen, wenn die Beklagten sie nicht beseitigen wollten (§ 53 Abs. 2 Nds.NRG). Der Anspruch ist jedoch ausgeschlossen , weil der Kläger nicht spätestens im fünften auf das Hinauswachsen folgenden Kalenderjahr Klage auf Zurückschneiden erhoben hat (§ 54 Abs. 2 Nds.NRG). Diese Ausschlußfrist (vgl. LG Lüneburg, Nds.Rpfl. 2000, 168, 169; Lehmann, Kommentar zum Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz, 3. Aufl., § 54 Rdn. 9; Pardey, Nds.NRG, 2. Aufl., § 54 Anm. 1) war hier bei Klageerhebung abgelaufen.
bb) Für eine Auslegung der Vorschrift dahin, daß nach Fristablauf zwar kein Zurückschneiden auf die gesetzlich zulässige Höhe, wohl aber verlangt werden kann, daß der Eigentümer die Bäume künftig durch regelmäßiges Zurückschneiden auf der Höhe hält, die sie im Zeitpunkt der Klageerhebung hatten (vgl. AG Winsen/Luhe, Nds.Rpfl. 1999, 317; Hoof/Keil, Das Nachbarrecht in Niedersachsen, 7. Aufl., § 54 Anm. 3), oder daß die Bäume auf die Höhe zurückgeschnitten werden, die sie fünf Jahre vor Klageerhebung hatten (vgl. OLG Celle, AgrarR 1993, 154 f.; AG Göttingen, Nds.RPfl. 1999, 292; für das NachbG NRW: Rammert, Nachbarrecht Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., S. 31 Fn. 75), ist kein Raum. Der Gesetzeswortlaut ist klar und eindeutig; er läßt keine Interpretation zu. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten es, dem
Nachbarn nach Fristablauf jeden Anspruch auf Zurückschneiden der Bäume zu versagen. Denn mit der Ausschlußfrist soll innerhalb eines Zeitraums, der die Interessen des Nachbarn und des Eigentümers der Bäume gleichermaßen berücksichtigt , grundsätzlich eine abschließende Klärung der nachbarlichen Verhältnisse in Bezug auf das Höhenwachstum herbeigeführt werden (vgl. LG Lüneburg , aaO).
Die Frist gibt dem Nachbarn genügend Zeit zu überlegen, ob er seinen Anspruch (§ 53 Abs. 2 Nds.NRG) durchsetzen will. Es ist ihm ohne weiteres möglich, innerhalb von fünf Jahren nach dem Hinauswachsen von Bäumen über die gesetzlich zulässige Höhe hinaus den jährlichen Zuwachs und die daraus gegebenenfalls folgenden Beeinträchtigungen seines Grundstücks wie z.B. den Entzug von Licht, die Bildung von Windzirkulationen und das Abwerfen von Blättern, Nadeln oder Früchten zu beobachten. Auch läßt sich - notfalls mit Hilfe fachmännischer Beratung - ermitteln, wie lange das Wachstum der Bäume andauern wird, so daß auch der Umfang späterer Beeinträchtigungen eingeschätzt werden kann. Der Nachbar kann somit innerhalb der Frist entscheiden , ob er das Zurückschneiden der Bäume verlangen will.
b) Das alles besagt allerdings noch nicht, daß der Eigentümer Bäume auf seinem Grundstück, deren Zurückschneiden der Nachbar nach landesrechtlichen Vorschriften wegen Fristablaufs nicht mehr verlangen kann, bis zum natürlichen Ende ihres Wachstums in eine beliebige Höhe wachsen lassen darf. Vielmehr kommt unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Verpflichtung des Eigentümers in Betracht, die Bäume auf Verlangen des Nachbarn auch nach dem Fristablauf zurückzuschneiden. Davon geht das Be-
rufungsgericht zutreffend aus. Es verneint jedoch zu Recht eine solche Verpflichtung der Beklagten.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (siehe nur Urteil vom 31. Januar 2003, V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 mit umfangreichen Nachweisen ) haben die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Daneben kommt eine allgemeine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nur dann zum Tragen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Ist das der Fall, kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden (Senat, Urteil vom 11. Juli 2003, V ZR 199/02, NJW-RR 2003, 1313, 1314 m.w.N.).
bb) Die behaupteten Folgen des Höhenwachstums der Kiefern rechtfertigen keine Abweichung von der nachbarrechtlichen Sonderregelung des § 54 Abs. 2 Nds.NRG. Nur wenn der Nachbar wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt wäre, könnte er von dem Eigentümer unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ihren Rückschnitt auf eine beiden Interessen gerecht werdende Höhe verlangen, wenn dies dem Eigentümer zumutbar ist (vgl. KG, NJW-RR 2000, 160, 161; Pardey, aaO, § 54 Anm. 1.3). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Zwar sollen die Kiefern den Lichteinfall und die Windzirkulation auf dem Grundstück des Klägers beeinträchtigen ; der Nadel- und Zapfenfall soll zu zusätzlichen Reinigungsarbei-
ten an dem Wohnhaus und dem Garten des Klägers führen, auch habe ein Gartenteich verschlossen werden müssen. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine Verpflichtung der Beklagten zum Zurückschneiden der Bäume unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses anzunehmen.
c) Nach alledem sind die auf das Zurückschneiden der Kiefern gerichteten Anträge des Klägers unbegründet, auch soweit die Beklagten die Bäume künftig auf einer bestimmten Höhe halten sollen. Daraus folgt zugleich, daß die von dem Kläger erstmalig im Revisionsverfahren erklärte Teil-Erledigung der Hauptsache, die der Senat zu berücksichtigen hat (BGHZ 106, 359, 368), ebenfalls unbegründet ist. Die beantragte Teil-Erledigung ist deshalb nicht auszusprechen.
2. Ebenfalls zu Recht verneint das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers nach § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung des noch von einer der beiden Kiefern in ca. 5 m Höhe auf sein Grundstück herüberragenden Zweiges. Der Kläger muß nach § 1004 Abs. 2 BGB das Herüberragen dulden, weil dadurch die Benutzung seines Grundstücks nicht beeinträchtigt wird.
a) Nach § 910 Abs. 2 BGB steht dem Grundstückseigentümer das Selbsthilferecht nach Abs. 1 nicht zu, wenn die herüberragenden Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Die Vorschrift gilt auch für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. LG Saarbrücken, NJW-RR 1986, 1341; LG Bonn, NJW-RR 1987, 1421; AG Würzburg, NJW-RR 2001, 953; Staudinger/Roth, BGB [2002], § 910 Rdn. 2). In welchen Fällen keine Beeinträchtigung vorliegt, entscheidet nicht das subjektive Empfinden des Grundstückseigentümers; maßgebend ist vielmehr die objektive Beeinträchti-
gung der Grundstücksbenutzung (MünchKomm-BGB/Säcker, 3. Aufl., § 910 Rdn. 6; Staudinger/Roth, aaO, § 910 Rdn. 18). Ob, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, der Nachbar ganz unerhebliche Beeinträchtigungen hinnehmen muß (so OLG Köln, NJW-RR 1989, 1177; 1997, 656; LG Kleve, MDR 1982, 230, 231; LG Saarbrücken, NJW-RR 1986, 1341; MünchKomm-BGB/ Säcker, aaO; Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 910 Rdn. 3; Staudinger /Roth, aaO, Rdn. 18; a.A. AG Königstein, NJW-RR 2000, 1256; AG Würzburg , aaO), kann offenbleiben. Denn der Zweig, der von einer der beiden Kiefern in ca. 5 m Höhe ungefähr 0,4 m weit auf das Grundstück des Klägers herüberragt , beeinträchtigt dessen Benutzung nicht.
b) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß von herüberragenden Zweigen keine Beeinträchtigung ausgeht, trägt der Nachbar (Palandt/ Bassenge, aaO; Staudinger/Roth, aaO, Rdn. 33). Das sind hier die Beklagten. Sie haben das Fehlen einer Beeinträchtigung ausreichend dargelegt. Nach ihrem beweisbewehrten Vortrag in der Berufungserwiderung, der auf den erstinstanzlichen Vortrag Bezug nimmt, ragen nicht nur der Zweig, dessen Beseitigung der Kläger verlangt, sondern auch Zweige anderer Bäume auf sein Grundstück herüber; außerdem stehen dort nahe der Grundstücksgrenze mehrere Bäume und Sträucher. Das wird durch die von den Parteien zu den Akten gereichten Lichtbilder bestätigt; danach wachsen auf beiden Seiten der gemeinsamen Grundstücksgrenze Laub- und Nadelgewächse. Darauf stützen die Beklagten ihre Behauptung, daß eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks gerade durch den Zweig, dessen Beseitigung der Kläger noch verlangt, ausgeschlossen ist. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge (§ 286 ZPO), das Berufungsgericht habe das Beweisangebot des Klägers zur Erheblichkeit der von den herüberragenden Zweigen ausgehenden Beein-
trächtigungen übergangen, ist unbegründet; es betrifft nicht die von den herüberragenden Zweigen, sondern die von den Kiefern insgesamt ausgehenden Beeinträchtigungen.
3. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß dem Kläger gegen die Beklagten für den behaupteten erhöhten Reinigungsaufwand ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zustehen kann. Es verneint jedoch zu Unrecht das Bestehen eines solchen Anspruchs.
a) Gehen von der ortsüblichen Benutzung eines Grundstücks Einwirkungen im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB auf ein anderes Grundstück aus und beeinträchtigen sie dessen Benutzung wesentlich, muß der betroffene Grundstückseigentümer die Einwirkungen dulden, wenn die Beeinträchtigungen nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). In diesem Fall kann der Grundstückseigentümer von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkungen eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB). Danach kommt es zunächst darauf an, ob das Abfallen von Kiefernnadeln und -zapfen auf ein Nachbargrundstück zu den "ähnlichen Einwirkungen" im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört. Davon geht das Berufungsgericht im Anschluß an das Amtsgericht stillschweigend aus. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden; es wird auch von der Revision als dem Kläger günstig nicht angegriffen. Die von § 906 BGB erfaßten Einwirkungen stimmen darin überein, daß sie in ihrer Ausbreitung weithin unkontrollierbar und unbeherrschbar sind, in ihrer Intensität schwanken und damit andere Grundstücke überhaupt nicht, unwesentlich oder
wesentlich beeinträchtigen können (Senat, BGHZ 117, 110, 112). Das trifft auf das Abfallen von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen von Sträuchern und Bäumen zu (vgl. BayObLG, AgrarR 1992, 312, 313; OLG Karlsruhe, NJW 1983, 2886; OLG Stuttgart, NJW 1986, 2768; NJW-RR 1988, 204; OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2618, 2619; NJW-RR 1991, 1364, 1365; MünchKomm/ Säcker, aaO, § 906 Rdn. 81; Palandt/Bassenge, aaO, § 906 Rdn. 13; Staudinger /Roth, aaO, § 906 Rdn. 169; Horst, DWW 1991, 322, 323; Müller, NJW 1988, 2587; zweifelnd OLG Düsseldorf, NJW-RR 1990, 144, 145).
b) Ebenfalls stillschweigend gehen die Vorinstanzen davon aus, daß die Beklagten für das Abfallen der Kiefernnadeln und -zapfen verantwortlich sind. Auch das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision hingenommen. Zwar beruhen die Einwirkungen auf natürlichen Vorgängen. Aber auch durch Naturereignisse ausgelöste Störungen können dem Eigentümer zurechenbar sein. So hat der Senat in den Fällen des Eindringens von Baumwurzeln in die Abwasserleitungen des Nachbarn den Eigentümer für verantwortlich gehalten, weil er den Baum gepflanzt (BGHZ 97, 231; 106, 142; 135, 235; Urt. v. 8.2.1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826) bzw. unterhalten hat (Urt. v. 21.10.1994, V ZR 12/94, NJW 1995, 395, 396). In dem Froschlärm-Fall hat er darauf abgestellt, dass der Eigentümer mit der auf seinem Willen beruhenden Anlage und Unterhaltung des Gartenteichs die Bedingungen dafür geschaffen hat, daß sich dort Frösche ansiedeln konnten (BGHZ 120, 239, 254). In der Wolläuse – Entscheidung (Urt. v. 7. 7. 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634) hat er die Störereigenschaft des Eigentümers dagegen verneint, weil er die Störung weder durch eigene Handlungen ermöglicht noch durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt hat, sondern die Einwirkung durch ein zufälliges und zusätzliches Naturereignis ausgelöst wurde. Diese Differenzie-
rung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen (Herrmann NJW 1997, 153, 154). Ob und inwieweit sie berechtigt ist, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Denn der Senat hat den der Wolläuse – Entscheidung zugrunde liegenden Gedanken, dass beim Einwirken von Naturkräften eine Störung nur bei einem pflichtwidrigen Unterlassen in Betracht kommt, in dem Mehltau-Fall (Urt. v. 16. 2. 2001, V ZR 422/99, WM 2001, 1299) weitergeführt. Er hat dort darauf abgestellt, ob sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Störung ausgeht, eine „Sicherungspflicht“, also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen ergibt (vgl. auch Senat, BGHZ 90, 255 - Niederschlagswasser). Das trägt den Ansätzen der Kritik Rechnung (Herrmann aaO; vgl. auch Armbrüster NJW 2003, 3087, 3088 f.). Insoweit gilt für natürliche Immissionen nichts anderes als für Immissionen aufgrund eines technischen Defekts (Senatsurt. v. 30. Mai 2003, V ZR 37/02, NJW 2003, 2377 - Wasserrohrbruch). Ob eine solche Pflicht besteht, ist jeweils an Hand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Maßgebend sind hierbei vor allem die Konfliktlösungsregeln des öffentlichen und privaten Nachbarrechts sowie die Art der Nutzung der benachbarten Grundstücke und die vorbeugende Beherrschbarkeit der Störung. Dabei ist, wie der Senat in dem Mehltau-Fall ausgeführt hat, bei natürlichen Immissionen u.a. entscheidend, ob die Nutzung des störenden Grundstücks sich im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält. Von diesem Ansatz aus lässt sich auch die Frage beantworten, ob der Laubabwurf oder der Nadelflug eine abwehrbare Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB darstellen. Hierbei ist, wie § 907 Abs. 2 BGB zu entnehmen ist, ohne Bedeutung, ob der Baum, Strauch oder die Pflanze, von der die Immission ausgeht, auf natürlichem Wege angewachsen oder von dem Grundstückseigentümer angepflanzt worden ist (Staudinger/Gursky, BGB [1999], § 1004, RdNr. 58). Entscheidend kann nur sein, ob der Bewuchs mit seiner na-
türlichen Emission ordnungsgemäßer Grundstücksbewirtschaftung und dem das Nachbarrecht bestimmenden Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme entspricht. Dies ist hier zu verneinen. Dabei kann offen bleiben, ob schon allein das Anpflanzen oder Unterhalten der Kiefern als Waldbäume in einem Wohngebiet bei der gebotenen Rücksichtnahme auf die Nachbarinteressen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entspricht. Jedenfalls werden sie unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über den Grenzabstand unterhalten. Daß der Kläger wegen Fristablaufs nicht mehr ihre Beseitigung oder das Zurückschneiden auf die zulässige Höhe verlangen kann, hat nicht zur Folge, daß der Bewuchs nunmehr ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entspricht. Dann aber sind die Beklagten für die von den Kiefern ausgehenden natürlichen Immission auch verantwortlich.
c) Mit Erfolg rügt die Revision allerdings, daß das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil die von dem Kläger behaupteten Beeinträchtigungen als nicht wesentlich ansieht. Dies ist zunächst eine Tatfrage. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat , BGHZ 120, 239, 254 f.). Das ist hier nicht der Fall.
(1) Die Verfahrensrüge des Klägers (§ 286 ZPO) greift durch. Das Berufungsurteil läßt nicht erkennen, von welchen Auswirkungen des Nadel- und Zapfenfalls das Berufungsgericht ausgeht; entsprechende Feststellungen fehlen. Die Parteien haben dazu gegensätzlich vorgetragen. Damit setzt sich das Berufungsgericht nicht auseinander. Auch ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen , ob das Berufungsgericht erkannt hat, daß den Beklagten die Darle-
gungs- und Beweislast für die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigungen obliegt (vgl. Senat, BGHZ 120, 239, 257). Falls es seine Auffassung, daß der Nadelund Zapfenfall die Benutzung des Grundstücks des Klägers nur unwesentlich beeinträchtigt, auf den in der Berufungserwiderung der Beklagten in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vortrag, daß nicht nur die Nadeln und Zapfen ihrer Kiefern, sondern alle pflanzlichen Bestandteile sämtlicher auf dem Grundstück des Klägers und auf den Nachbargrundstücken stehender Bäume auf das Dach, die Dachrinnen und Dacheinläufe des Hauses des Klägers und in seinen Garten fallen, und die von den Beklagten vorgelegten Lichtbilder stützt, wäre wegen des dem entgegenstehenden Vortrags des Klägers eine Beweisaufnahme erforderlich gewesen. Falls das Berufungsgericht jedoch meint, daß sich schon aus dem Vortrag des Klägers die Unwesentlichkeit der behaupteten Einwirkungen ergibt, so daß es keiner Beweisaufnahme bedurfte, hätte es den Begriff der Wesentlichkeit verkannt. Bei der Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung wesentlich im Sinne des § 906 BGB ist, muß auf das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" und das, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist, abgestellt werden (Senat, BGHZ 148, 261, 264 m.w.N.). Damit können auch wertende Momente, wie z.B. die Beachtung des Naturschutzes und des Umweltbewußtseins der Bevölkerung, in die Beurteilung einbezogen werden (vgl. Senat, BGHZ 120, 239, 255). Dieser Gedanke liegt dem Berufungsurteil offensichtlich zugrunde. Er kann jedoch nicht dazu führen, die Wesentlichkeit auch dann zu verneinen, wenn die Einwirkungen von dem Nachbargrundstück objektiv feststellbare physische Auswirkungen auf das Eigentum des betroffenen Grundstückseigentümers haben (vgl. Senat, Urteil vom 20. November 1998, V ZR 411/97, WM 1999, 554, 555). In einem solchen Fall ist die Grenze von der Unwesentlichkeit zur Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen überschritten. So kann es hier sein.
Nach dem Vortrag des Klägers verstopfen die von den Kiefern der Beklagten abfallenden Nadeln die Dachrinnen und Dacheinläufe seines Wohnhauses. Führt das zu Schäden, liegt eine wesentliche Beeinträchtigung vor (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2688). Auch hat der Kläger vorgetragen, daß er wegen des Nadelfalls seinen Gartenteich verschließen mußte. Trifft das zu, wäre auch das eine wesentliche Beeinträchtigung. Insoweit bedarf die Sache also weiterer Aufklärung.
(2) Ebenfalls rechtlich nicht haltbar ist die von dem Berufungsgericht übernommene Auffassung des Amtsgerichts, daß die Auswirkungen einer nicht abwehrbaren Bepflanzung auf die Nachbarschaft nicht rechtswidrig sein können. Damit verkennen die Vorinstanzen in einem entscheidenden Punkt die Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Er kommt in Betracht, wenn der Grundstückseigentümer wesentliche Einwirkungen dulden muß, die von einer im übrigen rechtmäßigen Nutzung des Nachbargrundstücks ausgehen. Deshalb läßt sich die Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung ebenfalls nicht verneinen.
d) Wenn der Nadel- und Zapfenfall die Benutzung des Grundstücks des Klägers wesentlich beeinträchtigt, hängt die Begründetheit des Anspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB weiter davon ab, daß die Beeinträchtigung auf eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten zurückzuführen ist und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Zweifel an der Ortsüblichkeit der Grundstücksbenutzung bestehen bereits deshalb , weil die Kiefern den nach § 50 Abs. 1 Nds.NRG gebotenen Grenzabstand nicht einhalten. Die Frage der Ortsüblichkeit und der Verhinderbarkeit braucht
hier jedoch nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn sie zu verneinen wäre und der Kläger die Einwirkungen deshalb grundsätzlich nicht dulden müßte, sondern sie nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehren könnte, käme ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog in Betracht. aa) Ein solcher Anspruch ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung auf ein benachbartes Grundstück Einwirkungen ausgehen, die zwar rechtswidrig sind und deshalb nicht geduldet werden müßten, der betroffene Eigentümer jedoch aus besonderen Gründen gehindert ist, solche Störungen nach § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden; der Anspruch setzt voraus, daß der Betroffene hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (siehe nur Senat, Urt. v. 30. Mai 2003, V ZR 37/02, WM 2003, 1969, 1970 m.w.N.). Dieser allgemein für das Nachbarrecht entwickelte Grundsatz ist nicht etwa nur auf andere als die von § 906 Abs. 1 BGB erfaßten Einwirkungen beschränkt , wie z.B. auf Grobimmissionen (BGHZ 58, 149, 158 f.; 111, 158, 162), Vertiefungsschäden (BGHZ 72, 289, 292; 85, 375, 384), Abschwemmung von Unkrautvernichtungsmitteln (Senat, BGHZ 90, 255 ff.), Wasserschaden infolge Rohrbruchs auf dem Nachbargrundstück (Senat, Urt. v. 19. Mai 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041; Urt. v. 30. Mai 2003, aaO) oder durch technischen Defekt an elektrischen Leitungen verursachter Brandschaden an dem benachbarten Haus (Senat, Urt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, WM 1999, 2168, 2169); er gilt ebenso für Einwirkungen im Sinne dieser Vorschrift, wenn der beeinträchtigte Eigentümer eine solche Einwirkung trotz ihrer Rechtswidrigkeit nicht verhindern kann, denn maßgeblicher Gesichtspunkt ist in diesen Fällen nicht die Art der Einwirkung, sondern der Umstand, daß eine unzumutbare Be-
einträchtigung des Eigentums eintritt (Senat, BGHZ 90, 255, 262 f.). Dieser Gedanke liegt auch dem § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zugrunde.
bb) Einen Abwehranspruch hätte hier der Kläger zwar unter der Voraussetzung , daß eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung seines Grundstücks auf die nicht ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten zurückzuführen wäre und/oder von ihnen durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden könnte. Aber der Kläger wäre aus Rechtsgründen daran gehindert, die Einwirkungen zu unterbinden. Eine andere Möglichkeit zur Störungsbeseitigung als die, daß die den Beklagten gehörenden Kiefern entfernt oder so weit gekürzt werden, daß das Abfallen von Nadeln und Zapfen auf das Grundstück des Klägers nahezu ausgeschlossen ist, ist nämlich nicht ersichtlich. Darauf hat der Kläger jedoch wegen Ablaufs der Ausschlußfrist (§ 54 Abs. 2 Nds.NRG) keinen Anspruch mehr; er muß das Höhenwachstum der Bäume dulden (siehe vorstehend unter II. 1.).
cc) Ob der Kläger die Beeinträchtigungen entschädigungslos hinnehmen muß, bedarf ebenfalls der Klärung durch das Berufungsgericht. Es wird zu ermitteln haben, in welchem Verhältnis der von dem Kläger behauptete zusätzliche Reinigungsaufwand zu dem Aufwand steht, den er für die Reinigung seines Grundstücks von Laub, Nadeln u.ä. sowieso hat. Dabei ist zu berücksichtigen , daß sich beide Grundstücke in einem seit vielen Jahren gewachsenen Wohngebiet mit teilweise hohem Baumbestand befinden, weshalb das Grundstück des Klägers - wie auch die benachbarten Grundstücke - dem Abfallen von Laub, Nadeln, Zapfen und anderen pflanzlichen Bestandteilen der eigenen und fremden Bäume und Sträucher ausgesetzt ist. Deshalb muß der Kläger - ebenso wie seine Nachbarn - Reinigungsarbeiten auf seinem Grundstück
vornehmen, um das Laub u.ä. zu entfernen. Dabei müssen auch die Dachrinne und die Dacheinläufe gesäubert werden. Der zeitliche Aufwand dafür hängt von der Art und Größe der eigenen und umliegenden Anpflanzungen, der Jahreszeit sowie den Witterungsverhältnissen ab. Dazu muß der Kläger noch vortragen. Bei der dann erforderlichen Abwägung können allerdings Gesichtspunkte wie der, daß derjenige, der die mit dem "Wohnen im Grünen" verbundenen Annehmlichkeiten wie z.B. den auf Bäume und Sträucher zurückzuführenden Sicht-, Schall- und Windschutz sowie reine und sauerstoffreiche Luft in Anspruch nimmt, bis zu einem gewissen Grad auch die damit verbundenen Nachteile, jedenfalls soweit sie auf natürlichen Gegebenheiten beruhen, in Kauf nehmen müsse (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2618, 2620 m.w.N.; NJW-RR 1991, 1364, 1366 f.; OLG Düsseldorf, NJWE-MietR 1996, 2, 3), oder das gewachsene Umweltbewußtsein weiter Kreise der Bevölkerung, welches das Anpflanzen und Halten von Bäumen auch in Wohngebieten als erstrebenswert ansieht, keine Rolle spielen. Denn hier verstoßen die Beklagten dadurch , daß die Bäume nicht den gesetzlich vorgegebenen Grenzabstand einhalten , gegen das Gebot der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung ihres Grundstücks. Dies kann durch die genannten Gesichtspunkte nicht kompensiert werden. Inwiefern sie zu berücksichtigen wären, wenn das störende Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaftet und rechtmäßig genutzt würde, bedarf hier keiner Entscheidung.
dd) Der Umfang des Ausgleichsanspruchs bestimmt sich nach den Grundsätzen, die für die Bemessung der Enteignungsentschädigung gelten; diese unterscheidet sich vom Schadenersatz darin, daß nicht der Zustand herzustellen ist, der bestünde, wenn die Störung nicht eingetreten wäre, vielmehr beschränkt sich der Ausgleich auf die Beseitigung der durch die Störung ein-
getretenen Vermögenseinbuße (Senat, BGHZ 147, 45, 53). Deshalb kann der Kläger höchstens den Betrag erhalten, den er für die zusätzliche Reinigung durch ein Unternehmen aufwenden müßte.
4. Nach alledem ist das Berufungsurteil unter Zurückweisung des erfolglosen Teils der Revision (vorstehend II. 1. und 2.) im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als die Zahlungsanträge des Klägers abgewiesen worden sind. In diesem Umfang ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen. Es muß aufklären, ob die von dem Kläger behaupteten Einwirkungen die ortsübliche Benutzung seines Grundstücks wesentlich beeinträchtigen und ob ihm nicht zugemutet werden kann, daß er die daraus herrührenden Nachteile entschädigungslos hinzunehmen hat. Für das alles trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast.
Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch
Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.
(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Klägerin führte ein aus drei großen Betonplatten bestehender Weg von der Straße zum Eingang des Wohnhauses. Die Klägerin ließ im Jahr 2001 diesen Weg aufbrechen und durch einen mit Kleinpflastersteinen befestigten Weg ersetzen. Hierfür zahlte sie 1.179,37
Mit der Behauptung, daß die Wurzeln eines auf dem Grundstück des Beklagten ungefähr 1 m von der Grundstücksgrenze entfernt stehenden Kirschbaums in ihr Grundstück hineingewachsen seien und dort innerhalb der letzten drei Jahre eine der drei Betonplatten des früheren Weges um 25 bis 30 mm angehoben hätten, so daß ein Versatz entstanden sei, hat die Klägerin
die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 1.179,37 eantragt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin weiter die Durchsetzung der Klage. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe gegen den Beklagten nach § 1004 BGB einen Anspruch auf das Entfernen der Wurzel seines Kirschbaums von ihrem Grundstück gehabt. Sie habe diese Wurzel nach § 910 Abs. 1 Satz 1 BGB auch selbst abschneiden und behalten dürfen. Jedoch gehe es in diesem Rechtsstreit nicht um den Ersatz der Kosten für das Abschneiden. Die Klägerin verlange vielmehr Schadensersatz aufgrund der von dem Beklagten verursachten Störung, nicht aber die Beseitigung der Störung selbst; diese sei mit dem Entfernen der Wurzel beendet gewesen.
Ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB steht der Klägerin nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu, weil der Beklagte nicht schuldhaft gehandelt habe. Einen Anspruch auf den Ersatz eines Verzugsschadens habe die Klägerin ebenfalls nicht, weil die Voraussetzungen des Verzugs nicht vorlägen.
Selbst wenn die Erneuerung des Plattenwegs eine Maßnahme zur Beseitigung der von der Wurzel ausgehenden Störung gewesen sei, stünde einem Bereicherungsanspruch der Klägerin entgegen, daß der Gläubiger eines auf die Vornahme einer vertretbaren Handlung gerichteten Anspruchs im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO vorgehen müsse, nicht aber zur Selbsthilfe greifen und dann die Kosten bei dem Schuldner liquidieren dürfe. Nur wenn dem Gläubiger die Selbsthilfe gestattet sei, lasse sich an einen Bereicherungsanspruch denken. Das sei nach § 910 Abs. 1 Satz 1 BGB insofern der Fall, als die Klägerin eventuell die für das Abschneiden der Wurzel entstandenen Kosten ersetzt verlangen könne; diese mache sie jedoch nicht geltend.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
II.
1. Zu Recht verneint das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 823 Abs. 1 BGB wegen fehlenden Verschuldens des Beklagten. Das nimmt die Revision hin.
2. Ebenfalls zu Recht verneint es einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach §§ 286 Abs. 1 und 2, 288 Abs. 4 BGB. Die Voraussetzungen des Verzugs liegen nicht vor. Die Verfahrensrüge der Revision (§ 286 ZPO), das Berufungsgericht habe Vortrag der Klägerin übergangen, ist unbegründet. Abgesehen davon, daß der Vortrag der Klägerin, sie habe den Beklagten auf den
zunehmenden Versatz der Betonplatte angesprochen, keine Mahnung enthält, sind die geltend gemachten Kosten auch kein Verzugsschaden.
3. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Eigentümer von seinem Nachbarn nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Beseitigung von Baumwurzeln verlangen kann, die von dem Nachbargrundstück in sein Grundstück eingedrungen sind. Das Selbsthilferecht des Eigentümers nach § 910 Abs. 1 Satz 1 BGB schließt einen solchen Beseitigungsanspruch nicht aus; beide bestehen gleichrangig nebeneinander (Senat, BGHZ 60, 235, 241 f.; 97, 231, 234; Urt. v. 8. Juni 1979, V ZR 46/78, LM BGB § 1004 Nr. 156; Picker, JuS 1974, 357, 359 ff.; Gursky, JZ 1992, 312, 313; Roth, JZ 1998, 94). An dieser Auffassung hält der Senat trotz ablehnender Stimmen im Schrifttum (Wilhelm , Sachenrecht, 2. Aufl., Rdn. 1281; Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 21 II. 1.; Canaris, Festschrift für Medicus, 1999, S. 25, 53 ff.; Armbrüster, NJW 2003, 3087, 3089) fest. Für sie spricht neben dem Grundgedanken des § 903 BGB (vgl. Senat, BGHZ 60, 235, 242) der Umstand, daß dem durch Baumwurzeln beeinträchtigten Grundstückseigentümer dasselbe Abwehrrecht zustehen muß wie demjenigen, dessen Eigentum in anderer Art beeinträchtigt wird. Das wäre nicht gewährleistet, wenn der Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB durch das Selbsthilferecht nach § 910 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wäre. Denn wenn der Eigentümer von seinem Selbsthilferecht Gebrauch macht und die eingedrungenen Baumwurzeln abschneidet, ist damit die Beseitigung der Eigentumsstörung noch nicht abgeschlossen. Vielmehr beeinträchtigen die Wurzeln weiterhin die Sachherrschaft des Grundstückseigentümers, zu der es gehört, fremde Gegenstände von seinem Grundstück fernzuhalten. Zur Beseitigung der Eigentumsstörung ist also mehr als nur das bloße Abschneiden der eingedrungenen Baumwurzeln erforderlich. Dieses "Mehr" kann der gestörte
Eigentümer von dem Störer jedoch nicht nach § 910 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern nur nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen.
4. Mit einer rechtlich nicht haltbaren Begründung nimmt das Berufungsgericht an, daß die Klägerin keinen Bereicherungsanspruch habe. Stand ihr nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Beseitigung der durch die Baumwurzel hervorgerufenen Beeinträchtigung des Weges gegen den Beklagten zu, ist er dadurch, daß die Klägerin die Arbeiten durchführen ließ, von einer ihm obliegenden Verpflichtung befreit und deshalb "auf sonstige Weise" im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB bereichert worden (ständige Senatsrechtsprechung seit BGHZ 60, 235, 243; siehe Urt. v. 21. Oktober 1994, V ZR 12/94, WM 1995, 76). Ein rechtlicher Grund dafür ist nicht gegeben. So gibt es insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin als Geschäftsführerin ohne Auftrag für den Beklagten gehandelt hat.
a) Nach dem Vortrag der Klägerin konnte sie nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Beseitigung der Beeinträchtigung ihres Eigentums verlangen. Der von der Straße zum Hauseingang führende Weg stand schon damals im Eigentum der Klägerin. Dieses Eigentum war durch das Eindringen der Wurzel des Kirschbaums und das damit verbundene Anheben der Betonplatte beeinträchtigt worden. Der Beklagte war Störer im Sinne des § 1004 BGB. Zwar beruhte das Hinüberwachsen der Wurzel auf einem natürlichen Vorgang. Aber auch durch Naturereignisse ausgelöste Störungen können dem Eigentümer zurechenbar sein. Bisher hat der Senat in den Fällen des Hinüberwachsens von Baumwurzeln in das Nachbargrundstück den Eigentümer für verantwortlich gehalten, weil er den Baum gepflanzt (BGHZ 97, 231; 106, 142; 135, 235; Urt. v. 8. Februar 1991, V ZR 346/89, WM 1991, 1685, 1686) bzw. unterhalten hat
(Urt. v. 21. Oktober 1994, V ZR 12/94, WM 1995, 76 f.). In jüngerer Zeit hat der Senat bei dem Einwirken von Naturkräften darauf abgestellt, ob die Störung auf einem pflichtwidrigen Unterlassen beruht, ob sich also aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Störung ausgeht, eine "Sicherungspflicht", d.h. eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen der Nachbargrundstücke ergibt (Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, WM 1995, 1844, 1845 - Wollläuse; Urt. v. 16. Februar 2001, V ZR 422/99, WM 2001, 1299, 1300 f. - Mehltau). In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der Senat erst kürzlich hervorgehoben, daß u.a. entscheidend sei, ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung halte (Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 13 [zur Veröffentlichung - auch in BGHZ - bestimmt]). Von diesem Ansatz aus ist die Störereigenschaft des Eigentümers eines Baumes, dessen Wurzeln in das Nachbargrundstück hinüberwachsen , problemlos zu bejahen. Denn nach dem in § 903 BGB enthaltenen Grundgedanken, der in der Spezialregelung des § 910 BGB eine besondere Ausprägung gefunden hat, muß der Eigentümer dafür Sorge tragen, daß die Baumwurzeln nicht über die Grenzen seines Grundstücks hinauswachsen.
b) Die Klägerin war zur Duldung der Beeinträchtigung ihres Eigentums nicht verpflichtet (§ 1004 Abs. 2 BGB). Maßstab ist hier § 910 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift gilt auch für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB (Senat, Urt. v. 14. November 2003, aaO, Umdruck S. 9). Danach kann der betroffene Eigentümer die Beseitigung hinübergewachsener Baumwurzeln nicht verlangen, wenn sie die Benutzung seines Grundstücks nicht beeinträchtigen. Hier lag jedoch nach dem Vortrag der Klägerin eine Beeinträchtigung vor, weil die Baumwurzel eine Gehwegplatte angehoben hatte.
c) Die Klägerin hat damit einen Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Erstattung der notwendigen Kosten, die von dem Beklagten zur Erfüllung des Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB hätten aufgewendet werden müssen. Trotz ablehnender Stimmen im Schrifttum (Gursky, NJW 1971, 782 ff.; JZ 1992, 310, 313 ff.; 1996, 683, 686; Picker, JuS 1974, 357, 361 f.; Kahl, Anm. zu LM BGB § 1004 Nr. 217) hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, daß der durch von dem Nachbargrundstück hinübergewachsene Baumwurzeln gestörte Grundstückseigentümer die von dem Störer geschuldete Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung selbst vornehmen und die dadurch entstehenden Kosten nach Bereicherungsgrundsätzen erstattet verlangen kann (BGHZ 97, 231, 234; 106, 142, 143; Urt. v. 8. Februar 1991, V ZR 346/89, WM 1991, 1685, 1686; Urt. v. 21. Oktober 1994, V ZR 12/94, WM 1995, 76; ebenso OLG Düsseldorf, NJW 1986, 2648, 2649; MünchKommBGB /Medicus, 3. Aufl., § 1004 Rdn. 75; Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 1004 Rdn. 30). Das ist nicht systemwidrig.
Aus § 267 BGB folgt der für alle Schuldverhältnisse geltende Grundsatz, daß, wenn der Schuldner nicht in Person zu leisten hat, ein Dritter für ihn leisten kann. Dieser Grundsatz gilt - wie § 910 Abs. 1 BGB zeigt - auch hier; die Pflicht zur Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung ist keine persönliche Leistungspflicht des Störers. Auch Sinn und Zweck des § 910 BGB stehen der in ständiger Senatsrechtsprechung vertretenen Auffassung nicht entgegen. Es geht nicht um den Ersatz von Kosten, die dem betroffenen Grundstückseigentümer durch die Ausübung seines Selbsthilferechts entstanden sind, sondern um den Ersatz der Kosten, die der Störer für die Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung hätte aufwenden müssen. Mit der Bejahung des Bereicherungsanspruchs wird auch nicht eine reine Kausalhaftung des Störers begründet.
Wie dargelegt, gründet sich seine - verschuldensunabhängige - Haftung nicht auf das bloße Unterhalten des Baumes, sondern darauf, daß er seine Pflicht verletzt hat, ein Hinüberwachsen der Wurzeln zu verhindern.
Schließlich steht der hier vertretenen Auffassung auch § 887 ZPO nicht entgegen. Diese Vorschrift des Zwangsvollstreckungsrechts setzt einen vollstreckbaren Titel, in welchem der Störer zur Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung verpflichtet wird, voraus; sie greift jedoch nicht in das materielle Recht ein. Hinzu kommt, daß sich die Ursache einer durch eingedrungene Baumwurzeln hervorgerufenen Eigentumsbeeinträchtigung nicht ohne weiteres erkennen läßt. Sie muß erst durch das Aufgraben des Bodens oder andere Maßnahmen wie z.B. die "Fernsehuntersuchung" eines Abwasserkanals ermittelt werden. Deshalb kann von dem Eigentümer nicht verlangt werden, sogleich von seinem Nachbarn die Beseitigung einer Beeinträchtigung, deren Ursache nicht bekannt ist, zu verlangen; vielmehr muß er zunächst selbst tätig werden. Erkennt er sodann die Störungsursache, rechtfertigt sein Interesse an einer zügigen Störungsbeseitigung das Fortführen der begonnenen Arbeiten.
5. Das Berufungsurteil ist somit insoweit rechtsfehlerhaft. Das führt allerdings nicht zu seiner Aufhebung, denn die Entscheidung stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar.
Zu den von dem Beklagten zu erstattenden notwendigen Kosten für die Beseitigung der Beeinträchtigung gehören die Aufwendungen der Klägerin für die Feststellung der Störungsursache und für die Reparatur des Weges (vgl. Senat, Urt. v. 21. Oktober 1994, aaO, 77). Denn der Beklagte schuldet nicht nur die isolierte Beseitigung der weiter störenden Baumwurzel, sondern auch
die anschließende Wiederherstellung des Weges, weil die Beseitigungspflicht auch diejenige Eigentumsbeeinträchtigung erfaßt, die zwangsläufig durch das Beseitigen der Störung eintritt (Senat, BGHZ 135, 235, 238 f.). Dies verwischt nicht die Grenze zwischen Beseitigungsanspruch und Schadensersatzanspruch , sondern führt nur zu einer partiellen Überlappung beider Ansprüche. Danach erstattungsfähige Beseitigungskosten macht die Klägerin jedoch nicht geltend. Aus der Position 01 der von ihr vorgelegten Rechnung vom 20. November 2001 geht hervor, daß sämtliche Betonplatten des ursprünglichen Weges aufgebrochen und der Betonbruch abgefahren worden sind. Das war für die Feststellung der Störungsursache nicht erforderlich. Es hätte ausgereicht , die von der Baumwurzel angehobene Betonplatte aufzunehmen, die Wurzel abzuschneiden, den Untergrund wieder herzustellen und die Betonplatte wieder hinzulegen. Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobene Verfahrensrüge (§ 139 ZPO), die Klägerin hätte auf einen richterlichen Hinweis ausgeführt, daß für die Beseitigung der Baumwurzel wenigstens die angehobene Betonplatte entfernt werden mußte, ist unbegründet. Mit diesem zwar schlüssigen Vortrag hätte die Klägerin ihre Klageforderung nicht begründen können, weil die von ihr vorgelegte Rechnung keine Kosten für das Entfernen und Zurücklegen der unbeschädigten Betonplatte enthält. Die übrigen Rechnungspositionen betreffen weder die Feststellung der Störungsursache noch die Reparatur des Weges, soweit sie durch die Beseitigung der Beeinträchtigung erforderlich geworden ist.
6. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht ihr kein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog zu. Zwar kommt ein solcher Anspruch (zu den Voraussetzungen siehe nur Senat, Urt. v. 30. Mai 2003, V ZR 37/02, WM 2003, 1969, 1970 m.w.N.) auch bei dem grenz-
überschreitenden Eindringen von Baumwurzeln in ein Grundstück in Betracht (BGH, Urt. v. 8. März 1990, III ZR 141/88, NJW 1990, 3195, 3196; Erman /Hagen/A. Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rdn. 39). Aber wegen seiner Subsidiarität gleicht er nur solche Beeinträchtigungen aus, für die der betroffene Eigentümer keinen anderweitigen Ersatz erlangen kann. An dieser Voraussetzung fehlt es hier; die Klägerin kann - wie vorstehend ausgeführt - von dem Beklagten die Kosten für die Beseitigung der Baumwurzel und die Wiederherstellung des Weges verlangen. Daß darüber hinausgehende, durch das Hinüberwachsen der Baumwurzel verursachte Kosten entstanden sind, ist weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Stresemann
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.