Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 03. Juli 2014 - 3 Ws 213/14

ECLI:ECLI:DE:OLGHAM:2014:0703.3WS213.14.00
bei uns veröffentlicht am03.07.2014

Tenor

Der angegriffene Beschluss wird aufgehoben.

Es wird angeordnet, dass abweichend vom Vollstreckungsplan NW die gegen den Angeklagten in dem vorliegenden Verfahren angeordnete Untersuchungshaft nicht in der JVA C, sondern in der JVA E vollzogen wird.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Beschwerdeverfahren werden der Staatskasse auferlegt.


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Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 03. Juli 2014 - 3 Ws 213/14 zitiert 10 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 304 Zulässigkeit


(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung - BtMVV 1998 | § 5 Substitution, Verschreiben von Substitutionsmitteln


(1) Substitution im Sinne dieser Verordnung ist die Anwendung eines Substitutionsmittels. Substitutionsmittel im Sinne dieser Verordnung sind ärztlich verschriebene Betäubungsmittel, die bei einem opioidabhängigen Patienten im Rahmen eines Therapieko

Strafprozeßordnung - StPO | § 126 Zuständigkeit für weitere gerichtliche Entscheidungen


(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, da

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 13 Verschreibung und Abgabe auf Verschreibung


(1) Die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel dürfen nur von Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten und nur dann verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Behandlung einschließlich der ärztlichen Behandlung ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 340 Körperverletzung im Amt


(1) Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die

Strafprozeßordnung - StPO | § 268b Beschluss über die Fortdauer der Untersuchungshaft


Bei der Urteilsfällung ist zugleich von Amts wegen über die Fortdauer der Untersuchungshaft oder einstweiligen Unterbringung zu entscheiden. Der Beschluß ist mit dem Urteil zu verkünden.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Aug. 2012 - 3 StR 304/12

bei uns veröffentlicht am 28.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 304/12 vom 28. August 2012 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. August 2012 gemäß §§ 44, 34

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 17. Okt. 2012 - 2 BvR 736/11

bei uns veröffentlicht am 17.10.2012

Tenor Die Beschlüsse des Landgerichts Stralsund vom 17. November 2010 - 21 Ks 2/10 - und des Oberlandesgerichts Rostock vom 1. März 2011 - I Ws 14/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grun

Referenzen

Bei der Urteilsfällung ist zugleich von Amts wegen über die Fortdauer der Untersuchungshaft oder einstweiligen Unterbringung zu entscheiden. Der Beschluß ist mit dem Urteil zu verkünden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 304/12
vom
28. August 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. August 2012 gemäß
§§ 44, 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Dem Beschuldigten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 26. März 2012 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in der vorigen Stand gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Beschuldigte.
2. Auf die Revision des Beschuldigten wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Beschuldigten hat Erfolg. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erkrankte der Beschuldigte erstmals im Jahr 2003 an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose und wurde in den Folgejahren mehrfach sowohl stationär als auch ambulant behandelt, wobei die Klinikaufenthalte auf freiwilliger Basis, auf Unterbringungsbeschlüssen nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten des Landes Nordrhein-Westfalen sowie auf amtsgerichtlich genehmigten Anordnungen des Betreuers beruhten.
3
Während eines Klinikaufenthalts im Sommer 2011 schlug der Beschuldigte einem Mitpatienten ohne Anlass ins Gesicht. An einem anderen Tag versuchte er, einem Pfleger ins Gesicht zu schlagen. Als dieser ihn zu Boden brachte, schlug er ihm in den Nieren-Beckenbereich. In beiden Fällen erlitten die Geschlagenen Schmerzen.
4
2. Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Die Strafkammer hat die für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorausgesetzte negative Gefährlichkeitsprognose nicht rechtsfehlerfrei durchgeführt. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, die eine außerordentlich beschwerende Maßnahme darstellt, darf nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 3 StR 27/09, NStZ-RR 2009, 169 mwN). Die Erwartung erheblicher rechtswidriger Taten wird von den Feststellungen nicht getragen. Dies erfordert nicht, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind; die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202). Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte zwar regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH aaO; BGH, Beschluss vom 25.04.2012 - 4 StR 81/12 mwN). Zumindest die Anlasstat Nr. 1 bewegt sich mit einer einfachen Ohrfeige schon an der Grenze der Erheblichkeit im Sinne des § 223 StGB (BGH, Urteil vom 7. März 1990 - 2 StR 615/89, NJW 1990, 3156, 3157). Der als erheblichere Straftat anzusehende erfolgreiche Schlag gegen einen Krankenpfleger (Anlasstat Nr. 2) erfolgte erst, als dieser den Beschuldigten zu Boden brachte, also in einer für den Beschuldigten subjektiv bedrohlichen Situation (UA S. 7). Hinzu kommt, dass solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung gegenüber dem Pflegepersonal nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen sind, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 25.04.2012 - 4 StR 81/12). Auf dieser Grundlage vermag allein die Gefahr , dass der Beschuldigte künftig den Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, die Maßregelanordnung nicht zu begründen. Denn damit ist die vom Gesetz vorausgesetzte bestimmte Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten nicht hinreichend belegt. Der Beschuldigte ist vor den Anlasstaten nicht mit Gewalt- oder Aggressionsdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten , obwohl die Erkrankung seit 2003 besteht (UA S. 3). Aggressive Verhaltensweisen sind erst nach der stationären Aufnahme auf der geschützten allgemeinen psychiatrischen Station des A. Krankenhauses , dem Tatort der Anlasstaten, im November 2010 und der anschließenden zivilrechtlichen Unterbringung in dieser Einrichtung seit Januar 2011 aufgetreten, was einen Zusammenhang zwischen den Gewalttaten und der Unterbringung nahe legt. Auch die weiteren aggressiven Auffälligkeiten, zu denen es neben den festgestellten Taten durch den Beschuldigten gekommen ist (UA S. 5 f.), sind auf unterbringungsspezifische Situationen zurückzuführen, nämlich hinsichtlich des Übergriffs auf eine Passantin auf eine Fehlreaktion des Klinikpersonals (UA S. 6) und des Richters am Amtsgericht W. auf eine Anhörung im Betreuungsverfahren (UA S. 5), nachdem der Beschuldigte bereits untergebracht war. Anlässlich des letztgenannten Vorfalls ließ der Beschuldigte sich offensichtlich wieder beruhigen und wurde nicht tätlich. Ansonsten ist der Beschuldigte zuvor nie in strafrechtlich relevanter Weise aufgefallen."
5
Dem schließt sich der Senat an. Über die Unterbringung muss deshalb erneut verhandelt und entschieden werden. Es ist denkbar, dass in einer neuen Verhandlung weitergehende Feststellungen - auch zu den übrigen Tätlichkeiten des Beschuldigten, die das Landgericht als eine "zunehmende Eskalation der fremdaggressiven Impulsdurchbrüche gegenüber Mitarbeitern und Mitpatienten" umschrieben hat - getroffen werden können, und sich daraus eine Gesamtbeurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten ergibt, die eine Unterbringung rechtfertigt. Um insoweit einheitliche Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat auch die Feststellungen zu den Anlasstaten auf.
6
3. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, widerspruchsfrei darzulegen , worauf die angenommene Schuldunfähigkeit des Beschuldigten beruht. Dies ist bislang nicht geschehen. Auf eine Erörterung, ob fehlende Einsicht oder fehlende Steuerungsfähigkeit die Schuldunfähigkeit begründet haben, kann nicht verzichtet werden. Der Schuldausschluss kann grundsätzlich nicht auf beide Alternativen des § 20 StGB gestützt werden. Die Frage der Steuerungsfähigkeit ist erst dann zu prüfen, wenn der Täter das Unrecht der Tat eingesehen hat oder einsehen konnte (BGH, Beschluss vom 9. September1986 - 4 StR 570/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Psychische Störungen, bei denen sowohl die Einsichts- als auch die Steuerungsfähigkeit aufgehoben sind, stellen die Ausnahme dar (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 - 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167).
Schäfer Pfister Hubert RiBGH Mayer befindet sich Gericke im Urlaub und ist deshalb verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Schäfer

(1) Die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel dürfen nur von Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten und nur dann verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Behandlung einschließlich der ärztlichen Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch oder nach Absatz 1a Satz 1 überlassen werden, wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper begründet ist. Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann. Die in Anlagen I und II bezeichneten Betäubungsmittel dürfen nicht verschrieben, verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch oder nach Absatz 1a Satz 1 überlassen werden.

(1a) Zur Deckung des nicht aufschiebbaren Betäubungsmittelbedarfs eines ambulant versorgten Palliativpatienten darf der Arzt diesem die hierfür erforderlichen, in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel in Form von Fertigarzneimitteln nur dann überlassen, soweit und solange der Bedarf des Patienten durch eine Verschreibung nicht rechtzeitig gedeckt werden kann; die Höchstüberlassungsmenge darf den Dreitagesbedarf nicht überschreiten. Der Bedarf des Patienten kann durch eine Verschreibung nicht rechtzeitig gedeckt werden, wenn das erforderliche Betäubungsmittel

1.
bei einer dienstbereiten Apotheke innerhalb desselben Kreises oder derselben kreisfreien Stadt oder in einander benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten nicht vorrätig ist oder nicht rechtzeitig zur Abgabe bereitsteht oder
2.
obwohl es in einer Apotheke nach Nummer 1 vorrätig ist oder rechtzeitig zur Abgabe bereitstünde, von dem Patienten oder den Patienten versorgenden Personen nicht rechtzeitig beschafft werden kann, weil
a)
diese Personen den Patienten vor Ort versorgen müssen oder auf Grund ihrer eingeschränkten Leistungsfähigkeit nicht in der Lage sind, das Betäubungsmittel zu beschaffen, oder
b)
der Patient auf Grund der Art und des Ausmaßes seiner Erkrankung dazu nicht selbst in der Lage ist und keine Personen vorhanden sind, die den Patienten versorgen.
Der Arzt muss unter Hinweis darauf, dass eine Situation nach Satz 1 vorliegt, bei einer dienstbereiten Apotheke nach Satz 2 Nummer 1 vor Überlassung anfragen, ob das erforderliche Betäubungsmittel dort vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht. Über das Vorliegen der Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2 und die Anfrage nach Satz 3 muss der Arzt mindestens folgende Aufzeichnungen führen und diese drei Jahre, vom Überlassen der Betäubungsmittel an gerechnet, aufbewahren:
1.
den Namen des Patienten sowie den Ort, das Datum und die Uhrzeit der Behandlung,
2.
den Namen der Apotheke und des kontaktierten Apothekers oder der zu seiner Vertretung berechtigten Person,
3.
die Bezeichnung des angefragten Betäubungsmittels,
4.
die Angabe der Apotheke, ob das Betäubungsmittel zum Zeitpunkt der Anfrage vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht,
5.
die Angaben über diejenigen Tatsachen, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2 ergibt.
Über die Anfrage eines nach Satz 1 behandelnden Arztes, ob ein bestimmtes Betäubungsmittel vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht, muss der Apotheker oder die zu seiner Vertretung berechtigte Person mindestens folgende Aufzeichnungen führen und diese drei Jahre, vom Tag der Anfrage an gerechnet, aufbewahren:
1.
das Datum und die Uhrzeit der Anfrage,
2.
den Namen des Arztes,
3.
die Bezeichnung des angefragten Betäubungsmittels,
4.
die Angabe gegenüber dem Arzt, ob das Betäubungsmittel zum Zeitpunkt der Anfrage vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht.
Im Falle des Überlassens nach Satz 1 hat der Arzt den ambulant versorgten Palliativpatienten oder zu dessen Pflege anwesende Dritte über die ordnungsgemäße Anwendung der überlassenen Betäubungsmittel aufzuklären und eine schriftliche Gebrauchsanweisung mit Angaben zur Einzel- und Tagesgabe auszuhändigen.

(1b) Abweichend von Absatz 1 dürfen die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel durch Notfallsanitäter im Sinne des Notfallsanitätergesetzes ohne vorherige ärztliche Anordnung im Rahmen einer heilkundlichen Maßnahme verabreicht werden, wenn diese nach standardisierten ärztlichen Vorgaben handeln, ein Eintreffen eines Arztes nicht abgewartet werden kann und die Verabreichung zur Abwendung von Gefahren für die Gesundheit oder zur Beseitigung oder Linderung erheblicher Beschwerden erforderlich ist. Die standardisierten ärztlichen Vorgaben müssen

1.
den handelnden Notfallsanitätern in Textform vorliegen,
2.
Regelungen zu Art und Weise der Verabreichung enthalten und
3.
Festlegungen darüber treffen, in welchen Fällen das Eintreffen eines Arztes nicht abgewartet werden kann.

(2) Die nach Absatz 1 verschriebenen Betäubungsmittel dürfen nur im Rahmen des Betriebs einer Apotheke und gegen Vorlage der Verschreibung abgegeben werden. Diamorphin darf nur vom pharmazeutischen Unternehmer und nur an anerkannte Einrichtungen nach Absatz 3 Satz 2 Nummer 2a gegen Vorlage der Verschreibung abgegeben werden. Im Rahmen des Betriebs einer tierärztlichen Hausapotheke dürfen nur die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel und nur zur Anwendung bei einem vom Betreiber der Hausapotheke behandelten Tier abgegeben werden.

(3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Verschreiben von den in Anlage III bezeichneten Betäubungsmitteln, ihre Abgabe auf Grund einer Verschreibung und das Aufzeichnen ihres Verbleibs und des Bestandes bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, in Apotheken, tierärztlichen Hausapotheken, Krankenhäusern, Tierkliniken, Alten- und Pflegeheimen, Hospizen, Einrichtungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, Einrichtungen der Rettungsdienste, Einrichtungen, in denen eine Behandlung mit dem Substitutionsmittel Diamorphin stattfindet, und auf Kauffahrteischiffen zu regeln, soweit es zur Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs erforderlich ist. Insbesondere können

1.
das Verschreiben auf bestimmte Zubereitungen, Bestimmungszwecke oder Mengen beschränkt,
2.
das Verschreiben von Substitutionsmitteln für Drogenabhängige von der Erfüllung von Mindestanforderungen an die Qualifikation der verschreibenden Ärzte abhängig gemacht und die Festlegung der Mindestanforderungen den Ärztekammern übertragen,
2a.
das Verschreiben von Diamorphin nur in Einrichtungen, denen eine Erlaubnis von der zuständigen Landesbehörde erteilt wurde, zugelassen,
2b.
die Mindestanforderungen an die Ausstattung der Einrichtungen, in denen die Behandlung mit dem Substitutionsmittel Diamorphin stattfindet, festgelegt,
3.
Meldungen
a)
der verschreibenden Ärzte an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte über das Verschreiben eines Substitutionsmittels für einen Patienten in anonymisierter Form,
b)
der Ärztekammern an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte über die Ärzte, die die Mindestanforderungen nach Nummer 2 erfüllen und
Mitteilungen
c)
des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte an die zuständigen Überwachungsbehörden und an die verschreibenden Ärzte über die Patienten, denen bereits ein anderer Arzt ein Substitutionsmittel verschrieben hat, in anonymisierter Form,
d)
des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte an die zuständigen Überwachungsbehörden der Länder über die Ärzte, die die Mindestanforderungen nach Nummer 2 erfüllen,
e)
des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte an die obersten Landesgesundheitsbehörden über die Anzahl der Patienten, denen ein Substitutionsmittel verschrieben wurde, die Anzahl der Ärzte, die zum Verschreiben eines Substitutionsmittels berechtigt sind, die Anzahl der Ärzte, die ein Substitutionsmittel verschrieben haben, die verschriebenen Substitutionsmittel und die Art der Verschreibung
sowie Art der Anonymisierung, Form und Inhalt der Meldungen und Mitteilungen vorgeschrieben,
4.
Form, Inhalt, Anfertigung, Ausgabe, Aufbewahrung und Rückgabe des zu verwendenden amtlichen Formblattes für die Verschreibung, das Verfahren für die Verschreibung in elektronischer Form sowie Form und Inhalt der Aufzeichnungen über den Verbleib und den Bestand der Betäubungsmittel festgelegt und
5.
Ausnahmen von § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c für die Ausrüstung von Kauffahrteischiffen erlassen werden.
Für das Verfahren zur Erteilung einer Erlaubnis nach Satz 2 Nummer 2a gelten § 7 Satz 2 Nummer 1 bis 4, § 8 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 und 3 Satz 1 bis 3, § 9 Absatz 2 und § 10 entsprechend. Dabei tritt an die Stelle des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte jeweils die zuständige Landesbehörde, an die Stelle der zuständigen obersten Landesbehörde jeweils das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Empfänger nach Satz 2 Nr. 3 dürfen die übermittelten Daten nicht für einen anderen als den in Satz 1 genannten Zweck verwenden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte handelt bei der Wahrnehmung der ihm durch Rechtsverordnung nach Satz 2 zugewiesenen Aufgaben als vom Bund entliehenes Organ des jeweils zuständigen Landes; Einzelheiten einschließlich der Kostenerstattung an den Bund werden durch Vereinbarung geregelt.

(1) Substitution im Sinne dieser Verordnung ist die Anwendung eines Substitutionsmittels. Substitutionsmittel im Sinne dieser Verordnung sind ärztlich verschriebene Betäubungsmittel, die bei einem opioidabhängigen Patienten im Rahmen eines Therapiekonzeptes zur medizinischen Behandlung einer Abhängigkeit, die durch den Missbrauch von erlaubt erworbenen oder durch den Missbrauch von unerlaubt erworbenen oder erlangten Opioiden begründet ist, angewendet werden.

(2) Im Rahmen der ärztlichen Therapie soll eine Opioidabstinenz des Patienten angestrebt werden. Wesentliche Ziele der Substitution sind dabei insbesondere

1.
die Sicherstellung des Überlebens,
2.
die Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes,
3.
die Abstinenz von unerlaubt erworbenen oder erlangten Opioiden,
4.
die Unterstützung der Behandlung von Begleiterkrankungen oder
5.
die Verringerung der durch die Opioidabhängigkeit bedingten Risiken während einer Schwangerschaft sowie während und nach der Geburt.

(3) Ein Arzt darf einem Patienten Substitutionsmittel unter den Voraussetzungen des § 13 Absatz 1 des Betäubungsmittelgesetzes verschreiben, wenn er die Mindestanforderungen an eine suchtmedizinische Qualifikation erfüllt, die von den Ärztekammern nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgelegt werden (suchtmedizinisch qualifizierter Arzt). Zudem muss er die Meldeverpflichtungen nach § 5b Absatz 2 erfüllen.

(4) Erfüllt der Arzt nicht die Mindestanforderungen an eine suchtmedizinische Qualifikation nach Absatz 3 Satz 1 (suchtmedizinisch nicht qualifizierter Arzt), muss er zusätzlich zu der Voraussetzung nach Absatz 3 Satz 2

1.
sich zu Beginn der Behandlung mit einem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt abstimmen sowie
2.
sicherstellen, dass sich sein Patient zu Beginn der Behandlung und mindestens einmal in jedem Quartal dem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt nach Nummer 1 im Rahmen einer Konsiliarbehandlung vorstellt.
Ein suchtmedizinisch nicht qualifizierter Arzt darf gleichzeitig höchstens zehn Patienten mit Substitutionsmitteln behandeln. Er darf keine Behandlung nach § 5a durchführen.

(5) Im Vertretungsfall soll der substituierende Arzt von einem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt vertreten werden. Gelingt es dem substituierenden Arzt nicht, einen Vertreter nach Satz 1 zu bestellen, so kann er von einem suchtmedizinisch nicht qualifizierten Arzt vertreten werden. In diesem Fall darf die Vertretung einen zusammenhängenden Zeitraum von bis zu vier Wochen und höchstens insgesamt zwölf Wochen im Jahr umfassen. Der Vertreter hat sich mit dem zu vertretenden Arzt grundsätzlich vor Beginn des Vertretungsfalles abzustimmen. Notfallentscheidungen bleiben in allen Vertretungsfällen unberührt. Der Vertreter fügt den Schriftwechsel sowie die sonstigen Aufzeichnungen zwischen den an der Vertretung beteiligten Ärzten der Dokumentation nach Absatz 11 bei. Der Vertreter nach Satz 2 darf im Rahmen seiner Vertretung keine Behandlung nach § 5a durchführen.

(6) Als Substitutionsmittel im Sinne von Absatz 1 darf der substituierende Arzt nur Folgendes verschreiben:

1.
ein zur Substitution zugelassenes Arzneimittel, das nicht den Stoff Diamorphin enthält,
2.
eine Zubereitung von Levomethadon, von Methadon oder von Buprenorphin oder
3.
in begründeten Ausnahmefällen eine Zubereitung von Codein oder Dihydrocodein.
Die in Satz 1 genannten Substitutionsmittel dürfen nicht zur intravenösen Anwendung bestimmt sein. Die Verschreibung eines in Satz 1 genannten Substitutionsmittels ist mit dem Buchstaben „S“ zu kennzeichnen. Für die zur Substitution zugelassenen Arzneimittel mit dem Stoff Diamorphin gilt § 5a.

(7) Dem Patienten oder bei dem Patienten ist das vom Arzt verschriebene Substitutionsmittel von den in Absatz 9 Satz 1 und 2 bezeichneten Personen oder dem dort bezeichneten Personal in den in Absatz 9 Satz 1 und 2 genannten Einrichtungen zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen, zu verabreichen oder gemäß dem in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren anzuwenden. Im Fall des Verschreibens von Codein oder Dihydrocodein kann dem Patienten nach der Überlassung jeweils einer Dosis zum unmittelbaren Verbrauch die für einen Tag zusätzlich benötigte Menge des Substitutionsmittels in abgeteilten Einzeldosen ausgehändigt und ihm die eigenverantwortliche Einnahme gestattet werden, sofern dem Arzt keine Anhaltspunkte für eine nicht bestimmungsgemäße Einnahme des Substitutionsmittels vorliegen.

(8) Abweichend von Absatz 7 Satz 1 darf der substituierende Arzt dem Patienten Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme gemäß den Feststellungen der Bundesärztekammer nach Absatz 11 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b verschreiben,

1.
sobald und solange er zu dem Ergebnis kommt, dass eine Überlassung des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch nach Absatz 7 nicht mehr erforderlich ist, oder
2.
ausnahmsweise, wenn
a)
die Kontinuität der Substitutionsbehandlung des Patienten nicht anderweitig gewährleistet werden kann,
b)
der Verlauf der Behandlung dies zulässt,
c)
Risiken der Selbst- oder Fremdgefährdung soweit wie möglich ausgeschlossen sind und
d)
die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs nicht beeinträchtigt werden.
Der substituierende Arzt darf dem Patienten Substitutionsmittel in der für bis zu sieben aufeinanderfolgende Tage benötigten Menge nach Satz 1 verschreiben. Im Fall von Satz 1 Nummer 1 darf er dem Patienten in begründeten Einzelfällen Substitutionsmittel in der für bis zu 30 aufeinanderfolgende Tage benötigten Menge nach Satz 1 verschreiben. Ein begründeter Einzelfall im Sinne des Satzes 3 kann nur durch einen medizinischen oder einen anderen Sachverhalt begründet sein. Ein durch einen anderen Sachverhalt begründeter Einzelfall liegt vor, wenn der Patient aus wichtigen Gründen, die seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder seine Erwerbstätigkeit betreffen, darauf angewiesen ist, eine Verschreibung des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme für bis zu 30 Tage zu erhalten. Der Patient hat dem Substitutionsarzt diese Sachverhalte glaubhaft zu machen. Medizinische Sachverhalte, die einen Einzelfall begründen, werden durch die Bundesärztekammer nach Absatz 11 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b festgestellt. Der substituierende Arzt darf die Verschreibung nach Satz 1 im Rahmen einer persönlichen Konsultation an den Patienten aushändigen oder infolge einer telemedizinischen Konsultation an ihn übermitteln; die nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vereinbarten Anforderungen an die technischen Verfahren zu Videosprechstunden sind einzuhalten. In einem Zeitraum von 30 Tagen hat mindestens eine persönliche Konsultation stattzufinden. Die Verschreibung ist nach dem Buchstaben „S“ zusätzlich mit dem Buchstaben „T“ zu kennzeichnen. Der substituierende Arzt kann patientenindividuelle Zeitpunkte festlegen, zu denen Teilmengen des verschriebenen Substitutionsmittels in der Apotheke an den Patienten oder an die Praxis des substituierenden Arztes abgegeben oder zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden sollen.

(9) Substitutionsmittel nach Absatz 6 Satz 1 dürfen nur von folgenden Personen dem Patienten zum unmittelbaren Verbrauch überlassen, ihm verabreicht oder bei ihm gemäß dem in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren angewendet werden:

1.
dem substituierenden Arzt in der Einrichtung, in der er ärztlich tätig ist,
2.
dem vom substituierenden Arzt in der Einrichtung nach Nummer 1 eingesetzten medizinischen Personal oder
3.
dem medizinischen, pharmazeutischen, pflegerischen oder in begründeten Fällen, in denen die Abgabe nicht anderweitig gewährleistet werden kann, auch anderem geeigneten Personal, das vom substituierenden Arzt eingewiesen wurde, in
a)
einer stationären Einrichtung der medizinischen Rehabilitation,
b)
einem Gesundheitsamt,
c)
einem Alten- oder Pflegeheim,
d)
Anstalten und Einrichtungen des Justizvollzugs,
e)
einem Hospiz oder
f)
einer anderen geeigneten Einrichtung, die zu diesem Zweck von der zuständigen Landesbehörde anerkannt sein muss,
sofern der substituierende Arzt nicht selber in der jeweiligen Einrichtung tätig ist und er mit der jeweiligen Einrichtung eine Vereinbarung getroffen hat.
Außerdem darf ein Substitutionsmittel nach Absatz 6 Satz 1 dem Patienten zum unmittelbaren Verbrauch überlassen, ihm verabreicht oder bei ihm gemäß dem in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren angewendet werden
1.
bei einem Hausbesuch
a)
vom substituierenden Arzt oder dem von ihm eingesetzten medizinischen Personal oder
b)
vom medizinischen oder pflegerischen Personal, das von einem ambulanten Pflegedienst oder von einer Einrichtung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung eingesetzt wird, sofern der substituierende Arzt für diesen Pflegedienst oder diese Einrichtung nicht selber tätig ist und er mit diesem Pflegedienst oder dieser Einrichtung eine Vereinbarung getroffen hat,
2.
in einer Apotheke von dem Apotheker oder von dem dort eingesetzten pharmazeutischen Personal, sofern der substituierende Arzt mit dem Apotheker eine Vereinbarung getroffen hat,
3.
in einem Krankenhaus von dem dort eingesetzten medizinischen oder pflegerischen Personal, sofern der substituierende Arzt für dieses Krankenhaus nicht selber tätig ist und er mit dem Krankenhaus eine Vereinbarung getroffen hat, oder
4.
in einer staatlich anerkannten Einrichtung der Suchtkrankenhilfe von dem dort eingesetzten und dafür ausgebildeten Personal, sofern der substituierende Arzt für diese Einrichtung nicht selber tätig ist und er mit der Einrichtung eine Vereinbarung getroffen hat.
Der substituierende Arzt hat sicherzustellen, dass das Personal nach den Sätzen 1 und 2 fachgerecht in das Überlassen des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch, in dessen Verabreichung oder dessen Anwendung gemäß dem in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren eingewiesen wird; eine invasive Verabreichung darf nur durch das in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehene Personal erfolgen. Die Vereinbarung nach den Sätzen 1 und 2 hat schriftlich oder elektronisch zu erfolgen und muss bestimmen, wie das eingesetzte Personal einer Einrichtung nach den Sätzen 1 und 2 fachlich eingewiesen wird und muss daneben mindestens eine verantwortliche Person in der jeweiligen Einrichtung benennen sowie Regelungen über die Kontrollmöglichkeiten durch den substituierenden Arzt enthalten. Der substituierende Arzt darf die benötigten Substitutionsmittel in den in den Sätzen 1 und 2 genannten Einrichtungen unter seiner Verantwortung lagern. Die Einwilligung des über die jeweiligen Räumlichkeiten Verfügungsberechtigten bleibt unberührt.

(10) Der substituierende Arzt hat die Erfüllung seiner Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 9 sowie nach § 5a Absatz 1 bis 4 und § 5b Absatz 2 und 4 gemäß den von der Bundesärztekammer nach Absatz 11 Satz 3 bestimmten Anforderungen zu dokumentieren. Die Dokumentation ist auf Verlangen der zuständigen Landesbehörde zur Einsicht und Auswertung vorzulegen oder einzusenden.

(11) Die Bundesärztekammer stellt den allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Substitution in einer Richtlinie fest, insbesondere für

1.
die Ziele der Substitution nach Absatz 2,
2.
die allgemeinen Voraussetzungen für die Einleitung und Fortführung einer Substitution nach Absatz 1 Satz 1,
3.
die Erstellung eines Therapiekonzeptes nach Absatz 1 Satz 2, insbesondere
a)
die Auswahl des Substitutionsmittels nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 6,
b)
die Voraussetzungen für das Verschreiben des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme nach den Absatz 8,
c)
die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Einbeziehung psychosozialer Betreuungsmaßnahmen sowie
d)
die Bewertung und Kontrolle des Therapieverlaufs.
Daneben kann die Bundesärztekammer nach dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft weitere als die in Absatz 2 Satz 2 bezeichneten wesentliche Ziele der Substitution in dieser Richtlinie feststellen. Sie bestimmt auch die Anforderungen an die Dokumentation der Substitution nach Absatz 10 Satz 1 in dieser Richtlinie. Die Einhaltung des allgemein anerkannten Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft wird vermutet, wenn und soweit die Feststellungen nach den Sätzen 1 und 2 beachtet worden sind.

(12) Vor der Entscheidung der Bundesärztekammer über die Richtlinie nach Absatz 11 Satz 1 bis 3 ist dem Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 91 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Substitution zu geben. Die Stellungnahme ist von der Bundesärztekammer in ihre Entscheidung über die Richtlinie nach Absatz 11 Satz 1 bis 3 einzubeziehen.

(13) Die Bundesärztekammer hat dem Bundesministerium für Gesundheit die Richtlinie nach Absatz 11 Satz 1 bis 3 zur Genehmigung vorzulegen. Änderungen der vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigten Richtlinie sind dem Bundesministerium für Gesundheit von der Bundesärztekammer ebenfalls zur Genehmigung vorzulegen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann von der Bundesärztekammer im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern. Das Bundesministerium für Gesundheit macht die genehmigte Richtlinie und genehmigte Änderungen der Richtlinie im Bundesanzeiger bekannt.

(14) Die Absätze 3 bis 10 sind entsprechend anzuwenden, wenn das Substitutionsmittel aus dem Bestand des Praxis- oder Stationsbedarfs zum unmittelbaren Verbrauch überlassen oder nach Absatz 7 Satz 2 ausgehändigt wird.

Tenor

Die Beschlüsse des Landgerichts Stralsund vom 17. November 2010 - 21 Ks 2/10 - und des Oberlandesgerichts Rostock vom 1. März 2011 - I Ws 14/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben, und die Sache wird an das Landgericht Stralsund zurückverwiesen.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

I.

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind die Einschlusszeiten im Vollzug der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Stralsund.

2

1. Der Beschwerdeführer befand sich vom 27. Februar 2010 bis zum 12. April 2011 in der Justizvollzugsanstalt Stralsund in Untersuchungshaft; am 12.April 2011 wurde er zur Verbüßung der Strafhaft in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt.

3

2. Unter dem 28.Oktober 2010 stellte der Beschwerdeführer einen "Antrag auf einstweiligen Rechtschutz" beim Landgericht Stralsund, mit dem er unter anderem beantragte, festzustellen, dass der Tagesablauf in der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Stralsund rechtswidrig sei, und die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, einen gesetzeskonformen Tagesablauf, bestehend aus Arbeits-, Frei- und Ruhezeiten, zu gewähren. Ihm sei entgegen § 7 Abs. 1 UVollzG M-V keine gültige Hausordnung übergeben worden. Diese solle nach § 84 UVollzG M-V Auskunft über die Arbeits-, Frei- und Ruhezeiten geben. Er habe bereits mehrfach erfolglos versucht, hierüber Auskunft zu erhalten. Der Landtagsdrucksache 5/2764 sei zu entnehmen, dass die Freizeit neben den Arbeits- und Ruhezeiten ein eigenständiger Teil des Tagesablaufs sein solle und dass den Untersuchungsgefangenen mit Blick auf die besonderen Belastungen in der Untersuchungshaft Gelegenheit zu geben sei, diese Zeit sinnvoll zu gestalten. Nach mehrmaligem Schriftverkehr mit dem Justizministeriumhabe sich die Leitung der Justizvollzugsanstalt vor einigen Wochen erstmals genötigt gesehen, die Zeit von 16.00 bis 19.00 Uhr als Freizeit zu bezeichnen, allerdings mit der Einschränkung, dass es deshalb keine offenen Haftraumtüren gebe. Auch Umschluss werde ihm trotz mehrmaliger Gesuche nicht gestattet. Außer der täglichen Freistunde, wöchentlich ein- bis zweimal Sport für eineinhalb Stunden, am Wochenende jeweils einer Stunde Umschluss sowie in regelmäßigen Abständen einem Kurs für ein bis zwei Stunden gebe es für Untersuchungsgefangene keine Freizeit. Montags, mittwochs und freitags sei zwar von 14.15 bis 15.45 Uhr Aufschluss. Allerdings sei diese Zeit in erster Linie der Reinigung der Hafträume und der persönlichen Körperhygiene vorbehalten. Damit seien die Untersuchungsgefangenen im Durchschnitt täglich 21,5 Stunden beziehungsweise wöchentlich 150 von 168 Stunden auf ihrem Haftraum eingeschlossen. Nach "hartem Kampf" sei es den Untersuchungsgefangenen nunmehr am Wochenende nach der morgendlichen Essensausgabe für 45 Minuten erlaubt, die Küche zu nutzen. Warum das nicht täglich oder auch nach der abendlichen Essensausgabe möglich sei, sei nicht ersichtlich.

4

3. Zu dem Antrag nahm die Justizvollzugsanstalt Stellung. Der Tagesablauf sei für Untersuchungsgefangene grundsätzlich ebenso wie für Strafgefangene in Arbeits-, Frei- und Ruhezeiten gegliedert. Arbeitende Untersuchungsgefangene arbeiteten von 7.15 bis 15.30 Uhr. Nach dem Abendbrot werde der Aufenthalt auf dem Freistundenhof angeboten; darüber hinaus könnten sie das interne Sportangebot oder die Aufschlusszeit am Abend auf der Station nutzen. Allerdings würden aufgrund eines geringen Arbeitsplatzangebotes vor allem Strafgefangene zur Arbeit eingesetzt. Durch eine Warteliste werde sichergestellt, dass bei freiwerdenden Arbeitsplätzen auch der Einsatz von Untersuchungsgefangenen regelmäßig geprüft werde. Den Untersuchungsgefangenen, die nicht zur Arbeit eingesetzt seien, werde am Vormittag der Aufenthalt auf dem Freistundenhof angeboten. Zur effektiven Tätertrennung würden getrennte Freistunden durchgeführt, somit entfalle vormittags der Aufschluss auf den Stationen. Nur wenn die Freistunde früher beendet werde, werde für die verbleibende Zeit ein Aufschluss gewährt. Im weiteren Tagesverlauf werde Untersuchungsgefangenen an den Wochentagen Montag, Mittwoch und Freitag jeweils von 14.15 bis 15.45 Uhr Aufschluss gewährt. Ein längerer Aufschluss könne nicht gewährt werden, da in der Zeit von 17.00 bis 19.00 Uhr die Möglichkeit von Telefonaten vorgehalten werden müsse, die von den Stationsbediensteten zu kontrollieren und gegebenenfalls mitzuhören seien. Die Nutzung der Küche und die Vorbereitung des Abendessens mit eigenen Lebensmitteln falle in die Zeit von 14.15 bis 15.45 Uhr. Da sehr zeitnah das Abendessen ausgeteilt werde, seien die Gefangenen nicht wesentlich in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Weiterhin gebe es die Möglichkeit der Teilnahme an Freizeitmaßnahmen.

5

4. Mit angegriffenem Beschluss vom 17. November 2010 wies das Landgericht den Antrag als unbegründet zurück. Das Begehren des Beschwerdeführers sei als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 119a StPO auszulegen. Es sei bereits zweifelhaft, inwieweit die Aufteilung des Tagesablaufs eine Vollzugsmaßnahme im Sinne des § 119a StPO sei; allerdings sei der Begriff der Vollzugsmaßnahme weit auszulegen. Es liege aber weder ein Verstoß gegen vollzugsrechtliche Normen noch ein Verstoß gegen Grundrechte des Beschwerdeführers vor. Der Beschwerdeführer zähle in seiner Antragsbegründungselbstständig von der Justizvollzugsanstalt bereitgestellte Maßnahmen der Freizeitgestaltung auf, rüge aber letztlich, dass diese nicht ausreichten und die Einschlusszeit zu viele Stunden einnehme. Die Vollzugsgestaltung obliege grundsätzlich der Justizvollzugsanstalt in eigener Zuständigkeit; einer Überprüfung durch den Haftrichter seien insoweit Grenzen gesetzt. Verstöße seitens der Justizvollzugsanstalt seien nicht festzustellen. Für den Beschwerdeführer als Untersuchungsgefangenen behielten die Grundrechte ihre Gültigkeit; sie unterlägen aber aufgrund der Untersuchungshaft und der ihr innewohnenden Beschränkung der Lebensführung gewissen Eingrenzungen. § 5 UVollzG M-V schreibe zwar vor, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen sei; dies gelte aber nur, soweit die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzuges und die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt dies zuließen. Arbeitsplätze könnten innerhalb der Justizvollzugsanstalt nicht für jeden Gefangenen gestellt werden. Es sei ausreichend, dass auch Untersuchungsgefangene grundsätzlich in die Prüfung der Verteilung einbezogen würden.

6

5. Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde zum Oberlandesgericht. Jede Beschränkung, die ihm auferlegt werde, müsse eine gesetzliche Grundlage haben. Es sei nicht ersichtlich, woher die Justizvollzugsanstalt ihr Recht ableite, unschuldige Untersuchungsgefangene, für die es außer den im gerichtlichen Haftbeschluss festgelegten freiheitseinschränkenden und verfahrenssichernden Maßnahmen keine weiteren gesetzlichen An- oder Verordnungen gebe, bis zu 23 Stunden am Tag wegzuschließen. Insbesondere fehle es an einer gültigen, gesetzeskonformen und von der Aufsichtsbehörde genehmigten Hausordnung. Der derzeitige Tagesablauf mit durchschnittlichen Einschlusszeiten von täglich über 20 Stunden sei rechtswidrig. § 4 UVollzG M-V schreibe vor, dass der Anschein zu vermeiden sei, dass die Untersuchungsgefangenen zur Strafverbüßung festgehalten würden, was in der Justizvollzugsanstalt aber der Fall sei, da Untersuchungsgefangene hinsichtlich der Einschlusszeiten schlechter behandelt würden als Strafgefangene. In § 5 UVollzG M-V heiße es, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen sei. Hiergegen werde verstoßen, wenn den Untersuchungsgefangenen nicht gestattet werde, zu den Essensmahlzeiten die Küche zu nutzen. Es werde ihm verweigert, sich in seiner Freizeit täglich mit anderen Untersuchungsgefangenen aufzuhalten, obwohl dies in § 12 Abs. 2 UVollzG M-V ausdrücklich vorgesehen sei. Er dürfe nur dreimal in der Woche duschen, die Strafgefangenen hingegen täglich, was einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstelle. Ihrer Begründungspflicht für einschränkende Maßnahmen komme die Justizvollzugsanstalt nicht nach; es sei nicht nachvollziehbar, ob und wie die Justizvollzugsanstalt eine Ermessensprüfung hinsichtlich der von ihr angeordneten Beschränkungen und Maßnahmen vorgenommen habe. § 119 StPO sehe keine allgemein anzuordnenden Beschränkungen vor. Das Gesetz kenne keinen Unterschied zwischen einem arbeitenden und einem nichtarbeitenden Untersuchungsgefangenen; die Privilegierung der wenigen arbeitenden Untersuchungsgefangenen hinsichtlich der Aufschlusszeiten sei nicht nachvollziehbar. Wenn die arbeitenden Untersuchungsgefangenen in ihrer täglichen Freizeit offene Hafttüren hätten und alle anderen Untersuchungsgefangenen nicht, liege offensichtlich eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung vor.

7

Der Rechtsbeschwerde fügte der Beschwerdeführer eine Auflistung bei, in der er die Einschlusszeiten für den Monat Oktober 2010 auf 89,6 Prozent und für den Monat November 2011 auf 89,3 Prozent bezifferte.

8

6. Mit angegriffenem Beschluss vom 1. März 2011 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses" als unbegründet.

II.

9

1. Mit seiner am 1. April 2011 rechtzeitig eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet der Beschwerdeführer sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts. Er rügt einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 und 3, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 3 und Art. 6 Abs. 1 EMRK.

10

Es gehe ihm darum, in der Untersuchungshafteinen gesetzeskonformen Tagesablauf, der auch tatsächlich aus Arbeits-, Frei- und Ruhezeiten bestehe, herzustellen. Seit über einem Jahr würden ihm ungerechtfertigte, durch gesetzliche Vorschriften nicht gedeckte Beschränkungen seiner körperlichen Bewegungsfreiheitauferlegt. Die Gerichte hätten den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt; seine Ausführungen seien nicht zur Kenntnis genommen worden. Es gehe um die tägliche Freizeit am Abend nach dem Abendessen, von 16.00 bis 19.00 Uhr, die den arbeitenden Untersuchungsgefangenen und den Strafgefangenen auf der Station erlaubt, dagegen ihm, dem Beschwerdeführer, und den anderen nichtarbeitenden Untersuchungsgefangenen ohne ersichtlichen Grund vorenthalten werde. Es gebe Tage, an denen er, abgesehen von der täglichen Freistunde auf dem Hof, 23 Stunden in seinem Haftraum eingeschlossen sei. Damit sei er schlechter gestellt als die Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt.

11

2. Das Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts Auskünfte zu den Aufschlusszeiten in den Justizvollzugsanstalten des Erwachsenenvollzugs des Landes Mecklenburg-Vorpommern gegeben.

12

In der Justizvollzugsanstalt Stralsund, in der der Beschwerdeführer untergebracht war, ist Aufschluss für Strafgefangene - arbeitende wie nicht arbeitende - werktags von 16.30 bis 19.15 Uhr sowie wochenends von 7.30 bis 9.00 Uhr und von 14.45 bis 16.00 Uhr, für nicht arbeitende Untersuchungsgefangene montags, mittwochs und freitags von 14.15 bis 15.45 Uhr vorgesehen (arbeitende Untersuchungsgefangene: keine Angabe). Wochenends von 10.00 bis 11.00 Uhr besteht für die nicht arbeitenden Untersuchungsgefangenen die Möglichkeit des Umschlusses (arbeitende Untersuchungsgefangene: keine Angabe). Im Vollzug der Untersuchungshaft seien vormittags zur effektiven Tätertrennung mehrere getrennte Freistunden auf dem Hof nötig. Da diese Freistunden von den Stationsbediensteten überwacht würden, entfalle deren ständige Präsenz auf den Stationen, weshalb dort ein Aufschluss am Vormittag entfallen müsse. Nur wenn die Freistunde früher beendet werde, sei für die verbleibende Zeit ein Aufschluss möglich, der dann auch gewährt werde. An den Wochentagen außer Montag, Mittwoch und Freitag seien die Stationsbediensteten regelmäßig mit der Haftraumzuweisung und der Zuführung von Gefangenen (Umlauf) beschäftigt. Ein weiterer Aufschluss habe bisher nicht realisiert werden können, da in der Zeit von 17.00 bis 19.00 Uhr die Möglichkeit für Telefonate vorgehalten werden müsse.

13

In der Justizvollzugsanstalt Waldeck wird arbeitenden und behandlungswilligen sowie nicht arbeitenden, aber arbeits- und behandlungswilligen Strafgefangenen werktags von 9.00 bis 11.00 Uhr und von 14.00 Uhr beziehungsweise ab Arbeitsende bis 20.00 Uhr und wochenends sowie an Feiertagen von 9.00 bis 11.00 und von 14.00 bis 18.00 Uhr Aufschluss gewährt. Für nicht behandlungswillige arbeitende Strafgefangene erfolgt der Aufschluss werktags nach Arbeitsende bis 19.00 Uhr, wochenends und feiertags von 16.00 bis 18.00 Uhr. Behandlungs- und arbeitsunwillige Strafgefangene erhalten Aufschluss täglich von 14.30 bis 15.30 Uhr. Für nicht arbeitende Untersuchungsgefangene erfolgt Aufschluss an vier Wochentagen jeweils von 17.00 bis 20.00 Uhr, wochenends und an Feiertagen von 16.00 bis 18.00 Uhr. Arbeitende Untersuchungsgefangene erhalten Aufschluss an denselben Wochentagen in der Zeit nach Arbeitsende bis 20.00 Uhr sowie wochenends und an Feiertagen von 14.00 bis 18.00 Uhr.

14

Nach den Angaben für die Justizvollzugsanstalt Bützow sind dort für Untersuchungsgefangene über den Aufenthalt im Freien hinaus keine Aufschlusszeiten vorgesehen; im Übrigen reichen die nach Gefangenengruppen und Abteilungen stark differenzierten Aufschlusszeiten von werktäglich einer Stunde, zuzüglich einer weiteren Stunde vor dem Nachteinschluss in den Monaten Juni bis September, in einer der Abteilungen für männliche nicht arbeitende Strafgefangene bis zu täglich insgesamt sieben Stunden bei Abschiebungsgefangenen.

15

Die Aufstellung für die Justizvollzugsanstalt Neubrandenburg weist ebenfalls differenzierte Aufschlusszeiten - unter anderem für nicht arbeitende Strafgefangene über die tägliche Freistunde hinaus täglichen Aufschluss von 15.30 bis 19.45 Uhr - aus. Für Untersuchungsgefangene ist neben der Freistunde kein Aufschluss vorgesehen.

16

Die Unterschiede zwischen den Aufschlusszeiten in den Justizvollzugsanstalten des Landes seien abhängig von den teilweise stark voneinander abweichenden räumlichen Bedingungen, den unterschiedlichen Zuständigkeiten mit entsprechend zu beachtendem Sicherheitsstandard und dem nicht kontinuierlich zur Verfügung stehenden Personalbestand.

17

Neben den genannten Aufschlusszeiten gebe es zahlreiche Freizeitmaßnahmen. Die Teilnahme an diesen sei ebenso wie die Durchführung von Besuchen, das Telefonieren oder das Duschen mit einem Aufschluss verbunden, der in der Darstellung nicht berücksichtigt sei.

18

3. Der Beschwerdeführer erwiderte, dass die Darstellung der Aufschlusszeiten in der Justizvollzugsanstalt Stralsund weitgehend zutreffend sei; soweit das Justizministerium aber ausführe, dass an den Tagen außer Montag, Mittwoch und Freitag die Stationsbediensteten regelmäßig mit der Haftraumzuweisung und der Zuführung von Gefangenen (Umlauf) beschäftigt seien, sei dies unzutreffend, denn die Zuführung neuer Untersuchungsgefangener geschehe fast täglich zu jeder Tageszeit, und Verlegungen und Umlauf erfolgten in der Regel stets am frühen Vormittag, so dass hierin kein Grund für den kompletten Tageseinschluss zu sehen sei. Die abendlichen Telefonzeiten lägen zwischen 18.00 und 19.00 Uhr, würden aber nur von wenigen Gefangenen in Anspruch genommen.

III.

19

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung(§ 93cAbs. 1BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und in einem die Kammerzuständigkeitbegründenden Sinne (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) offensichtlich begründet.

20

1. Der Zulässigkeit der fristgemäß eingegangenen Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich in eine andere Justizvollzugsanstalt zur Verbüßung einer Haftstrafe verlegt worden ist.

21

Bei gewichtigen Grundrechtseingriffen ist vom Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses im Verfassungsbeschwerdeverfahren auch dann auszugehen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kaum erlangen konnte (vgl. BVerfGE 117, 244 <268>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 2008 - 2 BvR 1661/06 -, juris). Gewichtig im hier maßgeblichen Sinne können neben Grundrechtseingriffen, die das Grundgesetz unter Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>; 117, 244 <269>), auch Eingriffe in andere Grundrechte sein (vgl. nur BVerfGE 110, 77 <86>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. März 2012 - 2 BvR 988/10 -, NJW 2012, S. 2790 <2791>, m.w.N.).

22

Danach kann dem Beschwerdeführer ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden. Wegen der typischerweise kurzen Dauer der Untersuchungshaft kann ein Untersuchungsgefangener nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine stattgebende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Maßnahmen in deren Vollzug nicht erlangen, während die Untersuchungshaft noch andauert. Entfiele das Rechtsschutzbedürfnis für Verfassungsbeschwerden, die Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft betreffen, jeweils mit dem Übergang des Betroffenen in die Strafhaft oder mit einer aufgrund dessen erfolgenden Verlegung, so fiele ein wirksamer verfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz in diesem Bereich weitgehend aus (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. November 2010 - 2 BvR 1183/09 -, juris). Angesichts der erheblichen Verschärfung, die der Freiheitsentzug in dem Maße erfährt, in dem der Gefangene über begrenzte Teile des Tages hinaus unfreiwillig auf seinen Haftraum beschränkt und an der Kontaktaufnahme mit anderen Gefangenen gehindert ist (vgl. für den Arrest BVerfGK 2, 318 <323>), entfällt das Rechtsschutzinteresse auch nicht deshalb, weil der gerügte Grundrechtseingriff nicht die erforderliche Schwere erreichte.

23

2. a) Der angegriffene Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG.

24

aa) Die Auslegung der Vorschriften des Untersuchungshaftrechts hat dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Untersuchungsgefangener noch nicht rechtskräftig verurteilt ist und deshalb allein den unvermeidlichen Beschränkungen unterworfen werden darf (vgl. BVerfGE 15, 288 <295>; 34, 369 <379>; 42, 95 <100>; BVerfGK 13, 163 <165>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeitmuss daher den Vollzug der Untersuchungshaft in besonderem Maße prägen (vgl. BVerfGE 34, 369 <380>; 35, 5 <9>; 35, 307 <309>; BVerfGK, a.a.O.). Auch Untersuchungsgefangene können zwar nicht verlangen, dass unbegrenzt personelle und sonstige Mittel aufgewendet werden, um zu vermeiden, dass wegen anderenfalls drohender Gefährdung des Zwecks der Untersuchungshaft eine Beschränkung ihrer grundrechtlichen Freiheiten erforderlich wird (vgl. BVerfGE 34, 369 <380 f.>; 34, 384 <402>; 42, 95 <100 f.>; BVerfGK, a.a.O.). Andererseits können aber nicht beliebige Einschränkungen allein damit gerechtfertigt werden, dass die gegebene personelle oder sonstige Ausstattung der Justizvollzugsanstalt nichts anderes zulasse; denn Grundrechte gelten nicht nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungseinrichtungen im konkreten Fall oder üblicherweise vorhanden ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <296>; 34, 369 <380 f.>; 35, 307 <310>; BVerfGK 13, 163 <166>, m.w.N.). Es ist Sache des Staates, im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet und nötig sind, um Verkürzungen der Rechte von Untersuchungsgefangenen zu vermeiden; die dafür erforderlichen sächlichen und personellen Mittel hat er aufzubringen, bereitzustellen und einzusetzen (vgl. BVerfGE 36, 264 <275>; 42, 95 <101 f.>; BVerfGK, a.a.O., m.w.N.). Bei der abwägenden Bestimmung dessen, was einerseits dem Gefangenen an Beschränkungen, andererseits der Anstalt und dem für ihre angemessene Ausstattung verantwortlichen Staat an Aufwand zumutbar ist, muss der Umstand berücksichtigt werden, dass der Untersuchungsgefangene nicht rechtskräftig verurteilt ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <295>; 34, 369 <379>; 42, 95 <100>), für die Zumutbarkeit der Haftbedingungen also der Gesichtspunkt keine Rolle spielen kann, dass der Betroffene sich durch strafbares Verhalten selbst unter diese Bedingungen versetzt habe (vgl. BVerfGK, a.a.O.).

25

Bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit von Haftbedingungen ist die Indizwirkung internationaler Standards mit Menschenrechtsbezug(vgl. BVerfGE 116, 69 <90>) zu berücksichtigen. Die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze, die auch für Untersuchungsgefangene gelten (Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates, Rec(2006)2, Nr. 10.1; s. auch  Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates zur Untersuchungshaft, Rec(2006)13, Nr. 5 ), sehen vor, dass Gefangene so viele Stunden täglich außerhalb ihrer Hafträume verbringen können, wie es für ein angemessenes Maß an menschlicher und sozialer Interaktion notwendig ist (Rec(2006)2, Nr. 25.2). Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) nimmt in seinem 2. Jahresbericht (2nd General Report on the CPT's activities covering the period 1 January to 31 December 1991, CPT/Inf (92) 3 [EN], Ziff. 47) an, dass es das Ziel sein sollte, sicherzustellen, dass Untersuchungsgefangene eine angemessene Zeit des Tages - acht Stunden oder mehr - außerhalb ihrer Hafträume verbringen und dort sinnvollen Aktivitäten nachgehen können.

26

Die besonderen Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für den Vollzug der Untersuchungshaftergeben, begrenzen auch die Möglichkeiten der Verallgemeinerung von Beschränkungen. Bei der Anwendung generalklauselartiger Vorschriften ist grundsätzlich die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles geboten (vgl. zur Anwendung des § 119 Abs. 3 StPO a.F. BVerfGE 15, 288 <297>; 35, 5 <11>; 35, 307 <309>; BVerfGK 12, 378 <380>; 13, 163 <165>). Dies schließt zwar, wo eine Gefährdung gesetzlicher Haftzwecke oder der Anstaltsordnung nicht durch jeweils einzelne Maßnahmen hinreichend abgewehrt werden kann, Beschränkungen allgemeiner Art nicht aus (vgl. BVerfGE 34, 369 <380>; 34, 384 <399 f.>; s. auch, für Regelungen durch Allgemeinverfügung, BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2011 - 2 BvR 722/11 -, juris; OLG Celle, Beschluss vom 17. März 2006 - 1 Ws 42/06 (StrVollz) -, NStZ 2006, S. 582 f.); dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeitist insoweit jedoch dadurch Rechnung zu tragen, dass Ausnahmen zugelassen werden, soweit dies ohne konkrete Gefährdung der genannten Belange möglich ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <294 f.>; 34, 384 <398, 400>; 42, 95 <102>; BVerfGK 13, 163 <165>).

27

Diese Grundsätze gelten auch, soweit gesetzliche Vorschriften das Ausmaß der Beschränkungen, denen Untersuchungsgefangene unterliegen, in das Ermessen der Vollzugsbehörden stellen. Sie sind daher der behördlichen Ermessensausübungzugrundezulegen, und auf ihre Berücksichtigung hat sich die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensausübung zu erstrecken. Soweit Entscheidungen, die rechtlich geschützte Belange des Einzelnen berühren, in das Ermessen der Behörden gestellt sind, hat der Betroffene zwar keinen unmittelbaren gesetzlichen Anspruch auf eine bestimmte behördliche Entscheidung, wohl aber einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Insoweit greift die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 96, 100 <115>; für den Strafvollzug BVerfGK 14, 381 <386>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 309/10 - juris; stRspr). Diese gewährleistet auch die notwendige Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.>; BVerfGK 4, 119 <127 f.>; 9, 390 <395>; 9, 460 <462 f.>, jew. m.w.N.).

28

bb) Nach diesen Maßstäben verletzt der angegriffene Beschluss des Landgerichts den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Die behördliche Ausübung des der Justizvollzugsanstalt durch § 12 Abs. 2 Satz 1 UVollzG M-V eingeräumten Ermessens sowie des Ermessens, das den zuständigen staatlichen Organen hinsichtlich der Ausstattung der Justizvollzugsanstalten mit dem für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Personal zukommt, wurde nicht in einer den grundrechtlichen Anforderungen entsprechenden Weise gerichtlich überprüft.

29

Die begründenden Ausführungen des Landgerichts, wonach die Grundrechte des Beschwerdeführers haftbedingten Beschränkungen unterliegen und der Angleichungsgrundsatz des § 5 UVollzG M-V nur in den durch die Aufgaben des Untersuchungshaftvollzuges und die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt gezogenen Grenzen gilt, enthalten keine Antwort auf die entscheidende Frage, ob die Justizvollzugsanstalt ihr Ermessen hinsichtlich der Festlegung der Aufschlusszeiten fehlerfrei ausgeübt hat. An einer solchen Überprüfung fehlt es auch, wenn unterstellt wird, dass das Landgericht sich der Sache nach stillschweigend die von der Justizvollzugsanstalt angegebenen Gründe für die Regelung der Aufschlusszeiten zu eigen gemacht hat. Darin liegt keine Überprüfung dieser Gründe daraufhin, ob sie die behördliche Entscheidung von Rechts wegen zu tragen vermögen.

30

(1) Es fehlt bereits an der notwendigen Auseinandersetzung mit der Frage, ob unter Haftbedingungen wie den vom Beschwerdeführer geschilderten der notwendige Abstand zu einer grundrechtswidrigen voraussetzungslosen Einzelhaft unterschritten ist.

31

Die unausgesetzte Absonderung eines Untersuchungsgefangenen (Einzelhaft) ist nach § 50 UVollzG M-V nur aus in dessen Person liegenden Gründen unter engen Voraussetzungen zulässig. Arrest darf als besonders schwere, gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 UVollzG M-V in Einzelhaft zu vollziehende Disziplinarmaßnahme, auch wenn von über den Einschluss in Einzelhaft hinausgehenden Beschränkungen gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 UVollzG M-V abgesehen wird, nur für einen Zeitraum von höchstens vier Wochen (§ 61 Abs. 1 Nr. 7 UVollzG M-V) und nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden (§ 61 Abs. 3 UVollzG M-V). Die engen gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung dieser mit besonders weitreichendem Einschluss verbundenen Maßnahmen tragen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung, der hier besonders strikte Beachtung erfordert (vgl. für die Einzelhaft BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. April 1999 - 2 BvR 827/98 -, NStZ 1999, S. 428 <429>). Diesem Grundsatz läuft es jedenfalls zuwider, wenn bereits das normale Haftregime die Gefangenen Bedingungen unterwirft, die sich von denen der Einzelhaft kaum unterscheiden. In diesem Zusammenhang fällt es nicht ins Gewicht, wenn der ganztägige Einschluss durch den gesetzlich vorgesehenen - nicht primär der Kontaktpflege, sondern in erster Linie der körperlichen Gesunderhaltung dienenden - einstündigen Aufenthalt an der frischen Luft unterbrochen, also nicht zugleich auch noch von Nr. 27.1 der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze und Nr. 42 Satz 2 der  Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates zur Untersuchungshaft abgewichen wird. Die Einräumung der täglichen Freistunde trägt zur Sicherung des hinsichtlich der Einschlusszeiten notwendigen Abstandes zur Vollzugssituation des Arrests oder der als besondere Sicherungsmaßnahmeangeordneten Einzelhaft nicht bei. Denn der insoweit nicht eingeschränkte Anspruch auf einstündigen Aufenthalt an der frischen Luft (§ 20 Abs. 2; § 62 Abs. 3 Satz 3 UVollzG M-V) bleibt dem Gefangenen - wenn auch nicht als ein Anspruch, der die Möglichkeit sozialer Kontakte einschließt - in Übereinstimmung mit den genannten internationalen Standards auch im Vollzug von Arrest oder sonstiger Einzelhaft erhalten (vgl. zum Strafvollzugsrecht i.e.S. § 89 Abs. 2 Satz 2 StVollzG; Arloth, StVollzG, 3. Aufl. 2011, § 89 Rn. 1; HansOLG, Beschluss vom 15. August 2008 - 3 Vollz (Ws) 44/08 -, juris).

32

Danach war in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht klärungsbedürftig, ob die Haftbedingungen des Beschwerdeführers sich, was die Einschlusszeiten angeht, von der Situation des Arrests oder sonstiger Einzelhaft hinreichend unterschieden. Nach der vom Beschwerdeführer in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegebenen Darstellung bestanden für die nicht arbeitenden Untersuchungsgefangenen über die tägliche Freistunde hinaus nur äußerst geringfügige Möglichkeiten des Aufenthalts außerhalb ihres Haftraums und der Kontaktaufnahme mit Anderen, wobei ungeklärt geblieben ist, ob diese Möglichkeiten sich auf die Wochentage so verteilten, dass eine über die Freistunde hinausgehende Möglichkeit, sich außerhalb des Haftraums aufzuhalten, für jeden Wochentag eröffnet war.

33

(2) Unabhängig davon hat das Landgericht die beanstandeten Haftbedingungen nicht in der notwendigen Weise auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprüft und insoweit einschlägige internationale Standards mit Menschenrechtsbezug (s.o. III.2.a)aa)) nicht berücksichtigt.

34

Der Feststellung des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, dass für Untersuchungsgefangene die Möglichkeit angestrebt werden sollte, täglich acht Stunden oder mehr außerhalb ihrer Hafträume zu verbringen und dort sinnvollen Aktivitäten nachzugehen (CPT, 2nd General Report on the CPT's activities covering the period 1 January to 31 December 1991, CPT/Inf (92) 3 [EN])), kommt zwar eine indizielle Bedeutung (vgl. BVerfGE 116, 69 <90>) dahingehend, dass bei jeder Unterschreitung dieses Wertes die Annahme einer Grundrechtsverletzung naheläge, schon deshalb nicht zu, weil es sich hier bereits der Formulierung nach nicht um einen menschenrechtlichen Mindeststandard, sondern um die Angabe eines anzustrebenden Ziels handelt. Nicht zuletzt angesichts des enormen Ausmaßes der Entfernung der Haftbedingungen des Beschwerdeführers von diesem Zielwert hätte jedoch Anlass zu näherer Prüfung der Zumutbarkeit dieser Haftbedingungen in der besonderen Konstellation der Untersuchungshaft bestanden.

35

Diese Prüfung hätte unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Untersuchungshaft auch die vorgesehenen Unterschiede zwischen verschiedenen Gefangenengruppen in den Blick zu nehmen gehabt.

36

Insbesondere wären die erheblichen Unterschiede zwischen den für nicht arbeitende Untersuchungsgefangene und den für arbeitende Untersuchungsgefangene sowie Strafgefangene geltenden Aufschlusszeiten einer näheren Prüfung zu unterziehen gewesen. Das Landgericht hat sich der Sache nach mit den Ausführungen der Justizvollzugsanstalt dazu, dass die Personallage weitergehende Aufschlusszeiten für nicht arbeitende Untersuchungsgefangene nicht erlaube, zufriedengegeben, ohne der Frage nachzugehen, ob die Anstalt ihr Ermessen hinsichtlich der Verteilung der personellen Ressourcen im Verhältnis der genannten Gefangenengruppen fehlerfrei ausgeübt hat.

37

Eine vollzugliche Schlechterstellung von Untersuchungsgefangenen gegenüber Strafgefangenen ist in verschiedenen Bereichen wegen der besonderen Beschränkungen, die zur Sicherung des Zwecks der Untersuchungshafterforderlich sein können, nicht durchgängig vermeidbar. Aus der gebotenen Rücksicht darauf, dass der Untersuchungsgefangene nicht rechtskräftig verurteilt ist (s. unter III.2.a)aa)), und aus der gebotenen Rücksicht auf die besonderen mit der Untersuchungshaft verbundenen psychischen Belastungen (vgl. BVerfGK 13, 163 <169 f.>) folgt auch nicht, dass eine solche Schlechterstellung ohne weiteres immer bereits dann unzulässig ist, wenn sie durch Umschichtungen im Personaleinsatz vermeidbar wäre. Soweit etwa angesichts gegebener Unterschiede im Aufsichtsbedarf bereits geringfügige Verbesserungen bei den Untersuchungsgefangenen mit erheblichen Einschränkungen bei den Strafgefangenen erkauft werden müssten, ist es nicht zu beanstanden, wenn von einer Angleichung der Vollzugssituation durch Veränderungen in der Verteilung des Personaleinsatzesabgesehen wird. Andererseits entspräche es aber, auch soweit absolute Mindeststandards noch gewahrt sind, nicht der verfassungsrechtlich gebotenen Rücksicht auf die Besonderheit der Situation des Untersuchungsgefangenen, eine beliebige gegebene Verteilung personeller Ressourcen im Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Gefangenengruppen zum feststehenden Ausgangspunkt der Prüfung zu nehmen und die Verhältnismäßigkeit der für Untersuchungsgefangene vorgesehenen Beschränkungen allein danach zu beurteilen, ob sie angesichts dieser gegebenen Ressourcenverteilung unvermeidbar sind. Vielmehr kann angesichts der Bedeutung, die ihr für das Ausmaß der hinzunehmenden Beschränkungen zukommt, auch die Verteilung der personellen Ressourcen selbst nicht der Prüfung daraufhin entzogen sein, ob ihr vertretbare, die besondere Situation der Untersuchungsgefangenen angemessen berücksichtigende sachliche Gründe zugrundeliegen. Eine solche Prüfung ist nicht erfolgt, obwohl angesichts der erheblichen Unterschiede zwischen den Aufschlusszeiten für die verschiedenen Gefangenengruppen und der erheblichen Schlechterstellung gerade der nicht arbeitenden und insofern auf anderweitige Kontaktmöglichkeiten besonders angewiesenen Untersuchungsgefangenen die Möglichkeit einer Fehlgewichtung nicht fernlag.

38

Auch soweit allein die Situation unterschiedlicher Gruppen von Untersuchungsgefangenen und die gegebene Personalausstattung in diesem Bereich in den Blick genommen wird, fehlt jede weitere Aufklärung dazu, warum ein Aufschluss am Abend auf der Station trotz der erforderlichen Telefonkontrolle zwar für arbeitende Untersuchungsgefangene, nicht aber für nichtarbeitende Untersuchungsgefangene möglich sein soll, ob der tatsächliche Anfall von Überwachungsbedarf für Telefongespräche es erfordert, hierfür den gesamten dafür vorgesehenen Zeitraum von 17.00 bis 19.00 Uhr - auf Kosten von Möglichkeiten des Aufschlusses und des Umschlusses während dieser Zeit - vorzuhalten, und warum der nachmittägliche Aufschluss für nichtarbeitende Untersuchungsgefangene nur an drei Wochentagen stattfindet. Auch insoweit finden sich in dem Beschluss des Landgerichts keinerlei konkrete Ausführungen zu dem mit der Einräumung von Aufschlusszeiten und mit entgegenstehenden anderen Aufgaben verbundenen Zeit- und Personalaufwand, die eine Beurteilung der Erforderlichkeit der Einschlusszeiten erlauben würden.

39

Dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob die Einräumung erweiterter Aufschlusszeiten im Wege der individuellen Ausnahme für den Beschwerdeführer (vgl. BVerfGE 15, 288 <294 f.>; 34, 384 <398, 400>; 42, 95 <102>; BVerfGK 13, 163 <165>) erforderlich gewesen wäre, ist zwar im Hinblick darauf hinnehmbar, dass der Beschwerdeführer keinerlei für ihn persönlich sprechende Ausnahmegründe angeführt hatte. Das Landgericht hat jedoch, obwohl hierzu ein weiterführender Vortrag vom Beschwerdeführer nicht erwartet werden konnte, auch nicht überprüft, ob erweiterte Aufschlusszeiten, von denen auch der Beschwerdeführer profitieren könnte, im Wege der Differenzierung zugunsten von - etwa nach Haftgründen, Art der vorgeworfenen Delikte, Angewiesenheit auf zusätzliche Kontaktmöglichkeiten gebildeten - Untergruppen hätten zugelassen werden können und müssen.

40

b) Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts, der sich auf die Beschlussbegründung des Landgerichts stützt, verstößt damit ebenfalls gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

41

c) Ob durch die angegriffenen Entscheidungen weitere Grundrechte des Beschwerdeführersverletzt worden sind, kann angesichts der bereits festgestellten Verstöße gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG offenbleiben.

IV.

42

1. Die angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichtsund des Landgerichts beruhen auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Sie sind daher gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

43

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Die Beschlüsse des Landgerichts Stralsund vom 17. November 2010 - 21 Ks 2/10 - und des Oberlandesgerichts Rostock vom 1. März 2011 - I Ws 14/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben, und die Sache wird an das Landgericht Stralsund zurückverwiesen.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

I.

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind die Einschlusszeiten im Vollzug der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Stralsund.

2

1. Der Beschwerdeführer befand sich vom 27. Februar 2010 bis zum 12. April 2011 in der Justizvollzugsanstalt Stralsund in Untersuchungshaft; am 12.April 2011 wurde er zur Verbüßung der Strafhaft in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt.

3

2. Unter dem 28.Oktober 2010 stellte der Beschwerdeführer einen "Antrag auf einstweiligen Rechtschutz" beim Landgericht Stralsund, mit dem er unter anderem beantragte, festzustellen, dass der Tagesablauf in der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Stralsund rechtswidrig sei, und die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, einen gesetzeskonformen Tagesablauf, bestehend aus Arbeits-, Frei- und Ruhezeiten, zu gewähren. Ihm sei entgegen § 7 Abs. 1 UVollzG M-V keine gültige Hausordnung übergeben worden. Diese solle nach § 84 UVollzG M-V Auskunft über die Arbeits-, Frei- und Ruhezeiten geben. Er habe bereits mehrfach erfolglos versucht, hierüber Auskunft zu erhalten. Der Landtagsdrucksache 5/2764 sei zu entnehmen, dass die Freizeit neben den Arbeits- und Ruhezeiten ein eigenständiger Teil des Tagesablaufs sein solle und dass den Untersuchungsgefangenen mit Blick auf die besonderen Belastungen in der Untersuchungshaft Gelegenheit zu geben sei, diese Zeit sinnvoll zu gestalten. Nach mehrmaligem Schriftverkehr mit dem Justizministeriumhabe sich die Leitung der Justizvollzugsanstalt vor einigen Wochen erstmals genötigt gesehen, die Zeit von 16.00 bis 19.00 Uhr als Freizeit zu bezeichnen, allerdings mit der Einschränkung, dass es deshalb keine offenen Haftraumtüren gebe. Auch Umschluss werde ihm trotz mehrmaliger Gesuche nicht gestattet. Außer der täglichen Freistunde, wöchentlich ein- bis zweimal Sport für eineinhalb Stunden, am Wochenende jeweils einer Stunde Umschluss sowie in regelmäßigen Abständen einem Kurs für ein bis zwei Stunden gebe es für Untersuchungsgefangene keine Freizeit. Montags, mittwochs und freitags sei zwar von 14.15 bis 15.45 Uhr Aufschluss. Allerdings sei diese Zeit in erster Linie der Reinigung der Hafträume und der persönlichen Körperhygiene vorbehalten. Damit seien die Untersuchungsgefangenen im Durchschnitt täglich 21,5 Stunden beziehungsweise wöchentlich 150 von 168 Stunden auf ihrem Haftraum eingeschlossen. Nach "hartem Kampf" sei es den Untersuchungsgefangenen nunmehr am Wochenende nach der morgendlichen Essensausgabe für 45 Minuten erlaubt, die Küche zu nutzen. Warum das nicht täglich oder auch nach der abendlichen Essensausgabe möglich sei, sei nicht ersichtlich.

4

3. Zu dem Antrag nahm die Justizvollzugsanstalt Stellung. Der Tagesablauf sei für Untersuchungsgefangene grundsätzlich ebenso wie für Strafgefangene in Arbeits-, Frei- und Ruhezeiten gegliedert. Arbeitende Untersuchungsgefangene arbeiteten von 7.15 bis 15.30 Uhr. Nach dem Abendbrot werde der Aufenthalt auf dem Freistundenhof angeboten; darüber hinaus könnten sie das interne Sportangebot oder die Aufschlusszeit am Abend auf der Station nutzen. Allerdings würden aufgrund eines geringen Arbeitsplatzangebotes vor allem Strafgefangene zur Arbeit eingesetzt. Durch eine Warteliste werde sichergestellt, dass bei freiwerdenden Arbeitsplätzen auch der Einsatz von Untersuchungsgefangenen regelmäßig geprüft werde. Den Untersuchungsgefangenen, die nicht zur Arbeit eingesetzt seien, werde am Vormittag der Aufenthalt auf dem Freistundenhof angeboten. Zur effektiven Tätertrennung würden getrennte Freistunden durchgeführt, somit entfalle vormittags der Aufschluss auf den Stationen. Nur wenn die Freistunde früher beendet werde, werde für die verbleibende Zeit ein Aufschluss gewährt. Im weiteren Tagesverlauf werde Untersuchungsgefangenen an den Wochentagen Montag, Mittwoch und Freitag jeweils von 14.15 bis 15.45 Uhr Aufschluss gewährt. Ein längerer Aufschluss könne nicht gewährt werden, da in der Zeit von 17.00 bis 19.00 Uhr die Möglichkeit von Telefonaten vorgehalten werden müsse, die von den Stationsbediensteten zu kontrollieren und gegebenenfalls mitzuhören seien. Die Nutzung der Küche und die Vorbereitung des Abendessens mit eigenen Lebensmitteln falle in die Zeit von 14.15 bis 15.45 Uhr. Da sehr zeitnah das Abendessen ausgeteilt werde, seien die Gefangenen nicht wesentlich in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Weiterhin gebe es die Möglichkeit der Teilnahme an Freizeitmaßnahmen.

5

4. Mit angegriffenem Beschluss vom 17. November 2010 wies das Landgericht den Antrag als unbegründet zurück. Das Begehren des Beschwerdeführers sei als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 119a StPO auszulegen. Es sei bereits zweifelhaft, inwieweit die Aufteilung des Tagesablaufs eine Vollzugsmaßnahme im Sinne des § 119a StPO sei; allerdings sei der Begriff der Vollzugsmaßnahme weit auszulegen. Es liege aber weder ein Verstoß gegen vollzugsrechtliche Normen noch ein Verstoß gegen Grundrechte des Beschwerdeführers vor. Der Beschwerdeführer zähle in seiner Antragsbegründungselbstständig von der Justizvollzugsanstalt bereitgestellte Maßnahmen der Freizeitgestaltung auf, rüge aber letztlich, dass diese nicht ausreichten und die Einschlusszeit zu viele Stunden einnehme. Die Vollzugsgestaltung obliege grundsätzlich der Justizvollzugsanstalt in eigener Zuständigkeit; einer Überprüfung durch den Haftrichter seien insoweit Grenzen gesetzt. Verstöße seitens der Justizvollzugsanstalt seien nicht festzustellen. Für den Beschwerdeführer als Untersuchungsgefangenen behielten die Grundrechte ihre Gültigkeit; sie unterlägen aber aufgrund der Untersuchungshaft und der ihr innewohnenden Beschränkung der Lebensführung gewissen Eingrenzungen. § 5 UVollzG M-V schreibe zwar vor, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen sei; dies gelte aber nur, soweit die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzuges und die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt dies zuließen. Arbeitsplätze könnten innerhalb der Justizvollzugsanstalt nicht für jeden Gefangenen gestellt werden. Es sei ausreichend, dass auch Untersuchungsgefangene grundsätzlich in die Prüfung der Verteilung einbezogen würden.

6

5. Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde zum Oberlandesgericht. Jede Beschränkung, die ihm auferlegt werde, müsse eine gesetzliche Grundlage haben. Es sei nicht ersichtlich, woher die Justizvollzugsanstalt ihr Recht ableite, unschuldige Untersuchungsgefangene, für die es außer den im gerichtlichen Haftbeschluss festgelegten freiheitseinschränkenden und verfahrenssichernden Maßnahmen keine weiteren gesetzlichen An- oder Verordnungen gebe, bis zu 23 Stunden am Tag wegzuschließen. Insbesondere fehle es an einer gültigen, gesetzeskonformen und von der Aufsichtsbehörde genehmigten Hausordnung. Der derzeitige Tagesablauf mit durchschnittlichen Einschlusszeiten von täglich über 20 Stunden sei rechtswidrig. § 4 UVollzG M-V schreibe vor, dass der Anschein zu vermeiden sei, dass die Untersuchungsgefangenen zur Strafverbüßung festgehalten würden, was in der Justizvollzugsanstalt aber der Fall sei, da Untersuchungsgefangene hinsichtlich der Einschlusszeiten schlechter behandelt würden als Strafgefangene. In § 5 UVollzG M-V heiße es, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen sei. Hiergegen werde verstoßen, wenn den Untersuchungsgefangenen nicht gestattet werde, zu den Essensmahlzeiten die Küche zu nutzen. Es werde ihm verweigert, sich in seiner Freizeit täglich mit anderen Untersuchungsgefangenen aufzuhalten, obwohl dies in § 12 Abs. 2 UVollzG M-V ausdrücklich vorgesehen sei. Er dürfe nur dreimal in der Woche duschen, die Strafgefangenen hingegen täglich, was einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstelle. Ihrer Begründungspflicht für einschränkende Maßnahmen komme die Justizvollzugsanstalt nicht nach; es sei nicht nachvollziehbar, ob und wie die Justizvollzugsanstalt eine Ermessensprüfung hinsichtlich der von ihr angeordneten Beschränkungen und Maßnahmen vorgenommen habe. § 119 StPO sehe keine allgemein anzuordnenden Beschränkungen vor. Das Gesetz kenne keinen Unterschied zwischen einem arbeitenden und einem nichtarbeitenden Untersuchungsgefangenen; die Privilegierung der wenigen arbeitenden Untersuchungsgefangenen hinsichtlich der Aufschlusszeiten sei nicht nachvollziehbar. Wenn die arbeitenden Untersuchungsgefangenen in ihrer täglichen Freizeit offene Hafttüren hätten und alle anderen Untersuchungsgefangenen nicht, liege offensichtlich eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung vor.

7

Der Rechtsbeschwerde fügte der Beschwerdeführer eine Auflistung bei, in der er die Einschlusszeiten für den Monat Oktober 2010 auf 89,6 Prozent und für den Monat November 2011 auf 89,3 Prozent bezifferte.

8

6. Mit angegriffenem Beschluss vom 1. März 2011 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses" als unbegründet.

II.

9

1. Mit seiner am 1. April 2011 rechtzeitig eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet der Beschwerdeführer sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts. Er rügt einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 und 3, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 3 und Art. 6 Abs. 1 EMRK.

10

Es gehe ihm darum, in der Untersuchungshafteinen gesetzeskonformen Tagesablauf, der auch tatsächlich aus Arbeits-, Frei- und Ruhezeiten bestehe, herzustellen. Seit über einem Jahr würden ihm ungerechtfertigte, durch gesetzliche Vorschriften nicht gedeckte Beschränkungen seiner körperlichen Bewegungsfreiheitauferlegt. Die Gerichte hätten den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt; seine Ausführungen seien nicht zur Kenntnis genommen worden. Es gehe um die tägliche Freizeit am Abend nach dem Abendessen, von 16.00 bis 19.00 Uhr, die den arbeitenden Untersuchungsgefangenen und den Strafgefangenen auf der Station erlaubt, dagegen ihm, dem Beschwerdeführer, und den anderen nichtarbeitenden Untersuchungsgefangenen ohne ersichtlichen Grund vorenthalten werde. Es gebe Tage, an denen er, abgesehen von der täglichen Freistunde auf dem Hof, 23 Stunden in seinem Haftraum eingeschlossen sei. Damit sei er schlechter gestellt als die Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt.

11

2. Das Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts Auskünfte zu den Aufschlusszeiten in den Justizvollzugsanstalten des Erwachsenenvollzugs des Landes Mecklenburg-Vorpommern gegeben.

12

In der Justizvollzugsanstalt Stralsund, in der der Beschwerdeführer untergebracht war, ist Aufschluss für Strafgefangene - arbeitende wie nicht arbeitende - werktags von 16.30 bis 19.15 Uhr sowie wochenends von 7.30 bis 9.00 Uhr und von 14.45 bis 16.00 Uhr, für nicht arbeitende Untersuchungsgefangene montags, mittwochs und freitags von 14.15 bis 15.45 Uhr vorgesehen (arbeitende Untersuchungsgefangene: keine Angabe). Wochenends von 10.00 bis 11.00 Uhr besteht für die nicht arbeitenden Untersuchungsgefangenen die Möglichkeit des Umschlusses (arbeitende Untersuchungsgefangene: keine Angabe). Im Vollzug der Untersuchungshaft seien vormittags zur effektiven Tätertrennung mehrere getrennte Freistunden auf dem Hof nötig. Da diese Freistunden von den Stationsbediensteten überwacht würden, entfalle deren ständige Präsenz auf den Stationen, weshalb dort ein Aufschluss am Vormittag entfallen müsse. Nur wenn die Freistunde früher beendet werde, sei für die verbleibende Zeit ein Aufschluss möglich, der dann auch gewährt werde. An den Wochentagen außer Montag, Mittwoch und Freitag seien die Stationsbediensteten regelmäßig mit der Haftraumzuweisung und der Zuführung von Gefangenen (Umlauf) beschäftigt. Ein weiterer Aufschluss habe bisher nicht realisiert werden können, da in der Zeit von 17.00 bis 19.00 Uhr die Möglichkeit für Telefonate vorgehalten werden müsse.

13

In der Justizvollzugsanstalt Waldeck wird arbeitenden und behandlungswilligen sowie nicht arbeitenden, aber arbeits- und behandlungswilligen Strafgefangenen werktags von 9.00 bis 11.00 Uhr und von 14.00 Uhr beziehungsweise ab Arbeitsende bis 20.00 Uhr und wochenends sowie an Feiertagen von 9.00 bis 11.00 und von 14.00 bis 18.00 Uhr Aufschluss gewährt. Für nicht behandlungswillige arbeitende Strafgefangene erfolgt der Aufschluss werktags nach Arbeitsende bis 19.00 Uhr, wochenends und feiertags von 16.00 bis 18.00 Uhr. Behandlungs- und arbeitsunwillige Strafgefangene erhalten Aufschluss täglich von 14.30 bis 15.30 Uhr. Für nicht arbeitende Untersuchungsgefangene erfolgt Aufschluss an vier Wochentagen jeweils von 17.00 bis 20.00 Uhr, wochenends und an Feiertagen von 16.00 bis 18.00 Uhr. Arbeitende Untersuchungsgefangene erhalten Aufschluss an denselben Wochentagen in der Zeit nach Arbeitsende bis 20.00 Uhr sowie wochenends und an Feiertagen von 14.00 bis 18.00 Uhr.

14

Nach den Angaben für die Justizvollzugsanstalt Bützow sind dort für Untersuchungsgefangene über den Aufenthalt im Freien hinaus keine Aufschlusszeiten vorgesehen; im Übrigen reichen die nach Gefangenengruppen und Abteilungen stark differenzierten Aufschlusszeiten von werktäglich einer Stunde, zuzüglich einer weiteren Stunde vor dem Nachteinschluss in den Monaten Juni bis September, in einer der Abteilungen für männliche nicht arbeitende Strafgefangene bis zu täglich insgesamt sieben Stunden bei Abschiebungsgefangenen.

15

Die Aufstellung für die Justizvollzugsanstalt Neubrandenburg weist ebenfalls differenzierte Aufschlusszeiten - unter anderem für nicht arbeitende Strafgefangene über die tägliche Freistunde hinaus täglichen Aufschluss von 15.30 bis 19.45 Uhr - aus. Für Untersuchungsgefangene ist neben der Freistunde kein Aufschluss vorgesehen.

16

Die Unterschiede zwischen den Aufschlusszeiten in den Justizvollzugsanstalten des Landes seien abhängig von den teilweise stark voneinander abweichenden räumlichen Bedingungen, den unterschiedlichen Zuständigkeiten mit entsprechend zu beachtendem Sicherheitsstandard und dem nicht kontinuierlich zur Verfügung stehenden Personalbestand.

17

Neben den genannten Aufschlusszeiten gebe es zahlreiche Freizeitmaßnahmen. Die Teilnahme an diesen sei ebenso wie die Durchführung von Besuchen, das Telefonieren oder das Duschen mit einem Aufschluss verbunden, der in der Darstellung nicht berücksichtigt sei.

18

3. Der Beschwerdeführer erwiderte, dass die Darstellung der Aufschlusszeiten in der Justizvollzugsanstalt Stralsund weitgehend zutreffend sei; soweit das Justizministerium aber ausführe, dass an den Tagen außer Montag, Mittwoch und Freitag die Stationsbediensteten regelmäßig mit der Haftraumzuweisung und der Zuführung von Gefangenen (Umlauf) beschäftigt seien, sei dies unzutreffend, denn die Zuführung neuer Untersuchungsgefangener geschehe fast täglich zu jeder Tageszeit, und Verlegungen und Umlauf erfolgten in der Regel stets am frühen Vormittag, so dass hierin kein Grund für den kompletten Tageseinschluss zu sehen sei. Die abendlichen Telefonzeiten lägen zwischen 18.00 und 19.00 Uhr, würden aber nur von wenigen Gefangenen in Anspruch genommen.

III.

19

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung(§ 93cAbs. 1BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und in einem die Kammerzuständigkeitbegründenden Sinne (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) offensichtlich begründet.

20

1. Der Zulässigkeit der fristgemäß eingegangenen Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich in eine andere Justizvollzugsanstalt zur Verbüßung einer Haftstrafe verlegt worden ist.

21

Bei gewichtigen Grundrechtseingriffen ist vom Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses im Verfassungsbeschwerdeverfahren auch dann auszugehen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kaum erlangen konnte (vgl. BVerfGE 117, 244 <268>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 2008 - 2 BvR 1661/06 -, juris). Gewichtig im hier maßgeblichen Sinne können neben Grundrechtseingriffen, die das Grundgesetz unter Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>; 117, 244 <269>), auch Eingriffe in andere Grundrechte sein (vgl. nur BVerfGE 110, 77 <86>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. März 2012 - 2 BvR 988/10 -, NJW 2012, S. 2790 <2791>, m.w.N.).

22

Danach kann dem Beschwerdeführer ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden. Wegen der typischerweise kurzen Dauer der Untersuchungshaft kann ein Untersuchungsgefangener nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine stattgebende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Maßnahmen in deren Vollzug nicht erlangen, während die Untersuchungshaft noch andauert. Entfiele das Rechtsschutzbedürfnis für Verfassungsbeschwerden, die Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft betreffen, jeweils mit dem Übergang des Betroffenen in die Strafhaft oder mit einer aufgrund dessen erfolgenden Verlegung, so fiele ein wirksamer verfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz in diesem Bereich weitgehend aus (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. November 2010 - 2 BvR 1183/09 -, juris). Angesichts der erheblichen Verschärfung, die der Freiheitsentzug in dem Maße erfährt, in dem der Gefangene über begrenzte Teile des Tages hinaus unfreiwillig auf seinen Haftraum beschränkt und an der Kontaktaufnahme mit anderen Gefangenen gehindert ist (vgl. für den Arrest BVerfGK 2, 318 <323>), entfällt das Rechtsschutzinteresse auch nicht deshalb, weil der gerügte Grundrechtseingriff nicht die erforderliche Schwere erreichte.

23

2. a) Der angegriffene Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG.

24

aa) Die Auslegung der Vorschriften des Untersuchungshaftrechts hat dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Untersuchungsgefangener noch nicht rechtskräftig verurteilt ist und deshalb allein den unvermeidlichen Beschränkungen unterworfen werden darf (vgl. BVerfGE 15, 288 <295>; 34, 369 <379>; 42, 95 <100>; BVerfGK 13, 163 <165>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeitmuss daher den Vollzug der Untersuchungshaft in besonderem Maße prägen (vgl. BVerfGE 34, 369 <380>; 35, 5 <9>; 35, 307 <309>; BVerfGK, a.a.O.). Auch Untersuchungsgefangene können zwar nicht verlangen, dass unbegrenzt personelle und sonstige Mittel aufgewendet werden, um zu vermeiden, dass wegen anderenfalls drohender Gefährdung des Zwecks der Untersuchungshaft eine Beschränkung ihrer grundrechtlichen Freiheiten erforderlich wird (vgl. BVerfGE 34, 369 <380 f.>; 34, 384 <402>; 42, 95 <100 f.>; BVerfGK, a.a.O.). Andererseits können aber nicht beliebige Einschränkungen allein damit gerechtfertigt werden, dass die gegebene personelle oder sonstige Ausstattung der Justizvollzugsanstalt nichts anderes zulasse; denn Grundrechte gelten nicht nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungseinrichtungen im konkreten Fall oder üblicherweise vorhanden ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <296>; 34, 369 <380 f.>; 35, 307 <310>; BVerfGK 13, 163 <166>, m.w.N.). Es ist Sache des Staates, im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet und nötig sind, um Verkürzungen der Rechte von Untersuchungsgefangenen zu vermeiden; die dafür erforderlichen sächlichen und personellen Mittel hat er aufzubringen, bereitzustellen und einzusetzen (vgl. BVerfGE 36, 264 <275>; 42, 95 <101 f.>; BVerfGK, a.a.O., m.w.N.). Bei der abwägenden Bestimmung dessen, was einerseits dem Gefangenen an Beschränkungen, andererseits der Anstalt und dem für ihre angemessene Ausstattung verantwortlichen Staat an Aufwand zumutbar ist, muss der Umstand berücksichtigt werden, dass der Untersuchungsgefangene nicht rechtskräftig verurteilt ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <295>; 34, 369 <379>; 42, 95 <100>), für die Zumutbarkeit der Haftbedingungen also der Gesichtspunkt keine Rolle spielen kann, dass der Betroffene sich durch strafbares Verhalten selbst unter diese Bedingungen versetzt habe (vgl. BVerfGK, a.a.O.).

25

Bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit von Haftbedingungen ist die Indizwirkung internationaler Standards mit Menschenrechtsbezug(vgl. BVerfGE 116, 69 <90>) zu berücksichtigen. Die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze, die auch für Untersuchungsgefangene gelten (Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates, Rec(2006)2, Nr. 10.1; s. auch  Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates zur Untersuchungshaft, Rec(2006)13, Nr. 5 ), sehen vor, dass Gefangene so viele Stunden täglich außerhalb ihrer Hafträume verbringen können, wie es für ein angemessenes Maß an menschlicher und sozialer Interaktion notwendig ist (Rec(2006)2, Nr. 25.2). Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) nimmt in seinem 2. Jahresbericht (2nd General Report on the CPT's activities covering the period 1 January to 31 December 1991, CPT/Inf (92) 3 [EN], Ziff. 47) an, dass es das Ziel sein sollte, sicherzustellen, dass Untersuchungsgefangene eine angemessene Zeit des Tages - acht Stunden oder mehr - außerhalb ihrer Hafträume verbringen und dort sinnvollen Aktivitäten nachgehen können.

26

Die besonderen Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für den Vollzug der Untersuchungshaftergeben, begrenzen auch die Möglichkeiten der Verallgemeinerung von Beschränkungen. Bei der Anwendung generalklauselartiger Vorschriften ist grundsätzlich die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles geboten (vgl. zur Anwendung des § 119 Abs. 3 StPO a.F. BVerfGE 15, 288 <297>; 35, 5 <11>; 35, 307 <309>; BVerfGK 12, 378 <380>; 13, 163 <165>). Dies schließt zwar, wo eine Gefährdung gesetzlicher Haftzwecke oder der Anstaltsordnung nicht durch jeweils einzelne Maßnahmen hinreichend abgewehrt werden kann, Beschränkungen allgemeiner Art nicht aus (vgl. BVerfGE 34, 369 <380>; 34, 384 <399 f.>; s. auch, für Regelungen durch Allgemeinverfügung, BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2011 - 2 BvR 722/11 -, juris; OLG Celle, Beschluss vom 17. März 2006 - 1 Ws 42/06 (StrVollz) -, NStZ 2006, S. 582 f.); dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeitist insoweit jedoch dadurch Rechnung zu tragen, dass Ausnahmen zugelassen werden, soweit dies ohne konkrete Gefährdung der genannten Belange möglich ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <294 f.>; 34, 384 <398, 400>; 42, 95 <102>; BVerfGK 13, 163 <165>).

27

Diese Grundsätze gelten auch, soweit gesetzliche Vorschriften das Ausmaß der Beschränkungen, denen Untersuchungsgefangene unterliegen, in das Ermessen der Vollzugsbehörden stellen. Sie sind daher der behördlichen Ermessensausübungzugrundezulegen, und auf ihre Berücksichtigung hat sich die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensausübung zu erstrecken. Soweit Entscheidungen, die rechtlich geschützte Belange des Einzelnen berühren, in das Ermessen der Behörden gestellt sind, hat der Betroffene zwar keinen unmittelbaren gesetzlichen Anspruch auf eine bestimmte behördliche Entscheidung, wohl aber einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Insoweit greift die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 96, 100 <115>; für den Strafvollzug BVerfGK 14, 381 <386>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 309/10 - juris; stRspr). Diese gewährleistet auch die notwendige Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.>; BVerfGK 4, 119 <127 f.>; 9, 390 <395>; 9, 460 <462 f.>, jew. m.w.N.).

28

bb) Nach diesen Maßstäben verletzt der angegriffene Beschluss des Landgerichts den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Die behördliche Ausübung des der Justizvollzugsanstalt durch § 12 Abs. 2 Satz 1 UVollzG M-V eingeräumten Ermessens sowie des Ermessens, das den zuständigen staatlichen Organen hinsichtlich der Ausstattung der Justizvollzugsanstalten mit dem für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Personal zukommt, wurde nicht in einer den grundrechtlichen Anforderungen entsprechenden Weise gerichtlich überprüft.

29

Die begründenden Ausführungen des Landgerichts, wonach die Grundrechte des Beschwerdeführers haftbedingten Beschränkungen unterliegen und der Angleichungsgrundsatz des § 5 UVollzG M-V nur in den durch die Aufgaben des Untersuchungshaftvollzuges und die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt gezogenen Grenzen gilt, enthalten keine Antwort auf die entscheidende Frage, ob die Justizvollzugsanstalt ihr Ermessen hinsichtlich der Festlegung der Aufschlusszeiten fehlerfrei ausgeübt hat. An einer solchen Überprüfung fehlt es auch, wenn unterstellt wird, dass das Landgericht sich der Sache nach stillschweigend die von der Justizvollzugsanstalt angegebenen Gründe für die Regelung der Aufschlusszeiten zu eigen gemacht hat. Darin liegt keine Überprüfung dieser Gründe daraufhin, ob sie die behördliche Entscheidung von Rechts wegen zu tragen vermögen.

30

(1) Es fehlt bereits an der notwendigen Auseinandersetzung mit der Frage, ob unter Haftbedingungen wie den vom Beschwerdeführer geschilderten der notwendige Abstand zu einer grundrechtswidrigen voraussetzungslosen Einzelhaft unterschritten ist.

31

Die unausgesetzte Absonderung eines Untersuchungsgefangenen (Einzelhaft) ist nach § 50 UVollzG M-V nur aus in dessen Person liegenden Gründen unter engen Voraussetzungen zulässig. Arrest darf als besonders schwere, gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 UVollzG M-V in Einzelhaft zu vollziehende Disziplinarmaßnahme, auch wenn von über den Einschluss in Einzelhaft hinausgehenden Beschränkungen gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 UVollzG M-V abgesehen wird, nur für einen Zeitraum von höchstens vier Wochen (§ 61 Abs. 1 Nr. 7 UVollzG M-V) und nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden (§ 61 Abs. 3 UVollzG M-V). Die engen gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung dieser mit besonders weitreichendem Einschluss verbundenen Maßnahmen tragen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung, der hier besonders strikte Beachtung erfordert (vgl. für die Einzelhaft BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. April 1999 - 2 BvR 827/98 -, NStZ 1999, S. 428 <429>). Diesem Grundsatz läuft es jedenfalls zuwider, wenn bereits das normale Haftregime die Gefangenen Bedingungen unterwirft, die sich von denen der Einzelhaft kaum unterscheiden. In diesem Zusammenhang fällt es nicht ins Gewicht, wenn der ganztägige Einschluss durch den gesetzlich vorgesehenen - nicht primär der Kontaktpflege, sondern in erster Linie der körperlichen Gesunderhaltung dienenden - einstündigen Aufenthalt an der frischen Luft unterbrochen, also nicht zugleich auch noch von Nr. 27.1 der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze und Nr. 42 Satz 2 der  Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates zur Untersuchungshaft abgewichen wird. Die Einräumung der täglichen Freistunde trägt zur Sicherung des hinsichtlich der Einschlusszeiten notwendigen Abstandes zur Vollzugssituation des Arrests oder der als besondere Sicherungsmaßnahmeangeordneten Einzelhaft nicht bei. Denn der insoweit nicht eingeschränkte Anspruch auf einstündigen Aufenthalt an der frischen Luft (§ 20 Abs. 2; § 62 Abs. 3 Satz 3 UVollzG M-V) bleibt dem Gefangenen - wenn auch nicht als ein Anspruch, der die Möglichkeit sozialer Kontakte einschließt - in Übereinstimmung mit den genannten internationalen Standards auch im Vollzug von Arrest oder sonstiger Einzelhaft erhalten (vgl. zum Strafvollzugsrecht i.e.S. § 89 Abs. 2 Satz 2 StVollzG; Arloth, StVollzG, 3. Aufl. 2011, § 89 Rn. 1; HansOLG, Beschluss vom 15. August 2008 - 3 Vollz (Ws) 44/08 -, juris).

32

Danach war in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht klärungsbedürftig, ob die Haftbedingungen des Beschwerdeführers sich, was die Einschlusszeiten angeht, von der Situation des Arrests oder sonstiger Einzelhaft hinreichend unterschieden. Nach der vom Beschwerdeführer in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegebenen Darstellung bestanden für die nicht arbeitenden Untersuchungsgefangenen über die tägliche Freistunde hinaus nur äußerst geringfügige Möglichkeiten des Aufenthalts außerhalb ihres Haftraums und der Kontaktaufnahme mit Anderen, wobei ungeklärt geblieben ist, ob diese Möglichkeiten sich auf die Wochentage so verteilten, dass eine über die Freistunde hinausgehende Möglichkeit, sich außerhalb des Haftraums aufzuhalten, für jeden Wochentag eröffnet war.

33

(2) Unabhängig davon hat das Landgericht die beanstandeten Haftbedingungen nicht in der notwendigen Weise auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprüft und insoweit einschlägige internationale Standards mit Menschenrechtsbezug (s.o. III.2.a)aa)) nicht berücksichtigt.

34

Der Feststellung des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, dass für Untersuchungsgefangene die Möglichkeit angestrebt werden sollte, täglich acht Stunden oder mehr außerhalb ihrer Hafträume zu verbringen und dort sinnvollen Aktivitäten nachzugehen (CPT, 2nd General Report on the CPT's activities covering the period 1 January to 31 December 1991, CPT/Inf (92) 3 [EN])), kommt zwar eine indizielle Bedeutung (vgl. BVerfGE 116, 69 <90>) dahingehend, dass bei jeder Unterschreitung dieses Wertes die Annahme einer Grundrechtsverletzung naheläge, schon deshalb nicht zu, weil es sich hier bereits der Formulierung nach nicht um einen menschenrechtlichen Mindeststandard, sondern um die Angabe eines anzustrebenden Ziels handelt. Nicht zuletzt angesichts des enormen Ausmaßes der Entfernung der Haftbedingungen des Beschwerdeführers von diesem Zielwert hätte jedoch Anlass zu näherer Prüfung der Zumutbarkeit dieser Haftbedingungen in der besonderen Konstellation der Untersuchungshaft bestanden.

35

Diese Prüfung hätte unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Untersuchungshaft auch die vorgesehenen Unterschiede zwischen verschiedenen Gefangenengruppen in den Blick zu nehmen gehabt.

36

Insbesondere wären die erheblichen Unterschiede zwischen den für nicht arbeitende Untersuchungsgefangene und den für arbeitende Untersuchungsgefangene sowie Strafgefangene geltenden Aufschlusszeiten einer näheren Prüfung zu unterziehen gewesen. Das Landgericht hat sich der Sache nach mit den Ausführungen der Justizvollzugsanstalt dazu, dass die Personallage weitergehende Aufschlusszeiten für nicht arbeitende Untersuchungsgefangene nicht erlaube, zufriedengegeben, ohne der Frage nachzugehen, ob die Anstalt ihr Ermessen hinsichtlich der Verteilung der personellen Ressourcen im Verhältnis der genannten Gefangenengruppen fehlerfrei ausgeübt hat.

37

Eine vollzugliche Schlechterstellung von Untersuchungsgefangenen gegenüber Strafgefangenen ist in verschiedenen Bereichen wegen der besonderen Beschränkungen, die zur Sicherung des Zwecks der Untersuchungshafterforderlich sein können, nicht durchgängig vermeidbar. Aus der gebotenen Rücksicht darauf, dass der Untersuchungsgefangene nicht rechtskräftig verurteilt ist (s. unter III.2.a)aa)), und aus der gebotenen Rücksicht auf die besonderen mit der Untersuchungshaft verbundenen psychischen Belastungen (vgl. BVerfGK 13, 163 <169 f.>) folgt auch nicht, dass eine solche Schlechterstellung ohne weiteres immer bereits dann unzulässig ist, wenn sie durch Umschichtungen im Personaleinsatz vermeidbar wäre. Soweit etwa angesichts gegebener Unterschiede im Aufsichtsbedarf bereits geringfügige Verbesserungen bei den Untersuchungsgefangenen mit erheblichen Einschränkungen bei den Strafgefangenen erkauft werden müssten, ist es nicht zu beanstanden, wenn von einer Angleichung der Vollzugssituation durch Veränderungen in der Verteilung des Personaleinsatzesabgesehen wird. Andererseits entspräche es aber, auch soweit absolute Mindeststandards noch gewahrt sind, nicht der verfassungsrechtlich gebotenen Rücksicht auf die Besonderheit der Situation des Untersuchungsgefangenen, eine beliebige gegebene Verteilung personeller Ressourcen im Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Gefangenengruppen zum feststehenden Ausgangspunkt der Prüfung zu nehmen und die Verhältnismäßigkeit der für Untersuchungsgefangene vorgesehenen Beschränkungen allein danach zu beurteilen, ob sie angesichts dieser gegebenen Ressourcenverteilung unvermeidbar sind. Vielmehr kann angesichts der Bedeutung, die ihr für das Ausmaß der hinzunehmenden Beschränkungen zukommt, auch die Verteilung der personellen Ressourcen selbst nicht der Prüfung daraufhin entzogen sein, ob ihr vertretbare, die besondere Situation der Untersuchungsgefangenen angemessen berücksichtigende sachliche Gründe zugrundeliegen. Eine solche Prüfung ist nicht erfolgt, obwohl angesichts der erheblichen Unterschiede zwischen den Aufschlusszeiten für die verschiedenen Gefangenengruppen und der erheblichen Schlechterstellung gerade der nicht arbeitenden und insofern auf anderweitige Kontaktmöglichkeiten besonders angewiesenen Untersuchungsgefangenen die Möglichkeit einer Fehlgewichtung nicht fernlag.

38

Auch soweit allein die Situation unterschiedlicher Gruppen von Untersuchungsgefangenen und die gegebene Personalausstattung in diesem Bereich in den Blick genommen wird, fehlt jede weitere Aufklärung dazu, warum ein Aufschluss am Abend auf der Station trotz der erforderlichen Telefonkontrolle zwar für arbeitende Untersuchungsgefangene, nicht aber für nichtarbeitende Untersuchungsgefangene möglich sein soll, ob der tatsächliche Anfall von Überwachungsbedarf für Telefongespräche es erfordert, hierfür den gesamten dafür vorgesehenen Zeitraum von 17.00 bis 19.00 Uhr - auf Kosten von Möglichkeiten des Aufschlusses und des Umschlusses während dieser Zeit - vorzuhalten, und warum der nachmittägliche Aufschluss für nichtarbeitende Untersuchungsgefangene nur an drei Wochentagen stattfindet. Auch insoweit finden sich in dem Beschluss des Landgerichts keinerlei konkrete Ausführungen zu dem mit der Einräumung von Aufschlusszeiten und mit entgegenstehenden anderen Aufgaben verbundenen Zeit- und Personalaufwand, die eine Beurteilung der Erforderlichkeit der Einschlusszeiten erlauben würden.

39

Dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob die Einräumung erweiterter Aufschlusszeiten im Wege der individuellen Ausnahme für den Beschwerdeführer (vgl. BVerfGE 15, 288 <294 f.>; 34, 384 <398, 400>; 42, 95 <102>; BVerfGK 13, 163 <165>) erforderlich gewesen wäre, ist zwar im Hinblick darauf hinnehmbar, dass der Beschwerdeführer keinerlei für ihn persönlich sprechende Ausnahmegründe angeführt hatte. Das Landgericht hat jedoch, obwohl hierzu ein weiterführender Vortrag vom Beschwerdeführer nicht erwartet werden konnte, auch nicht überprüft, ob erweiterte Aufschlusszeiten, von denen auch der Beschwerdeführer profitieren könnte, im Wege der Differenzierung zugunsten von - etwa nach Haftgründen, Art der vorgeworfenen Delikte, Angewiesenheit auf zusätzliche Kontaktmöglichkeiten gebildeten - Untergruppen hätten zugelassen werden können und müssen.

40

b) Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts, der sich auf die Beschlussbegründung des Landgerichts stützt, verstößt damit ebenfalls gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

41

c) Ob durch die angegriffenen Entscheidungen weitere Grundrechte des Beschwerdeführersverletzt worden sind, kann angesichts der bereits festgestellten Verstöße gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG offenbleiben.

IV.

42

1. Die angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichtsund des Landgerichts beruhen auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Sie sind daher gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

43

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Die §§ 224 bis 229 gelten für Straftaten nach Absatz 1 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, das Gericht zuständig, das den Haftbefehl erlassen hat. Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl erlassen, so ist das Gericht zuständig, das die vorangegangene Entscheidung getroffen hat. Wird das vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort geführt oder die Untersuchungshaft an einem anderen Ort vollzogen, so kann das Gericht seine Zuständigkeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf das für diesen Ort zuständige Amtsgericht übertragen. Ist der Ort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht. Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befaßt ist. Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. Einzelne Maßnahmen, insbesondere nach § 119, ordnet der Vorsitzende an. In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl aufheben oder den Vollzug aussetzen (§ 116), wenn die Staatsanwaltschaft zustimmt; andernfalls ist unverzüglich die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl aufheben, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres ergibt, daß die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.

(4) Die §§ 121 und 122 bleiben unberührt.

(5) Soweit nach den Gesetzen der Länder über den Vollzug der Untersuchungshaft eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein Land für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Einrichtung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gilt § 121b des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.