Oberlandesgericht Hamm Urteil, 01. Sept. 2015 - 28 U 60/13
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 13.03.2013 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.03.2013 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.Der Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 58.235,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 47.448,43 € seit dem 29.03.2011 sowie aus weiteren 10.333.94 € seit dem 20.08.2013 und aus weiteren 453,33 € seit dem 04.09.2014 zu zahlen.
2.Es wird festgestellt, dass die mit Versäumnisurteil des Landgerichts vom 12.09.2012 zum Aktenzeichen 8 0 79/11 titulierten Auskunftsansprüche erledigt sind.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Streithelfer, die diese selbst tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
G r ü n d e
2A.
3Der klagende Verein (nachfolgend: Kläger) nimmt den Beklagten aus abgetretenem/gepfändetem Recht auf Schadensersatz wegen angeblicher Pflichtverletzungen in sechs Vorverfahren in Anspruch, die zwischen dem Kläger und der seinerzeit vom Beklagten vertretenen Zedentin/Schuldnerin (= X GbR) und ihren Gesellschaftern geführt worden sind.
4Dem Kläger wurde zu einem nicht bekannten Zeitpunkt ein Mehrfamilienhaus in M als Spende vermacht. Der Kläger wollte die Immobilie verkaufen. Der Architekt Dipl.Ing. I aus A erstellte für das Haus ein Exposé.
5Auf der Grundlage des Exposés und nach Vertragsverhandlungen mit dem Architekten erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 18.06.2008 die als „Käufer“ bezeichnete und aus den in der Urkunde namentlich genannten Gesellschaftern F, L, B und E bestehende „X GbR“ die Immobilie zum Preis von 175.000 €.
6Der Kaufvertrag enthält folgende, für das Regressverfahren bedeutsame Klauseln :
7Ziffer III.5.:
8Der Käufer unterwirft sich wegen seiner Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Mehrere Käufer haften als Gesamtschuldner (…)
9Ziffer IV.1.:
10Der Käufer hat den Vertragsgegenstand eingehend besichtigt, er kauft ihn im gegenwärtigen gebrauchten Zustand. Die Rechte des Käufers wegen sichtbarer oder unsichtbarer Sachmängel des Grundstücks, des Gebäudes und etwa mitverkaufter Gegenstände sind ausgeschlossen. Der Verkäufer haftet insbesondere nicht für das Flächenmaß, den Bauzustand bestehender Gebäude, die Verwendbarkeit des Vertragsgegenstandes für Zwecke des Käufers und die Zulässigkeit einer weiteren Bebauung. Von der vorstehenden Rechtsbeschränkung ausgenommen ist eine Haftung des Verkäufers bei Vorsatz und Arglist. Der Verkäufer erklärt, dass ihm nicht erkennbare Mängel, insbesondere auch Altlasten nicht bekannt sind.
11Der Kaufpreis für die Immobilie – ebenso wie die geschuldeten Notarkosten von 1.231,29 € - wurde von der X GbR in der Folgezeit nicht gezahlt unter Hinweis auf angeblich nicht eingetretene Fälligkeit und mangelbedingte Minderungsansprüche. Hintergrund war, dass die aus einem an der Straße gelegenen Hauptgebäude, einem Innenhof und einem den Innenhof nach hinten abschließenden Gebäudetrakt bestehende Immobilie in Bezug auf den zuletzt genannten Gebäudetrakt unstreitig keine baurechtliche Genehmigung besaß; die Erteilung einer Baugenehmigung wurde von der zuständigen Behörde verweigert. Die fehlende Genehmigung ging aus dem Exposé nicht hervor und die darin angegebene und den hinteren Gebäudetrakt umfassende Wohnfläche des Objekts war– was im Regressverfahren nicht streitig ist – unrichtig.
12Im Auftrag des Klägers wurde am 24.02.2009 dem Gesellschafter F persönlich (nicht in seiner Funktion als Vertreter der GbR) eine vollstreckbare Ausfertigung des Kaufvertrages per Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Zwangsvollstreckung zugestellt.
13Das war der Beginn einer Vielzahl von Gerichtsverfahren, die zwischen der X GbR bzw deren Gesellschaftern und dem Kläger geführt wurden und in denen der Beklagte die X GbR bzw deren Gesellschafter vertrat.
14In den mit wechselnden Parteirollen geführten Prozessen soll – so der Kläger – der Beklagte die X GbR bzw deren Gesellschafter pflichtwidrig schlecht vertreten haben. Den nach seiner Auffassung der X GbR bzw den Gesellschaftern zustehenden Schadensersatzanspruch, den der Kläger zunächst pfänden und sich dann von der GbR/den Gesellschaftern abtreten ließ, macht der Kläger im Regressverfahren geltend.
15Im Einzelnen :
16-
17
A. Landgericht Hagen Az.: 9 O 123/09 = OLG Hamm 22 U 5/10
Am 30.03.2009, unmittelbar nach Einleitung der Vollstreckung gegen den Gesellschafter F, erhob die durch den Beklagten vertretene X GbR gegen den Kläger Vollstreckungsgegenklage und beantragte die einstweilige Einstellung der Vollstreckung aus der Kaufvertragsurkunde. Zur Begründung führte der Beklagte für die X GbR aus, der Titel sei wegen Unklarheit der „Vollstreckungsklausel“ nicht vollstreckbar: Obwohl Käuferin die –rechtsfähige- X GbR sei, sei aufgrund der nicht klar gefassten „Vollstreckungsklausel“ ein jeder der Gesellschafter „herausgreifbar“ und es könne gegen ihn vollstreckt werden anstatt – wie es richtig wäre – nur gegen die GbR. Außerdem sei der Kaufpreis nicht fällig und überhöht, weil das Objekt Mängel aufweise, die zur Minderung in Höhe von mindestens 86.000 € berechtigten. Auf den Gewährleistungsausschluss im Vertrag könne sich der Kläger nicht berufen, weil der von ihm bevollmächtigte Architekt I, der die fehlende Baugenehmigung für das Hinterhaus gekannt habe, arglistig über diesen Mangel (= die fehlende Baugenehmigung eines Teiles des Objektes und die negativ abweichende Wohnfläche) getäuscht habe, was dem Kläger zuzurechnen sei. Das Gebäude müsse wegen der fehlenden Genehmigung teilweise abgebrochen werden.
19Das Landgericht Hagen wies mit Beschluss vom 23.04.2009 darauf hin, dass mit der Vollstreckungsklage nur materiellrechtliche Einwendungen gegen einen Titel geltend gemacht werden könnten; der Einwand, die Vollstreckungsklausel gelte nur bezüglich der X GbR sei kein solcher. Im Übrigen bestünden Zweifel an der Aktivlegitimation der klagenden GbR und der Schlüssigkeit der Klage der Höhe nach.
20Der Beklagte stellte daraufhin für die X GbR mit Schriftsatz vom 13.05.2009 den Hilfsantrag, festzustellen, dass eine Zwangsvollstreckung aus der Kaufvertragsurkunde vom 18.06.2008 unzulässig sei und begründete dies mit näheren Ausführungen. Mit Schriftsatz vom 25.05.2009 erweiterte er die Klage auf Seiten der klagenden X GbR um die vier Gesellschafter als Kläger zu 2) – 5).
21Im Termin vor dem Landgericht Hagen am 22.06.2009 stellte der Beklagte für die X GbR keinen Antrag „wegen einer etwaigen Streitverkündung gegenüber dem Architekten“. Das Landgericht Hagen erließ in dem Verkündungstermin am 29.06.2009 wie im Termin angekündigt klageabweisendes Versäumnisurteil.
22Gegen dieses legte der Beklagte für die X GbR und deren Gesellschafter Einspruch ein. Außerdem stellte er – nunmehr aus seiner früheren Kanzlei Rechtsanwälte Y und Partner im Streit ausgeschieden und bei der Streithelferin als „Kooperationspartner“ tätig – einen weiteren Hilfsantrag, gerichtet darauf, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 18.06.2008 insoweit für unzulässig zu erklären, als mehr als 89.000 € geltend gemacht würden.
23Ein Vergleich, den der Kläger mit Schriftsatz vom 08.09.2009 vorgeschlagen hatte und der auf eine Kaufpreisminderung von 30.000 € gerichtet war, kam nicht zu Stande, nachdem der Beklagte sich zu dem Schriftsatz vom 08.09.2009 trotz Aufforderung durch das Landgericht nicht zustimmend äußerte; daraufhin hielt der Kläger am Vergleichsangebot nicht mehr fest.
24Er ließ sich auch im nächsten Termin vom 16.11.2009 nicht mehr umstimmen, was ihm den vom Beklagten in der Folgezeit erhobenen Vorwurf der Unlauterkeit einbrachte.
25Das Landgericht Hagen erhielt im Verkündungstermin vom 30.11.2009 das Versäumnisurteil vom 29.06.2009 aufrecht und wies die weitergehende Klage ab. Zur Begründung verwies es im Kern darauf, dass die mit dem Hauptantrag erhobene Klage hinsichtlich der Kläger zu 2) – 5) weder als Vollstreckungsabwehrklage noch im Übrigen zulässig sei, soweit geltend gemacht werde, die Kläger zu 2) – 5) seien nicht Schuldner der Kaufpreisforderung.
26Im Übrigen sei die Vollstreckungsabwehrklage unbegründet. Die Hilfsanträge seien teilweise unzulässig, teilweise unbegründet; bzgl. der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
27Die vom Beklagten für die X GbR und die Gesellschafter gegen das Urteil eingelegte Berufung, mit der beantragt worden war, unter Abänderung des angefochtenen Urteils und Aufhebung des Versäumnisurteils vom 29.06.2009 festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe, weil der Kläger nicht mehr aus der Kaufvertragsurkunde direkt gegen die Gesellschafter der GbR vollstrecke, sondern nunmehr Zahlungsklage gegen sie anstrebe, wurde vom Beklagten zurückgenommen, nachdem der 22. Senat mit Verfügung vom auf 22.02.2010 darauf hingewiesen hatte, er beabsichtige, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren.
28Insgesamt wurden für jenes Verfahren Kosten gegen die X GbR in Höhe von 7.005,65 € festgesetzt (Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.06.2010) .
29B. Landgericht Wuppertal, Az.: 4 O 28/10 und Landgericht Hagen, Az.: 6 O 28/10
30Offenbar zu der Erkenntnis gelangt, dass aus der Kaufvertragsurkunde vom 18.06.2008 wegen der unklaren Fassung tatsächlich nicht unmittelbar gegen die Gesellschafter der X GbR vollstreckt werden könne, forderte der Kläger mit Schriftsatz vom 25.11.2009 unter Hinweis auf § 128 HGB analog die vier Gesellschafter der X GbR zur Zahlung des Kaufpreises aus dem notariellen Vertrag nebst Zinsen und Anwaltskosten auf unter Fristsetzung zum 11.12.2009.
31Nach erfolglosem Fristablauf erhob er am 21.01.2010 im Urkundenverfahren parallele Zahlungsklagen gegen die vier Gesellschafter der X GbR (wohnsitzbedingt gegen die Gesellschafter B und E vor dem LG Wuppertal, 4 O 28/10, gegen F und L vor dem LG Hagen, 6 O 28/10) mit den Anträgen, die Gesellschafter als Gesamtschuldner zur Zahlung von 175.000 € nebst Zinsen und von dem Kläger übernommenen Notarkosten ( 1.231,29 €) sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu verurteilen.
32Zur Begründung hob der Kläger darauf ab, dass die Gesellschafter für die Kaufpreisschuld der GbR aus dem notariellen Vertrag gemäß § 128 HGB analog hafteten. Der Kaufpreis sei fällig und durchsetzbar.
33Die Gesellschafter der GbR – vertreten durch den Beklagten – beantragten die Abweisung der Klagen. Der Beklagte stellte klar, dass seine Mandanten zwar für die Kaufpreisforderung einzustehen hätten. Ihre Inanspruchnahme im Urkundenverfahren sei aber unstatthaft, ihre Haftung ergebe sich nicht unmittelbar aus der Urkunde. Zudem könnten die Gesellschafter den Kaufpreis gar nicht aufbringen. In der Sache sei der Kaufpreis zumindest um 85.000 € auf 90.000 € zu mindern, weil die Immobilie wegen der fehlenden Baugenehmigung des Anbaus mangelhaft sei bzw. er sei gar nicht mehr zu zahlen, weil man wirksam den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten habe bzw wirksam von ihm zurückgetreten sei. Den Gesellschaftern stehe ein zur Aufrechnung gestellter Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zu; der Kaufpreis sei aufgrund des Mangels überhöht.
34Mit gegen die Gesellschafter F und L erlassenem Vorbehaltsurteil vom 01.06.2010 und gegen die Gesellschafter B und E erlassenem Vorbehaltsurteil vom 16.07.2010 wurden die Gesellschafter wie beantragt zur Zahlung von 175.000 € nebst Notar- und Anwaltskosten jeweils nebst Zinsen verurteilt, ihnen aber die Wahrnehmung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Am 06.09.2010 bzw 12.10.2010 wurden von den erkennenden Gerichten die Kosten festgesetzt; danach hatten die Gesellschafter F und L an den Kläger 8.706,70 € und die Gesellschafter B und E 9.265,33 € nebst Zinsen zu zahlen.
35Mit notariellem Kaufvertrag vom 03.02.2011 veräußerte der Kläger die streitgegenständliche Immobilie in M an einen Herrn T zum Preis von 142.000 €. Mit Schreiben vom 22.02.2011 trat der Kläger daraufhin vom am 18.06.2008 geschlossenen Kaufvertrag mit der GbR unter Berufung auf Verzug der Käuferin mit der Kaufpreiszahlung zurück.
36In der Folge erklärte der Kläger die Zahlungsklagen gegen die 4 Gesellschafter mit Schriftsatz vom 04.03.2011 teilweise für erledigt, soweit die Hauptforderung von 175.000 € nebst Zinsen betroffen sei. Nicht für erledigt erklärt wurde der Antrag auf Zahlung von Notargebühren und Anwaltskosten; insoweit wurde beantragt, die Vorbehaltsurteile für vorbehaltslos zu erklären.
37Der Beklagte schloss sich der Teilerledigungserklärung nicht an; nach seiner Auffassung handelte es sich um eine teilweise Rücknahme der Klage.
38Im Termin vor dem Landgericht Wuppertal erging am 14.07.2011– nachdem der Beklagte dort nicht erschienen war – Versäumnisurteil gegen die Gesellschafter B und E, mit dem das Urkundenvorbehaltsurteil vom 16.7.2010 mit der Maßgabe aufrecht erhalten und für vorbehaltlos erklärt wurde, dass sich der Klageantrag zu 1) in Höhe von 175.000 € erledigt habe.
39Im Termin vor dem Landgericht Hagen am 16.08.2011 erschien der Beklagte zwar, stellte aber keinen Antrag wegen zwischenzeitlich eingetretener Zerwürfnisse (dazu sogleich unter Lit. „D“) mit seinen Mandanten und nachfolgender Mandatsniederlegung. Auch in diesem Verfahren erging deshalb am Schluss der Sitzung ein Versäumnisurteil gegen die Gesellschafter F und L.
40Im Verfahren 4 O 28/10 hatte der Beklagte vor Mandatsniederlegung noch Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt ; im Einspruchstermin am 10.11.2011 erschien aber niemand, so dass das Ruhen des Verfahrens beschlossen wurde. Später nahm der nach dem Beklagten von den Gesellschaftern beauftragte Rechtsanwalt K den Einspruch zurück, woraufhin den Gesellschaftern die Kosten insoweit dem Grunde nach auferlegt wurden.
41In beiden Verfahren wurden nach Verfahrensabschluss weitere Kosten gegen die Gesellschafter festgesetzt: im Verfahren LG Hagen, Az.: 6 O 28/10 in Höhe von 273,20 € und im Verfahren LG Wuppertal, Az.: 4 0 28/10 in Höhe von 3.006,80 €. Außerdem wurde mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgericht Wuppertal im Verfahren 4 O 28/10 Kosten gegen die Gesellschafter B und E zur Zahlung an RA K in Höhe von 3.334,86 € festgesetzt.
42C. Landgericht Wuppertal Az. 5 O 80/11 und Landgericht Hagen 4 0 71/11
43Zeitgleich bzw kurz nachdem der Kläger die Verfahren 4 O 28/10 und 6 O 28/10 in Folge des Rücktritts vom Kaufvertrag teilweise für erledigt erklärt hatte, erhob er am 04. bzw 07.03.2011 zwei weitere Klagen, nämlich :
44> 4 O 71/11 LG Hagen (gerichtet gegen die X GbR, und die Gesellschafter F und L) und
45> 5 O 80/11 LG Wuppertal (gerichtet gegen die Gesellschafter B und E).
46Mit den Klagen, die wiederum im Urkundenprozess erhoben worden waren, machte der Kläger die Differenz von 33.000 €, die zwischen dem mit der X GbR im Jahr 2008 vereinbarten Kaufpreis von 175.000 € und dem mit dem aktuellen Käufer T vereinbarten Kaufpreis von 142.000 € bestand, als Schadensersatz geltend.
47Im Verfahren 4 O 71/11 wurde von der X GbR außerdem der Ersatz der Notarkosten von 1.231,29 € verlangt, der auch schon in den Verfahren LG Wuppertal (Az.:4 O 28/10) und LG Hagen (Az.:6 O 28/10) von den Gesellschaftern gefordert worden waren; zudem wurden klageerweiternd 81,75 € - dabei handelt es sich um Kosten für die Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung – nebst Zinsen gefordert.
48Der Beklagte meldete sich für die vier Gesellschafter und die GbR, beantragte die Klageabweisung und rügte die anderweitige Rechtshängigkeit der Sache.
49Sodann verlief die Entwicklung in den Verfahren wie folgt:
50Das Landgericht Wuppertal verkündete im Verfahren 5 O 80/11 am 10.06.2011 ein Urkundenvorbehaltsurteil, in dem die Gesellschafter B und E antragsgemäß neben der gesondert verfolgten X GbR und den Gesellschaftern F und L verurteilt wurden, an den Kläger 33.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 175.000 € vom 5.11.2008 – 22.02.2011 zu zahlen; hinsichtlich der weitergehenden Zinsforderung wurde die Klage abgewiesen. Am 02.08.2011 erließt das Landgericht Wuppertal einen Kostenfestsetzungsbeschluss, nach dem die Gesellschafter B und E an den Kläger 3.816,58 € Kosten nebst Zinsen zu erstatten hatten. Am 03.02.2012 erklärte der nachfolgend von der GbR und den Gesellschaftern beauftragte RA K den Verzicht der Gesellschafter B und E auf den Vorbehalt des Nachverfahrens und das Anerkenntnis hinsichtlich des Urkundenvorbehaltsurteils.
51Im Verfahren 4 O 71/11 wurde im Termin vor dem Landgericht Hagen am 05.07.2011 ein Widerrufsvergleich geschlossen, mit dem versucht wurde, alle Angelegenheiten zu erledigen, er wurde aber später vom Kläger widerrufen.
52Am 19.07.2011 legte der Beklagte das Mandat für die X GbR in dem Verfahren 4 O 71/11 nieder. Mit Beschluss vom 13.09.2011 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schriftsatz vom 24.01.2012 erkannte der nachfolgend mandatierte RA K die Klageforderung an. Daraufhin erging am 07.02.2012 ein Anerkenntnisurteil gegen die X GbR und die Gesellschafter F und L, mit dem sie verurteilt wurden, an den Kläger 33.000 € nebst Zinsen iHv 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sowie 81,75 € nebst Zinsen als Gesamtschuldner zu zahlen; außerdem wurde die X GbR als Gesamtschuldnerin verurteilt, 1.231,29 € Notarkosten nebst Zinsen zu zahlen.
53Ausweislich eines Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 8.11.2012 hatten die X GbR sowie die Gesellschafter F und L außerdem an den Kläger Kosten iHv 3.216,67 € nebst Zinsen zu zahlen.
54D. Landgericht Hagen, Az.: 6 O 96/11
55Am 23.03.2011 erhob der Kläger vor dem Landgericht Hagen eine weitere Klage gegen die X GbR, mit der er beantragte, die Zustimmung zur Löschung der zugunsten der X GbR eingetragenen Auflassungsvormerkung im Grundbuch zu erklären. Zur Begründung trug er vor, dass nach dem Rücktritt vom Immobilienkaufvertrag vom 22.02.2011 die X GbR die Abgabe der Löschungsbewilligung hinsichtlich der zu ihren Gunsten in Ansehung des Kaufvertrages vom 18.06.2008 noch eingetragenen Auflassungsvormerkung schulde. Trotz vorprozessualer Aufforderung zur Zustimmung am 02.03.2011 mit Fristsetzung zum 12.03.2011 sei diese nicht erteilt worden.
56Der Beklagte meldete sich mit Schriftsatz vom 03.05.2011, stellte keinen Antrag zur Klage, erhob aber Widerklage, mit der er die Zahlung von 20.685,83 € nebst Zinsen verlangte.
57Er führte zur Begründung aus, die begehrte Löschungsbewilligung sei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers schon am 18.02.2011 angeboten, von diesem aber abgelehnt worden; daraufhin sei sie – was unstreitig geblieben ist - am 27.04.2011 dem Notar überbracht worden.
58Die Widerklage begründe sich daraus, dass der Kläger der X GbR Anwaltsgebühren schulde, die im Verfahren vor dem LG Hagen, Az.: 9 O 123/09 in erster Instanz entstanden seien. Denn schon am 16.11.2009 habe der Kläger plötzlich und unerwartet die zuvor einvernehmlich erarbeitete Lösung – Zahlung von 145.000 € - abgelehnt. Mit der Ablehnung sei der Erfüllungsanspruch des Klägers hinsichtlich des Kaufpreisanspruches erloschen. Die entstandenen Anwaltskosten wären vermeidbar gewesen, wäre der Vergleich abgeschlossen worden, was der Kläger verhindert habe.
59Im Termin am 16.08.2011, zu dem alle vier Gesellschafter der GbR erschienen waren, erklärten diese zu Protokoll, dass sie sich vorstellen könnten, alleine mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eine vergleichsweise Regelung zu treffen. Der Beklagte erklärte, er mache einen Vergleich, der seine Schadensersatzpflicht wegen anwaltlicher Falschberatung begründe oder festschreibe, nicht mit und sehe sich nicht mehr in der Lage, die GbR oder deren Gesellschafter zu vertreten; daher trete er nicht auf und lege das Mandat nieder.
60Im Anschluss erging nach entsprechender Antragsumstellung durch den Kläger ein Versäumnisurteil gegen die X GbR, mit dem festgestellt wurde, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei und mit dem die X GbR zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 2.714,03 € nebst Zinsen verurteilt wurde. Die Widerklage wurde abgewiesen.
61Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.12.2011 wurden gegen die X GbR 8.527,70 € nebst Zinsen festgesetzt.
62E. Regressklage
63Der Kläger erwirkte am 16.08.2010 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen die X GbR, mit dem wegen einer Hauptforderung von 182.498,41 € (aus dem Kaufvertrag vom 16.08.2010 und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hagen vom 16.08.2010 im Verfahren 9 O 123/09 ) angebliche Ansprüche der GbR gegen den Beklagten, dessen frühere Kanzlei Y und Partner und die Kanzlei C und Partner u.a. wegen anwaltlicher Falschberatung gepfändet wurden. Außerdem erwirkte er am 22.09.2010 einen weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen die Gesellschafter F und L, mit dem wegen einer Hauptforderung über 193.548,14 € (aus dem Urkundenvorbehalts- und Endurteil des LG Hagen vom 01.06.2010, Az.: 6 O 28/10) angebliche Ansprüche der Gesellschafter gegen die Kanzlei C & Partner auf u.a. Schadensersatz wegen anwaltlicher Falschberatung und gegen die P auf Zahlungen und Leistungen aus laufender Geschäftsverbindung pp gepfändet wurden.
64Am 08.03.2011 schrieb der Prozessbevollmächtigte des Klägers direkt an den damals noch vom Beklagten vertretenen Gesellschafter E und bot ihm an, zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten wegen anwaltlicher Falschberatung an den Kläger abzutreten.
65Am selben Tag erhob der Kläger die vorliegende Regressklage, mit der er zunächst ausschließlich unter Berufung auf die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 16.08./22.09.2010 gepfändete Ansprüche der X GbR bzw der Gesellschafter F und L gegen den Beklagten wegen anwaltlicher Falschberatung geltend gemacht hat und zugleich den Kanzleien Y und Partner und C und Partner mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beizutreten, den Streit verkündet hat; dem kamen die Rechtsanwälte C pp am 30.03.2011 insoweit nach, als sie dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beitraten.
66Mit der Regressklage hat der Kläger ursprünglich die Verurteilung des Beklagten zur Erteilung von Auskunft über die Höhe der bezogenen Honorare für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung der X GbR im Verfahren vor dem Landgericht Hagen (Az.: 9 O 123/09), der bezogenen Honorare für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung des Gesellschafters F im Verfahren vor dem Landgericht Hagen (Az.: 6 O 28/10 ) und der bezogenen Honorare für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung des Gesellschafters L im Verfahren vor dem Landgericht Hagen (Az.: 6 O 28/10) begehrt (Klageanträge zu 1) – 3)).
67Außerdem hat er die Zahlung von 4.794 € nebst Zinsen (Klageantrag zu 4) und von 7.005,65 € nebst Zinsen (Klageantrag zu 5) verlangt; dabei handelt es sich um die von der X GbR im Verfahren vor dem Landgericht Hagen (Az.: 9 O 123/09) unstreitig gezahlten Gerichtskosten für die erste und zweite Instanz ( Klageantrag zu 4)) und um gegen die GbR festgesetzte Kosten aus dem Verfahren vor dem Landgericht Hagen (Az.: 9 O 123/09, KFB vom 18.06.2010) über 7.005,65 €; Klageantrag zu 5).
68Der Kläger hat geltend gemacht:
69Der Beklagte habe die X GbR und die Gesellschafter grob fehlerhaft beraten.
70Er hätte nach rechtlicher Prüfung feststellen müssen, dass Erfolgsaussicht für ein Vorgehen seiner Mandanten gegen den Kaufpreisanspruch des Klägers aus dem Kaufvertrag vom 16.8.2008 aufgrund des darin vereinbarten umfassenden Gewährleistungsausschlusses nicht bestehe. Der Haftungsausschluss habe nur umgangen werden können, wenn er, der Kläger eine Garantie übernommen hätte – was nicht der Fall gewesen sei – oder wenn ihm arglistiges Handeln hätte vorgeworfen werden können, was ebenfalls ausscheide. Soweit der Beklagte versucht habe, ihm ein arglistiges Verhalten des Architekten I zuzuschreiben, sei weder zum arglistigen Verhalten des Architekten substantiiert bzw unter tauglichem Beweisantritt vorgetragen worden, noch dazu, dass und weshalb das Verhalten des Architekten ihm, dem Kläger zuzurechnen sei. Weil der Architekt die Courtage von der GbR erhalten habe, sei er ersichtlich nicht seinem, des Klägers Lager zuzuordnen gewesen.
71Mangels Erfolgsaussicht habe der Beklagte der GbR bzw ihren Gesellschaftern nicht zur Erhebung der Vollstreckungsgegenklage vor dem Landgericht Hagen, Az.: 9 O 123/09 raten dürfen. Er habe vielmehr von ihrer Erhebung unter Verweis auf das Risiko abraten müssen, was er nicht getan habe. Es hätte wenigstens ein Teilbetrag auf den Kaufpreis gezahlt werden müssen, wozu der Beklagte den Mandanten hätte raten müssen; tatsächlich habe er ihnen davon abgeraten.
72Die Vollstreckungsgegenklage vor dem LG Hagen, Az.: 9 O 123/09 sei schon unschlüssig gewesen, was das Landgericht auch festgestellt habe; deshalb habe auch die Berufung von Anfang an keine Erfolgsaussicht besessen, wie später das OLG Hamm bestätigt habe.
73Soweit der Beklagte darauf abstelle, er, der Kläger habe sich damals unstreitig auf einen Vergleich einlassen wollen, was gegen fehlende Schlüssigkeit des damaligen Vortrags des Beklagten spreche, helfe ihm das nicht: Mit dem Vergleich sei trotz Unschlüssigkeit eine „Lästigkeitsprämie“ angeboten worden. Diese habe dem Beklagten aber nicht genügt, er habe das Angebot nämlich nicht angenommen, seine Klage aber auch nicht schlüssig gemacht. Daraufhin habe er, der Kläger dann im Termin am 16.11.09 den Vergleich auch nicht mehr abschließen wollen.
74Insoweit sei im Zusammenhang mit dem nicht zu Stande gekommenen Vergleich eine weitere Pflichtverletzung des Beklagten zu verorten, die dazu führe, dass seinen Mandanten ein höherer Schaden entstanden sei.
75Auch in Bezug auf die beiden Urkundsprozesse vor dem Landgericht Wuppertal (Az.: 4 O 28/10) und dem Landgericht Hagen (Az.: 6 O 28/10) habe der Beklagte seine Mandanten falsch beraten. Er habe die Rechtskraftwirkung des Urteils im Verfahren LG Hagen( 9 O 123/09) verkannt. Weil substantiierte Einwände gegen die Kaufpreisforderung, für die die Gesellschafter nach § 128 HGB analog hafteten, nicht bestanden hätten, hätte der Beklagte dazu raten müssen, mit ihm, dem Kläger in Verhandlung zu treten, um eine klageweise Inanspruchnahme auf jeden Fall zu vermeiden. Dass diese drohte, habe der Beklagte in Ansehung der außerprozessualen Aufforderungsschreiben vom 25.11.2009 gewusst.
76Tatsächlich habe der Beklagte seinen Mandanten pflichtwidrig geraten, es auf einen Prozess ankommen zu lassen und Klageabweisung im Verfahren zu beantragen. Er habe sich pflichtwidrig auch nach erklärter teilweiser Erledigung dieser nicht angeschlossen.
77Auch in Bezug auf die beiden Schadensersatzverfahren vor dem Landgericht Wuppertal (Az.: 5 O 80/11) und dem Landgericht Hagen (Az.: 4 O 71/11) hätte der Beklagte erkennen müssen, dass dem Kläger nach erklärtem Rücktritt vom Kaufvertrag ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens zustehe; auch hier hätte er es nicht auf einen Prozess ankommen lassen dürfen. Die wegen des pflichtwidrigen Verhaltens zu Lasten der ehemaligen Mandanten des Beklagten entstandenen Kosten habe der Beklagte als Schaden zu ersetzen; insoweit bleibe Klageerweiterung vorbehalten.
78Zuletzt habe der Beklagte auch verhindert, dass die Löschungsbewilligung bezogen auf die zu Gunsten der GbR eingetragenen Auflassungsvormerkung rechtzeitig herausgegeben worden sei. Er habe erst nach Klageerhebung reagiert und dann die Löschungsbewilligung abgegeben; der erklärten Erledigung habe er widersprochen und stattdessen Widerklage erhoben. Auch insoweit bleibe Klageerweiterung nach abschließender Kostenfestsetzung im Verfahren 6 O 96/11 vorbehalten.
79Zusammenzufassen sei, dass der Beklagte die GbR bzw deren Gesellschafter stets und noch nach für sie negativem Abschluss des Verfahrens vor dem Landgericht Hagen (Az.: 9 O 123/09) dahin vertröstet habe, sie müssten nichts bezahlen und könnten ihm vertrauen. Erst nachdem im Sommer 2011 weitere nachteilige Gerichtsentscheidungen ergangen seien, sei der Beklagte umgeschwenkt. Auf die Risiken seiner Verfahrensführung habe er die Mandanten nie hingewiesen.
80Zu den Auskunftsansprüchen (Klageanträge zu 1) – 3)):
81Der Beklagte habe für die außergerichtliche Beratung und die gerichtliche Vertretung der X GbR und der Gesellschafter erhebliche Honorare vereinnahmt, deren genaue Höhe unbekannt sei. Daher werde zunächst auf der ersten Stufe Auskunft über und Offenlegung aller Zahlungen verlangt, die der Beklagte erhalten habe. Nach Auskunfterteilung seien die Honorare wegen der anwaltlichen Falschberatung zurückzuzahlen – abzüglich einer ihm zuzugestehenden Geschäftsgebühr von 2.714,03 €.
82Soweit der Beklagte behaupte, es gebe keine Honorarvereinbarungen, müsse er jedenfalls dennoch Auskunft darüber geben, was er an Honorar bislang vereinnahmt habe und was noch offenstehe. Das könne er auch, weil ihm die Honorare auch nach dem Ausscheiden aus der Kanzlei und Partner weiter zustünden.
83Zu den Zahlungsansprüchen (Klageanträge zu 4) und 5)) :
84Hätte der Beklagte seine Mandanten korrekt beraten, wären die der X GbR und den Gesellschaftern entstandenen Kosten im Verfahren vor dem Landgericht Hagen (Az.: 9 O 123/0) nicht entstanden. Daher habe der Beklagte die geltend gemachten Kosten zu ersetzen.
85Mit Schriftsatz vom 28.02.2012 hat der Kläger die Klage um sieben weitere Zahl- bzw Freistellungsanträge erweitert und eine umfassende Abtretungserklärung vom 06./09.12.2011 vorgelegt, mit der die GbR bzw deren Gesellschafter alle Ansprüche gegen den Beklagten und die beiden Sozietäten, denen der Streit verkündet worden war, wegen Pflichtverletzungen in den streitgegenständlichen Vorverfahren an den Kläger abtritt bzw. abtreten.
86Er hat die Anträge zu 6) – 10) auf die zwischenzeitlich ergangenen (Kostenfestsetzungs-)Entscheidungen in den sämtlichen oben aufgeführten Verfahren gestützt, in denen – was er im Einzelnen darlegt– der Beklagte ausgehend von seiner falschen Rechtsauffassung hinsichtlich der nicht bzw nicht umfassend bestehenden Zahlungsverpflichtungen der X GbR bzw ihrer Gesellschafter seine Mandanten falsch beraten haben, überflüssige Prozesshandlungen vorgenommen und so die Kosten verursacht habe, die sonst den Mandanten nicht erwachsen wären.
87Mit dem Klageantrag zu 11) hat der Kläger von der GbR bzw den Gesellschaftern angeblich an den Beklagten gezahltes Honorar sowie Gerichtskosten aus einem Grundbuchverfahren nach Abzug einer Geschäftsgebühr von 2.714,03 (s.o.) zurückverlangt, unter Berufung darauf, dass nicht klar sei, ob noch mehr Honorar geflossen sei, hat er an den mit der Klage gestellten Auskunftsansprüchen zu 1) - 3) festgehalten.
88Mit dem Antrag zu 12) hat der Kläger die Freistellung von Kosten des Rechtsanwaltes K, dessen Beauftragung nach der Mandatsniederlegung durch den Beklagten erforderlich geworden sei, verlangt.
89Der Beklagte hat geltend gemacht:
90Eine Falschberatung sei nicht erkennbar. Er habe die Mandantschaft in den einzelnen Prozessen umfassend belehrt – darüber, dass er die Vollstreckungsmöglichkeiten nicht verhindern könne, auch die Urkundsprozesse nicht - , nach der Belehrung hätten die Mandanten das prozessuale Vorgehen, wie es aktenkundig sei, gewünscht.
91Jedenfalls im Regressverfahren sei unstreitig, dass die im Jahr 2008 von der GbR erworbene Immobilie nicht die angepriesene Wohnfläche besessen habe. Der Vortrag, den er in Bezug auf die Minderung des Kaufpreises in den Vorprozessen gehalten habe, sei deshalb auch nicht unschlüssig. Der Architekt I habe – namens des Klägers - arglistig über die Wohnfläche getäuscht. Er habe gewusst, dass der Anbau keine Baugenehmigung gehabt habe und deshalb eine nicht zutreffende Wohnfläche im Expose angegeben; das habe auch der Kläger jedenfalls nach Erhebung der Vollstreckungsgegenklage vor dem LG Hagen (Az.: 9 O 123/09) gewusst.
92Gerade der Verfahrensgang in der Sache LG Hagen, Az.: 9 O 123/09 habe die Mandanten dazu gebracht, auch in den Folgeprozessen weiter seine anwaltliche Vertretung zu erbitten, denn der Kläger habe sie im Verfahren LG Hagen, Az.:9 O 123/09 arglistig getäuscht : Es sei ein durch die Anwälte vermittelter Vergleich geschlossen worden, mit dem man sich auf eine Kaufpreisminderung von 30.000 € verständigt habe; man sei einig gewesen, dass die Immobilie maximal diesen Wert besitze . Ein Vergleich wäre vom Kläger sicher nicht angeboten worden, wenn die Klage unschlüssig gewesen wäre. Völlig überraschend sei der Kläger dann von den Absprachen im Termin am 16.11.2009 zurückgetreten und habe sich unter Hinweis darauf, er, der Beklagte habe zu hoch gepokert, nicht mehr vergleichen wollen. Durch dieses Verhalten seien die GbR und die Gesellschafter getäuscht worden.
93Im Übrigen gebe es keine Honorarvereinbarungen zwischen der GbR/den Gesellschaftern und ihm, dem Regressbeklagten; seine Mandanten hätten nur die gesetzlichen Gebühren zahlen müssen.
94Nachdem die Gesellschafter und die GbR alle Ansprüche an den Kläger abgetreten hätten, könne dieser auch keine Auskunft mehr von ihm, dem Beklagten, verlangen, weil er alle Auskünfte von den Gesellschaftern über getätigte Honorarzahlungen erhalten und den Anspruch beziffern könne. Der Auskunftsklage fehle das Rechtsschutzbedürfnis.
95Mit Schriftsatz vom 22.08.2011 hat der Beklagte Widerklage erhoben mit dem Antrag, den Kläger zu verurteilen, an ihn 11.325,88 € zu zahlen.
96Zur Begründung hat er ausgeführt : Der Kläger habe sich in unlauterer Art und Weise beratend an seine, des Beklagten Mandanten gewandt und den Rat erteilt, Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung gegen ihn, den Beklagten, geltend zu machen. Insbesondere im Termin vom 16.08.2011 im Verfahren vor dem Landgericht Hagen (Az.: 6 O 96/11) habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei den Vergleichsverhandlungen durchblicken lassen, dass er 75.000 € Schadensersatz für den Kläger haben wolle, wovon er, der Beklagte bzw seine Haftpflichtversicherung 50.000 € hätten zahlen sollen. Den Gesellschafter E habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers so auf seine Seite gezogen; letztlich sei es dann zur Mandatsniederlegung gekommen.
97Durch die unlauteren Machenschaften des Prozessbevollmächtigten des Klägers seien ihm, dem Beklagten, Honorare in wenigstens geltend gemachter Höhe entgangen. Dabei handele es sich um einen Teilbetrag, den die Kanzlei Y pp mit Rechnung vom 25.01.2010 von der X GbR gefordert habe und der inzwischen der Kanzlei auch rechtskräftig zuerkannt worden sei; ihm, dem Beklagten, stehe das Honorar in gleicher Höhe nach Austritt aus der Kanzlei erneut zu. Tatsächlich seien aber sogar Honorare in Höhe von mindestens 50.000 € entstanden und ihm aufgrund des Mandatsentzuges entgangen.
98Hilfsweise werde die Widerklageforderung auf zu seinen Gunsten entstandene Gebühren in den Verfahren 6 O 28/10 und 6 O 96/11 gestützt.
99Der Kläger ist der Widerklage entgegengetreten und hat sie – unter Darlegung im Einzelnen – für unbegründet, weil unschlüssig erachtet.
100Das Landgericht hat im ersten Termin am 12.09.2012 diverse Erklärungen der Anwälte protokolliert. Im Anschluss hat der Beklagte erklärt, er nehme die Widerklage zurück.
101Hinsichtlich der Anträge zu 1) – 3) hat er keinen Antrag gestellt und hinsichtlich der Anträge zu 4) – 12 Klageabweisung beantragt.
102Daraufhin hat das Landgericht bzgl. der Klageanträge zu 1) – 3) antragsgemäß ein Teilversäumnisurteil erlassen, mit dem der Beklagte zur Erteilung der begehrten Auskunft verurteilt wurde; im Übrigen hat es einen Auflagenbeschluss erlassen.
103Gegen das Teilversäumnisurteil vom 12.09.2012 hat der Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt, den er u.a. damit begründet hat, dass der Kläger auch ohne Auskunft den Anspruch auf Rückzahlung von Honorar beziffern könne ; der Kläger habe ausreichend Auskunft erhalten. Außerdem hat er zum Auflagenbeschluss Stellung genommen.
104Der Kläger hat unter Darlegung im Einzelnen beantragt, den Einspruch zurückzuweisen.
105Das Landgericht hat im zweiten Termin am 20.02.2013 Hinweise erteilt und im Anschluss folgende teilweise geänderte/zurückgenommene Anträge des Klägers protokolliert , nämlich :
106-
107
1. den Einspruch gegen das Teil-Versäumnisurteil der Kammer vom 12.09.2012 zurückzuweisen und es aufrecht zu erhalten
-
108
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 4.552 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
-
109
3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 7.005,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.03.2010 zu zahlen
-
110
4. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.428,06 € nebst Zinsen iHv 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.12.2009 zu zahlen und ihn zu verpflichten, die Beklagten B und E von Kostenforderungen für die Verfahrenskosten des Verfahrens 4 O 28/10 LG Wuppertal in Höhe von 4.068 € durch den Kläger freizustellen
-
111
5. .den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 8.708,70 € nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.09.2010 zu zahlen und ihn zu verurteilen, die Beklagten L und F von Kostenforderungen für die Verfahrenskosten des Verfahrens 6 O 28/10 LG Hagen in Höhe von 4.068 € freizustellen
-
112
6. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 10.788,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.527,70 € ab dem 2.12.11 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.714,03 ab dem 12.04.2011 zu zahlen
-
113
7. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.816,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.06.2011 zu zahlen
-
114
8. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 81,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.11.2010 zu zahlen
-
115
9. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 7.322, 54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
-
116
10. festzustellen, dass der Beklagte als weiteren Schadensersatz den Betrag schulde, den die X GbR (…) für die Leistungen des RA K im Zusammenhang mit seinem Tätigwerden in dem Verfahren 4 O 28/10 , 6 O 28/1, 6 O 96/11, 5 O 0/11 und 4 O 71/11 noch abrechnen und fällig stellen werde.
Einen Vergleichsvorschlag des Klägers über Zahlung von 55.000 € hat der Beklagte, der Klageabweisung und Aufhebung des Teilversäumnisurteils beantragt hat, nicht angenommen.
118In dem anberaumten Verkündungstermin vom 13.03.2013 hat das Landgericht das Teilversäumnisurteil vom 12.09.2012 aufrecht erhalten, den Beklagten zur Zahlung von 47.448,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage (= 29.03.2011) verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
119Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt :
120-
121
1.
Das Versäumnisurteil vom 12.09.12 sei aufrecht zu erhalten. Dem Kläger stünden die titulierten Auskunftsansprüche aus abgetretenem Recht der X GbR gemäß §§ 675, 666, 398 BGB zu. Zwar solle grundsätzlich ein Mandant selber überblicken, welches Honorar er gezahlt habe. Hier sei der Mandant aber eine BGB-Gesellschaft, deren Gesellschafter im Streit miteinander stünden, so dass nicht unterstellt werden könne, dass allen das Handeln der anderen bekannt gewesen sei. Der Beklagte könne auch unschwer Auskunft erteilen. Der Auskunftsanspruch sei auch nicht erfüllt. Der Beklagte habe nur erklärt, es sei keine Honorarvereinbarung getroffen worden; was aber in Bezug auf welches Verfahren gezahlt worden sei, habe er nicht offenbart.
123-
124
2.
Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung von 4.552 € aus § 280, § 398 BGB gegen den Beklagten zu wegen anwaltlichen Fehlverhaltens im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage LG Hagen, Az.: 9 O 123/09. Die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage sei von vorne herein aussichtslos gewesen. Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Kaufpreisminderung seien nicht schlüssig dargelegt worden. Der Einwand, es habe keine wirksame Vollstreckungsklausel vorgelegen, hätte statthaft nur mit der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend gemacht werden können. Der Anwendungsbereich einer prozessualen Gestaltungsklage nach § 767 ZPO analog sei nicht eröffnet gewesen
126Auch die Einlegung der Berufung gegen das landgerichtliche Urteil sei pflichtwidrig gewesen, weil auch diese von Anfang an keine Erfolgsaussicht gehabt habe.In der Rechtsfolge habe der Beklagte die der X GbR unstreitig entstandenen Gerichtskosten zu erstatten.
127-
128
3.
Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung von 7.005,65 € aus § 280 BGB zu, den mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.6.2010 festgesetzten Kosten für die Tätigkeit der Klägervertreter im Verfahren LG Hagen, Az.: 9 O 123/09
130Nur der Zinsantrag sei dahin zu korrigieren, dass lediglich Rechtshängigkeitszinsen geschuldet seien; der Umstand, dass die X GbR und die Gesellschafter ihren Zahlungspflichten aus dem KFB nicht rechtzeitig nachgekommen seien, habe der Beklagte nicht zu verantworten.
131-
132
4.
a) Der Klageantrag zu 4) habe nur hinsichtlich des Zahlungsanspruchs Erfolg; dem Kläger stehe gegen den Beklagten in Bezug auf das Verfahren LG Wuppertal, Az.:
1344 O 28/10 ein Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht in Höhe von 5.428,06 € - dabei handele es sich um die gegnerischen Kosten - zu. Dem Beklagten sei vorzuwerfen, dass er trotz rechtlich aussichtsloser Situation nicht dringend geraten habe, dass seine Mandanten den Anspruch anerkannten, sondern es auf eine Klage habe ankommen lassen und sogar deren Abweisung beantragt habe. Verzugszinsen könne der Kläger aber nur in gesetzlicher Höhe ab Rechtshängigkeit verlangen.
135b) Der zugleich geltend gemachte Freistellungsanspruch hinsichtlich der den Gesellschaftern B und E entstandenen Verfahrenskosten von 4.068 € stehe dem Kläger nicht zu. Ob der Anspruch grundsätzlich entstanden sei, sei unerheblich; jedenfalls habe er nicht wirksam an den Kläger nach § 399 Alt. 1 BGB abgetreten werden können, da die Abtretung zu einer Inhaltsänderung führe – der Freistellungsanspruch wandele sich bei Abtretung nämlich in einen Zahlungsanspruch um.
136-
137
5.
Der zulässige Antrag zu 5.) sei nur hinsichtlich des Schadensersatzanspruches in Höhe von 8.708,70 € (gegen die Gesellschafter im Verfahren LG Hagen, Az.: 6 O 28/10 festgesetzte Kosten) begründet; hinsichtlich der anwaltlichen Pflichtverletzung gälten die Ausführungen zu Ziffer 4.). Der Zinsanspruch und der Freistellungsanspruch seien hingegen nicht bzw nur teilweise (Zinsen in gesetzlicher Höhe) begründet.
139-
140
6.
Der zulässige Antrag zu 6.) sei insgesamt begründet; dem Kläger stehe aus abgetretenem Recht wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung im Verfahren LG Hagen, Az.: 6 O 96/11 gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der eingeklagten 10.788,40 € (Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.12.2011 und Versäumnisurteil vom 16.08.2011) zu. Der Beklagte habe pflichtwidrig die ihm von seinen Mandanten überreichte Löschungsbewilligung nicht zeitnah weitergereicht und so die Klageerhebung provoziert. Zudem habe er eine streitwert- und kostenerhöhende unschlüssige Widerklage erhoben. Ein Zinsanspruch stehe dem Kläger allerdings nur in gesetzlicher Höhe ab Rechtshängigkeit zu.
142-
143
7.
Der zulässige Antrag zu 7.) sei begründet. Der Beklagte habe pflichtwidrig im Verfahren LG Wuppertal, Az.: 5 O 80/11 kein sofortiges Anerkenntnis im Prozess abgegeben, obwohl ein Klageabweisungsantrag ersichtlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt hab. Die Kosten des Verfahrens in Höhe von 3.816,58 €, die bei einem sofortigen Anerkenntnis vom Kläger zu tragen gewesen wären, der die Mandanten des Beklagten nicht vorprozessual zur Zahlung des Differenzschadens aufgefordert hatte, habe nun der Beklagte als kausalen Schaden zu tragen. Verzugszinsen stünden dem Kläger allerdings nur in gesetzlicher Höhe ab Rechtshängigkeit zu, ein früherer Verzugsbeginn sei nicht dargetan.
145-
146
8.
Der zulässige Antrag zu 8.) sei unbegründet. Zwar hafte der Beklagte auch in Bezug auf das Verfahren LG Wuppertal, Az.: 4 O 71/11 aus denselben Erwägungen wie zu Ziffer 7) dem Grunde nach. Der behauptete Schaden in Höhe von 81,75 € sei aber nicht schlüssig dargetan.
148-
149
9.
Der zulässige Antrag zu 9.) sei nur teilweise begründet. Der Kläger könne von dem Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.149,04 € aus abgetretenem Recht für das vereinnahmte Honorar verlangen. Dabei könne offenbleiben, wofür konkret der Beklagte das Honorar vereinnahmt habe, weil er in allen Verfahren seine Mandanten pflichtwidrig beraten habe. Der Beklagte habe unstreitig 9.863,07 € vereinnahmt. Weil seine Mandanten jedenfalls auch bei pflichtgemäßem Verhalten eine Geschäftsgebühr geschuldet hätten, die der Kläger auf 2.714,03 € berechnet habe, sei diese vom an den Beklagten erlangten Honorar abzuziehen.Ein Erstattungsanspruch in Höhe weiterer 173,50 € sei nicht schlüssig dargetan, warum dieser Betrag gezahlt worden sei, sei nicht dargetan.Die Verzugszinsen seien in gesetzlicher Höhe aus 286,288 BGB geschuldet.
151-
152
10.
Der Freistellungsantrag zu 10.) sei unbegründet. Dabei könne dahinstehen, ob dem Kläger ein Feststellungsinteresse zustehe; jedenfalls könne der Freistellungsanspruch nicht wirksam abgetreten werden.
154Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Entscheidungsgründe wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
155Gegen das Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen.
156Der Beklagte macht ergänzend geltend :
157Zu 1.:
158Die titulierten Auskunftsansprüche bestünden nicht. Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch sei, dass der Auskunftsbegehrende über die Zahlungen an seinen Anwalt im Unklaren sei. Daran fehle es hier. Er, der Beklagte, habe hingegen wegen des gestörten Verhältnisses zu den früheren Sozien keinen Überblick gehabt.
159Überdies sei die isolierte Abtretung eines Auskunftsanspruches unwirksam. Die zuvor erfolgten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse hätten ein Verfügungsverbot nach sich gezogen, welches nach § 135 BGB absolut wirke und die Abtretung unmöglich gemacht habe.
160Zu 2.:
161Der Antrag zu 2) beruhe auch auf abgetretenem Recht und unterliege dem gleichen Einwand. Weder dem Kläger noch den Zedenten habe ein derartiger Anspruch zugestanden. Ein pflichtwidriges Anwaltsverhalten im Zusammenhang mit der Erhebung der Vollstreckungsgegenklage vor dem LG Hagen, Az.: 9 O 123/09, sei auf seiner Seite nicht zu verorten. Erhabe sich zu Recht gegen den Grund des Anspruchs gewandt, indem er erklärt habe, der Architekt I habe arglistig hinsichtlich der Wohnfläche getäuscht. Indem er, der Beklagte, vorgetragen habe, die Beamten des Bauamtes könnten bezeugen, dass I schon im Vorfeld des Vertrages Kenntnis von der Baurechtswidrigkeit eines Gebäudeteile gehabt habe, habe er schlüssigen Vortrag gehalten; auf einen erforderlichen Hinweis des Gerichts wäre auch Beweis durch Benennung der Bauamtsmitarbeiter angetreten worden.
162Zudem habe er behauptet, er habe seine Mandanten umfassend belehrt; das sei keineswegs zu pauschal.
163Auch die Einlegung der Berufung sei nicht pflichtwidrig gewesen; er, der Beklagte, sei sehr wohl zu schlüssigem Vortrag in der Lage gewesen, es hätte nur eines gerichtlichen Hinweises bedurft.
164Zuletzt treffe ihn auch kein Verschulden, weil er auf Weisung seiner Mandantschaft gehandelt habe.
165Zu 3.:
166Die Kosten aus dem Verfahren LG Hagen, Az.: 9 O 123/09 fielen aus vorgenannten Gründen nicht ihm, dem Beklagten, zur Last, weil er im wohlverstandenen Interesse seiner Mandanten gehandelt habe.
167Zu 4.:
168Auch hinsichtlich des Antrages zu 4) richte sich sein, des Beklagten, Einwand dagegen, dass die Abtretung unwirksam sei. Im Übrigen habe er die Gesellschafter über § 128 HGB analog belehrt. Er sei aber der Meinung gewesen, dass der Kläger mit der notariellen Urkunde schon einen Titel in der Hand gehalten habe und deshalb der Urkundsprozess unzulässig gewesen sei. Im Übrigen sei der Sachvortrag nicht unschlüssig gewesen, allenfalls sei die Unschlüssigkeit Folge eines unterbliebenen gerichtlichen Hinweises gewesen. Es könne keine Rede davon sein, dass die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht vorgelegen hätten. Im Gegenteil : Die Gegenseite habe sich selber in die Rolle des Unterlegenen begeben und den Kaufpreis um 30.000 € gemindert.
169Zu 5.:
170Hinsichtlich des Antrages zu 5.) gelte Vorgesagtes entsprechend.
171Zu 6.:
172Hinsichtlich des Antrags zu 6) sei darauf zu verweisen, dass ihm im Zusammenhang mit dem Verfahren LG Hagen, Az.: 6 O 96/11 keine anwaltliche Pflichtverletzung anzulasten sei. Man habe sich in Vergleichsverhandlungen befunden; er, der Beklagte, habe keinen Zweifel daran gelassen, dass er die Löschungsbewilligung übergeben werde. Die damalige Klage sei willkürlich gewesen. Die Widerklage sei unter dem Aspekt der Arglist der Gegenseite durchaus berechtigt gewesen.
173Zu 7.:
174Hinsichtlich des Antrags zu 7) fehle es an einem anwaltlichen Fehlverhalten bzw an einem Anwaltsverschulden. Für die Gesellschafter der X GbR sei ein sofortiges Anerkenntnis nicht in Frage gekommen. Sie seien betrogen worden und hätten nun für den Differenzschaden haften sollen, was sie nicht gewollt hätten. Einen negativen Prozessausgang hätten sie in Kauf genommen.
175Zu 8.:
176Hinsichtlich des Antrages zu 8) gelte Entsprechendes.
177zu 9.:
178Hinsichtlich des Antrages zu 9.) gehe das Landgericht von falschen Voraussetzungen aus. Er, der Beklagte, habe nicht in sämtlichen Verfahren falsch beraten. Vielmehr hätten die Mandanten auf der Durchführung der Verfahren bestanden. Ihnen bzw jetzt dem Kläger stehe daher kein Anspruch auf Rückzahlung von Honorar zu.
179Zu 10.:
180Die Ausführungen des Landgerichts zum Klageantrag Ziffer 10) seien zutreffend.
181Der Beklagte beantragt,
182das angefochtene Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen
183sowie
184die Berufung des Klägers zurück- und die weitergehende Klage abzuweisen.
185Der Kläger beantragt,
186-
187
1. das angefochtene Urteil des Landgerichts abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere 10.787,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
-
188
2. den mit Versäumnisurteil vom 12.09.2012 ausgeurteilten Auskunftsanspruch für erledigt zu erklären
sowie
190die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
191Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts, soweit der Beklagte zur Zahlung verurteilt worden ist; hinsichtlich des titulierten Antrags zu 6) (= Zahlung von 10.788,40 €) hat er den versehentlich in erster Instanz nicht geforderten, sich aber aus den eingereichten Unterlagen ergebenden Mehrbetrag von 453,33 € (LGU Seite 25) klageerweiternd im Termin vom 04.09.2014 geltend gemacht.
192Im Übrigen hat er den titulierten Auskunftsanspruch für erledigt erklärt und greift die mit dem Urteil erfolgte (teilweise) Abweisung der Klageanträge zu 4) und 5) und zu 8) mit eigener Berufung an. Insoweit macht er ergänzend und unter gleichzeitiger Erweiterung der Klage geltend:
193Das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft keinen Hinweis erteilt, dass es der Auffassung sei, aus abgetretenem Recht könne die mit den Anträgen zu 4) und 5) begehrte Freistellung nicht verlangt werden. Deshalb sei es zu den fehlerhaften Freistellungsanträgen im Rahmen der Klageanträge zu 4) und 5) gekommen.
194Insoweit werde die Klage umgestellt und teilweise – gerichtet auf Zahlung - neu gefasst.
195Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht auch nicht darauf hingewiesen, dass es den Klageantrag zu 8) nicht für schlüssig halte; insoweit sei deshalb ergänzender Vortrag zu gestatten.
196Zum Klageantrag zu 4) :
197Der bisherige Klageantrag zu 4) beruhe auf der Annahme, dass im Verfahren LG Wuppertal, Az.: 4 O 28/10 Kosten in Höhe von 5.428,06 € gegen die Gesellschafter festzusetzen gewesen wären. Tatsächlich liege nunmehr unstreitig der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.10.2010 vor, wonach insgesamt 9.265,33 € festgesetzt worden seien und der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.04.2012, wonach weitere 3.006,80 € festgesetzt worden seien. Dass der Beklagte zur Erstattung der in jenem Verfahren gegen seine Mandanten festgesetzten Kosten verpflichtet sei, habe das Landgericht dem Grunde nach zutreffend festgestellt. Lediglich der Höhe nach bedürfe das Urteil der Korrektur von ursprünglich 5.428,06 € zzgl. des ursprünglich im Freistellungsantrag berücksichtigten Betrages von 4.068 € (Gerichtskosten) und zuzüglich der noch nicht geltend gemachten Differenz von 2.776,07 € (insgesamt: 12.272,13 €). Die Klageerweiterung in zweiter Instanz sei sachdienlich und zulässig.
198Zum Klageantrag zu 5) :
199Der bisherige Klageantrag zu 5) beruhe auf dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hagen zum Aktenzeichen 6 O 28/10 in Höhe von 8.708,70 €. Darin seien die Gerichtskosten von 4.608 € enthalten gewesen, was versehentlich bei Stellung des Freistellungsantrages zu 5) übersehen worden sei.
200Ergänzend werde nunmehr noch der später mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01.03.2012 festgesetzte Betrag von 273,20 € geltend gemacht .
201Zum Klageantrag zu 8):
202Der bisherige Klageantrag zu 8) werde um die zwischenzeitlich mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hagen vom 08.11.2012 zum Az.: 4 O 71/11 festgesetzte Kosten in Höhe von 3.216,67 € erweitert. Die Erweiterung sei sachdienlich und zulässig.
203Soweit das Landgericht gemeint habe, der Zahlbetrag von 81,75 € sei nicht schlüssig dargelegt, habe es hierauf verfahrensfehlerhaft nicht hingewiesen.
204Zum bisherigen Auskunftsanspruch :
205Dieser sei erledigt, nachdem der jetzige Bevollmächtigte des Beklagten in der Besprechung vom 12.06.2013 die klägerseits behaupteten Honorarzahlungen bestätigt habe. Der Auskunftsanspruch sei ursprünglich zulässig und begründet gewesen, insbesondere sei die erklärte Abtretung wirksam. Soweit der Beklagte erstmals in zweiter Instanz Einwände gegen die Begründetheit des Anspruchs vorbringe, sei das neu und nicht zuzulassen.
206Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
207Der Senat hat die Akten LG Hagen 9 0 123/09 = OLG Hamm 22 U 5/10, LG Hagen, 6 0 28/10, LG Hagen, 6 0 96/11, LG Hagen 4 0 71/11, LG Wuppertal 4 0 28/10, LG Wuppertal 5 0 80/11 sowie 28 U 73/14 OLG Hamm zu Informationszwecken beigezogen.
208Er hat den Beklagten im Termin am 04.09.2014 angehört und mit Beschluss vom 09.09.2014 -auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird- seine vorläufige rechtliche Bewertung mitgeteilt sowie Hinweise erteilt.
209Im Anschluss haben die Parteien ergänzend Stellung genommen; auf den Inhalt der Schriftsätze wird Bezug genommen.
210B.
211I.
212Die form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Rechtsmittel der Parteien sind zulässig.
213Die insoweit allein bestehenden Bedenken hinsichtlich der Geschäfts- und Prozessfähigkeit des –anwaltlich vertretenen und deshalb postulationsfähigen- Beklagten, die sich angesichts schwebender Verfahren betreffend seine Zulassung zum Anwaltsberuf und aus dem Inhalt der zu Informationszwecken beigezogenen Verfahrensakte 28 U 73/14 ergeben haben, erachtet der Senat in Anbetracht des persönlichen Eindrucks, der von dem Beklagten in den Verhandlungsterminen am 04.09.2014 sowie am 09.07.2015 gewonnen werden konnte sowie in Ansehung des zur Akte gelangten Kurzgutachtens des G vom 17.06.2014, mit dem festgestellt wurde, dass keine Hinweise auf eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, auf eine geistige oder seelische Behinderung oder eine psychische Krankheit beim Beklagten gegeben sind, als nicht durchgreifend.
214II.
215In der Sache hat die Berufung des Beklagten keinen Erfolg.
216Auf die Berufung des Klägers und die von ihm erklärte Klageerweiterung ist das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern.
217Der Kläger hat gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht gemäß den §§ 280, 675, 611 i.V.m. § 398 BGB einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 58.235,70 €.
218Außerdem stand dem Kläger bei Erhebung der Klage der mit den ursprünglichen Klageanträgen zu 1) – 3) geltend gemachte Auskunftsanspruch zu, dessen Erledigung in Folge der nachträglichen Auskunftserteilung durch den Beklagten entsprechend dem Antrag des Klägers festzustellen war.
219Im Einzelnen:
220II.I.
221Dass zwischen dem Beklagten und der X GbR bzw ihren Gesellschaftern spätestens Anfang 2009 ein Anwaltsvertrag begründet worden ist, ausweislich dessen der Beklagte beauftragt war, die Interessen der GbR bzw ihrer Gesellschafter im Zusammenhang mit dem Komplex „Immobilie ### in M“ außerprozessual sowie prozessual wahrzunehmen, steht zwischen den Parteien des Regressverfahrens nicht in Streit.
222II.II.
223Der Beklagte hat die ihm im Rahmen der Interessenwahrnehmung für seine Mandanten obliegenden anwaltlichen Pflichten in mehrfacher Hinsicht verletzt. Darauf hat der Senat mit Beschluss vom 09.09.2014 hingewiesen; der Beklagte hat nachfolgend keinen Vortrag mehr gehalten, der Anlass zu einer abweichenden Bewertung hätte bieten können.
2241.1. Vollstreckungsgegenklage LG Hagen, Az.: 9 O 123/09, 1. Instanz
225Der Beklagte hat vor dem LG Hagen eine von Anfang an aussichtslose, weil den verfolgten Anspruch nicht schlüssig begründende sowie unsubstantiierten und nicht in tauglicher Weise unter Beweis gestellten Sachvortrag enthaltende Klage erhoben.
226a)
227Der Rechtsanwalt, der seinen Mandanten gerichtlich vertreten soll, hat vor Erhebung einer Klage oder Einlegung eines Rechtsmittels die Aussichten des Prozesses oder des ins Auge gefassten Rechtsmittels zu prüfen, wobei er sich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren hat ( vgl. BGH in NJW 2001,675 f; Fahrendorf: Anwaltshaftung, 8. Auflage, Rn. 512). Er hat den Mandanten entsprechend der allgemeinen Grundsätze umfassend und erschöpfend über die Notwendigkeit der Klage und ihre Erfolgsaussichten zu belehren und ihm den sichersten Weg zur Realisierung seiner Interessen vorzuschlagen. Über mögliche Risiken hat er den Mandanten aufzuklären, damit dieser eigenverantwortlich eine sachgerechte Entscheidung über Art und Weise der gerichtlichen Rechtsverfolgung treffen kann (Zugehör/G. Fischer/ Vill/ D. Fischer/ Rinkler/ Chab : Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Auflage, Rn.698 (Vill)).
228Ergibt die – zutreffende – Prüfung des Anwalts, dass die beabsichtigte Klage bzw das beabsichtigte Rechtsmittel nahezu sicher oder jedenfalls mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aussichtslos ist, darf der Anwalt das nicht verschweigen, er muss es vielmehr von sich aus hinreichend deutlich offenbaren (BGH in NJW 1988, 2113 m.w.N.) und die Aussichtslosigkeit klar herausstellen (BGH in NJW 2012, 2435 m.w.N.). Will der Mandant gleichwohl Klage erheben, obwohl er eindringlich über den naheliegenden Prozessverlust belehrt wurde, dann darf der Anwalt klagen, ohne pflichtwidrig zu handeln (Zugehör, a.a.O., Rn.702 (Vill)).
229b)Unter Anwendung dieses Maßstabs durfte der Beklagte die Vollstreckungsgegenklage nicht erheben; ihr fehlte jede Erfolgsaussicht.
230aa)Im Streitfall lagen dem Beklagten nach Aktenlage bei Übernahme des Mandats der Grundstückskaufvertrag nebst vollstreckbarer Ausfertigung und das Exposé des Maklers/Architekten I vor, er wusste, dass dem Gesellschafter F die vollstreckbare Ausfertigung zum Zwecke der Vollstreckung zugestellt worden war. Mitgeteilt worden war dem Beklagten nach Aktenlage auch, dass der Anbau am hinteren Ende des Grundstückes baurechtlich nicht genehmigt und genehmigungsfähig war und dass deshalb die Angaben im Exposé – was im Regressverfahren unstreitig ist - nicht zutrafen.
231Informiert worden war der Beklagte nach Aktenlage außerdem darüber, dass das Interesse seiner Mandanten ursprünglich nicht auf eine Rückabwicklung des Kaufvertrages, sondern nur auf eine Minderung des Kaufpreises gerichtet war.
232Auf der Basis dieser Informationen hatte der Beklagte bei rechtlicher Prüfung zu erkennen, dass die vom Kläger betriebene Vollstreckung aus der Kaufvertragsurkunde gegen die Gesellschafter persönlich mangels Bestimmtheit der Urkunde in Bezug auf die sich der Zwangsvollstreckung unterwerfende Person des Verpflichteten nicht zulässig war: Schuldnerin laut Kaufvertrag vom 16.08.2008 war (nur) die X GbR und nicht auch deren Gesellschafter; die Formulierung im Kaufvertrag war insoweit allerdings nicht eindeutig gefasst, wies sie doch die Gesellschafter auch persönlich aus. Deshalb durfte – was zwischen den Regressparteien nicht (mehr) in Streit steht – aus der Urkunde nicht unmittelbar gegen die Gesellschafter, sondern nur gegen die X GbR vollstreckt werden.
233Der Beklagte hat diese rechtliche Problematik gesehen und zutreffend gewürdigt. Er hat aber anschließend den falschen Weg gewählt, um gegen die Vollstreckung des Klägers vorzugehen. Denn die Rüge einer unklaren Vollstreckungsklausel konnte – weil von ihr das vom Vollstreckungsorgan zu beachtende Verfahren betroffen ist - nur mit dem Rechtsbehelf der Erinnerung (§ 766 ZPO) mit Erfolg geltend gemacht werden, nicht aber mit der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO. Für diese wie für eine allgemeine Feststellungsklage fehlte deshalb ein rechtlich schützenswertes Interesse, sie war – wie schon das Landgericht Hagen im Urteil vom 30.11.2009 (9 O 123/09) festgestellt hat - unzulässig.
234Im Übrigen hatte die intendierte Vollstreckungsgegenklage auch in der Sache jedenfalls mit dem Einwand, der Kaufpreisforderung stehe ein Anspruch auf Minderung entgegen, entgegen der vom Beklagten in seiner Berufungsbegründung geäußerten Auffassung keine Aussicht auf Erfolg. Denn selbst wenn in der negativen Abweichung zwischen der tatsächlich nutzbaren Wohnfläche zu der im Exposé angegebenen Wohnfläche ein Sachmangel der Immobilie im Sinne von § 434 BGB zu sehenwäre, war im Kaufvertrag vom 18.06.2008 ein umfassender Gewährleistungsausschluss vereinbart worden. Auf diesen hätte sich der Kläger nur dann nicht berufen können, wenn auf seiner Seite eine Garantieübernahme vorgelegen hätte– was nicht der Fall war – oder /und ein arglistiges Verhalten des Klägers bzw ein ihm zurechenbares arglistiges Verhalten des Architekten I festzustellen gewesen wäre, § 444 BGB. Umstände, die eine Kenntnis des Klägers vom Mangel begründen konnten, konnte der Beklagte ersichtlich nicht vortragen; er selber ging im Vorprozess vor dem Landgericht Hagen (Az.: 9 0 123/09) in der Klageschrift davon aus, der Kläger sei selber getäuscht worden.
235Umstände, die eine arglistige Täuschung durch den Makler/Architekten I begründen konnten, hat der Beklagte im Verfahren vor dem LG Hagen (Az.: 9 0 123/09) nicht substantiiert vorgetragen. Insbesondere dazu, dass und woher der Architekt von der Baurechtswidrigkeit gewusst haben soll und dass und warum der Kläger sich eine etwaige Kenntnis des Architekten, der von der X GbR bezahlt wurde, zurechnen lassen musste, wurde vom Beklagten nicht mit Substanz vorgetragen und auch nicht in tauglicher Weise unter Beweis gestellt. Das ist vom 22. Senat des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 22.02.2010 ( 22 U 5/10), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, nachvollziehbar ausgeführt worden; der Senat schließt sich der dort niedergelegten Auffassung aufgrund eigener Prüfung an.
236Soweit der Beklagte in seiner Berufungsbegründung hervorhebt, er habe „seinerzeit deutlich erklärt, dass die Herren des Bauamtes die Kenntnis des Architekten bezeugt hatten“, fehlt es an einem konkreten Vortrag dazu, wann der Beklagte das im Rahmen des Verfahren 9 0 123/09 LG Hagen vorgetragen haben soll; aus den Gerichtsakten geht der Vortrag so nicht hervor. Deshalb war das Landgericht im Vorverfahren auch nicht gehalten, die namentliche Nennung der angeblichen Zeugen zu erfragen; ein Verstoß gegen § 139 ZPO liegt nicht vor – er würde im Übrigen auch nichts an der Pflichtverletzung des Beklagten ändern.
237Soweit der Beklagte wiederholt darauf verwiesen hat, der Kläger habe in jenem Verfahren doch einen Vergleich angeboten und damit inzident zugegeben, dass das Minderungsbegehren der X GbR schlüssig vorgetragen sei, verhilft das seinem Vorbringen nicht zum Erfolg. Denn dass - wie der Kläger aufgezeigt hat - das Vergleichsangebot nur abgegeben wurde, um das Verfahren zeit- und kostensparend zu erledigen, kann nicht ausgeschlossen werden. Im Übrigen ist die Rechtsauffassung der im Prozess die Gegenseite vertretenden Anwälte nicht entscheidend dafür, ob das Vorbringen einer Partei schlüssig bzw erheblich ist oder nicht.
238bb)Ob dem Beklagten daneben auch insoweit eine Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden kann, als er seinen Mandanten nicht dazu geraten hat, wenigstens den unstreitigen Teil der Kaufpreisforderung des Klägers möglichst zeitnah zu zahlen, um so die Immobilie erst einmal zu sichern, lässt der Senat ebenso offen wie die Frage, ob der Beklagte es pflichtwidrig unterlassen hat, das Vergleichsangebot des Klägers innerhalb der ihm hierfür gewährten Stellungnahmefrist anzunehmen.
239Eine abschließende Klärung dessen bedarf es angesichts der unter lit. aa) festgestellten Pflichtwidrigkeit nicht.
240cc)Soweit der Beklagte sich offenbar darauf berufen will, er habe alle Schriftsätze mit den Mandanten besprochen, diese seien umfassend belehrt worden und hätten sich gleichwohl für die aus den Akten ersichtliche Vorgehensweise entschieden, entkräftet das den Vorwurf anwaltlicher Pflichtverletzung nicht. Wie unter lit. a) dargestellt hätte der Beklagte seine Mandanten konkret auf die Risiken der Erhebung der aussichtslosen Klage hinweisen müssen; dass er das getan hat, hat er nicht – jedenfalls nicht substantiiert – im Rahmen der ihm insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast für eine korrekte Beratung (BGH in NJW 2011, 2889; Zugehör, a.a.O., Rn. 1066 (G, Fischer)) – vorgetragen.
2411.2. Vollstreckungsklage LG Hagen (Az.: 9 0 123/09), 2. Instanz
242Angesichts der fehlenden Erfolgsaussichten für die Vollstreckungsgegenklage war auch die Einlegung der Berufung pflichtwidrig; dass der Beklagte für seine Mandanten in zweiter Instanz alle Klageanträge einseitig für erledigt erklärt hat, änderte an der fehlenden Erfolgsaussicht nichts.
243Die Feststellung, dass die ursprünglich erhobene Klage mit ihrem Haupt- und den Hilfsanträgen zulässig und begründet gewesen, aber durch ein nachträgliches Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist, war vom 22. Senat bei dieser Sachlage nicht zu treffen. Das ist in dessen Hinweis vom 22.02.2010 ausführlich dargestellt worden; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Hinweises, dem sich der Senat anschließt, verwiesen.
244-
245
2. Rechtsverteidigung in den Verfahren LG Wuppertal, Az.: 4 0 28/10 und LG
Hagen, Az.: 6 0 28/10
247Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, seine Mandanten dahin zu beraten, dass eine streitige Prozessführung keine Aussicht auf Erfolg bieten würde.
248a)Der vom Beklagten für seine Mandanten im Vorprozess erhobene Einwand, die Zahlungsklagen seien im Urkundenverfahren unstatthaft, war unabhängig davon, dass er ohnehin allenfalls eine Überleitung ins streitige Verfahren zur Folge gehabt hätte, nicht geeignet, die Klagen zu Fall zu bringen.
249Aus der notariellen Kaufvertragsurkunde ergab sich die Verpflichtung der X GbR zur Kaufpreiszahlung; die Haftung der Gesellschafter folgt dann aus dem Gesetz, § 128 HGB analog. Dass die Kaufvertragsurkunde allein als Vollstreckungstitel gegen die Gesellschafter nicht ausreichte, war vom Beklagten im Verfahren LG Hagen, Az.: 9 0 123/09 selber vertreten worden; es bedurfte also eines vollstreckbaren Zahlungstitels gegen die Gesellschafter, den der Kläger in den Verfahren 4 0 28/10 und 6 0 28/10 schaffen wollte.
250b)Auch die weiteren, vom Beklagten in den Vorprozessen erhobenen Einwände waren nicht geeignet, der Rechtsverteidigung zu Erfolg zu verhelfen.
251Die Umstände, die der Beklagte schon im Verfahren LG Hagen, Az.: 9 0 123/09 zur Begründung des angeblichen Rechts auf Kaufpreisminderung vorgetragen hatte und die er auch in den Verfahren vor dem LG Wuppertal (Az.: 40 28/10) und LG Hagen (6 0 28/10) zum Gegenstand seines Vortrags machte, waren – wie oben dargestellt – nicht ausreichend substantiiert. Spätestens nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils im Verfahren LG Hagen, Az.: 9 0 123/09 wusste der Beklagte um die Defizite seiner Argumentation; nachgebessert hat er seinen Vortrag in den Verfahren 4 0 28/10 und 6 0 28/10 allerdings nicht. Die vom Beklagten erklärte Anfechtung des Kaufvertrages bei hilfsweiser Aufrechterhaltung der Minderungsansprüche, die wie die Minderung auf die angeblich arglistige Täuschung durch den Architekten I gestützt wurde, wurde auch im neuen rechtlichen Kontext nicht substantiiert und führte nicht dazu, dass die Rechtsverteidigung des Beklagten als erheblich hätte angesehen werden können.
252Auch die von dem Beklagten erklärte (hilfsweise) Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen seiner Mandanten aus § 826 BGB – die möglicherweise darauf gestützt werden sollte, dass der Prozess trotz dem Kläger bekannter Mittellosigkeit der Gesellschafter geführt worden sei oder auch darauf, dass der Kläger sich im Verfahren vor dem LG Hagen (Az.: 9 0 123/09) geweigert hatte, den ursprünglich ins Auge gefassten Vergleich abzuschließen-, bot keine Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung: Der Kläger benötigte einen vollstreckbaren Titel gegen die Gesellschafter, weil die Kaufvertragsurkunde hierfür keine ausreichende Grundlage bot. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Erhebung der Zahlungsklagen als notwendiges Mittel zur Wahrnehmung der Interessen des Klägers dar; das Vorbringen des Beklagten bot keine Anhaltspunkte, aus denen sich auf eine Sittenwidrigkeit des Vorgehens auf Klägerseite schließen ließe. Soweit der Beklagte meint, der Kläger habe den Kaufpreis später um 30.000 € gemindert und sich in „die Rolle des Unterlegenen begeben“ (Bl. 724 GA), ist sein Vortrag unverständlich: Mit der X GbR wurde kein Kaufvertrag zu einem geminderten Kaufpreis geschlossen. Mit dem späteren Käufer wurde zwar ein Kaufpreis von 142.000 € vereinbart, wobei offen geblieben ist, wie es dazu gekommen ist. Aus diesem Umstand kann aber nicht auf eine Sittenwidrigkeit der vom Kläger erhobenen Zahlungsklagen geschlossen werden, zumal diese erhoben wurden, als die Immobilie noch nicht an den zweiten Erwerber veräußert worden war.
253Auch der vom Beklagten für seine Mandanten erklärte und auf „alle in Frage kommenden gesetzlichen Bestimmungen“ gestützte Rücktritt vom Kaufvertrag konnte der Rechtsverteidigung nicht zum Erfolg verhelfen, denn er wurde nach Aktenlage darauf gestützt, dass der Kläger nicht zu einem geringeren Kaufpreis (erneut) mit der X GbR kontrahierte. Aus welchem Rechtsgrund hierzu eine Verpflichtung des Klägers bestanden haben solle, hat der Beklagte nicht beantwortet.
254Im Ergebnis waren sämtliche Argumente, mit denen der Beklagte die Klageabweisungsanträge in den Vorverfahren begründet hatte, nicht geeignet, der Rechtsverteidigung zum Erfolg zu verhelfen. Dass der Beklagte seine Mandanten auf dieses Risiko im Vorfeld pflichtgemäß hingewiesen hätte, hat er mit Substanz nicht vorgetragen. Das geht zu seinen Lasten.
255-
256
3. Rechtsverteidigung im Verfahren LG Hagen, Az.: 9 0 96/11; Erhebung der Widerklage
Der Beklagte handelte auch pflichtwidrig, indem er nicht dafür Sorge trug, dass seine Mandanten rechtzeitig die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung erklärten, sondern es insoweit auf ein weiteres Klageverfahren ankommen ließ. Dass nach Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag durch den Kläger die Auflassungsvormerkung, die zugunsten der X GbR eingetragen worden war, zu löschen war, steht außer Frage. Hierzu forderte der Kläger die GbR mit Schreiben vom 02.03.2011 unter Fristsetzung zum 12.03.2011 auf. Der Beklagte musste seine Mandanten angesichts der eindeutigen Rechtslage dahin beraten, dass die Löschungsbewilligung zur Vermeidung einer Klageerhebung unverzüglich abzugeben war. Dass diese Beratung pflichtgemäß erfolgt ist, ist von ihm nicht, jedenfalls nicht mit Substanz, vorgetragen. Tatsächlich erfolgte nach Aktenlage innerhalb der vom Kläger gesetzten Frist keine Reaktion, obwohl der Anspruch des Klägers bestand und die entsprechende Erklärung seiner Mandanten dem Beklagten offenbar schon vorlag – jedenfalls will er sie schon am 18.02.2011 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers angeboten haben. Mit diesem Verhalten hat der Beklagte die Erhebung der Klage vor dem LG Hagen (Az.: 9 0 96/11) provoziert und zwar ohne sachlich rechtfertigenden Grund hierzu – ein solcher wird auch mit der Berufungsbegründung vom Beklagten nicht vorgetragen.
258Auch die Erhebung der Widerklage, die auf Zahlung der Anwaltsgebühren, die in der ersten Instanz im Verfahren vor dem LG Hagen (Az.: 9 0 123/09) entstanden sein sollen, gerichtet war, war sachlich unbegründet und von vorne herein ohne Erfolgsaussicht . Die Begründung des Beklagten, der Kläger habe schon mit Ablehnung des seinerzeit im Verfahren vor dem LG Hagen ( Az.: 9 0 123/09) in Rede stehenden Vergleichs am 16.11.2009 „Erfüllungshandlungen“ der X GbR abgelehnt und sich hierdurch schadensersatzpflichtig gemacht, ist nicht nachvollziehbar. Nicht der Kläger hatte letztlich das Scheitern des Vergleichs im Verfahren 9 0 123/09 zu verantworten, sondern der Beklagte, der auf das Vergleichsangebot des Klägers vom 08.09.2009 aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht reagiert hatte. Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers daraufhin mit Schriftsatz vom 11.11.2009 mitgeteilt hatte, am Vergleichsangebot werde nicht mehr festgehalten, weil der Beklagte sich nicht geäußert habe, konnte der Beklagte im Termin vor dem LG Hagen am 16.11.2009 entgegen seiner Darstellung durch die fehlende Vergleichsbereitschaft auf Klägerseite nicht überrascht werden – es sei denn, er hatte den Schriftsatz vom 11.11.2009 nicht gelesen.
259Im Ergebnis lag weder die im Verfahren vor dem LG Hagen (Az.: 6 0 96/11) erfolgte Rechtsverteidigung, noch die Erhebung der Widerklage im Interesse der Mandanten des Beklagten, da beides bei fehlender Erfolgsaussicht lediglich geeignet war, Kosten auszulösen. Dass die Mandanten des Beklagten dessen Vorgehensweise nach richtiger Beratung über die offensichtliche Erfolgslosigkeit bewusst angeordnet hätten, wird von dem insoweit darlegungspflichtigen Beklagten (s.o.) nicht mit Substanz vorgetragen.
260-
261
4. Rechtsverteidigung im Verfahren LG Hagen (Az.: 4 0 71/11) und LG Wuppertal (5 0 80/11)
Der Beklagte hat seine anwaltlichen Pflichten auch dadurch verletzt, dass er in den Parallelverfahren LG Hagen, Az.: 4 0 71/11 und LG Wuppertal, 5 0 80/11 seinen Mandanten nicht dazu geraten hat, die Klageforderungen unverzüglich anzuerkennen, um die drohende Kostenlast abzuwenden, sondern stattdessen mit erfolgloser Begründung die Abweisung der Klagen beantragt hat.
263Die vom Beklagten im Rahmen der Rechtsverteidigung bemühte Argumentation, der auf Ersatz der Kaufpreisdifferenz gerichtete Klageanspruch sei bereits anderweitig rechtshängig, war nicht zutreffend. Die in den Verfahren vor dem LG Hagen (Az.: 6 O 28/10) und LG Wuppertal (Az.: 4 0 28/10) geltend gemachten Ansprüche des Klägers waren auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises gerichtet und nicht auf Zahlung von Schadensersatz; eine Nämlichkeit des Streitgegenstandes war nicht gegeben.
264Dass der Kläger den Kaufvertrag mit dem zweiten Käufer vom 03.02.2011 oder die nachfolgende Rücktrittserklärung nur „zum Schein“ abgegeben habe, hat der Beklagte zwar im Rahmen der Rechtsverteidigung behauptet, aber nicht in tauglicher Weise belegt; die Kaufvertragsurkunde vom 03.02.2011 ist unterschrieben und vom Kläger in Kopie zur Gerichtsakte gereicht worden; ihren Inhalt konnte der Beklagte nicht entkräften.
265Dass der Kläger einen höheren Kaufpreis hätte erzielen können, wenn er das gewollt hätte, hat der Beklagte seinerzeit verspätet vorgetragen. Das hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt (Seite 26 LGU); mit Substanz ist ein Berufungsangriff dagegen nicht geführt worden.
266Tatsächlich wendet sich der Beklagte in der Berufungsbegründung gegen das Urteil des Landgerichts in diesem Punkt auch nur mit der Begründung, seine Mandanten hätte sich auf einen Rat, die Klageforderungen anzuerkennen, nicht eingelassen. Mit diesem Einwand kann der Beklagte aber nicht gehört werde, weil er nicht zugleich – seiner sekundären Darlegungslast genügend – Vortrag dazu hält, dass er seine Mandanten zuvor korrekt und dezidiert darauf hingewiesen hat, dass und aus welchem Rechtsgrund sie in den Verfahren vor dem Landgericht Wuppertal ( 5 0 80/11) und Hagen (4 0 71/11) aller Voraussicht nach unterliegen würden. Mangels konkreten Vortrages zu einer vorangegangenen korrekten Rechtsberatung ist die Behauptung des Beklagten, seine Mandanten hätten ihn angewiesen, in den Vorverfahren streitig zu verhandeln, nicht erheblich.
267II.III.
268Das Verschulden des Beklagten hinsichtlich der festgestellten Pflichtverletzungen wird vermutet, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Vortrag, der den Beklagten exkulpieren könnte, hat er nicht gehalten.
269Eine einem Verschulden auf Beklagtenseite gegebenenfalls entgegenstehende, ausdrückliche Weisung der Mandanten, in den Vorprozessen trotz korrekter Beratung über die fehlende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung so wie geschehen vorzugehen, ist vom Beklagten – wie bereits ausgeführt – nicht mit Substanz dargetan worden.
270II.IV.
271Durch die Pflichtverletzungen des Beklagten ist den ehemaligen Mandanten des Beklagten ein (Kosten-)Schaden in Höhe von insgesamt 58.235,70 € entstanden, den der Beklagte nach erfolgter und vom Senat für wirksam erachteter (dazu sogleich) Forderungsabtretung dem Kläger zu ersetzen hat.
272Davon entfällt ein Betrag in Höhe von 10.787,27 € auf die mit der Berufung des Klägers im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Ansprüche, wobei der Senat die erstmals in zweiter Instanz erklärte Klageerweiterung gemäß § 533 Nr. 1 ZPO als zur Vermeidung eines nachfolgenden Rechtsstreits jedenfalls sachdienlich und damit zulässig erachtet, zumal auch die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO erfüllt sind.
2731.
274Ausgangspunkt für die Prüfung, in welcher Höhe dem Mandanten ein Schaden durch pflichtwidriges Anwaltsverhalten erwachsen ist, ist, dass der einen Regressschaden geltend machende Mandant – an dessen Stelle hier nach erfolgter Abtretung der Kläger getreten ist - die sogenannte haftungsausfüllende Kausalität darzulegen und zu beweisen hat, wobei für die richterliche Überzeugung insoweit eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO ausreicht (Zugehör, a.a.O., Rnrn.1098 ff. (G. Fischer)). Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität muss festgestellt werden, wie sich der eine Falschberatung seines Anwaltes behauptende Mandant bei vertragsgerechter Beratung des Anwalts hypothetisch verhalten hätte (BGH in NJW 2012,2435; Zugehör, a.a.O., Rn.1104; Fahrendorf,a.a.O., Rn 755 (Fahrendorf)). Wären mehrere Handlungsalternativen in Betracht gekommen, dann muss der Mandant denjenigen Weg bezeichnen, für den er sich entschieden hätte (BGH in WM 2007,419). Wäre nur eine einzige Verhaltensweise als Reaktion auf die korrekte Beratung durch den Anwalt realistisch in Betracht gekommen, dann spricht eine Vermutung dafür, dass der Mandant diese gewählt hätte (BGH, a.a.O.). Zuletzt muss berücksichtigt werden, dass der in Anspruch genommene Rechtsanwalt den Mandanten vermögensmäßig (nur) so zu stellen hat, wie dieser bei pflichtgemäßer Beratung stünde (Zugehör, a.a.O., Rn.1172 (G. Fischer), m.w.N.). Ersatzfähig gemäß §§ 249 ff BGB ist lediglich die Differenz zwischen der Gesamtvermögenslage des Mandanten, wie sie sich nach dem schädigenden Anwaltsverhalten darstellt und der Gesamtvermögenslage, die eingetreten wäre, wenn der Anwalt pflichtgemäß gehandelt hätte (sogenannte Differenzhypothese). Dabei sind sämtliche von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen Vermögenspositionen in den Blick zu nehmen und ins Verhältnis zu setzen (Zugehör, a.a.O., Rn., a.a.O.)
2752.
276Die Anlegung dieses Maßstabes führt bezogen auf die einzelnen Klageanträge zu folgendem Ergebnis:
277a) Gerichtskosten in Höhe von 4.552,00 € , LG Hagen, Az.: 9 0 123/09
278Die X GbR hat nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers in dem Verfahren vor dem Landgericht Hagen (9 0 123/09) Gerichtskosten in Höhe von 4.552,00 € entrichtet. Der Höhe nach sind die Kosten vom Beklagten nicht angegriffen worden. Dass die X GbR sie gezahlt hat, beruht kausal auf der oben dargestellten Fehlberatung durch den Beklagten. Denn hätte dieser seine Mandanten zutreffend und sachgerecht vor Erhebung der Vollstreckungsgegenklage über deren fehlende Erfolgsaussicht belehrt, dann wäre aus Sicht eines vernünftigen Mandanten als einzig verständige Reaktion in Betracht gekommen, von der Klageerhebung abzusehen. Die hierfür sprechende tatsächliche Vermutung hat der Beklagte nicht entkräftet. Sein pauschal gebliebener Vortrag, die Mandanten hätten sich betrogen gefühlt und auf jeden Fall prozessieren wollen ist – wie bereits ausgeführt wurde – nicht ausreichend substantiiert, zumal eine vorangegangene, rechtlich korrekte Beratung durch den Beklagten gerade nicht festgestellt werden kann. Ohne Erhebung der Klage hätten die damaligen Mandanten des Beklagten die Gerichtskosten nicht zahlen müssen und nicht gezahlt.
279b) Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 7.005,65 € , LG Hagen, Az.: 9 0 123/09
280Gegen die X GbR bzw deren Gesellschafter ist mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.06.2010 im Verfahren vor dem LG Hagen, Az.: 9 0 123/09 ein Betrag von 7.005,65 € festgesetzt worden, dabei handelt es sich um die Kosten des Klägers in erster und zweiter Instanz.
281Ausgehend von den Ausführungen unter lit a) wäre die Kostenfestsetzung nicht erfolgt, wenn die Mandanten des Beklagten von ihm richtig beraten worden wären, denn dann hätten sie – was zu vermuten ist, s.o. – die Vollstreckungsgegenklage nicht erhoben und gegen das Urteil des Landgerichts auch kein Rechtsmittel eingelegt. Deshalb ist der Beklagte grundsätzlich zum Ersatz des der X GbR bzw ihren Gesellschaftern entstandenen (Kosten-)Schadens verpflichtet.
282Dass offen geblieben ist, ob die X GbR bzw deren Gesellschafter den festgesetzten Betrag bereits an den Kläger gezahlt haben oder ob die Verbindlichkeit noch offen steht, steht dem Anspruch nicht entgegen.
283Aufgrund der – wirksamen, s. dazu sogleich - Abtretung des Anspruchs an den Kläger als Gläubiger der Forderung, ist der Freistellungsanspruch ohnehin zum Zahlungsanspruch erstarkt (Palandt: 73. Auflage 2014, Rn 4 zu § 399 BGB (Grüneberg), m.w.N.).
284Auf die Frage der Unabtretbarkeit von Freistellungsansprüchen, die das Landgericht vor Umstellung der Anträge auf Zahlung problematisiert hatte, kommt es daher nicht an.
285c) Kosten in Höhe von 12.272,13 €, LG Wuppertal, Az.: 4 0 28/10
286Gegen die Gesellschafter B und E ist inzwischen in dem vor dem Landgericht Wuppertal geführten Verfahren 4 0 28/10 mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.10.2010 ein Betrag von insgesamt 9.265,33 € sowie mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.04.2012 ein Betrag von insgesamt 3.006,80 € festgesetzt worden.
287Die Belastung mit der Zahlungsverbindlichkeit stellt für die Gesellschafter einen Schaden im Sinne von § 249 BGB dar, für den die Pflichtverletzung des Beklagten ursächlich geworden ist: Hätte er im Vorfeld des Verfahrens vor dem LG Hagen, Az.: 9 0 123/09 seine Mandanten zutreffend beraten und ihnen dazu geraden, keine Vollstreckungsgegenklage zu erheben, sondern den geschuldeten Kaufpreis zu zahlen, dann wäre – was zu vermuten ist - das nachfolgende Verfahren gegen die Gesellschafter vom Kläger nicht geführt worden. Dafür spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit.
288Dass auch hier offen geblieben ist, ob die X GbR bzw deren Gesellschafter den festgesetzten Betrag bereits gezahlt haben oder ob die Verbindlichkeit noch offen steht, steht dem Anspruch nicht entgegen. Selbst wenn keine Zahlung geleistet worden wäre, wäre ein der GbR bzw deren Gesellschaftern dann gemäß § 249 BGB zustehender Freistellungsanspruch zu einem Zahlungsanspruch (§ 250 BGB) erstarkt, weil der Beklagte schon dem Grunde nach ernsthaft ein Einstehen für die Verbindlichkeit verweigert hat (vgl. BGH in NJW 2004,1868 und in NJW-RR 2011,910).
289Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Urteil lediglich einen Teilanspruch in Höhe von 5.428,06 € zugesprochen hatte, was der vor abschließender Kostenfestsetzung erfolgten Forderungsanmeldung durch den Kläger entsprach, ist dieser Betrag in den inzwischen festgesetzten Kosten enthalten. Der Mehrbetrag, dessen Zahlung der Kläger mit der Berufung – gemäß § 533 ZPO zulässigerweise, s.o. – klageerweiternd bzw in Abänderung des ursprünglich gestellten und vom Landgericht wegen angeblich unwirksamer Forderungsabtretung nicht zuerkannten Freistellungsantrages verlangt, ist vollständig in dem insgesamt vom Beklagten zu zahlenden Betrag enthalten.
290d) Kosten in Höhe von 8.981,90 € (LG Hagen, Az.: 6 0 28/10 )
291Gegen die Gesellschafter F und L sind in dem vor dem Landgericht Hagen geführten Verfahren 6 0 28/10 mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.09.2010 ein Betrag von 8.708,70 € nebst Zinsen festgesetzt worden sowie nachträglich mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01.03.2012 weitere 273,20 €.
292Die Belastung mit der Zahlungsverbindlichkeit stellt für die Gesellschafter einen Schaden im Sinne von § 249 BGB dar, für den die Pflichtverletzung des Beklagten ursächlich geworden ist: Hätte er im Vorfeld des Verfahrens vor dem LG Hagen, Az.: 9 0 123/09 seine Mandanten zutreffend beraten und ihnen dazu geraden, keine Vollstreckungsgegenklage zu erheben, sondern den geschuldeten Kaufpreis zu zahlen, dann wäre – was zu vermuten ist - das nachfolgende Verfahren gegen die Gesellschafter vom Kläger nicht geführt worden. Dafür spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit.
293Wegen der ernsthaften Verweigerung seiner Einstandspflicht durch den Beklagten ist ein etwaiger Freistellungsanspruch der Gesellschafter – sollten sie noch keine Zahlung geleistet haben, was nicht mitgeteilt worden ist - inzwischen zum Zahlungsanspruch erstarkt, s.o.
294Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Urteil einen Betrag von 8.708,70 € als Schaden zugesprochen hatte, ist daran festzuhalten. Der Mehrbetrag von 273,20 €, dessen Zahlung der Kläger mit seiner Berufung – gemäß § 533 ZPO zulässigerweise, s.o. – klageerweiternd verlangt, entspricht der erst nachträglich erfolgten Festsetzung, er ist in dem insgesamt vom Beklagten zu zahlenden Betrag enthalten. Soweit der Kläger in erster Instanz die Freistellung in Höhe eines weiteren Betrages von 4.608 € begehrt hatte, hat er klargestellt, dass dieser bereits in dem Betrag von 8.708,70 € enthalten war.
295e) Kosten in Höhe von 11.241,73 € (LG Hagen, Az.: 6 0 96/11).
296Gegen die ehemaligen Mandanten des Beklagten sind im vor dem Landgericht Hagen geführten Verfahren 6 0 96/11 mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.12.2011 Kosten in Höhe von 8.527,70 € und mit Versäumnisurteil vom 16.08.2011 vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.714,03 € festgesetzt bzw ausgeurteilt worden.
297Diese Verbindlichkeit zu Lasten seiner ehemaligen Mandanten wäre mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gegen diese festgesetzt bzw tituliert worden, wenn der Beklagte ihnen pflichtgemäß den Rat erteilt hätte, innerhalb der ihm vorprozessual gesetzten Frist die Löschungsbewilligung abzugeben und keine – unschlüssige – Widerklage zu erheben. Dass die Mandanten seinem Rat gefolgt wären, ist zu vermuten, denn das wäre angesichts der Sach- und Rechtslage die allein sinnvolle Reaktion gewesen.
298Sollte auch in Bezug auf diesen Anspruch bislang keine Zahlung von den ehemaligen Mandanten des Beklagten geleistet worden sein, was nicht mitgeteilt worden ist, steht das dem geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht entgegen, weil ein etwaiger Freistellungsanspruch zum Zahlungsanspruch erstarkt wäre, s.o.
299Soweit das Landgericht den Anspruch des Klägers nur in Höhe von 10.788,40 € zuerkannt hat, weil er in erster Instanz (versehentlich) nur diesen Betrag gefordert hatte, hat der Kläger das im Senatstermin am 04.09.2014 korrigiert und die Differenz – zulässigerweise - klageerweiternd geltend gemacht.
300f) Kosten in Höhe von 3.816,58 € (LG Wuppertal, Az.: 5 0 80/11)
301Gegen die ehemaligen Mandanten des Beklagten sind mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.08.2011 in dem Verfahren vor dem Landgericht Wuppertal (5 0 80/11) Kosten in Höhe von 3.816,58 € festgesetzt worden.
302Hätte der Beklagte die Gesellschafter dahin beraten, den – vorprozessual nicht vom Kläger geltend gemachten – Zahlanspruch sofort anzuerkennen, dann wären ausgehend von der vom Beklagten nicht entkräfteten tatsächlichen Vermutung beratungsgerechten Verhaltens die Mandanten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht mit den Kosten belastet worden, vielmehr wären diese dem Kläger gemäß § 93 ZPO auferlegt worden.
303Im Übrigen wäre es auch dann, wenn der Beklagte der X GbR schon vor Erhebung der Vollstreckungsgegenklage vor dem Landgericht Hagen (9 0 123/09) dazu geraten hätte, diese nicht zu erheben, sondern den Kaufpreis zu zahlen, zu der weiteren Klage vor dem Landgericht Wuppertal (5 0 80/11) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gekommen.
304Sollte von den Mandanten des Beklagten auf die festgesetzten Kosten bislang nichts gezahlt worden sein, wäre gleichwohl ein auf Zahlung gerichteter Anspruch begründet, weil – wie oben ausgeführt – ein etwaiger Freistellungsanspruch wegen der Verweigerung der Einstandspflicht durch den Beklagten zum Zahlanspruch erstarkt wäre.
305g) Kosten in Höhe von 3.216,67 € (LG Hagen, 4 0 71/11).
306Gegen die ehemaligen Mandanten des Beklagten ist inzwischen mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 08.11.2012 ein Betrag von 3.216,67 € nebst Zinsen festgesetzt worden, den der Kläger aus abgetretenem Recht mit der – zulässigerweise, s.o. – in zweiter Instanz geltend gemachten Klageerweiterung fordert. Wie in dem Parallelverfahren vor dem LG Wuppertal (Az. 5 0 80/11) gilt, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass seine Mandanten bei zutreffender Beratung durch den Beklagten den begründeten Zahlanspruch des Klägers sofort anerkannt hätten und deshalb nicht mit den Kosten des Verfahrens belastet worden wären ( § 93 ZPO), denn eine vorprozessuale Zahlungsaufforderung durch den Kläger fehlte.
307Soweit das Landgericht im Übrigen die Auffassung vertreten hat, der ursprünglich allein mit dem Antrag zu 8.) begehrte Ersatz eines Schadens in Höhe von (weiteren) 81,75 € sei nicht erstattungsfähig, weil der Kläger nicht schlüssig dargetan habe, in welchem Zusammenhang diese Kosten den ehemaligen Mandanten des Beklagten entstanden seien, ist das nicht zu beanstanden.
308Der Kläger hat dagegen in seiner Berufungsbegründung mit Substanz keinen Angriff geführt. Selbst wenn das Landgericht – wie der Kläger moniert – nicht rechtzeitig darauf hingewiesen haben sollte, dass es die Forderung insoweit für unschlüssig halte, ist vom Kläger in der Berufungsbegründung nach wie vor nichts vorgetragen worden, waas erkennen ließe, aus welchem Anlass der Betrag von 81,75 € den Mandanten des Beklagten als Schaden entstanden ist.
309Dieser Betrag steht dem Kläger also nicht zu; er ist in den in zweiter Instanz gestellten Anträgen allerdings auch betragsmäßig nicht enthalten, weshalb insoweit keine Zurückweisung der Berufung zu erfolgen hat.
310h) Anwaltskosten des Beklagten in Höhe von 7.149,04 €
311Der Beklagte hat von der X GbR bzw ihren Gesellschaftern am 15.01.2010 sowie am 03.08.2011 Zahlungen auf seine Gebühren in Höhe von insgesamt 9.863,07 € erhalten. Die Feststellung des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil, wonach der Beklagte die Gebühren in den streitgegenständlichen Verfahren gefordert und erhalten habe, ist vom Beklagten in der Berufungsbegründung nicht angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend.
312Hätte der Beklagte seine Mandanten von Anfang an zutreffend dahin beraten, dass die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage vor dem Landgericht Hagen (9 0 123/09) sowie die Rechtsverteidigung in den weiteren Verfahren keinerlei Aussicht auf Erfolg bietet, dann ist – wie bereits dargestellt - zu vermuten, dass die Mandanten sich beratungskonform verhalten hätten und weder die Vollstreckungsgegenklage erhoben, noch sich im Übrigen wie geschehen verteidigt hätten. Dann wäre mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Gebührenforderung des Beklagten nicht in der geforderten Höhe, sondern nur für die abratende Rechtsberatung angefallen. Diese Gebühr hat das Landgericht auf der Grundlage des unbestritten gebliebenen Rechenwerks des Klägers mit 2.714,03 € bemessen; das ist der Höhe nach vom Beklagten in seiner Berufungsbegründung nicht angegriffen worden.
313Es verbleibt deshalb der vom Landgericht zu Recht titulierte Schadensersatzanspruch der ehemaligen Mandanten des Beklagten in Höhe von 7.149,04 €, der nach Abtretung dem Kläger zusteht. Soweit das Landgericht einen Anspruch des Klägers wegen des erstinstanzlich noch verlangten Betrages von 173,50 € wegen der Erstattung von Gerichtskosten, die im Grundbuchverfahren angefallen sein sollen, nicht für begründet erachtet hat, ist das vom Kläger nicht mit der Berufung angegriffen worden; insoweit bleibt es bei der Klageabweisung.
314i)
315Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass durch die anwaltliche Fehlberatung des Beklagten in den Vorverfahren auf Seiten seiner Mandanten ein (Kosten-)Schaden in Höhe von insgesamt 58.235,70 € entstanden ist.
316Davon hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil – vor der vom Kläger erklärten Klageerweiterung - einen Betrag von 47.448,43 € bereits zuerkannt.
317Der Kostenschaden ist nicht deshalb zu reduzieren, weil bei richtiger und sachgerechter anwaltlicher Beratung der X GbR bzw ihrer Gesellschafter durch den Beklagten die Vorprozesse nicht geführt, sondern stattdessen die GbR die Immobilie in M für 175.000 € und damit – unstreitig – zu einem rund 30.000 € über ihrem tatsächlichen Wert liegenden Preis erworben hätte.
318Wie der Kläger auf den entsprechenden Hinweis des Senats im Beschluss vom 09.09.2014 unwidersprochen hat vortragen lassen, wäre es der GbR gelungen, nach beabsichtigter und durchgeführter Projektentwicklung den Minderwert durch einen gewinnbringenden Verkauf zu kompensieren.
319Außerdem muss berücksichtigt werden, dass der in der Differenz zwischen dem geschuldeten Kaufpreis und dem Wert der Immobilie liegende Minderwert nicht nur bei pflichtgemäßem Anwaltsverhalten zur Entstehung eines entsprechenden Schadens auf Seiten der GbR geführt hätte, sondern der Schaden ist der GbR bzw ihren Gesellschaftern tatsächlich auch nach pflichtwidrigem Anwaltsverhalten entstanden, denn in den Verfahren vor dem LG Wuppertal , Az.: 5 0 80/11 und dem Landgericht Lagen , Az.: 4 0 71/11 sind die GbR bzw die Gesellschafter zur Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem geschuldeten Kaufpreis aus dem notariellen Kaufvertrag vom 18.06.2008 und dem Kaufpreis, den der spätere Käufer zu zahlen hatte, in der Hauptsache verurteilt worden. Der Schaden ist den Zedenten deshalb in jedem Fall entstanden; er reduziert den Kostenschaden im Rahmen des anzustellenden Gesamtvermögensvergleichs nicht.
3203.
321Soweit der Beklagte mit seiner Berufung gerügt hat, etwaige Ansprüche der X GbR bzw ihrer Gesellschafter gegen ihn aus §§ 280, 675,611 BGB könnten vom Kläger deshalb nicht gefordert werden, weil sie nicht wirksam an den Kläger abgetreten worden seien, kann das der Inanspruchnahme des Beklagten nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Der Senat hat bereits mit Hinweisbeschluss vom 09.09.2014 dargelegt, dass Anhaltspunkte, die für eine Sittenwidrigkeit der Abtretung (§§ 134,138 BGB) sprechen könnten, mit Substanz nicht dargelegt worden sind. Auch ein Verstoß gegen §§ 135,136 BGB liegt nicht vor, weil der Kläger als durch die ausgebrachten Pfändungen geschützter Gläubiger durch die von ihm selber veranlasste Abtretung das durch die Pfändungen bewirkte relative Pfändungsverbot nachträglich konkludent genehmigt hat.
322Hierzu hat der Beklagte keinen Vortrag mehr gehalten, der Anlass zu einer abweichenden Bewertung hätte bieten können.
323II.V.
324Auf die vom Kläger in der Berufungsbegründung gehaltene Erledigungserklärung hinsichtlich des in erster Instanz mit den (ursprünglichen) Klageanträgen zu 1) – 3) begehrten und im Teilversäumnisurteil des Landgerichts vom 12.09.2012 titulierten Auskunftsanspruchs war antragsgemäß dessen Erledigung festzustellen, nachdem sich der Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hatte.
325Die in der Umstellung des Klageantrags auf Feststellung der Erledigung liegende Klageänderung ist – nachdem sich der Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat - ohne weiteres sachdienlich und zulässig.
326Dass den ehemaligen Mandanten des Beklagten gegen diesen ein Auskunftsanspruch aus §§ 675,667 BGB zugestanden hat, den sie an den Kläger wirksam abgetreten haben, hat das Landgericht mit überzeugender Begründung festgestellt. Die vom Beklagten in seiner Berufungsbegründung vertretene Auffassung, der Kläger habe keiner Aufklärung bedurft, weil ihm über die Zedenten bekannt gegeben worden sei, in welcher Höhe Honorare gezahlt worden seien, überzeugt angesichts der Umstände des Streitfalles nicht: Der Beklagte hat nach Aktenlage zu keiner Zeit nachvollziehbar und unter Berücksichtigung geflossener Zahlungen seine Tätigkeit gegenüber den ehemaligen Mandanten abgerechnet. Die Gesellschafter der X GbR, die untereinander zerstritten sind – haben offenbar auf Zuruf am 15.01.2010 und am 03.08.2011 die oben genannten Beträge gezahlt; Gegenteiliges ist nicht vorgetragen worden. Dass also von einem der Gesellschafter dem Beklagten auf Bitten weitere Beträge zum Zwecke der Anrechnung auf das Honorar übergeben wurden, ohne dass das in ausreichender Form verschriftlicht worden ist, ist zumindest nicht auszuschließen. Ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Auskunftserteilung hält der Senat deshalb mit dem Landgericht für gegeben.
327Der Auskunftsanspruch ist auch wirksam an den Kläger abgetreten worden. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, war die Abtretung der Auskunftsansprüche wegen der zugleich abgetretenen Leistungsansprüche zulässig. Die abweichende Rechtsauffassung des Beklagten, die er an die Stelle der zutreffenden Bewertung des Landgerichts setzen möchte, überzeugt nicht. Dass die Abtretung weder gegen §§ 134,138 BGB, noch gegen §§ 135,136 BGB verstößt, hat der Senat bereits ausgeführt; darauf wird verwiesen.
328Infolge der in zweiter Instanz durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 12.06.2013 erteilten Auskunft hat sich der urspünglich zulässige und begründete Auskunftsanspruch der Zedenten nach Darstellung des Klägers erledigt und ist das Auskunftsbegehren der Zedenten erfüllt. Die Erledigung war deshalb antragsgemäß festzustellen.
329III.
330Die in zweiter Instanz (nur) auf Zahlung von Zinsen ab Rechtshängigkeit in gesetzlicher Höhe gerichtete Nebenforderung beruht auf §§ 286,280,291 BGB; soweit das Landgericht die erstinstanzlich verlangte Zinsmehrforderung abgewiesen hatte, bleibt es bei der Entscheidung.
331C.
3321.
333Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 91, 92 Abs. 2, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3342.
335Die Revision war nicht zuzulassen.
336Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 ZPO).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 01. Sept. 2015 - 28 U 60/13
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 01. Sept. 2015 - 28 U 60/13
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Hamm Urteil, 01. Sept. 2015 - 28 U 60/13 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um die Unterlassung der Nutzung des Objektes ..., ..., durch die Beklagten.
- 2
Die Klägerin verkaufte im Jahr 1997 ein Grundstück an den Bauunternehmer..., der darauf eine Seniorenwohnanlage errichten sollte. Die Klägerin wollte einen Seniorenpark mit Betreuungseinrichtungen und einer Begegnungsstätte schaffen. Der Bauunternehmer verpflichtete sich unter § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages vom 17.6.1997 gegenüber der Klägerin, die auf den Teilgebieten 4, 5, und 6 des Bebauungsplanes entstehenden frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die einen Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen.
- 3
In § 6 Nr. 10 übernahm der Bauunternehmer weiter die Verpflichtung, diese Bau- und Benutzungsverpflichtung und alle weiteren sich aus diesem Vertrag ergebenden Pflichten seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen, und zwar mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Des Weiteren verpflichtete sich der Bauunternehmer in § 6 Nr. 11 des Kaufvertrages, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin an rangerster Stelle eintragen zu lassen, wonach die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes zu errichtenden Wohnungen nur an Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, zur Nutzung überlassen werden dürfen, sowie (§ 6 Nr. 13 des Kaufvertrages) eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin eintragen zu lassen, nach welcher die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 befindlichen Wohnungen nur von Personen genutzt werden dürfen, die von der Gemeinde... benannt werden. Dabei gilt diese Benennung für Personen als erteilt, die oder für die gleichzeitig ein Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen bzw. abgeschlossen wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Die Eintragungsbewilligung in der Auflassungsurkunde vom 25.11.1997 (Anlage K 4) entspricht hinsichtlich des Inhalts der Dienstbarkeit der Vereinbarung vom 17.6.1997.
- 4
Der Unternehmer bebaute das Grundstück, teilte es und verkaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 14.04.1999 (Anlage K 2) das Objekt..., welches auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes liegt, an die Beklagten. In dem Kaufvertrag heißt es in der Präambel, dass die Bewohner des Grundstücks verpflichtet sind, die Grundleistungen des Betreuungsangebots in Anspruch zu nehmen. Die Käufer übernahmen die Lasten in Form der Wohnungsbesetzungsrechte ohne Anrechnung auf den Kaufpreis. Ferner erkannten die Beklagten zu § 6 des Kaufvertrages an, die Vereinbarungen und Verpflichtungen aus dem vorangegangenen Grundstückskaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Bauunternehmer zu erfüllen. Mit der Eintragung der Beklagten im Grundbuch wurde ihr Grundstück mit dem Wohnungsbesetzungsrecht für die Klägerin belastet.
- 5
Das Objekt wird von den Beklagten genutzt.
- 6
Der Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ soll den Bewohnern der Anlage eine möglichst günstige Betreuung bieten. Daher sieht das Konzept der Klägerin vor, dass sämtliche Bewohner der Anlage einen entgeltlichen Betreuungsvertrag mit dem Verein abschließen müssen. Die Betreuungspauschale beträgt für Einzelpersonen monatlich 50 €, für Ehepaare 70 €. Die Verpflichtung zum Vertragsabschluss besteht unabhängig davon, ob die Bewohner die Leistungen in Anspruch nehmen oder nicht.
- 7
Die Kläger sind über 60 Jahre alt. Sie wurden von der Klägerin nicht als Nutzungsberechtigte benannt. Sie weigerten sich jedoch zunächst, einen entsprechenden Betreuungsvertrag mit der Klägerin abzuschließen. Die Gemeinde ... klagte vor dem Landgericht Kiel (Az.: 9 O 317/04) auf Unterlassung der Nutzung der Immobilie. Die Beklagten wurden am 31.03.2005 dazu verurteilt, die Nutzung zu unterlassen. Daraufhin schlossen die Beklagten im April 2005 mit der Klägerin einen entsprechenden Betreuungsvertrag ab. Diesen kündigten sie am 20.07.2008 zum 31.8.2008 (Anlage K 7). Am 19.09.2008 untersagte die Klägerin den Beklagten die Nutzung der Immobilie auf der Grundlage des Urteils vom 31.03.2005 (Anlage K 8). Wegen Zuwiderhandlung gegen die Anordnung des Landgerichts aus dem Urteil vom 31.03.2005 drohte das Landgericht Kiel den Beklagten auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 19.11.2008 mit der Verhängung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft. Dagegen legten die Beklagten sofortige Beschwerde ein. Diese wies das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Az.: 16 W 157/08) zurück, mit der Begründung, die Beklagten könnten sich der Auslegung des Unterlassungsgebots in dem Urteil vom 31.03.2005 nicht dadurch entziehen, dass sie zunächst zwar einen Betreuungsvertrag abgeschlossen, diesen dann aber später gekündigt hätten; die Nutzung des streitigen Grundstücks ohne Benennung durch die Klägerin und ohne einen bestehenden Betreuungsvertrag verletze den Kern des Unterlassungsgebots.
- 8
Die Beklagten erhoben Vollstreckungsabwehrklage vor dem Landgericht Kiel (9 O 307/08) mit der Begründung, das Urteil vom 31.03.2005 sei überholt, da sie zwischenzeitlich einen Betreuungsvertrag abgeschlossen hätten. Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab, da die Beklagten keine zulässige Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch erhoben hätten. Solange die Beklagten den Betreuungsvertrag mit der Klägerin aufrecht erhalten hätten, habe möglicherweise ein Einwand gegen das Unterlassungsgebot bestanden, denn die Beklagten hätten die Nutzung der Immobilie nur deshalb unterlassen müssen, weil ein Betreuungsvertrag gefehlt habe. Die ursprüngliche Situation sei aber in dem Moment wieder aufgelebt, in dem die Kläger den Betreuungsvertrag gekündigt hätten.
- 9
Gegen diese Entscheidung legten die Beklagten Berufung zum Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein (Az.: 17 U 41/09). Das Oberlandesgericht erklärte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Kiel vom 31.03.2005 (Az.: 9 O 317/04) für unzulässig. Es stellte nach eingehender Betrachtung des Streitgegenstandes, der dem Urteil vom 31.03.2005 zugrunde lag, fest: „Streitgegenstand und Rechtskraft des Ersturteils erstrecken sich damit auf den Nichtabschluss eines Betreuungsvertrags, nicht aber auf die Frage, wie die Situation zu beurteilen ist, wenn nach Abschluss eines Betreuungsvertrags ein solcher wieder gekündigt wird. Hierzu bedarf es erforderlichenfalls einer neuen Entscheidung.“
- 10
Die Klägerin meint:
- 11
Das zu ihren Gunsten eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht sowie das Vorgehen hieraus sei rechtmäßig. In dem vorliegenden Fall werde den Eigentümern eine konkret bezeichnete Art der tatsächlichen Nutzung untersagt, nämlich die Nutzung durch Personen, welche die in der Grunddienstbarkeit genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Diese Voraussetzungen seien in der Bestallungsurkunde konkret beschrieben.
- 12
Auch die Ausübung des Wohnungsbesetzungsrechts sei nicht rechtsmissbräuchlich und unangemessen.
- 13
Die Benennungsfiktion, die durch den Abschluss eines Betreuungsvertrags entstehe, erlösche in dem Moment, in dem kein wirksamer Betreuungsvertrag existiere. Dies sei sowohl bei Verweigerung des erstmaligen Abschlusses als auch bei einer späteren Kündigung der Fall.
- 14
Die Differenzierung zwischen „vermeintlich verschiedenen Lebenssachverhalten“, die das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in dem Urteil vom 04.12.2009 (Az.: 17 U 41/09) vorgenommen hat, sei unangebracht und lebensfern.
- 15
Die Klägerin beantragt,
- 16
1. die Beklagten zu verurteilen, die Nutzung des Objektes ..., ...zu unterlassen;
- 17
2. festzustellen, dass den Beklagten die Nutzung des Objektes ...verboten ist, wenn und soweit sie nicht von der Klägerin entsprechend der zugunsten der Klägerin im Grundbuch von ...Blatt 1550, Abteilung II Nr. 1 eingetragenen Wohnungsbesetzungsdienstbarkeit benannt werden oder durch erstmaligen oder erneuten Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ als benannt gelten und dieser erstmals oder erneut abgeschlossene Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ auch noch besteht;
- 18
3. für jeden Fall des Zuwiderhandelns gegen die Beklagte die Androhung eines Ordnungsmittels auszusprechen.
- 19
Die Beklagten beantragen,
- 20
die Klage abzuweisen.
- 21
Die Beklagten meinen:
- 22
Der Anspruch auf Nutzungsunterlassung sei schon deshalb nicht gegeben, weil durch den Abschluss des Betreuungsvertrages die Benennungsfiktion eingetreten sei. Sie, die Beklagten, seien von der Klägerin benannt worden. Diese Benennung könne die Klägerin nicht widerrufen.
- 23
Es bestehe allerdings schon keine Rechtsgrundlage für die eingetragenen Grunddienstbarkeiten. Aufgrund dessen werde die Einrede der Bereicherung gemäß § 821 BGB erhoben. Eine Unterlassungsdienstbarkeit mit dem Inhalt, den die Klägerin ihr beimesse, sei unzulässig, denn ein Ausschluss des Eigentümers von der Grundstücks-nutzung könne nicht vereinbart werden. Eine Unterlassungsdienstbarkeit müsse das Verbot von tatsächlichen Handlungen auf dem Grundstück betreffen. Beschränkungen der rechtlichen Befugnisse des Eigentümers könnten daher nicht Inhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sein.
- 24
Sie sind weiterhin der Ansicht, dass die eingetragenen Dienstbarkeiten unklar seien. Die Verpflichtung beziehe sich allein auf die öffentlich geförderten Wohnungen und den Abschluss eines Betreuungsvertrags für öffentlich geförderte Wohnungen. Nur ein solcher Betreuungsvertrag habe vorgelegen. Der notarielle Kaufvertrag über das Objekt ... sei ein Formularvertrag, die maßgeblichen Klauseln seien jeweils vorformulierte Teile. Daher gingen alle Zweifel hinsichtlich der Auslegung zu Lasten der Klägerin. Bestimmungen seien unwirksam, wenn sie zu einer unangemessenen Benachteiligung führen würden. Hier liege eine unangemessene Benachteiligung vor, da die Bestimmungen nicht klar und verständlich seien. Deshalb seien die entsprechenden Bestimmungen aufgrund der Gebote von Treu und Glauben unwirksam.
- 25
Die Klägerin könne keinen Kontrahierungszwang auf Abschluss eines Betreuungsvertrags mit einem Dritten ausüben. Aus dem Streit über den Abschluss eines solchen Vertrages mit einem bestimmten Entgelt könne sich nicht die Verpflichtung des Eigentümers ergeben, die Nutzung seines Eigentums zu unterlassen, zumal er für das Entgelt keine Gegenleistung erhalte. Dies sei sittenwidrig, das Begehren der Klägerin stelle einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar.
- 26
Im Übrigen setze ein Wohnungsbesetzungsrecht begrifflich die Überlassung durch den Eigentümer auf einen Dritten voraus. Bei der originären bestimmungsgemäßen Nutzung durch den Eigentümer selbst könne ein solches Besetzungsrecht nicht greifen. Das Verlangen der Beklagten verstoße gegen § 242 BGB, eine etwa begründete Verpflichtung sei nach § 138 BGB nichtig.
- 27
Hilfsweise erheben die Beklagten den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Denn das Wohnungsbesetzungsrecht sei von der Klägerin erst geltend gemacht worden, nachdem alle 13 frei finanzierten Grundstücke verkauft gewesen seien. Sie habe die Eigentümer dieser Grundstücke über die Pflicht zum Abschluss eines Betreuungsvertrags arglistig getäuscht. Allen Erwerbern frei finanzierter Wohnungen und auch den Beklagten sei bei der Beurkundung von dem beurkundenden Notar gesagt worden, der Abschluss eines Betreuungsvertrages sei möglich, aber nicht erforderlich, und ein Entgelt sei nicht zu zahlen, wenn keine Betreuung in Anspruch genommen wurde (Beweis: 12 Zeugen gemäß Seite 3 der Klagerwiderung vom 18. März 2010). Daher sei die Rechtsausübung treuwidrig.
- 28
Des Weiteren sei es mit dem Wesen des Eigentums unvereinbar, dass der abgeschlossene Betreuungsvertrag jede Kündigungsmöglichkeit des Eigentümers, der seinen Grundbesitz selbst nutze, ausschließe. Die entsprechende Klausel im Kaufvertrag sei auch im Hinblick auf die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Dabei berufen sich die Beklagten auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 06.12.2001 (Az.: 15 U 208/00) und des Landgerichts Lüneburg vom 07.11.2002 (Az.: 1 0 132/02), die dies ebenso gesehen hätten.
- 29
Dazu meint die Klägerin:
- 30
Der Inhalt der Unterlassungsdienstbarkeit bestehe gerade nicht in der Beschränkung der rein rechtlichen Befugnisse der Beklagten. Die Beschränkung in dem Unterlassungsgebot einer Nutzung bestehe in der Weise, dass die Beklagten nicht dem Personenkreis der an dem Konzept des betreuten Wohnens teilnehmenden Personen angehört. Dies sei eine rein faktische Voraussetzung und dementsprechend werde auch das Untersagen einer faktischen Nutzung untersagt.
- 31
Sie verfolge mit dem Vorgehen aus dem Wohnungsbesetzungsrecht nicht das Ziel, dass die Beklagten erneut einen Betreuungsvertrag unterzeichnen. Dafür bilde das Wohnungsbesetzungsrecht zutreffend keine Anspruchsgrundlage. Gegenstand dieses Wohnungsbesetzungsrechts sei die Verpflichtung zur Nutzung im Sinne des betreuten Wohnens. Nur dies sei Gegenstand der Klage.
- 32
Darüber hinaus sei Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Möglichkeit oder die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines Betreuungsvertrags, sondern die Folgen einer solchen vorgenommenen Kündigung.
- 33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 09.06.2010.
Entscheidungsgründe
- 34
Die Klage ist derzeit nicht begründet.
- 35
1. Die Klägerin hat zur Zeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Objekts durch die Beklagten, obwohl diese weder ausdrücklich durch die Klägerin als berechtigte Nutzer ihrer Wohnung benannt worden sind noch aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als benannt gelten.
- 36
2. Das zugunsten der Klägerin eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht ist allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten als beschränkte persönliche Dienstbarkeit rechtswirksam bestellt worden. Es genügt dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, ist auch ohne ausdrückliche zeitliche Begrenzung wirksam und ist schließlich auch nicht sittenwidrig.
- 37
Bei dem Recht handelt es sich um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in der Form eines Wohnungsbesetzungsrechtes (§§ 1090, 1018 BGB). Nach dem Inhalt des Rechts sollen auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen, nämlich die Überlassung der Wohnungen auf dem Grundstück an beliebige Personen. Damit liegt eine Unterlassungsdienstbarkeit vor (Fall 2 des § 1018 BGB). Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Dienstbarkeit in der Form des Wohnungsbesetzungsrechts, mit der öffentliche Interessen verfolgt werden, steht heute nicht mehr in Frage (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023; BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317). Das hier verfolgte öffentliche Interesse besteht in der Förderung des betreuten Wohnens älterer Menschen ab 60 Jahren (§ 26 Abs. 2 II. WoBauG), wie dies auch aus dem Inhalt der Eintragung im Grundbuch hervorgeht, die in zulässiger Weise (§ 874 BGB) auf den Inhalt der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 (UR-Nr. 330/1997 B des Notars ... in... ) verweist, somit auch auf die Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ... e.V.“.
- 38
Der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unklar. Die Klägerin ist danach berechtigt, die Nutzer der davon betroffenen Wohnungen zu benennen. Sie kann dies entweder ausdrücklich tun oder es greift die Benennungsfiktion bei Abschluss des vorgegebenen Betreuungsvertrages durch den Nutzer ein.
- 39
Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass das Wohnungsbesetzungsrecht die Überlassung eines Objekts durch den Eigentümer an einen „Dritten“ voraussetze und deshalb für den Fall der originären Nutzung durch den Eigentümer nicht gelte. Das zugunsten der Klägerin bestellte dingliche Recht enthält eine derartige Einschränkung nicht, sondern gilt gemäß Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde ausnahmslos gegenüber allen Personen, die die betreffenden Wohnungen nutzen. Auch die Benennungsfiktion ist grundsätzlich zulässig (vgl. LG München II, MittBayNot 2002, Seite 400, 401). Es handelt sich dabei um eine im Voraus erteilte typisierte Benennungserklärung der Klägerin.
- 40
Das Wohnungsbesetzungsrecht ist auch nicht deshalb unwirksam, weil es nicht zeitlich begrenzt ist. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, eine solche Dienstbarkeit sollte stets zeitlich befristet oder auflösend bedingt sein, notwendig sei dies aber nicht (so z. B. Schöner/Stöber Grundbuchrecht, 14. Auflg. 2008, Rn 1205; Heinemann MittBayNot 2002, Seite 1, 5). Aus dem Gesetz lässt sich die Notwendigkeit einer Befristung etwa auf die Lebensspanne einer natürlichen Person nicht entnehmen (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023). Sie ergibt sich auch nicht aus dem Wesen der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit als grundsätzlich nicht übertragbarem Recht. Denn der Gesetzgeber hat in § 1092 Abs. 2 BGB selbst die Möglichkeit eröffnet, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit auch einer juristischen Person einzuräumen, und er hat für diesen Fall auch Ausnahmen von der Unübertragbarkeit normiert (§§ 1059 a bis 1059 d BGB). Eine Befristung ist deshalb nicht notwendige Voraussetzung eines Wohnungsbesetzungsrechts für eine juristische Person; die fehlende Befristung führt deshalb auch nicht zur Nichtigkeit der Dienstbarkeitsbestellung und der Eintragungsbewilligung wegen Sittenwidrigkeit (vgl. BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317).
- 41
3. Das Wohnungsbesetzungsrecht berechtigt die Klägerin aber derzeit nicht, den Beklagten die Nutzung des Objekts zu untersagen, obwohl die Beklagten weder aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als durch die Klägerin benannte Nutzer ihrer Wohnung gelten noch durch die Klägerin ausdrücklich als berechtigte Nutzer benannt worden sind.
- 42
Die Beklagten gelten mangels eines wirksamen Betreuungsvertrages zwar nicht als durch die Klägerin benannt. Die Klägerin kann sich darauf aber gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) nicht berufen, weil hier Zweifel an der Auslegung der Benennungsklausel bestehen, die gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin als Verwenderin Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen.
- 43
Zwar ist der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin, nämlich die Nutzer der Wohnungen zu benennen, wie ausgeführt, hinreichend bestimmt. Dies gilt jedoch nicht für die von dem Inhalt des dinglichen Rechts zu unterscheidenden Voraussetzungen seiner Ausübung, wonach eine Person als benannt gilt, die gleichzeitig den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abschließt. Diese Klausel ist nämlich mehrdeutig.
- 44
Zum einen könnte man sie so verstehen, dass als benannt gilt, wer einen entsprechenden Betreuungsvertrag abschließt und dass diese Benennung nur genau für die Zeit besteht, in der die „Benannten“ den Betreuungsvertrag aufrechterhalten. Dafür spricht der Zweck, den die Klägerin mit dem Benennungsrecht verfolgte. Sie wollte seniorengerechten Wohnraum mit Betreuungseinrichtungen schaffen. Diese Betreuungseinrichtungen sind durch den Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ organisiert, dessen Mitglieder die Bewohner der Objekte der Seniorenwohnanlage sein sollen. Diese Ausgestaltung soll auf einem Solidargedanken ähnlich dem Versicherungswesen basieren. Es würde diesem Zweck widersprechen, wenn der Nutzer nur den Vertrag abschließen müsste, um als benannt zu gelten, und ihn dann folgenlos sofort wieder kündigen könnte. Für diese Auslegung spricht auch, dass derjenige Betreuungsvertrag, auf den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde verwiesen wird und der gemäß seiner Präambel ausschließlich auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen der Seniorenwohnanlage zugeschnitten ist, für einen Betreuten in § 5 ein Kündigungsrecht nur dann vorsieht, wenn der Betreute „aus öffentlich geförderten Wohnungen“ das Mietverhältnis beendet. Dort heißt es: „Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich“. Da dieser Vertrag nach dem Willen der Klägerin ursprünglich auch den Käufern der frei finanzierten Wohnungen zur Unterzeichnung vorgelegt wurde, ist davon auszugehen, dass nach dem Willen der Klägerin ein Kündigungsrecht für diese Personen ausgeschlossen werden sollte, solange das Objekt von ihnen selbst bewohnt wird.
- 45
Die Benennungsfiktion könnte aber auch dahin verstanden werden, dass es für die Benennung genügt, den in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abzuschließen. Denn nach dem Wortlaut kommt es nur auf das „Abschließen“ des Vertrages an, nicht auch auf seinen Fortbestand.
- 46
Nach dem Wortlaut käme es auch nicht darauf an, ob ein Nutzer einen abgeschlossenen Betreuungsvertrag auch erfüllt, insbesondere ob er das unabhängig von der Inanspruchnahme der Betreuungsleistungen in gleicher Höhe geschuldete Betreuungsentgelt vertragsgerecht zahlt und damit solidarisch den Vereinszweck, nämlich eine möglichst günstige Betreuung, fördert, worauf es der Klägerin nach ihrem Vortrag ankam. Es fehlt auch jede Regelung, ob dann, wenn der Betreuungsverein den Vertrag wegen Zahlungsrückständen wirksam kündigt, die Benennungsfiktion von selbst entfällt oder ob es zusätzlich eines Widerrufes der Nutzungsberechtigung durch die Klägerin bedarf.
- 47
Die hieraus resultierende Unklarheit geht gemäß § 5 AGBG, welches im Zeitpunkt der Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit galt, zu Lasten der Klägerin.
- 48
Bei der erwähnten Benennungsfiktion in der Bestellungsurkunde handelt es sich ebenso um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des AGBG wie bei dem darin in Bezug genommenen Betreuungsvertrag, der ausdrücklich Bestandteil der Betreuungsurkunde ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin selbst hatte als Verkäuferin in § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages ihrem Käufer, dem Dipl.-Ing. ..., vertraglich auferlegt, die frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ den Betreuungsvertrag abschließen, der als Anlage 3 dem Kaufvertrag als Bestandteil beigefügt war. Gemäß § 6 Nr. 10 hatte die Klägerin dem Käufer...vertraglich auferlegt, eine gleichartige Verpflichtung seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Gemäß § 6 Nr. 13 Abs. 2 war der Käufer... ferner verpflichtet, der Klägerin eine entsprechende beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Besetzungsrecht) mit der Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 3 zu bestellen. Verwenderin dieser AGB (Benennungsklausel und Betreuungsvertrag) gegenüber dem Käufer ... und - mittels der Weitergabeklausel des § 6 Nr. 10 - durch den Käufer...gegenüber allen Folgeerwerbern war die Klägerin. Sie hat diese Vertragsbedingungen einseitig gestellt und direkt und indirekt für eine Vielzahl von Verträgen verwendet, ebenso hat sie den Text der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 und damit auch den Inhalt der Grundbucheintragung vorgegeben.
- 49
Wesentlich bedeutsamer als die oben erwähnte Unklarheit erscheint hier, dass im Nachhinein sogar zweifelhaft ist, welcher Betreuungsvertrag von den Beklagten abzuschließen war, damit sie als von der Klägerin benannt galten.
- 50
Die Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 verweist eindeutig auf den Betreuungsvertrag „gemäß Anlage 1, der Bestandteil dieser Urkunde ist und auf die verwiesen wird“. Dieser Betreuungsvertrag ist allein auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen zugeschnitten. Diese können nach der Präambel „nur von Personen angemietet werden, die auch mit dem karitativen Betreiber einen Betreuungsvertrag schließen“. Weiter heißt es in der Präambel: „Dieser Betreuungsvertrag steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag. Ein Mietvertrag kommt nur gleichzeitig mit dem Abschluss des Betreuungsvertrages zustande“. Dementsprechend heißt es in § 5 Nr. 3 und Nr. 4 jenes Betreuungsvertrages: „Die Dauer des Vertragsverhältnisses ist für den Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen abhängig von der Dauer des Mietverhältnisses. Die Kündigungsfrist richtet sich bei dem Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen nach der für das Mietverhältnis geltenden Kündigungsfrist. Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich.“
- 51
Nach der Präambel ist der Bestand des Betreuungsvertrages somit abhängig von dem abzuschließenden Mietvertrag („steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag“) und gilt umgekehrt dasselbe. § 5 Nr. 4 bekräftigt diese rechtliche Verknüpfung der Verträge. Diese Wirksamkeitsvoraussetzung des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1977 fehlt aber von vornherein bei denjenigen Personen, die Eigentümer einer der frei finanzierten Wohnungen sind und diese selbst nutzen, also nicht vermieten. Für sie war der Betreuungsvertrag auch erkennbar nicht gedacht. Dementsprechend hat der Verein „Betreutes Wohnen“ den Beklagten auch den mit Schreiben vom 1. September 2004 (Anlage K 4) in Kopie übersandten wesentlich anderen Betreuungsvertrag zur Unterschrift vorgelegt, der eine andere Präambel und in § 5 Nr. 3 auch eine andere Kündigungsregelung enthält. Und nachdem die Beklagten im April 2005 diesen anderen Betreuungsvertrag abgeschlossen hatten, sah die Klägerin sie unstreitig trotzdem als aufgrund der Benennungsfiktion berechtigte Nutzer an - eine ausdrückliche Benennung eines Nutzungsberechtigten ist durch die Klägerin nach der Erklärung ihres Bürgermeisters Herrn ... im Termin vom 9. Juni 2010 nämlich bisher noch niemals erfolgt. Dies mag darauf beruhen, dass gemäß dem Schreiben des Amtes ...an die Beklagten vom 31. August 2004 (Anlage K 9) in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die Eheleute ..., der „quasi als Musterprozess“ angesehen wurde, vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein Vergleich abgeschlossen worden sein soll, wonach die dortigen Beklagten sich verpflichteten, ab 1. September 2004 mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ einen Vertrag gemäß einem „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ (Anlage K 15 in jenem Rechtsstreit) abzuschließen, der offenbar dem von den Beklagten unterzeichneten Vertragstext entspricht.
- 52
Das Gericht schließt hieraus, dass die Klägerin selbst irgendwann zu der Auffassung gekommen ist, dass der Abschluss des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 von denjenigen Personen, die ihre frei finanzierte Wohnung als Eigentümer selbst nutzen, nicht verlangt werden kann, weil der Abschluss bei ihnen keine Rechtswirkungen entfalten würde. Obwohl also der Abschluss genau jenes für die Eigentümer frei finanzierter Wohnungen wirkungslosen Betreuungsvertrages als fingierte Nutzerbenennung nach wie vor gemäß § 874 BGB Inhalt der im Grundbuch eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist, wird die Klausel der fingierten Benennung bei den Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen offenbar auch von der Klägerin selbst anders ausgelegt als es ihrem eindeutigen Wortlaut entspricht, nämlich dahingehend, dass der Abschluss des „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Häuser“ genügt, um als benannt zu gelten. Dies kann allerdings kein Erwerber wissen, der sich am Inhalt des Grundbuches orientiert oder dem aufgrund der vertraglichen Klausel zur Weitergabe durch seinen Verkäufer die Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde auferlegt wird.
- 53
Sämtliche vorstehend aufgeführten Unklarheiten müssen gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin gehen.
- 54
Nicht zu Lasten, sondern zugunsten der Klägerin ginge es aber, wenn man zu dem Ergebnis gelangen würde, dass die Beklagten nicht als Nutzungsberechtigte benannt galten, weil sie nicht den in der Bestellungsurkunde genannten Betreuungsvertrag für Mieter öffentlich geförderte Wohnungen abgeschlossen haben. Denn hätten die Beklagen einen solchen Vertrag unterzeichnet, wäre dieser, wie ausgeführt, ohne gleichzeitigen Abschluss eines für sie sinnlosen Mietvertrages rechtsunwirksam geblieben.
- 55
Auch kann es nicht zu Lasten der Beklagten gehen, wenn sie den abgeschlossenen, aber im Hinblick auf § 309 Nr. 9 a BGB (entsprechend § 11 Nr. 12 a AGBG) wirksam gekündigten (vgl. dazu BGH NJW 2007, Seite 213, 214) „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ nicht erneut abschließen. Denn erstens wäre die Benennungsfiktion gemäß § 5 AGBG restriktiv in dem Sinne auszulegen, dass bereits der einmalige Abschluss eines Betreuungsvertrages zur Benennung genügt, sein Fortbestand - jedenfalls über zwei Jahre hinaus (§ 309 Nr. 9 a BGB) - aber nicht erforderlich ist. Und zweitens und vor allem wäre der erneute Abschluss eines „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Wohnungen“ auch nicht geeignet, die Benennungsfiktion auszulösen, weil diese, wie ausgeführt, ausdrücklich an den Abschluss des Betreuungsvertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen anknüpft, somit an den Abschluss eines anderen Vertrages.
- 56
Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung, weil die Beklagten mangels Bestehens eines wirksamen Betreuungsvertrages nicht als durch die Klägerin benannte Nutzer gelten.
- 57
4. Die Klägerin hat derzeit auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung durch die Beklagten, weil diese nicht ausdrücklich von ihr als Nutzungsberechtigte benannt worden sind.
- 58
Insoweit ist die Ausübung des Besetzungsrechts durch die Klägerin klar und eindeutig geregelt. Wen sie ausdrücklich benennt, ist zur Nutzung berechtigt.
- 59
Unstreitig hat die Klägerin die Beklagten nicht ausdrücklich benannt. Die Klägerin hat bisher überhaupt noch keine Person ausdrücklich benannt, wie Herr..., ihr Bürgermeister, auf Frage im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt hat. Er hat weiter erklärt, zu einer derartigen Benennung sei es noch niemals gekommen, weil bisher immer die Benennungsfiktion gegriffen habe. Auf weitere Frage hat er erklärt, dass bei der Klägerin deshalb auch keine Kriterien dafür festgelegt seien, wen sie ausdrücklich benenne und wen nicht.
- 60
Von einer Gemeinde ist jedoch zu erwarten, dass sie gleich gelagerte Sachverhalte in gleicher Weise behandelt, dass sie für den Bürger überprüfbar und deshalb schriftlich festlegt, unter welchen Voraussetzungen die ausdrückliche Benennung erfolgt, und dass sie eine nutzungswillige Person unter Beachtung dieser Voraussetzungen benennt oder auch nicht benennt. Naheliegend könnte die Klägerin dafür z. B. bei Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen den Abschluss des o. g. Musterbetreuungsvertrages und dessen Aufrechterhaltung verlangen. Denkbar sind aber auch andere Regelungen, z. B. die einmalige Zahlung eines Betrages, der dem Betreuungsentgelt für 10 Jahre entspricht - falls sich die Klägerin an der in der Literatur (vgl. Heinemann aaO) befürworteten zeitlichen Begrenzung des Besetzungsrechts auf 10 Jahre orientieren sollte.
- 61
Da die Klägerin derartige Voraussetzungen aber bisher weder festgelegt hat noch auch nur einen Anlass dafür gesehen hat, somit auch nicht prüfbar ist, unter welchen Voraussetzungen die Beklagten einen Anspruch auf Benennung hätten und ob sie diese Voraussetzungen erfüllen würden, kann die Klägerin derzeit keine Rechte daraus herleiten, dass sie die Beklagten nicht ausdrücklich benannt hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagten im Rahmen der Vergleichsanregungen des Gerichts im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt haben, sie könnten sich die Zahlung eines auf 10 Jahre bezogenen Betrages abzüglich der während des Bestehens des im April 2005 abgeschlossenen Betreuungsvertrages bereits erbrachten Zahlungen gut vorstellen; die Klägerin hat sich hierauf aus grundsätzlichen Erwägungen aber nicht einlassen wollen.
- 62
Aufgrund der obigen Ausführungen ist der Klagantrag zu 1 zur Zeit nicht begründet.
- 63
5. Der Klagantrag zu 2 ist ebenfalls nicht begründet.
- 64
Die Klägerin hat nicht schon deshalb einen Anspruch auf Feststellung, dass den Beklagten die Nutzung verboten ist, wenn diese nicht von ihr benannt werden, denn insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin keine Benennung ausspricht, sondern darauf, ob die Beklagten nach den von der Klägerin erst noch schriftlich festzulegenden Voraussetzungen einen Anspruch auf Benennung hätten. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Nutzungsverbotes, wenn und soweit die Beklagten alternativ nicht durch Abschluss „eines Betreuungsvertrages“ mit dem Verein als benannt gelten. Denn, wie dargelegt, knüpft die Benennungsfiktion nicht an den Abschluss irgendeines Betreuungsvertrages an, sondern ausdrücklich an den Abschluss des Vertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen, der aber im Falle der Eigennutzer frei finanzierter Wohnungen nicht wirksam werden kann.
- 65
6. Auch der Klagantrag zu 3 hat keinen Erfolg. Denn weil die Klägerin derzeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung gegen die Beklagten hat, kommt auch die Androhung eines Ordnungsmittels gemäß § 890 ZPO nicht in Frage.
- 66
7. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 und 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um die Unterlassung der Nutzung des Objektes ..., ..., durch die Beklagten.
- 2
Die Klägerin verkaufte im Jahr 1997 ein Grundstück an den Bauunternehmer..., der darauf eine Seniorenwohnanlage errichten sollte. Die Klägerin wollte einen Seniorenpark mit Betreuungseinrichtungen und einer Begegnungsstätte schaffen. Der Bauunternehmer verpflichtete sich unter § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages vom 17.6.1997 gegenüber der Klägerin, die auf den Teilgebieten 4, 5, und 6 des Bebauungsplanes entstehenden frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die einen Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen.
- 3
In § 6 Nr. 10 übernahm der Bauunternehmer weiter die Verpflichtung, diese Bau- und Benutzungsverpflichtung und alle weiteren sich aus diesem Vertrag ergebenden Pflichten seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen, und zwar mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Des Weiteren verpflichtete sich der Bauunternehmer in § 6 Nr. 11 des Kaufvertrages, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin an rangerster Stelle eintragen zu lassen, wonach die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes zu errichtenden Wohnungen nur an Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, zur Nutzung überlassen werden dürfen, sowie (§ 6 Nr. 13 des Kaufvertrages) eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin eintragen zu lassen, nach welcher die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 befindlichen Wohnungen nur von Personen genutzt werden dürfen, die von der Gemeinde... benannt werden. Dabei gilt diese Benennung für Personen als erteilt, die oder für die gleichzeitig ein Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen bzw. abgeschlossen wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Die Eintragungsbewilligung in der Auflassungsurkunde vom 25.11.1997 (Anlage K 4) entspricht hinsichtlich des Inhalts der Dienstbarkeit der Vereinbarung vom 17.6.1997.
- 4
Der Unternehmer bebaute das Grundstück, teilte es und verkaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 14.04.1999 (Anlage K 2) das Objekt..., welches auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes liegt, an die Beklagten. In dem Kaufvertrag heißt es in der Präambel, dass die Bewohner des Grundstücks verpflichtet sind, die Grundleistungen des Betreuungsangebots in Anspruch zu nehmen. Die Käufer übernahmen die Lasten in Form der Wohnungsbesetzungsrechte ohne Anrechnung auf den Kaufpreis. Ferner erkannten die Beklagten zu § 6 des Kaufvertrages an, die Vereinbarungen und Verpflichtungen aus dem vorangegangenen Grundstückskaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Bauunternehmer zu erfüllen. Mit der Eintragung der Beklagten im Grundbuch wurde ihr Grundstück mit dem Wohnungsbesetzungsrecht für die Klägerin belastet.
- 5
Das Objekt wird von den Beklagten genutzt.
- 6
Der Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ soll den Bewohnern der Anlage eine möglichst günstige Betreuung bieten. Daher sieht das Konzept der Klägerin vor, dass sämtliche Bewohner der Anlage einen entgeltlichen Betreuungsvertrag mit dem Verein abschließen müssen. Die Betreuungspauschale beträgt für Einzelpersonen monatlich 50 €, für Ehepaare 70 €. Die Verpflichtung zum Vertragsabschluss besteht unabhängig davon, ob die Bewohner die Leistungen in Anspruch nehmen oder nicht.
- 7
Die Kläger sind über 60 Jahre alt. Sie wurden von der Klägerin nicht als Nutzungsberechtigte benannt. Sie weigerten sich jedoch zunächst, einen entsprechenden Betreuungsvertrag mit der Klägerin abzuschließen. Die Gemeinde ... klagte vor dem Landgericht Kiel (Az.: 9 O 317/04) auf Unterlassung der Nutzung der Immobilie. Die Beklagten wurden am 31.03.2005 dazu verurteilt, die Nutzung zu unterlassen. Daraufhin schlossen die Beklagten im April 2005 mit der Klägerin einen entsprechenden Betreuungsvertrag ab. Diesen kündigten sie am 20.07.2008 zum 31.8.2008 (Anlage K 7). Am 19.09.2008 untersagte die Klägerin den Beklagten die Nutzung der Immobilie auf der Grundlage des Urteils vom 31.03.2005 (Anlage K 8). Wegen Zuwiderhandlung gegen die Anordnung des Landgerichts aus dem Urteil vom 31.03.2005 drohte das Landgericht Kiel den Beklagten auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 19.11.2008 mit der Verhängung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft. Dagegen legten die Beklagten sofortige Beschwerde ein. Diese wies das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Az.: 16 W 157/08) zurück, mit der Begründung, die Beklagten könnten sich der Auslegung des Unterlassungsgebots in dem Urteil vom 31.03.2005 nicht dadurch entziehen, dass sie zunächst zwar einen Betreuungsvertrag abgeschlossen, diesen dann aber später gekündigt hätten; die Nutzung des streitigen Grundstücks ohne Benennung durch die Klägerin und ohne einen bestehenden Betreuungsvertrag verletze den Kern des Unterlassungsgebots.
- 8
Die Beklagten erhoben Vollstreckungsabwehrklage vor dem Landgericht Kiel (9 O 307/08) mit der Begründung, das Urteil vom 31.03.2005 sei überholt, da sie zwischenzeitlich einen Betreuungsvertrag abgeschlossen hätten. Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab, da die Beklagten keine zulässige Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch erhoben hätten. Solange die Beklagten den Betreuungsvertrag mit der Klägerin aufrecht erhalten hätten, habe möglicherweise ein Einwand gegen das Unterlassungsgebot bestanden, denn die Beklagten hätten die Nutzung der Immobilie nur deshalb unterlassen müssen, weil ein Betreuungsvertrag gefehlt habe. Die ursprüngliche Situation sei aber in dem Moment wieder aufgelebt, in dem die Kläger den Betreuungsvertrag gekündigt hätten.
- 9
Gegen diese Entscheidung legten die Beklagten Berufung zum Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein (Az.: 17 U 41/09). Das Oberlandesgericht erklärte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Kiel vom 31.03.2005 (Az.: 9 O 317/04) für unzulässig. Es stellte nach eingehender Betrachtung des Streitgegenstandes, der dem Urteil vom 31.03.2005 zugrunde lag, fest: „Streitgegenstand und Rechtskraft des Ersturteils erstrecken sich damit auf den Nichtabschluss eines Betreuungsvertrags, nicht aber auf die Frage, wie die Situation zu beurteilen ist, wenn nach Abschluss eines Betreuungsvertrags ein solcher wieder gekündigt wird. Hierzu bedarf es erforderlichenfalls einer neuen Entscheidung.“
- 10
Die Klägerin meint:
- 11
Das zu ihren Gunsten eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht sowie das Vorgehen hieraus sei rechtmäßig. In dem vorliegenden Fall werde den Eigentümern eine konkret bezeichnete Art der tatsächlichen Nutzung untersagt, nämlich die Nutzung durch Personen, welche die in der Grunddienstbarkeit genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Diese Voraussetzungen seien in der Bestallungsurkunde konkret beschrieben.
- 12
Auch die Ausübung des Wohnungsbesetzungsrechts sei nicht rechtsmissbräuchlich und unangemessen.
- 13
Die Benennungsfiktion, die durch den Abschluss eines Betreuungsvertrags entstehe, erlösche in dem Moment, in dem kein wirksamer Betreuungsvertrag existiere. Dies sei sowohl bei Verweigerung des erstmaligen Abschlusses als auch bei einer späteren Kündigung der Fall.
- 14
Die Differenzierung zwischen „vermeintlich verschiedenen Lebenssachverhalten“, die das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in dem Urteil vom 04.12.2009 (Az.: 17 U 41/09) vorgenommen hat, sei unangebracht und lebensfern.
- 15
Die Klägerin beantragt,
- 16
1. die Beklagten zu verurteilen, die Nutzung des Objektes ..., ...zu unterlassen;
- 17
2. festzustellen, dass den Beklagten die Nutzung des Objektes ...verboten ist, wenn und soweit sie nicht von der Klägerin entsprechend der zugunsten der Klägerin im Grundbuch von ...Blatt 1550, Abteilung II Nr. 1 eingetragenen Wohnungsbesetzungsdienstbarkeit benannt werden oder durch erstmaligen oder erneuten Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ als benannt gelten und dieser erstmals oder erneut abgeschlossene Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ auch noch besteht;
- 18
3. für jeden Fall des Zuwiderhandelns gegen die Beklagte die Androhung eines Ordnungsmittels auszusprechen.
- 19
Die Beklagten beantragen,
- 20
die Klage abzuweisen.
- 21
Die Beklagten meinen:
- 22
Der Anspruch auf Nutzungsunterlassung sei schon deshalb nicht gegeben, weil durch den Abschluss des Betreuungsvertrages die Benennungsfiktion eingetreten sei. Sie, die Beklagten, seien von der Klägerin benannt worden. Diese Benennung könne die Klägerin nicht widerrufen.
- 23
Es bestehe allerdings schon keine Rechtsgrundlage für die eingetragenen Grunddienstbarkeiten. Aufgrund dessen werde die Einrede der Bereicherung gemäß § 821 BGB erhoben. Eine Unterlassungsdienstbarkeit mit dem Inhalt, den die Klägerin ihr beimesse, sei unzulässig, denn ein Ausschluss des Eigentümers von der Grundstücks-nutzung könne nicht vereinbart werden. Eine Unterlassungsdienstbarkeit müsse das Verbot von tatsächlichen Handlungen auf dem Grundstück betreffen. Beschränkungen der rechtlichen Befugnisse des Eigentümers könnten daher nicht Inhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sein.
- 24
Sie sind weiterhin der Ansicht, dass die eingetragenen Dienstbarkeiten unklar seien. Die Verpflichtung beziehe sich allein auf die öffentlich geförderten Wohnungen und den Abschluss eines Betreuungsvertrags für öffentlich geförderte Wohnungen. Nur ein solcher Betreuungsvertrag habe vorgelegen. Der notarielle Kaufvertrag über das Objekt ... sei ein Formularvertrag, die maßgeblichen Klauseln seien jeweils vorformulierte Teile. Daher gingen alle Zweifel hinsichtlich der Auslegung zu Lasten der Klägerin. Bestimmungen seien unwirksam, wenn sie zu einer unangemessenen Benachteiligung führen würden. Hier liege eine unangemessene Benachteiligung vor, da die Bestimmungen nicht klar und verständlich seien. Deshalb seien die entsprechenden Bestimmungen aufgrund der Gebote von Treu und Glauben unwirksam.
- 25
Die Klägerin könne keinen Kontrahierungszwang auf Abschluss eines Betreuungsvertrags mit einem Dritten ausüben. Aus dem Streit über den Abschluss eines solchen Vertrages mit einem bestimmten Entgelt könne sich nicht die Verpflichtung des Eigentümers ergeben, die Nutzung seines Eigentums zu unterlassen, zumal er für das Entgelt keine Gegenleistung erhalte. Dies sei sittenwidrig, das Begehren der Klägerin stelle einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar.
- 26
Im Übrigen setze ein Wohnungsbesetzungsrecht begrifflich die Überlassung durch den Eigentümer auf einen Dritten voraus. Bei der originären bestimmungsgemäßen Nutzung durch den Eigentümer selbst könne ein solches Besetzungsrecht nicht greifen. Das Verlangen der Beklagten verstoße gegen § 242 BGB, eine etwa begründete Verpflichtung sei nach § 138 BGB nichtig.
- 27
Hilfsweise erheben die Beklagten den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Denn das Wohnungsbesetzungsrecht sei von der Klägerin erst geltend gemacht worden, nachdem alle 13 frei finanzierten Grundstücke verkauft gewesen seien. Sie habe die Eigentümer dieser Grundstücke über die Pflicht zum Abschluss eines Betreuungsvertrags arglistig getäuscht. Allen Erwerbern frei finanzierter Wohnungen und auch den Beklagten sei bei der Beurkundung von dem beurkundenden Notar gesagt worden, der Abschluss eines Betreuungsvertrages sei möglich, aber nicht erforderlich, und ein Entgelt sei nicht zu zahlen, wenn keine Betreuung in Anspruch genommen wurde (Beweis: 12 Zeugen gemäß Seite 3 der Klagerwiderung vom 18. März 2010). Daher sei die Rechtsausübung treuwidrig.
- 28
Des Weiteren sei es mit dem Wesen des Eigentums unvereinbar, dass der abgeschlossene Betreuungsvertrag jede Kündigungsmöglichkeit des Eigentümers, der seinen Grundbesitz selbst nutze, ausschließe. Die entsprechende Klausel im Kaufvertrag sei auch im Hinblick auf die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Dabei berufen sich die Beklagten auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 06.12.2001 (Az.: 15 U 208/00) und des Landgerichts Lüneburg vom 07.11.2002 (Az.: 1 0 132/02), die dies ebenso gesehen hätten.
- 29
Dazu meint die Klägerin:
- 30
Der Inhalt der Unterlassungsdienstbarkeit bestehe gerade nicht in der Beschränkung der rein rechtlichen Befugnisse der Beklagten. Die Beschränkung in dem Unterlassungsgebot einer Nutzung bestehe in der Weise, dass die Beklagten nicht dem Personenkreis der an dem Konzept des betreuten Wohnens teilnehmenden Personen angehört. Dies sei eine rein faktische Voraussetzung und dementsprechend werde auch das Untersagen einer faktischen Nutzung untersagt.
- 31
Sie verfolge mit dem Vorgehen aus dem Wohnungsbesetzungsrecht nicht das Ziel, dass die Beklagten erneut einen Betreuungsvertrag unterzeichnen. Dafür bilde das Wohnungsbesetzungsrecht zutreffend keine Anspruchsgrundlage. Gegenstand dieses Wohnungsbesetzungsrechts sei die Verpflichtung zur Nutzung im Sinne des betreuten Wohnens. Nur dies sei Gegenstand der Klage.
- 32
Darüber hinaus sei Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Möglichkeit oder die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines Betreuungsvertrags, sondern die Folgen einer solchen vorgenommenen Kündigung.
- 33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 09.06.2010.
Entscheidungsgründe
- 34
Die Klage ist derzeit nicht begründet.
- 35
1. Die Klägerin hat zur Zeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Objekts durch die Beklagten, obwohl diese weder ausdrücklich durch die Klägerin als berechtigte Nutzer ihrer Wohnung benannt worden sind noch aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als benannt gelten.
- 36
2. Das zugunsten der Klägerin eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht ist allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten als beschränkte persönliche Dienstbarkeit rechtswirksam bestellt worden. Es genügt dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, ist auch ohne ausdrückliche zeitliche Begrenzung wirksam und ist schließlich auch nicht sittenwidrig.
- 37
Bei dem Recht handelt es sich um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in der Form eines Wohnungsbesetzungsrechtes (§§ 1090, 1018 BGB). Nach dem Inhalt des Rechts sollen auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen, nämlich die Überlassung der Wohnungen auf dem Grundstück an beliebige Personen. Damit liegt eine Unterlassungsdienstbarkeit vor (Fall 2 des § 1018 BGB). Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Dienstbarkeit in der Form des Wohnungsbesetzungsrechts, mit der öffentliche Interessen verfolgt werden, steht heute nicht mehr in Frage (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023; BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317). Das hier verfolgte öffentliche Interesse besteht in der Förderung des betreuten Wohnens älterer Menschen ab 60 Jahren (§ 26 Abs. 2 II. WoBauG), wie dies auch aus dem Inhalt der Eintragung im Grundbuch hervorgeht, die in zulässiger Weise (§ 874 BGB) auf den Inhalt der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 (UR-Nr. 330/1997 B des Notars ... in... ) verweist, somit auch auf die Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ... e.V.“.
- 38
Der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unklar. Die Klägerin ist danach berechtigt, die Nutzer der davon betroffenen Wohnungen zu benennen. Sie kann dies entweder ausdrücklich tun oder es greift die Benennungsfiktion bei Abschluss des vorgegebenen Betreuungsvertrages durch den Nutzer ein.
- 39
Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass das Wohnungsbesetzungsrecht die Überlassung eines Objekts durch den Eigentümer an einen „Dritten“ voraussetze und deshalb für den Fall der originären Nutzung durch den Eigentümer nicht gelte. Das zugunsten der Klägerin bestellte dingliche Recht enthält eine derartige Einschränkung nicht, sondern gilt gemäß Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde ausnahmslos gegenüber allen Personen, die die betreffenden Wohnungen nutzen. Auch die Benennungsfiktion ist grundsätzlich zulässig (vgl. LG München II, MittBayNot 2002, Seite 400, 401). Es handelt sich dabei um eine im Voraus erteilte typisierte Benennungserklärung der Klägerin.
- 40
Das Wohnungsbesetzungsrecht ist auch nicht deshalb unwirksam, weil es nicht zeitlich begrenzt ist. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, eine solche Dienstbarkeit sollte stets zeitlich befristet oder auflösend bedingt sein, notwendig sei dies aber nicht (so z. B. Schöner/Stöber Grundbuchrecht, 14. Auflg. 2008, Rn 1205; Heinemann MittBayNot 2002, Seite 1, 5). Aus dem Gesetz lässt sich die Notwendigkeit einer Befristung etwa auf die Lebensspanne einer natürlichen Person nicht entnehmen (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023). Sie ergibt sich auch nicht aus dem Wesen der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit als grundsätzlich nicht übertragbarem Recht. Denn der Gesetzgeber hat in § 1092 Abs. 2 BGB selbst die Möglichkeit eröffnet, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit auch einer juristischen Person einzuräumen, und er hat für diesen Fall auch Ausnahmen von der Unübertragbarkeit normiert (§§ 1059 a bis 1059 d BGB). Eine Befristung ist deshalb nicht notwendige Voraussetzung eines Wohnungsbesetzungsrechts für eine juristische Person; die fehlende Befristung führt deshalb auch nicht zur Nichtigkeit der Dienstbarkeitsbestellung und der Eintragungsbewilligung wegen Sittenwidrigkeit (vgl. BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317).
- 41
3. Das Wohnungsbesetzungsrecht berechtigt die Klägerin aber derzeit nicht, den Beklagten die Nutzung des Objekts zu untersagen, obwohl die Beklagten weder aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als durch die Klägerin benannte Nutzer ihrer Wohnung gelten noch durch die Klägerin ausdrücklich als berechtigte Nutzer benannt worden sind.
- 42
Die Beklagten gelten mangels eines wirksamen Betreuungsvertrages zwar nicht als durch die Klägerin benannt. Die Klägerin kann sich darauf aber gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) nicht berufen, weil hier Zweifel an der Auslegung der Benennungsklausel bestehen, die gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin als Verwenderin Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen.
- 43
Zwar ist der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin, nämlich die Nutzer der Wohnungen zu benennen, wie ausgeführt, hinreichend bestimmt. Dies gilt jedoch nicht für die von dem Inhalt des dinglichen Rechts zu unterscheidenden Voraussetzungen seiner Ausübung, wonach eine Person als benannt gilt, die gleichzeitig den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abschließt. Diese Klausel ist nämlich mehrdeutig.
- 44
Zum einen könnte man sie so verstehen, dass als benannt gilt, wer einen entsprechenden Betreuungsvertrag abschließt und dass diese Benennung nur genau für die Zeit besteht, in der die „Benannten“ den Betreuungsvertrag aufrechterhalten. Dafür spricht der Zweck, den die Klägerin mit dem Benennungsrecht verfolgte. Sie wollte seniorengerechten Wohnraum mit Betreuungseinrichtungen schaffen. Diese Betreuungseinrichtungen sind durch den Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ organisiert, dessen Mitglieder die Bewohner der Objekte der Seniorenwohnanlage sein sollen. Diese Ausgestaltung soll auf einem Solidargedanken ähnlich dem Versicherungswesen basieren. Es würde diesem Zweck widersprechen, wenn der Nutzer nur den Vertrag abschließen müsste, um als benannt zu gelten, und ihn dann folgenlos sofort wieder kündigen könnte. Für diese Auslegung spricht auch, dass derjenige Betreuungsvertrag, auf den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde verwiesen wird und der gemäß seiner Präambel ausschließlich auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen der Seniorenwohnanlage zugeschnitten ist, für einen Betreuten in § 5 ein Kündigungsrecht nur dann vorsieht, wenn der Betreute „aus öffentlich geförderten Wohnungen“ das Mietverhältnis beendet. Dort heißt es: „Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich“. Da dieser Vertrag nach dem Willen der Klägerin ursprünglich auch den Käufern der frei finanzierten Wohnungen zur Unterzeichnung vorgelegt wurde, ist davon auszugehen, dass nach dem Willen der Klägerin ein Kündigungsrecht für diese Personen ausgeschlossen werden sollte, solange das Objekt von ihnen selbst bewohnt wird.
- 45
Die Benennungsfiktion könnte aber auch dahin verstanden werden, dass es für die Benennung genügt, den in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abzuschließen. Denn nach dem Wortlaut kommt es nur auf das „Abschließen“ des Vertrages an, nicht auch auf seinen Fortbestand.
- 46
Nach dem Wortlaut käme es auch nicht darauf an, ob ein Nutzer einen abgeschlossenen Betreuungsvertrag auch erfüllt, insbesondere ob er das unabhängig von der Inanspruchnahme der Betreuungsleistungen in gleicher Höhe geschuldete Betreuungsentgelt vertragsgerecht zahlt und damit solidarisch den Vereinszweck, nämlich eine möglichst günstige Betreuung, fördert, worauf es der Klägerin nach ihrem Vortrag ankam. Es fehlt auch jede Regelung, ob dann, wenn der Betreuungsverein den Vertrag wegen Zahlungsrückständen wirksam kündigt, die Benennungsfiktion von selbst entfällt oder ob es zusätzlich eines Widerrufes der Nutzungsberechtigung durch die Klägerin bedarf.
- 47
Die hieraus resultierende Unklarheit geht gemäß § 5 AGBG, welches im Zeitpunkt der Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit galt, zu Lasten der Klägerin.
- 48
Bei der erwähnten Benennungsfiktion in der Bestellungsurkunde handelt es sich ebenso um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des AGBG wie bei dem darin in Bezug genommenen Betreuungsvertrag, der ausdrücklich Bestandteil der Betreuungsurkunde ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin selbst hatte als Verkäuferin in § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages ihrem Käufer, dem Dipl.-Ing. ..., vertraglich auferlegt, die frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ den Betreuungsvertrag abschließen, der als Anlage 3 dem Kaufvertrag als Bestandteil beigefügt war. Gemäß § 6 Nr. 10 hatte die Klägerin dem Käufer...vertraglich auferlegt, eine gleichartige Verpflichtung seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Gemäß § 6 Nr. 13 Abs. 2 war der Käufer... ferner verpflichtet, der Klägerin eine entsprechende beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Besetzungsrecht) mit der Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 3 zu bestellen. Verwenderin dieser AGB (Benennungsklausel und Betreuungsvertrag) gegenüber dem Käufer ... und - mittels der Weitergabeklausel des § 6 Nr. 10 - durch den Käufer...gegenüber allen Folgeerwerbern war die Klägerin. Sie hat diese Vertragsbedingungen einseitig gestellt und direkt und indirekt für eine Vielzahl von Verträgen verwendet, ebenso hat sie den Text der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 und damit auch den Inhalt der Grundbucheintragung vorgegeben.
- 49
Wesentlich bedeutsamer als die oben erwähnte Unklarheit erscheint hier, dass im Nachhinein sogar zweifelhaft ist, welcher Betreuungsvertrag von den Beklagten abzuschließen war, damit sie als von der Klägerin benannt galten.
- 50
Die Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 verweist eindeutig auf den Betreuungsvertrag „gemäß Anlage 1, der Bestandteil dieser Urkunde ist und auf die verwiesen wird“. Dieser Betreuungsvertrag ist allein auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen zugeschnitten. Diese können nach der Präambel „nur von Personen angemietet werden, die auch mit dem karitativen Betreiber einen Betreuungsvertrag schließen“. Weiter heißt es in der Präambel: „Dieser Betreuungsvertrag steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag. Ein Mietvertrag kommt nur gleichzeitig mit dem Abschluss des Betreuungsvertrages zustande“. Dementsprechend heißt es in § 5 Nr. 3 und Nr. 4 jenes Betreuungsvertrages: „Die Dauer des Vertragsverhältnisses ist für den Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen abhängig von der Dauer des Mietverhältnisses. Die Kündigungsfrist richtet sich bei dem Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen nach der für das Mietverhältnis geltenden Kündigungsfrist. Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich.“
- 51
Nach der Präambel ist der Bestand des Betreuungsvertrages somit abhängig von dem abzuschließenden Mietvertrag („steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag“) und gilt umgekehrt dasselbe. § 5 Nr. 4 bekräftigt diese rechtliche Verknüpfung der Verträge. Diese Wirksamkeitsvoraussetzung des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1977 fehlt aber von vornherein bei denjenigen Personen, die Eigentümer einer der frei finanzierten Wohnungen sind und diese selbst nutzen, also nicht vermieten. Für sie war der Betreuungsvertrag auch erkennbar nicht gedacht. Dementsprechend hat der Verein „Betreutes Wohnen“ den Beklagten auch den mit Schreiben vom 1. September 2004 (Anlage K 4) in Kopie übersandten wesentlich anderen Betreuungsvertrag zur Unterschrift vorgelegt, der eine andere Präambel und in § 5 Nr. 3 auch eine andere Kündigungsregelung enthält. Und nachdem die Beklagten im April 2005 diesen anderen Betreuungsvertrag abgeschlossen hatten, sah die Klägerin sie unstreitig trotzdem als aufgrund der Benennungsfiktion berechtigte Nutzer an - eine ausdrückliche Benennung eines Nutzungsberechtigten ist durch die Klägerin nach der Erklärung ihres Bürgermeisters Herrn ... im Termin vom 9. Juni 2010 nämlich bisher noch niemals erfolgt. Dies mag darauf beruhen, dass gemäß dem Schreiben des Amtes ...an die Beklagten vom 31. August 2004 (Anlage K 9) in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die Eheleute ..., der „quasi als Musterprozess“ angesehen wurde, vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein Vergleich abgeschlossen worden sein soll, wonach die dortigen Beklagten sich verpflichteten, ab 1. September 2004 mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ einen Vertrag gemäß einem „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ (Anlage K 15 in jenem Rechtsstreit) abzuschließen, der offenbar dem von den Beklagten unterzeichneten Vertragstext entspricht.
- 52
Das Gericht schließt hieraus, dass die Klägerin selbst irgendwann zu der Auffassung gekommen ist, dass der Abschluss des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 von denjenigen Personen, die ihre frei finanzierte Wohnung als Eigentümer selbst nutzen, nicht verlangt werden kann, weil der Abschluss bei ihnen keine Rechtswirkungen entfalten würde. Obwohl also der Abschluss genau jenes für die Eigentümer frei finanzierter Wohnungen wirkungslosen Betreuungsvertrages als fingierte Nutzerbenennung nach wie vor gemäß § 874 BGB Inhalt der im Grundbuch eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist, wird die Klausel der fingierten Benennung bei den Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen offenbar auch von der Klägerin selbst anders ausgelegt als es ihrem eindeutigen Wortlaut entspricht, nämlich dahingehend, dass der Abschluss des „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Häuser“ genügt, um als benannt zu gelten. Dies kann allerdings kein Erwerber wissen, der sich am Inhalt des Grundbuches orientiert oder dem aufgrund der vertraglichen Klausel zur Weitergabe durch seinen Verkäufer die Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde auferlegt wird.
- 53
Sämtliche vorstehend aufgeführten Unklarheiten müssen gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin gehen.
- 54
Nicht zu Lasten, sondern zugunsten der Klägerin ginge es aber, wenn man zu dem Ergebnis gelangen würde, dass die Beklagten nicht als Nutzungsberechtigte benannt galten, weil sie nicht den in der Bestellungsurkunde genannten Betreuungsvertrag für Mieter öffentlich geförderte Wohnungen abgeschlossen haben. Denn hätten die Beklagen einen solchen Vertrag unterzeichnet, wäre dieser, wie ausgeführt, ohne gleichzeitigen Abschluss eines für sie sinnlosen Mietvertrages rechtsunwirksam geblieben.
- 55
Auch kann es nicht zu Lasten der Beklagten gehen, wenn sie den abgeschlossenen, aber im Hinblick auf § 309 Nr. 9 a BGB (entsprechend § 11 Nr. 12 a AGBG) wirksam gekündigten (vgl. dazu BGH NJW 2007, Seite 213, 214) „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ nicht erneut abschließen. Denn erstens wäre die Benennungsfiktion gemäß § 5 AGBG restriktiv in dem Sinne auszulegen, dass bereits der einmalige Abschluss eines Betreuungsvertrages zur Benennung genügt, sein Fortbestand - jedenfalls über zwei Jahre hinaus (§ 309 Nr. 9 a BGB) - aber nicht erforderlich ist. Und zweitens und vor allem wäre der erneute Abschluss eines „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Wohnungen“ auch nicht geeignet, die Benennungsfiktion auszulösen, weil diese, wie ausgeführt, ausdrücklich an den Abschluss des Betreuungsvertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen anknüpft, somit an den Abschluss eines anderen Vertrages.
- 56
Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung, weil die Beklagten mangels Bestehens eines wirksamen Betreuungsvertrages nicht als durch die Klägerin benannte Nutzer gelten.
- 57
4. Die Klägerin hat derzeit auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung durch die Beklagten, weil diese nicht ausdrücklich von ihr als Nutzungsberechtigte benannt worden sind.
- 58
Insoweit ist die Ausübung des Besetzungsrechts durch die Klägerin klar und eindeutig geregelt. Wen sie ausdrücklich benennt, ist zur Nutzung berechtigt.
- 59
Unstreitig hat die Klägerin die Beklagten nicht ausdrücklich benannt. Die Klägerin hat bisher überhaupt noch keine Person ausdrücklich benannt, wie Herr..., ihr Bürgermeister, auf Frage im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt hat. Er hat weiter erklärt, zu einer derartigen Benennung sei es noch niemals gekommen, weil bisher immer die Benennungsfiktion gegriffen habe. Auf weitere Frage hat er erklärt, dass bei der Klägerin deshalb auch keine Kriterien dafür festgelegt seien, wen sie ausdrücklich benenne und wen nicht.
- 60
Von einer Gemeinde ist jedoch zu erwarten, dass sie gleich gelagerte Sachverhalte in gleicher Weise behandelt, dass sie für den Bürger überprüfbar und deshalb schriftlich festlegt, unter welchen Voraussetzungen die ausdrückliche Benennung erfolgt, und dass sie eine nutzungswillige Person unter Beachtung dieser Voraussetzungen benennt oder auch nicht benennt. Naheliegend könnte die Klägerin dafür z. B. bei Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen den Abschluss des o. g. Musterbetreuungsvertrages und dessen Aufrechterhaltung verlangen. Denkbar sind aber auch andere Regelungen, z. B. die einmalige Zahlung eines Betrages, der dem Betreuungsentgelt für 10 Jahre entspricht - falls sich die Klägerin an der in der Literatur (vgl. Heinemann aaO) befürworteten zeitlichen Begrenzung des Besetzungsrechts auf 10 Jahre orientieren sollte.
- 61
Da die Klägerin derartige Voraussetzungen aber bisher weder festgelegt hat noch auch nur einen Anlass dafür gesehen hat, somit auch nicht prüfbar ist, unter welchen Voraussetzungen die Beklagten einen Anspruch auf Benennung hätten und ob sie diese Voraussetzungen erfüllen würden, kann die Klägerin derzeit keine Rechte daraus herleiten, dass sie die Beklagten nicht ausdrücklich benannt hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagten im Rahmen der Vergleichsanregungen des Gerichts im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt haben, sie könnten sich die Zahlung eines auf 10 Jahre bezogenen Betrages abzüglich der während des Bestehens des im April 2005 abgeschlossenen Betreuungsvertrages bereits erbrachten Zahlungen gut vorstellen; die Klägerin hat sich hierauf aus grundsätzlichen Erwägungen aber nicht einlassen wollen.
- 62
Aufgrund der obigen Ausführungen ist der Klagantrag zu 1 zur Zeit nicht begründet.
- 63
5. Der Klagantrag zu 2 ist ebenfalls nicht begründet.
- 64
Die Klägerin hat nicht schon deshalb einen Anspruch auf Feststellung, dass den Beklagten die Nutzung verboten ist, wenn diese nicht von ihr benannt werden, denn insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin keine Benennung ausspricht, sondern darauf, ob die Beklagten nach den von der Klägerin erst noch schriftlich festzulegenden Voraussetzungen einen Anspruch auf Benennung hätten. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Nutzungsverbotes, wenn und soweit die Beklagten alternativ nicht durch Abschluss „eines Betreuungsvertrages“ mit dem Verein als benannt gelten. Denn, wie dargelegt, knüpft die Benennungsfiktion nicht an den Abschluss irgendeines Betreuungsvertrages an, sondern ausdrücklich an den Abschluss des Vertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen, der aber im Falle der Eigennutzer frei finanzierter Wohnungen nicht wirksam werden kann.
- 65
6. Auch der Klagantrag zu 3 hat keinen Erfolg. Denn weil die Klägerin derzeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung gegen die Beklagten hat, kommt auch die Androhung eines Ordnungsmittels gemäß § 890 ZPO nicht in Frage.
- 66
7. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 und 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um die Unterlassung der Nutzung des Objektes ..., ..., durch die Beklagten.
- 2
Die Klägerin verkaufte im Jahr 1997 ein Grundstück an den Bauunternehmer..., der darauf eine Seniorenwohnanlage errichten sollte. Die Klägerin wollte einen Seniorenpark mit Betreuungseinrichtungen und einer Begegnungsstätte schaffen. Der Bauunternehmer verpflichtete sich unter § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages vom 17.6.1997 gegenüber der Klägerin, die auf den Teilgebieten 4, 5, und 6 des Bebauungsplanes entstehenden frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die einen Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen.
- 3
In § 6 Nr. 10 übernahm der Bauunternehmer weiter die Verpflichtung, diese Bau- und Benutzungsverpflichtung und alle weiteren sich aus diesem Vertrag ergebenden Pflichten seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen, und zwar mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Des Weiteren verpflichtete sich der Bauunternehmer in § 6 Nr. 11 des Kaufvertrages, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin an rangerster Stelle eintragen zu lassen, wonach die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes zu errichtenden Wohnungen nur an Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, zur Nutzung überlassen werden dürfen, sowie (§ 6 Nr. 13 des Kaufvertrages) eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin eintragen zu lassen, nach welcher die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 befindlichen Wohnungen nur von Personen genutzt werden dürfen, die von der Gemeinde... benannt werden. Dabei gilt diese Benennung für Personen als erteilt, die oder für die gleichzeitig ein Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen bzw. abgeschlossen wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Die Eintragungsbewilligung in der Auflassungsurkunde vom 25.11.1997 (Anlage K 4) entspricht hinsichtlich des Inhalts der Dienstbarkeit der Vereinbarung vom 17.6.1997.
- 4
Der Unternehmer bebaute das Grundstück, teilte es und verkaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 14.04.1999 (Anlage K 2) das Objekt..., welches auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes liegt, an die Beklagten. In dem Kaufvertrag heißt es in der Präambel, dass die Bewohner des Grundstücks verpflichtet sind, die Grundleistungen des Betreuungsangebots in Anspruch zu nehmen. Die Käufer übernahmen die Lasten in Form der Wohnungsbesetzungsrechte ohne Anrechnung auf den Kaufpreis. Ferner erkannten die Beklagten zu § 6 des Kaufvertrages an, die Vereinbarungen und Verpflichtungen aus dem vorangegangenen Grundstückskaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Bauunternehmer zu erfüllen. Mit der Eintragung der Beklagten im Grundbuch wurde ihr Grundstück mit dem Wohnungsbesetzungsrecht für die Klägerin belastet.
- 5
Das Objekt wird von den Beklagten genutzt.
- 6
Der Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ soll den Bewohnern der Anlage eine möglichst günstige Betreuung bieten. Daher sieht das Konzept der Klägerin vor, dass sämtliche Bewohner der Anlage einen entgeltlichen Betreuungsvertrag mit dem Verein abschließen müssen. Die Betreuungspauschale beträgt für Einzelpersonen monatlich 50 €, für Ehepaare 70 €. Die Verpflichtung zum Vertragsabschluss besteht unabhängig davon, ob die Bewohner die Leistungen in Anspruch nehmen oder nicht.
- 7
Die Kläger sind über 60 Jahre alt. Sie wurden von der Klägerin nicht als Nutzungsberechtigte benannt. Sie weigerten sich jedoch zunächst, einen entsprechenden Betreuungsvertrag mit der Klägerin abzuschließen. Die Gemeinde ... klagte vor dem Landgericht Kiel (Az.: 9 O 317/04) auf Unterlassung der Nutzung der Immobilie. Die Beklagten wurden am 31.03.2005 dazu verurteilt, die Nutzung zu unterlassen. Daraufhin schlossen die Beklagten im April 2005 mit der Klägerin einen entsprechenden Betreuungsvertrag ab. Diesen kündigten sie am 20.07.2008 zum 31.8.2008 (Anlage K 7). Am 19.09.2008 untersagte die Klägerin den Beklagten die Nutzung der Immobilie auf der Grundlage des Urteils vom 31.03.2005 (Anlage K 8). Wegen Zuwiderhandlung gegen die Anordnung des Landgerichts aus dem Urteil vom 31.03.2005 drohte das Landgericht Kiel den Beklagten auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 19.11.2008 mit der Verhängung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft. Dagegen legten die Beklagten sofortige Beschwerde ein. Diese wies das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Az.: 16 W 157/08) zurück, mit der Begründung, die Beklagten könnten sich der Auslegung des Unterlassungsgebots in dem Urteil vom 31.03.2005 nicht dadurch entziehen, dass sie zunächst zwar einen Betreuungsvertrag abgeschlossen, diesen dann aber später gekündigt hätten; die Nutzung des streitigen Grundstücks ohne Benennung durch die Klägerin und ohne einen bestehenden Betreuungsvertrag verletze den Kern des Unterlassungsgebots.
- 8
Die Beklagten erhoben Vollstreckungsabwehrklage vor dem Landgericht Kiel (9 O 307/08) mit der Begründung, das Urteil vom 31.03.2005 sei überholt, da sie zwischenzeitlich einen Betreuungsvertrag abgeschlossen hätten. Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab, da die Beklagten keine zulässige Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch erhoben hätten. Solange die Beklagten den Betreuungsvertrag mit der Klägerin aufrecht erhalten hätten, habe möglicherweise ein Einwand gegen das Unterlassungsgebot bestanden, denn die Beklagten hätten die Nutzung der Immobilie nur deshalb unterlassen müssen, weil ein Betreuungsvertrag gefehlt habe. Die ursprüngliche Situation sei aber in dem Moment wieder aufgelebt, in dem die Kläger den Betreuungsvertrag gekündigt hätten.
- 9
Gegen diese Entscheidung legten die Beklagten Berufung zum Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein (Az.: 17 U 41/09). Das Oberlandesgericht erklärte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Kiel vom 31.03.2005 (Az.: 9 O 317/04) für unzulässig. Es stellte nach eingehender Betrachtung des Streitgegenstandes, der dem Urteil vom 31.03.2005 zugrunde lag, fest: „Streitgegenstand und Rechtskraft des Ersturteils erstrecken sich damit auf den Nichtabschluss eines Betreuungsvertrags, nicht aber auf die Frage, wie die Situation zu beurteilen ist, wenn nach Abschluss eines Betreuungsvertrags ein solcher wieder gekündigt wird. Hierzu bedarf es erforderlichenfalls einer neuen Entscheidung.“
- 10
Die Klägerin meint:
- 11
Das zu ihren Gunsten eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht sowie das Vorgehen hieraus sei rechtmäßig. In dem vorliegenden Fall werde den Eigentümern eine konkret bezeichnete Art der tatsächlichen Nutzung untersagt, nämlich die Nutzung durch Personen, welche die in der Grunddienstbarkeit genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Diese Voraussetzungen seien in der Bestallungsurkunde konkret beschrieben.
- 12
Auch die Ausübung des Wohnungsbesetzungsrechts sei nicht rechtsmissbräuchlich und unangemessen.
- 13
Die Benennungsfiktion, die durch den Abschluss eines Betreuungsvertrags entstehe, erlösche in dem Moment, in dem kein wirksamer Betreuungsvertrag existiere. Dies sei sowohl bei Verweigerung des erstmaligen Abschlusses als auch bei einer späteren Kündigung der Fall.
- 14
Die Differenzierung zwischen „vermeintlich verschiedenen Lebenssachverhalten“, die das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in dem Urteil vom 04.12.2009 (Az.: 17 U 41/09) vorgenommen hat, sei unangebracht und lebensfern.
- 15
Die Klägerin beantragt,
- 16
1. die Beklagten zu verurteilen, die Nutzung des Objektes ..., ...zu unterlassen;
- 17
2. festzustellen, dass den Beklagten die Nutzung des Objektes ...verboten ist, wenn und soweit sie nicht von der Klägerin entsprechend der zugunsten der Klägerin im Grundbuch von ...Blatt 1550, Abteilung II Nr. 1 eingetragenen Wohnungsbesetzungsdienstbarkeit benannt werden oder durch erstmaligen oder erneuten Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ als benannt gelten und dieser erstmals oder erneut abgeschlossene Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ auch noch besteht;
- 18
3. für jeden Fall des Zuwiderhandelns gegen die Beklagte die Androhung eines Ordnungsmittels auszusprechen.
- 19
Die Beklagten beantragen,
- 20
die Klage abzuweisen.
- 21
Die Beklagten meinen:
- 22
Der Anspruch auf Nutzungsunterlassung sei schon deshalb nicht gegeben, weil durch den Abschluss des Betreuungsvertrages die Benennungsfiktion eingetreten sei. Sie, die Beklagten, seien von der Klägerin benannt worden. Diese Benennung könne die Klägerin nicht widerrufen.
- 23
Es bestehe allerdings schon keine Rechtsgrundlage für die eingetragenen Grunddienstbarkeiten. Aufgrund dessen werde die Einrede der Bereicherung gemäß § 821 BGB erhoben. Eine Unterlassungsdienstbarkeit mit dem Inhalt, den die Klägerin ihr beimesse, sei unzulässig, denn ein Ausschluss des Eigentümers von der Grundstücks-nutzung könne nicht vereinbart werden. Eine Unterlassungsdienstbarkeit müsse das Verbot von tatsächlichen Handlungen auf dem Grundstück betreffen. Beschränkungen der rechtlichen Befugnisse des Eigentümers könnten daher nicht Inhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sein.
- 24
Sie sind weiterhin der Ansicht, dass die eingetragenen Dienstbarkeiten unklar seien. Die Verpflichtung beziehe sich allein auf die öffentlich geförderten Wohnungen und den Abschluss eines Betreuungsvertrags für öffentlich geförderte Wohnungen. Nur ein solcher Betreuungsvertrag habe vorgelegen. Der notarielle Kaufvertrag über das Objekt ... sei ein Formularvertrag, die maßgeblichen Klauseln seien jeweils vorformulierte Teile. Daher gingen alle Zweifel hinsichtlich der Auslegung zu Lasten der Klägerin. Bestimmungen seien unwirksam, wenn sie zu einer unangemessenen Benachteiligung führen würden. Hier liege eine unangemessene Benachteiligung vor, da die Bestimmungen nicht klar und verständlich seien. Deshalb seien die entsprechenden Bestimmungen aufgrund der Gebote von Treu und Glauben unwirksam.
- 25
Die Klägerin könne keinen Kontrahierungszwang auf Abschluss eines Betreuungsvertrags mit einem Dritten ausüben. Aus dem Streit über den Abschluss eines solchen Vertrages mit einem bestimmten Entgelt könne sich nicht die Verpflichtung des Eigentümers ergeben, die Nutzung seines Eigentums zu unterlassen, zumal er für das Entgelt keine Gegenleistung erhalte. Dies sei sittenwidrig, das Begehren der Klägerin stelle einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar.
- 26
Im Übrigen setze ein Wohnungsbesetzungsrecht begrifflich die Überlassung durch den Eigentümer auf einen Dritten voraus. Bei der originären bestimmungsgemäßen Nutzung durch den Eigentümer selbst könne ein solches Besetzungsrecht nicht greifen. Das Verlangen der Beklagten verstoße gegen § 242 BGB, eine etwa begründete Verpflichtung sei nach § 138 BGB nichtig.
- 27
Hilfsweise erheben die Beklagten den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Denn das Wohnungsbesetzungsrecht sei von der Klägerin erst geltend gemacht worden, nachdem alle 13 frei finanzierten Grundstücke verkauft gewesen seien. Sie habe die Eigentümer dieser Grundstücke über die Pflicht zum Abschluss eines Betreuungsvertrags arglistig getäuscht. Allen Erwerbern frei finanzierter Wohnungen und auch den Beklagten sei bei der Beurkundung von dem beurkundenden Notar gesagt worden, der Abschluss eines Betreuungsvertrages sei möglich, aber nicht erforderlich, und ein Entgelt sei nicht zu zahlen, wenn keine Betreuung in Anspruch genommen wurde (Beweis: 12 Zeugen gemäß Seite 3 der Klagerwiderung vom 18. März 2010). Daher sei die Rechtsausübung treuwidrig.
- 28
Des Weiteren sei es mit dem Wesen des Eigentums unvereinbar, dass der abgeschlossene Betreuungsvertrag jede Kündigungsmöglichkeit des Eigentümers, der seinen Grundbesitz selbst nutze, ausschließe. Die entsprechende Klausel im Kaufvertrag sei auch im Hinblick auf die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Dabei berufen sich die Beklagten auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 06.12.2001 (Az.: 15 U 208/00) und des Landgerichts Lüneburg vom 07.11.2002 (Az.: 1 0 132/02), die dies ebenso gesehen hätten.
- 29
Dazu meint die Klägerin:
- 30
Der Inhalt der Unterlassungsdienstbarkeit bestehe gerade nicht in der Beschränkung der rein rechtlichen Befugnisse der Beklagten. Die Beschränkung in dem Unterlassungsgebot einer Nutzung bestehe in der Weise, dass die Beklagten nicht dem Personenkreis der an dem Konzept des betreuten Wohnens teilnehmenden Personen angehört. Dies sei eine rein faktische Voraussetzung und dementsprechend werde auch das Untersagen einer faktischen Nutzung untersagt.
- 31
Sie verfolge mit dem Vorgehen aus dem Wohnungsbesetzungsrecht nicht das Ziel, dass die Beklagten erneut einen Betreuungsvertrag unterzeichnen. Dafür bilde das Wohnungsbesetzungsrecht zutreffend keine Anspruchsgrundlage. Gegenstand dieses Wohnungsbesetzungsrechts sei die Verpflichtung zur Nutzung im Sinne des betreuten Wohnens. Nur dies sei Gegenstand der Klage.
- 32
Darüber hinaus sei Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Möglichkeit oder die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines Betreuungsvertrags, sondern die Folgen einer solchen vorgenommenen Kündigung.
- 33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 09.06.2010.
Entscheidungsgründe
- 34
Die Klage ist derzeit nicht begründet.
- 35
1. Die Klägerin hat zur Zeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Objekts durch die Beklagten, obwohl diese weder ausdrücklich durch die Klägerin als berechtigte Nutzer ihrer Wohnung benannt worden sind noch aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als benannt gelten.
- 36
2. Das zugunsten der Klägerin eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht ist allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten als beschränkte persönliche Dienstbarkeit rechtswirksam bestellt worden. Es genügt dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, ist auch ohne ausdrückliche zeitliche Begrenzung wirksam und ist schließlich auch nicht sittenwidrig.
- 37
Bei dem Recht handelt es sich um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in der Form eines Wohnungsbesetzungsrechtes (§§ 1090, 1018 BGB). Nach dem Inhalt des Rechts sollen auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen, nämlich die Überlassung der Wohnungen auf dem Grundstück an beliebige Personen. Damit liegt eine Unterlassungsdienstbarkeit vor (Fall 2 des § 1018 BGB). Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Dienstbarkeit in der Form des Wohnungsbesetzungsrechts, mit der öffentliche Interessen verfolgt werden, steht heute nicht mehr in Frage (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023; BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317). Das hier verfolgte öffentliche Interesse besteht in der Förderung des betreuten Wohnens älterer Menschen ab 60 Jahren (§ 26 Abs. 2 II. WoBauG), wie dies auch aus dem Inhalt der Eintragung im Grundbuch hervorgeht, die in zulässiger Weise (§ 874 BGB) auf den Inhalt der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 (UR-Nr. 330/1997 B des Notars ... in... ) verweist, somit auch auf die Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ... e.V.“.
- 38
Der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unklar. Die Klägerin ist danach berechtigt, die Nutzer der davon betroffenen Wohnungen zu benennen. Sie kann dies entweder ausdrücklich tun oder es greift die Benennungsfiktion bei Abschluss des vorgegebenen Betreuungsvertrages durch den Nutzer ein.
- 39
Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass das Wohnungsbesetzungsrecht die Überlassung eines Objekts durch den Eigentümer an einen „Dritten“ voraussetze und deshalb für den Fall der originären Nutzung durch den Eigentümer nicht gelte. Das zugunsten der Klägerin bestellte dingliche Recht enthält eine derartige Einschränkung nicht, sondern gilt gemäß Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde ausnahmslos gegenüber allen Personen, die die betreffenden Wohnungen nutzen. Auch die Benennungsfiktion ist grundsätzlich zulässig (vgl. LG München II, MittBayNot 2002, Seite 400, 401). Es handelt sich dabei um eine im Voraus erteilte typisierte Benennungserklärung der Klägerin.
- 40
Das Wohnungsbesetzungsrecht ist auch nicht deshalb unwirksam, weil es nicht zeitlich begrenzt ist. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, eine solche Dienstbarkeit sollte stets zeitlich befristet oder auflösend bedingt sein, notwendig sei dies aber nicht (so z. B. Schöner/Stöber Grundbuchrecht, 14. Auflg. 2008, Rn 1205; Heinemann MittBayNot 2002, Seite 1, 5). Aus dem Gesetz lässt sich die Notwendigkeit einer Befristung etwa auf die Lebensspanne einer natürlichen Person nicht entnehmen (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023). Sie ergibt sich auch nicht aus dem Wesen der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit als grundsätzlich nicht übertragbarem Recht. Denn der Gesetzgeber hat in § 1092 Abs. 2 BGB selbst die Möglichkeit eröffnet, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit auch einer juristischen Person einzuräumen, und er hat für diesen Fall auch Ausnahmen von der Unübertragbarkeit normiert (§§ 1059 a bis 1059 d BGB). Eine Befristung ist deshalb nicht notwendige Voraussetzung eines Wohnungsbesetzungsrechts für eine juristische Person; die fehlende Befristung führt deshalb auch nicht zur Nichtigkeit der Dienstbarkeitsbestellung und der Eintragungsbewilligung wegen Sittenwidrigkeit (vgl. BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317).
- 41
3. Das Wohnungsbesetzungsrecht berechtigt die Klägerin aber derzeit nicht, den Beklagten die Nutzung des Objekts zu untersagen, obwohl die Beklagten weder aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als durch die Klägerin benannte Nutzer ihrer Wohnung gelten noch durch die Klägerin ausdrücklich als berechtigte Nutzer benannt worden sind.
- 42
Die Beklagten gelten mangels eines wirksamen Betreuungsvertrages zwar nicht als durch die Klägerin benannt. Die Klägerin kann sich darauf aber gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) nicht berufen, weil hier Zweifel an der Auslegung der Benennungsklausel bestehen, die gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin als Verwenderin Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen.
- 43
Zwar ist der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin, nämlich die Nutzer der Wohnungen zu benennen, wie ausgeführt, hinreichend bestimmt. Dies gilt jedoch nicht für die von dem Inhalt des dinglichen Rechts zu unterscheidenden Voraussetzungen seiner Ausübung, wonach eine Person als benannt gilt, die gleichzeitig den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abschließt. Diese Klausel ist nämlich mehrdeutig.
- 44
Zum einen könnte man sie so verstehen, dass als benannt gilt, wer einen entsprechenden Betreuungsvertrag abschließt und dass diese Benennung nur genau für die Zeit besteht, in der die „Benannten“ den Betreuungsvertrag aufrechterhalten. Dafür spricht der Zweck, den die Klägerin mit dem Benennungsrecht verfolgte. Sie wollte seniorengerechten Wohnraum mit Betreuungseinrichtungen schaffen. Diese Betreuungseinrichtungen sind durch den Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ organisiert, dessen Mitglieder die Bewohner der Objekte der Seniorenwohnanlage sein sollen. Diese Ausgestaltung soll auf einem Solidargedanken ähnlich dem Versicherungswesen basieren. Es würde diesem Zweck widersprechen, wenn der Nutzer nur den Vertrag abschließen müsste, um als benannt zu gelten, und ihn dann folgenlos sofort wieder kündigen könnte. Für diese Auslegung spricht auch, dass derjenige Betreuungsvertrag, auf den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde verwiesen wird und der gemäß seiner Präambel ausschließlich auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen der Seniorenwohnanlage zugeschnitten ist, für einen Betreuten in § 5 ein Kündigungsrecht nur dann vorsieht, wenn der Betreute „aus öffentlich geförderten Wohnungen“ das Mietverhältnis beendet. Dort heißt es: „Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich“. Da dieser Vertrag nach dem Willen der Klägerin ursprünglich auch den Käufern der frei finanzierten Wohnungen zur Unterzeichnung vorgelegt wurde, ist davon auszugehen, dass nach dem Willen der Klägerin ein Kündigungsrecht für diese Personen ausgeschlossen werden sollte, solange das Objekt von ihnen selbst bewohnt wird.
- 45
Die Benennungsfiktion könnte aber auch dahin verstanden werden, dass es für die Benennung genügt, den in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abzuschließen. Denn nach dem Wortlaut kommt es nur auf das „Abschließen“ des Vertrages an, nicht auch auf seinen Fortbestand.
- 46
Nach dem Wortlaut käme es auch nicht darauf an, ob ein Nutzer einen abgeschlossenen Betreuungsvertrag auch erfüllt, insbesondere ob er das unabhängig von der Inanspruchnahme der Betreuungsleistungen in gleicher Höhe geschuldete Betreuungsentgelt vertragsgerecht zahlt und damit solidarisch den Vereinszweck, nämlich eine möglichst günstige Betreuung, fördert, worauf es der Klägerin nach ihrem Vortrag ankam. Es fehlt auch jede Regelung, ob dann, wenn der Betreuungsverein den Vertrag wegen Zahlungsrückständen wirksam kündigt, die Benennungsfiktion von selbst entfällt oder ob es zusätzlich eines Widerrufes der Nutzungsberechtigung durch die Klägerin bedarf.
- 47
Die hieraus resultierende Unklarheit geht gemäß § 5 AGBG, welches im Zeitpunkt der Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit galt, zu Lasten der Klägerin.
- 48
Bei der erwähnten Benennungsfiktion in der Bestellungsurkunde handelt es sich ebenso um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des AGBG wie bei dem darin in Bezug genommenen Betreuungsvertrag, der ausdrücklich Bestandteil der Betreuungsurkunde ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin selbst hatte als Verkäuferin in § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages ihrem Käufer, dem Dipl.-Ing. ..., vertraglich auferlegt, die frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ den Betreuungsvertrag abschließen, der als Anlage 3 dem Kaufvertrag als Bestandteil beigefügt war. Gemäß § 6 Nr. 10 hatte die Klägerin dem Käufer...vertraglich auferlegt, eine gleichartige Verpflichtung seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Gemäß § 6 Nr. 13 Abs. 2 war der Käufer... ferner verpflichtet, der Klägerin eine entsprechende beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Besetzungsrecht) mit der Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 3 zu bestellen. Verwenderin dieser AGB (Benennungsklausel und Betreuungsvertrag) gegenüber dem Käufer ... und - mittels der Weitergabeklausel des § 6 Nr. 10 - durch den Käufer...gegenüber allen Folgeerwerbern war die Klägerin. Sie hat diese Vertragsbedingungen einseitig gestellt und direkt und indirekt für eine Vielzahl von Verträgen verwendet, ebenso hat sie den Text der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 und damit auch den Inhalt der Grundbucheintragung vorgegeben.
- 49
Wesentlich bedeutsamer als die oben erwähnte Unklarheit erscheint hier, dass im Nachhinein sogar zweifelhaft ist, welcher Betreuungsvertrag von den Beklagten abzuschließen war, damit sie als von der Klägerin benannt galten.
- 50
Die Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 verweist eindeutig auf den Betreuungsvertrag „gemäß Anlage 1, der Bestandteil dieser Urkunde ist und auf die verwiesen wird“. Dieser Betreuungsvertrag ist allein auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen zugeschnitten. Diese können nach der Präambel „nur von Personen angemietet werden, die auch mit dem karitativen Betreiber einen Betreuungsvertrag schließen“. Weiter heißt es in der Präambel: „Dieser Betreuungsvertrag steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag. Ein Mietvertrag kommt nur gleichzeitig mit dem Abschluss des Betreuungsvertrages zustande“. Dementsprechend heißt es in § 5 Nr. 3 und Nr. 4 jenes Betreuungsvertrages: „Die Dauer des Vertragsverhältnisses ist für den Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen abhängig von der Dauer des Mietverhältnisses. Die Kündigungsfrist richtet sich bei dem Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen nach der für das Mietverhältnis geltenden Kündigungsfrist. Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich.“
- 51
Nach der Präambel ist der Bestand des Betreuungsvertrages somit abhängig von dem abzuschließenden Mietvertrag („steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag“) und gilt umgekehrt dasselbe. § 5 Nr. 4 bekräftigt diese rechtliche Verknüpfung der Verträge. Diese Wirksamkeitsvoraussetzung des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1977 fehlt aber von vornherein bei denjenigen Personen, die Eigentümer einer der frei finanzierten Wohnungen sind und diese selbst nutzen, also nicht vermieten. Für sie war der Betreuungsvertrag auch erkennbar nicht gedacht. Dementsprechend hat der Verein „Betreutes Wohnen“ den Beklagten auch den mit Schreiben vom 1. September 2004 (Anlage K 4) in Kopie übersandten wesentlich anderen Betreuungsvertrag zur Unterschrift vorgelegt, der eine andere Präambel und in § 5 Nr. 3 auch eine andere Kündigungsregelung enthält. Und nachdem die Beklagten im April 2005 diesen anderen Betreuungsvertrag abgeschlossen hatten, sah die Klägerin sie unstreitig trotzdem als aufgrund der Benennungsfiktion berechtigte Nutzer an - eine ausdrückliche Benennung eines Nutzungsberechtigten ist durch die Klägerin nach der Erklärung ihres Bürgermeisters Herrn ... im Termin vom 9. Juni 2010 nämlich bisher noch niemals erfolgt. Dies mag darauf beruhen, dass gemäß dem Schreiben des Amtes ...an die Beklagten vom 31. August 2004 (Anlage K 9) in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die Eheleute ..., der „quasi als Musterprozess“ angesehen wurde, vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein Vergleich abgeschlossen worden sein soll, wonach die dortigen Beklagten sich verpflichteten, ab 1. September 2004 mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ einen Vertrag gemäß einem „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ (Anlage K 15 in jenem Rechtsstreit) abzuschließen, der offenbar dem von den Beklagten unterzeichneten Vertragstext entspricht.
- 52
Das Gericht schließt hieraus, dass die Klägerin selbst irgendwann zu der Auffassung gekommen ist, dass der Abschluss des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 von denjenigen Personen, die ihre frei finanzierte Wohnung als Eigentümer selbst nutzen, nicht verlangt werden kann, weil der Abschluss bei ihnen keine Rechtswirkungen entfalten würde. Obwohl also der Abschluss genau jenes für die Eigentümer frei finanzierter Wohnungen wirkungslosen Betreuungsvertrages als fingierte Nutzerbenennung nach wie vor gemäß § 874 BGB Inhalt der im Grundbuch eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist, wird die Klausel der fingierten Benennung bei den Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen offenbar auch von der Klägerin selbst anders ausgelegt als es ihrem eindeutigen Wortlaut entspricht, nämlich dahingehend, dass der Abschluss des „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Häuser“ genügt, um als benannt zu gelten. Dies kann allerdings kein Erwerber wissen, der sich am Inhalt des Grundbuches orientiert oder dem aufgrund der vertraglichen Klausel zur Weitergabe durch seinen Verkäufer die Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde auferlegt wird.
- 53
Sämtliche vorstehend aufgeführten Unklarheiten müssen gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin gehen.
- 54
Nicht zu Lasten, sondern zugunsten der Klägerin ginge es aber, wenn man zu dem Ergebnis gelangen würde, dass die Beklagten nicht als Nutzungsberechtigte benannt galten, weil sie nicht den in der Bestellungsurkunde genannten Betreuungsvertrag für Mieter öffentlich geförderte Wohnungen abgeschlossen haben. Denn hätten die Beklagen einen solchen Vertrag unterzeichnet, wäre dieser, wie ausgeführt, ohne gleichzeitigen Abschluss eines für sie sinnlosen Mietvertrages rechtsunwirksam geblieben.
- 55
Auch kann es nicht zu Lasten der Beklagten gehen, wenn sie den abgeschlossenen, aber im Hinblick auf § 309 Nr. 9 a BGB (entsprechend § 11 Nr. 12 a AGBG) wirksam gekündigten (vgl. dazu BGH NJW 2007, Seite 213, 214) „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ nicht erneut abschließen. Denn erstens wäre die Benennungsfiktion gemäß § 5 AGBG restriktiv in dem Sinne auszulegen, dass bereits der einmalige Abschluss eines Betreuungsvertrages zur Benennung genügt, sein Fortbestand - jedenfalls über zwei Jahre hinaus (§ 309 Nr. 9 a BGB) - aber nicht erforderlich ist. Und zweitens und vor allem wäre der erneute Abschluss eines „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Wohnungen“ auch nicht geeignet, die Benennungsfiktion auszulösen, weil diese, wie ausgeführt, ausdrücklich an den Abschluss des Betreuungsvertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen anknüpft, somit an den Abschluss eines anderen Vertrages.
- 56
Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung, weil die Beklagten mangels Bestehens eines wirksamen Betreuungsvertrages nicht als durch die Klägerin benannte Nutzer gelten.
- 57
4. Die Klägerin hat derzeit auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung durch die Beklagten, weil diese nicht ausdrücklich von ihr als Nutzungsberechtigte benannt worden sind.
- 58
Insoweit ist die Ausübung des Besetzungsrechts durch die Klägerin klar und eindeutig geregelt. Wen sie ausdrücklich benennt, ist zur Nutzung berechtigt.
- 59
Unstreitig hat die Klägerin die Beklagten nicht ausdrücklich benannt. Die Klägerin hat bisher überhaupt noch keine Person ausdrücklich benannt, wie Herr..., ihr Bürgermeister, auf Frage im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt hat. Er hat weiter erklärt, zu einer derartigen Benennung sei es noch niemals gekommen, weil bisher immer die Benennungsfiktion gegriffen habe. Auf weitere Frage hat er erklärt, dass bei der Klägerin deshalb auch keine Kriterien dafür festgelegt seien, wen sie ausdrücklich benenne und wen nicht.
- 60
Von einer Gemeinde ist jedoch zu erwarten, dass sie gleich gelagerte Sachverhalte in gleicher Weise behandelt, dass sie für den Bürger überprüfbar und deshalb schriftlich festlegt, unter welchen Voraussetzungen die ausdrückliche Benennung erfolgt, und dass sie eine nutzungswillige Person unter Beachtung dieser Voraussetzungen benennt oder auch nicht benennt. Naheliegend könnte die Klägerin dafür z. B. bei Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen den Abschluss des o. g. Musterbetreuungsvertrages und dessen Aufrechterhaltung verlangen. Denkbar sind aber auch andere Regelungen, z. B. die einmalige Zahlung eines Betrages, der dem Betreuungsentgelt für 10 Jahre entspricht - falls sich die Klägerin an der in der Literatur (vgl. Heinemann aaO) befürworteten zeitlichen Begrenzung des Besetzungsrechts auf 10 Jahre orientieren sollte.
- 61
Da die Klägerin derartige Voraussetzungen aber bisher weder festgelegt hat noch auch nur einen Anlass dafür gesehen hat, somit auch nicht prüfbar ist, unter welchen Voraussetzungen die Beklagten einen Anspruch auf Benennung hätten und ob sie diese Voraussetzungen erfüllen würden, kann die Klägerin derzeit keine Rechte daraus herleiten, dass sie die Beklagten nicht ausdrücklich benannt hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagten im Rahmen der Vergleichsanregungen des Gerichts im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt haben, sie könnten sich die Zahlung eines auf 10 Jahre bezogenen Betrages abzüglich der während des Bestehens des im April 2005 abgeschlossenen Betreuungsvertrages bereits erbrachten Zahlungen gut vorstellen; die Klägerin hat sich hierauf aus grundsätzlichen Erwägungen aber nicht einlassen wollen.
- 62
Aufgrund der obigen Ausführungen ist der Klagantrag zu 1 zur Zeit nicht begründet.
- 63
5. Der Klagantrag zu 2 ist ebenfalls nicht begründet.
- 64
Die Klägerin hat nicht schon deshalb einen Anspruch auf Feststellung, dass den Beklagten die Nutzung verboten ist, wenn diese nicht von ihr benannt werden, denn insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin keine Benennung ausspricht, sondern darauf, ob die Beklagten nach den von der Klägerin erst noch schriftlich festzulegenden Voraussetzungen einen Anspruch auf Benennung hätten. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Nutzungsverbotes, wenn und soweit die Beklagten alternativ nicht durch Abschluss „eines Betreuungsvertrages“ mit dem Verein als benannt gelten. Denn, wie dargelegt, knüpft die Benennungsfiktion nicht an den Abschluss irgendeines Betreuungsvertrages an, sondern ausdrücklich an den Abschluss des Vertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen, der aber im Falle der Eigennutzer frei finanzierter Wohnungen nicht wirksam werden kann.
- 65
6. Auch der Klagantrag zu 3 hat keinen Erfolg. Denn weil die Klägerin derzeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung gegen die Beklagten hat, kommt auch die Androhung eines Ordnungsmittels gemäß § 890 ZPO nicht in Frage.
- 66
7. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 und 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um die Unterlassung der Nutzung des Objektes ..., ..., durch die Beklagten.
- 2
Die Klägerin verkaufte im Jahr 1997 ein Grundstück an den Bauunternehmer..., der darauf eine Seniorenwohnanlage errichten sollte. Die Klägerin wollte einen Seniorenpark mit Betreuungseinrichtungen und einer Begegnungsstätte schaffen. Der Bauunternehmer verpflichtete sich unter § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages vom 17.6.1997 gegenüber der Klägerin, die auf den Teilgebieten 4, 5, und 6 des Bebauungsplanes entstehenden frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die einen Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen.
- 3
In § 6 Nr. 10 übernahm der Bauunternehmer weiter die Verpflichtung, diese Bau- und Benutzungsverpflichtung und alle weiteren sich aus diesem Vertrag ergebenden Pflichten seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen, und zwar mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Des Weiteren verpflichtete sich der Bauunternehmer in § 6 Nr. 11 des Kaufvertrages, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin an rangerster Stelle eintragen zu lassen, wonach die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes zu errichtenden Wohnungen nur an Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, zur Nutzung überlassen werden dürfen, sowie (§ 6 Nr. 13 des Kaufvertrages) eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin eintragen zu lassen, nach welcher die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 befindlichen Wohnungen nur von Personen genutzt werden dürfen, die von der Gemeinde... benannt werden. Dabei gilt diese Benennung für Personen als erteilt, die oder für die gleichzeitig ein Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen bzw. abgeschlossen wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Die Eintragungsbewilligung in der Auflassungsurkunde vom 25.11.1997 (Anlage K 4) entspricht hinsichtlich des Inhalts der Dienstbarkeit der Vereinbarung vom 17.6.1997.
- 4
Der Unternehmer bebaute das Grundstück, teilte es und verkaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 14.04.1999 (Anlage K 2) das Objekt..., welches auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes liegt, an die Beklagten. In dem Kaufvertrag heißt es in der Präambel, dass die Bewohner des Grundstücks verpflichtet sind, die Grundleistungen des Betreuungsangebots in Anspruch zu nehmen. Die Käufer übernahmen die Lasten in Form der Wohnungsbesetzungsrechte ohne Anrechnung auf den Kaufpreis. Ferner erkannten die Beklagten zu § 6 des Kaufvertrages an, die Vereinbarungen und Verpflichtungen aus dem vorangegangenen Grundstückskaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Bauunternehmer zu erfüllen. Mit der Eintragung der Beklagten im Grundbuch wurde ihr Grundstück mit dem Wohnungsbesetzungsrecht für die Klägerin belastet.
- 5
Das Objekt wird von den Beklagten genutzt.
- 6
Der Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ soll den Bewohnern der Anlage eine möglichst günstige Betreuung bieten. Daher sieht das Konzept der Klägerin vor, dass sämtliche Bewohner der Anlage einen entgeltlichen Betreuungsvertrag mit dem Verein abschließen müssen. Die Betreuungspauschale beträgt für Einzelpersonen monatlich 50 €, für Ehepaare 70 €. Die Verpflichtung zum Vertragsabschluss besteht unabhängig davon, ob die Bewohner die Leistungen in Anspruch nehmen oder nicht.
- 7
Die Kläger sind über 60 Jahre alt. Sie wurden von der Klägerin nicht als Nutzungsberechtigte benannt. Sie weigerten sich jedoch zunächst, einen entsprechenden Betreuungsvertrag mit der Klägerin abzuschließen. Die Gemeinde ... klagte vor dem Landgericht Kiel (Az.: 9 O 317/04) auf Unterlassung der Nutzung der Immobilie. Die Beklagten wurden am 31.03.2005 dazu verurteilt, die Nutzung zu unterlassen. Daraufhin schlossen die Beklagten im April 2005 mit der Klägerin einen entsprechenden Betreuungsvertrag ab. Diesen kündigten sie am 20.07.2008 zum 31.8.2008 (Anlage K 7). Am 19.09.2008 untersagte die Klägerin den Beklagten die Nutzung der Immobilie auf der Grundlage des Urteils vom 31.03.2005 (Anlage K 8). Wegen Zuwiderhandlung gegen die Anordnung des Landgerichts aus dem Urteil vom 31.03.2005 drohte das Landgericht Kiel den Beklagten auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 19.11.2008 mit der Verhängung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft. Dagegen legten die Beklagten sofortige Beschwerde ein. Diese wies das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Az.: 16 W 157/08) zurück, mit der Begründung, die Beklagten könnten sich der Auslegung des Unterlassungsgebots in dem Urteil vom 31.03.2005 nicht dadurch entziehen, dass sie zunächst zwar einen Betreuungsvertrag abgeschlossen, diesen dann aber später gekündigt hätten; die Nutzung des streitigen Grundstücks ohne Benennung durch die Klägerin und ohne einen bestehenden Betreuungsvertrag verletze den Kern des Unterlassungsgebots.
- 8
Die Beklagten erhoben Vollstreckungsabwehrklage vor dem Landgericht Kiel (9 O 307/08) mit der Begründung, das Urteil vom 31.03.2005 sei überholt, da sie zwischenzeitlich einen Betreuungsvertrag abgeschlossen hätten. Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab, da die Beklagten keine zulässige Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch erhoben hätten. Solange die Beklagten den Betreuungsvertrag mit der Klägerin aufrecht erhalten hätten, habe möglicherweise ein Einwand gegen das Unterlassungsgebot bestanden, denn die Beklagten hätten die Nutzung der Immobilie nur deshalb unterlassen müssen, weil ein Betreuungsvertrag gefehlt habe. Die ursprüngliche Situation sei aber in dem Moment wieder aufgelebt, in dem die Kläger den Betreuungsvertrag gekündigt hätten.
- 9
Gegen diese Entscheidung legten die Beklagten Berufung zum Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein (Az.: 17 U 41/09). Das Oberlandesgericht erklärte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Kiel vom 31.03.2005 (Az.: 9 O 317/04) für unzulässig. Es stellte nach eingehender Betrachtung des Streitgegenstandes, der dem Urteil vom 31.03.2005 zugrunde lag, fest: „Streitgegenstand und Rechtskraft des Ersturteils erstrecken sich damit auf den Nichtabschluss eines Betreuungsvertrags, nicht aber auf die Frage, wie die Situation zu beurteilen ist, wenn nach Abschluss eines Betreuungsvertrags ein solcher wieder gekündigt wird. Hierzu bedarf es erforderlichenfalls einer neuen Entscheidung.“
- 10
Die Klägerin meint:
- 11
Das zu ihren Gunsten eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht sowie das Vorgehen hieraus sei rechtmäßig. In dem vorliegenden Fall werde den Eigentümern eine konkret bezeichnete Art der tatsächlichen Nutzung untersagt, nämlich die Nutzung durch Personen, welche die in der Grunddienstbarkeit genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Diese Voraussetzungen seien in der Bestallungsurkunde konkret beschrieben.
- 12
Auch die Ausübung des Wohnungsbesetzungsrechts sei nicht rechtsmissbräuchlich und unangemessen.
- 13
Die Benennungsfiktion, die durch den Abschluss eines Betreuungsvertrags entstehe, erlösche in dem Moment, in dem kein wirksamer Betreuungsvertrag existiere. Dies sei sowohl bei Verweigerung des erstmaligen Abschlusses als auch bei einer späteren Kündigung der Fall.
- 14
Die Differenzierung zwischen „vermeintlich verschiedenen Lebenssachverhalten“, die das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in dem Urteil vom 04.12.2009 (Az.: 17 U 41/09) vorgenommen hat, sei unangebracht und lebensfern.
- 15
Die Klägerin beantragt,
- 16
1. die Beklagten zu verurteilen, die Nutzung des Objektes ..., ...zu unterlassen;
- 17
2. festzustellen, dass den Beklagten die Nutzung des Objektes ...verboten ist, wenn und soweit sie nicht von der Klägerin entsprechend der zugunsten der Klägerin im Grundbuch von ...Blatt 1550, Abteilung II Nr. 1 eingetragenen Wohnungsbesetzungsdienstbarkeit benannt werden oder durch erstmaligen oder erneuten Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ als benannt gelten und dieser erstmals oder erneut abgeschlossene Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ auch noch besteht;
- 18
3. für jeden Fall des Zuwiderhandelns gegen die Beklagte die Androhung eines Ordnungsmittels auszusprechen.
- 19
Die Beklagten beantragen,
- 20
die Klage abzuweisen.
- 21
Die Beklagten meinen:
- 22
Der Anspruch auf Nutzungsunterlassung sei schon deshalb nicht gegeben, weil durch den Abschluss des Betreuungsvertrages die Benennungsfiktion eingetreten sei. Sie, die Beklagten, seien von der Klägerin benannt worden. Diese Benennung könne die Klägerin nicht widerrufen.
- 23
Es bestehe allerdings schon keine Rechtsgrundlage für die eingetragenen Grunddienstbarkeiten. Aufgrund dessen werde die Einrede der Bereicherung gemäß § 821 BGB erhoben. Eine Unterlassungsdienstbarkeit mit dem Inhalt, den die Klägerin ihr beimesse, sei unzulässig, denn ein Ausschluss des Eigentümers von der Grundstücks-nutzung könne nicht vereinbart werden. Eine Unterlassungsdienstbarkeit müsse das Verbot von tatsächlichen Handlungen auf dem Grundstück betreffen. Beschränkungen der rechtlichen Befugnisse des Eigentümers könnten daher nicht Inhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sein.
- 24
Sie sind weiterhin der Ansicht, dass die eingetragenen Dienstbarkeiten unklar seien. Die Verpflichtung beziehe sich allein auf die öffentlich geförderten Wohnungen und den Abschluss eines Betreuungsvertrags für öffentlich geförderte Wohnungen. Nur ein solcher Betreuungsvertrag habe vorgelegen. Der notarielle Kaufvertrag über das Objekt ... sei ein Formularvertrag, die maßgeblichen Klauseln seien jeweils vorformulierte Teile. Daher gingen alle Zweifel hinsichtlich der Auslegung zu Lasten der Klägerin. Bestimmungen seien unwirksam, wenn sie zu einer unangemessenen Benachteiligung führen würden. Hier liege eine unangemessene Benachteiligung vor, da die Bestimmungen nicht klar und verständlich seien. Deshalb seien die entsprechenden Bestimmungen aufgrund der Gebote von Treu und Glauben unwirksam.
- 25
Die Klägerin könne keinen Kontrahierungszwang auf Abschluss eines Betreuungsvertrags mit einem Dritten ausüben. Aus dem Streit über den Abschluss eines solchen Vertrages mit einem bestimmten Entgelt könne sich nicht die Verpflichtung des Eigentümers ergeben, die Nutzung seines Eigentums zu unterlassen, zumal er für das Entgelt keine Gegenleistung erhalte. Dies sei sittenwidrig, das Begehren der Klägerin stelle einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar.
- 26
Im Übrigen setze ein Wohnungsbesetzungsrecht begrifflich die Überlassung durch den Eigentümer auf einen Dritten voraus. Bei der originären bestimmungsgemäßen Nutzung durch den Eigentümer selbst könne ein solches Besetzungsrecht nicht greifen. Das Verlangen der Beklagten verstoße gegen § 242 BGB, eine etwa begründete Verpflichtung sei nach § 138 BGB nichtig.
- 27
Hilfsweise erheben die Beklagten den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Denn das Wohnungsbesetzungsrecht sei von der Klägerin erst geltend gemacht worden, nachdem alle 13 frei finanzierten Grundstücke verkauft gewesen seien. Sie habe die Eigentümer dieser Grundstücke über die Pflicht zum Abschluss eines Betreuungsvertrags arglistig getäuscht. Allen Erwerbern frei finanzierter Wohnungen und auch den Beklagten sei bei der Beurkundung von dem beurkundenden Notar gesagt worden, der Abschluss eines Betreuungsvertrages sei möglich, aber nicht erforderlich, und ein Entgelt sei nicht zu zahlen, wenn keine Betreuung in Anspruch genommen wurde (Beweis: 12 Zeugen gemäß Seite 3 der Klagerwiderung vom 18. März 2010). Daher sei die Rechtsausübung treuwidrig.
- 28
Des Weiteren sei es mit dem Wesen des Eigentums unvereinbar, dass der abgeschlossene Betreuungsvertrag jede Kündigungsmöglichkeit des Eigentümers, der seinen Grundbesitz selbst nutze, ausschließe. Die entsprechende Klausel im Kaufvertrag sei auch im Hinblick auf die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Dabei berufen sich die Beklagten auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 06.12.2001 (Az.: 15 U 208/00) und des Landgerichts Lüneburg vom 07.11.2002 (Az.: 1 0 132/02), die dies ebenso gesehen hätten.
- 29
Dazu meint die Klägerin:
- 30
Der Inhalt der Unterlassungsdienstbarkeit bestehe gerade nicht in der Beschränkung der rein rechtlichen Befugnisse der Beklagten. Die Beschränkung in dem Unterlassungsgebot einer Nutzung bestehe in der Weise, dass die Beklagten nicht dem Personenkreis der an dem Konzept des betreuten Wohnens teilnehmenden Personen angehört. Dies sei eine rein faktische Voraussetzung und dementsprechend werde auch das Untersagen einer faktischen Nutzung untersagt.
- 31
Sie verfolge mit dem Vorgehen aus dem Wohnungsbesetzungsrecht nicht das Ziel, dass die Beklagten erneut einen Betreuungsvertrag unterzeichnen. Dafür bilde das Wohnungsbesetzungsrecht zutreffend keine Anspruchsgrundlage. Gegenstand dieses Wohnungsbesetzungsrechts sei die Verpflichtung zur Nutzung im Sinne des betreuten Wohnens. Nur dies sei Gegenstand der Klage.
- 32
Darüber hinaus sei Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Möglichkeit oder die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines Betreuungsvertrags, sondern die Folgen einer solchen vorgenommenen Kündigung.
- 33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 09.06.2010.
Entscheidungsgründe
- 34
Die Klage ist derzeit nicht begründet.
- 35
1. Die Klägerin hat zur Zeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Objekts durch die Beklagten, obwohl diese weder ausdrücklich durch die Klägerin als berechtigte Nutzer ihrer Wohnung benannt worden sind noch aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als benannt gelten.
- 36
2. Das zugunsten der Klägerin eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht ist allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten als beschränkte persönliche Dienstbarkeit rechtswirksam bestellt worden. Es genügt dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, ist auch ohne ausdrückliche zeitliche Begrenzung wirksam und ist schließlich auch nicht sittenwidrig.
- 37
Bei dem Recht handelt es sich um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in der Form eines Wohnungsbesetzungsrechtes (§§ 1090, 1018 BGB). Nach dem Inhalt des Rechts sollen auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen, nämlich die Überlassung der Wohnungen auf dem Grundstück an beliebige Personen. Damit liegt eine Unterlassungsdienstbarkeit vor (Fall 2 des § 1018 BGB). Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Dienstbarkeit in der Form des Wohnungsbesetzungsrechts, mit der öffentliche Interessen verfolgt werden, steht heute nicht mehr in Frage (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023; BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317). Das hier verfolgte öffentliche Interesse besteht in der Förderung des betreuten Wohnens älterer Menschen ab 60 Jahren (§ 26 Abs. 2 II. WoBauG), wie dies auch aus dem Inhalt der Eintragung im Grundbuch hervorgeht, die in zulässiger Weise (§ 874 BGB) auf den Inhalt der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 (UR-Nr. 330/1997 B des Notars ... in... ) verweist, somit auch auf die Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ... e.V.“.
- 38
Der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unklar. Die Klägerin ist danach berechtigt, die Nutzer der davon betroffenen Wohnungen zu benennen. Sie kann dies entweder ausdrücklich tun oder es greift die Benennungsfiktion bei Abschluss des vorgegebenen Betreuungsvertrages durch den Nutzer ein.
- 39
Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass das Wohnungsbesetzungsrecht die Überlassung eines Objekts durch den Eigentümer an einen „Dritten“ voraussetze und deshalb für den Fall der originären Nutzung durch den Eigentümer nicht gelte. Das zugunsten der Klägerin bestellte dingliche Recht enthält eine derartige Einschränkung nicht, sondern gilt gemäß Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde ausnahmslos gegenüber allen Personen, die die betreffenden Wohnungen nutzen. Auch die Benennungsfiktion ist grundsätzlich zulässig (vgl. LG München II, MittBayNot 2002, Seite 400, 401). Es handelt sich dabei um eine im Voraus erteilte typisierte Benennungserklärung der Klägerin.
- 40
Das Wohnungsbesetzungsrecht ist auch nicht deshalb unwirksam, weil es nicht zeitlich begrenzt ist. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, eine solche Dienstbarkeit sollte stets zeitlich befristet oder auflösend bedingt sein, notwendig sei dies aber nicht (so z. B. Schöner/Stöber Grundbuchrecht, 14. Auflg. 2008, Rn 1205; Heinemann MittBayNot 2002, Seite 1, 5). Aus dem Gesetz lässt sich die Notwendigkeit einer Befristung etwa auf die Lebensspanne einer natürlichen Person nicht entnehmen (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023). Sie ergibt sich auch nicht aus dem Wesen der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit als grundsätzlich nicht übertragbarem Recht. Denn der Gesetzgeber hat in § 1092 Abs. 2 BGB selbst die Möglichkeit eröffnet, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit auch einer juristischen Person einzuräumen, und er hat für diesen Fall auch Ausnahmen von der Unübertragbarkeit normiert (§§ 1059 a bis 1059 d BGB). Eine Befristung ist deshalb nicht notwendige Voraussetzung eines Wohnungsbesetzungsrechts für eine juristische Person; die fehlende Befristung führt deshalb auch nicht zur Nichtigkeit der Dienstbarkeitsbestellung und der Eintragungsbewilligung wegen Sittenwidrigkeit (vgl. BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317).
- 41
3. Das Wohnungsbesetzungsrecht berechtigt die Klägerin aber derzeit nicht, den Beklagten die Nutzung des Objekts zu untersagen, obwohl die Beklagten weder aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als durch die Klägerin benannte Nutzer ihrer Wohnung gelten noch durch die Klägerin ausdrücklich als berechtigte Nutzer benannt worden sind.
- 42
Die Beklagten gelten mangels eines wirksamen Betreuungsvertrages zwar nicht als durch die Klägerin benannt. Die Klägerin kann sich darauf aber gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) nicht berufen, weil hier Zweifel an der Auslegung der Benennungsklausel bestehen, die gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin als Verwenderin Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen.
- 43
Zwar ist der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin, nämlich die Nutzer der Wohnungen zu benennen, wie ausgeführt, hinreichend bestimmt. Dies gilt jedoch nicht für die von dem Inhalt des dinglichen Rechts zu unterscheidenden Voraussetzungen seiner Ausübung, wonach eine Person als benannt gilt, die gleichzeitig den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abschließt. Diese Klausel ist nämlich mehrdeutig.
- 44
Zum einen könnte man sie so verstehen, dass als benannt gilt, wer einen entsprechenden Betreuungsvertrag abschließt und dass diese Benennung nur genau für die Zeit besteht, in der die „Benannten“ den Betreuungsvertrag aufrechterhalten. Dafür spricht der Zweck, den die Klägerin mit dem Benennungsrecht verfolgte. Sie wollte seniorengerechten Wohnraum mit Betreuungseinrichtungen schaffen. Diese Betreuungseinrichtungen sind durch den Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ organisiert, dessen Mitglieder die Bewohner der Objekte der Seniorenwohnanlage sein sollen. Diese Ausgestaltung soll auf einem Solidargedanken ähnlich dem Versicherungswesen basieren. Es würde diesem Zweck widersprechen, wenn der Nutzer nur den Vertrag abschließen müsste, um als benannt zu gelten, und ihn dann folgenlos sofort wieder kündigen könnte. Für diese Auslegung spricht auch, dass derjenige Betreuungsvertrag, auf den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde verwiesen wird und der gemäß seiner Präambel ausschließlich auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen der Seniorenwohnanlage zugeschnitten ist, für einen Betreuten in § 5 ein Kündigungsrecht nur dann vorsieht, wenn der Betreute „aus öffentlich geförderten Wohnungen“ das Mietverhältnis beendet. Dort heißt es: „Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich“. Da dieser Vertrag nach dem Willen der Klägerin ursprünglich auch den Käufern der frei finanzierten Wohnungen zur Unterzeichnung vorgelegt wurde, ist davon auszugehen, dass nach dem Willen der Klägerin ein Kündigungsrecht für diese Personen ausgeschlossen werden sollte, solange das Objekt von ihnen selbst bewohnt wird.
- 45
Die Benennungsfiktion könnte aber auch dahin verstanden werden, dass es für die Benennung genügt, den in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abzuschließen. Denn nach dem Wortlaut kommt es nur auf das „Abschließen“ des Vertrages an, nicht auch auf seinen Fortbestand.
- 46
Nach dem Wortlaut käme es auch nicht darauf an, ob ein Nutzer einen abgeschlossenen Betreuungsvertrag auch erfüllt, insbesondere ob er das unabhängig von der Inanspruchnahme der Betreuungsleistungen in gleicher Höhe geschuldete Betreuungsentgelt vertragsgerecht zahlt und damit solidarisch den Vereinszweck, nämlich eine möglichst günstige Betreuung, fördert, worauf es der Klägerin nach ihrem Vortrag ankam. Es fehlt auch jede Regelung, ob dann, wenn der Betreuungsverein den Vertrag wegen Zahlungsrückständen wirksam kündigt, die Benennungsfiktion von selbst entfällt oder ob es zusätzlich eines Widerrufes der Nutzungsberechtigung durch die Klägerin bedarf.
- 47
Die hieraus resultierende Unklarheit geht gemäß § 5 AGBG, welches im Zeitpunkt der Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit galt, zu Lasten der Klägerin.
- 48
Bei der erwähnten Benennungsfiktion in der Bestellungsurkunde handelt es sich ebenso um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des AGBG wie bei dem darin in Bezug genommenen Betreuungsvertrag, der ausdrücklich Bestandteil der Betreuungsurkunde ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin selbst hatte als Verkäuferin in § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages ihrem Käufer, dem Dipl.-Ing. ..., vertraglich auferlegt, die frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ den Betreuungsvertrag abschließen, der als Anlage 3 dem Kaufvertrag als Bestandteil beigefügt war. Gemäß § 6 Nr. 10 hatte die Klägerin dem Käufer...vertraglich auferlegt, eine gleichartige Verpflichtung seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Gemäß § 6 Nr. 13 Abs. 2 war der Käufer... ferner verpflichtet, der Klägerin eine entsprechende beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Besetzungsrecht) mit der Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 3 zu bestellen. Verwenderin dieser AGB (Benennungsklausel und Betreuungsvertrag) gegenüber dem Käufer ... und - mittels der Weitergabeklausel des § 6 Nr. 10 - durch den Käufer...gegenüber allen Folgeerwerbern war die Klägerin. Sie hat diese Vertragsbedingungen einseitig gestellt und direkt und indirekt für eine Vielzahl von Verträgen verwendet, ebenso hat sie den Text der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 und damit auch den Inhalt der Grundbucheintragung vorgegeben.
- 49
Wesentlich bedeutsamer als die oben erwähnte Unklarheit erscheint hier, dass im Nachhinein sogar zweifelhaft ist, welcher Betreuungsvertrag von den Beklagten abzuschließen war, damit sie als von der Klägerin benannt galten.
- 50
Die Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 verweist eindeutig auf den Betreuungsvertrag „gemäß Anlage 1, der Bestandteil dieser Urkunde ist und auf die verwiesen wird“. Dieser Betreuungsvertrag ist allein auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen zugeschnitten. Diese können nach der Präambel „nur von Personen angemietet werden, die auch mit dem karitativen Betreiber einen Betreuungsvertrag schließen“. Weiter heißt es in der Präambel: „Dieser Betreuungsvertrag steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag. Ein Mietvertrag kommt nur gleichzeitig mit dem Abschluss des Betreuungsvertrages zustande“. Dementsprechend heißt es in § 5 Nr. 3 und Nr. 4 jenes Betreuungsvertrages: „Die Dauer des Vertragsverhältnisses ist für den Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen abhängig von der Dauer des Mietverhältnisses. Die Kündigungsfrist richtet sich bei dem Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen nach der für das Mietverhältnis geltenden Kündigungsfrist. Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich.“
- 51
Nach der Präambel ist der Bestand des Betreuungsvertrages somit abhängig von dem abzuschließenden Mietvertrag („steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag“) und gilt umgekehrt dasselbe. § 5 Nr. 4 bekräftigt diese rechtliche Verknüpfung der Verträge. Diese Wirksamkeitsvoraussetzung des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1977 fehlt aber von vornherein bei denjenigen Personen, die Eigentümer einer der frei finanzierten Wohnungen sind und diese selbst nutzen, also nicht vermieten. Für sie war der Betreuungsvertrag auch erkennbar nicht gedacht. Dementsprechend hat der Verein „Betreutes Wohnen“ den Beklagten auch den mit Schreiben vom 1. September 2004 (Anlage K 4) in Kopie übersandten wesentlich anderen Betreuungsvertrag zur Unterschrift vorgelegt, der eine andere Präambel und in § 5 Nr. 3 auch eine andere Kündigungsregelung enthält. Und nachdem die Beklagten im April 2005 diesen anderen Betreuungsvertrag abgeschlossen hatten, sah die Klägerin sie unstreitig trotzdem als aufgrund der Benennungsfiktion berechtigte Nutzer an - eine ausdrückliche Benennung eines Nutzungsberechtigten ist durch die Klägerin nach der Erklärung ihres Bürgermeisters Herrn ... im Termin vom 9. Juni 2010 nämlich bisher noch niemals erfolgt. Dies mag darauf beruhen, dass gemäß dem Schreiben des Amtes ...an die Beklagten vom 31. August 2004 (Anlage K 9) in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die Eheleute ..., der „quasi als Musterprozess“ angesehen wurde, vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein Vergleich abgeschlossen worden sein soll, wonach die dortigen Beklagten sich verpflichteten, ab 1. September 2004 mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ einen Vertrag gemäß einem „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ (Anlage K 15 in jenem Rechtsstreit) abzuschließen, der offenbar dem von den Beklagten unterzeichneten Vertragstext entspricht.
- 52
Das Gericht schließt hieraus, dass die Klägerin selbst irgendwann zu der Auffassung gekommen ist, dass der Abschluss des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 von denjenigen Personen, die ihre frei finanzierte Wohnung als Eigentümer selbst nutzen, nicht verlangt werden kann, weil der Abschluss bei ihnen keine Rechtswirkungen entfalten würde. Obwohl also der Abschluss genau jenes für die Eigentümer frei finanzierter Wohnungen wirkungslosen Betreuungsvertrages als fingierte Nutzerbenennung nach wie vor gemäß § 874 BGB Inhalt der im Grundbuch eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist, wird die Klausel der fingierten Benennung bei den Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen offenbar auch von der Klägerin selbst anders ausgelegt als es ihrem eindeutigen Wortlaut entspricht, nämlich dahingehend, dass der Abschluss des „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Häuser“ genügt, um als benannt zu gelten. Dies kann allerdings kein Erwerber wissen, der sich am Inhalt des Grundbuches orientiert oder dem aufgrund der vertraglichen Klausel zur Weitergabe durch seinen Verkäufer die Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde auferlegt wird.
- 53
Sämtliche vorstehend aufgeführten Unklarheiten müssen gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin gehen.
- 54
Nicht zu Lasten, sondern zugunsten der Klägerin ginge es aber, wenn man zu dem Ergebnis gelangen würde, dass die Beklagten nicht als Nutzungsberechtigte benannt galten, weil sie nicht den in der Bestellungsurkunde genannten Betreuungsvertrag für Mieter öffentlich geförderte Wohnungen abgeschlossen haben. Denn hätten die Beklagen einen solchen Vertrag unterzeichnet, wäre dieser, wie ausgeführt, ohne gleichzeitigen Abschluss eines für sie sinnlosen Mietvertrages rechtsunwirksam geblieben.
- 55
Auch kann es nicht zu Lasten der Beklagten gehen, wenn sie den abgeschlossenen, aber im Hinblick auf § 309 Nr. 9 a BGB (entsprechend § 11 Nr. 12 a AGBG) wirksam gekündigten (vgl. dazu BGH NJW 2007, Seite 213, 214) „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ nicht erneut abschließen. Denn erstens wäre die Benennungsfiktion gemäß § 5 AGBG restriktiv in dem Sinne auszulegen, dass bereits der einmalige Abschluss eines Betreuungsvertrages zur Benennung genügt, sein Fortbestand - jedenfalls über zwei Jahre hinaus (§ 309 Nr. 9 a BGB) - aber nicht erforderlich ist. Und zweitens und vor allem wäre der erneute Abschluss eines „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Wohnungen“ auch nicht geeignet, die Benennungsfiktion auszulösen, weil diese, wie ausgeführt, ausdrücklich an den Abschluss des Betreuungsvertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen anknüpft, somit an den Abschluss eines anderen Vertrages.
- 56
Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung, weil die Beklagten mangels Bestehens eines wirksamen Betreuungsvertrages nicht als durch die Klägerin benannte Nutzer gelten.
- 57
4. Die Klägerin hat derzeit auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung durch die Beklagten, weil diese nicht ausdrücklich von ihr als Nutzungsberechtigte benannt worden sind.
- 58
Insoweit ist die Ausübung des Besetzungsrechts durch die Klägerin klar und eindeutig geregelt. Wen sie ausdrücklich benennt, ist zur Nutzung berechtigt.
- 59
Unstreitig hat die Klägerin die Beklagten nicht ausdrücklich benannt. Die Klägerin hat bisher überhaupt noch keine Person ausdrücklich benannt, wie Herr..., ihr Bürgermeister, auf Frage im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt hat. Er hat weiter erklärt, zu einer derartigen Benennung sei es noch niemals gekommen, weil bisher immer die Benennungsfiktion gegriffen habe. Auf weitere Frage hat er erklärt, dass bei der Klägerin deshalb auch keine Kriterien dafür festgelegt seien, wen sie ausdrücklich benenne und wen nicht.
- 60
Von einer Gemeinde ist jedoch zu erwarten, dass sie gleich gelagerte Sachverhalte in gleicher Weise behandelt, dass sie für den Bürger überprüfbar und deshalb schriftlich festlegt, unter welchen Voraussetzungen die ausdrückliche Benennung erfolgt, und dass sie eine nutzungswillige Person unter Beachtung dieser Voraussetzungen benennt oder auch nicht benennt. Naheliegend könnte die Klägerin dafür z. B. bei Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen den Abschluss des o. g. Musterbetreuungsvertrages und dessen Aufrechterhaltung verlangen. Denkbar sind aber auch andere Regelungen, z. B. die einmalige Zahlung eines Betrages, der dem Betreuungsentgelt für 10 Jahre entspricht - falls sich die Klägerin an der in der Literatur (vgl. Heinemann aaO) befürworteten zeitlichen Begrenzung des Besetzungsrechts auf 10 Jahre orientieren sollte.
- 61
Da die Klägerin derartige Voraussetzungen aber bisher weder festgelegt hat noch auch nur einen Anlass dafür gesehen hat, somit auch nicht prüfbar ist, unter welchen Voraussetzungen die Beklagten einen Anspruch auf Benennung hätten und ob sie diese Voraussetzungen erfüllen würden, kann die Klägerin derzeit keine Rechte daraus herleiten, dass sie die Beklagten nicht ausdrücklich benannt hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagten im Rahmen der Vergleichsanregungen des Gerichts im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt haben, sie könnten sich die Zahlung eines auf 10 Jahre bezogenen Betrages abzüglich der während des Bestehens des im April 2005 abgeschlossenen Betreuungsvertrages bereits erbrachten Zahlungen gut vorstellen; die Klägerin hat sich hierauf aus grundsätzlichen Erwägungen aber nicht einlassen wollen.
- 62
Aufgrund der obigen Ausführungen ist der Klagantrag zu 1 zur Zeit nicht begründet.
- 63
5. Der Klagantrag zu 2 ist ebenfalls nicht begründet.
- 64
Die Klägerin hat nicht schon deshalb einen Anspruch auf Feststellung, dass den Beklagten die Nutzung verboten ist, wenn diese nicht von ihr benannt werden, denn insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin keine Benennung ausspricht, sondern darauf, ob die Beklagten nach den von der Klägerin erst noch schriftlich festzulegenden Voraussetzungen einen Anspruch auf Benennung hätten. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Nutzungsverbotes, wenn und soweit die Beklagten alternativ nicht durch Abschluss „eines Betreuungsvertrages“ mit dem Verein als benannt gelten. Denn, wie dargelegt, knüpft die Benennungsfiktion nicht an den Abschluss irgendeines Betreuungsvertrages an, sondern ausdrücklich an den Abschluss des Vertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen, der aber im Falle der Eigennutzer frei finanzierter Wohnungen nicht wirksam werden kann.
- 65
6. Auch der Klagantrag zu 3 hat keinen Erfolg. Denn weil die Klägerin derzeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung gegen die Beklagten hat, kommt auch die Androhung eines Ordnungsmittels gemäß § 890 ZPO nicht in Frage.
- 66
7. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 und 709 Satz 1 und 2 ZPO.
(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.
(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.
Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen.
Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.
(1) Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungsgericht. Es ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.
(2) Dem Vollstreckungsgericht steht auch die Entscheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen, oder wenn wegen der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten Erinnerungen erhoben werden.
(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um die Unterlassung der Nutzung des Objektes ..., ..., durch die Beklagten.
- 2
Die Klägerin verkaufte im Jahr 1997 ein Grundstück an den Bauunternehmer..., der darauf eine Seniorenwohnanlage errichten sollte. Die Klägerin wollte einen Seniorenpark mit Betreuungseinrichtungen und einer Begegnungsstätte schaffen. Der Bauunternehmer verpflichtete sich unter § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages vom 17.6.1997 gegenüber der Klägerin, die auf den Teilgebieten 4, 5, und 6 des Bebauungsplanes entstehenden frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die einen Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen.
- 3
In § 6 Nr. 10 übernahm der Bauunternehmer weiter die Verpflichtung, diese Bau- und Benutzungsverpflichtung und alle weiteren sich aus diesem Vertrag ergebenden Pflichten seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen, und zwar mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Des Weiteren verpflichtete sich der Bauunternehmer in § 6 Nr. 11 des Kaufvertrages, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin an rangerster Stelle eintragen zu lassen, wonach die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes zu errichtenden Wohnungen nur an Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, zur Nutzung überlassen werden dürfen, sowie (§ 6 Nr. 13 des Kaufvertrages) eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin eintragen zu lassen, nach welcher die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 befindlichen Wohnungen nur von Personen genutzt werden dürfen, die von der Gemeinde... benannt werden. Dabei gilt diese Benennung für Personen als erteilt, die oder für die gleichzeitig ein Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen bzw. abgeschlossen wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Die Eintragungsbewilligung in der Auflassungsurkunde vom 25.11.1997 (Anlage K 4) entspricht hinsichtlich des Inhalts der Dienstbarkeit der Vereinbarung vom 17.6.1997.
- 4
Der Unternehmer bebaute das Grundstück, teilte es und verkaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 14.04.1999 (Anlage K 2) das Objekt..., welches auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes liegt, an die Beklagten. In dem Kaufvertrag heißt es in der Präambel, dass die Bewohner des Grundstücks verpflichtet sind, die Grundleistungen des Betreuungsangebots in Anspruch zu nehmen. Die Käufer übernahmen die Lasten in Form der Wohnungsbesetzungsrechte ohne Anrechnung auf den Kaufpreis. Ferner erkannten die Beklagten zu § 6 des Kaufvertrages an, die Vereinbarungen und Verpflichtungen aus dem vorangegangenen Grundstückskaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Bauunternehmer zu erfüllen. Mit der Eintragung der Beklagten im Grundbuch wurde ihr Grundstück mit dem Wohnungsbesetzungsrecht für die Klägerin belastet.
- 5
Das Objekt wird von den Beklagten genutzt.
- 6
Der Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ soll den Bewohnern der Anlage eine möglichst günstige Betreuung bieten. Daher sieht das Konzept der Klägerin vor, dass sämtliche Bewohner der Anlage einen entgeltlichen Betreuungsvertrag mit dem Verein abschließen müssen. Die Betreuungspauschale beträgt für Einzelpersonen monatlich 50 €, für Ehepaare 70 €. Die Verpflichtung zum Vertragsabschluss besteht unabhängig davon, ob die Bewohner die Leistungen in Anspruch nehmen oder nicht.
- 7
Die Kläger sind über 60 Jahre alt. Sie wurden von der Klägerin nicht als Nutzungsberechtigte benannt. Sie weigerten sich jedoch zunächst, einen entsprechenden Betreuungsvertrag mit der Klägerin abzuschließen. Die Gemeinde ... klagte vor dem Landgericht Kiel (Az.: 9 O 317/04) auf Unterlassung der Nutzung der Immobilie. Die Beklagten wurden am 31.03.2005 dazu verurteilt, die Nutzung zu unterlassen. Daraufhin schlossen die Beklagten im April 2005 mit der Klägerin einen entsprechenden Betreuungsvertrag ab. Diesen kündigten sie am 20.07.2008 zum 31.8.2008 (Anlage K 7). Am 19.09.2008 untersagte die Klägerin den Beklagten die Nutzung der Immobilie auf der Grundlage des Urteils vom 31.03.2005 (Anlage K 8). Wegen Zuwiderhandlung gegen die Anordnung des Landgerichts aus dem Urteil vom 31.03.2005 drohte das Landgericht Kiel den Beklagten auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 19.11.2008 mit der Verhängung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft. Dagegen legten die Beklagten sofortige Beschwerde ein. Diese wies das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Az.: 16 W 157/08) zurück, mit der Begründung, die Beklagten könnten sich der Auslegung des Unterlassungsgebots in dem Urteil vom 31.03.2005 nicht dadurch entziehen, dass sie zunächst zwar einen Betreuungsvertrag abgeschlossen, diesen dann aber später gekündigt hätten; die Nutzung des streitigen Grundstücks ohne Benennung durch die Klägerin und ohne einen bestehenden Betreuungsvertrag verletze den Kern des Unterlassungsgebots.
- 8
Die Beklagten erhoben Vollstreckungsabwehrklage vor dem Landgericht Kiel (9 O 307/08) mit der Begründung, das Urteil vom 31.03.2005 sei überholt, da sie zwischenzeitlich einen Betreuungsvertrag abgeschlossen hätten. Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab, da die Beklagten keine zulässige Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch erhoben hätten. Solange die Beklagten den Betreuungsvertrag mit der Klägerin aufrecht erhalten hätten, habe möglicherweise ein Einwand gegen das Unterlassungsgebot bestanden, denn die Beklagten hätten die Nutzung der Immobilie nur deshalb unterlassen müssen, weil ein Betreuungsvertrag gefehlt habe. Die ursprüngliche Situation sei aber in dem Moment wieder aufgelebt, in dem die Kläger den Betreuungsvertrag gekündigt hätten.
- 9
Gegen diese Entscheidung legten die Beklagten Berufung zum Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein (Az.: 17 U 41/09). Das Oberlandesgericht erklärte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Kiel vom 31.03.2005 (Az.: 9 O 317/04) für unzulässig. Es stellte nach eingehender Betrachtung des Streitgegenstandes, der dem Urteil vom 31.03.2005 zugrunde lag, fest: „Streitgegenstand und Rechtskraft des Ersturteils erstrecken sich damit auf den Nichtabschluss eines Betreuungsvertrags, nicht aber auf die Frage, wie die Situation zu beurteilen ist, wenn nach Abschluss eines Betreuungsvertrags ein solcher wieder gekündigt wird. Hierzu bedarf es erforderlichenfalls einer neuen Entscheidung.“
- 10
Die Klägerin meint:
- 11
Das zu ihren Gunsten eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht sowie das Vorgehen hieraus sei rechtmäßig. In dem vorliegenden Fall werde den Eigentümern eine konkret bezeichnete Art der tatsächlichen Nutzung untersagt, nämlich die Nutzung durch Personen, welche die in der Grunddienstbarkeit genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Diese Voraussetzungen seien in der Bestallungsurkunde konkret beschrieben.
- 12
Auch die Ausübung des Wohnungsbesetzungsrechts sei nicht rechtsmissbräuchlich und unangemessen.
- 13
Die Benennungsfiktion, die durch den Abschluss eines Betreuungsvertrags entstehe, erlösche in dem Moment, in dem kein wirksamer Betreuungsvertrag existiere. Dies sei sowohl bei Verweigerung des erstmaligen Abschlusses als auch bei einer späteren Kündigung der Fall.
- 14
Die Differenzierung zwischen „vermeintlich verschiedenen Lebenssachverhalten“, die das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in dem Urteil vom 04.12.2009 (Az.: 17 U 41/09) vorgenommen hat, sei unangebracht und lebensfern.
- 15
Die Klägerin beantragt,
- 16
1. die Beklagten zu verurteilen, die Nutzung des Objektes ..., ...zu unterlassen;
- 17
2. festzustellen, dass den Beklagten die Nutzung des Objektes ...verboten ist, wenn und soweit sie nicht von der Klägerin entsprechend der zugunsten der Klägerin im Grundbuch von ...Blatt 1550, Abteilung II Nr. 1 eingetragenen Wohnungsbesetzungsdienstbarkeit benannt werden oder durch erstmaligen oder erneuten Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ als benannt gelten und dieser erstmals oder erneut abgeschlossene Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ auch noch besteht;
- 18
3. für jeden Fall des Zuwiderhandelns gegen die Beklagte die Androhung eines Ordnungsmittels auszusprechen.
- 19
Die Beklagten beantragen,
- 20
die Klage abzuweisen.
- 21
Die Beklagten meinen:
- 22
Der Anspruch auf Nutzungsunterlassung sei schon deshalb nicht gegeben, weil durch den Abschluss des Betreuungsvertrages die Benennungsfiktion eingetreten sei. Sie, die Beklagten, seien von der Klägerin benannt worden. Diese Benennung könne die Klägerin nicht widerrufen.
- 23
Es bestehe allerdings schon keine Rechtsgrundlage für die eingetragenen Grunddienstbarkeiten. Aufgrund dessen werde die Einrede der Bereicherung gemäß § 821 BGB erhoben. Eine Unterlassungsdienstbarkeit mit dem Inhalt, den die Klägerin ihr beimesse, sei unzulässig, denn ein Ausschluss des Eigentümers von der Grundstücks-nutzung könne nicht vereinbart werden. Eine Unterlassungsdienstbarkeit müsse das Verbot von tatsächlichen Handlungen auf dem Grundstück betreffen. Beschränkungen der rechtlichen Befugnisse des Eigentümers könnten daher nicht Inhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sein.
- 24
Sie sind weiterhin der Ansicht, dass die eingetragenen Dienstbarkeiten unklar seien. Die Verpflichtung beziehe sich allein auf die öffentlich geförderten Wohnungen und den Abschluss eines Betreuungsvertrags für öffentlich geförderte Wohnungen. Nur ein solcher Betreuungsvertrag habe vorgelegen. Der notarielle Kaufvertrag über das Objekt ... sei ein Formularvertrag, die maßgeblichen Klauseln seien jeweils vorformulierte Teile. Daher gingen alle Zweifel hinsichtlich der Auslegung zu Lasten der Klägerin. Bestimmungen seien unwirksam, wenn sie zu einer unangemessenen Benachteiligung führen würden. Hier liege eine unangemessene Benachteiligung vor, da die Bestimmungen nicht klar und verständlich seien. Deshalb seien die entsprechenden Bestimmungen aufgrund der Gebote von Treu und Glauben unwirksam.
- 25
Die Klägerin könne keinen Kontrahierungszwang auf Abschluss eines Betreuungsvertrags mit einem Dritten ausüben. Aus dem Streit über den Abschluss eines solchen Vertrages mit einem bestimmten Entgelt könne sich nicht die Verpflichtung des Eigentümers ergeben, die Nutzung seines Eigentums zu unterlassen, zumal er für das Entgelt keine Gegenleistung erhalte. Dies sei sittenwidrig, das Begehren der Klägerin stelle einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar.
- 26
Im Übrigen setze ein Wohnungsbesetzungsrecht begrifflich die Überlassung durch den Eigentümer auf einen Dritten voraus. Bei der originären bestimmungsgemäßen Nutzung durch den Eigentümer selbst könne ein solches Besetzungsrecht nicht greifen. Das Verlangen der Beklagten verstoße gegen § 242 BGB, eine etwa begründete Verpflichtung sei nach § 138 BGB nichtig.
- 27
Hilfsweise erheben die Beklagten den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Denn das Wohnungsbesetzungsrecht sei von der Klägerin erst geltend gemacht worden, nachdem alle 13 frei finanzierten Grundstücke verkauft gewesen seien. Sie habe die Eigentümer dieser Grundstücke über die Pflicht zum Abschluss eines Betreuungsvertrags arglistig getäuscht. Allen Erwerbern frei finanzierter Wohnungen und auch den Beklagten sei bei der Beurkundung von dem beurkundenden Notar gesagt worden, der Abschluss eines Betreuungsvertrages sei möglich, aber nicht erforderlich, und ein Entgelt sei nicht zu zahlen, wenn keine Betreuung in Anspruch genommen wurde (Beweis: 12 Zeugen gemäß Seite 3 der Klagerwiderung vom 18. März 2010). Daher sei die Rechtsausübung treuwidrig.
- 28
Des Weiteren sei es mit dem Wesen des Eigentums unvereinbar, dass der abgeschlossene Betreuungsvertrag jede Kündigungsmöglichkeit des Eigentümers, der seinen Grundbesitz selbst nutze, ausschließe. Die entsprechende Klausel im Kaufvertrag sei auch im Hinblick auf die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Dabei berufen sich die Beklagten auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 06.12.2001 (Az.: 15 U 208/00) und des Landgerichts Lüneburg vom 07.11.2002 (Az.: 1 0 132/02), die dies ebenso gesehen hätten.
- 29
Dazu meint die Klägerin:
- 30
Der Inhalt der Unterlassungsdienstbarkeit bestehe gerade nicht in der Beschränkung der rein rechtlichen Befugnisse der Beklagten. Die Beschränkung in dem Unterlassungsgebot einer Nutzung bestehe in der Weise, dass die Beklagten nicht dem Personenkreis der an dem Konzept des betreuten Wohnens teilnehmenden Personen angehört. Dies sei eine rein faktische Voraussetzung und dementsprechend werde auch das Untersagen einer faktischen Nutzung untersagt.
- 31
Sie verfolge mit dem Vorgehen aus dem Wohnungsbesetzungsrecht nicht das Ziel, dass die Beklagten erneut einen Betreuungsvertrag unterzeichnen. Dafür bilde das Wohnungsbesetzungsrecht zutreffend keine Anspruchsgrundlage. Gegenstand dieses Wohnungsbesetzungsrechts sei die Verpflichtung zur Nutzung im Sinne des betreuten Wohnens. Nur dies sei Gegenstand der Klage.
- 32
Darüber hinaus sei Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Möglichkeit oder die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines Betreuungsvertrags, sondern die Folgen einer solchen vorgenommenen Kündigung.
- 33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 09.06.2010.
Entscheidungsgründe
- 34
Die Klage ist derzeit nicht begründet.
- 35
1. Die Klägerin hat zur Zeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Objekts durch die Beklagten, obwohl diese weder ausdrücklich durch die Klägerin als berechtigte Nutzer ihrer Wohnung benannt worden sind noch aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als benannt gelten.
- 36
2. Das zugunsten der Klägerin eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht ist allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten als beschränkte persönliche Dienstbarkeit rechtswirksam bestellt worden. Es genügt dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, ist auch ohne ausdrückliche zeitliche Begrenzung wirksam und ist schließlich auch nicht sittenwidrig.
- 37
Bei dem Recht handelt es sich um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in der Form eines Wohnungsbesetzungsrechtes (§§ 1090, 1018 BGB). Nach dem Inhalt des Rechts sollen auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen, nämlich die Überlassung der Wohnungen auf dem Grundstück an beliebige Personen. Damit liegt eine Unterlassungsdienstbarkeit vor (Fall 2 des § 1018 BGB). Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Dienstbarkeit in der Form des Wohnungsbesetzungsrechts, mit der öffentliche Interessen verfolgt werden, steht heute nicht mehr in Frage (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023; BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317). Das hier verfolgte öffentliche Interesse besteht in der Förderung des betreuten Wohnens älterer Menschen ab 60 Jahren (§ 26 Abs. 2 II. WoBauG), wie dies auch aus dem Inhalt der Eintragung im Grundbuch hervorgeht, die in zulässiger Weise (§ 874 BGB) auf den Inhalt der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 (UR-Nr. 330/1997 B des Notars ... in... ) verweist, somit auch auf die Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ... e.V.“.
- 38
Der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unklar. Die Klägerin ist danach berechtigt, die Nutzer der davon betroffenen Wohnungen zu benennen. Sie kann dies entweder ausdrücklich tun oder es greift die Benennungsfiktion bei Abschluss des vorgegebenen Betreuungsvertrages durch den Nutzer ein.
- 39
Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass das Wohnungsbesetzungsrecht die Überlassung eines Objekts durch den Eigentümer an einen „Dritten“ voraussetze und deshalb für den Fall der originären Nutzung durch den Eigentümer nicht gelte. Das zugunsten der Klägerin bestellte dingliche Recht enthält eine derartige Einschränkung nicht, sondern gilt gemäß Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde ausnahmslos gegenüber allen Personen, die die betreffenden Wohnungen nutzen. Auch die Benennungsfiktion ist grundsätzlich zulässig (vgl. LG München II, MittBayNot 2002, Seite 400, 401). Es handelt sich dabei um eine im Voraus erteilte typisierte Benennungserklärung der Klägerin.
- 40
Das Wohnungsbesetzungsrecht ist auch nicht deshalb unwirksam, weil es nicht zeitlich begrenzt ist. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, eine solche Dienstbarkeit sollte stets zeitlich befristet oder auflösend bedingt sein, notwendig sei dies aber nicht (so z. B. Schöner/Stöber Grundbuchrecht, 14. Auflg. 2008, Rn 1205; Heinemann MittBayNot 2002, Seite 1, 5). Aus dem Gesetz lässt sich die Notwendigkeit einer Befristung etwa auf die Lebensspanne einer natürlichen Person nicht entnehmen (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023). Sie ergibt sich auch nicht aus dem Wesen der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit als grundsätzlich nicht übertragbarem Recht. Denn der Gesetzgeber hat in § 1092 Abs. 2 BGB selbst die Möglichkeit eröffnet, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit auch einer juristischen Person einzuräumen, und er hat für diesen Fall auch Ausnahmen von der Unübertragbarkeit normiert (§§ 1059 a bis 1059 d BGB). Eine Befristung ist deshalb nicht notwendige Voraussetzung eines Wohnungsbesetzungsrechts für eine juristische Person; die fehlende Befristung führt deshalb auch nicht zur Nichtigkeit der Dienstbarkeitsbestellung und der Eintragungsbewilligung wegen Sittenwidrigkeit (vgl. BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317).
- 41
3. Das Wohnungsbesetzungsrecht berechtigt die Klägerin aber derzeit nicht, den Beklagten die Nutzung des Objekts zu untersagen, obwohl die Beklagten weder aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als durch die Klägerin benannte Nutzer ihrer Wohnung gelten noch durch die Klägerin ausdrücklich als berechtigte Nutzer benannt worden sind.
- 42
Die Beklagten gelten mangels eines wirksamen Betreuungsvertrages zwar nicht als durch die Klägerin benannt. Die Klägerin kann sich darauf aber gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) nicht berufen, weil hier Zweifel an der Auslegung der Benennungsklausel bestehen, die gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin als Verwenderin Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen.
- 43
Zwar ist der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin, nämlich die Nutzer der Wohnungen zu benennen, wie ausgeführt, hinreichend bestimmt. Dies gilt jedoch nicht für die von dem Inhalt des dinglichen Rechts zu unterscheidenden Voraussetzungen seiner Ausübung, wonach eine Person als benannt gilt, die gleichzeitig den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abschließt. Diese Klausel ist nämlich mehrdeutig.
- 44
Zum einen könnte man sie so verstehen, dass als benannt gilt, wer einen entsprechenden Betreuungsvertrag abschließt und dass diese Benennung nur genau für die Zeit besteht, in der die „Benannten“ den Betreuungsvertrag aufrechterhalten. Dafür spricht der Zweck, den die Klägerin mit dem Benennungsrecht verfolgte. Sie wollte seniorengerechten Wohnraum mit Betreuungseinrichtungen schaffen. Diese Betreuungseinrichtungen sind durch den Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ organisiert, dessen Mitglieder die Bewohner der Objekte der Seniorenwohnanlage sein sollen. Diese Ausgestaltung soll auf einem Solidargedanken ähnlich dem Versicherungswesen basieren. Es würde diesem Zweck widersprechen, wenn der Nutzer nur den Vertrag abschließen müsste, um als benannt zu gelten, und ihn dann folgenlos sofort wieder kündigen könnte. Für diese Auslegung spricht auch, dass derjenige Betreuungsvertrag, auf den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde verwiesen wird und der gemäß seiner Präambel ausschließlich auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen der Seniorenwohnanlage zugeschnitten ist, für einen Betreuten in § 5 ein Kündigungsrecht nur dann vorsieht, wenn der Betreute „aus öffentlich geförderten Wohnungen“ das Mietverhältnis beendet. Dort heißt es: „Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich“. Da dieser Vertrag nach dem Willen der Klägerin ursprünglich auch den Käufern der frei finanzierten Wohnungen zur Unterzeichnung vorgelegt wurde, ist davon auszugehen, dass nach dem Willen der Klägerin ein Kündigungsrecht für diese Personen ausgeschlossen werden sollte, solange das Objekt von ihnen selbst bewohnt wird.
- 45
Die Benennungsfiktion könnte aber auch dahin verstanden werden, dass es für die Benennung genügt, den in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abzuschließen. Denn nach dem Wortlaut kommt es nur auf das „Abschließen“ des Vertrages an, nicht auch auf seinen Fortbestand.
- 46
Nach dem Wortlaut käme es auch nicht darauf an, ob ein Nutzer einen abgeschlossenen Betreuungsvertrag auch erfüllt, insbesondere ob er das unabhängig von der Inanspruchnahme der Betreuungsleistungen in gleicher Höhe geschuldete Betreuungsentgelt vertragsgerecht zahlt und damit solidarisch den Vereinszweck, nämlich eine möglichst günstige Betreuung, fördert, worauf es der Klägerin nach ihrem Vortrag ankam. Es fehlt auch jede Regelung, ob dann, wenn der Betreuungsverein den Vertrag wegen Zahlungsrückständen wirksam kündigt, die Benennungsfiktion von selbst entfällt oder ob es zusätzlich eines Widerrufes der Nutzungsberechtigung durch die Klägerin bedarf.
- 47
Die hieraus resultierende Unklarheit geht gemäß § 5 AGBG, welches im Zeitpunkt der Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit galt, zu Lasten der Klägerin.
- 48
Bei der erwähnten Benennungsfiktion in der Bestellungsurkunde handelt es sich ebenso um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des AGBG wie bei dem darin in Bezug genommenen Betreuungsvertrag, der ausdrücklich Bestandteil der Betreuungsurkunde ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin selbst hatte als Verkäuferin in § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages ihrem Käufer, dem Dipl.-Ing. ..., vertraglich auferlegt, die frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ den Betreuungsvertrag abschließen, der als Anlage 3 dem Kaufvertrag als Bestandteil beigefügt war. Gemäß § 6 Nr. 10 hatte die Klägerin dem Käufer...vertraglich auferlegt, eine gleichartige Verpflichtung seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Gemäß § 6 Nr. 13 Abs. 2 war der Käufer... ferner verpflichtet, der Klägerin eine entsprechende beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Besetzungsrecht) mit der Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 3 zu bestellen. Verwenderin dieser AGB (Benennungsklausel und Betreuungsvertrag) gegenüber dem Käufer ... und - mittels der Weitergabeklausel des § 6 Nr. 10 - durch den Käufer...gegenüber allen Folgeerwerbern war die Klägerin. Sie hat diese Vertragsbedingungen einseitig gestellt und direkt und indirekt für eine Vielzahl von Verträgen verwendet, ebenso hat sie den Text der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 und damit auch den Inhalt der Grundbucheintragung vorgegeben.
- 49
Wesentlich bedeutsamer als die oben erwähnte Unklarheit erscheint hier, dass im Nachhinein sogar zweifelhaft ist, welcher Betreuungsvertrag von den Beklagten abzuschließen war, damit sie als von der Klägerin benannt galten.
- 50
Die Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 verweist eindeutig auf den Betreuungsvertrag „gemäß Anlage 1, der Bestandteil dieser Urkunde ist und auf die verwiesen wird“. Dieser Betreuungsvertrag ist allein auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen zugeschnitten. Diese können nach der Präambel „nur von Personen angemietet werden, die auch mit dem karitativen Betreiber einen Betreuungsvertrag schließen“. Weiter heißt es in der Präambel: „Dieser Betreuungsvertrag steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag. Ein Mietvertrag kommt nur gleichzeitig mit dem Abschluss des Betreuungsvertrages zustande“. Dementsprechend heißt es in § 5 Nr. 3 und Nr. 4 jenes Betreuungsvertrages: „Die Dauer des Vertragsverhältnisses ist für den Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen abhängig von der Dauer des Mietverhältnisses. Die Kündigungsfrist richtet sich bei dem Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen nach der für das Mietverhältnis geltenden Kündigungsfrist. Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich.“
- 51
Nach der Präambel ist der Bestand des Betreuungsvertrages somit abhängig von dem abzuschließenden Mietvertrag („steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag“) und gilt umgekehrt dasselbe. § 5 Nr. 4 bekräftigt diese rechtliche Verknüpfung der Verträge. Diese Wirksamkeitsvoraussetzung des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1977 fehlt aber von vornherein bei denjenigen Personen, die Eigentümer einer der frei finanzierten Wohnungen sind und diese selbst nutzen, also nicht vermieten. Für sie war der Betreuungsvertrag auch erkennbar nicht gedacht. Dementsprechend hat der Verein „Betreutes Wohnen“ den Beklagten auch den mit Schreiben vom 1. September 2004 (Anlage K 4) in Kopie übersandten wesentlich anderen Betreuungsvertrag zur Unterschrift vorgelegt, der eine andere Präambel und in § 5 Nr. 3 auch eine andere Kündigungsregelung enthält. Und nachdem die Beklagten im April 2005 diesen anderen Betreuungsvertrag abgeschlossen hatten, sah die Klägerin sie unstreitig trotzdem als aufgrund der Benennungsfiktion berechtigte Nutzer an - eine ausdrückliche Benennung eines Nutzungsberechtigten ist durch die Klägerin nach der Erklärung ihres Bürgermeisters Herrn ... im Termin vom 9. Juni 2010 nämlich bisher noch niemals erfolgt. Dies mag darauf beruhen, dass gemäß dem Schreiben des Amtes ...an die Beklagten vom 31. August 2004 (Anlage K 9) in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die Eheleute ..., der „quasi als Musterprozess“ angesehen wurde, vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein Vergleich abgeschlossen worden sein soll, wonach die dortigen Beklagten sich verpflichteten, ab 1. September 2004 mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ einen Vertrag gemäß einem „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ (Anlage K 15 in jenem Rechtsstreit) abzuschließen, der offenbar dem von den Beklagten unterzeichneten Vertragstext entspricht.
- 52
Das Gericht schließt hieraus, dass die Klägerin selbst irgendwann zu der Auffassung gekommen ist, dass der Abschluss des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 von denjenigen Personen, die ihre frei finanzierte Wohnung als Eigentümer selbst nutzen, nicht verlangt werden kann, weil der Abschluss bei ihnen keine Rechtswirkungen entfalten würde. Obwohl also der Abschluss genau jenes für die Eigentümer frei finanzierter Wohnungen wirkungslosen Betreuungsvertrages als fingierte Nutzerbenennung nach wie vor gemäß § 874 BGB Inhalt der im Grundbuch eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist, wird die Klausel der fingierten Benennung bei den Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen offenbar auch von der Klägerin selbst anders ausgelegt als es ihrem eindeutigen Wortlaut entspricht, nämlich dahingehend, dass der Abschluss des „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Häuser“ genügt, um als benannt zu gelten. Dies kann allerdings kein Erwerber wissen, der sich am Inhalt des Grundbuches orientiert oder dem aufgrund der vertraglichen Klausel zur Weitergabe durch seinen Verkäufer die Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde auferlegt wird.
- 53
Sämtliche vorstehend aufgeführten Unklarheiten müssen gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin gehen.
- 54
Nicht zu Lasten, sondern zugunsten der Klägerin ginge es aber, wenn man zu dem Ergebnis gelangen würde, dass die Beklagten nicht als Nutzungsberechtigte benannt galten, weil sie nicht den in der Bestellungsurkunde genannten Betreuungsvertrag für Mieter öffentlich geförderte Wohnungen abgeschlossen haben. Denn hätten die Beklagen einen solchen Vertrag unterzeichnet, wäre dieser, wie ausgeführt, ohne gleichzeitigen Abschluss eines für sie sinnlosen Mietvertrages rechtsunwirksam geblieben.
- 55
Auch kann es nicht zu Lasten der Beklagten gehen, wenn sie den abgeschlossenen, aber im Hinblick auf § 309 Nr. 9 a BGB (entsprechend § 11 Nr. 12 a AGBG) wirksam gekündigten (vgl. dazu BGH NJW 2007, Seite 213, 214) „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ nicht erneut abschließen. Denn erstens wäre die Benennungsfiktion gemäß § 5 AGBG restriktiv in dem Sinne auszulegen, dass bereits der einmalige Abschluss eines Betreuungsvertrages zur Benennung genügt, sein Fortbestand - jedenfalls über zwei Jahre hinaus (§ 309 Nr. 9 a BGB) - aber nicht erforderlich ist. Und zweitens und vor allem wäre der erneute Abschluss eines „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Wohnungen“ auch nicht geeignet, die Benennungsfiktion auszulösen, weil diese, wie ausgeführt, ausdrücklich an den Abschluss des Betreuungsvertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen anknüpft, somit an den Abschluss eines anderen Vertrages.
- 56
Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung, weil die Beklagten mangels Bestehens eines wirksamen Betreuungsvertrages nicht als durch die Klägerin benannte Nutzer gelten.
- 57
4. Die Klägerin hat derzeit auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung durch die Beklagten, weil diese nicht ausdrücklich von ihr als Nutzungsberechtigte benannt worden sind.
- 58
Insoweit ist die Ausübung des Besetzungsrechts durch die Klägerin klar und eindeutig geregelt. Wen sie ausdrücklich benennt, ist zur Nutzung berechtigt.
- 59
Unstreitig hat die Klägerin die Beklagten nicht ausdrücklich benannt. Die Klägerin hat bisher überhaupt noch keine Person ausdrücklich benannt, wie Herr..., ihr Bürgermeister, auf Frage im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt hat. Er hat weiter erklärt, zu einer derartigen Benennung sei es noch niemals gekommen, weil bisher immer die Benennungsfiktion gegriffen habe. Auf weitere Frage hat er erklärt, dass bei der Klägerin deshalb auch keine Kriterien dafür festgelegt seien, wen sie ausdrücklich benenne und wen nicht.
- 60
Von einer Gemeinde ist jedoch zu erwarten, dass sie gleich gelagerte Sachverhalte in gleicher Weise behandelt, dass sie für den Bürger überprüfbar und deshalb schriftlich festlegt, unter welchen Voraussetzungen die ausdrückliche Benennung erfolgt, und dass sie eine nutzungswillige Person unter Beachtung dieser Voraussetzungen benennt oder auch nicht benennt. Naheliegend könnte die Klägerin dafür z. B. bei Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen den Abschluss des o. g. Musterbetreuungsvertrages und dessen Aufrechterhaltung verlangen. Denkbar sind aber auch andere Regelungen, z. B. die einmalige Zahlung eines Betrages, der dem Betreuungsentgelt für 10 Jahre entspricht - falls sich die Klägerin an der in der Literatur (vgl. Heinemann aaO) befürworteten zeitlichen Begrenzung des Besetzungsrechts auf 10 Jahre orientieren sollte.
- 61
Da die Klägerin derartige Voraussetzungen aber bisher weder festgelegt hat noch auch nur einen Anlass dafür gesehen hat, somit auch nicht prüfbar ist, unter welchen Voraussetzungen die Beklagten einen Anspruch auf Benennung hätten und ob sie diese Voraussetzungen erfüllen würden, kann die Klägerin derzeit keine Rechte daraus herleiten, dass sie die Beklagten nicht ausdrücklich benannt hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagten im Rahmen der Vergleichsanregungen des Gerichts im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt haben, sie könnten sich die Zahlung eines auf 10 Jahre bezogenen Betrages abzüglich der während des Bestehens des im April 2005 abgeschlossenen Betreuungsvertrages bereits erbrachten Zahlungen gut vorstellen; die Klägerin hat sich hierauf aus grundsätzlichen Erwägungen aber nicht einlassen wollen.
- 62
Aufgrund der obigen Ausführungen ist der Klagantrag zu 1 zur Zeit nicht begründet.
- 63
5. Der Klagantrag zu 2 ist ebenfalls nicht begründet.
- 64
Die Klägerin hat nicht schon deshalb einen Anspruch auf Feststellung, dass den Beklagten die Nutzung verboten ist, wenn diese nicht von ihr benannt werden, denn insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin keine Benennung ausspricht, sondern darauf, ob die Beklagten nach den von der Klägerin erst noch schriftlich festzulegenden Voraussetzungen einen Anspruch auf Benennung hätten. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Nutzungsverbotes, wenn und soweit die Beklagten alternativ nicht durch Abschluss „eines Betreuungsvertrages“ mit dem Verein als benannt gelten. Denn, wie dargelegt, knüpft die Benennungsfiktion nicht an den Abschluss irgendeines Betreuungsvertrages an, sondern ausdrücklich an den Abschluss des Vertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen, der aber im Falle der Eigennutzer frei finanzierter Wohnungen nicht wirksam werden kann.
- 65
6. Auch der Klagantrag zu 3 hat keinen Erfolg. Denn weil die Klägerin derzeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung gegen die Beklagten hat, kommt auch die Androhung eines Ordnungsmittels gemäß § 890 ZPO nicht in Frage.
- 66
7. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 und 709 Satz 1 und 2 ZPO.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Verstößt die Verfügung über einen Gegenstand gegen ein gesetzliches Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt, so ist sie nur diesen Personen gegenüber unwirksam. Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erfolgt.
(2) Die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.
(1) Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungsgericht. Es ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.
(2) Dem Vollstreckungsgericht steht auch die Entscheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen, oder wenn wegen der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten Erinnerungen erhoben werden.
(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.
(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.
(2) Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie
- 1.
die vereinbarte Beschaffenheit hat, - 2.
sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und - 3.
mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.
(3) Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie
- 1.
sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, - 2.
eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung - a)
der Art der Sache und - b)
der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,
- 3.
der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und - 4.
mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
(4) Soweit eine Montage durchzuführen ist, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage
- 1.
sachgemäß durchgeführt worden ist oder - 2.
zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.
(5) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert.
Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um die Unterlassung der Nutzung des Objektes ..., ..., durch die Beklagten.
- 2
Die Klägerin verkaufte im Jahr 1997 ein Grundstück an den Bauunternehmer..., der darauf eine Seniorenwohnanlage errichten sollte. Die Klägerin wollte einen Seniorenpark mit Betreuungseinrichtungen und einer Begegnungsstätte schaffen. Der Bauunternehmer verpflichtete sich unter § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages vom 17.6.1997 gegenüber der Klägerin, die auf den Teilgebieten 4, 5, und 6 des Bebauungsplanes entstehenden frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die einen Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen.
- 3
In § 6 Nr. 10 übernahm der Bauunternehmer weiter die Verpflichtung, diese Bau- und Benutzungsverpflichtung und alle weiteren sich aus diesem Vertrag ergebenden Pflichten seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen, und zwar mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Des Weiteren verpflichtete sich der Bauunternehmer in § 6 Nr. 11 des Kaufvertrages, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin an rangerster Stelle eintragen zu lassen, wonach die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes zu errichtenden Wohnungen nur an Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, zur Nutzung überlassen werden dürfen, sowie (§ 6 Nr. 13 des Kaufvertrages) eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsbesetzungsrecht) für die Klägerin eintragen zu lassen, nach welcher die auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 befindlichen Wohnungen nur von Personen genutzt werden dürfen, die von der Gemeinde... benannt werden. Dabei gilt diese Benennung für Personen als erteilt, die oder für die gleichzeitig ein Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ oder dessen Rechtsnachfolger abschließen bzw. abgeschlossen wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Die Eintragungsbewilligung in der Auflassungsurkunde vom 25.11.1997 (Anlage K 4) entspricht hinsichtlich des Inhalts der Dienstbarkeit der Vereinbarung vom 17.6.1997.
- 4
Der Unternehmer bebaute das Grundstück, teilte es und verkaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 14.04.1999 (Anlage K 2) das Objekt..., welches auf den Teilgebieten 4, 5 und 6 des Bebauungsplanes liegt, an die Beklagten. In dem Kaufvertrag heißt es in der Präambel, dass die Bewohner des Grundstücks verpflichtet sind, die Grundleistungen des Betreuungsangebots in Anspruch zu nehmen. Die Käufer übernahmen die Lasten in Form der Wohnungsbesetzungsrechte ohne Anrechnung auf den Kaufpreis. Ferner erkannten die Beklagten zu § 6 des Kaufvertrages an, die Vereinbarungen und Verpflichtungen aus dem vorangegangenen Grundstückskaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Bauunternehmer zu erfüllen. Mit der Eintragung der Beklagten im Grundbuch wurde ihr Grundstück mit dem Wohnungsbesetzungsrecht für die Klägerin belastet.
- 5
Das Objekt wird von den Beklagten genutzt.
- 6
Der Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ soll den Bewohnern der Anlage eine möglichst günstige Betreuung bieten. Daher sieht das Konzept der Klägerin vor, dass sämtliche Bewohner der Anlage einen entgeltlichen Betreuungsvertrag mit dem Verein abschließen müssen. Die Betreuungspauschale beträgt für Einzelpersonen monatlich 50 €, für Ehepaare 70 €. Die Verpflichtung zum Vertragsabschluss besteht unabhängig davon, ob die Bewohner die Leistungen in Anspruch nehmen oder nicht.
- 7
Die Kläger sind über 60 Jahre alt. Sie wurden von der Klägerin nicht als Nutzungsberechtigte benannt. Sie weigerten sich jedoch zunächst, einen entsprechenden Betreuungsvertrag mit der Klägerin abzuschließen. Die Gemeinde ... klagte vor dem Landgericht Kiel (Az.: 9 O 317/04) auf Unterlassung der Nutzung der Immobilie. Die Beklagten wurden am 31.03.2005 dazu verurteilt, die Nutzung zu unterlassen. Daraufhin schlossen die Beklagten im April 2005 mit der Klägerin einen entsprechenden Betreuungsvertrag ab. Diesen kündigten sie am 20.07.2008 zum 31.8.2008 (Anlage K 7). Am 19.09.2008 untersagte die Klägerin den Beklagten die Nutzung der Immobilie auf der Grundlage des Urteils vom 31.03.2005 (Anlage K 8). Wegen Zuwiderhandlung gegen die Anordnung des Landgerichts aus dem Urteil vom 31.03.2005 drohte das Landgericht Kiel den Beklagten auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 19.11.2008 mit der Verhängung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft. Dagegen legten die Beklagten sofortige Beschwerde ein. Diese wies das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Az.: 16 W 157/08) zurück, mit der Begründung, die Beklagten könnten sich der Auslegung des Unterlassungsgebots in dem Urteil vom 31.03.2005 nicht dadurch entziehen, dass sie zunächst zwar einen Betreuungsvertrag abgeschlossen, diesen dann aber später gekündigt hätten; die Nutzung des streitigen Grundstücks ohne Benennung durch die Klägerin und ohne einen bestehenden Betreuungsvertrag verletze den Kern des Unterlassungsgebots.
- 8
Die Beklagten erhoben Vollstreckungsabwehrklage vor dem Landgericht Kiel (9 O 307/08) mit der Begründung, das Urteil vom 31.03.2005 sei überholt, da sie zwischenzeitlich einen Betreuungsvertrag abgeschlossen hätten. Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab, da die Beklagten keine zulässige Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch erhoben hätten. Solange die Beklagten den Betreuungsvertrag mit der Klägerin aufrecht erhalten hätten, habe möglicherweise ein Einwand gegen das Unterlassungsgebot bestanden, denn die Beklagten hätten die Nutzung der Immobilie nur deshalb unterlassen müssen, weil ein Betreuungsvertrag gefehlt habe. Die ursprüngliche Situation sei aber in dem Moment wieder aufgelebt, in dem die Kläger den Betreuungsvertrag gekündigt hätten.
- 9
Gegen diese Entscheidung legten die Beklagten Berufung zum Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein (Az.: 17 U 41/09). Das Oberlandesgericht erklärte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Kiel vom 31.03.2005 (Az.: 9 O 317/04) für unzulässig. Es stellte nach eingehender Betrachtung des Streitgegenstandes, der dem Urteil vom 31.03.2005 zugrunde lag, fest: „Streitgegenstand und Rechtskraft des Ersturteils erstrecken sich damit auf den Nichtabschluss eines Betreuungsvertrags, nicht aber auf die Frage, wie die Situation zu beurteilen ist, wenn nach Abschluss eines Betreuungsvertrags ein solcher wieder gekündigt wird. Hierzu bedarf es erforderlichenfalls einer neuen Entscheidung.“
- 10
Die Klägerin meint:
- 11
Das zu ihren Gunsten eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht sowie das Vorgehen hieraus sei rechtmäßig. In dem vorliegenden Fall werde den Eigentümern eine konkret bezeichnete Art der tatsächlichen Nutzung untersagt, nämlich die Nutzung durch Personen, welche die in der Grunddienstbarkeit genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Diese Voraussetzungen seien in der Bestallungsurkunde konkret beschrieben.
- 12
Auch die Ausübung des Wohnungsbesetzungsrechts sei nicht rechtsmissbräuchlich und unangemessen.
- 13
Die Benennungsfiktion, die durch den Abschluss eines Betreuungsvertrags entstehe, erlösche in dem Moment, in dem kein wirksamer Betreuungsvertrag existiere. Dies sei sowohl bei Verweigerung des erstmaligen Abschlusses als auch bei einer späteren Kündigung der Fall.
- 14
Die Differenzierung zwischen „vermeintlich verschiedenen Lebenssachverhalten“, die das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in dem Urteil vom 04.12.2009 (Az.: 17 U 41/09) vorgenommen hat, sei unangebracht und lebensfern.
- 15
Die Klägerin beantragt,
- 16
1. die Beklagten zu verurteilen, die Nutzung des Objektes ..., ...zu unterlassen;
- 17
2. festzustellen, dass den Beklagten die Nutzung des Objektes ...verboten ist, wenn und soweit sie nicht von der Klägerin entsprechend der zugunsten der Klägerin im Grundbuch von ...Blatt 1550, Abteilung II Nr. 1 eingetragenen Wohnungsbesetzungsdienstbarkeit benannt werden oder durch erstmaligen oder erneuten Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ als benannt gelten und dieser erstmals oder erneut abgeschlossene Betreuungsvertrag mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ auch noch besteht;
- 18
3. für jeden Fall des Zuwiderhandelns gegen die Beklagte die Androhung eines Ordnungsmittels auszusprechen.
- 19
Die Beklagten beantragen,
- 20
die Klage abzuweisen.
- 21
Die Beklagten meinen:
- 22
Der Anspruch auf Nutzungsunterlassung sei schon deshalb nicht gegeben, weil durch den Abschluss des Betreuungsvertrages die Benennungsfiktion eingetreten sei. Sie, die Beklagten, seien von der Klägerin benannt worden. Diese Benennung könne die Klägerin nicht widerrufen.
- 23
Es bestehe allerdings schon keine Rechtsgrundlage für die eingetragenen Grunddienstbarkeiten. Aufgrund dessen werde die Einrede der Bereicherung gemäß § 821 BGB erhoben. Eine Unterlassungsdienstbarkeit mit dem Inhalt, den die Klägerin ihr beimesse, sei unzulässig, denn ein Ausschluss des Eigentümers von der Grundstücks-nutzung könne nicht vereinbart werden. Eine Unterlassungsdienstbarkeit müsse das Verbot von tatsächlichen Handlungen auf dem Grundstück betreffen. Beschränkungen der rechtlichen Befugnisse des Eigentümers könnten daher nicht Inhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sein.
- 24
Sie sind weiterhin der Ansicht, dass die eingetragenen Dienstbarkeiten unklar seien. Die Verpflichtung beziehe sich allein auf die öffentlich geförderten Wohnungen und den Abschluss eines Betreuungsvertrags für öffentlich geförderte Wohnungen. Nur ein solcher Betreuungsvertrag habe vorgelegen. Der notarielle Kaufvertrag über das Objekt ... sei ein Formularvertrag, die maßgeblichen Klauseln seien jeweils vorformulierte Teile. Daher gingen alle Zweifel hinsichtlich der Auslegung zu Lasten der Klägerin. Bestimmungen seien unwirksam, wenn sie zu einer unangemessenen Benachteiligung führen würden. Hier liege eine unangemessene Benachteiligung vor, da die Bestimmungen nicht klar und verständlich seien. Deshalb seien die entsprechenden Bestimmungen aufgrund der Gebote von Treu und Glauben unwirksam.
- 25
Die Klägerin könne keinen Kontrahierungszwang auf Abschluss eines Betreuungsvertrags mit einem Dritten ausüben. Aus dem Streit über den Abschluss eines solchen Vertrages mit einem bestimmten Entgelt könne sich nicht die Verpflichtung des Eigentümers ergeben, die Nutzung seines Eigentums zu unterlassen, zumal er für das Entgelt keine Gegenleistung erhalte. Dies sei sittenwidrig, das Begehren der Klägerin stelle einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar.
- 26
Im Übrigen setze ein Wohnungsbesetzungsrecht begrifflich die Überlassung durch den Eigentümer auf einen Dritten voraus. Bei der originären bestimmungsgemäßen Nutzung durch den Eigentümer selbst könne ein solches Besetzungsrecht nicht greifen. Das Verlangen der Beklagten verstoße gegen § 242 BGB, eine etwa begründete Verpflichtung sei nach § 138 BGB nichtig.
- 27
Hilfsweise erheben die Beklagten den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Denn das Wohnungsbesetzungsrecht sei von der Klägerin erst geltend gemacht worden, nachdem alle 13 frei finanzierten Grundstücke verkauft gewesen seien. Sie habe die Eigentümer dieser Grundstücke über die Pflicht zum Abschluss eines Betreuungsvertrags arglistig getäuscht. Allen Erwerbern frei finanzierter Wohnungen und auch den Beklagten sei bei der Beurkundung von dem beurkundenden Notar gesagt worden, der Abschluss eines Betreuungsvertrages sei möglich, aber nicht erforderlich, und ein Entgelt sei nicht zu zahlen, wenn keine Betreuung in Anspruch genommen wurde (Beweis: 12 Zeugen gemäß Seite 3 der Klagerwiderung vom 18. März 2010). Daher sei die Rechtsausübung treuwidrig.
- 28
Des Weiteren sei es mit dem Wesen des Eigentums unvereinbar, dass der abgeschlossene Betreuungsvertrag jede Kündigungsmöglichkeit des Eigentümers, der seinen Grundbesitz selbst nutze, ausschließe. Die entsprechende Klausel im Kaufvertrag sei auch im Hinblick auf die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Dabei berufen sich die Beklagten auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 06.12.2001 (Az.: 15 U 208/00) und des Landgerichts Lüneburg vom 07.11.2002 (Az.: 1 0 132/02), die dies ebenso gesehen hätten.
- 29
Dazu meint die Klägerin:
- 30
Der Inhalt der Unterlassungsdienstbarkeit bestehe gerade nicht in der Beschränkung der rein rechtlichen Befugnisse der Beklagten. Die Beschränkung in dem Unterlassungsgebot einer Nutzung bestehe in der Weise, dass die Beklagten nicht dem Personenkreis der an dem Konzept des betreuten Wohnens teilnehmenden Personen angehört. Dies sei eine rein faktische Voraussetzung und dementsprechend werde auch das Untersagen einer faktischen Nutzung untersagt.
- 31
Sie verfolge mit dem Vorgehen aus dem Wohnungsbesetzungsrecht nicht das Ziel, dass die Beklagten erneut einen Betreuungsvertrag unterzeichnen. Dafür bilde das Wohnungsbesetzungsrecht zutreffend keine Anspruchsgrundlage. Gegenstand dieses Wohnungsbesetzungsrechts sei die Verpflichtung zur Nutzung im Sinne des betreuten Wohnens. Nur dies sei Gegenstand der Klage.
- 32
Darüber hinaus sei Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Möglichkeit oder die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines Betreuungsvertrags, sondern die Folgen einer solchen vorgenommenen Kündigung.
- 33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 09.06.2010.
Entscheidungsgründe
- 34
Die Klage ist derzeit nicht begründet.
- 35
1. Die Klägerin hat zur Zeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Objekts durch die Beklagten, obwohl diese weder ausdrücklich durch die Klägerin als berechtigte Nutzer ihrer Wohnung benannt worden sind noch aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als benannt gelten.
- 36
2. Das zugunsten der Klägerin eingetragene Wohnungsbesetzungsrecht ist allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten als beschränkte persönliche Dienstbarkeit rechtswirksam bestellt worden. Es genügt dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, ist auch ohne ausdrückliche zeitliche Begrenzung wirksam und ist schließlich auch nicht sittenwidrig.
- 37
Bei dem Recht handelt es sich um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in der Form eines Wohnungsbesetzungsrechtes (§§ 1090, 1018 BGB). Nach dem Inhalt des Rechts sollen auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen, nämlich die Überlassung der Wohnungen auf dem Grundstück an beliebige Personen. Damit liegt eine Unterlassungsdienstbarkeit vor (Fall 2 des § 1018 BGB). Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Dienstbarkeit in der Form des Wohnungsbesetzungsrechts, mit der öffentliche Interessen verfolgt werden, steht heute nicht mehr in Frage (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023; BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317). Das hier verfolgte öffentliche Interesse besteht in der Förderung des betreuten Wohnens älterer Menschen ab 60 Jahren (§ 26 Abs. 2 II. WoBauG), wie dies auch aus dem Inhalt der Eintragung im Grundbuch hervorgeht, die in zulässiger Weise (§ 874 BGB) auf den Inhalt der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 (UR-Nr. 330/1997 B des Notars ... in... ) verweist, somit auch auf die Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages mit dem Verein „Betreutes Wohnen ... e.V.“.
- 38
Der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unklar. Die Klägerin ist danach berechtigt, die Nutzer der davon betroffenen Wohnungen zu benennen. Sie kann dies entweder ausdrücklich tun oder es greift die Benennungsfiktion bei Abschluss des vorgegebenen Betreuungsvertrages durch den Nutzer ein.
- 39
Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass das Wohnungsbesetzungsrecht die Überlassung eines Objekts durch den Eigentümer an einen „Dritten“ voraussetze und deshalb für den Fall der originären Nutzung durch den Eigentümer nicht gelte. Das zugunsten der Klägerin bestellte dingliche Recht enthält eine derartige Einschränkung nicht, sondern gilt gemäß Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde ausnahmslos gegenüber allen Personen, die die betreffenden Wohnungen nutzen. Auch die Benennungsfiktion ist grundsätzlich zulässig (vgl. LG München II, MittBayNot 2002, Seite 400, 401). Es handelt sich dabei um eine im Voraus erteilte typisierte Benennungserklärung der Klägerin.
- 40
Das Wohnungsbesetzungsrecht ist auch nicht deshalb unwirksam, weil es nicht zeitlich begrenzt ist. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, eine solche Dienstbarkeit sollte stets zeitlich befristet oder auflösend bedingt sein, notwendig sei dies aber nicht (so z. B. Schöner/Stöber Grundbuchrecht, 14. Auflg. 2008, Rn 1205; Heinemann MittBayNot 2002, Seite 1, 5). Aus dem Gesetz lässt sich die Notwendigkeit einer Befristung etwa auf die Lebensspanne einer natürlichen Person nicht entnehmen (BayObLG NJW-RR 2001, Seite 1023). Sie ergibt sich auch nicht aus dem Wesen der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit als grundsätzlich nicht übertragbarem Recht. Denn der Gesetzgeber hat in § 1092 Abs. 2 BGB selbst die Möglichkeit eröffnet, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit auch einer juristischen Person einzuräumen, und er hat für diesen Fall auch Ausnahmen von der Unübertragbarkeit normiert (§§ 1059 a bis 1059 d BGB). Eine Befristung ist deshalb nicht notwendige Voraussetzung eines Wohnungsbesetzungsrechts für eine juristische Person; die fehlende Befristung führt deshalb auch nicht zur Nichtigkeit der Dienstbarkeitsbestellung und der Eintragungsbewilligung wegen Sittenwidrigkeit (vgl. BayObLG MittBayNot 2001, Seite 317).
- 41
3. Das Wohnungsbesetzungsrecht berechtigt die Klägerin aber derzeit nicht, den Beklagten die Nutzung des Objekts zu untersagen, obwohl die Beklagten weder aufgrund eines bestehenden Betreuungsvertrages als durch die Klägerin benannte Nutzer ihrer Wohnung gelten noch durch die Klägerin ausdrücklich als berechtigte Nutzer benannt worden sind.
- 42
Die Beklagten gelten mangels eines wirksamen Betreuungsvertrages zwar nicht als durch die Klägerin benannt. Die Klägerin kann sich darauf aber gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) nicht berufen, weil hier Zweifel an der Auslegung der Benennungsklausel bestehen, die gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin als Verwenderin Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen.
- 43
Zwar ist der Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechts der Klägerin, nämlich die Nutzer der Wohnungen zu benennen, wie ausgeführt, hinreichend bestimmt. Dies gilt jedoch nicht für die von dem Inhalt des dinglichen Rechts zu unterscheidenden Voraussetzungen seiner Ausübung, wonach eine Person als benannt gilt, die gleichzeitig den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abschließt. Diese Klausel ist nämlich mehrdeutig.
- 44
Zum einen könnte man sie so verstehen, dass als benannt gilt, wer einen entsprechenden Betreuungsvertrag abschließt und dass diese Benennung nur genau für die Zeit besteht, in der die „Benannten“ den Betreuungsvertrag aufrechterhalten. Dafür spricht der Zweck, den die Klägerin mit dem Benennungsrecht verfolgte. Sie wollte seniorengerechten Wohnraum mit Betreuungseinrichtungen schaffen. Diese Betreuungseinrichtungen sind durch den Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ organisiert, dessen Mitglieder die Bewohner der Objekte der Seniorenwohnanlage sein sollen. Diese Ausgestaltung soll auf einem Solidargedanken ähnlich dem Versicherungswesen basieren. Es würde diesem Zweck widersprechen, wenn der Nutzer nur den Vertrag abschließen müsste, um als benannt zu gelten, und ihn dann folgenlos sofort wieder kündigen könnte. Für diese Auslegung spricht auch, dass derjenige Betreuungsvertrag, auf den in Abschnitt III. Ziffer 3. der Bestellungsurkunde verwiesen wird und der gemäß seiner Präambel ausschließlich auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen der Seniorenwohnanlage zugeschnitten ist, für einen Betreuten in § 5 ein Kündigungsrecht nur dann vorsieht, wenn der Betreute „aus öffentlich geförderten Wohnungen“ das Mietverhältnis beendet. Dort heißt es: „Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich“. Da dieser Vertrag nach dem Willen der Klägerin ursprünglich auch den Käufern der frei finanzierten Wohnungen zur Unterzeichnung vorgelegt wurde, ist davon auszugehen, dass nach dem Willen der Klägerin ein Kündigungsrecht für diese Personen ausgeschlossen werden sollte, solange das Objekt von ihnen selbst bewohnt wird.
- 45
Die Benennungsfiktion könnte aber auch dahin verstanden werden, dass es für die Benennung genügt, den in Bezug genommenen Betreuungsvertrag abzuschließen. Denn nach dem Wortlaut kommt es nur auf das „Abschließen“ des Vertrages an, nicht auch auf seinen Fortbestand.
- 46
Nach dem Wortlaut käme es auch nicht darauf an, ob ein Nutzer einen abgeschlossenen Betreuungsvertrag auch erfüllt, insbesondere ob er das unabhängig von der Inanspruchnahme der Betreuungsleistungen in gleicher Höhe geschuldete Betreuungsentgelt vertragsgerecht zahlt und damit solidarisch den Vereinszweck, nämlich eine möglichst günstige Betreuung, fördert, worauf es der Klägerin nach ihrem Vortrag ankam. Es fehlt auch jede Regelung, ob dann, wenn der Betreuungsverein den Vertrag wegen Zahlungsrückständen wirksam kündigt, die Benennungsfiktion von selbst entfällt oder ob es zusätzlich eines Widerrufes der Nutzungsberechtigung durch die Klägerin bedarf.
- 47
Die hieraus resultierende Unklarheit geht gemäß § 5 AGBG, welches im Zeitpunkt der Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit galt, zu Lasten der Klägerin.
- 48
Bei der erwähnten Benennungsfiktion in der Bestellungsurkunde handelt es sich ebenso um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des AGBG wie bei dem darin in Bezug genommenen Betreuungsvertrag, der ausdrücklich Bestandteil der Betreuungsurkunde ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin selbst hatte als Verkäuferin in § 6 Nr. 9 des notariellen Kaufvertrages ihrem Käufer, dem Dipl.-Ing. ..., vertraglich auferlegt, die frei finanzierten Wohneinheiten nur an Interessenten zu veräußern, zu vermieten oder von diesen sonst wie nutzen zu lassen, die mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ den Betreuungsvertrag abschließen, der als Anlage 3 dem Kaufvertrag als Bestandteil beigefügt war. Gemäß § 6 Nr. 10 hatte die Klägerin dem Käufer...vertraglich auferlegt, eine gleichartige Verpflichtung seinen Rechtsnachfolgern zu übertragen mit der Maßgabe, dass alle weiteren Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten sind. Gemäß § 6 Nr. 13 Abs. 2 war der Käufer... ferner verpflichtet, der Klägerin eine entsprechende beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Besetzungsrecht) mit der Benennungsfiktion bei Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 3 zu bestellen. Verwenderin dieser AGB (Benennungsklausel und Betreuungsvertrag) gegenüber dem Käufer ... und - mittels der Weitergabeklausel des § 6 Nr. 10 - durch den Käufer...gegenüber allen Folgeerwerbern war die Klägerin. Sie hat diese Vertragsbedingungen einseitig gestellt und direkt und indirekt für eine Vielzahl von Verträgen verwendet, ebenso hat sie den Text der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 und damit auch den Inhalt der Grundbucheintragung vorgegeben.
- 49
Wesentlich bedeutsamer als die oben erwähnte Unklarheit erscheint hier, dass im Nachhinein sogar zweifelhaft ist, welcher Betreuungsvertrag von den Beklagten abzuschließen war, damit sie als von der Klägerin benannt galten.
- 50
Die Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 verweist eindeutig auf den Betreuungsvertrag „gemäß Anlage 1, der Bestandteil dieser Urkunde ist und auf die verwiesen wird“. Dieser Betreuungsvertrag ist allein auf die Mieter der 32 öffentlich geförderten Wohnungen zugeschnitten. Diese können nach der Präambel „nur von Personen angemietet werden, die auch mit dem karitativen Betreiber einen Betreuungsvertrag schließen“. Weiter heißt es in der Präambel: „Dieser Betreuungsvertrag steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag. Ein Mietvertrag kommt nur gleichzeitig mit dem Abschluss des Betreuungsvertrages zustande“. Dementsprechend heißt es in § 5 Nr. 3 und Nr. 4 jenes Betreuungsvertrages: „Die Dauer des Vertragsverhältnisses ist für den Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen abhängig von der Dauer des Mietverhältnisses. Die Kündigungsfrist richtet sich bei dem Betreuten aus öffentlich geförderten Wohnungen nach der für das Mietverhältnis geltenden Kündigungsfrist. Die Auflösung des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ist nicht möglich.“
- 51
Nach der Präambel ist der Bestand des Betreuungsvertrages somit abhängig von dem abzuschließenden Mietvertrag („steht und fällt mit dem abzuschließenden Mietvertrag“) und gilt umgekehrt dasselbe. § 5 Nr. 4 bekräftigt diese rechtliche Verknüpfung der Verträge. Diese Wirksamkeitsvoraussetzung des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1977 fehlt aber von vornherein bei denjenigen Personen, die Eigentümer einer der frei finanzierten Wohnungen sind und diese selbst nutzen, also nicht vermieten. Für sie war der Betreuungsvertrag auch erkennbar nicht gedacht. Dementsprechend hat der Verein „Betreutes Wohnen“ den Beklagten auch den mit Schreiben vom 1. September 2004 (Anlage K 4) in Kopie übersandten wesentlich anderen Betreuungsvertrag zur Unterschrift vorgelegt, der eine andere Präambel und in § 5 Nr. 3 auch eine andere Kündigungsregelung enthält. Und nachdem die Beklagten im April 2005 diesen anderen Betreuungsvertrag abgeschlossen hatten, sah die Klägerin sie unstreitig trotzdem als aufgrund der Benennungsfiktion berechtigte Nutzer an - eine ausdrückliche Benennung eines Nutzungsberechtigten ist durch die Klägerin nach der Erklärung ihres Bürgermeisters Herrn ... im Termin vom 9. Juni 2010 nämlich bisher noch niemals erfolgt. Dies mag darauf beruhen, dass gemäß dem Schreiben des Amtes ...an die Beklagten vom 31. August 2004 (Anlage K 9) in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die Eheleute ..., der „quasi als Musterprozess“ angesehen wurde, vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein Vergleich abgeschlossen worden sein soll, wonach die dortigen Beklagten sich verpflichteten, ab 1. September 2004 mit dem Verein „Betreutes Wohnen ...e.V.“ einen Vertrag gemäß einem „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ (Anlage K 15 in jenem Rechtsstreit) abzuschließen, der offenbar dem von den Beklagten unterzeichneten Vertragstext entspricht.
- 52
Das Gericht schließt hieraus, dass die Klägerin selbst irgendwann zu der Auffassung gekommen ist, dass der Abschluss des Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde vom 25. November 1997 von denjenigen Personen, die ihre frei finanzierte Wohnung als Eigentümer selbst nutzen, nicht verlangt werden kann, weil der Abschluss bei ihnen keine Rechtswirkungen entfalten würde. Obwohl also der Abschluss genau jenes für die Eigentümer frei finanzierter Wohnungen wirkungslosen Betreuungsvertrages als fingierte Nutzerbenennung nach wie vor gemäß § 874 BGB Inhalt der im Grundbuch eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist, wird die Klausel der fingierten Benennung bei den Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen offenbar auch von der Klägerin selbst anders ausgelegt als es ihrem eindeutigen Wortlaut entspricht, nämlich dahingehend, dass der Abschluss des „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Häuser“ genügt, um als benannt zu gelten. Dies kann allerdings kein Erwerber wissen, der sich am Inhalt des Grundbuches orientiert oder dem aufgrund der vertraglichen Klausel zur Weitergabe durch seinen Verkäufer die Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrages gemäß Anlage 1 der Bestellungsurkunde auferlegt wird.
- 53
Sämtliche vorstehend aufgeführten Unklarheiten müssen gemäß § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin gehen.
- 54
Nicht zu Lasten, sondern zugunsten der Klägerin ginge es aber, wenn man zu dem Ergebnis gelangen würde, dass die Beklagten nicht als Nutzungsberechtigte benannt galten, weil sie nicht den in der Bestellungsurkunde genannten Betreuungsvertrag für Mieter öffentlich geförderte Wohnungen abgeschlossen haben. Denn hätten die Beklagen einen solchen Vertrag unterzeichnet, wäre dieser, wie ausgeführt, ohne gleichzeitigen Abschluss eines für sie sinnlosen Mietvertrages rechtsunwirksam geblieben.
- 55
Auch kann es nicht zu Lasten der Beklagten gehen, wenn sie den abgeschlossenen, aber im Hinblick auf § 309 Nr. 9 a BGB (entsprechend § 11 Nr. 12 a AGBG) wirksam gekündigten (vgl. dazu BGH NJW 2007, Seite 213, 214) „Musterbetreuungsvertrag für frei finanzierte Häuser“ nicht erneut abschließen. Denn erstens wäre die Benennungsfiktion gemäß § 5 AGBG restriktiv in dem Sinne auszulegen, dass bereits der einmalige Abschluss eines Betreuungsvertrages zur Benennung genügt, sein Fortbestand - jedenfalls über zwei Jahre hinaus (§ 309 Nr. 9 a BGB) - aber nicht erforderlich ist. Und zweitens und vor allem wäre der erneute Abschluss eines „Musterbetreuungsvertrages für frei finanzierte Wohnungen“ auch nicht geeignet, die Benennungsfiktion auszulösen, weil diese, wie ausgeführt, ausdrücklich an den Abschluss des Betreuungsvertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen anknüpft, somit an den Abschluss eines anderen Vertrages.
- 56
Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung, weil die Beklagten mangels Bestehens eines wirksamen Betreuungsvertrages nicht als durch die Klägerin benannte Nutzer gelten.
- 57
4. Die Klägerin hat derzeit auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung durch die Beklagten, weil diese nicht ausdrücklich von ihr als Nutzungsberechtigte benannt worden sind.
- 58
Insoweit ist die Ausübung des Besetzungsrechts durch die Klägerin klar und eindeutig geregelt. Wen sie ausdrücklich benennt, ist zur Nutzung berechtigt.
- 59
Unstreitig hat die Klägerin die Beklagten nicht ausdrücklich benannt. Die Klägerin hat bisher überhaupt noch keine Person ausdrücklich benannt, wie Herr..., ihr Bürgermeister, auf Frage im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt hat. Er hat weiter erklärt, zu einer derartigen Benennung sei es noch niemals gekommen, weil bisher immer die Benennungsfiktion gegriffen habe. Auf weitere Frage hat er erklärt, dass bei der Klägerin deshalb auch keine Kriterien dafür festgelegt seien, wen sie ausdrücklich benenne und wen nicht.
- 60
Von einer Gemeinde ist jedoch zu erwarten, dass sie gleich gelagerte Sachverhalte in gleicher Weise behandelt, dass sie für den Bürger überprüfbar und deshalb schriftlich festlegt, unter welchen Voraussetzungen die ausdrückliche Benennung erfolgt, und dass sie eine nutzungswillige Person unter Beachtung dieser Voraussetzungen benennt oder auch nicht benennt. Naheliegend könnte die Klägerin dafür z. B. bei Eigennutzern frei finanzierter Wohnungen den Abschluss des o. g. Musterbetreuungsvertrages und dessen Aufrechterhaltung verlangen. Denkbar sind aber auch andere Regelungen, z. B. die einmalige Zahlung eines Betrages, der dem Betreuungsentgelt für 10 Jahre entspricht - falls sich die Klägerin an der in der Literatur (vgl. Heinemann aaO) befürworteten zeitlichen Begrenzung des Besetzungsrechts auf 10 Jahre orientieren sollte.
- 61
Da die Klägerin derartige Voraussetzungen aber bisher weder festgelegt hat noch auch nur einen Anlass dafür gesehen hat, somit auch nicht prüfbar ist, unter welchen Voraussetzungen die Beklagten einen Anspruch auf Benennung hätten und ob sie diese Voraussetzungen erfüllen würden, kann die Klägerin derzeit keine Rechte daraus herleiten, dass sie die Beklagten nicht ausdrücklich benannt hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagten im Rahmen der Vergleichsanregungen des Gerichts im Termin vom 9. Juni 2010 erklärt haben, sie könnten sich die Zahlung eines auf 10 Jahre bezogenen Betrages abzüglich der während des Bestehens des im April 2005 abgeschlossenen Betreuungsvertrages bereits erbrachten Zahlungen gut vorstellen; die Klägerin hat sich hierauf aus grundsätzlichen Erwägungen aber nicht einlassen wollen.
- 62
Aufgrund der obigen Ausführungen ist der Klagantrag zu 1 zur Zeit nicht begründet.
- 63
5. Der Klagantrag zu 2 ist ebenfalls nicht begründet.
- 64
Die Klägerin hat nicht schon deshalb einen Anspruch auf Feststellung, dass den Beklagten die Nutzung verboten ist, wenn diese nicht von ihr benannt werden, denn insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin keine Benennung ausspricht, sondern darauf, ob die Beklagten nach den von der Klägerin erst noch schriftlich festzulegenden Voraussetzungen einen Anspruch auf Benennung hätten. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Nutzungsverbotes, wenn und soweit die Beklagten alternativ nicht durch Abschluss „eines Betreuungsvertrages“ mit dem Verein als benannt gelten. Denn, wie dargelegt, knüpft die Benennungsfiktion nicht an den Abschluss irgendeines Betreuungsvertrages an, sondern ausdrücklich an den Abschluss des Vertrages für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen, der aber im Falle der Eigennutzer frei finanzierter Wohnungen nicht wirksam werden kann.
- 65
6. Auch der Klagantrag zu 3 hat keinen Erfolg. Denn weil die Klägerin derzeit keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung gegen die Beklagten hat, kommt auch die Androhung eines Ordnungsmittels gemäß § 890 ZPO nicht in Frage.
- 66
7. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 und 709 Satz 1 und 2 ZPO.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 399 Ausschluss der Abtretung bei Inhaltsänderung oder Vereinbarung
Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann oder wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Der Gläubiger kann dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, dass er die Herstellung nach dem Ablauf der Frist ablehne. Nach dem Ablauf der Frist kann der Gläubiger den Ersatz in Geld verlangen, wenn nicht die Herstellung rechtzeitig erfolgt; der Anspruch auf die Herstellung ist ausgeschlossen.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.