Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 04. Nov. 2013 - 11 U 38/13
Gericht
Tenor
I. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 25.02.2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses, zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder mitzuteilen, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.
1
Aufgrund des Hinweisbeschlusses wurde die Berufung der Klägerin zurückgenommen.
2Gründe:
3I.
4Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung Ersatz von Schäden, die nach ihrem Behaupten an ihrem Fahrzeug Pkw BMW, amtliches Kennzeichen ######, am ####2011 auf der Y-Straße in Essen durch einen von einer Platane abgebrochenen Ast verursacht worden sind, sowie die Erstattung ihr in diesem Zusammenhang vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten.
5Das Landgericht hat nach Zeugenvernehmung und Einholung eines schriftlichen sowie ergänzenden mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. I die Klage mit Urteil vom 25.02.2013 abgewiesen mit der Begründung, dass der Beklagten eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht zur Last falle. Dabei könne dahinstehen, ob die Beklagte die Bäume in ihrem Stadtgebiet, wie von einem Teil der Rechtsprechung vertreten, zweimal jährlich, nämlich einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand zu kontrollieren habe oder aber, wie mittlerweile auch teilweise in der Rechtsprechung vertreten werde, entsprechend der von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. entwickelten Baumkontrollrichtlinie (sog. FLL-Richtlinie). Denn die Beklagte habe den streitgegenständlichen Baum gerade einmal zwei Monate vor dem Unfallgeschehen am 01.02.2011 zuletzt kontrolliert, ohne dass hierbei Auffälligkeiten festgestellt worden seien, die eine eingehendere Untersuchung des Baumes insbesondere mit einem Hubsteiger erforderlich gemacht hätten. Insoweit stehe aufgrund der Aussage der Zeugin L zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese bei ihrer am 01.02.2011 vom Boden aus durchgeführten Kontrolle bei dem betreffenden Baum lediglich einen Druckzwiesel, aber keinen Befall mit dem Massaria-Pilz festgestellt habe. Da nach den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. I nach dem ersten Befall mit dem Massariaerreger ein vollbelaubter und unauffällig erscheinender Ast bereits nach 2 bis 3 Monaten absterben könne, könne damit nicht festgestellt werden, dass bereits zum Zeitpunkt der letzten Baumkontrolle am 01.02.2011 ein Massariabefall bei der Platane vorgelegen habe und für die Beklagte erkennbar gewesen wäre. Insbesondere könne angesichts des schnellen Krankheitsverlaufes nicht festgestellt werden, ob am 01.02.2011 bereits vom Boden aus Anzeichen für einen Massaria-Befall erkennbar gewesen seien. Der generelle Einsatz eines Hubsteigers im Rahmen von dreimal jährlich durchzuführenden Kontrollen sei bei einem Bestand von 17.000 Platanen in Essen wirtschaftlich und personell nicht durchführbar. Realistisch erscheine vielmehr, nur bei Auffälligkeiten eine stichprobenartige Kontrolle mit Hubsteiger durchzuführen. Für die Klägerin streite auch kein Beweis des ersten Anscheines, weil es sich nicht um ein typisches Schadensbild handele, welches einem bestimmten Sachverhalt zugeordnet werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts und der Urteilbegründung wird auf das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Essen vom 25.02.2013 (Blatt 157 bis 162 der Akten) Bezug genommen.
6Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt. Sie meint, das Landgericht habe übersehen, dass keine ordnungsgemäße Sichtkontrolle stattgefunden habe. Die Zeugin L habe bei ihrer Vernehmung nicht erklärt, bei ihrer Kontrolle – wie vom Sachverständigen gefordert – ein Fernglas eingesetzt zu haben. Entgegen dem Landgericht seien der Beklagten auch eingehendere und umfassendere Kontrollen zumutbar gewesen. Angesichts der auch ihr bekannten Tatsache, dass die Krankheit noch nicht ausreichend erforscht sei und nicht präzise eingeschätzt werden könne, wann ein Baum erkrankt ist und für Schäden sorgen kann, hätte die Beklagte besondere Wachsamkeit im Hinblick auf die Massaria-Erkrankung walten lassen müssen. Weiter sei bei der Vernehmung des Sachverständigen offenkundig geworden, dass ihm das Alter des Baumes nicht bekannt gewesen sei, obgleich er dieses als ausschlaggebend für den Zustand des Baumes und die zu leistenden Kontrollmaßnahmen angesehen habe. Ebenso habe das Landgericht den vom Sachverständigen als mit ausschlaggebend genannten Standort des Baumes nicht zutreffend gewürdigt. Da der in Rede stehende Baum an einer Hauptverkehrsstraße mit erheblichem Verkehrsaufkommen stehe, seien die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten deutlich höher einzuschätzen. Das Landgericht hätte zudem auch deshalb Bedenken an der Richtigkeit des Gutachtens haben müssen, weil die Beklagte selbst kürzere Kontrollintervalle für erforderlich gehalten habe als der Sachverständige. Schließlich streite entgegen dem Landgericht auch zu ihren, der Klägerin Gunsten, ein Beweis des ersten Anscheins, weil der Sachverständige weitere Astausbruchstellen in dem Baum gefunden habe, welche auf eine deutliche Erkrankung des Baums hinweisen würden. Wenn an einem Ast Folgen der Massaria-Erkrankung zu finden seien und der Ast nicht infolge Sturms abgebrochen sei, spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Erkrankung ursächlich für das Abbrechen des Astes und die dadurch eingetretene Beschädigung gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf Blatt 184 bis 188 der Akten Bezug genommen.
7Die Klägerin hat angekündigt zu beantragen:
81. Das am 25.02.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Essen zum Aktenzeichen 4 O 314/11 wird aufgehoben.
92. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 2.267,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2011 sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 229,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.04.2011 zu zahlen.
10Die Beklagte hat angekündigt zu beantragen,
11die Berufung zurückweisen.
12Sie hat auf die Berufung noch nicht erwidert.
13II.
14Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat zudem weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO); auch eine mündliche Verhandlung vor dem Senat ist nicht geboten
15(§ 522 Abs. 2 S. 1. Nr. 4 ZPO).
16Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände tragen weder im Sinne des § 513 Abs. 1 ZPO die Feststellung, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch, dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
17Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Ansprüche der Klägerin aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 9, 9 a, 47 Abs. 1 StrWG NW, als der hier einzig ernsthaft in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage scheitern bereits daran, dass sich eine für den Schaden der Klägerin kausal gewordene Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten nicht feststellen lässt.
181. Nach gefestigter Rechtsprechung hat der Straßenverkehrssicherungspflichtige aufgrund seiner ihm aus § 9 a Abs. 1 S. 2 StrWG NW obliegenden Pflicht, die Verkehrssicherheit öffentlicher Straßen zu erhalten, die Verkehrsteilnehmer möglichst wirksam auch vor solchen Gefahren zu schützen, die von Straßenbäumen – etwa durch Umstürzen oder Abknicken der Baustämme oder durch Astbrüche – ausgehen. Er muss deshalb Bäume oder Teile von ihnen entfernen, die den Verkehr gefährden. Andererseits ist nicht jede von einem Baum oder einzelnen seiner Äste ausgehende Gefahr immer von außen erkennbar. Dieser Umstand vermag jedoch schon aus ökologischen Gründen eine vorsorgliche Entfernung sämtlicher Bäume aus der Nähe von Straßen und Gehwegen nicht zu rechtfertigen, denn der Verkehr muss gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar hinnehmen Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt in solchen Fällen deshalb nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen (BGH, NJW 1965, 815 f. - Rz. 12 f. bei Juris; BGH, NJW 2004, 1381 f., Rz. 5 bei Juris). Der Verkehrssicherungspflichtige genügt seiner Überwachungs- und Sicherungspflicht hinsichtlich der Straßenbäume, wenn er diese aufgrund laufender Beobachtung in angemessenen Zeitabständen auf Krankheitsanzeichen untersucht und die Pflegemaßnahmen vornimmt, welche für die Beibehaltung der Standfestigkeit des Baumes notwendig sind. Zu einer eingehenderen fachmännischen Untersuchung des Baumes ist der Verkehrssicherungspflichtige erst verpflichtet, wenn besondere Umstände wie etwa trockenes Laub, trockene Äste, äußere Verletzungen oder Beschädigungen des Baumes und dergleichen sie angezeigt sein lassen (BGH, NJW 1965, 815 f. – Rz 13 bei Juris; BGH AUR 2005, 410 – Rz. 11 bei Juris).
19a) Danach ist der Verkehrssicherungspflichtige zunächst einmal nur verpflichtet, bei sämtlichen Straßenbäume in regelmäßigen Zeitabständen eine äußere Gesundheits- und Zustandsprüfung in Form einer fachlich qualifizierten und vom Boden aus durchgeführten Inaugenscheinnahme des Baumes ohne Geräte (Ausnahme allenfalls: Fernglas bei besonders hohen Kronen) vorzunehmen. Insoweit hat sich die seit 1991 bekannte VTA-Methode („Visual Tree Assessment“) bewährt , nach der die Bäume bei der Sichtkontrolle gezielt auf verdächtige biologische und mechanische Defektsymptome hin überprüft werden (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Rz. 9 bei Juris m.w.N.). Eine regelmäßig eingehende fachmännische Untersuchung sämtlicher Bäume – mit zum Teil aufwändigen Geräten (z.B. durch Einsatz von Hubsteigern oder eines sog. „Fractometers“) – kann nicht gefordert werden, weil dies in Anbetracht der umfangreichen Baumbestände der Gebietskörperschaften deren wirtschaftliche Möglichkeiten bei weitem sprengen würde (vgl. OLG Hamm, Urteil NZV 2005, 371 f.- Rz. 9 bei Juris).
20Nach ständiger und auch vom Bundesgerichtshof nicht beanstandeter Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm ist zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich eine zweimal jährlich vom Boden aus durchgeführte äußere Sichtprüfung des Baumes bezogen auf Gesundheit und Standsicherheit durch den Verkehrssicherungspflichtigen erforderlich, aber auch ausreichend, solange nicht dabei konkrete Defektsymptome an dem betreffenden Baum – wie etwa spärliche und trockene Belaubung, dürre Äste, äußere Verletzungen, Wachstumsauffälligkeiten oder Pilzbefall – erkennbar sind (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Tz. 10 m.w.Nw., zitiert nach juris).
21Von einem Teil der Rechtsprechung wird allerdings seit einigen Jahren die Auffassung vertreten, dass die bisher vorherrschende Rechtsprechung inzwischen durch neue fachliche Erkenntnisse überholt sei und eine starre Kontrolle zweimal im Jahr mittlerweise als baumpflegerisch nicht sinnvoll und angezeigt angesehen werde, weil sie den Umständen des Einzelfalls nicht gerecht werde (vgl. z.B.: OLG Köln, VersR 2010, 1328f., Rz. 13 bei Juris). Dem haben die von der Forschungsgesellschaft Landesentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) entwickelte „Baumkontrollrichtlinie“ (Richtlinien für Regelkontrollen zur Überpüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen), die die Häufigkeit der angemessenen Kontrolle aufgrund forstwissenschaftlicher Untersuchungen nach der Gefahrenlage, der Baumart, dem Standort und dem Alter des Baumes in differenzierter Weise bestimme, Rechnung getragen. Mit der vorgenannten Baumkontrollrichtlinie werden indes keine strengeren Anforderungen an die Kontrolldichte gestellt, sondern diese im Gegenteil aufgelockert. Danach bedürfen Jungbäume in der Regel keiner Kontrolle, gesunde und leicht beschädigte Bäume in der Alterungsphase auch bei erhöhten Sicherheitserwartungen des Verkehrs einer einmal jährlichen Regelkontrolle. Die Alterungsphase beginne zwischen 50 und 80 Jahren (vgl. OLG Köln, a.a.O., Rz. 13 m.w.N.). Nach dem strengsten Maßstab der FLL sind auch bei stärker geschädigten Bäumen in der Alterungsphase und höheren berechtigten Sicherheitserwartungen des Verkehrs einmal jährliche Kontrollintervalle vorgesehen (Tabelle 1, S. 26 FLL).
22Der Umstand, dass es sich bei dem schadensverursachenden Baum um eine Platane gehandelt hat, rechtfertigt keine anderweitige Beurteilung. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergeben sich aus der speziell bei Platanen auftretenden Massaria-Krankheit und deren Besonderheiten keine gegenüber anderen Baumarten generell erhöhten Anforderungen an die Häufigkeit und Durchführungsweise der vorzunehmenden Regelkontrollen. Dies gilt zum einen deshalb, weil von der Baumart Platanen auch bei Berücksichtigung der spezifischen Eigenarten der Massaria-Krankheit, insbesondere der in ihrer Folge schnell auftretenden Totholzbildung, letztlich keine nennenswert größeren Gefahren für Menschen und Sachwerte ausgehen als von anderen Baumarten, die aufgrund anderer Einwirkungen und Erkrankungen in vergleichbarer Weise geschwächt werden können (Senatsurteil vom 24.10.2012, I-11 U 100/12). Zum anderen ließe sich aber auch der Gefahr des plötzlichen Abbrechens von mit dem Massariapilz befallenen Ästen nicht mit einem dem Verkehrssicherungspflichtigen noch zumutbaren finanziellen Aufwand vorbeugend begegnen. Denn wegen des vom Sachverständigen Dr. I darlegten schnellen Verlaufs der Erkrankung, die nur zwischen 2 bis 3 Monate vom ersten Befall des Baumes bis zur Totholzbildung und dem Abbrechen von Ästen betragen kann, müsste hierzu jede Platane ca. 6 mal im Jahr unter Einsatz eines Hubsteigers durch geschultes Personal auf Anzeichen der Massaria-Krankheit hin untersucht werden. Dass derart zahlreiche und zeitaufwendige vorbeugende Regelkontrollen der Beklagten schon mit Rücksicht auf die große Anzahl der in ihrem Stadtgebiet vorhandenen Straßenplatanen (ca. 17.000 Bäume) nicht zumutbar ist, liegt auf der Hand. Dies würde die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten deutlich überspannen, da hierfür ein nicht leistbarer Material- und Personaleinsatz notwendig wäre.
23Aus diesem Grunde ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine engmaschigere Kontrolle von Platanen auf einen möglichen Befall mit der Massaria-Krankheit, insbesondere unter Einsatz eines Hubsteigers erst dann geboten, erforderlich und der verkehrssicherungspflichtigen Gemeinde zumutbar, wenn ein entsprechender Befall in dem konkreten Baumbestand festzustellen ist. Anderenfalls genügt die verkehrssicherungspflichtige Kommune auch bei Platanen ihrer Verkehrssicherungspflicht durch zweimal im Jahr vom Boden aus durchgeführten Regelkontrollen, wobei eine im belaubtem und eine im unbelaubtem Zustand des Baumes vorzunehmen ist (Senatsbeschluss vom 19.10.2012, I-11 U 149/12; Senatsurteil vom 24.10.2012, I-11 U 100/12).
242. Ausgehend hiervon kann eine für den Schaden der Klägerin kausal ge- worden Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten nicht festgestellt werden.
25Dabei kann der Senat im Streitfall offenlassen, ob zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht weiterhin im Regelfall jährlich zweimal – in belaubtem und unbelaubtem Zustand – durchzuführende äußere Sichtprüfungen, bezogen auf Gesundheit und Standsicherheit des Baumes, erforderlich, aber auch ausreichend sind, oder die Kontrollen zukünftig an den Vorgaben der „Baumkontrollrichtlinie“ (FLL) zu orientieren sind. Sowohl unter Berücksichtigung der bisherigen Grundsätze als auch bei Anwendung der nach der FLL aufgestellten Maßstäbe kann eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten wegen Nichteinhaltung der erforderlichen Kontrolldichte nicht festgestellt werden. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz wurde die streitgegenständliche Platane zuletzt am 01.02.2011 und damit gerade mal etwas mehr als 2 Monate vor dem Schadensereignis vom 04.04.2011 von der Zeugin L kontrolliert. Auch unter Berücksichtigung des Alters des Baumes von 40 bis 50 Jahren sowie dessen Standort an einer verkehrsreichen Straße wäre auch nach der FLL-Richtlinie eine nochmalige Kontrolle des Baumes vor dem 04.04.2011 nicht erforderlich gewesen.
26Eine erneute und eingehendere Untersuchung des Baumes wäre nach den vorstehenden Grundsätzen vor dem 04.04.2001 nur dann geboten und erforderlich gewesen, wenn der schadensverursachende Baum oder ein anderer Baum in dessen
27näherer Umgebung bereits zum Zeitpunkt der letzten Regelkontrolle am 01.02.2012 Anzeichen der Massaria-Krankheit aufgewiesen hätte, die die Zeugin L bei einer ordnungsgemäß durchgeführten Sichtkontrolle vom Boden aus hätte erkennen und zum Anlass für eine nähere Untersuchung des Baumes mittels Hubsteiger hätte nehmen müssen. Das kann vorliegend indes nicht festgestellt werden.
28Die Zeugin L hat nach ihrer erstinstanzlichen Aussage bei der Regelkontrolle am 01.02.2011 keine auf einen Massariabefall des Baumes hindeutende Anzeichen gefunden, sondern lediglich einen sog. Druckzwiesel festgestellt. Dabei handelt es sich um eine Gabelung des Baumstammes, die bei dauernden Windbelastungen zu Rissen im Stamm führen kann. Allein die Feststellung eines Druckzwiesels gibt aber keinen Anlass für eine nähere Untersuchung des Baumes auf Massariabefall mittels eines Hubsteigers, sondern allenfalls zu einer engeren Kontrolldichte. Dem hat die Zeugin L jedoch in hinreichender Weise Rechnung getragen, indem sie in das von ihr mitgeführte Gerät eingegeben hat, dass die Kontrollen zukünftig alle 3 Monate erfolgen sollen. Auch danach wäre die nächste Kontrolle aber erst nach dem Unfall erfolgt.
29Ob die Zeugin L – was die Klägerin in Abrede stellt – bei der Sichtkontrolle am 01.02.2011 ein Fernglas benutzt hat, wie es auch der Sachverständige Dr. I für erforderlich gehalten hat, kann letztlich dahinstehen. Denn selbst wenn die Zeugin bei der von ihr durchgeführten Sichtkontrolle kein Fernglas verwendet haben sollte, so wäre damit zwar die Sichtkontrolle von ihr nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Allerdings könnte nicht festgestellt werden, dass dieser Umstand auch für den Schaden der Klägerin kausal geworden ist . Die erforderliche Kausalität läge nur dann vor, wenn bei einer am 01.02.2011 mit Fernglas durchgeführten Sichtkontrolle der Massariabefall hätte festgestellt werden können. Das hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin jedoch nicht bewiesen.
30Auf einen Anscheinsbeweis kann sich die Klägerin insoweit nicht berufen. Der Umstand, dass der Sachverständige Dr. I an dem von der Klägerin sichergestellten Ast Symptome der Massariakrankheit festgestellt hat, spricht zwar dafür, dass der Baum am Tag des Schadensereignisses (04.04.2011) an Massaria erkrankt war, begründet aber keinen Anscheinsbeweis dafür, dass auch schon zum Zeitpunkt der letzten Regelkontrolle des Baumes am 01.02.2011 ein vom Boden aus mit Fernglas erkennbarer Befall des Baumes vorgelegen hat. Dies gilt schon deshalb, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. I der Verlauf der Massaria-Erkrankung vom ersten Befall bis zum Abbruch der Äste sehr schnell verläuft und bislang vollbelaubte und unauffällig erscheinende Äste im ungünstigsten Fall – und von diesem ist für die Kausalbetrachtung auszugehen – innerhalb von 2 bis 3 Monaten absterben können. Dies entspricht auch den Erkenntnissen des Senats aus anderen vergleichbaren Fällen. Da vorliegend zwischen dem Unfall und der letzten Kontrolle etwas mehr als 2 Monate lagen, hat der Sachverständige Dr. I auch bei seiner ergänzenden mündlichen Anhörung durch das Landgericht folgerichtig erklärt, nicht sagen zu können, ob der betreffende Baum bereits am 01.02.2011 von Massaria befallen war bzw. an ihm Anzeichen der Erkrankung, wie etwa die später am sichergestellten Ast vorhandene rehbraune Verfärbung, erkennbar waren.
31Dass der Sachverständige Dr. I bei der von ihm am 24.07.2012 mit Hilfe eines Hubsteigers durchgeführten Besichtigung des Baumes weitere Astbruchstellen in dessen Krone gefunden hat, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn daraus kann, wie der Sachverständige bei seiner ergänzenden mündlichen Anhörung am 14.01.2013 ausgeführt hat, lediglich geschlossen gewesen, dass der betreffende Baum in der „Vergangenheit“ einmal von der Massaria-Krankheit befallen gewesen sei. Damit ist aber vom Sachverständigen, wie sich aus seinen weiteren Ausführungen ergibt, nämlich dass ihm zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung an dem betreffenden Baum wie auch an den umstehenden Bäumen keine Anzeichen für einen „akuten“ Massariabefall aufgefallen seien und nicht zwingend davon ausgegangen werden könne, dass bereits am 01.02.2011 an dem betreffenden Baum das Vorliegen von Massaria erkennbar war, allein gemeint gewesen, dass der betreffende Baum für den Unfallzeitpunkt 04.04.2011 als Schadensursache in Betracht kommt, nicht aber, dass wegen der Astabbrüche das Vorliegen der Massaria-Erkrankung bereits am 01.02.2011 erkennbar gewesen ist.
32Lässt sich damit aber nicht feststellen, dass zum Zeitpunkt der letzten Regelkontrolle der Beklagten am 01.02.2011 bei einer ordnungsgemäß vom Boden aus durchgeführten Sichtkontrolle Anzeichen der Massaria-Erkrankung erkennbar gewesen wären, fehlt es damit jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen einer etwaigen Amtspflichtverletzung der Beklagten und dem der Klägerin entstandenen Schaden.
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.