Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 27. Apr. 2015 - 11 EK 8/14
Gericht
Tenor
Der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers vom 23.10.2014 wird zurückgewiesen.
Gründe:
1I.
2Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage wegen einer seiner Auffassung nach unangemessenen Verzögerung der Bearbeitung des Verfahrens 8 O 305/08 Landgericht Bielefeld, vormals 2 C 112/08 Amtsgericht Halle (Westfalen). Wegen des bisherigen Verfahrensablaufs und des Standes des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens wird auf S. 1 bis 6 der Stellungnahme des Antragsgegners vom 06.03.2015 (= Bl. 37 – 42 GA) verwiesen.
3Der Antragsteller meint, angesichts der außergewöhnlich langen Verfahrensdauer seien die Grenzen des für einen Prozessbeteiligten unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes noch Hinnehmbaren deutlich überschritten. Ihm könne dabei nicht angelastet werden, dass er von den ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen Gebrauch mache. Die Fachgerichte hätten das Verfahren erheblich beschleunigen können, wenn sie während der beiden Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren die Hauptsache durch Rückverweisung gemäß den Anträgen vom 16.04.2009 und 05.06.2014 weiterbetrieben hätten. Die von den Gerichten behauptete Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Halle vom 24.06.2008 bestehe nicht; daher könne das Landgericht Bielefeld mangels Zuständigkeit diesen Rechtsstreit nicht wirksam beenden; vielmehr habe es das Hauptsacheverfahren durch Rückverweisung zu fördern.
4Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Antragstellers wird auf den Inhalt seiner Schriftsätze vom 23.10.2014 und 27.03.2015 verwiesen.
5II.
6Der Prozesskostenhilfeantrag ist unbegründet. Der beabsichtigten Klage fehlen hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO.
71.
8Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch gem. § 198 Abs. 1 GVG liegen nicht vor.
9a.
10Ein Entschädigungsanspruch für etwaige Verfahrensverzögerungen, die bis zu der mit Schriftsatz des Rechtsanwalts C vom 16.04.2014 erhobenen Verzögerungsrüge eingetreten sein mögen, kommt gem. Art. 23 Satz 2 und 3 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 (ÜGRG) nicht in Betracht. Nach diesen Regelungen setzen Entschädigungsansprüche in bei Inkrafttreten des Gesetzes am 03.12.2011 bereits verzögerten und noch nicht abgeschlossenen Verfahren die unverzügliche Erhebung einer Verzögerungsrüge voraus. Nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, ist die Unverzüglichkeit in diesem Sinne nur gegeben, wenn die Rüge innerhalb von 3 Monaten erhoben worden ist (BGH, Urteil v. 10.04.2014 – III ZR 335/13 – Rn. 25, juris). Fehlt es an einer unverzüglich erhobenen Rüge, sind Entschädigungsansprüche bis zur erstmaligen Erhebung der Verzögerungsrüge präkludiert (BGH, a.a.O., Rn. 27 ff, juris). Es ist vorliegend weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller vor der im Anwaltsschriftsatz vom 16.04.2014 angebrachten Rüge eine Verzögerungsrüge erhoben hat.
11b.
12Für die Zeit nach Anbringung der Verzögerungsrüge vom 16.04.2014 hat der Antragsteller eine die Zubilligung einer Entschädigung rechtfertigende Verfahrensverzögerung im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG nicht dargelegt. Dem insoweit vom Antragsgegner auf S. 4 – 6 der Stellungnahme vom 06.03.2015 dargelegten Verfahrensablauf zwischen dem 16.04.2015 und dem 03.02.2015 lassen sich jedenfalls durch die Verfahrensführung des Gerichts verursachte relevante Lücken in der Bearbeitung nicht entnehmen.
13Soweit der Antragsteller die Verzögerung darin sieht, dass seinem Begehren nach Rückverweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht bislang nicht entsprochen worden sei, stellt er die Richtigkeit des richterlichen Handelns und der daran ausgerichteten Verfahrensführung in Frage. Darauf kann aber ein Entschädigungsanspruch wegen zögerlicher Verfahrensführung nicht gestützt werden. Denn im Entschädigungsprozess ist die Verfahrensführung nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen, wobei letztere nur verneint werden darf, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. BGH, Urteil v. 13.02.2104 – III ZR 311/13 – Rn. 30, juris). Daher hat das Entschädigungsgericht die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und -gestaltung zugrunde legt, nicht infrage zu stellen, soweit sie nicht geradezu willkürlich erscheinen (Vgl. BSG, Urteil v. 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 43 juris). Anhaltspunkte für eine willkürliche Annahme der sachlichen Zuständigkeit durch das Landgericht sind indes nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass der Antragsteller – auch unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BGH vom 09.07.2014 - anderer Auffassung ist.
14c.
15Selbst wenn man entgegen den Ausführungen zu a. und b. eine relevante Verfahrensverzögerung annehmen wollte, würde eine Entschädigungsklage jedenfalls derzeit keine Aussicht auf Erfolg haben. Denn eine solche Klage wäre mit Blick auf das noch nicht abgeschlossene Ausgangsverfahren verfrüht erhoben und müsste deshalb als derzeit unbegründet abgewiesen werden. Bezugspunkt für die Beurteilung der Unangemessenheit ist stets die Gesamtverfahrensdauer (vgl. BGH, Urteil v. 14.11.2013 – III ZR 376/12, Rn. 31, juris). Vor Abschluss des Verfahrens kann nicht beurteilt werden, ob etwa bereits eingetretene Verzögerungen durch eine besonders beschleunigte Bearbeitung in nachfolgenden Phasen kompensiert worden sind. Insoweit ist zu beachten, dass gem. § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG eine Entschädigung nur beansprucht werden kann, soweit eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 nicht ausreichend ist. Ob das der Fall ist, kann erst bei Abschluss des Verfahrens beurteilt werden und hängt maßgeblich vom weiteren Verfahrensverlauf ab, insbesondere von der künftigen Verfahrensförderung durch das Ausgangsgericht und dem Prozessverhalten des Antragstellers sowie der sonstigen Verfahrensbeteiligten.
16Etwas anderes kommt nur in Fällen in Betracht, in denen es bereits zu einer unangemessenen und unumkehrbaren Verzögerung der Verfahrensdauer gekommen ist und auch der Eintritt eines endgültigen Nachteils feststeht (vgl. BGH, Urteil v. 23.01.2014 – III ZR 37/13 – Rn. 28, 32, juris). Dafür ist hier nichts ersichtlich, so dass auch für die Feststellungsanträge keine Erfolgsaussicht besteht.
172.
18Soweit der Antragsteller sein Klagebegehren auch auf § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG stützen möchte, kommt eine Prozesskostenhilfebewillgung durch das angerufene Gericht nicht in Betracht, weil insoweit ausschließlich das Landgericht zuständig ist, worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat (vgl. BGH, Urteil v. 27.02.2014 – III ZR 253/13 – Rn. 4, juris).
193.
20Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 ZPO liegen nicht vor.
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.