Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 08. März 2016 - I-24 U 59/15
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.02.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem bis zum 31.12.2020 befristeten Mietvertrag vom 27.10.2009 über 1000 qm Hallenfläche in M. (Anl. K1 = GA 11ff). Die monatliche Miete war mit € 3.927,-- zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung iHv € 357,-- vereinbart. Der Beklagte hatte im März 2012 nur € 1.198,47 gezahlt, ab April 2012 hatte er die Mietzahlungen eingestellt und zur Begründung darauf verwiesen, die Klägerin habe die Mieträume nicht – wie bei Vertragsschluss mündlich vereinbart – zur Nutzung in eine Autolackiererei umgebaut und auch das dafür erforderliche Brandschutzkonzept nicht umgesetzt.
4Mit Schreiben vom 12.07.2012 rügte der Beklagte unter anderem, die Klägerin habe ihm den Zugang zur Halle durch Zuparken mit einem LKW versperrt. Er setzte eine Abhilfefrist bis zum 30.07.2012 (Anl. B5 = GA 87). Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.08.2012 (Anl. B6 = GA 88ff) kündigte der Beklagte das Mietverhältnis außerordentlich und führte als Begründung u.a. an, dass seit mehreren Wochen auf Veranlassung der Klägerin der Hallenzugang versperrt sei. Die Klägerin trat der außerordentlichen Kündigung im Schreiben vom 29.08 2012 (Anl. B7 = GA 93f) entgegen, äußerte sich aber nicht zu dem Versperren des Zugangs zur Halle.
5Im Oktober 2012 wurde das Hallentor zugeschweißt. Dies war Gegenstand eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem LG Kleve (3 O 332/12). Dort wurde festgestellt, dass die Klägerin dies – in Ausübung verbotener Eigenmacht gemäß § 858 BGB - veranlasst habe. Nachdem der Zugang wieder frei war, erklärte der Beklagte (dortige Kläger) die Erledigung der Hauptsache, die sodann im Urteil des Landgerichts – Einzelrichter – vom 19.02.2013 festgestellt worden ist. Die Berufung gegen dieses Urteil nahm die Klägerin (dortige Beklagte) nach entsprechendem Hinweis des Oberlandesgerichts Düsseldorf (9. Zivilsenat) in der mündlichen Verhandlung zurück.
6Der Kläger hat in erster Instanz Ansprüche auf Mietzahlungen incl. Nebenkostenvorauszahlungen für den Zeitraum März bis Dezember 2012 iHvon € 41.641,53 sowie Erstattung von Rechtsanwaltskosten geltend gemacht. Der Beklagte hat widerklagend die Feststellung beantragt, dass das Mietverhältnis durch die außergerichtliche Kündigung vom 06.08.2012, bzw. hilfsweise die außerordentlichen Kündigungen vom 04.09., 27.10., 02.11.2012 beendet wurde, bzw. hilfsweise ordentlich zum 31.12.2012.
7Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils GA 170R bis 171R Bezug genommen.
8Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen mit Urteil vom 27.02.2015 der Klage in Bezug auf die Kaltmieten für die Monate März bis 06.08.2012 iHvon € 19.196,59 stattgegeben. Aufrechnungsansprüche des Beklagten mit Schadensersatzansprüchen und einem Mietkautionsrückzahlungsanspruch bestünden nicht. Für die Zeit ab dem 07.08.2012 bestünden hingegen keine Zahlungsansprüche der Klägerin, da das Mietverhältnis nach erfolgter Abmahnung vom 12.07.2012 durch die außerordentliche Kündigung vom 06.08.2012 beendet worden sei. Diese sei wegen verbotener Eigenmacht – wie durch Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren LG Kleve 3 O 332/12 festgestellt – gerechtfertigt gewesen. Ein Anspruch auf Zahlung von Nebenkostenvorauszahlungen sei nicht begründet, weil insoweit wegen noch ausstehender Nebenkostenabrechnungen ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten bestehe.
9Auf die Widerklage hat das Landgericht festgestellt, dass das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 06.08.2012 beendet worden ist.
10Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils GA 171R bis 175 Bezug genommen.
11Gegen das am 27.02.2015 verkündete und der Klägerin am selben Tage zugestellte Urteil hat diese mit am 27.03.2015 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 27.04.2015 eingegangenem Schriftsatz wie folgt begründet:
12Das Landgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend erfasst. Es habe nicht berücksichtigt, dass das Hallentor erst in der Nacht vom 17. auf den 18.10.2012 verschweißt worden sei und damit die außerordentliche Kündigung vom 06.08.2012 nicht habe rechtfertigen können. Auf ein längeres Versperren des Hallentores durch einen davor geparkten LKW könne die Kündigung ebenfalls nicht gestützt werden. Der LKW habe sich nur 3 Tage vor dem Hallentor befunden, so dass hierdurch kein Fahrzeug habe fahren können. Dieses „Zuparken“ habe die Klägerin aber nicht veranlasst. Außerdem habe der Beklagte in der Halle ohnehin kein Geschäft betrieben, weshalb sich diese Besitzstörung nicht ausgewirkt habe. Im Übrigen habe es weitere Zugänge zur Halle gegeben; insoweit habe das Landgericht Vorbringen und Beweisantritte der Klägerin rechtsfehlerhaft übergangen. Das Schreiben vom 12.07.2012 genüge nicht den Anforderungen an eine Abmahnung. Außerdem habe die Klägerin erst jetzt bemerkt, dass sich dieses Schreiben auch nicht in ihren Unterlagen befinde.
13Hinsichtlich der Nebenkostenvorauszahlungen habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass ein Zurückbehaltungsrecht vertraglich ausgeschlossen sei. Für die Widerklage bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Im Rahmen der Kosten sei die Widerklage nicht eigenständig zu berücksichtigen.
14Die Klägerin beantragt,
151.
16unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag von € 22.444,94 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils € 357,- seit dem 04.03.2012, auf jeweils € 4.284,00 seit dem 05.04.2012, seit dem 05.05.2012, seit dem 05.06.2012, und seit dem 05.07.2012, auf einen weiteren Betrag von € 3.523,94 seit dem 04.08.2012, und auf je € 4.284,- seit dem 05.09.2012, seit dem 05.10.2012, seit dem 04.11.2012 und seit dem 05.12.2012 zu zahlen;
172.
18den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere € 224,90 nebst Zinsen in
19Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.07.2014 zu
20zahlen.
21Der Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er weist darauf hin, dass die außerordentliche Kündigung vom 06.08.2012 auf die widerrechtliche Zugangsbehinderung mittels verbotener Eigenmacht sowie die fehlende Nutzungsmöglichkeit des Mietobjekts gestützt sei. Insoweit seien die Feststellungen aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren LG Kleve 3 O 332/12 im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Der LKW habe von Ende Juni 2012 bis Oktober 2012 dort gestanden und die einzige Zugangsmöglichkeit zur Halle versperrt (GA 222).
24Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. Die Akte 3 O 332/12 des Landgerichts Kleve war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
25II.
26Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.02.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung der Klage wegen der Mieten und Nebenkostenvorauszahlungen für den Zeitraum vom 07.08. bis 31.12.2012, der Nebenkostenvorauszahlungen für den Zeitraum von März bis 06.08.2012, der vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie die auf die Widerklage hin getroffene Feststellung, dass das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 06.08.2012 beendet wurde.
271. Mieten und Nebenkostenvorauszahlungen ab 07.08.2012
28Die Klageabweisung hinsichtlich des Mietzinsanspruchs einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen für den Zeitraum vom 07.08. bis 31.12.2012 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Mietverhältnis wurde durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 06.08.2012 beendet. Die Kündigung war gerechtfertigt gem. § 543 Abs. 1, § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Durch das längerfristige Blockieren des Hallentores war dem Beklagten eine vertragsgemäße Nutzung der Halle unmöglich gemacht worden, wodurch die Klägerin ihre aus § 535 Abs. 1 BGB folgende Verpflichtung zur Überlassung des ungestörten Mietgebrauchs nachhaltig verletzt hat. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen konnte dem Beklagten eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ende der Mietzeit auch nicht zugemutet werden.
29a.
30Dem angefochtenen Urteil kann nicht darin gefolgt werden, dass eine Hinderung an der vertragsmäßigen Nutzung aufgrund der Einordnung des zugeschweißten Eingangstores sowie der längeren Verweildauer eines LKW vor dem Hallentor im Urteil des Landgerichts Kleve vom 19.02.2013, 3 O 332/12 (vgl. BA) feststehe.
31Das Zuschweißen des Eingangstores fand unstreitig erst in der Nacht vom 17./18.10.2012 statt und konnte die außerordentliche Kündigung vom 06.08.2012 nicht rechtfertigen.
32Dagegen stellte das Zuparken des Hallentores durch einen LKW einen außerordentlichen Kündigungsgrund dar. Insoweit kann aber nicht auf die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren verwiesen werden. Tatsachen, von denen das Gericht als unstreitigem oder erwiesenem Prozessstoff ausgeht, werden niemals rechtskräftig festgestellt; nur der Entscheidungssatz erwächst in Rechtskraft. Die Abgrenzung des Entscheidungssatzes von den tatsächlichen und rechtlichen Zwischenergebnissen, auf denen er beruht, ist eine Frage der objektiven Grenzen der Rechtskraft (Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vorbemerkungen zu § 322, Rn. 31f). Anknüpfungspunkt hierfür sind weder Tatsachen noch Rechtsfragen noch Rechtsverhältnisse, sondern ist ausschließlich der Streitgegenstand, über den im Erstprozess tatsächlich entschieden wurde (Zöller-Vollkommer, aaO, Rn. 35). Zum Zeitpunkt der Antragstellung im einstweiligen Verfügungsverfahren am 24.10.2012 war das Tor aber unstreitig nicht mehr durch einen LKW zugeparkt; das Zuparken war daher nicht Streitgegenstand und wird mithin unter keinen Umständen von der Rechtskraft der dortigen Entscheidung erfasst. Folglich bedarf es - worauf die Berufung zu Recht hinweist - im hiesigen Verfahren gesonderter Feststellungen.
33b.
34Es ist als unstreitig zu behandeln, dass der LKW - wie auf dem Foto BA 30 ersichtlich – das Hallentor und damit die Zufahrtsmöglichkeit zur vermieteten Gewerbehalle versperrte und dieser Zustand über einen mehrwöchigen Zeitraum andauerte. Dadurch verletzte die Klägerin die mietvertraglichen Rechte des Beklagten auf ungestörte Besitzausübung in erheblicher Weise. Dieses Verhalten stellt eine gravierende Vertragsverletzung dar, die der Beklagte nicht hinnehmen musste und die ihn zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages berechtigte. Die Voraussetzungen hierfür lagen vor:
35aa.
36Der Beklagte wurde an einem vertragsgemäßen Zugang zur Halle gehindert. Es ist davon auszugehen, dass durch das Abstellen des LKW - wie auf dem Foto BA 30 ersichtlich - das Hallentor und damit die einzige Zufahrtsmöglichkeit zur vermieteten Gewerbehalle versperrt war.
37Nach eigenem Vorbringen der Klägerin war es nicht möglich, mit einem Fahrzeug durch das Hallentor zu fahren (Berufungsbegründung vom 27.04.2015, S. 4, GA 203). Ob man sich hier – wie der Zeuge Dr. R. im einstweiligen Verfügungsverfahren ausgesagt hat (BA 152R) - an dem LKW „vorbeiquetschen konnte“, um in die Halle zu gelangen, oder – wie die Klägerin geltend macht (GA 125) – durch eine Tür im Tor in die Halle gelangen konnte, mag dahinstehen. Diese „Zutrittsmöglichkeit“ stellt keinen ordnungsgemäßen Zugang für eine Gewerbehalle dar, die als Lackiererei und auch für die Lagerung entsprechenden handelsüblichen Gutes zur Verfügung zu stellen ist (§ 1 MV). Diese Nutzung erfordert in jedem Fall auch eine Zufahrt zur Halle.
38Erfolglos bleibt der Einwand der Klägerin, der Beklagte habe nach eigenem Vorbringen in den Räumlichkeiten kein Geschäft betrieben (Berufungsbegründung vom 27.04.2015, S. 4, GA 203). Auf eine tatsächliche Nutzung des Mietobjekts kommt es grundsätzlich nicht an, da die Klägerin verpflichtet war, die Halle für die vereinbarten Zwecke zur Verfügung zu stellen und insoweit einen ungehinderten Zugang zu ermöglichen. Vertraglich vereinbart war ausweislich § 1 des Mietvertrages eine Nutzung für Lackierarbeiten und für Lagerung von handelsüblichem Gut, für die eine Zufahrtsmöglichkeit unerlässlich war. Im Übrigen ist auch als unstreitig anzusehen, dass der Beklagte die Halle genutzt hat. Die Klägerin hat in Bezug auf die Lackiererei erstinstanzlich selbst eine Nutzung als Lackiererei behauptet (Schriftsatz vom 16.10.2014, S. 3, GA 123). Diese hat der Beklagte zwar in Abrede gestellt (Schriftsatz vom 10.11.2014, S. 5, GA 136). Die Nutzung als Lagerhalle ist indes unstreitig (Klägerin: Schriftsatz vom 16.10.2014, S. 6. GA 126 und Beklagter: Schriftsatz vom 16.09.2014, S. 7, GA 47). Somit stellte das Zuparken des Tores in jedem Fall eine unzumutbare Zugangsbeeinträchtigung dar.
39Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, es habe eine anderweitige Zufahrtsmöglichkeit durch das Schiebetor am Ende der Halle bestanden. Ein solches Schiebetor war zwar unstreitig vorhanden. Allerdings hat der Beklagte vorgetragen, dass dieses an einer ehemaligen Bahntrasse lag und der Zugang stillgelegt und nicht mehr erschlossen war (GA 134). Dem ist die Klägerin nicht entgegen getreten.
40bb.
41Es ist als unstreitig zu behandeln, dass das Zugangshindernis zum Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung vom 06.08.2012 bereits mehrere Wochen andauerte, denn das dahingehende Vorbringen des Beklagten hat die Klägerin nicht substantiiert bestritten, § 138 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO.
42(1).
43Das mehrwöchige Zuparken des Hallentores in der Zeit vor der außerordentlichen Kündigung hat der Beklagte substantiiert unter Vorlage des vorgerichtlichen Schriftverkehrs dargelegt. Bereits mit seiner Abmahnung vom 12.07.2012 (B5 = GA 87) rügte der Beklagte die Versperrung des Zugangs und forderte insoweit die Freigabe. Seine Aufforderung blieb jedoch ohne jegliche Reaktion der Klägerin. In der außerordentlichen Kündigung vom 06.08.2012 (B6 = GA 88ff) rügte der Beklagte ebenfalls, „seit mehreren Wochen wird der Zugang zur der Halle widerrechtlich versperrt“. Die Rückantwort der Klägerin vom 29.08.2012 (B7 = GA 93f) stellt dies nicht in Abrede, sondern beschränkt sich auf die allgemeine Erklärung, dass „die tatsächlichen Gegebenheiten nicht ordnungsgemäß wiedergegeben“ seien; die angesprochenen Punkte seien „entweder abschließend im Mietvertrag geregelt oder haben keinen Einfluss auf das vorliegende Mietverhältnis“. Damit ist die Klägerin dem Vorwurf des Beklagten schon vorprozessual in keiner Weise entgegen getreten, auch nicht mit dem nunmehr im Prozess erhobenen Einwand, der LKW habe doch nur 3 Tage dort gestanden. Auch im einstweiligen Verfügungsverfahren wurde von dem Beklagten vorgetragen, dass das Tor mehrere Wochen lang durch ein Fahrzeug widerrechtlich versperrt worden sei (BA 114). Die Klägerin bestritt dies jedoch nicht, sondern machte lediglich geltend, dies sei ihr nicht zurechenbar bzw. ggfls. von ihrem Selbsthilferecht gedeckt (BA 194).
44Dem Vortrag des Beklagten ist die Klägerin nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten, so dass er als unstreitig anzusehen ist. Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei grundsätzlich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären; sie darf sich also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen ist, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern muss konkret erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richtet sich dabei aber nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei. Je detaillierter dieser ist, desto höher ist die Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ausreicht oder ob ein substantiiertes Bestreiten erforderlich ist, hängt somit von dem Vortrag der Gegenseite ab (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 – IV ZR 127/14 –, Rn. 17, juris). Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte es in Anbetracht des substantiierten Vortrags des Beklagten mithin der Klägerin oblegen, ihre Gegenbehauptung, das Zuparken habe sich auf lediglich 3 Tage beschränkt, näher zu konkretisieren und anzugeben, an welchen 3 Tagen dies geschehen sein soll. Dies gilt umso mehr, weil sie – wie bereits ausgeführt - vorprozessual dem Vorwurf des mehrwöchigen Zuparkens überhaupt nicht entgegen getreten war. Ohne nähere nachvollziehbare Angaben ist ihr Bestreiten nicht ausreichend.
45Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 16.02.2016 darauf hingewiesen worden, dass sie anzugeben hat, auf welche drei Tage sich das Zuparken beschränkt haben soll, ansonsten auch eine weitere Sachaufklärung nicht möglich ist (versehentlich nicht protokolliert).
46Selbst wenn man – entgegen den vorstehenden Ausführungen - die Gegenbehauptung der Klägerin, das Fahrzeug habe lediglich 3 Tage dort gestanden, als ausreichendes Bestreiten ansehen würde, wäre der Senat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung gem. § 286 ZPO davon überzeugt, dass sich das Zuparken des Hallentores (wie aus BA 30 ersichtlich) auf einen mehrwöchigen Zeitraum erstreckte (zumindest ab 12.07. über den 06.08.2012 hinaus, sogar bis in den September 2012). Dies folgt aus dem vorprozessualen Verhalten der Klägerin, die trotz förmlicher Abmahnung und außerordentlicher Kündigung zu keiner Zeit geltend machte, dass das Zuparken allenfalls 3 Tage gedauert hätte. Wie bereits ausgeführt, ist die Klägerin durch den Senat darauf hingewiesen worden, dass sie vortragen muss, auf welchen konkreten Zeitraum sich das Zuparken beschränkt haben soll. Ihr wurde weiter mitgeteilt, dass der Senat aufgrund der oben genannten Umstände das Vorbringen des Beklagten gem. § 286 ZPO als wahr erachtet. Gleichwohl hat die Klägerin keine Schriftsatzfrist gemäß § 139 Abs. 5 ZPO beantragt, um sich die Möglichkeit zu eröffnen, entsprechenden Vortrag nachzureichen. Auch ihr nicht nachgelassener Schriftsatz vom 23.02.2016, den der Senat, sofern er ein substantiiertes Bestreiten mit Beweisantritt enthalten hätte, zum Anlass der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung genommen hätte, lässt insoweit jegliche Angaben vermissen und gibt daher zu einer anderen Sachbehandlung keinen Anlass. Entgegen der in diesem Schriftsatz von der Klägerin geäußerten Auffassung hat der Beklagte das mehrwöchige Versperren durch den LKW auch unter Beweis gestellt. Im Schriftsatz vom 10.11.2014 (GA 132ff.) hat der Beklagte auf seine Beweisantritte im einstweiligen Verfügungsverfahren verwiesen. Dort hat er im Schriftsatz vom 29.Januar 2013 (BA 115ff.) u.a. dahingehenden Beweis in das Zeugnis des Dr. R. gestellt, der im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußert hat, hierzu Angaben machen zu können.
47(2).
48Der Senat ist in Anbetracht der personellen Verbindung zwischen der Firma K. GmbH und der Klägerin ferner davon überzeugt, dass die Klägerin das mehrwöchige Blockieren des Hallentores initiiert hat und es ihr zuzurechnen ist.
49Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass eine der beiden Gesellschafterinnen der K. GmbH die I.V. H. GmbH ist, deren Geschäftsführer und Gesellschafter K. ist, der auch Geschäftsführer der Klägerin ist (vgl. hierzu die Handelsregisterauszüge als Anlagen 18-20 zum Schriftsatz vom 29.01.2013, BA 141-149). Zudem ist aus der auf dem Foto (BA 30) dokumentierten Art und Weise des Zuparkens ersichtlich, dass es sich nicht – wie die Klägerin meint - um ein zufälliges, unglückliches Parken des LKW durch einen Dritten handelt, sondern bewusst, zielgerichtet und möglichst umfassend die Hallenzufahrt unzugänglich gemacht werden sollte. Darüber hinaus steht aufgrund der Aussage des Zeugen Dr. R. im einstweiligen Verfügungsverfahren (BA 152f) fest, dass das Zuparken auf Betreiben des Geschäftsführers der Klägerin erfolgt sein muss. Insoweit kann die Niederschrift der in erster Instanz protokollierten Zeugenaussage im Wege des Urkundenbeweises in den Prozess eingeführt werden (BGH v. 12.04.2011, VI ZB 31/10, Rn. 13, juris; OLG Hamm v. 22.06.2015, 5 U 95/13, Rn. 91, juris). Der Zeuge hat angegeben, dass er im September 2012 dem Vorgang vor Ort nachgegangen und ihm mitgeteilt worden sei, dass der LKW dem Geschäftsführer der Klägerin gehöre (allerdings ein Werbeschild der K. GmbH angebracht worden sei), was im Rahmen des zeitlich nachfolgenden Abschleppens des Fahrzeugs von Mitarbeitern eines anderen Mieters bestätigt worden sei.
50Dies alles wird gestützt durch die Äußerungen der Klägerin, die im Zuge der Auseinandersetzungen mit dem Beklagten von einem vermeintlich ihr zustehenden Vermieterpfandrecht ausging und verhindern wollte, dass der Beklagte dem Pfandrecht unterliegende Gegenstände aus der Halle fortschafft. Dies gipfelte letztlich darin, dass sie das Hallentor im Oktober sogar zuschweißen ließ.
51Die Klägerin konnte sich auch nicht rechtfertigend darauf berufen, ihr stehe ein Vermieterpfandrecht zu, zu dessen Sicherung sie tätig geworden sei. Hierfür ist nichts ersichtlich. Die in der Halle befindlichen Gegenstände unterlagen einem etwaigen Pfandrecht nicht, weil gemäß § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO diejenigen Gegenstände unpfändbar sind, die von einer Person, die aus ihrer körperlichen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb zieht, zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit benötigt werden (vgl. KG v. 13.07.2015, 8 U 15/15, Rn. 12f, juris). Zudem überschritt die Klägerin damit erheblich ein etwaiges Selbsthilferecht nach § 562 b BGB, weil sie zur Sicherung eines vermeintlichen Vermieterpfandrechts nicht berechtigt war, die Grundstückszufahrt zuzuparken. Keinesfalls durfte sie dieses – wie hier erfolgt – als mehrwöchige „Dauermaßnahme“ ausgestalten, sondern allenfalls nur kurzfristig bis zur Anrufung der Gerichte, die für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständig sind (s.a. § 230 BGB; vgl. hierzu KG, a.a.O., Rn. 7 ff).
52cc.
53Dem Beklagten war unter Berücksichtigung der dargelegten besonderen Umstände des vorliegenden Falles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zuzumuten. Die Klägerin hat mit ihrem – bereits eingehend geschilderten - Verhalten ein beträchtliches Maß an Eigenmächtigkeit gezeigt und die geschäftlichen Belange des Beklagten hierbei in keiner Weise berücksichtigt. Das Verhalten der Klägerin erfolgte vorsätzlich und über einen mehrwöchigen Zeitraum. In ihm manifestierte sich deutlich eine vertragsfeindliche Haltung. Sie hat auch trotz der vom Beklagten mit Schreiben vom 12.07.2012 zum 30.07.2012 gesetzten Frist nicht eingelenkt.
54c.
55Das Schreiben des Beklagten vom 12.07.2012 genügt - entgegen der Auffassung der Klägerin - den Anforderungen an eine Abmahnung gem. § 543 Abs. 3 S. 1 BGB. Daraus geht unmissverständlich hervor, dass der Beklagte die Versperrung des Zugangs durch die Klägerin beanstandet und von ihr die umgehende Beseitigung dieses Zustandes fordert. Es schadet nicht, dass in der Abmahnung lediglich zum Ausdruck gebracht wurde, dass - sollte sich bis 30.07.2012 nichts ändern - der Beklagte sich rechtlich wehren müsse. Die Androhung einer Kündigung ist nicht erforderlich (BGH v. 13.07.2007, VIII ZR 281/06, Rn. 11, juris).
56Es ist unerheblich, dass sich dieses Schreiben nicht - wie die Klägerin nunmehr geltend macht - in den Unterlagen der Klägerin befindet. Soweit die Klägerin hiermit einen Zugang bestreiten möchte, erfolgt dieses Bestreiten erstmals in der Berufungsinstanz. Der Beklagte wiederum bestreitet dieses neue Verteidigungsmittel. Da die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO ersichtlich nicht vorliegen, kann das Bestreiten des Zugangs des Schreibens durch die Klägerin als neues Vorbringen nicht zugelassen werden.
57d.
58Das Kündigungsschreiben erfüllt alle Voraussetzungen an eine außerordentliche Kündigung und ist der Klägerin auch unstreitig am 06.08.2012 zugegangen. Die Fristsetzung zur Einräumung des Zugangs bis 09.08.2012 schiebt die Wirksamkeit der Kündigung nicht hinaus, da sie ausdrücklich nur die Ermöglichung der Abholung von in der Halle befindlichen Gegenständen betrifft.
592. Nebenkostenvorauszahlungen für März bis 06.08.2012
60a.
61Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Nebenkostenvorauszahlungen für die Zeit bis zur fristlosen Kündigung am 06.08.2012.
62Nach Eintritt der Abrechnungsreife für die Nebenkostenvorauszahlungen für das Abrechnungsjahr 2012 zum 31.12.2013 kann die Klägerin keine Nebenkostenvorauszahlungen mehr verlangen. Der Anspruch des Vermieters auf Zahlung von Betriebskostenvorauszahlungen geht mit der Betriebskostenabrechnung für die entsprechende Periode, spätestens aber mit dem Ablauf einer angemessenen Abrechnungsfrist - die auch im Gewerbemietraumrecht ein Jahr beträgt (BGH v. 27.01.2010, XII ZR 22/07) – unter; danach richtet sich der Anspruch des Vermieters nur noch auf einen möglicherweise zu seinen Gunsten ergebenden Saldo aus der Betriebskostenabrechnung (BGH v. 26.09.2012, XII ZR 112/10, Rn. 29, juris mwN). Die Klageerhebung ist hier erst nach Eintritt der Abrechnungsreife, im Jahr 2014, erhoben worden.
63b.
64Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf die rückständigen Nebenkostenvorauszahlungen für die Zeit von März bis 06.08.2012.
65Die aus dem Schuldnerverzug folgenden Rechte bleiben dem Vermieter zwar grundsätzlich auch nach dem Eintritt der Abrechnungsreife erhalten, so dass ihm auch dann noch Verzugszinsen auf rückständige Vorauszahlungen zuzusprechen sind, wenn die Betriebskostenvorauszahlungen selbst nicht mehr verlangt werden können (BGH v. 26.09.2012, XII ZR 112/10, Rn. 29, juris). Allerdings kann der Beklagte sich hier auf ein den Verzug ausschließendes Zurückbehaltungsrecht berufen. Es ist als unstreitig anzusehen, dass - wie der Beklagte vorträgt - die Klägerin während des gesamten Mietverhältnisses nicht über die Nebenkostenvorauszahlungen abgerechnet hat (GA 56). Bis zur ordnungsgemäßen Abrechnung des Vermieters steht dem Mieter gemäß § 273 Abs. 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht jedenfalls hinsichtlich der laufenden Nebenkostenvorauszahlungen zu (BGH v. 29.03.2006, VIII ZR 191/05, juris; OLG Düsseldorf v. 12.06.2001, 24 U 168/00, Rn. 4 juris). Dabei schließt das bloße Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 Abs. 1 BGB den Verzug nicht aus; vielmehr ist erforderlich, dass der Schuldner dieses geltend macht, wobei eine stillschweigende Geltendmachung genügt (Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., 2014, § 286 Rn. 38). Entsprechendes ist hier aber anzunehmen, da der Beklagte die Mietzahlungen einschließlich der Nebenkosten im Hinblick auf die Vertragsverletzungen der Klägerin verweigert hat.
66§ 8 Nr. 1 MV steht dem nicht entgegen. Die Klausel nimmt ausdrücklich unstreitige Forderungen aus, was sinngemäß auch für Zurückbehaltungsrechte, die auf einem unstreitigen Sachverhalt beruhen, gelten muss.
67- 68
3. Feststellungsantrag
Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht sehr wohl ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 06.08.2012.
70Diese Frage ist zwar auch im Zuge der Entscheidung über den - abzuweisenden - Zahlungsanspruch für die Zeit vom 07.08. bis zum 31.12.2012 zu prüfen. Allerdings handelt es sich hierbei lediglich um eine präjudizielle Vorfrage, die an der Rechtskraft der Entscheidung nicht teilnimmt. Wenn ein bestimmter Anspruch aus einem gegenseitigen Vertrag eingeklagt wird, wird über das Vertragsverhältnis grundsätzlich nicht entschieden (Vollkommer in: Zöller aaO, Vorbemerkungen zu § 322, Rn. 36).
71Das Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich daraus, dass der Mietvertrag über eine Festlaufzeit von 10 Jahren bis zum 31.12.2020 - und damit über den im hiesigen Prozess relevanten Zeitraum bis zum 31.12.2012 - hinaus geschlossen wurde.
72III.
73Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
74Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
75Wert der Berufung: € 22.444,94
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Urteil einreichenOberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 08. März 2016 - I-24 U 59/15 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).
(2) Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muss der Nachfolger im Besitz gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerb kennt.
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, - 2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder - 3.
der Mieter - a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder - b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn
- 1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, - 2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder - 3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.
(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.
(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.
(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.
(1) Behörden (§ 6 Abs. 1 der Abgabenordnung) und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind verpflichtet, Mitteilungen an die Finanzbehörden nach Maßgabe der folgenden Vorschriften ohne Ersuchen zu übersenden. Dies gilt nicht, wenn die Finanzbehörden bereits auf Grund anderer Vorschriften über diese Tatbestände Mitteilungen erhalten. Eine Verpflichtung zur Mitteilung besteht auch dann nicht, wenn die Gefahr besteht, daß das Bekanntwerden des Inhalts der Mitteilung dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Ist eine mitteilungspflichtige Behörde einer obersten Dienstbehörde nachgeordnet, muß die oberste Behörde dem Unterlassen der Mitteilung zustimmen; die Zustimmung kann für bestimmte Fallgruppen allgemein erteilt werden.
(2) Auf Grund dieser Verordnung sind personenbezogene Daten, die dem Sozialgeheimnis unterliegen (§ 35 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch), und nach Landesrecht zu erbringende Sozialleistungen nicht mitzuteilen.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 11.04.2013 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; das angefochtene Urteil ist jetzt ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2A
3Der Kläger begehrt von seiner Mutter, der Beklagten, die Herausgabe von 206 Krügerrand-Goldmünzen zu je 1 Unze Gewicht sowie insgesamt 2 kg Goldbarren in der Stückelung 2 Barren zu je 250 g und 3 Barren zu je 500 g. Hilfsweise begehrt er die Zahlung von Schadensersatz.
4Die Beklagte lebte ab dem Jahre 1991 vom Vater des Klägers, dem Zeugen O4 sen., getrennt, und zwar in einer abgetrennten Wohnung auf dem ehelichen Anwesen B-Weg in H. Zu diesem abgetrennten Wohnbereich der Beklagten gehörte auch ein Keller. In die Wand dieses Kellerraumes war ein Tresor eingelassen. Der Keller wurde während der Trennungszeit von der Beklagten alleine genutzt.
5O4 sen. hatte ab 1950 oder 1951 sukzessive Goldmünzen und Goldbarren gekauft. Ob er dieses von ihm erworbene Gold in dem vorbeschriebenen Tresor im Keller seines Anwesens aufbewahrte, ist streitig. Jedenfalls befanden sich in dem besagten Tresor Goldmünzen sowie Goldbarren, Schmuckstücke, Papiere und Briefe.
6Ende September des Jahres 1998 ließen sich die Beklagte und der Zeuge O2 sen. scheiden. Der Vater des Klägers veranlasste die Beklagte mit Schreiben vom 07.10.1998 (vgl. Bl. 50 d.A.), aus der von ihr genutzten abgetrennten Wohnung im Hause B-Weg auszuziehen. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nach. Bei Übernahme der von der Beklagten endgültig am 20.11.1998 geräumten Wohnfläche stellte der Zeuge O4 sen. fest, dass der im Keller in die Wand eingebaute, 30 x 30 x 30 cm große Tresor aus der Wand gestemmt und mitsamt Inhalt fortgeschafft worden war. Der Zeuge O2 sen. verdächtigte die Beklagte und erstattete am 23.11.1998 Strafanzeige wegen Haus- und Familiendiebstahls (vgl. Bl. 367 f. d.A.). Das Verfahren wurde unter dem Az. 26 Js 713/98 bei der StA Bielefeld geführt.
7Um den Familienfrieden zu wahren und weitere polizeiliche Maßnahmen zu verhindern, versuchten der Kläger sowie sein Bruder, der Zeuge O3, zwischen den zerstrittenen Eltern zu vermitteln und die Herausgabe des Tresors mit Inhalt durch die Beklagte zu erreichen.
8Am 05.12.1998 formulierte der Kläger handschriftlich eine Übereinkunft , die von seinem Vater unterzeichnet wurde (vgl. Bl. 10 f.). Hiernach verpflichtete sich der Kläger, seinem Vater den Schaden für den entwendeten Tresor und dessen Inhalt zu ersetzen, wenn der abhanden gekommene Inhalt des Tresors nicht wiederbeschafft werden könne.
9Per 26.01.1999 wurde eine Bewertung der mutmaßlich in dem entwendeten Tresor befindlichen Gegenstände vorgenommen und der Gesamtwert auf insgesamt 140.999,00 DM beziffert (Bl. 13/108 d.A.). Der Kläger stellte am 10.05.1999 den Scheck Nr. #####/#### über 140.999,00 DM auf den Zeugen O2 sen. aus. Desweiteren notierte der Kläger unter dem Datum vom 13.05.1999 auf einer Scheckkopie handschriftlich (vgl. Bl. 14):
10„Hiermit bestätige ich, O4 sen., aufgrund unserer Vereinbarung vom 05.12.1998 mit der einvernehmlich oben festgelegten Summe den Schaden aus Tresordiebstahl B-Weg vollumfänglich ersetzt bekommen zu haben von meinen Söhnen O4 und O4. Ich stelle insoweit keine weiteren Ansprüche hieraus.“
11Unter dieser handschriftlichen Erklärung befindet sich eine eigenhändige Unterschrift des Zeugen O2 sen.
12Das Konto des Klägers bei der Commerzbank wurde mit Datum vom 14.05.1999 durch Einlösung eines Schecks mit der vorbezeichneten Nummer mit 140.999,00 DM (umgerechnet 72.091,64 €) belastet (vgl. Bl. 51).
13Vor Juli 2009 versöhnten sich die Eltern des Klägers wieder. Am 19.07.2009 traf die gesamte Familie in der Wohnung der Beklagten zusammen. Anwesend waren der Kläger und die Beklagte, der Zeuge O2 sen. sowie die Geschwister des Klägers. Im Verlauf dieser Zusammenkunft räumte die Beklagte ein, den Tresor samt Inhalt im Jahre 1998 aus der Wand herausgelöst und mitgenommen zu haben. Sie habe den Inhalt des Tresors weitgehend unverändert behalten und an einem sicheren Ort aufbewahrt. Etwa 3 - 5 Krügerrand-Goldmünzen habe sie entnommen, da sie Mittel für die Scheidung benötigt habe. Die Beklagte legte sodann Wertgegenstände vor sämtlichen Anwesenden auf den Tisch, insbesondere mehrere Röllchen mit Krügerrand-Münzen sowie mehrere Goldbarren. Sie war nicht bereit, die Wertgegenstände an den Kläger herauszugeben.
14Am 04.12.2009 heiratete die Beklagte den Zeugen O4 sen. erneut.
15Unter dem 05.02.2010 fertigte der Zeuge X ein Protokoll über ein mit dem Zeugen O4 sen. geführtes Telefonat vom 04.01.2010. In dem Gesprächsprotokoll heißt es zu den Erklärungen des Zeugen O2 sen. u.a. (vgl. Bl. 48 f.):
16„Zum Goldraub: „Das Gold hat noch meine Frau, wenn ich das Gold habe, kriegt er von mir die DM 140.000,00““
17Gemäß Mitteilung der Deutschen Bank H sind die Werte für Krügerrand-Goldmünzen per 12.12.2011 mit jeweils 1.239,44 € und die Werte für Goldbarren mit 10.078,91 € für 250 g-Barren sowie mit 20.167,81 € für 500 g-Barren beziffert worden. Auf diese Werte hat der Kläger seinen hilfsweise geltend gemachten Klageantrag gestützt.
18Der Kläger hat behauptet, in dem entwendeten Tresor habe sich zum Zeitpunkt des Diebstahls das mit dem Herausgabeanspruch bezeichnete Gold befunden. Dieser habe zum Zeitpunkt der Entwendung allein seinem Vater gehört. Er habe sich am 13.05.1999 mit seinem Vater darüber geeinigt, dass er den Herausgabeanspruch bezüglich des gesamten Tresorinhalts gegen den damals noch unbekannten Dieb erwerbe. Jedenfalls habe sein Vater ihm diesen Herausgabeanspruch konkludent abgetreten. Überdies müsste durch Leistung von 140.999,00 DM an seinen Vater der Herausgabeanspruch bezüglich des Tresorinhalts vom Vater auf ihn übertragen sein.
19Die Beklagte habe je eine Krügerrand-Münze an ihren Sohn O2 sowie ihren Enkel U verschenkt. Er - der Kläger - beschränke seinen Herausgabeanspruch gegen die Beklagte daher auf 206 Krügerrand-Münzen.
20Der Kläger hat weiter behauptet, er habe die Beklagte mit Schreiben vom 11.11.2010 (vgl. Bl. 52 ff.) ergebnislos zur Herausgabe der Wertgegenstände aufgefordert. Die Beklagte schulde ihm als Eigentümer des Goldes die Herausgabe, hilfsweise gem. § 292 Abs. 1 BGB Schadensersatz.
21Der Kläger hat beantragt,
221.
23die Beklagte zu verurteilen, 206 Krügerrand-Goldmünzen zu je 1 Unze Gewicht sowie darüber hinaus 2 kg Goldbarren in der Stückelung 2 Barren zu je 250 g und 3 Barren zu je 500 g an ihn herauszugeben;
242.
25hilfsweise für den Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe, an ihn Schadensersatz in Höhe von 1.239,44 € pro Krügerrand-Goldmünze, in Höhe von 10.078,91 € pro 250 g-Goldbarren bzw. in Höhe von 20.167,81 € pro 500 g-Goldbarren zu zahlen.
26Die Beklagte hat beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Die Beklagte hat in Abrede gestellt, dass der Zeuge O2 sen. ursprünglich Eigentümer des streitgegenständlichen Goldes und des Tresorinhalts gewesen sei. Eigentümerin sei sie selbst gewesen; für sie streite die Vermutung des § 1006 BGB.
29Ferner hat sie bestritten, dass der Kläger an seinen Vater tatsächlich 140.999,00 DM gezahlt habe. Zudem hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass die 140.999,00 DM kein Äquivalent für den Tresorinhalt darstellen könnten. Die Zahlung habe nicht den Wert des dort angeblich befindlichen Goldes entsprochen.
30Selbst wenn unterstellt werde, dass der Zeuge O4 sen. Eigentümer des streitgegenständlichen Goldes (gewesen) sei, sei ein Eigentumsübergang auf den Kläger nicht ersichtlich.
31Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen O3, X und O4 sen. Letzterer hat zunächst von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Mit Zwischenurteil vom 06.08.2012 (Bl. 237 ff. d. A.) hat das Gericht festgestellt, dass die Verweigerung unrechtmäßig ist. Die Beschwerde der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 18.10.2012 (5 W 85/12) zurückgewiesen (Bl. 272 d. A.).
32Die Klage hat das Landgericht als unbegründet abgewiesen. Ein Anspruch aus der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 985 BGB bestehe nicht.
33Die Kammer ist davon ausgegangen, dass der Zeuge O2 sen. ursprünglich Eigentümer der im Tresor verwahrten Goldmünzen und Goldbarren war. Eine Eigentumsübertragung auf den Kläger habe jedoch nicht stattgefunden. Der Kläger sei beweisfällig geblieben für seine Behauptung, sein Vater habe ihm den auf das Gold gerichteten Herausgabeanspruch gegen den Dieb des Tresors abgetreten. Der Kläger habe eine diesbezügliche ausdrückliche Vereinbarung schon nicht behauptet. Eine konkludent getroffene Abrede sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festzustellen gewesen.
34Der Zeuge O2 sen. habe in seiner Vernehmung eine derartige Abrede verneint. Er habe lediglich die Zahlung der 140.999,00 DM an den Kläger bestätigt. Diese Zahlung genüge jedoch nicht, um eine konkludente Abtretung des Herausgabeanspruchs anzunehmen. Angesichts der Erklärung auf der Scheckkopie vom 13.05.1999, wonach das Geld eine Art „Entschädigung“ für den abhanden gekommenen Tresorinhalt sein sollte, halte das Gericht die Annahme eines Kaufvertrages in Verbindung mit der Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB für fernliegend. Ebenso wenig belege die vom Zeugen O2 auf der Scheckkopie niedergeschriebene Erklärung, wonach er „insoweit“ keine weiteren Ansprüche stelle, eine konkludente Abtretungsabrede. Der Begriff „insoweit“ beziehe sich nicht auf die Herausgabe des Goldes.
35Auch die vom Vater gegenüber dem Kläger getätigte Äußerung anlässlich des Familientreffens 2009 („Dann müsstest du ja jetzt eigentlich dein Geld zurückbekommen.“), die vom Zeugen O3 bestätigt worden sei, belege die behauptete Abtretungsabrede nicht. Sie deute vielmehr darauf hin, dass der Zeuge O2 sen. die Zahlung der 140.999,00 DM wie eine Art „Pfand“ oder „vorsorgliche Entschädigung“ angesehen habe, die der Kläger habe zurückbekommen sollen, wenn das Gold wieder auftauche.
36Aus der Würdigung der Zeugenaussage O ergebe sich ebenfalls kein Indiz für die behauptete konkludente Abtretungsabrede. Gleiches gelte für den Inhalt des vom Zeugen O unter dem 04.01.2010 angefertigten Gesprächsprotokolls (Bl. 48 f d. A.).
37Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das angefochtene Urteil sei antragsgemäß abzuändern, weil es auf mehreren formellen und materiellen Rechtsfehlern beruhe.
38Das angefochtene Urteil sei durch das Landgericht zu keinem Zeitpunkt in formeller Hinsicht ordnungsgemäß verkündet worden. Aus Bl. 455 d. A. gehe eindeutig hervor, dass das Urteil vom 11.04.2013 als sogenanntes Protokollurteil nur von einem Richter, nämlich von dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. S unterschrieben worden sei, während die Unterschriften der weiteren Mitglieder der 6. Zivilkammer, namentlich die Unterschriften des Richters am Landgericht N sowie der Richterin K jeweils fehlten. Mithin handele es sich bei dem angefochtenen Urteil um ein seltenes, rechtlich unbeachtliches, sogenanntes „Nicht-Urteil“.
39Des Weiteren liege ein mehrfacher Verstoß gegen die allgemeinen Beweiserhebungsvorschriften vor. Die Kammer habe es - aus sachfremden Erwägungen - unterlassen, den Beweisangeboten des Klägers nachzugehen und insbesondere Anträge in dem parallel geführten selbständigen Beweisverfahren zum Geschäftszeichen 6 OH 11/12 völlig unbearbeitet gelassen. So habe er - der Kläger - in dem vorbezeichneten selbständigen Beweisverfahren beantragt, den Zeugen U zeugenschaftlich zu vernehmen zu der Behauptung, dass der Zeuge O4 sen. am 25.11.2009 anlässlich eines Treffens zwischen den Zeugen O, U und O4 sen. sowie dem Kläger die Äußerung getätigt habe, dass der Kläger sich die streitgegenständlichen Wertgegenstände von der Beklagten wiederholen solle. Darüber hinaus habe es die Kammer unterlassen, die von ihm benannte Zeugin X2 als Zeugin zu laden und zu vernehmen. Anhand der Aussage dieser Zeugin sei der Nachweis zu führen, dass der Zeuge O4 sen. im Rahmen seiner Aussage am 11.04.2013 wahrheitswidrige Angaben getätigt habe. Die Zeugin werde bestätigen, dass sie die gemäß Bl. 108 GA von ihr unterzeichnete Aufstellung über die Feststellung der Anzahl und Bewertung der streitgegenständlichen Wertgegenstände gefertigt habe, weil der Zeuge O4 sen. ihr dies aufgetragen habe. Zudem seien auf die weiteren Anträge im selbständigen Beweisverfahren, nämlich die richterliche Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Wertgegenstände und der bei der Beklagten befindlichen strafrechtlichen Ermittlungsakte gesetzeswidrigerweise unbearbeitet gelassen worden.
40Die offensichtlich wegen hoher Eingänge überbelastete 6. Zivilkammer habe statt der vom Kläger angestrebten sorgfältigen Bearbeitung des komplexen Sachverhaltes ein oberflächliches Fehlurteil erlassen. Darüber hinaus seien im Rahmen der Beweisaufnahme sowie der Urteilsfindung und Urteilsbegründung die wissenschaftlichen Grundsätze der Beweiswürdigung in besonders eklatanter Weise missachtet worden. So habe es die Kammer versäumt, zwei für die Entscheidungsfindung wesentliche Kernaussagen des Zeugen O4 sen. anhand der sogenannten „Nullhypothese“ zu überprüfen. Dies führt der Kläger sodann im Einzelnen aus. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Kammer bei Vornahme dieser unterlassenen Prüfung und bei Durchführung einer ebenfalls unterlassenen Motivationsanalyse aufgrund entgegenstehender Urkundsinhalte und entgegenstehender Inhalte der Zeugenaussagen O3 und X die Aussage des Zeugen O4 sen. als widerlegt hätte ansehen müssen. Auch dies führt der Kläger im Einzelnen aus. Des Weiteren weist er neben einer Reihe von angeblichen Unrichtigkeiten auch auf folgende Unstimmigkeit in der Aussage seines Vaters hin, wonach dieser - unstreitig - die Strafanzeige bereits am 04.12.1998 zurückgenommen habe, die Zahlung durch den Kläger jedoch erst am 13.05.1999 erfolgt sei.
41Zudem ergebe sich aus dem allgemeinen Sachzusammenhang, dass der Zeuge O4 sen. am 13.05.1999, als er zum Eigentümer des Schecks über 140.999,00 DM geworden sei, nicht beide Vermögenspositionen habe behalten wollen und können. Es habe vielmehr ein Leistungsaustausch vorgenommen werden sollen. Ob es sich bei dem Kausalgeschäft zwischen ihm und seinem Vater um einen Kaufvertrag, um eine Analogie zu einem Versicherungsvertrag oder um einen sonstigen Vertrag eigener Art gehandelt habe, sei für die Feststellung der sachenrechtlichen Abtretung des Herausgabeanspruchs gem. § 931 BGB betreffend das streitgegenständliche Gold zweitrangig. Das Landgericht habe entgegen BGH NJW 1997, 729 f. die Anforderungen an die Darlegung einer Abtretung des Herausgabeanspruchs nicht nur in Widerspruch zur Aktenlage rechtswidrig verneint, sondern auch - entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung - überspannt. Für die Annahme des Landgerichts einer Pfandabrede fehle jegliche juristische Basis, zumal sich das Gericht zwischen den Alternativen „Zahlung des Betrages als Schweigegeld“ und „Zahlung des Betrages Zug-um-Zug gegen Abtretung des Herausgabeanspruchs“ hätte entscheiden müssen, eine diesbezügliche Entscheidung jedoch im angefochtenen Urteil gar nicht getroffen habe.
42Das Landgericht habe anstelle der fehlgehenden rechtlichen Würdigung der wahrheitswidrigen Aussage seines Vaters im Rahmen einer Hilfserwägung das bestmögliche Ergebnis des vereitelten Beweismittels gem. §§ 427, 444 ZPO analog in die Gesamtwürdigung einstellen müssen. Dies hätte zwingend zu der Schlussfolgerung geführt, dass sein Sachvortrag betreffend die Abtretung des Herausgabeanspruchs am 13.05.1999 als bewiesen anzusehen gewesen sei. Soweit das Landgericht gemeint habe, nicht das Gegenteil des von dem Zeugen O4 sen. Geschilderten annehmen zu müssen, beruhe das angefochtene Urteil auf einem Rechtsfehler. lnsgesamt dränge sich bei Würdigung der - inzwischen unstreitigen bzw. erwiesenen - Sachverhalte auf, dass anhand des angefochtenen Urteils mit der Beklagten eine Diebin und eine Betrügerin geschützt werden sollte. Zudem solle mit dem Zeugen O4 sen. auch ein lügender Zeuge geschützt werden, da infolge des aus methodischer Sicht völlig verfehlten Beweiswürdigungsansatzes des Landgerichts dessen Ausführungen als glaubhaft in die Beweiswürdigung eingestellt worden sein.
43Zur Begründung seiner Klageerweiterung (Berufungsanträge zu 2. und 3.) vertritt der Kläger die Auffassung, dass die Beklagte ihm gegenüber zur Rechnungslegung und Auskunftserteilung betreffend sämtlicher zum Zeitpunkt des von ihr verübten Diebstahls in dem entwendeten Tresor befindlichen Gegenstände, insbesondere Bankunterlagen, verpflichtet sei, namentlich durch Herausgabe der von ihr entwendeten Dokumente im Original, hilfsweise in Kopie, bzw. zur Erstellung und Herausgabe einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Aufstellung über die in dem seitens der Beklagten entwendeten Tresor befindlichen Bankkontenunterlagen und Wertgegenstände. Ihm stehe dieses Auskunftsrecht als zivilrechtlich einklagbarer Anspruch gem. § 421 ZPO zu. Die Beklagte habe behauptet, die in ihrem Besitz befindlichen Unterlagen hätten ihn angeblich in die Gefahr einer sofortigen Einschaltung der Steuerfahndung bringen können. Gegenüber derartigen Behauptungen stünden ihm unzweifelhaft Unterlassungs- und Widerrufsansprüche zu, in deren Rahmen welcher die Beklagte zusätzlich zur Auskunftserteilung verpflichtet sei. Für den Fall, dass die Bankkontenunterlagen tatsächlich in seinem Eigentum gestanden haben sollten, ergebe sich als Anspruchsgrundlage auch die Vorschrift des § 985 BGB.
44Das gemäß den Berufungsanträgen zu Ziff. 4 und 5 klageweise geltend gemachte Auskunftsinteresse ergebe sich aus dem Umstand, dass sein Bruder, Rechtsanwalt Dr. O2, über mehrere Jahre für ihn sowie für mehrere von ihm geführte Unternehmen anwaltlich beratend tätig gewesen sei. Die Beklagte habe gleichwohl Rechtsanwalt Dr. O2 mit rechtlicher Beratung in einem durch ihn in derselben Rechtssache geführten Rechtsstreit beauftragt und von diesem rechtliche Beratung in Anspruch genommen. Infolge des klaren Verstoßes gegen die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften sei die hiesige Beklagte nach dem Veranlassungsprinzip Handlungsstörerin bzw. Anstifterin oder Gehilfin, mithin Mittäterin gem. § 830 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und § 356 StGB.
45Der Kläger beantragt,
46unter Abänderung des angefochtenen Urteils
471.
48die Beklagte zu verurteilen, 206 Krügerrandmünzen zu je 1 Unze Gewicht sowie darüber hinaus 2,0 Kilogramm Goldbarren in einer Stückelung 2 Barren zu je 250 Gramm und 3 Barren zu je 500 Gramm an ihn herauszugeben,
49hilfsweise - für den Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe - die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von 1.239,44 € pro Krügerrandmünze, in Höhe von 10.078,91 € pro 250-Gramm-Goldbarren bzw. in Höhe von 20.167,81 € pro 500-Gramm-Goldbarren zu zahlen.
50Darüber hinaus erweitert der Kläger die Klage und beantragt,
512.
52die Beklagte wird dazu verurteilt, ihm im Wege der Rechnungslegung vollständig und wahrheitsgemäß Auskunft zu erteilen darüber, welche einzelnen Wertgegenstände und Dokumente sich in dem seitens der Beklagten im November 1998 aus dem Haus ihres Ehemannes O4 sen. unter der Anschrift B-Weg, H, entwendeten Tresor befunden haben und die seitens der Beklagten entwendeten Dokumente im jeweiligen Original an ihn herauszugeben;
53hilfsweise, - für den Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe der Dokumente -, ihm vollständig und wahrheitsgemäß Auskunft zu erteilen mittels Erstellung und Herausgabe einer schriftlichen Aufstellung betreffend die angeblich in dem von der Beklagten entwendeten Tresor befindlichen Bankkontenunterlagen, wobei in der seitens der Beklagten zu erstellenden Rechnungslegung sämtliche Kreditinstitute (Name, Ort) und sämtliche Kontoinhaber (Name, Vorname) anzugeben sind, hinsichtlich welcher sich - nach Schilderung der Beklagten - im November 1998 Dokumente in dem seitens der Beklagten entwendeten Tresor befunden haben sollen;
543.
55die Beklagte wird dazu verurteilt, die Richtigkeit ihrer gemäß vorstehendem Klageantrag zu Ziff. 2. erfolgenden Angaben und Auskünfte an Eides statt zu versichern;
564.
57die Beklagte wird dazu verurteilt, ihm vollständig und wahrheitsgemäß Auskunft zu erteilen darüber, ob und in welchem Umfang in dem Rechtsstreit zu dem Geschäftszeichen 6 O 600/11 des Landgerichts Bielefeld der Beklagten in deren Eigenschaft als Prozesspartei anwaltliche Beratung durch den Sohn der Beklagten, Herrn Rechtsanwalt Dr. O2 mit Kanzleisitz in H, erteilt worden ist, sowie darüber hinaus, ob und welche Schriftsatzentwürfe in dem vorbezeichneten Rechtsstreit von dem vorbezeichneten Rechtsanwalt für die Beklagte persönlich bzw. für deren nach außen hin auftretende Prozessbevollmächtigte gefertigt bzw. vorbereitet worden sind;
585.
59die Beklagte wird dazu verurteilt, die Richtigkeit ihrer gemäß vorstehendem Klageantrag zu Ziff. 4 erfolgenden Angaben und Auskünfte an Eides statt zu versichern.
60Die Beklagte beantragt,
61die Berufung und die Anträge zur Klageerweiterung zurückzuweisen.
62Sie verteidigt das angefochtene Urteil, indem sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und teilweise vertieft.
63Für die Anträge zu Ziff. 2 und 3 sei eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich. Zudem fehle dem Kläger das Rechtsschutzinteresse. Ausweislich der Klageschrift kenne er den Tresorinhalt. Zudem habe er noch in seinem Schriftsatz vom 14.05.2012 auf S. 9 letzter Absatz ausdrücklich erklärt, dass er keine Ansprüche auf evtl. weitere, nicht im Klageantrag genannten Wertgegenstände, etwa Bargeld, Wertpapiere und sonstige Unterlagen, welche sich im Zeitpunkt der Entwendung des Tresors in diesem befunden hätten, erhebe. Zudem beinhalteten die Anträge eine Klageänderung, der nicht zugestimmt werde. Es sei auch nicht ersichtlich, inwiefern sie sachdienlich sein könnten. Es sei noch nicht mal ersichtlich, was der diesbezügliche Vortrag und die diesbezüglichen Anträge mit dem vorliegenden Rechtsstreit zu tun hätten.
64Hinsichtlich der Anträge zu Ziff. 4 und 5 gelte das zuvor Gesagte. Einer Klageänderung werde auch insoweit nicht zugestimmt.
65Mit Schriftsatz vom 20.05.2014 (Bl. 742 ff.) hat die Beklagte den Senat (Herrn Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H1, Herrn Richter am Oberlandesgericht Dr. N und Herrn Richter am Landgericht L2) wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Schriftsatz ist 2 Tage vor dem für den 22.05.2014 anberaumten 2. Termin zur mündlichen Verhandlung abgefasst worden und am gleichen Tag bei Gericht per Telefax eingegangen.
66Nach Abgabe der dienstlichen Äußerungen durch die abgelehnten Richter hat der 5. Senat in anderer Besetzung (Richterin am Oberlandesgericht X, Richter am Oberlandesgericht X1 und Richter am Landgericht Dr. G) durch Beschluss vom 16.07.2014 das Ablehnungsgesuch der Beklagten zurückgewiesen (vgl. Bl. 812 ff.).
67Mit Schriftsatz vom 28.07.2014 hat die Beklagte die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt (vgl. Bl. 830 ff.) und mit Schriftsatz vom 04.08.2014 hat sie Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 16.07.2014 erhoben (vgl. Bl. 842 ff.).
68Mit Beschluss vom 24.10.2014 (vgl. Bl. 885 ff.) hat der 5. Senat in der Besetzung Richterin am Oberlandesgericht X, Richter am Oberlandesgericht X1 und Richter am Landgericht X3 sowohl die Anhörungsrüge als auch die Gegenvorstellung der Beklagten zurückgewiesen.
69Der Senat hat sodann in der mündlichen Verhandlung am 22.06.2015 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen O4 sen., U2 und X. Der bereits für den Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.05.2014 vorbereitend geladene Zeuge O3 hat mit Schreiben vom 16.05.2014 (Bl. 771) als Bruder des Klägers und Sohn der Beklagten von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Gebrauch gemacht.
70Die Akte 6 OH 11/12 Landgericht Bielefeld lag dem Senat vor.
71B
72Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat seine Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
73I.
74Entgegen der Auffassung des Klägers liegt kein rechtlich unbeachtliches sog. „Nicht-Urteil“ vor.
751.
76Der Berufung ist einzuräumen, dass nach Aktenlage die ordnungsgemäße Verkündung des angefochtenen Urteils am 11.04.2013 nicht nachzuweisen ist.
77a)
78Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein - allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender - Entscheidungsentwurf vor. Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluss an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel, §§ 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG (vgl. BGH NJW 2004, 2019 ff.). Da die Verkündung grundsätzlich durch Verlesung der Urteilsformel (§ 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO - Ausnahmen: § 311 Abs. 2 Satz 2 ZPO) zu erfolgen hat, muss zumindest diese Formel bei der Verkündung schriftlich vorliegen, wobei eine stenographische Niederlegung genügt und Unterschriften grundsätzlich nicht erforderlich sind (vgl. BGH NJW 1999, 794 und Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 310, , Rdn. 2 m.w.N.).
79b)
80Im vorliegenden Fall ist zwar in dem Verhandlungsprotokoll vom 11.04.2013 (vgl. Bl. 450 ff., 455) der beabsichtigte Urteilstenor niedergelegt und das Protokoll durch den Vorsitzenden der Kammer auch unterzeichnet worden. Dies reicht jedoch auch bei einem sog. „Stuhl-Urteil“, um das es sich vorliegend handelt, nicht aus, um ein Urteil im Sinne der §§ 310 Abs. 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO als wirksam verkündet anzusehen. Hier ist - womit § 160 Abs. 3 Nr. 6 und 7 ZPO genüge getan wurde - die Entscheidungsformel wörtlich in das Protokoll aufgenommen worden. Es fehlt jedoch an der schriftlichen Niederlegung der Urteilsformel, die dann ggf. - statt der Vorlesung - hätte in Bezug genommen werden können, wenn - so wie hier - von den Parteien zur Verkündung niemand erschienen ist, § 311 Abs. 2 Satz 2 ZPO (vgl. OLG Rostock in OLGR Rostock 2005, 835 f.)
81Nach Aktenlage ist die schriftliche Niederlegung der Urteilsformel nicht feststellbar. Insbesondere ist sie nicht dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2013 als Anlage beigefügt worden. Es könnte sich dabei um Versehen gehandelt haben und die Urteilsformel nicht nur zur Akte, sondern zum Retent oder zur sog. „Stockakte“ gelangt sein. Eine gleichwohl erfolgte Verlesung der schriftlich niedergelegten Urteilsformel wird jedoch durch das vorliegende Protokoll nicht im Sinne der §§ 165, 160 Abs. 3 Nr. 6 und 7 ZPO bewiesen. Die im Protokoll gewählte Formulierung (vgl. Bl. 455 d. A.):
82„Am Schluss der Sitzung wurde in Abwesenheit der zuvor Erschienenen erkannt und öffentlich verkündet:
83Urteil
84…“
85lässt nicht hinreichend deutlich erkennen, ob die Verkündung des Urteils durch Verlesung der Urteilsformel im Sinne von § 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO erfolgte.
862.
87Der oben festgestellte Verfahrensfehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des angefochtenen Urteils.
88a)
89Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht. Zu den Mindestanforderungen gehören, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch anderen Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform (§ 310 Abs. 3 ZPO) erfüllt. Wird ein § 310 Abs. 1 ZPO unterfallendes Urteil den Parteien an Verkündungs-Statt förmlich zugestellt, liegt deshalb kein Verstoß gegen unverzichtbare Formerfordernisse, sondern ein auf die Wahl der Verlautbarungsart beschränkter Verfahrensfehler vor (vgl. BGH NJW 2004, 2019 ff.; BGH NJW 2007, 3210 ff. und Zöller-Vollkommer a.a.O., § 310 ZPO, Rdn. 7).
90b)
91Nach diesen Grundsätzen ist das angefochtene, erstinstanzliche Urteil wirksam verlautbart worden:
92Ausweislich Bl. 456 ff. d.A. und der Verfügung der Justizbeschäftigten T vom 30.04.2013 (Bl. 470 d.A.) ist spätestens an diesem Tag ein von der Kammer - also vom Vorsitzenden, dem Berichterstatter und dem weiteren Beisitzer - unterzeichnetes, vollständig abgefasstes Urteil zur Akte gelangt. Damit ist die 3-Wochen-Frist des § 315 Abs. 2 Satz 2 ZPO gewahrt worden. Die einfache Ausfertigung des vollständig abgefassten Urteils ist sodann den Prozessbevollmächtigten beider Parteien zugestellt worden. Der „Ab“-Vermerk der Justizbeschäftigten T datiert vom 30.04.2013, Bl. 470 d.A. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ist das Urteil am 03.05.2013 und der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 08.05.2013 zugestellt worden (vgl. Bl. 471 f. d.A.).
93Solange das Urteil nicht unterzeichnet ist, dürfen von ihm Ausfertigungen und Abschriften nicht erteilt werden, § 317 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Daher muss das vollständig abgefasste und unterzeichnete Urteil spätestens am 30.04.2013 zur Akte gelangt sein. Dies ergibt sich auch aus der Reihenfolge der Heftung von Original, Abschrift und Verfügung bzw. „Ab-Vermerk“ und den Empfangsbekenntnissen der Prozessbevollmächtigten.
94Durch die Zustellung erfolgte eine vom Gericht beabsichtigte Verlautbarung des Urteils, und die Parteien wurden vom Erlass und vom Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet. In diesem Zusammenhang ist unschädlich, dass kein Richter der 6. Zivilkammer, sondern die Justizbeschäftigte T als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Zustellung verfügte. Entscheidend ist vielmehr, dass keine „zufällige“ Verlautbarung der Entscheidung und ihres Inhalts erfolgte, wie z.B. durch eine Aktenübersendung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, sondern die vorliegende Form der Verlautbarung vom Gericht auch so beabsichtigt war. Von den Parteien musste die Zustellung des vollständig abgefassten Urteils auch als förmliche Unterrichtung von Erlass und Inhalt der Entscheidung verstanden werden, weil sie bis zum Zeitpunkt der Zustellung allenfalls die Urteilsformel als solche kannten.
95II.
96Der Klageantrag auf Herausgabe des Goldes ist unbegründet. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 985 BGB in Betracht, doch der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis dafür, dass das Gold in seinem Eigentum steht, nicht führen können.
971.
98Allerdings geht der Senat – was indessen aus den unter 2) erörterten Gründen letztlich offen bleiben kann – davon aus, dass sich das streitgegenständliche Gold im Besitz der Beklagten befindet.
99a)
100Bereits in der mündlichen Verhandlung am 11.04.2013 vor dem Landgericht hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten unstreitig gestellt, dass ihre Mandantin den Inhalt des im November 1998 aus dem Anwesen B-Weg in H entfernten Tresors in ihrem Besitz hat (vgl. Bl. 451 d. A. oben). Dies hat sie in beiden mündlichen Verhandlungen vor dem Senat jeweils bestätigt. Weiter hat sie am 11.04.2013 vor der Kammer unstreitig gestellt, dass sich in dem Safe Goldbarren, Goldmünzen, Schmuckstücke, Unterlagen und Briefe befanden (vgl. Bl. 451 d. A. oben).
101Weder die Beklagte noch ihre Prozessbevollmächtigte hat jedoch bislang nähere Angaben zur Anzahl der seinerzeit im Tresor befindlichen Goldmünzen und Goldbarren gemacht. Diese Angaben müssten der Beklagten jedoch möglich sein, so dass ihr bloßes Bestreiten mit Nichtwissen sowie ihre Erklärung, sie habe den genauen Inhalt des Tresors nicht überprüft und die Münzen bisher nicht gezählt, nicht ausreicht (vgl. etwa die Angaben ihrer Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung am 11.04.2013 vor der Kammer Bl. 451 d. A. oben). Die Beklagte ist zu diesen Angaben gem. § 138 Abs. 2 ZPO verpflichtet. Danach hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Solange die Beklagte die entsprechende Behauptung des Klägers nicht substantiiert bestreitet, ist gem. § 138 Abs. 3 ZPO mithin davon auszugehen, dass sich die im Herausgabeantrag aufgeführten Goldmünzen und Goldbarren in ihrem Besitz befinden.
102b)
103Das diesbezügliche Klagevorbringen ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch hinreichend substantiiert; der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörungen erläutert, dass er die Anzahl der Goldmünzen und Barren sowie deren Stückelung aufgrund der damaligen Angaben seines Vaters ermittelt hat. Den an die Substantiierung eines Prozessvortrags zu stellenden Anforderungen hat er damit – zumal die Beklagte seinen Vortrag wie erwähnt nicht mit Substanz bestritten hat – entsprochen. Letztlich kann diese Frage allerdings – wie oben erwähnt – offen bleiben.
1042.
105Denn es ist jedenfalls nicht feststellbar, dass der Kläger Eigentümer des streitgegenständlichen Goldes ist. Dieses stand bis Frühjahr 1999 unstreitig nicht in seinem Eigentum; der Kläger will das Eigentum im Mai 1999 von seinem Vater gem. den §§ 929, 931 BGB erworben haben.
106a)
107Bis zu diesem Zeitpunkt stand das Gold im Eigentum des Zeugen O4 sen.
108Zwar behauptet die Beklagte über beide Instanzen konsequent, nicht der Zeuge O4 sen., sondern sie selbst sei zumindest Miteigentümerin des Goldes; sie beruft sich dabei auf die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB.
109aa)
110§ 1006 Abs. 1 BGB verkürzt die Behauptungs- und Beweislast des Besitzers. Der Besitzer braucht nur den gegenwärtigen bzw. früheren unmittelbaren oder höchststufigen mittelbaren Besitz als Tatsachenbasis der Vermutung darzulegen und zu beweisen, nicht aber die den Eigentumserwerb begründenden Tatsachen. Die Vermutung baut auf dem Zusammentreffen von Besitz- und Eigentumserwerb auf. Es wird vermutet, dass der in § 1006 genannte Besitzer bei Erwerb des Besitzes Eigenbesitz begründete, dabei unbedingtes Eigentum erwarb und es während der Besitzzeit behielt (vgl. BGH NJW 2004, 217 und Palandt-Bassenge, 74. Aufl. 2015, § 1006 BGB, Rdn. 1 u. 4).
111Die Beklagte hatte bis zur Räumung der von ihr genutzten abgetrennten Wohnung unstreitig den alleinigen Zugang zu dem dortigen Kellerraum, in dem sich der hier in Rede stehende Tresor befand, und damit auch den alleinigen Zugang zu demselben nebst Inhalt. Es liegt mithin nahe, dass die Beklagte ab ca. 1991 die alleinige tatsächliche Sachherrschaft an dem streitgegenständlichen Gold innehatte und demnach alleinige unmittelbare Besitzerin im Sinne von § 1006 Abs. 1 BGB war. Dann wird gem. § 1006 Abs. 1 BGB zugunsten der Beklagten vermutet, dass die Beklagte mit Erlangung des Besitzes an dem Gold Eigenbesitzerin geworden ist, unbedingtes Eigentum daran erworben hat und während der Besitzzeit auch Eigentümerin des Goldes geblieben ist (vgl. BGH NJW-RR 1989, 1453).
112bb)
113Ob die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB im Ausgangspunkt für die Beklagte streitet, kann letztlich aber dahin stehen, denn diese Vermutung wäre vom Kläger i. S. v. § 292 ZPO widerlegt worden.
114Der Kläger hat - unwidersprochen - vorgetragen, dass sein Vater (O4 sen.) seit 1950 Gold kaufte und lagerte. Dem gegenüber hat die Beklagte zu den Tatsachen, die ihren Eigentumserwerb an dem Gold begründeten, nicht vorgetragen, was sie wegen § 1006 Abs. 1 BGB grundsätzlich auch nicht muss (vgl. Baumgärtel-Schmitz, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl. 2010, § 1006 BGB, Rdn. 31 u. 33). Dem Kläger als Vermutungsgegner ist es kaum möglich, jede denkbare Erwerbsmöglichkeit der Beklagten an dem Gold darzulegen und auszuräumen. Daher muss ihm eingeräumt werden, die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB zu widerlegen, indem er beweist, dass die im Kellertresor befindlichen Goldmünzen und Goldbarren im Zeitpunkt des Ausbaus des Tresors Eigentums seines Vaters waren. Der Zeuge O4 sen. hat diese Behauptung des Klägers im Rahmen seiner Einvernahme durch die Kammer am 11.04.2013 bestätigt (vgl. Bl. 451 ff. d.A.) und dies im Zuge seiner Einvernahme durch den Senat bekräftigt.
115Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Zeuge zu diesem Beweisthema die Unwahrheit sagt. Zunächst fehlt jedes Motiv dafür. Der Zeuge hat sich im Sommer 2009 wieder mit der Beklagten versöhnt und ist seit Dezember 2009 wieder mit ihr verheiratet. Er steht in „ihrem Lager“ und hat versucht, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen (§ 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) Gebrauch zu machen. Eine Motivation des Zeugen, die Beklagte mit seiner Aussage zu belasten, ist nicht zu erkennen. Vielmehr dürfte es auch in seinem wirtschaftlichen Interesse liegen, wenn die Beklagte den vorliegenden Rechtsstreit um das Gold gewinnt. Wenn der Zeuge ihr dabei durch unwahre Angaben hätte helfen wollen, hätte es näher gelegen, ein eigenes Eigentumsrecht an dem Gold zu verneinen, was er aber nicht getan hat.
116Zudem wird die Aussage des Zeugen O4 sen. durch die erstinstanzliche Aussage des Zeugen O3 (Bruder des Klägers/Bl. 208 ff.) und die Angaben des Zeugen X sowohl in erster Instanz (Bl. 304 ff.) als auch vor dem Senat gestützt. Beide Zeugen haben in ihren Aussagen bestätigt, dass aus ihrer Anschauung das in Rede stehende Gold vor dem Ausbau des Tresors O4 sen. gehörte, und ihre Auffassung auch nachvollziehbar erläutert.
117Der Senat sieht sich an der Verwertung der vom Zeugen O3 in erster Instanz gemachten Aussage nicht gehindert. Die Zeugnisverweigerung eines Zeugen im Zivilprozess schließt – anders als im Strafprozess, § 252 StPO – die Verwertung von Niederschriften früherer, in Kenntnis des Zeugnisverweigerungsrechts, getätigte Aussagen nicht aus. Für ein Verwertungsverbot ist insoweit nichts ersichtlich. Vielmehr kann die Niederschrift der in erster Instanz protokollierten Zeugenaussage im Wege des Urkundenbeweises in den Prozess eingeführt werden (vgl. zum Ganzen: BGH NJW-RR 2013, 159 f; BGH NJW-RR 2011, 1079 f und Zöller-Greger, a.a.O., § 883 ZPO, Rdnr. 6 und § 373 ZPO, Rdnr. 9). Den entsprechenden Beweisantrag hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.06.2015 (Bl. 977 f d. A.) gestellt.
118b)
119Der insoweit beweispflichtige Kläger hat jedoch nicht den Beweis geführt, dass der Zeuge O4 sen. ihm das Gold im Mai 1999 – oder zu einem anderen Zeitpunkt – übereignet hat. Da nicht der Zeuge selbst im Besitz des Goldes war, sondern eine dritte Person, konnte die Eigentumsübertragung nur im Sinne der §§ 929, 931 BGB erfolgen.
120Der Kläger behauptet, dass der Übereignung des Goldes eine am 04.12.1998 mündlich getroffene und sodann am 05.12.1998 schriftlich fixierte Vereinbarung mit seinem Vater über die Rücknahme der Strafanzeige zugrunde liegt (vgl. Bl. 10 f.). Diese Vereinbarung zwischen ihm und seinem Vater sei dann am 13.05.1999 umgesetzt worden, indem er seinen Vater einen Scheck über 140.999,00 DM übergab und sein Vater ihm den Herausgabeanspruch betreffend das streitgegenständliche Gold abgetreten habe (§ 931 BGB). Dies bestreitet die Beklagte.
121Im Ergebnis hat das Landgericht zu Recht den Beweis durch den Kläger als nicht geführt gesehen:
122Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger eine ausdrückliche Abtretungsvereinbarung zwischen ihm und seinem Vater nicht behauptet. Dies betrifft sowohl das (schuldrechtliche) Grundgeschäft vom 04./05.12.1998 (vgl. Bl. 10 f d. A.) als auch dessen angeblichen Vollzug am 13.05.1999 (Bl. 14 d. A.).
123Allerdings verweist der Kläger (vgl. Bl. 101) – im Ausgangspunkt zu Recht, vgl. etwa BGH NJW 1969, 40, BGH NJW 1997, 729, Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Auflage 2015, § 398 Rdnr. 2 und 5 – darauf, dass eine Abtretung formfrei und stillschweigend bzw. konkludent vorgenommen werden und insbesondere im Kausalgeschäft mit enthalten sein könne (vgl. BGH a. a. O.).
124Eine konkludent vorgenommene Abtretung des Herausgabeanspruchs lässt sich im vorliegenden Fall im Ergebnis jedoch nicht feststellen, und auch die vom Kläger angeführten, oben zitierten BGH-Entscheidungen lassen sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Denn beiden vom BGH entschiedenen Fälle ist gemeinsam, dass der Abtretungserfolg den Zwecken und Absichten der Beteiligten entsprach und dies jedenfalls durch schlüssige Handlungen des Zedenten und des Zessionars zum Ausdruck gekommen ist. Dies ist hier nicht festzustellen. Weder ist hier die Abtretung im Kausalgeschäft stillschweigend mit enthalten (vgl. BGH NJW 1969, 40 ff.-dort Rdnr. 18 zitiert nach juris), noch wurden dem Kläger von seinem Vater Unterlagen zum Zwecke der Prozessführung gegen die Beklagte übergeben (vgl. BGH NJW 1997, 729 – dort Rdnr. 23 zitiert nach juris).
125aa)
126Aus der schriftlichen Vereinbarung des Klägers mit seinem Vater vom 05.12.1998 (Bl. 10 ff.) ergibt sich an keiner Stelle auch nur der geringste Anhaltspunkt dafür, dass O4 sen. dem Kläger das Eigentum an dem streitgegenständlichen Gold verschaffen wollte. Vielmehr ist zu den wechselseitigen Verpflichtungen dort Folgendes fixiert worden:
127„Ich habe mich hiermit entschlossen, meinem Vater anzubieten, den mat. Schaden zu ersetzen, der bereits entstandene moralische Schaden ist nicht mehr ersetzbar, um mind. nach außen die Ehre der Familie im Sinne einer besseren Zukunft meiner Kinder zu ermöglichen. Diesen letzten verzweifelten Versuch habe ich gemacht, weil ich heute Morgen erfuhr, dass die Staatsanwaltschaft C beim Amtsgericht H ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet wurde.
128Mein Vater stimmt auch unter Verzicht seiner persönlichen Ehrerhaltung zu, sofort alles Notwendige zu veranlassen um zu retten, was noch zu retten ist. Dafür verpflichte ich mich, unwiderruflich den Schaden zu ersetzen, für den Fall, dass der Inhalt des Tresors nicht irgendwie zurückgegeben wird oder sonst wie auftaucht und trete hiermit als Sicherheit unwiderruflich meine Grundschuldbriefe B2 ab. Ich werde auf Verlangen einen Notar beauftragen. Für den Fall, dass das Verfahren nicht gestoppt werden kann, ist diese Vereinbarung ungültig.“
129Mithin sollte danach der Zeuge O4 sen. das aufgrund seiner Strafanzeige eingeleitete Ermittlungsverfahren stoppen, im Gegenzug wollte der Kläger den auf Seiten seines Vaters entstandenen Schaden ersetzen, falls der Inhalt des Tresors nicht wieder zurückgegeben werden würde. Diese Forderung des Zeugen O2 sen. wollte der Kläger durch eine Grundschuld sichern. Eine Abtretung des Herausgabeanspruchs ist mit keinem Wort erwähnt oder auch nur angedeutet worden. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18.11.1968 (vgl. BGH NJW 1969, 40 ff. – dort Rdnr. 18 zitiert nach juris) passt also hier nicht.
130bb)
131Auch im Zuge der Umsetzung der Vereinbarung vom 05.12.1998 (Bl. 10 ff.) durch Scheckübergabe am 10.05.1999 lässt sich eine konkludente Abtretung des Herausgabeanspruches nach § 931 BGB vom Vater an den Sohn nicht feststellen. Dabei spielt es keine Rolle, dass nach Rücknahme der Strafanzeige statt der versprochenen Bestellung der Grundschuld der geschätzte Schadensbetrag per Scheck dem Zeugen O2 sen. zugewandt worden ist.
132Bei einer Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten findet das Gewollte nicht unmittelbar in einer Erklärung seinen Ausdruck. Vielmehr nimmt der Erklärende Handlungen vor, die mittelbar einen Schluss auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen zulassen (vgl. Palandt-Ellenberger, 74. Aufl. 2015, Einführung vor § 116 BGB Rdn. 6 m.w.N.).
133Mit Ausnahme des oben zitierten, auf einer Scheckkopie am 13.05.1999 notierten und unterzeichneten Vermerks hat der Zeuge O4 sen. jedoch keine weitere Erklärung - weder ausdrücklich noch konkludent - abgegeben. Der zitierte Vermerk verhält sich mit keinem Wort über die Abtretung eines Anspruchs auf Herausgabe des streitgegenständlichen Goldes
134Dabei hat der Senat durchaus berücksichtigt, dass zum Zeitpunkt der Scheckzahlung am 10.05.1999 die Strafanzeige bereits Monate zuvor (am 04.12.1998) zurückgenommen worden und die Frist für den bei Haus- und Familiendiebstahl erforderlichen Strafantrag von 3 Monaten abgelaufen war (§§ 247, 77 b StGB). Die mit der Vereinbarung vom 05.12.1998 verfolgte Einstellung des Ermittlungsverfahrens war mithin erreicht worden. Aus diesem Umstand ist jedoch nicht zwingend zu schließen, dass die Monate später erfolgte Hingabe des Schecks mit einem Leistungsaustausch - Zahlung gegen Abtretung – verbunden gewesen wäre.
135Der Senat hat auch nicht verkannt, dass der 2. Satz des unter A zitierten Vermerks auf der Scheckkopie, wonach der Vater des Klägers „hieraus“ keine Ansprüche mehr stelle, mehrdeutig ist. Er kann bedeuten, dass der Zeuge O2 sen. keine weiteren Schadensersatzansprüche aus dem Tresordiebstahl gegen den noch unbekannten Dieb geltend machen wollte. Andererseits kann sich dieser Satz auch (ausschließlich oder zusätzlich) auf die Vereinbarung mit dem Kläger vom 05.12.1998 bezogen haben.
136Auch die Möglichkeit schließlich, dass der Zeuge mit dem zitierten Satz auf sein Eigentum an dem Inhalt des gestohlenen Tresors verzichten und seinen Anspruch auf Herausgabe des Tresorinhaltes gegen den Dieb an den Kläger abtreten wollte, kann nicht ausgeschlossen werden. In diesem Sinne hat der Kläger diesen Satz nach seiner im Senatstermin vom 05.12.2013 (Bl. 652 ff.) näher erläuterten Darstellung verstanden.
137Die vom Kläger behauptete Abtretungsvereinbarung ist jedoch nur zustande gekommen, wenn sein Vater seinerzeit bei Unterzeichnung den 2. Satz des oben zitierten Vermerks auf der Scheckkopie in demselben Sinne wie der Kläger verstanden hat. Diesen Umstand hat der Kläger zu beweisen; verbleibende Zweifel gehen zu seinen Lasten. Dieser Beweis ist ihm nicht gelungen.
138(cc)
139Insbesondere haben die vom Kläger zu diesem Beweisthema benannten Zeugen O4 sen., O3, U2 und X die Darstellung des Klägers nicht bestätigt.
140(1)
141Insoweit kommt der Aussage des vom Kläger zu diesem Beweisthema benannten Zeugen O4 sen. eine besondere Bedeutung zu. Der Zeuge ist sowohl in erster Instanz (vgl. das Protokoll vom 11.04.2013, Bl. 451 ff. d. A.) als auch durch den Senat vernommen worden. Im Rahmen beider Vernehmungen hat der Zeuge nicht bestätigt, dass er seinem Sohn für die geleisteten 140.999,00 DM das Gold aus dem Tresor übereignet bzw. seinen Herausgabeanspruch gegen den Besitzer abgetreten oder dieses überhaupt nur beabsichtigt habe. Vielmehr hat er vor dem Senat ausdrücklich erklärt, dass der Kläger ihm den Scheck aufgedrängt habe, obwohl er – der Zeuge – auf seinem Bankkonto damals genug Geld gehabt habe. Die Unterschrift unter dem Vermerk auf der Scheckkopie könnte von ihm stammen. Er habe sich diesen Vermerk aber nicht genau angeschaut, bevor er ihn unterzeichnet habe. Andererseits hat der Zeuge gemeint, dass der letzte Satz – also der mehrdeutige, 2. Satz – erst später hinzugefügt worden sei. Er, der Zeuge, habe seinem Sohn nicht gesagt, er solle sich das Gold bei der Mutter holen. Darüber sei nicht gesprochen worden.
142Der Senat ist allerdings davon überzeugt, dass der Zeuge in mehreren Punkten bei seiner Vernehmung die Unwahrheit gesagt hat:
143Unrichtig dürfte die Aussage des Zeugen O2 sen. insoweit sein, als er als Motiv für die Scheckhingabe seines Sohnes u. a. dessen Sorge wegen der vom Zeugen vorgenommenen Strafanzeige angegeben hat. Wie bereits oben ausgeführt worden ist, war der Strafantrag durch den Zeugen O2 sen. bereits 6 Monate zuvor Anfang Dezember 1998 zurückgenommen worden. Es bestand daher kein vernünftiger Grund, weshalb der Kläger ihm im Mai 1999 aus Sorge wegen etwaiger Hausdurchsuchungen noch einen Scheck über 140.999,00 DM „aufdrängen“ sollte. Richtig dürfte vielmehr die Darstellung des Klägers sein, die er dem Senat in der mündlichen Verhandlung am 05.12.2013 gegeben hat. Danach ist sein Vater im Frühjahr 1999 auf die schriftliche Vereinbarung vom 05.12.1998 zurückgekommen und forderte nun den Ersatz seines Schadens, nachdem der Inhalt des Tresors (bis dahin) nicht wieder aufgetaucht war.
144Wenig glaubhaft ist auch die vom Zeugen geschilderte Rahmenhandlung hinsichtlich der Scheckübergabe, wonach sein Sohn, der Kläger, ihm beim „Skat“-Spielen den Scheck übergeben und er sich – obwohl Geschäftsmann – diesen und die von ihm sodann unterzeichnete schriftliche Erklärung auf der Scheckkopie nicht näher angeschaut haben will. Zu dieser Darstellung passt auch nicht die Behauptung des Zeugen, dass der letzte Satz des Textes auf der Scheckkopie erst nach seiner Unterzeichnung hinzugefügt worden sei. Denn dies hätte der Zeuge bei nur flüchtiger Betrachtung kaum festgestellt.
145Eher lebensfremd ist weiter die erstinstanzliche Erklärung des Zeugen, dass er nicht wisse, wo die Beklagte nunmehr das Gold und den weiteren Inhalt des Tresors aufbewahre. Der Zeuge ist mit der Beklagten wieder seit knapp 6 Jahren verheiratet. Es liegt nahe, dass sie ihm in dieser Zeit irgendwann einmal mitgeteilt haben, wo sie das Gold nunmehr aufbewahrt.
146Erheblichen Zweifeln begegnet auch die Behauptung des Zeugen O2 sen., er habe zu keiner Zeit erklärt, wenn der Kläger das Gold wolle, solle er sich an seine Mutter wenden; sowohl der erstinstanzlich vernommene Zeuge O3 als auch der Zeuge O haben dagegen bestätigt, dass derartige Äußerungen – auf die unten noch näher eingegangen wird – gefallen sind.
147Schließlich verkennt der Senat bei der Bewertung der Aussage des Zeugen O2 sen. auch nicht dessen erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits. Wirtschaftlich steht der Zeuge nach erneuter Heirat im Lager der Beklagten, seiner Ehefrau, die das streitgegenständliche Gold letztlich – jedenfalls unter Zugrundelegung der Aussage des Zeugen – mit seiner Duldung in Besitz hat.
148Deshalb vermag die Aussage des Zeugen an mehreren Stellen nicht zu überzeugen. Selbst wenn aber zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass der Zeuge in allen oben erörterten Punkten die Unwahrheit gesagt hat, lässt sich weder die Unrichtigkeit seiner Aussage insgesamt noch in Bezug auf die behauptete Abtretung des Herausgabeanspruches feststellen; insbesondere kann auch dann aus der Aussage nicht mit hinreichender Gewissheit auf eine (zudem auch nach dem wenig konkreten Klägervortrag nur konkludent erfolgte!) Abtretungsvereinbarung – also das genaue Gegenteil dessen, was der Zeuge bekundet hat – geschlossen werden.
149Wollte man mit dem Kläger die Aussage als in allen Punkten falsch qualifizieren, stünde sie im Übrigen auch in Bezug auf das vom Zeugen O2 sen. für sich beanspruchte Eigentum an dem Gold in Frage. Der Vorwurf des Klägers, die Kammer habe die Kernaussagen des Zeugen nicht ausreichend unter Anwendung der sog. Nullhypothese verifiziert, überzeugt nicht. Das methodische Grundprinzip der sog. „Nullhypothese“ wird bei aussagepsychologischen Begutachtungen insbesondere im Strafverfahren angewandt. Es besteht darin, einen zu überprüfenden Sachverhalt (hier: Glaubhaftigkeit der spezifischen Aussage) so lange zu negieren, bis diese Negation mit den gesammelten Fakten nicht mehr vereinbar ist. Der Sachverständige nimmt daher bei der Begutachtung zunächst an, die Aussage sei unwahr (sog. Nullhypothese). Zur Prüfung dieser Annahme hat er weitere Hypothesen zu bilden. Ergibt die Prüfstrategie, dass die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen, und es gilt dann die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt (vgl. BGH NJW 1999, 2746 ff).
150Die Anwendung der sog. „Nullhypothese“ hilft dem Kläger hier aber nicht weiter. Denn selbst wenn die Unwahrhypothese bezogen auf die Zeugenaussage seines Vaters mit den unstreitigen Tatsachen in Einklang stehen würde, bezöge sich die damit festgestellte Unwahrheit dieser Aussage auch auf das vom Zeugen behauptete Eigentum am streitgegenständlichen Gold. Diese für die Entscheidung des Rechtsstreits ebenso wesentliche Tatsache wie die behauptete Abtretung kann nicht isoliert betrachtet werden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Zeuge im ersten Punkt die Wahrheit sagen sollte, um sodann zum zweiten wesentlichen Beweisthema zu lügen und umgekehrt. Es wäre vielmehr für O4 sen. einfacher gewesen, sein ursprüngliches Eigentum an dem Gold zu leugnen.
151Schließlich vermag der dem Kläger obliegende Beweis für eine Abtretung auch mit dem Argument, die Aussage des Zeugen O4 sen. sei analog den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bestmögliches Ergebnis des vereitelten Beweismittels in die Gesamtwürdigung einzustellen, nicht zu führen; dieses Argument entspricht nicht den Grundsätzen einer freien Beweiswürdigung im Sinne des § 286 ZPO, und zudem ist der Zeuge nicht Partei des Verfahrens.
152(2)
153Auch der vom Kläger benannte Zeuge O3 hat in seinen Ausführungen vor dem Landgericht am 28.06.2012 (Bl. 208 ff. d. A.) die behauptete Abtretung des Herausgabeanspruches nicht bestätigt. U.a. hat der Zeuge ausgeführt, dass nach Entwendung des Tresors mehrere Gespräche zwischen ihm, dem Kläger und dem Zeugen O2 sen. geführt worden seien. Schlussendlich sei dann eine Einigung dahingehend erzielt worden, dass der Kläger und er eine gewisse Summe, nämlich ca. 141.000,00 DM, an seinen Vater zahlen sollten. Der Grund für diese Zahlung sei gewesen, dass damit habe erreicht werden sollen, dass der Vater die von ihm zunächst erstattete Anzeige zurückziehe. Der Vater habe im Vorfeld klar geäußert, dass er die Strafanzeige nur zurückziehen werde, sofern er den Schaden, der ihm bei dem Abhandenkommen des Tresors entstanden sei, erstattet bekomme. Als nun der Inhalt des Tresors wieder aufgetaucht sei, habe sein Vater geäußert, dass sein Bruder – der Kläger – jetzt die zuvor gezahlten 140.000,00 DM zurückbekommen müsse. Er habe hingegen nicht gesagt, dass der Kläger das Gold aus dem Tresor bekommen sollte (vgl. Bl. 208 ff. d. A.).
154Der Zeuge O3 hat auf entsprechende Nachfrage zwar auch erklärt (vgl. Bl. 212):
155„Es ist richtig, dass der Vater zum Kläger und auch zu mir gesagt hat, wenn man etwas wegen des Tresors wolle, solle man selbst zur Mutter gehen und sich darum kümmern. Wir sollten die Sache selbst mit unserer Mutter klären.“
156Aus diesem Teil seiner Aussage ist jedoch nicht auf die Richtigkeit der vom Kläger behaupteten konkludenten Abtretung zu schließen. Vielmehr ergibt sich daraus lediglich die Einstellung seines Vaters, dass dieser nicht daran dachte, den Inhalt des Tresors herbeizuschaffen bzw. deshalb bei der Beklagten vorstellig zu werden. Die Initiative hat er ausdrücklich seinen Söhnen überlassen, zumal es sich bei einem kleinen Teil des entwendeten Goldes unstreitig um Eigentum seines Sohnes O3 handelte. Eine konkludente Aufgabe seines Eigentums an dem Gold bzw. die konkludente Abtretung des Herausgabeanspruchs an den Kläger kann darin jedoch nicht gesehen werden. So hat auch der Zeuge O3 auf entsprechende Nachfrage des Gerichts klargestellt, dass er davon ausgegangen sei, dass das Geld – also die 140.999,00 DM – an den Kläger zurückfließen sollte, wenn der Tresor wieder „auftauche“ (vgl. Bl. 212 f.). Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge einer der beiden Parteien hat helfen wollen und deshalb unrichtige Angaben gemacht hat, sind nicht ersichtlich.
157Unter Zugrundelegung der Aussage des Zeugen O3 hat sich der Vater des Klägers eher ambivalent geäußert, also einerseits die Söhne – oder zumindest seinen Sohn O3 – wegen des Goldes an die Beklagte verwiesen, andererseits aber auch die Rückzahlung des Geldes in Aussicht gestellt bzw. angesprochen. Aus diesen Äußerungen kann jedenfalls mit hinreichender Sicherheit weder auf eine im Jahre 1999 noch auf eine später erfolgte Abtretung geschlossen werden; ebenso gut können sie eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf die tatsächliche Rechtslage, etwa im Hinblick auf eine für möglich gehaltene „cessio legis“, widerspiegeln
158(3)
159Die Aussage des am 22.06.2015 erstmals durch den Senat vernommenen Zeugen U2 war unergiebig. Der Zeuge hat sich nicht mehr konkret an bestimmte Vorgänge und/oder Erklärungen zu dem entwendeten Gold zu erinnern vermocht.
160(4)
161Auch die in jeder Hinsicht nachvollziehbare und glaubhafte Aussage des Zeugen X bestätigt letztendlich die vom Kläger behauptete Abtretungsvereinbarung zwischen ihm und seinem Vater nicht. Der Zeuge hat sowohl vor der Kammer (Bl. 304 ff. d. A.) als auch vor dem Senat von einem Telefonat mit O4 sen. im Januar 2010 berichtet. Über dieses Telefonat verhält sich auch ein am 04.01.2010 niedergelegtes Protokoll des Zeugen (vgl. Bl. 48 f.). In dem besagten Telefonat habe er – O – auch das streitgegenständliche Gold angesprochen. O4 sen. habe dem Zeugen erklärt, dass seine Frau das Gold noch habe. Wenn er es bekomme, würde O4 das Geld zurückerhalten.
162Bei einem früheren Gespräch mit dem Zeugen O 2009 habe der Zeuge O4 sen. gesagt, wenn er – O2 sen. – das Gold zurückbekomme, bekomme der Kläger entweder das Geld oder das Gold. Gebe sie (die Beklagte) das Gold nicht zurück, könne es sich der Kläger ja holen.
163Zweifel an der Richtigkeit der Angaben hat der Senat auch in Bezug auf den Zeugen O nicht, doch Rückschlüsse auf eine Abtretungsvereinbarung lassen sich auch aus diesen Angaben nicht herleiten. Zwar hat danach der Zeuge O2 sen. (erneut) davon gesprochen, dass der Kläger sich ggf. das Gold von seiner Mutter holen könne, aber erst, wenn er selbst das Gold nicht bekomme. Jedenfalls zum Zeitpunkt dieser Erklärung beanspruchte der Zeuge O2 sen. daher – unter Zugrundelegung der Aussage O – das Gold (noch) für sich und wollte das Recht, es von der Beklagten zu fordern, nicht aufgeben.
164Allenfalls kann aus dem vom Zeugen beschriebenen Verhalten gefolgert werden, dass O2 sen. nach der Versöhnung mit der Beklagten keine weitere Auseinandersetzung mit ihr um das Gold führen wollte und in Erwägung zog, die Klärung dieser Angelegenheit seinen Söhnen bzw. dem Kläger zu überlassen. Stichhaltige Hinweise auf eine vorangegangene Eigentumsübertragung an dem Gold lassen sich der Aussage O – gerade auch angesichts der bereits oben erörterten Ambivalenz der Äußerungen des Zeugen O2 sen. – nicht entnehmen.
165Die hier in Rede stehenden Erklärungen des Zeugen O2 sen. gegenüber dem Zeugen O gehen letztlich nicht über die durch die Urkunden vom 05.12.1998 (Bl. 10 ff d. A.) und 13.05.1999 (Bl. 14 d. A.) dokumentierte Vereinbarung zwischen Vater und Sohn hinaus. Danach hatte sich der Kläger gegenüber seinem Vater verpflichtet, den Schaden für den entwendeten Tresor/Inhalt zu ersetzen, wenn der Tresorinhalt nicht an den Vater zurückgegeben wird (vgl. dazu entsprechend der Darstellung des Klägers auf S. 4 der Klageschrift – Bl. 4 d. A.).
166(5)
167Einer Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugin X2 bedurfte es nicht. Es kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass der Zeuge O2 sen. die Zeugin B 1999 gebeten hatte, die aktuellen Werte der Goldmünzen und Goldbarren zu ermitteln; letzteres war zur Umsetzung der Vereinbarung vom 5.12.1998 ohnehin unumgänglich. Wenn der Auftrag hierzu vom Zeugen O2 sen. – der das in Abrede gestellt hat – erteilt worden wäre, wäre dessen Aussage möglicherweise (auch) in diesem Punkt widerlegt, doch auch dann könnte aus den oben erörterten Gründen nicht mit hinreichender Sicherheit von einer Abtretung ausgegangen werden.
168(6)
169Auch zu der vom Kläger beantragten eigenen Vernehmung als Partei bestand kein Anlass. Der Kläger hat insoweit – durch im Senatstermin vom 22.6.2014 überreichten Schriftsatz vom 22.6.2015 – die Behauptung aufgestellt, der Zeuge O2 sen. habe nach dem 13.5.1999 mehrfach, unter anderem am 25.11.2009, geäußert, dass sich der Kläger bei der Beklagten die streitgegenständlichen Wertgegenstände wiederholen solle. Davon geht der Senat aufgrund der oben erörterten Aussagen der Zeugen O3 und X ohnehin aus, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zu diesem Punkt nicht bedarf.
170dd)
171Der Senat hat im Zuge seiner Würdigung der vorliegenden Urkunden und Zeugenaussagen durchaus berücksichtigt, dass es ein grob unbilliges Ergebnis wäre, wenn der Zeuge O2 sen. sowohl die Entschädigungszahlung des Klägers als auch den Anspruch auf Herausgabe des Goldes gegen seine Ehefrau auf Dauer behalten dürfte. Dieses Ergebnis wäre auch mit dem Grundgedanken des § 255 BGB nicht vereinbar. Diese Vorschrift ist Ausdruck des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots. Sie soll verhindern, dass der Geschädigte sowohl den Schädiger (hier die Beklagte) als auch den aus einem anderen Rechtsgrunde zum Schadensersatz verpflichteten Dritten (hier den Kläger) in Anspruch nimmt und einen doppelten Ausgleich erhält (vgl. Palandt-Grüneberg, 74. Aufl. 2015, § 255 BGB, Rdnr. 1).
172Zur Vermeidung dieser Unbilligkeit und zur Herbeiführung eines „gerechten“ Ergebnisses bestehen im vorliegenden Fall jedoch mehrere Möglichkeiten. Einerseits konnte bei der Vereinbarung zwischen Vater und Sohn gewollt gewesen sein, dass der Kläger als Surrogat für die Hingabe des Schecks das Eigentum an dem Gold erhielt. Aber genauso plausibel ist die Möglichkeit, dass der Kläger von seinem Vater im Falle des Wiederauftauchens des Goldes oder sonstiger Entschädigung des Vaters durch den Dieb sein Geld – möglicherweise zuzüglich Zinsen zurückbekommen sollte. Für diese Möglichkeit spricht auch, dass der Zeuge O2 möglicherweise ein besonderes Interesse an dem verschwundenen Gold hatte; in derartigen Fällen wird dem Geschädigten selbst nach erfolgter Abtretung gem. § 255 BGB in der Literatur ein Wahlrecht zugebilligt mit der Folge, dass der Geschädigte die Rückübereignung der Sache Zug um Zug gegen Rückgewähr der Ersatzleistung verlangen kann (vgl. etwa Palandt a. a. O. § 255 Rdnr. 9 m. w. N.). Auch die zunächst getroffene schriftliche Vereinbarung vom 05.12.1998 spricht eher für die zuletzt genannte Möglichkeit.
173Es kann offen bleiben, ob § 255 BGB im Streitfall – was wegen der im Dezember 1998 übernommenen Verpflichtung des Klägers zur Entschädigung seines Vaters denkbar ist – zur Anwendung käme mit der Folge, dass der Kläger gegen seinen Vater einen Anspruch auf Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den Schädiger haben könnte. Auch dann müsste eine solche, hier nach §§ 929, 931 BGB erfolgte Abtretung jedenfalls konkret festgestellt werden, was im Streitfall aus den oben erörterten Gründen nicht möglich war.
174III.
175Der hilfsweise gestellte Zahlungsantrag für den Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe ist unbegründet. Voraussetzung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs (§ 292 Abs. 1 BGB) ist das Eigentum des Klägers an dem herausverlangten Gold. Dies hat der Kläger nicht zu beweisen vermocht.
176IV.
177Der Antrag auf Auskunft über den Inhalt des entwendeten Tresors (Berufungsanträge zu Ziffer 2 und 3) ist unbegründet. Eine Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich.
178Die Voraussetzungen des § 421 ZPO liegen nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, für welche Behauptung der Kläger die verlangte Auskunft hinsichtlich der im Tresor befindlichen Bankkontenunterlagen und weiteren Wertgegenstände in diesem Verfahren benötigt. Vielmehr dienen die Auskunft und die eingeforderte Aufstellung lediglich der Vorbereitung weiterer Schadensersatzansprüche und Unterlassungsansprüche des Klägers, wie er selbst einräumt (vgl. Bl. 549). Ein Auskunftsanspruch über §§ 260, 985 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Kläger ist – wie dargestellt - zu keinem Zeitpunkt Eigentümer des im Tresor befindlichen Goldes gewesen. Er ist auch nicht Eigentümer des weiteren Tresorinhalts gewesen. Mit Schriftsatz vom 11.05.2012 (Bl. 89) hat der Kläger ausdrücklich klargestellt, dass er auf eventuelle weitere, nicht im Klageantrag genannten Wertgegenstände, etwa Bargeld, Wertpapiere oder sonstige Unterlagen, die sich zum Zeitpunkt der Entwendung des Tresors in diesem befunden hätten, keine Ansprüche erhebe.
179V.
180Der Antrag auf Auskunft über die anwaltliche Beratung der Beklagten durch Rechtsanwalt Dr. O2 (Berufungsanträge zu Ziffer 4 und 5) ist unzulässig im Sinne von § 533 ZPO. Er stellt eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO durch eine Erweiterung der Klage dar. Es wird ein neuer Klageantrag auf einen anderen – bislang so nicht vorgetragenen – Lebenssachverhalt gestellt.
181Die Beklagte hat der Klageänderung nicht eingewilligt. Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich im Sinne von § 533 Ziffer 1 ZPO. Sie hat zu dem vorliegenden Verfahren keinen unmittelbaren Bezug, sondern dient – was der Kläger auch einräumt – der Vorbereitung zivilrechtlicher Ansprüche gegen O2, seinem Bruder, und weiterer Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte. Zudem liegen die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO nicht vor.
182C
183Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
184Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
185(1) Nicht der Pfändung unterliegen
- 1.
Sachen, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, benötigt - a)
für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung; - b)
für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder eine damit in Zusammenhang stehende Aus- oder Fortbildung; - c)
aus gesundheitlichen Gründen; - d)
zur Ausübung von Religion oder Weltanschauung oder als Gegenstand religiöser oder weltanschaulicher Verehrung, wenn ihr Wert 500 Euro nicht übersteigt;
- 2.
Gartenhäuser, Wohnlauben und ähnliche Einrichtungen, die der Schuldner oder dessen Familie als ständige Unterkunft nutzt und die der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen unterliegen; - 3.
Bargeld - a)
für den Schuldner, der eine natürliche Person ist, in Höhe von einem Fünftel, - b)
für jede weitere Person, mit der der Schuldner in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, in Höhe von einem Zehntel
- 4.
Unterlagen, zu deren Aufbewahrung eine gesetzliche Verpflichtung besteht oder die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, zu Buchführungs- oder Dokumentationszwecken benötigt; - 5.
private Aufzeichnungen, durch deren Verwertung in Persönlichkeitsrechte eingegriffen wird; - 6.
öffentliche Urkunden, die der Schuldner, dessen Familie oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, für Beweisführungszwecke benötigt; - 7.
Trauringe, Orden und Ehrenzeichen; - 8.
Tiere, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, - a)
nicht zu Erwerbszwecken hält oder - b)
für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit benötigt,
(2) Eine in Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a und b sowie Nummer 2 bezeichnete Sache oder ein in Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe b bezeichnetes Tier kann abweichend von Absatz 1 gepfändet werden, wenn der Verkäufer wegen einer durch Eigentumsvorbehalt gesicherten Geldforderung aus dem Verkauf der Sache oder des Tieres vollstreckt. Die Vereinbarung des Eigentumsvorbehaltes ist durch eine Urkunde nachzuweisen.
(3) Auf Antrag des Gläubigers lässt das Vollstreckungsgericht die Pfändung eines in Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe a bezeichneten Tieres zu, wenn dieses einen hohen Wert hat und die Unpfändbarkeit für den Gläubiger eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten Interessen des Schuldners nicht zu rechtfertigen ist.
(4) Sachen, die der Schuldner für eine Lebens- und Haushaltsführung benötigt, die nicht als bescheiden angesehen werden kann, sollen nicht gepfändet werden, wenn offensichtlich ist, dass durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt würde, der in keinem Verhältnis zum Anschaffungswert steht.
(1) Die Selbsthilfe darf nicht weiter gehen, als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist.
(2) Im Falle der Wegnahme von Sachen ist, sofern nicht Zwangsvollstreckung erwirkt wird, der dingliche Arrest zu beantragen.
(3) Im Falle der Festnahme des Verpflichteten ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, der persönliche Sicherheitsarrest bei dem Amtsgericht zu beantragen, in dessen Bezirk die Festnahme erfolgt ist; der Verpflichtete ist unverzüglich dem Gericht vorzuführen.
(4) Wird der Arrestantrag verzögert oder abgelehnt, so hat die Rückgabe der weggenommenen Sachen und die Freilassung des Festgenommenen unverzüglich zu erfolgen.
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, - 2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder - 3.
der Mieter - a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder - b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn
- 1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, - 2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder - 3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.
(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger verlangen von der Beklagten restliche Nebenkosten aus einem Mietvertrag über Gewerberäume.
- 2
- Mit Vertrag vom 9. September 1993 vermietete die A. Vermögensanlagen KG an die K. U. K. GmbH & Co. KG ein Ladenlokal in K. . Nach § 6 des Mietvertrages waren die dort im Einzelnen aufgeführten Nebenkosten von den Mietern des Gesamtobjekts anteilig zu tragen, u.a. die sonstigen Kosten gemäß § 27 der II. Berechnungsverordnung (§ 6 Ziff. 1 e) und das Verwalterhonorar (§ 6 Ziff. 1 g). Über die Nebenkosten sollte die Vermieterin einmal jährlich zum Ablauf eines Kalenderjahres abrechnen (§ 6 Ziff. 2).
- 3
- Die Kläger erwarben kurz nach Abschluss des Mietvertrages von der A. Vermögensanlagen KG das Eigentum an dem Mietobjekt. Zum 1. Januar 2001 trat die Beklagte gemäß einer zwischen den Klägern, der K. U. K. GmbH & Co. KG und der Beklagten getroffenen Vereinbarung anstelle der früheren Mieterin in den Mietvertrag ein. Der Mietvertrag endete am 15. Februar 2004.
- 4
- Die Nebenkostenabrechnungen, die seit 1993 von wechselnden Hausverwaltungsgesellschaften erstellt wurden, enthielten für die Jahre 1993 bis 2001 keine Kosten für Allgemeinstrom, Wartung der Heizung, Schädlingsbekämpfung und Verwalter. Erstmals mit den der Beklagten am 23. September 2004 zugegangenen Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2002, 2003 und für Januar bis 15. Februar 2004 wurden ihr diese Kosten anteilig in Rechnung gestellt. Die Beklagte lehnte deren Zahlung und für 2004 auch die Zahlung der übrigen Nebenkosten ab.
- 5
- Mit der Klage verlangen die Kläger rückständige Nebenkosten für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 15. Februar 2004 in Höhe von 12.294,50 €. Davon hat die Beklagte aus der Abrechnung für 2004 den nicht auf die streitigen Nebenkostenpositionen entfallenden Betrag von 337,13 € anerkannt.
- 6
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Anspruch der Kläger auf Zahlung der geltend gemachten Nebenkosten sei gemäß § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 des Mietvertrages begründet. Soweit restliche Nebenkosten für das Jahr 2002 verlangt würden, sei der Anspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Abrechnung erst am 23. September 2004 und damit später als ein Jahr nach Ende der Abrechnungsperiode erfolgt sei. Denn § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB, der diese Rechtsfolge für die Wohnraummiete regele, sei im Gewerberaummietrecht generell nicht anwendbar. Eine unmittelbare Anwendung scheide mangels Verweises in § 578 Abs. 2 BGB aus. Auch eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle.
- 9
- Durch die jahrelange Nichtabrechnung der streitigen Nebenkosten sei es auch nicht zu einer stillschweigenden Vertragsänderung dahin gekommen, dass diese Kosten von der Beklagten nicht mehr geschuldet würden. Zwar könnten die Mietvertragsparteien eine einmal getroffene Vereinbarung über die Umlage von Nebenkosten auch durch schlüssiges Verhalten nachträglich ändern. Dies setze aber voraus, dass ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen entsprechender auf Vertragsänderung gerichteter Willenserklärungen der Parteien vorlägen. Daran fehle es hier. In dem Unterlassen der Abrechnung durch die Kläger liege zunächst nur ein Schweigen. Dieses könne nur dann als Willenserklärung gewertet werden, wenn in der unvollständigen Abrechnung aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers ein Antrag auf Änderung der Um- lagefähigkeit der beanstandeten Nebenkosten zu sehen sei. Davon könne hier nicht ausgegangen werden. Im Hinblick darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollten, das Gebot einer interessengerechten Auslegung gelte, sei es grundsätzlich die Ausnahme, dass der Gläubiger ein bestehendes Recht aufgebe.
- 10
- Die vorliegende Fallgestaltung weiche daher maßgeblich von den den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2000 ( XII ZR 35/00 - NJW-RR 2000, 1463) und vom 7. April 2004 (VIII ZR 146/03 - NZM 2004, 418) jeweils zugrunde liegenden Fällen ab, in denen der Mieter über einen längeren Zeitraum in Rechnung gestellte Nebenkosten bezahlt habe, obwohl deren Umlagefähigkeit nicht vereinbart gewesen sei. Das von dem Bundesgerichtshof in diesen Fällen gefundene Auslegungsergebnis einer stillschweigenden Vertragsänderung sei deshalb nicht auf den Streitfall übertragbar.
- 11
- Die Beklagte könne der Forderung auch nicht den Einwand der Verwirkung entgegenhalten. Für die 2003 und 2004 angefallenen Nebenkosten sei schon das Zeitmoment nicht erfüllt. Denn sie seien der Beklagten von den Klägern am 23. September 2004 und damit innerhalb der auch bei der Gewerberaummiete entsprechend § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB anzunehmenden Abrechnungsfrist von einem Jahr nach Ablauf des Abrechnungszeitraums mitgeteilt worden.
- 12
- Auch für die Abrechnungsperiode 2002 scheide eine Verwirkung aus. Selbst wenn das Zeitmoment als erfüllt angesehen werde, fehle es jedenfalls an den erforderlichen vertrauensbegründenden Umständen.
- 13
- Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen , welche Anforderungen an eine stillschweigende Vertragsänderung bei Dauerschuldverhältnissen durch jahrelange Übung zu stellen sind.
II.
- 14
- Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
- 15
- Die Kläger haben gemäß § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Ziff. 1 e und g des Mietvertrages gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der über den anerkannten Betrag von 337,13 € hinaus verlangten Nebenkosten für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 15. Februar 2004.
- 16
- Die geltend gemachten, der Höhe nach unstreitigen Nebenkosten sind wirksam vereinbart worden. Nach § 6 Ziff. 1 e und g des Mietvertrages ist die Beklagte verpflichtet, die Kosten gemäß § 27 der II. Berechnungsverordnung zu tragen, zu denen gemäß Anl. 3 zu § 27 II. Berechnungsverordnung die Kosten für den Allgemeinstrom (Ziff. 11), die Wartung der Heizung (Ziff. 4) und die Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen (Ziff. 9) gehören. Diese Vereinbarung bleibt, auch nachdem die Anl. 3 zu § 27 II. Berechnungsverordnung zum 31. Dezember 2003 außer Kraft getreten ist, weiterhin Grundlage für den Umfang der vertraglich vereinbarten Nebenkosten. Auch das Verwalterhonorar ist bei der Geschäftsraummiete umlagefähig (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 - XII ZR 109/08 - juris Tz. 8 ff.).
- 17
- 1. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Geltendmachung der Nebenkosten für das Jahr 2002, deren Abrechnung die Beklagte am 23. September 2004 erhalten hat, nicht gemäß § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossen.
- 18
- a) Zu Recht hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Meinung angenommen, dass § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB, der für die Wohnraummiete den Ausschluss von Betriebskostennachforderungen anordnet, die der Vermieter später als 12 Monate nach Ablauf des Abrechnungszeitraumes verlangt, auf die Geschäftsraummiete nicht anwendbar ist (OLG Düsseldorf ZMR 2008, 206; Grundeigentum 2006, 847; KG ZMR 2007, 449; OLG Köln ZMR 2007, 115; LG Nürnberg-Fürth ZMR 2008, 800; Blank/Börstinghaus Miete 3. Aufl. § 556 Rdn. 1; Schmidt-Futterer/Langenberg Mietrecht 9. Aufl. § 556 BGB Rdn. 6 und 458; Emmerich/Sonnenschein/Weitemeyer Miete 9. Aufl. § 556 BGB Rdn. 62; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Beyerle Geschäftsraummiete 2. Aufl. Kap. 11 Rdn. 143; Langenberg Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete 5. Aufl. G IV Rdn. 99; Fritz NJW 2007, 887, 889; Soergel/Heintzmann 13. Aufl. § 556 BGB Rdn. 21; Staudinger/Weitemeyer [Neubearbeitung 2006] § 556 BGB Rdn. 106; a.A. MünchKomm/Schmid 5. Aufl. § 556 BGB Rdn. 1; LG Darmstadt NZM 2009, 546; AG Wiesbaden NZM 2006, 140).
- 19
- Von den für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften (§§ 549 bis 577 a BGB) erklärt § 578 BGB nur einzelne auf Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind, für anwendbar. Auf § 556 BGB verweist § 578 BGB nicht. Eine gesetzliche Regelung über den Ausschluss von Nebenkostennachforderungen existiert folglich für die Geschäftsraummiete nicht.
- 20
- b) Auch eine analoge Anwendung von § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB auf die Geschäftsraummiete scheidet aus.
- 21
- Voraussetzung für eine Analogie ist, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung , bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH Urteil vom 25. September 2009 - V ZR 36/09 - NJW 2009, 3644 3645 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es fehlt bereits, wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, an einer planwidrigen Regelungslücke.
- 22
- Mit dem am 1. September 2001 in Kraft getretenen Mietrechtsreformgesetz (BGBl. I S. 1149) hat der Gesetzgeber die bis dahin nur für öffentlich geförderte preisgebundene Wohnungen gemäß § 20 Abs. 3 Satz 4 Neubaumietenverordnung (NMV) als Ausschlussfrist gestaltete Abrechnungsfrist für die Betriebskosten von 12 Monaten nach dem Ende des Abrechnungszeitraums in § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB auch für frei finanzierte Wohnungen übernommen (BT-Drucks. 14/4553, S. 51). In § 578 BGB, der konkret aufzählt, welche von den für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften auf die Mietverhältnisse über Räume, die keine Wohnräume sind, entsprechend anwendbar sind, wird § 556 BGB nicht genannt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber es versehentlich unterlassen hat, in § 578 BGB auf § 556 BGB zu verweisen, bestehen nicht. Insbesondere kann nicht daraus, dass die Gesetzesmaterialien keine Begründung dafür enthalten, warum der Gesetzgeber von einem Verweis auf § 556 BGB abgesehen hat, auf eine planwidrige Gesetzeslücke geschlossen werden (so aber: LG Darmstadt NZM 2009, 546; AG Wiesbaden NZM 2006, 140). Denn der Gesetzgeber hat durch die gezielte Auswahl der auf die Geschäftsraummiete anwendbaren Vorschriften in § 578 BGB deutlich zum Ausdruck gebracht, dass § 556 BGB für die Geschäftsraummiete nicht gelten soll.
- 23
- 2. Der Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten restlichen Nebenkosten ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht durch stillschweigende Änderung des Umfangs der vertraglich vereinbarten Nebenkosten entfallen.
- 24
- Das Berufungsgericht hat in der unterlassenen Abrechnung der vertraglich vereinbarten Kosten für den Allgemeinstrom, die Wartung der Heizung, die Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen und den Verwalter kein konkludentes Angebot der Kläger an die Beklagte auf Abänderung des Umfangs der umlagefähigen Kosten gesehen. Diese Auslegung des Verhaltens der Kläger durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
- 25
- a) Voraussetzung für eine als konkludentes Angebot zum Abschluss eines Vertrages zu wertende Willenserklärung ist ein Verhalten des Anbietenden, mit dem dieser einen entsprechenden Rechtsfolgewillen zum Ausdruck bringt. Dabei ist für die Auslegung der Willenserklärung nach §§ 133, 157 BGB maßgebend , wie diese vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung zu verstehen war (BGHZ 47, 75, 78).
- 26
- Für die Annahme eines auf Abänderung der vertraglich als umlagefähig vereinbarten Nebenkosten gerichteten Willens der Kläger reicht nach zutreffender Auffassung des Berufungsgerichts allein der Umstand, dass die Kläger einzelne als umlagefähig vereinbarte Nebenkostenpositionen über acht Jahre nicht abgerechnet haben, nicht aus. Denn die Beklagte konnte bei der gebotenen Berücksichtigung der Interessen der Kläger allein aus deren Untätigbleiben nicht schließen, dass sie endgültig für die Zukunft auf die Erstattung dieser vertraglich vereinbarten Nebenkostenpositionen zugunsten der Beklagten verzichten wollten (vgl. Langenberg NJW 2008, 1269; Artz NZM 2005, 36 f.; Schmid NZM 2003, 55 f. und für die Wohnraummiete BGH Urteil vom 13. Februar 2008 - VIII ZR 14/06 - NJW 2008, 1302). Eine solche Auslegung, die davon ausgeht, dass ein Vermieter von Geschäftsräumen ohne ersichtlichen Grund auf die Zahlung nicht unerheblicher Beträge verzichtet und diese selbst übernimmt, wäre vielmehr, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, lebensfremd.
- 27
- Ohne das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte konnte die Beklagte somit nicht annehmen, dass die Kläger die nicht abgerechneten Nebenkostenpositionen für die gesamte Dauer des Mietvertrages nicht mehr geltend machen wollten. Solche Umstände hat die Beklagte nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich.
- 28
- Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich daraus, dass die Abrechnung der Nebenkosten nicht von den Klägern, sondern von verschiedenen professionellen Verwaltern vorgenommen worden ist, ein Änderungswillen der Kläger nicht herleiten. Aus welchem Grund die von den Klägern beauftragten Verwalter die vereinbarten Nebenkosten nicht in Rechnung gestellt haben, ist gerade offen geblieben.
- 29
- Auch spricht nicht die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass die Kläger mit einer bewusst gemäßigten Abrechnungspraxis die Beklagte als Mieterin der Gewerbefläche hätten halten wollen. Die Kläger mussten im Hinblick auf die fest vereinbarte Laufzeit des Mietvertrages von zehn Jahren schon keinen baldigen Auszug der Beklagten befürchten und hatten damit auch keinen Grund dafür, ab Beginn des Mietvertrages weniger Nebenkosten als vereinbart abzurechnen.
- 30
- b) Die Auslegung des Berufungsgerichts widerspricht entgegen der Ansicht der Revision nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dem umgekehrten Fall, in dem ein Mieter über einen längeren Zeitraum vertraglich nicht geschuldete Nebenkosten bezahlt, die ihm der Vermieter unberechtigt in Rechnung gestellt hat. Auch in diesen Fällen ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass allein durch die jahrelange vorbehaltlose Zahlung von in Rechnung gestellten, aber vertraglich nicht geschuldeten Nebenkostenpositionen keine stillschweigende vertragliche Erweiterung der umlagefähigen Nebenkosten gesehen werden kann, sondern dass dafür weitere Umstände vorliegen müssen (Senatsbeschluss vom 29. Mai 2000 - XII ZR 35/00 - NJW-RR 2000, 1463; BGH Urteil vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 279/06 - NJW 2008, 283). Voraussetzung für eine solche vertragliche Erweiterung der umlagefähigen Nebenkosten ist zunächst ein entsprechendes Angebot des Vermieters. Ein solches liegt vor, wenn der Mieter Grund zu der Annahme hat, der Vermieter erstrebe mit der Abrechnung von nicht als umlagefähig vereinbarten Nebenkostenpositionen eine vertragliche Erweiterung. Dafür reicht die bloße Übersendung einer vom Mietvertrag abweichenden Nebenkostenabrechnung allerdings in der Regel nicht aus. Vielmehr bedarf es besonderer Umstände, aus denen für den Mieter der Änderungswille des Vermieters erkennbar ist. Solche lagen in dem von der Revision angeführten durch Senatsbeschluss vom 29. Mai 2000 (XII ZR 35/00 - NJW-RR 2000, 1463) entschiedenen Fall vor. Dort war für den Mieter aufgrund des nach einem Vermieterwechsel von dem neuen Vermieter erstmals erheblich erweiterten Umfangs der in die Abrechnung eingestellten Nebenkostenpositionen dessen Änderungswille erkennbar. Durch die über mehrere Jahre erfolgte vorbehaltlose Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten hatte der Mieter dieses Angebot des Vermieters auf Erweiterung der Umlagevereinbarung angenommen.
- 31
- 3. Die geltend gemachten Nebenkosten sind auch nicht verwirkt.
- 32
- Der Rechtsgedanke der Verwirkung, der auch im Miet- und Pachtrecht gilt, ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchli- chen Verhaltens. Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem Zeitablauf das Vorliegen besonderer ein solches Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus (Senatsurteil vom 19. Oktober 2005 - XII ZR 224/03 - NJW 2006, 219 f. m.w.N.). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls.
- 33
- a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für die Bestimmung des Zeitmoments auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Abrechnungen für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 15. Februar 2004, aus denen sich die Zahlungsansprüche ergeben, abzustellen ist. Denn nur wenn zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Kläger die Abrechnung hätten vornehmen müssen und dem Zugang der Abrechnung bei der Beklagten ein längerer Zeitraum liegt, kann das Zeitmoment erfüllt sein.
- 34
- Diese Voraussetzung liegt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, für die Abrechnungszeiträume 2003 und 2004 nicht vor. Die Kläger waren zum Zeitpunkt des Zugangs dieser Abrechnungen, am 23. September 2004, noch nicht zur Abrechnung verpflichtet.
- 35
- Allerdings haben die Parteien im Mietvertrag lediglich den Abrechnungszeitraum auf das Kalenderjahr festgelegt (§ 6 Ziff. 2). Sie haben keine Frist vereinbart , innerhalb derer die Kläger nach Ablauf des Abrechnungszeitraums die Abrechnung erteilen sollten. Aus der Festlegung des Abrechnungszeitraums auf das Kalenderjahr lässt sich nämlich keine Zusage der Kläger entnehmen, die Abrechnung bereits jeweils am Ende des abzurechnenden Kalenderjahres zu erstellen. Eine solche Verpflichtung hätten die Kläger schon aus tatsächlichen Gründen nicht erfüllen können, da die während des Abrechnungszeitraums angefallenen Kosten erst nach dessen Ablauf ermittelt werden können.
- 36
- Eine Frist, innerhalb derer die Abrechnung der Nebenkosten erteilt werden muss, ist für die Geschäftsraummiete auch nicht gesetzlich geregelt. Lediglich für die Wohnraummiete bestimmt der durch das Mietrechtsreformgesetz (BGBl. I S. 1149) eingefügte § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB, dass der Vermieter dem Mieter die Abrechnung spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach dem Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen hat. Vor Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes, am 1. September 2001, galt diese Abrechnungsfrist nur für öffentlich geförderte preisgebundene Wohnungen (§ 20 Abs. 3 Satz 4 NMV).
- 37
- In Rechtsprechung und Literatur war schon in der Vergangenheit überwiegend angenommen worden, dass auch für die Geschäftsraummiete eine entsprechende Frist gilt (OLG Hamburg NJW-RR 1989, 82; OLG Düsseldorf ZMR 1998, 219; OLG Düsseldorf Grundeigentum 2005, 303; OLG Frankfurt NZM 2000, 186; Langenberg Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete 5. Aufl. G IV Rdn. 67; Schmidt-Futterer/Langenberg Mietrecht 9. Aufl. § 556 BGB Rdn. 447; Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht-, und Leasingrechts 10. Aufl. Rdn. 531; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann /Beyerle Geschäftsraummiete 2. Aufl. Kap. 11 Rdn. 143; Sternel Mietrecht aktuell 4. Aufl. V Rdn. 366, 367; Fritz Gewerberaummietrecht 4. Aufl. Rdn. 137 a; Staudinger/Weitemeyer [Neubearbeitung 2006] § 556 BGB Rdn. 104; Schmid ZMR 2002, 727, 731).
- 38
- Der Senat teilt die Ansicht, dass die angemessene Frist für die Abrechnung von Nebenkosten für Geschäftsräume in der Regel spätestens ein Jahr nach Ablauf des Abrechnungszeitraums endet, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben oder der Vermieter eine verspätete Abrechnung nicht zu vertreten hat.
- 39
- Der Vermieter von Geschäftsräumen ist, soweit der Mieter Vorauszahlungen auf die Nebenkosten zu leisten hat, ebenso wie der Vermieter von Wohnräumen verpflichtet, diesem binnen angemessener Frist eine Abrechnung über die Nebenkosten zu erteilen, aus der sich ergibt, ob der Mieter Nachzahlungen zu leisten oder Geld zurückzuerhalten hat. Bei der Bestimmung der angemessenen Frist ist zum einen dem Interesse der Mietvertragsparteien an einer alsbaldigen Klarheit über die ständig neu entstehenden gegenseitigen Rechte und Pflichten Rechnung zu tragen. Zum anderen ist darauf abzustellen, welchen Zeitraum der Vermieter benötigt, um die Abrechnung zu erteilen. Dafür ist von Bedeutung, wann ihm die Abrechnungsunterlagen vorliegen. Da für die Angemessenheit der Abrechnungsfrist bei der Geschäftsraummiete keine anderen Gesichtspunkte entscheidend sind als bei der Wohnraummiete, kann für die Geschäftsraummiete davon ausgegangen werden, dass bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung die Abrechnung über die Nebenkosten, wie bei der Wohnraummiete, in der Regel spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach dem Ende des Abrechnungszeitraums zu erteilen ist. Daraus folgt allerdings zunächst nur, dass der Mieter ab diesem Zeitpunkt den Vermieter auf Erteilung der Nebenkostenabrechnung in Anspruch nehmen kann und keine weiteren Vorauszahlungen auf die Nebenkosten mehr erbringen muss. Ein Ausschluss mit Nachforderungen, wie er für die Wohnraummiete gilt, ist, wie oben ausgeführt, damit nicht verbunden.
- 40
- Da die Abrechnung für 2003 und 2004 am 23. September 2004, folglich vor Ablauf eines Jahres nach Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraums, und damit bereits vor Fälligkeit der Beklagten zugegangen ist, ist schon das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment nicht erfüllt.
- 41
- b) Für den Abrechnungszeitraum 2002 fehlt es, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, jedenfalls an den für eine Verwirkung erforderlichen vertrauensbildenden Umständen. Die Beklagte hatte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von vornherein die beanstandeten Nebenkosten bei ihrer Preiskalkulation nicht berücksichtigt, obwohl sie im Mietvertrag als umlagefähig ausgewiesen waren. Sie hat es folglich gerade nicht im Vertrauen auf die frühere Abrechnungspraxis versäumt, eventuelle Mehrkosten auf ihre Kunden abzuwälzen. Die Beklagte behauptet auch nicht, sie habe zu Beginn des Mietvertrages Rücklagen für die streitigen Nebenkostenpositionen gebildet und dies später aufgrund der Abrechnungspraxis der Kläger unterlassen.
- 42
- Entgegen der Ansicht der Revision begründet die Abrechnung durch professionelle Verwalter kein Vertrauen der Beklagten auf die Richtigkeit der Abrechnungen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass professionellen Verwaltern keine Fehler bei der Abrechnung unterlaufen. Darüber hinaus ist hier offen geblieben, weshalb die Nebenkosten nicht im vertraglich vereinbarten Umfang in Rechnung gestellt worden sind.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 01.06.2006 - 27 O 429/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.01.2007 - 1 U 34/06 -
(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).
(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.
(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.
(1) Die Mitteilungen sollen schriftlich ergehen. Sie sind für jeden Betroffenen getrennt zu erstellen. Sie können auch auf maschinell verwertbaren Datenträgern oder durch Datenfernübertragung übermittelt werden; in diesen Fällen bedarf das Verfahren der Zustimmung der obersten Finanzbehörde des Landes, in dem die mitteilende Behörde oder Rundfunkanstalt ihren Sitz hat. Eine Übermittlung im automatisierten Abrufverfahren findet nicht statt.
(2) In Mitteilungen über Zahlungen sind die anordnende Stelle, ihr Aktenzeichen, die Bezeichnung (Name, Vorname, Firma), die Anschrift des Zahlungsempfängers und, wenn bekannt, seine Steuernummer sowie sein Geburtsdatum, der Grund der Zahlung (Art des Anspruchs), die Höhe der Zahlung, der Tag der Zahlung oder der Zahlungsanordnung anzugeben. Als Zahlungsempfänger ist stets der ursprüngliche Gläubiger der Forderung zu benennen, auch wenn die Forderung abgetreten, verpfändet oder gepfändet ist.
(3) In Mitteilungen über Verwaltungsakte sind die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, das Aktenzeichen und das Datum des Verwaltungsakts sowie Gegenstand und Umfang der Genehmigung, Erlaubnis oder gewährten Leistung und die Bezeichnung (Name, Vorname, Firma), die Anschrift des Beteiligten und, wenn bekannt, seine Steuernummer sowie sein Geburtsdatum anzugeben. Die Mitteilungspflicht kann auch durch die Übersendung einer Mehrausfertigung oder eines Abdrucks des Bescheids erfüllt werden. In diesem Fall dürfen jedoch nicht mehr personenbezogene Daten übermittelt werden, als nach Satz 1 zulässig ist.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.