Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 30. Sept. 2010 - L 1 AL 122/09

ECLI:ECLI:DE:LSGRLP:2010:0930.L1AL122.09.0A
30.09.2010

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Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 29.07.2009 - S 9 AL 39/07 - abgeändert. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18.01.2007 wird aufgehoben, soweit er den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 23.08.2006 als unzulässig verworfen hat.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) auch für den Zeitraum vom 31.07. bis 08.08.2006.

2

Der 1966 geborene Kläger war zuletzt vom 05.04. bis 24.06.2005 als Sortierer bei der H GmbH und seit 29.06.2005 als Produktionshelfer bei der Firma S Industrie-Service (Arbeitgeber) beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.06.2006 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 12.07.2006. In dem anschließenden Verfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz (5 Ca 1355/06) schlossen die Arbeitsvertragsparteien am 12.12.2006 einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Kündigung vom 27.06.2006 beendet worden ist, sondern unbefristet fortbesteht.

3

Der Kläger war seit 03.05.2006 arbeitsunfähig erkrankt und erhielt von der Allgemeinen Ortskrankenkasse Rheinland-Pfalz (AOK) ab 14.06.2006 Krankengeld. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 24.07.2006 ausführte, dass eine Beendigung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers zum 30.07.2006 möglich sei, teilte die AOK dem Kläger mit Bescheid vom 25.07.2006 mit, dass er mit Ablauf des 30.07.2006 wieder in der Lage sei, seine letzte Tätigkeit als Hilfsarbeiter/Produktionsmitarbeiter aufzunehmen und dass die Krankengeldzahlung zu diesem Zeitpunkt ende. Der Kläger erhielt zusätzlich Aufstockungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

4

Der Kläger legte der ARGE als Träger nach dem SGB II am 01.06. (Zeitraum vom 31.05. bis 14.06.2006), am 20.06.2006 (Zeitraum vom 15.06. bis 03.07.2006) und am 04.07.2006 (Zeitraum vom 04.07. bis 14.07.2006) Kopien der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Am 30.06.2006 sprach er bei der ARGE vor und meldete sich zum 13.07.2006 arbeitslos (Vermerk vom 30.06.2006). Eine Mitarbeiterin der Beklagten wies ihn am 03.07.2006 auf das Erfordernis einer rechtzeitigen erneuten Arbeitslosmeldung bei einer Genesung hin; der Kläger legte zwei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Am 21.07.2006 gab er gegenüber der ARGE an, weiter arbeitsunfähig zu sein.

5

Am 09.08.2006 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte am 21.08.2006 die Gewährung von Alg. Am 21.08.2006 nahm der Kläger die Beschäftigung bei dem Arbeitgeber wieder auf.

6

Die Beklagte bewilligte mit Bescheiden vom 23.08. und 30.08.2006 Alg für den Zeitraum vom 09.08. bis 20.08.2006 nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 44,98 € und einem Leistungsbetrag von täglich 16,31 € (Bescheid vom 23.08.2006, Steuerklasse V) bzw. von 23,81 € (Bescheid vom 30.08.2006, Steuerklasse III). Der sechsseitige Bescheid vom 23.08.2006 enthielt auf den Seiten 2 bis 3 nach den dargestellten Berechnungsgrundlagen und vor den Hinweisen zur Höhe des Alg folgende Rechtsmittelbelehrung:

7

"Gegen diesen Bescheid ist der Widerspruch zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der oben bezeichneten Agentur für Arbeit einzureichen, und zwar binnen eines Monats, nach dem der Bescheid Ihnen bekanntgegeben worden ist."

8

Bei dem fünfseitigen Bescheid vom 30.08.2006 befand sich die gleichlautende Rechtsmittelbelehrung nach den Berechnungsgrundlagen und dem Hinweis auf eine Änderung der Verhältnisse wegen der Lohnsteuerklasse auf Seite 3 vor den Hinweisen zu den zu beachtenden Gesichtspunkten.

9

Die als Zweitschrift in der Verwaltungsakte der Beklagten abgehefteten Bescheide enthalten keinen Vermerk über die Aufgabe zur Post und wurden vom BA-IT-Systemhaus der Beklagten in Nürnberg erstellt. Der Bescheid vom 23.08.2006 ist entweder am 23. oder 24.08.2006 und der Bescheid vom 30.08.2006 am 31.08.2006 bei der Post aufgeliefert worden (E-Mail des BA-IT-Systemhauses an die Beklagte vom 28.02.2007, Bl. 52 Gerichtsakte).

10

Der Kläger hat am 08.11.2006 Widerspruch gegen die Bescheide vom 23. und 30.08.2006 erhoben. Die Beklagte verwarf den Widerspruch am 18.01.2007 als unzulässig, da die Widerspruchsfrist nicht gewahrt und Wiedereinsetzungsgründe nicht erkennbar seien.

11

Der Kläger hat am 05.02.2007 Klage vor dem Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 29.07.2009 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Beklagte habe den Widerspruch des Klägers zu Recht wegen der Versäumung der Widerspruchsfrist als unzulässig verworfen. Hinsichtlich der Bekanntgabe der Bescheide gelte die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), wobei die Bestätigung des BA-IT-Systemhauses über den Tag der Aufgabe zur Post ausreichend sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei zutreffend und es sei unschädlich, dass sich diese mittig in den Bescheiden befunden habe. Auch der Sitz der Behörde, bei der der Widerspruch anzubringen war, sei hinreichend bezeichnet.

12

Gegen das ihm am 12.08.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 14.09.2009 Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass die Widerspruchsfrist nicht versäumt sei, da deren Lauf wegen der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrungen nicht in Gang gesetzt worden sei. Die Rechtsmittelbelehrung habe sich in den Bescheidtexten an versteckter Stelle befunden, wo ein verständiger Leser sie nicht habe erwarten können. Auch sei diese inhaltlich unvollständig, da sie nicht die Angaben der Behörde, bei der der Widerspruch einzulegen ist und über deren Sitz enthalten habe. Ein Anspruch auf Alg sei gegeben, da er sich am 30.06.2006 arbeitslos gemeldet habe.

13

Der Kläger beantragt,

14

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 29.07.2009 - S 9 AL 39/07 - aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 23.08.2006 und 30.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 31.07. bis 08.08.2006 in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

18

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Das Urteil des SG sowie der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18.01.2007 sind abzuändern. Die Beklagte hat den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.08.2006 unzutreffend als unzulässig verworfen. Der Senat erachtet insoweit den Erlass eines Teilurteils (§ 202 Sozialgerichtsgesetz iVm § 301 Zivilprozessordnung) für zweckmäßig. Eine Entscheidung, ob dem Kläger ein Anspruch auf Alg auch im Zeitraum vom 31.07. bis 08.08.2006 zusteht, bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

20

Das SG hat die Klage zutreffend nicht wegen der von ihm angenommenen Versäumung der Widerspruchfrist (§ 84 SGG) als unzulässig abgewiesen (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 -, SozR 2200 § 1422 Nr. 1). Die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist zulässig und teilweise begründet. Hinsichtlich des Bescheides vom 30.08.2006 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen. Bzgl. des Bescheides vom 23.08.2006 war der Widerspruch zulässig und die Beklagte hätte in der Sache entscheiden müssen. Dieser Verwaltungsakt hat keine Bindungswirkung (§ 77 SGG) erlangt. Der Kläger hat die Widerspruchsfrist gewahrt.

21

1. Die Bescheide vom 23.08. und 30.08.2006 sind dem Kläger bekannt gegeben und damit wirksam (§ 39 Abs. 1 SGB X) geworden. Dass sie ihm nicht zugegangen sind, behauptet der Kläger nicht. Die Bekanntgabe erfolgte vorliegend durch Übersendung durch die Post (§ 37 Abs. 2 SGB X). Nach Satz 1 dieser Vorschrift gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt gemäß Satz 3 nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

22

Die Beklagte hat die Bescheide jeweils durch einfachen Brief versandt. Der Kläger hat keine Angaben zu dem Zeitpunkt gemacht, wann ihm die Bescheide zugegangen sind. Der Beweis für den Zeitpunkt der Bekanntgabe ist hinsichtlich des Bescheides vom 30.08.2006 durch die Vorlage der E-Mail des BA-IT-Systemhauses der Beklagten vom 28.02.2007 geführt. Danach wurde der Bescheid am 31.08.2006 bei der Post aufgegeben. Wann der Bescheid vom 23.08.2006 bei der Post aufgegeben worden ist, ist jedoch offen. Das BA-IT-Systemhaus hat angegeben, dass der Bescheid vom 23.08.2006 am 23.08. oder 24.08.2006 bei der Post aufgeliefert worden sei. Der Tag der Aufgabe zur Post steht damit aber gerade nicht fest.

23

Ausreichend für das Eingreifen der Zugangsvermutung des § 37 Abs. 2 SGB X als gesetzlich normierter Anscheinsbeweis ist, dass der Tag der Aufgabe zur Post nachweisbar ist. Ob der Tag der Aufgabe zur Post bei der Bekanntgabe durch Übersendung nach § 37 Abs. 2 SGB X in den Akten zu vermerken ist (so BSG, Urteil vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R -, SozR 4- 2700 § 136 Nr. 2 RdNr. 15), braucht nicht entschieden zu werden. Der Wortlaut der Vorschrift enthält ein derartiges Erfordernis jedenfalls nicht. Im übrigen bedeutet "vermerken" lediglich, dass der Vorgang in den betreffenden Akten so erwähnt wird, dass auch eine mit der Sache bisher nicht befasste Person ihn als geschehen erkennen kann. Dementsprechend reicht jeder in den Akten befindliche Hinweis, der Aufschluss über den Tag der Aufgabe des Briefes zur Post gibt, aus. Wann dieser Hinweis zu den Akten gelangt ist, ist ohne Bedeutung. Nicht erforderlich ist zudem, dass der Hinweis sich aus dem Verwaltungsakt selbst ergibt bzw. ein Vermerk über die Aufgabe zur Post auf dem Verwaltungsakt angebracht ist (vgl. zur Regelung des § 4 Verwaltungszustellungsgesetz: BSG, Urteil vom 26.08.1997 - 5 RJ 6/96 -, SozR 3-1960 § 4 Nr. 3; Urteil vom 09.12.2008 - B 8/9b SO 13/07 R -, Juris). Bzgl. des Bescheides vom 30.08.2006 genügt die zu den Akten der Beklagten gelangte E-Mail des BA-IT-Systemshauses der Beklagten, um den Tag der Aufgabe zur Post - der 31.08.2006 - nachzuweisen. Erfolgte die Zustellung des Bescheides vom 30.08.2006 damit am Sonntag (die Zugangsvermutung gilt auch in diesem Fall: vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2008 aaO Rdnr. 13; Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 12/09 R -, Juris), dem 03.09.2006, begann die Monatsfrist für die Einlegung des Widerspruchs (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) nach § 64 Abs. 1 SGG am 04.09.2006. Die Zugangsvermutung ist nicht durch entsprechenden Tatsachenvortrag des Klägers erschüttert worden, der einen späteren Zugang nicht konkret behauptet hat. Hinsichtlich des Bescheides vom 23.08.2006 gilt die Zugangsfiktion mangels der Nachweisbarkeit des Tags der Aufgabe dieses Bescheides zur Post hingegen nicht. Da die Monatsfrist insoweit nicht lief, war der Widerspruch des Klägers vom 08.11.2006 als fristgemäß anzusehen.

24

2. Bzgl. des Bescheides vom 30.08.2006 scheiterte der Beginn des Laufs der Monatsfrist nicht daran, dass die Rechtsbehelfsbelehrung gem. den §§ 84 Abs. 1 und 2 Satz 3, 66 Abs. 1 SGG und 36 SGB X unrichtig erteilt worden wäre. Die Jahresfrist (§ 66 Abs. 2 SGG) für die Einlegung des Widerspruchs galt damit nicht.

25

Unrichtig ist eine Rechtsbehelfsbelehrung, wenn diese Fehler enthält, die von einer sachgerechten Einlegung des gegebenen Rechtsmittels abhalten könnten. Davon ist das BSG bei Fehlern ausgegangen, die bei abstrakter Betrachtungsweise geeignet sein könnten, den Informationswert der richtigen Angaben zu mindern oder den Berechtigten von Erkundigungen über weitere Möglichkeiten abzuhalten und dadurch Einfluss auf die verspätete oder formwidrige Einlegung oder Begründung des Rechtsbehelfs gehabt haben könnten. Andererseits darf die Rechtsmittelbelehrung nicht so abgefasst sein, dass sie durch weitere Informationen inhaltlich überfrachtet wird und, statt Klarheit zu schaffen, wegen ihres Umfanges und ihrer Kompliziertheit Verwirrung stiftet. Sie soll deshalb so einfach und klar wie möglich gehalten werden und auch für einen juristischen Laien verständlich bleiben und nicht mit komplizierten rechtlichen Hinweisen überfrachtet werden. Sie muss in Folge dessen nicht allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten Rechnung tragen, sondern den Beteiligten nur in die richtige Richtung lenken. Diese Funktion ist erfüllt, wenn sie einen Hinweis darauf gibt, welche ersten Schritte ein Beteiligter unternehmen muss (BSG, Beschluss vom 18.10.2007 - B 3 P 24/07 B -, SozR 4-1500 § 66 Nr. 1; Urteil vom 31.08.2000 - B 3 P 18/99 R -, Juris). Auf die Besonderheiten des Fristbeginns beim Eingreifen einer Zugangsvermutung - wie hier bei § 37 Abs. 2 SGB X - muss nicht hingewiesen werden (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.1993 - 9/9a RV 17/92 - SozR 3-1500 § 66 Nr. 2); der vorliegende Hinweis "nach Bekanntgabe" (vgl. § 37 Abs. 1 und 2 SGB X) ist ausreichend (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.1996 - 10 RKg 20/95 -, Juris). Nicht erforderlich ist, dass die Belehrung von der Begründung des Beschlusses abgesetzt und mit einer gesonderten Überschrift versehen wird, allerdings darf diese nicht in einer vielseitigen Begründung irgendwo versteckt werden (vgl. Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 30.04.2009 - 3 C 23/08 -, BVerwGE 134, 41).

26

Vorliegend konnte die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 30.08.2006 ihre Wegweiserfunktion erfüllen. Sie war auf Seite 3 des Bescheides nach der Darlegung des Leistungsanspruchs und der Berechnungsgrundlagen aufgeführt. Von den nachfolgenden (allgemeinen) Hinweisen war sie etwas abgesetzt. Damit wurde deutlich, dass der Bescheid in zwei Teile gegliedert war, dessen erster Teil die Leistungsvoraussetzungen und die Erläuterung der Höhe der Leistungen betraf und dessen zweiter Teil Hinweise zu vom Kläger zu beachtenden Gesichtspunkten, zu Rechtsgrundlagen sowie einen Leistungsnachweis enthielt. Die Rechtsbehelfsbelehrung war insofern nicht an einer unübersichtlichen Stelle des Bescheides versteckt, sondern schloss den die konkrete Leistung betreffenden Teil ab. Sie war nicht durch überflüssige Informationen überfrachtet und bezeichnete den Rechtsbehelf und die zutreffende Frist und Form der Einlegung (vgl. §§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG und 36 SGB X). Auch war die zuständige Verwaltungsstelle zu erkennen, da auf die "oben bezeichnete Agentur für Arbeit" Neuwied verwiesen wurde, die im Briefkopf mit Adressangabe genannt war. Es war daher ohne weiteres erkennbar (vgl. hierzu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2006 - L 8 AS 4314/05 -, Juris), welche Stelle dies ist.

27

Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs hinsichtlich des Bescheides vom 30.08.2006 lief mit Ablauf des 04.10.2006 (§ 64 Abs. 2 und 3 SGG) ab. Der Kläger hat jedoch erst am 08.11.2006 Widerspruch bei der Beklagten eingelegt. Dieser ist verfristet. Wiedereinsetzungsgründe (§ 67 SGG) wurden vom Kläger nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich. Die Beklagte hat damit zu Recht den Widerspruch als unzulässig verworfen.

28

3. Dass der Bescheid vom 30.08.2006 in Bestandskraft erwachsen ist, steht einer Entscheidung in der Sache, ob dem Kläger ein Anspruch auf Alg im Zeitraum vom 31.07. bis 08.08.2006 zusteht, nicht entgegen. Im Bescheid vom 23.08.2006 hat die Beklagte Alg ab dem 09.08.2006 bewilligt und damit das Bestehen eines Anspruchs vor diesem Zeitpunkt abgelehnt. Mit dem Bescheid vom 30.08.2006 wurde der Leistungsbetrag ab dem 09.08.2006 wegen der Vorlage der Lohnsteuerkarte und der Berücksichtigung der dort aufgeführten Lohnsteuerklasse erhöht und hinsichtlich der Leistungsgewährung vor dem 09.08.2006 keine neue Sachprüfung durchgeführt und daher insoweit kein sogenannter Zweitbescheid erlassen. Allerdings ist diese Sachprüfung (zunächst) im - erneuten - Widerspruchsverfahren anzustellen und kann nicht im vorliegenden Gerichtsverfahren erfolgen.

29

Die Sachprüfung im Gerichtsverfahren wird bei einer von der Widerspruchsbehörde (hier § 85 Abs. 2 Nr. 3 SGG) ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Verfristung des Widerspruchs nur dann ermöglicht, wenn die Widerspruchsbehörde auch in der Sache entschieden hat. Aufgrund eines verspäteten Widerspruchs ist die Behörde zwar nicht mehr verpflichtet, in der Sache zu entscheiden; sie verliert aber nicht die Sachherrschaft über das Verfahren. In einem Widerspruchsverfahren darf die Widerspruchsbehörde damit auch über einen verspäteten Widerspruch sachlich entscheiden; eine sich über die Fristversäumung hinweg setzende Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde schließt dann für das spätere Gerichtsverfahren die Beachtlichkeit des Widerspruchs aus. Für eine Sachentscheidung genügt es nicht, wenn sich die Widerspruchsbehörde nur hilfsweise zur Sache äußert (BSG, Urteil vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 -, SozR 1500 § 84 Nr. 3; Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R -, SozR 4-3500 § 28 Nr. 3; BVerwG, Urteil vom 16.01.1964 - VIII C 72.62 -, DVBl. 1965, 89). Nur diese Sachentscheidung eröffnet den Weg zu einer gerichtlichen Sachprüfung. Weist die Widerspruchsbehörde den Widerspruch als unzulässig zurück und entscheidet sie nicht in der Sache, sind die Gerichte an einer sachlich-rechtlichen Überprüfung des Klagebegehrens gehindert (BSG, Urteil vom 30.09.1996 - 10 RKg 20/95 -, Juris Rdnr. 29). Vorliegend hat sich die Widerspruchsstelle der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 18.01.2007 ausschließlich auf die Unzulässigkeit des Widerspruchs und damit auf die Bestandskraft des Bescheides vom 23.08.2006 berufen und keine Sachprüfung durchgeführt. Der Senat kann damit in eine Sachprüfung nicht eintreten.

30

Die - hier teilweise - isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2007 ist möglich, da er gegenüber dem Ausgangsbescheid eine zusätzliche, selbständige Beschwer enthält und jedenfalls der Rechtsgedanke des § 79 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) heranzuziehen ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 95 RdNr. 3 ff. mwN). Die Voraussetzung einer zusätzlichen Beschwer ist im Fall der Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift im Widerspruchsverfahren erfüllt, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht (vgl. bei einer unterbliebenen Anhörung: BSG, Urteil vom 15.08.1996 - 9 RV 10/95 -, SozR 3-1300 § 24 Nr. 13; Urteil vom 25.03.1999 - B 9 SB 14/97 R -, SozR 3-1300 § 24 Nr. 14), was bei der vorliegenden Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig anstelle einer Sachentscheidung der Fall ist. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass ein Rechtsschutzinteresse an einer isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheides dann nicht gegeben ist, wenn es sich um eine rechtlich gebundene Entscheidung handelt (Leitherer a.a.O. RdNr. 3c; Behrend in Hennig, SGG, § 95 RdNr. 20; Brenner in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 79 RdNr. 19). Dies überzeugt jedoch nicht, da § 79 VwGO keinen Unterschied zwischen Ermessensentscheidungen und gebundener Verwaltung macht. Auch folgt aus dem Sinn und Zweck des Vorverfahrens (Selbstkontrolle der Verwaltung, Verbesserung des Rechtsschutzes des Bürgers, Schutz der Gerichte vor Überlastung) und aus der allgemeinen Stellung der Gerichte im gewaltenteiligen Staat, dass ein Gericht eine Sachentscheidung erst treffen soll, wenn die Verwaltung, dh die Widerspruchsbehörde, in einem einwandfreien Verfahren und ohne zusätzliche Rechtsfehler das letzte Wort in der Sache gesprochen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 79 RdNr. 5; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl., § 79 RdNr. 9).

31

Auch Gründe der Prozessökonomie können eine solche Sachprüfung nicht ermöglichen. Im Widerspruchsverfahren wird die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) nachgeprüft. Dies dient der Selbstkontrolle der Verwaltung und darüber hinaus soll der Schutz des betroffenen Bürgers verbessert und es sollen die Sozialgerichte vor unnötiger Arbeit bewahrt werden. Das Verfahren ist eine grundsätzlich unverzichtbare Sachurteils-(Prozess-)Voraussetzung (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.1999 - B 12 KR 8/98 R -, SozR 3-1500 § 78 Nr. 3). Dies schließt es auch bei "gebundenen", d.h. nicht im Ermessen der Verwaltung stehenden Entscheidungen - wie hier - aus, auf das Widerspruchsverfahren zu verzichten (BSG aaO). Die Möglichkeit einer positiven Entscheidung in der Sache scheidet vorliegend auch nicht von vornherein aus und der Senat kann jedenfalls derzeit keine für den Kläger günstige Sachentscheidung treffen, da noch weitere Ermittlungen anzustellen sind. Es ist u. a. zu prüfen (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III), ob sich der Kläger wirksam (§ 122 Abs. 1 SGB III) am 30.06.2006 arbeitslos gemeldet hat, was davon abhängen könnte, ob der Eintritt von Arbeitslosigkeit in den nächsten drei Monaten prognostisch erwartet werden konnte, ob der Kläger aus seiner "Laiensphäre" davon ausgehen konnte, sich bei der zuständigen Agentur für Arbeit persönlich arbeitslos gemeldet zu haben (vgl. BSG, Urteil vom 19.01.2005 - B 11a/11 AL 41/04 R -, Juris; Urteil vom 06.04.2006 - B 7a AL 74/05 R -, SozR 4-4300 § 26 Nr. 4) und ob die Beklagte die Arbeitslosmeldung entgegengenommen und akzeptiert hat (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2010 - B 7 AL 49/08 R -, Juris). Auch ein arbeitsunfähig Erkrankter kann sich arbeitslos melden und muss nicht seine "Genesung" abwarten, um dann - erneut - die Agentur für Arbeit zur persönlichen Arbeitslosmeldung aufzusuchen. Sollte die Beklagte Ursachen für eine verspätete Arbeitslosmeldung geschaffen haben, könnte die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu erwägen sein (vgl. BSG, Urteil vom 19.01.2005 a.a.O.), da es nicht um die Ersetzung der Tatsache des persönlichen Erscheinens bei der Behörde geht. Ob der Kläger ab dem 31.07.2006 bereit war, alle seiner objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen (Arbeitsbereitschaft, § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III), ist ebenfalls zu prüfen.

32

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

33

Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

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(1) Wird der Widerspruch für begründet erachtet, so ist ihm abzuhelfen. (2) Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, so erläßt den Widerspruchsbescheid 1. die nächsthöhere Behörde oder, wenn diese eine oberste Bundes- oder eine oberste Landesbehörd

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 122 Ausbildungsgeld


(1) Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Ausbildungsgeld während1.einer Berufsausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung,2.einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterst

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Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 30. Sept. 2010 - L 1 AL 122/09 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 30. Sept. 2010 - L 1 AL 122/09 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 18. Mai 2010 - B 7 AL 49/08 R

bei uns veröffentlicht am 18.05.2010

Tatbestand 1 Im Streit ist - nach einem Teilvergleich im Berufungsverfahren für die Zeit vom 1.10.2006 bis 31.5.2007 - (noch) ein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld (

Bundessozialgericht Urteil, 06. Mai 2010 - B 14 AS 12/09 R

bei uns veröffentlicht am 06.05.2010

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für die Zeit vom 17.4. bis 10.5.2007.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 17. März 2006 - L 8 AS 4314/05

bei uns veröffentlicht am 17.03.2006

Tenor Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. September 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.   Tatbestand   1
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 30. Sept. 2010 - L 1 AL 122/09.

Sozialgericht Duisburg Gerichtsbescheid, 16. Nov. 2016 - S 49 AS 2641/14

bei uns veröffentlicht am 16.11.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt keine außergerichtlichen Kosten der Klägerin. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme einer Erledigungsgebühr im Rahmen der Kostenerstattung nach

Sozialgericht Aachen Urteil, 08. Nov. 2016 - S 14 AS 135/16

bei uns veröffentlicht am 08.11.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über den Zeitraum von Januar 2016 bis Februar 2016 über die Höhe des Regelbedarfes im Jahr 2016. 3Mit Bescheid vom 22.06.2015 in der Fassung der

Sozialgericht Aachen Urteil, 08. Nov. 2016 - S 14 AS 757/15

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die Art der Berücksichtigung von Stromkosten für den Betrieb einer Gaskombitherme als nach § 22 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - G

Sozialgericht Aachen Urteil, 28. Juni 2016 - S 18 SB 114/16

bei uns veröffentlicht am 28.06.2016

Tenor Der Widerspruchsbescheid vom 11.01.2016 wird aufgehoben. Kosten sind nicht zu erstatten. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Rechtmäßigkeit der Verwerfung eines Widerspruches als unzulässig. 3Bei dem am 00.00.0000 geb

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(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.

(2) Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist. Die Widerspruchsschrift ist unverzüglich der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzuleiten, der sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen hat. Im übrigen gelten die §§ 66 und 67 entsprechend.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.

(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für die Zeit vom 17.4. bis 10.5.2007. Streitig ist vorab die Zulässigkeit der Klage.

2

Mit Bescheid vom 7.5.2007 lehnte die Beklagte den am 17.4.2007 gestellten Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 24.5.2007 Leistungen für die Zeit vom 11.5. bis 31.10.2007. Im Übrigen wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.9.2007 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7.5.2007 zurück. Der Widerspruchsbescheid war an den Bevollmächtigten der Klägerin adressiert und enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, in der darauf hingewiesen wurde, dass die Klagefrist mit Ablauf des Tages der Bekanntgabe der Entscheidung beginne und die Bekanntgabe bei Zusendung durch einfachen Brief mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt gelte, es sei denn, die Entscheidung gehe nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zu. Wie auf der Rückseite vermerkt, wurde er am 26.9.2007 zur Post gegeben. Er ging dem Bevollmächtigten der Klägerin am 28.9.2007 zu.

3

Am 31.10.2007 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 24.4.2008 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unzulässig, weil sie erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden sei. Der Widerspruchsbescheid sei nach dem Abgangsvermerk der Beklagten am 26.9.2007 zur Post gegeben worden. Der für die Bekanntgabe maßgebliche dritte Tag nach Abgabe zur Post gemäß § 37 Abs 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sei der 29.9.2007, ein Samstag, gewesen. Der Tag verschiebe sich nicht gemäß § 64 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den nächsten Werktag. Die Klagefrist habe damit mit Ablauf des 29.10.2007 geendet.

4

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 28.1.2009 die von ihm zugelassene Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klage sei nicht fristgerecht erhoben worden. Nach § 37 Abs 2 SGB X sei der Widerspruchsbescheid vom 26.9.2007 am 29.9.2007 bekannt gegeben worden. Fristablauf für die Klageerhebung sei somit der 29.10.2007 gewesen. § 64 Abs 3 SGG, wonach dann, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend falle, die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages ende, sei nicht anwendbar, weil es sich nicht um eine gesetzliche Frist im Sinne dieser Vorschrift handele. Der Verschiebung des Fristendes durch § 64 Abs 3 SGG liege in erster Linie der Gedanke zu Grunde, dass dem Bürger nicht zugemutet werden solle, eine ihm obliegende Handlung an einem üblicherweise arbeitsfreien Tag zu bewirken. Solche Interessen des Adressaten eines Verwaltungsaktes würden aber durch die Vorschrift des § 37 Abs 2 SGB X nicht berührt. Da die Bekanntgabe eines einfachen Briefes auch bei einem tatsächlichen früheren Zugang erst am dritten Tag nach dessen Aufgabe zur Post als erfolgt gelte, stehe dem Empfänger eines Widerspruchsbescheides häufig bis zum Ablauf der Klagefrist eine längere Überlegungszeit zur Verfügung als bei anderen Zustellungsarten. Dies zeige auch der vorliegende Fall, in dem der Bevollmächtigte der Klägerin den Widerspruchsbescheid bereits am 28.9.2007 tatsächlich erhalten habe. Eine darüber hinausgehende Besserstellung sei nicht geboten.

5

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X diene ebenso wie § 122 Abs 2 Satz 1 Nr 1 der Abgabenordnung (AO) in erster Linie der Rechtssicherheit und der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens. Beide Vorschriften sollten es ermöglichen, den Beginn des Fristlaufs exakt zu bestimmen. Zu § 122 AO habe der Bundesfinanzhof (BFH) aber entschieden, dass sich der Drei-Tages-Zeitraum verlängert, wenn sein Ende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt. Von einer generellen Besserstellung gegenüber anderen Zustellungsarten könne nicht die Rede sein. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X habe die Funktion, Rechtssicherheit zu schaffen, weil der tatsächliche Zugang eines Schriftstücks, das auf dem Postweg an Privatpersonen geschickt werde, oftmals ungewiss sei. Dieses Problem bestehe im Fall der Zustellung nicht. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X solle verhindern, dass der Beginn einer Rechtsbehelfsfrist zu einem Zeitpunkt angenommen werde, zu dem der Verwaltungsakt noch gar nicht zugegangen sei. Dieser Zweck werde nur dann erreicht, wenn § 64 Abs 3 SGG auf den Drei-Tages-Zeitraum angewendet werde. Eine einheitliche Bestimmung des Beginns der Frist sei im Interesse der Rechtssicherheit wünschenswert. Auch die Rentenversicherungsträger hätten sich in Anlehnung an das Urteil des BFH für die Anwendbarkeit von § 26 Abs 3 SGB X auf § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X entschieden.

6

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28.1.2009 und des Sozialgerichts Freiburg vom 24.4.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.9.2007 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 17.4.2007 bis zum 10.5.2007 zu bewilligen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet, § 170 Abs 1 Satz 1 SGG. SG und LSG haben zu Recht die am 31.10.2007 erhobene Klage als unzulässig angesehen, weil die Klagefrist versäumt war.

9

Gemäß § 87 Abs 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, beginnt die Frist nach § 87 Abs 2 SGG mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Diese Frist hat die Klägerin mit der am 31.10.2007 erhobenen Klage nicht gewahrt. Der Widerspruchsbescheid war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung iS des § 66 SGG versehen, die insbesondere auf den Inhalt des § 37 Abs 2 SGB X hinwies(vgl hierzu BSGE 79, 293 = SozR 3-1500 § 66 Nr 6). Er ist ihrem Bevollmächtigten am 29.9.2007, einem Samstag, bekanntgegeben. Begann die Monatsfrist des § 87 Abs 1 Satz 1 SGG damit am 29.9.2007, endete sie am Montag, dem 29.10.2007.

10

Gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Der Widerspruchsbescheid wurde hier, wie auf der Rückseite des in der Akte der Beklagten befindlichen Exemplars vermerkt, am 26.9.2007 zur Post gegeben (zum Erfordernis eines solchen Vermerks in den Behördenakten vgl BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2, jeweils RdNr 15). Dass er dem Bevollmächtigten der Klägerin tatsächlich bereits am 28.9.2007 zugegangen ist, ist unerheblich. Nach der gesetzlichen Zugangsfiktion ist allein maßgeblich der dritte Tag nach der Aufgabe zur Post (vgl zu § 4 Verwaltungszustellungsgesetz BSGE 5, 53, 55). Der Tag, an dem der Brief zur Post gegeben wird, ist nach der gemäß § 26 Abs 1 SGB X für Fristen und Terminsbestimmungen geltenden Vorschrift des § 187 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch nicht mitzuzählen(vgl BSG aaO). Dritter Tag im Sinne der Zugangsfiktion des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X ist damit der 29.9.2007.

11

Dem steht nicht entgegen, dass dieser Tag ein Samstag war. Die Fiktion der Bekanntgabe greift auch dann ein, wenn der für die Bekanntgabe maßgebende dritte Tag nach der Aufgabe zur Post auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt. Die Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X enthält keine Einschränkung dergestalt, dass die Frist erst mit dem Ablauf des nächsten Werktages endet, wenn das Ende der Frist auf einen Sonnabend fällt(vgl Engelmann in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 37 RdNr 12; Krasney in KassKomm, Stand Januar 2010, § 37 RdNr 6; Waschull in LPK-SGB X, 2. Aufl 2007, § 37 RdNr 11; Marschner in Pickel/ Marschner, SGB X, Stand Februar 2010, § 37 RdNr 23; für die Parallelvorschrift des § 41 Verwaltungsverfahrensgesetz Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl 2008, § 41 RdNr 44; aA Recht in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Februar 2010, K § 37 RdNr 16; für § 41 VwVfG Ruffert in Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl 2010, § 41 RdNr 35 sowie U. Stelkens in Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 41 RdNr 133). Auch die Vorschriften des § 41 VwVfG, die als Vorbild diente(BT-Drucks 8/2034 S 33), und des § 17 Abs 2 VwZG(BGBl I 1952, 379), auf die wiederum bei Schaffung des VwVfG zurückgegriffen wurde (BT-Drucks VI/1173 S 49), enthalten keine Einschränkung der Bekanntgabe auf einen Werktag (anders etwa die Vorläufervorschrift von § 4 VwZG, § 1 der Postzustellungsverordnung vom 23.8.1943 ; vgl BSGE 5, 53, 54, 55).

12

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus § 26 Abs 3 Satz 1 SGB X bzw § 64 Abs 3 SGG. Danach endet eine Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages, wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X regelt aber keine Frist im Sinne dieser Vorschriften. Es wird kein Zeitraum bezeichnet, in dem ein bestimmtes Tätigwerden erforderlich ist. Ebenso wenig wird ein Zeitraum umschrieben, in dem die Rechtswirkung der Bekanntgabe eintritt, sondern der vermutete Tag der Bekanntgabe und damit ein genauer Zeitpunkt für den Eintritt einer Rechtswirkung markiert, der für den Lauf der Klagefrist maßgeblich ist (vgl bereits die Gesetzesbegründung zu § 31 VwVfG BT-Drucks VI/1173 S 49: "… Zeitpunkt bestimmt, in dem die Bekanntgabe als bewirkt gilt"; zu § 4 Abs 1 VwZG vgl BSG Urteil vom 9.12.2008 - B 8/9b SO 13/07 R; Loytved, Kann die Zustellung eines Widerspruchsbescheides mittels eingeschriebenen Briefes auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fallen?, SGb 1997, 253, 254).

13

Auch eine analoge Anwendung des § 26 Abs 3 Satz 1 SGB X bzw § 64 Abs 3 SGG kommt nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer Regelungslücke. Auch nach Sinn und Zweck besteht kein Bedürfnis für eine Ausweitung dieser Regelungen auf die Fälle des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X. Die Vorschrift dient ebenso wie § 4 Abs 1 VwZG dazu, das Verfahren der Bekanntgabe kostengünstig und einfach handhabbar zu gestalten. Im Interesse der Sparsamkeit und Vereinfachung sollen Ermittlungen über den genauen Tag der Bekanntgabe unterbleiben. Die Berechnung des Zustellungstages nach einem festen Maßstab entspricht am ehesten dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Verwaltungsvereinfachung (vgl BSGE 5, 53, 56). Die Verschiebung des Zustellungsdatums auf den nächsten Werktag, wenn der dritte Tag ein Sonnabend, Sonntag oder Feiertag ist, würde die Notwendigkeit der Überprüfung in jedem Fall durch die Behörde begründen (vgl Loytved aaO). Bei der strikten Berechnung des Zustellungstages fällt eine solche Überprüfung hingegen nur an, wenn der Adressat den Empfang überhaupt bestreitet oder den Zugang nach Ablauf des gesetzlich vermuteten Zustellungstages behauptet.

14

Der Adressat eines Verwaltungsaktes wird auch nicht in unzumutbarer Weise belastet, wenn der vermutete Zugangstag ein Sonnabend, Sonntag oder Feiertag ist. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass anders als bei der Frist im engeren Sinne im Fall der Bekanntgabe kein Tätigwerden eines Beteiligten erwartet wird. Der Verschiebung des Fristendes von einem Sonnabend, Sonntag oder Feiertag auf den nächsten Werktag liegt in erster Linie die Überlegung zugrunde, dass die Abgabe einer Erklärung bzw die Vornahme einer Handlung an diesen Tagen typischerweise Schwierigkeiten bereitet. Dem Adressaten eines Verwaltungsaktes wird durch die Zugangsfiktion aber nicht zugemutet, eine ihm obliegende Handlung an einem arbeitsfreien Tag zu bewirken (vgl Loytved aaO; zu § 41 VwVfG vgl OVG NW, NVwZ 2001, 1171, 1172). Für den Postlauf wurde ein relativ großzügiger Zeitraum angesetzt. Zu den Feiertagen Ostern, Pfingsten und Weihnachten mögen sich in Verbindung mit Wochenendtagen problematische Konstellationen ergeben können (vgl Recht aaO, K § 37 RdNr 16), diese sind jedoch hinreichend dadurch berücksichtigt, dass die Zugangsfiktion gemäß § 37 Abs 2 Satz 2 SGB X dann nicht gilt, wenn der Verwaltungsakt zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist(vgl LSG Saarland, Urteil vom 27.4.2007 - L 7 R 52/06 -: Bekanntgabe am Karsamstag). Durch die Ausnahmeregelung ist sichergestellt, dass dem Adressaten keine Nachteile entstehen, wenn die Bekanntgabe entgegen der Fiktion tatsächlich erst später erfolgt, zumal im Zweifel die Behörde den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen hat. Es ist daher im Fall einer vermuteten Bekanntgabe an einem Sonnabend, Sonntag oder Feiertag auch keine Verkürzung der Handlungsfrist des Beteiligten zu besorgen. Das LSG hat insofern zu Recht darauf hingewiesen, dass der Fall der Klägerin vielmehr zeigt, dass die gesetzliche Vermutung infolge kürzerer Postlaufzeiten häufig zu einer Verlängerung der Frist im Vergleich zu anderen Zustellungsarten führt, weil ein tatsächlicher früherer Zugang nicht berücksichtigt wird (vgl BSGE 5, 53, 56; Loytved, aaO, 254; zu § 41 VwVfG OVG Nds, NVwZ-RR 2007, 78).

15

Der Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des BFH zu § 122 Abs 2 Nr 1 AO ab(BFHE 203, 26 ff; seither stRspr; kritisch Jäger, jurisPR-SteuerR 12/2006 Anm 1), wonach jedenfalls eine entsprechende Anwendung von § 108 Abs 3 AO, der den Ablauf einer Frist auf den nächstfolgenden Werktag vorsieht, wenn das Ende einer Frist sonst auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, für geboten erachtet wird. Der BFH hat in seiner Entscheidung auf die von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Erschütterung der Zugangsvermutung abgestellt (vgl für das Sozialverwaltungsverfahren BSG SozR 4-2600 § 115 Nr 2 RdNr 20 ff; Engelmann aaO RdNr 13) sowie auf die besondere Situation im Steuerrecht mit der dort üblichen Vertretung durch Bevollmächtigte steuerberatender Berufe, die ihre Postfächer an Sonnabenden generell nicht leerten. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es den Zweck der Zugangsvermutung herangezogen, für das steuerrechtliche Massenverfahren eine wenig verwaltungsaufwändige, praktikable, möglichst rechtssichere und möglichst streitvermeidende Form der Bekanntgabe von Verwaltungsakten zu eröffnen. Es würden eine Reihe von Problemen vermieden, mit denen die Rechtsprechung wiederholt befasst worden sei und die für die Beteiligten sachlich nicht erforderliche Zugangsschranken für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes bildeten. Diese Argumentation ist auf das Sozialrecht bereits deshalb nicht übertragbar, weil dort jedenfalls eine Bevollmächtigung der Sozialleistungsempfänger - etwa durch Rechtsanwälte - schon im Verwaltungsverfahren nicht die Regel ist (vgl BSG Urteil vom 9.12.2008 - B 8/9b SO 13/07 R - RdNr 12). Dass insofern im Steuerrecht in weitaus größerem Umfang als im Sozialrecht Streitfragen mit spezifisch berufsrechtlicher Fragestellung auftauchen, zeigen die vom BFH in Bezug genommenen zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen zu diesem Thema, die sämtlich Fälle der Vertretung durch einen Bevollmächtigten betreffen (BFHE 203, 26, 31).

16

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist nach § 67 SGG kommt nicht in Betracht. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Ein etwaiger Rechtsirrtum ihres Bevollmächtigten ist ihr als Verschulden zuzurechnen. Selbst wenn einzelne Sozialversicherungsträger eine abweichende Praxis haben, durfte der Bevollmächtigte sich hierauf nicht verlassen.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.

(2) Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist. Die Widerspruchsschrift ist unverzüglich der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzuleiten, der sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen hat. Im übrigen gelten die §§ 66 und 67 entsprechend.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.

(2) Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist. Die Widerspruchsschrift ist unverzüglich der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzuleiten, der sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen hat. Im übrigen gelten die §§ 66 und 67 entsprechend.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 67 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.

(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.

(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.

(2) Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist. Die Widerspruchsschrift ist unverzüglich der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzuleiten, der sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen hat. Im übrigen gelten die §§ 66 und 67 entsprechend.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. September 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

 
Streitig ist, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II/Sozialgeld für den Monat Juni 2005 zu Recht (teilweise) aufgehoben und erbrachte Leistungen zurückgefordert hat.
Der 1974 geborene Kläger Nr. 1 und die 1973 geborene Klägerin Nr. 2 sind die Eltern der 2002 geborenen Klägerin Nr. 3. Bis Ende 2005 wohnten die Kläger in einer 55,27 m2 großen Wohnung in K. Die Grundmiete für diese Wohnung betrug im Jahr 2005 monatlich 233,80 EUR. Die Klägerin Nr. 2 erhielt für ihre Tochter (Klägerin Nr. 3) Landeserziehungsgeld in Höhe von monatlich 205,- EUR für die Zeit vom 25. bis zum 36. Lebensmonat des Kindes (Bescheid der L-Bank vom 04.04.2003).
Auf einen im September 2004 gestellten Antrag erhielten die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.04.2005. Am 18.04.2005 beantragten sie bei der Beklagten die Fortzahlung dieser Leistungen. Diesem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid vom 19.04.2005 statt. Sie bewilligte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005 in Höhe von monatlich 928,94 EUR. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt: Der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.157,46 EUR setzt sich zusammen aus je 311,- EUR an Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für erwerbsfähige Hilfebedürftige für den Kläger Nr. 1 und die Klägerin Nr. 2, Sozialgeld für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige in Höhe von 207,- EUR für die Klägerin Nr. 3 und einem Betrag von 328,46 EUR als Kosten der Unterkunft und Heizung für die gesamte Bedarfsgemeinschaft. Von den Geldleistungen der Agentur für Arbeit (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld) wird ein Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft von 228,52 EUR (anrechenbares Erwerbseinkommen des Klägers Nr. 1 in Höhe von monatlich 74,52 EUR und Kindergeld für die Klägerin Nr. 3 in Höhe von 154,- EUR) in Abzug gebracht. Dies ergibt für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung einen Bedarf von 600,48 EUR und zusammen mit den Kosten für Unterkunft und Heizung von monatlich 328,94 EUR den Zahlbetrag von 928,94 EUR.
Nach dem Ende des Erziehungsurlaubs nahm die Klägerin Nr. 2 am 06.06.2005 wieder ihre frühere Tätigkeit im öffentlichen Dienst (BAT 6B) auf. Aus dieser Tätigkeit erzielte sie im Juni 2005 nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen und ohne Berücksichtigung von Kindergeld eine Vergütung in Höhe von 1.118,81 EUR. Die Gehaltszahlung erfolgte durch Überweisung auf das Konto der Klägerin. Die Gutschrift des überwiesenen Betrages erfolgte am 29. oder 30.6.2005. Mit Bescheid vom 12.07.2005 hob die Beklagte die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 01.06.2005 auf mit der Begründung, aufgrund der nachgewiesenen Einkommensverhältnisse seien die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht mehr hilfebedürftig. Der Bescheid ist mit einfachem Brief zur Post gegeben worden; der Tag, an dem der Brief zur Post gegeben worden ist, ist in den Akten nicht festgehalten.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Nr. 1 am 16.08.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, er sei nicht damit einverstanden, dass die Leistungen für den Monat Juni 2005 zurück verlangt würden. Seine Ehefrau habe nach dem dreijährigen Erziehungsurlaub am 06.06.2005 wieder angefangen zu arbeiten. Ihr Gehalt sei ihr am Ende des Monats ausbezahlt worden. Bis dahin hätten sie keine Einkünfte gehabt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2005 gab die Beklagte dem Widerspruch teilweise statt: Der Bescheid vom 12.07.2005 werde insoweit aufgehoben, als eine Erstattungsforderung in Höhe von mehr als 759,92 EUR festgestellt worden sei. Die Erstattungspflicht werde auf insgesamt 759,92 EUR festgestellt. Dieser Betrag teile sich in drei Einzelforderungen auf: Auf den Kläger Nr. 1 entfalle ein Betrag von 289,62 EUR, auf die Klägerin Nr. 2 ein Betrag von 364,15 EUR und die Klägerin Nr. 3 ein Betrag von 106,15 EUR. Diese drei Personen seien Einzelschuldner. Im Übrigen werde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Die Beklagte führte im Widerspruchsbescheid u.a. aus, der Widerspruch sei zulässig, jedoch nur zum Teil begründet. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ab Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn und soweit nach Erlass des Verwaltungsakts Einkommen erzielt werde, das zum Wegfall des Anspruchs führe. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse sei der Beginn des Anrechnungszeitraums maßgebend. Die Beklagte sehe den 01.06.2005 als den Zeitpunkt an, zu dem sich die Verhältnisse geändert haben. Sie stütze sich dabei auf § 2 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung (Alg II-V). Nach dieser Bestimmung seien laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Ausgehend von dieser „tagesexakten" Betrachtung sei die Zahlung des ersten Lohnes (Gutschrift Ende Juni 2005) im Monat Juni 2005 als Einkommen zu berücksichtigen mit der Folge, dass ab 01.06.2005 wirtschaftliche Bedürftigkeit zu verneinen sei. Nach § 50 Abs. 1 SGB X seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Abweichend hiervon sehe § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II allerdings vor, dass ein Teilbetrag in Höhe von 56 v. H. der bei der Leistungsgewährung berücksichtigten Kosten der Unterkunft (ohne Heizkosten) nicht der Erstattungspflicht unterlägen. Im Falle der Kläger seien Kosten der Unterkunft (ohne Heizkosten) in Höhe von monatlich 301,80 EUR anerkannt. Ein Teilbetrag in Höhe von 56 v.H. hiervon ( = 169,- EUR) unterliege daher nicht der Rückforderung. Daher mindere sich die Erstattungsforderung um diesen Betrag auf 759,92 EUR.
Am 05.09.2005 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie haben vorgetragen, im angefochtenen Widerspruchsbescheid werde die Sachlage hinreichend und korrekt dargestellt. Allerdings entspreche die dort erläuterte „tagesexakte" Betrachtung nicht den realen Lebensverhältnissen. Wenn einem Arbeitnehmer am 29. oder 30. eines Monats Arbeitseinkommen für diesen Monat zufließe, dann stehe dieser Verdienst tatsächlich erst ab diesem Zufluss zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung. Die zum Monatsende noch vorhandene Summe werde dann im Folgemonat als Vermögen angesehen. Diese Sicht kollidiere mit der in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) betonten Haltung, wonach nur so genannte „bereite Mittel" als Einkommen berücksichtigt werden dürften. Wenn Arbeitseinkommen erst ganz am Ende eines Monats tatsächlich zufließe, so bedeute dies, dass für die Zeit vom Monatsersten bis zum Zuflusstag keine „bereiten Mittel" zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stünden. Sachgerecht sei alleine die Zurechnung solcher Einkünfte für den unmittelbar anschließenden Folgemonat. In ihrem Fall bedeute dies, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid nicht ab 01.06.2005, sondern erst ab 01.07.2005 aufzuheben gewesen wäre.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, hat allerdings ausgeführt, sie teile die Ansicht der Kläger, soweit diese die sich aus § 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V ergebende Rechtsfolge als lebensfremd kritisierten. Dies gelte zumindest für die Fälle, in denen - wie hier - der Zufluss eines Einkommens kurz vor dem Monatswechsel erfolge und die entsprechende Einkommenszurechnung dann für den weitgehend verstrichenen Zuflussmonat erfolgen solle. Der Zwang zur „tagesexakten" Zurechnung der Einkünfte ergebe sich im Übrigen auch aus § 23 Abs. 4 SGB II. Danach sei eine Leistungsgewährung als Darlehen möglich, wenn zu erwarten sei, dass später im Verlauf des Leistungsmonats Einnahmen anfallen werden. Die grundsätzliche Zuflussproblematik werde dadurch aber nicht gelöst. In vielen Fällen fließe einem Arbeitnehmer der Monatslohn erst gegen Ende des betreffenden Monats tatsächlich zu. Dies gelte nicht nur für neu begonnene, sondern auch für schon länger bestehende Arbeitsverhältnisse. Müssten dann jeden Monat vom Monatsersten bis zum Zuflusstag darlehensweise Leistungen gewährt werden, würde die Leistungsgewährung niemals enden.
10 
Mit Urteil vom 29.09.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es u.a. dargelegt, es teile die Bedenken der Beteiligten gegen die in § 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V vorgeschriebene Betrachtungsweise nicht. Diese Regelung entspreche der Rechtsprechung des BVerwG seit 1999 zu den Vorschriften über die Einkommensanrechnung nach § 76 Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
11 
Am 19.10.2005 haben die Kläger Berufung eingelegt. Auf ihr Vorbringen im Schreiben vom 11.10.2005 wird Bezug genommen.
12 
Die Kläger beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. September 2005 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2005 abzuändern, soweit damit der Bewilligungsbescheid vom 19. April 2005 für den Zeitraum vom 1. bis 30. Juni 2005 aufgehoben wurde, hilfsweise die Revision zuzulassen.
13 
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Kläger zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
14 
Die Beklagte verweist im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen.
15 
Die Beteiligten habe sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
16 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig.
18 
Nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung nicht der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 EUR übersteigt. Dies ist hier der Fall. Die Kläger wenden sich ausdrücklich nur gegen die (teilweise) Aufhebung und Rückforderung der für den Monat Juni 2005 gezahlten Leistungen. Soweit mit dem Bescheid vom 12.07.2005 die Leistungen (auch) ab dem 01.07.2006 entzogen wurden, ist der Bescheid nicht angefochten und daher insoweit bestandskräftig geworden. Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt damit 759,92 EUR. Vorliegend wenden sich die Kläger zwar gegen eine Aufhebung und Rückforderung, die für jeden Kläger niedriger als 500,- EUR ist. Die Kläger bilden aber eine gemäß § 74 SGG i.V.m. §§ 59, 60 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Streitgenossenschaft (subjektive Klagehäufung), weil sie mit dem angefochtenen Bescheid aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund verpflichtet werden. Bei Streitgenossen erfolgt nach § 202 SGG i.V.m. § 5 Hs.1 ZPO eine Zusammenrechnung mehrerer geltend gemachter Ansprüche, soweit die Ansprüche nicht identisch sind (BGH 28.10.1980 NJW 1981, 578; Bernsdorff in Hennig, SGG, § 144 Rn 23).
19 
Richtige Beklagte und Berufungsklägerin ist die Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit und der Stadt Karlsruhe (ARGE). Nach § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II errichten die Träger der Leistungen nach dem SGB II durch privatrechtliche oder öffentlich--rechtliche Verträge Arbeitsgemeinschaften in den nach § 9 Abs. 1a SGB III eingerichteten Job-Centern. Die Arbeitsgemeinschaften sind berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen (§ 44b Abs. 3 Satz 3 SGB II); sie werden außergerichtlich und gerichtlich durch den Geschäftsführer vertreten (§ 44b Abs. 2 Satz 2 SGB II). Damit sind sie nach Auffassung des Senats Behörden i.S.d. § 1 Abs. 2 SGB X in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Dem steht nicht entgegen, dass sie auf vertraglicher Grundlage errichtet werden (aA Quaas, Die Arbeitsgemeinschaft nach dem neuen SGB II: Ungelöste Rechtsfragen zur Rechtsnatur der Einrichtung, SGb 2004, 723, 726). Denn die Rechtsfähigkeit der Arbeitsgemeinschaft beruht nicht auf dem Vertrag, mit dem sie errichtet wird, sondern auf der gesetzlichen Regelung in § 44b SGB II. Da die Gründungsvereinbarung nur als öffentlich-rechtliche Vereinbarung gewertet werden kann (vgl. Quaas aaO S. 727), handelt es sich bei einer nach § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaft, jedenfalls soweit sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben zum Erlass von Verwaltungsakten berechtigt ist, um eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Zwar sieht die gesetzliche Regelung in § 44b SGB II die rechtsfähige Anstalt als Rechtsform für die Arbeitsgemeinschaft nicht ausdrücklich vor, doch kommt es darauf nicht an (aA Strobel, Die Rechtsform der Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II, NVwZ 2004, 1195, 1196). Entscheidend ist, dass die Verleihung der Rechtsfähigkeit durch staatlichen Hoheitsakt erfolgt. Dies ist hier der Fall. § 44b SGB II enthält die Ermächtigung zur Gründung einer eigenständigen Organisation (Anstalt), die - soweit die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten reicht - Träger von Rechten und Pflichten sein kann, und damit zumindest Teilrechtsfähigkeit besitzt.
20 
Die Berufung der Kläger ist aber unbegründet.
21 
Der Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2005 ist auch, soweit damit der Bewilligungsbescheid vom 19. April 2005 für den Zeitraum vom 1. bis 30. Juni 2005 aufgehoben wurde, rechtmäßig. Die Hilfebedürftigkeit der Kläger in diesem Monat ist durch die Überweisung des Lohnes für den Monat Juni 2005 an die Klägerin Nr. 2 am 29. oder 30.06.2005 entfallen.
22 
Der Bescheid vom 12.07.2005 ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
23 
Zwar ist eine Anhörung der Kläger vor Erlass des Bescheides unterblieben. Dies führt hier aber nicht zu einer Rechtswidrigkeit des Bescheides. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte von einer Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 SGB X hätte absehen können. Selbst wenn von einer Verletzung der Anhörungspflicht ausgegangen werden müsste, wäre dieser Fehler unbeachtlich, da die Anhörung im Widerspruchsverfahren wirksam nachgeholt worden ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Im vorliegenden Fall genügt hierfür die Durchführung des Widerspruchsverfahrens, da die Beklagte im Bescheid vom 12.07.2005 die für die Entscheidung maßgebenden Tatsachen angegeben und den Widerspruch sachlich (inhaltlich) beschieden hat (vgl. BSG 24.03.1994 - 5 RJ 22/93 - ).
24 
Der Bescheid vom 12.07.2005 ist auch nicht in vollem Umfang bestandskräftig geworden. Zwar haben die Kläger erst am 16.08.2005 und damit möglicherweise nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) Widerspruch eingelegt, doch hat die Beklagte den Widerspruch ausdrücklich als zulässig betrachtet und in der Sache entschieden. Damit hat sie sich in nach Ansicht des Senats rechtlich zulässiger Weise über eine möglicherweise bestehende Verfristung hinweg gesetzt und den Klägern im Umfang der im Widerspruchsbescheid getroffenen Regelung den Rechtsweg (wieder) eröffnet. Im Übrigen dürfte die dem Bescheid vom 12.07.2005 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig erteilt worden sein, weil darin nur ausgeführt ist, dass der Widerspruch „bei der oben genannten Stelle" einzulegen sei, es aber nicht ohne weiteres erkennbar ist, welche Stelle dies ist (§ 36 SGB X). Im Briefkopf ist das Jobcenter Stadt Karlsruhe als entscheidende Stelle erkennbar, im Text wird aber auch darauf hingewiesen, dass Zahlungen an die Regionaldirektion Baden-Württemberg zu leisten sind. Es ist daher nicht eindeutig, welches die „oben genannte Stelle" ist. Damit würde die Frist zur Einlegung des Widerspruchs ohnehin ein Jahr betragen (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG).
25 
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt muss nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. mit dem über § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II anwendbaren § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X).
26 
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der auf der Grundlage von § 13 SGB II ergangenen Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V) vom 20.10.2004 (BGBl I S. 2622) in der hier noch anzuwendenden bis 30.09.2005 geltenden Fassung sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass das am 29. oder 30.06.2005 ausbezahlte Gehalt für den Monat Juni 2005 als Einkommen für die Zeit vom 01.06. bis 30.6.2005 anzurechnen ist. Die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V wird von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 SGB II gedeckt und steht mit höherrangigem Recht im Einklang; sie entspricht im Übrigen auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) zur Einkommensanrechnung bei der Arbeitslosenhilfe (Alhi) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Einkommensanrechnung bei der Sozialhilfe.
27 
Das BSG hat für den Anspruch auf Alhi ausgesprochen, dass jede Leistung in Geld oder Geldeswert in dem Zahlungszeitraum der Alhi, in dem sie dem Arbeitslosen zufließt, Einkommen im Sinne der Vorschriften über die Alhi ist, während der am Ende des Zeitraums nicht verbrauchte Teil zum Vermögen wird. Diese begriffliche Unterscheidung hat lediglich im Hinblick auf die Nachrangigkeit von Alhi gegenüber anderweitigen Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten, für während des Leistungsbezugs wiederkehrende Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Vermietung oder Verpachtung sowie Kapitalvermögen Einschränkungen und Präzisierungen erfahren (BSG 09.08.2001 - B 11 AL 15/01 R - SozR 3-4300 § 193 Nr. 3 = BSGE 88, 258 Rn 19). Das BVerwG hat ebenfalls - wie das SG zutreffend dargelegt hat - bei der Berechnung von Sozialhilfe entschieden, dass alles das, was jemand im Bedarfszeitraum erhält als Einkommen auf den sozialhilferechtlichen Bedarf anzurechnen ist, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt das Einkommen innerhalb des Bedarfszeitraums tatsächlich zufließt (BVerwG 22.04.2004 - 5 C 68/03 - NJW 2004, 2608f).
28 
Der Einwand der Kläger, dass für die Zeit vom Monatsersten bis zum Zuflusstag keine „bereiten Mittel" zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stünden, wenn Arbeitseinkommen erst ganz am Ende eines Monats tatsächlich zufließe, rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Der Umstand, dass Einkommen, das im Bedarfszeitraum zu einem späteren Zeitpunkt zufließt, bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Bedarfsdeckung zur Verfügung steht, berührt nicht die Anrechnung als Einkommen, sondern betrifft allein die Frage, inwieweit trotz des anzurechnenden Einkommens zur Überbrückung vorübergehend Leistungen zu gewähren sind (vgl. BVerwG aaO). Für einen solchen Sachverhalt sieht § 23 Abs. 4 SGB II vor, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden können, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Die Regelung in § 23 Abs. 4 SGB II soll gerade die Fälle erfassen, in denen - wie hier - im Voraus bekannt ist, dass die Hilfebedürftigkeit wegen späteren Einkommenszuflusses für den Monat ausgeschlossen oder vermindert werden wird (BT-Drucks. 15/2997 S. 24 zu Nr. 12a). Zu einer nachträglichen Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Monat Juni 2005 und damit zu dem von den Klägern beklagten erhöhten Verwaltungsaufwand ist es ohnehin nur deshalb gekommen, weil die Klägerin Nr. 2 der Beklagten nicht frühzeitig mitgeteilt hat, dass sie im Juni 2005 wieder ihre frühere Tätigkeit aufnimmt. Hätte sie dies der Beklagten vorher mitgeteilt, hätte diese die Leistung für diesen Monat von vorneherein nur als Darlehen bewilligen können.
29 
Der Hinweis der Beklagten auf die im ursprünglichen Entwurf der Alg II-V vorgesehene Regelung in § 2 Abs. 2, wonach laufende Einnahmen, die in den letzten fünf Kalendertagen eines Monats zufließen, dem Folgemonat zuzurechnen sind, bestätigt die vom SG und vom Senat vertretene Auslegung der geltenden Alg II-V. Denn § 2 Abs. 2 Alg II-V ist gerade nicht in der im Entwurf ursprünglich vorgesehenen Form in Kraft getreten. Auch bei der durch Verordnung vom 22.08.2005 (BGBl. I S. 2499) erfolgten Änderung des § 2 Alg II-V ist die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V unverändert geblieben.
30 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
31 
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor, da sich eine Antwort auf die von den Beteiligten aufgeworfene Rechtsfrage zur Anrechnung laufender Einnahmen bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Verordnung ergibt.

Gründe

 
17 
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig.
18 
Nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung nicht der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 EUR übersteigt. Dies ist hier der Fall. Die Kläger wenden sich ausdrücklich nur gegen die (teilweise) Aufhebung und Rückforderung der für den Monat Juni 2005 gezahlten Leistungen. Soweit mit dem Bescheid vom 12.07.2005 die Leistungen (auch) ab dem 01.07.2006 entzogen wurden, ist der Bescheid nicht angefochten und daher insoweit bestandskräftig geworden. Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt damit 759,92 EUR. Vorliegend wenden sich die Kläger zwar gegen eine Aufhebung und Rückforderung, die für jeden Kläger niedriger als 500,- EUR ist. Die Kläger bilden aber eine gemäß § 74 SGG i.V.m. §§ 59, 60 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Streitgenossenschaft (subjektive Klagehäufung), weil sie mit dem angefochtenen Bescheid aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund verpflichtet werden. Bei Streitgenossen erfolgt nach § 202 SGG i.V.m. § 5 Hs.1 ZPO eine Zusammenrechnung mehrerer geltend gemachter Ansprüche, soweit die Ansprüche nicht identisch sind (BGH 28.10.1980 NJW 1981, 578; Bernsdorff in Hennig, SGG, § 144 Rn 23).
19 
Richtige Beklagte und Berufungsklägerin ist die Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit und der Stadt Karlsruhe (ARGE). Nach § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II errichten die Träger der Leistungen nach dem SGB II durch privatrechtliche oder öffentlich--rechtliche Verträge Arbeitsgemeinschaften in den nach § 9 Abs. 1a SGB III eingerichteten Job-Centern. Die Arbeitsgemeinschaften sind berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen (§ 44b Abs. 3 Satz 3 SGB II); sie werden außergerichtlich und gerichtlich durch den Geschäftsführer vertreten (§ 44b Abs. 2 Satz 2 SGB II). Damit sind sie nach Auffassung des Senats Behörden i.S.d. § 1 Abs. 2 SGB X in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Dem steht nicht entgegen, dass sie auf vertraglicher Grundlage errichtet werden (aA Quaas, Die Arbeitsgemeinschaft nach dem neuen SGB II: Ungelöste Rechtsfragen zur Rechtsnatur der Einrichtung, SGb 2004, 723, 726). Denn die Rechtsfähigkeit der Arbeitsgemeinschaft beruht nicht auf dem Vertrag, mit dem sie errichtet wird, sondern auf der gesetzlichen Regelung in § 44b SGB II. Da die Gründungsvereinbarung nur als öffentlich-rechtliche Vereinbarung gewertet werden kann (vgl. Quaas aaO S. 727), handelt es sich bei einer nach § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaft, jedenfalls soweit sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben zum Erlass von Verwaltungsakten berechtigt ist, um eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Zwar sieht die gesetzliche Regelung in § 44b SGB II die rechtsfähige Anstalt als Rechtsform für die Arbeitsgemeinschaft nicht ausdrücklich vor, doch kommt es darauf nicht an (aA Strobel, Die Rechtsform der Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II, NVwZ 2004, 1195, 1196). Entscheidend ist, dass die Verleihung der Rechtsfähigkeit durch staatlichen Hoheitsakt erfolgt. Dies ist hier der Fall. § 44b SGB II enthält die Ermächtigung zur Gründung einer eigenständigen Organisation (Anstalt), die - soweit die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten reicht - Träger von Rechten und Pflichten sein kann, und damit zumindest Teilrechtsfähigkeit besitzt.
20 
Die Berufung der Kläger ist aber unbegründet.
21 
Der Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2005 ist auch, soweit damit der Bewilligungsbescheid vom 19. April 2005 für den Zeitraum vom 1. bis 30. Juni 2005 aufgehoben wurde, rechtmäßig. Die Hilfebedürftigkeit der Kläger in diesem Monat ist durch die Überweisung des Lohnes für den Monat Juni 2005 an die Klägerin Nr. 2 am 29. oder 30.06.2005 entfallen.
22 
Der Bescheid vom 12.07.2005 ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
23 
Zwar ist eine Anhörung der Kläger vor Erlass des Bescheides unterblieben. Dies führt hier aber nicht zu einer Rechtswidrigkeit des Bescheides. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte von einer Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 SGB X hätte absehen können. Selbst wenn von einer Verletzung der Anhörungspflicht ausgegangen werden müsste, wäre dieser Fehler unbeachtlich, da die Anhörung im Widerspruchsverfahren wirksam nachgeholt worden ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Im vorliegenden Fall genügt hierfür die Durchführung des Widerspruchsverfahrens, da die Beklagte im Bescheid vom 12.07.2005 die für die Entscheidung maßgebenden Tatsachen angegeben und den Widerspruch sachlich (inhaltlich) beschieden hat (vgl. BSG 24.03.1994 - 5 RJ 22/93 - ).
24 
Der Bescheid vom 12.07.2005 ist auch nicht in vollem Umfang bestandskräftig geworden. Zwar haben die Kläger erst am 16.08.2005 und damit möglicherweise nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) Widerspruch eingelegt, doch hat die Beklagte den Widerspruch ausdrücklich als zulässig betrachtet und in der Sache entschieden. Damit hat sie sich in nach Ansicht des Senats rechtlich zulässiger Weise über eine möglicherweise bestehende Verfristung hinweg gesetzt und den Klägern im Umfang der im Widerspruchsbescheid getroffenen Regelung den Rechtsweg (wieder) eröffnet. Im Übrigen dürfte die dem Bescheid vom 12.07.2005 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig erteilt worden sein, weil darin nur ausgeführt ist, dass der Widerspruch „bei der oben genannten Stelle" einzulegen sei, es aber nicht ohne weiteres erkennbar ist, welche Stelle dies ist (§ 36 SGB X). Im Briefkopf ist das Jobcenter Stadt Karlsruhe als entscheidende Stelle erkennbar, im Text wird aber auch darauf hingewiesen, dass Zahlungen an die Regionaldirektion Baden-Württemberg zu leisten sind. Es ist daher nicht eindeutig, welches die „oben genannte Stelle" ist. Damit würde die Frist zur Einlegung des Widerspruchs ohnehin ein Jahr betragen (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG).
25 
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt muss nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. mit dem über § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II anwendbaren § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X).
26 
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der auf der Grundlage von § 13 SGB II ergangenen Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V) vom 20.10.2004 (BGBl I S. 2622) in der hier noch anzuwendenden bis 30.09.2005 geltenden Fassung sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass das am 29. oder 30.06.2005 ausbezahlte Gehalt für den Monat Juni 2005 als Einkommen für die Zeit vom 01.06. bis 30.6.2005 anzurechnen ist. Die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V wird von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 SGB II gedeckt und steht mit höherrangigem Recht im Einklang; sie entspricht im Übrigen auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) zur Einkommensanrechnung bei der Arbeitslosenhilfe (Alhi) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Einkommensanrechnung bei der Sozialhilfe.
27 
Das BSG hat für den Anspruch auf Alhi ausgesprochen, dass jede Leistung in Geld oder Geldeswert in dem Zahlungszeitraum der Alhi, in dem sie dem Arbeitslosen zufließt, Einkommen im Sinne der Vorschriften über die Alhi ist, während der am Ende des Zeitraums nicht verbrauchte Teil zum Vermögen wird. Diese begriffliche Unterscheidung hat lediglich im Hinblick auf die Nachrangigkeit von Alhi gegenüber anderweitigen Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten, für während des Leistungsbezugs wiederkehrende Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Vermietung oder Verpachtung sowie Kapitalvermögen Einschränkungen und Präzisierungen erfahren (BSG 09.08.2001 - B 11 AL 15/01 R - SozR 3-4300 § 193 Nr. 3 = BSGE 88, 258 Rn 19). Das BVerwG hat ebenfalls - wie das SG zutreffend dargelegt hat - bei der Berechnung von Sozialhilfe entschieden, dass alles das, was jemand im Bedarfszeitraum erhält als Einkommen auf den sozialhilferechtlichen Bedarf anzurechnen ist, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt das Einkommen innerhalb des Bedarfszeitraums tatsächlich zufließt (BVerwG 22.04.2004 - 5 C 68/03 - NJW 2004, 2608f).
28 
Der Einwand der Kläger, dass für die Zeit vom Monatsersten bis zum Zuflusstag keine „bereiten Mittel" zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stünden, wenn Arbeitseinkommen erst ganz am Ende eines Monats tatsächlich zufließe, rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Der Umstand, dass Einkommen, das im Bedarfszeitraum zu einem späteren Zeitpunkt zufließt, bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Bedarfsdeckung zur Verfügung steht, berührt nicht die Anrechnung als Einkommen, sondern betrifft allein die Frage, inwieweit trotz des anzurechnenden Einkommens zur Überbrückung vorübergehend Leistungen zu gewähren sind (vgl. BVerwG aaO). Für einen solchen Sachverhalt sieht § 23 Abs. 4 SGB II vor, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden können, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Die Regelung in § 23 Abs. 4 SGB II soll gerade die Fälle erfassen, in denen - wie hier - im Voraus bekannt ist, dass die Hilfebedürftigkeit wegen späteren Einkommenszuflusses für den Monat ausgeschlossen oder vermindert werden wird (BT-Drucks. 15/2997 S. 24 zu Nr. 12a). Zu einer nachträglichen Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Monat Juni 2005 und damit zu dem von den Klägern beklagten erhöhten Verwaltungsaufwand ist es ohnehin nur deshalb gekommen, weil die Klägerin Nr. 2 der Beklagten nicht frühzeitig mitgeteilt hat, dass sie im Juni 2005 wieder ihre frühere Tätigkeit aufnimmt. Hätte sie dies der Beklagten vorher mitgeteilt, hätte diese die Leistung für diesen Monat von vorneherein nur als Darlehen bewilligen können.
29 
Der Hinweis der Beklagten auf die im ursprünglichen Entwurf der Alg II-V vorgesehene Regelung in § 2 Abs. 2, wonach laufende Einnahmen, die in den letzten fünf Kalendertagen eines Monats zufließen, dem Folgemonat zuzurechnen sind, bestätigt die vom SG und vom Senat vertretene Auslegung der geltenden Alg II-V. Denn § 2 Abs. 2 Alg II-V ist gerade nicht in der im Entwurf ursprünglich vorgesehenen Form in Kraft getreten. Auch bei der durch Verordnung vom 22.08.2005 (BGBl. I S. 2499) erfolgten Änderung des § 2 Alg II-V ist die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V unverändert geblieben.
30 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
31 
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor, da sich eine Antwort auf die von den Beteiligten aufgeworfene Rechtsfrage zur Anrechnung laufender Einnahmen bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Verordnung ergibt.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Wird der Widerspruch für begründet erachtet, so ist ihm abzuhelfen.

(2) Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, so erläßt den Widerspruchsbescheid

1.
die nächsthöhere Behörde oder, wenn diese eine oberste Bundes- oder eine oberste Landesbehörde ist, die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat,
2.
in Angelegenheiten der Sozialversicherung die von der Vertreterversammlung bestimmte Stelle,
3.
in Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit mit Ausnahme der Angelegenheiten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch die von dem Vorstand bestimmte Stelle,
4.
in Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung die Selbstverwaltungsbehörde, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird.
Abweichend von Satz 1 Nr. 1 ist in Angelegenheiten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und, soweit Landesrecht nichts Abweichendes vorsieht, in Angelegenheiten nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch der zuständige Träger, der den dem Widerspruch zugrunde liegenden Verwaltungsakt erlassen hat, auch für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig; § 44b Abs. 1 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt. Vorschriften, nach denen im Vorverfahren Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten, bleiben unberührt. Die Ausschüsse oder Beiräte können abweichend von Satz 1 Nr. 1 auch bei der Behörde gebildet werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

(3) Der Widerspruchsbescheid ist schriftlich zu erlassen, zu begründen und den Beteiligten bekanntzugeben. Nimmt die Behörde eine Zustellung vor, gelten die §§ 2 bis 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes. § 5 Abs. 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes und § 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind auf die nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 als Bevollmächtigte zugelassenen Personen entsprechend anzuwenden. Die Beteiligten sind hierbei über die Zulässigkeit der Klage, die einzuhaltende Frist und den Sitz des zuständigen Gerichts zu belehren.

(4) Über ruhend gestellte Widersprüche kann durch eine öffentlich bekannt gegebene Allgemeinverfügung entschieden werden, wenn die den angefochtenen Verwaltungsakten zugrunde liegende Gesetzeslage durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt wurde, Widerspruchsbescheide gegenüber einer Vielzahl von Widerspruchsführern zur gleichen Zeit ergehen müssen und durch sie die Rechtsstellung der Betroffenen ausschließlich nach einem für alle identischen Maßstab verändert wird. Die öffentliche Bekanntgabe erfolgt durch Veröffentlichung der Entscheidung über den Internetauftritt der Behörde, im Bundesanzeiger und in mindestens drei überregional erscheinenden Tageszeitungen. Auf die öffentliche Bekanntgabe, den Ort ihrer Bekanntgabe sowie die Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 3 ist bereits in der Ruhensmitteilung hinzuweisen.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn

1.
ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder
2.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
3.
ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will.

(2) (weggefallen)

(3) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Die besonderen Leistungen sind anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, einschließlich Berufsvorbereitung, sowie der wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung zu erbringen, wenn

1.
Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an
a)
einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen oder
b)
einer sonstigen, auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ausgerichteten Maßnahme
unerlässlich machen oder
2.
die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen.
In besonderen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen können auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden.

(2) Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich werden von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder anderen Leistungsanbietern nach den §§ 57, 60, 61a und 62 des Neunten Buches erbracht.

(1) Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Ausbildungsgeld während

1.
einer Berufsausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung,
2.
einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches und
3.
einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches,
wenn Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann.

(2) Für das Ausbildungsgeld gelten die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

Tatbestand

1

Im Streit ist - nach einem Teilvergleich im Berufungsverfahren für die Zeit vom 1.10.2006 bis 31.5.2007 - (noch) ein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld (Alg) für den Monat September 2006.

2

Der im Jahre 1985 geborene ledige, kinderlose Kläger absolvierte vom 1.9.2004 bis 31.8.2006 eine außerbetriebliche Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) zum Hochbaufacharbeiter beim Bildungswerk B eV in G Am 30.5.2006 meldete er sich zum 1.9.2006 arbeitsuchend sowie arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte ihm die Leistung ab dem 1.9.2006 nach einem Bemessungsentgelt von 9,72 Euro (täglich), resultierend aus seiner während der Ausbildung erhaltenen Vergütung (bestandskräftiger Bescheid vom 21.9.2006). Ab 14.9.2006 befand sich der Kläger auf Kosten der Krankenkasse in stationärer Krankenhausbehandlung. Im Februar 2007 beantragte er erfolglos eine Überprüfung des bestandskräftigen Bescheids mit dem Ziel, höheres Alg unter fiktiver Bemessung nach § 132 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) zu erhalten(Bescheid vom 14.2.2007; Widerspruchsbescheid vom 4.4.2007).

3

Während die Klage erstinstanzlich keinen Erfolg hatte (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 14.9.2007), hat das Thüringer Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 21.9.2006 abzuändern und dem Kläger für die Zeit vom 1. bis 30.9.2006 Alg nach einem Bemessungsentgelt von 65,33 Euro (täglich) zu zahlen (Urteil vom 6.8.2008). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, das höhere Alg ergebe sich auf Grund fiktiver Bemessung des Arbeitsentgelts nach Maßgabe des § 132 SGB III für die Qualifikationsgruppe 3 (abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf) unter Berücksichtigung des Ausgangswerts der Bezugsgröße. Die vom Kläger bezogene Vergütung während der Ausbildung sei kein Arbeitsentgelt im Sinne des Bemessungsrechts für das Alg, sodass der Kläger keinen Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens aufweisen könne. Es sei nach der Regelung des § 132 SGB III für die fiktive Bemessung nicht von der niedrigeren Bezugsgröße-Ost, sondern der Bezugsgröße-West auszugehen, weil sich der Kläger für Beschäftigungen im gesamten Bundesgebiet zur Verfügung gestellt habe.

4

Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, die außerbetriebliche Ausbildung des Klägers sei versicherungspflichtig gewesen, sodass auch bei der Berechnung des Alg von der Höhe der erzielten Vergütung auszugehen sei. Eine fiktive Bemessung des Alg scheide deshalb aus.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Der Kläger hat einen Anspruch auf Alg unter Korrektur des bestandskräftigen Bescheids vom 21.9.2006.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 14.2.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.4.2007 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die teilweise Rücknahme des bestandskräftigen Alg-Bewilligungsbescheids abgelehnt hat. Richtige Klageart ist eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr 16 f mwN zur Rechtsprechung, Stand Mai 2006; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 330 RdNr 12a, Stand August 2007; aA zu Unrecht in einem obiter dictum BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 18 RdNr 9; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap IV RdNr 76, Ulmer in Hennig SGG, Stand 2006, § 54 RdNr 106), auf die auch bei Anwendung des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ein Grundurteil(§ 130 Abs 1 SGG) ergehen kann (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2). Der missverständliche Tenor des LSG-Urteils war entsprechend zu korrigieren; gemeint hat das LSG eine Verurteilung zur höheren Leistung, wenn auch - unter zusätzlichem Hinweis - auf Grund eines höheren Bemessungsentgelts (vgl zu dieser Möglichkeit Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 130 RdNr 3 f); unzulässig wäre eine reine Elementenfeststellung. Ein Grundurteil ist auch möglich, wenn nur über die Höhe der Leistungen gestritten wird (Keller, aaO, RdNr 2d mwN).

10

Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht nicht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt; der Kläger hat für September 2006 einen Anspruch auf höheres als das bestandskräftig bewilligte Alg (nach einem Bemessungsentgelt von 65,33 Euro). Sein Anspruch auf dieses Alg richtet sich nach § 118 Abs 1 SGB III(idF, die die Norm durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - BGBl I 2848 - erhalten hat). Danach haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

11

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 118 Abs 1 Nr 3, §§ 123, 124 SGB III). Er stand gemäß § 25 Abs 1 Satz 2 SGB III(idF, die dieser durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 - BGBl I 3443 - gefunden hat) während seiner Ausbildung in einem Versicherungspflichtverhältnis. Nach dieser Vorschrift stehen Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrags nach dem BBiG in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden, den (versicherungspflichtigen) Beschäftigten zur Berufsausbildung iS des Satzes 1 gleich (vgl BSG, Urteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 4 RdNr 10). Der Kläger war bis zum 13.9.2006 auch arbeitslos iS von § 118 Abs 1 Nr 1, § 119 Abs 1 SGB III(letzterer in der Normfassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt); für die Zeit ab 14.9.2006, die Zeit des Krankenhausaufenthalts, besaß er einen Alg-Fortzahlungsanspruch nach § 126 SGB III.

12

Der Kläger war auch wirksam arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs 1 Nr 2 SGB III iVm § 122 Abs 1, letzterer ebenfalls in der Normfassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Danach hat sich der Arbeitslose persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden (Satz 1). Eine Meldung ist nach Satz 2 auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist. Aus dieser Regelung kann nicht geschlossen werden, dass eine Arbeitslosmeldung, die - wie vorliegend - bereits vor den in Satz 2 genannten letzten drei Monaten erfolgt ist, generell unwirksam wäre. Dies würde dem Sinn der Regelung des § 122 Abs 1 SGB III widersprechen.

13

Die Arbeitslosmeldung hat nämlich die Funktion, dem Vermittlungsvorrang (§ 4 Abs 1 SGB III) Rechnung zu tragen, also die Beklagte davon in Kenntnis zu setzen, dass Arbeitslosigkeit droht bzw eingetreten ist, damit die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit Aktivitäten dazu beitragen kann, den Leistungsfall zu verhindern oder ihn möglichst rasch zu beenden (BSG SozR 3-4300 § 122 Nr 1 S 3; vgl auch Lauer in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, Nomo-Komm SGB III, 3. Aufl 2008, § 122 RdNr 5; Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 122 RdNr 6, Stand August 2004). In der Gesetzesbegründung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (BT-Drucks 13/4941, S 176 zu § 122 Abs 1 und 3) heißt es insoweit zur früheren Zweimonatsfrist, die Regelung stelle klar, dass die Meldung - der bereits geübten zweckmäßigen Verwaltungspraxis entsprechend - bereits vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erfolgen könne, um eine möglichst nahtlose Leistungsgewährung zu ermöglichen. Mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde die Regelung später mit Wirkung ab 1.1.2004 dahin geändert, dass eine Meldung auch zulässig ist, wenn der Eintritt der Arbeitslosigkeit statt wie früher innerhalb der nächsten zwei Monate, innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten sei. Dies geschah ausdrücklich in Angleichung an die Regelung zur Verpflichtung einer frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung nach dem früheren § 37b SGB III(jetzt § 38 Abs 1 SGB III). Nähme man die Aussagen des Gesetzgebers in den Gesetzesbegründungen ernst, wäre ohnedies eine Arbeitslosmeldung schon mehr als drei Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit möglich; auch eine Arbeitsuchendmeldung war bereits vor den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses erforderlich (vgl zur Diskrepanz zwischen § 37b SGB III aF<= § 38 Abs 1 SGB III nF> auch Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 453i und in der BT-Drucks 13/4941 wird nur auf die Legalisierung früherer Verwaltungspraxis ohne konkrete Zeitangabe verwiesen). Es läge deshalb nahe, schon aus diesem Grund eine bereits vor den letzten drei der Arbeitslosigkeit vorausgehenden Monaten vorgenommene Arbeitslosmeldung in jedem Fall als wirksam anzusehen; dies widerspräche jedoch dem Gesetzeswortlaut.

14

Die Arbeitslosmeldung war vorliegend allerdings unter Berücksichtigung des weiteren Umstands wirksam, dass die Beklagte sie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG in Kenntnis ihrer "Frühzeitigkeit" entgegengenommen und akzeptiert hat. Sinn der Dreimonatsregelung des § 122 Abs 1 Satz 2 SGB III für die frühestmöglich zulässige Abgabe einer Arbeitslosmeldung ist wie bei § 37b SGB III aF bzw § 38 Abs 1 SGB III nF allein der Schutz der Beklagten davor, Vermittlungsbemühungen zu früh aufnehmen zu müssen. Akzeptiert aber die BA selbst eine frühzeitige Arbeitslosmeldung, so wäre es vor dem Hintergrund des Ziels einer "Job-to-Job-Vermittlung" geradezu sinnwidrig, dem Arbeitslosen nachträglich entgegenzuhalten, er habe sich zu früh arbeitslos gemeldet. Würde dies die BA vortragen, müsste ihr entgegen gehalten werden, ihr Verhalten sei wegen eines "venire contra factum proprium" treuwidrig. Dann aber ist die Annahme, die frühzeitige Arbeitslosmeldung sei unwirksam, auch dem Gericht verwehrt. Es kann dahinstehen, ob dies uneingeschränkt gelten kann; jedenfalls ist die Annahme einer wirksamen Arbeitslosmeldung gerechtfertigt, wenn der Alg-Empfänger sich zeitnah zur im Gesetz enthaltenen Dreimonatsgrenze mit Billigung der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat. Dies gilt umso mehr, als sich vorliegend der Kläger gleichzeitig arbeitsuchend gemeldet hat und ohnedies, wie oben ausgeführt, eine Harmonisierung beider Meldungen angestrebt worden war.

15

Zutreffend hat das LSG entschieden, dass der Kläger auf Grund der fiktiven Bemessung des § 132 SGB III(hier idF, die die Norm durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt erhalten hat) einen Anspruch auf höheres Alg hat, und zwar unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 65,33 Euro statt 9,72 Euro. Dem Kläger stand gemäß § 129 SGB III(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16.2.2001 - BGBl I 266 - erhalten hat) Alg nach dem allgemeinen Leistungssatz von 60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) zu, das sich aus dem Bemessungsentgelt ergibt. Leistungsentgelt ist insoweit nach § 133 Abs 1 SGB III(idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004 - BGBl I 2902) das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Das Bemessungsentgelt selbst ist nach § 131 SGB III(hier idF des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006 - BGBl I 926 -) das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Der Bemessungszeitraum ermittelt sich gemäß § 130 SGB III(hier idF, die die Norm durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt erhalten hat) aus dem Bemessungsrahmen (letztes Jahr vor Ende des letzten Versicherungspflichtverhältnisses und vor Entstehung des Anspruchs), der sich unter bestimmten Voraussetzungen auf zwei Jahre erweitert (Abs 3). Der in diesem Bemessungsrahmen liegende Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung. Im Unterschied zum bis zum 31.12.2004 geltenden Recht werden also nur Entgelte aus einer (versicherungspflichtigen) Beschäftigung, nicht aus sonstigen Versicherungspflichtverhältnissen in die Bemessung einbezogen (BSG SozR 4-4300 § 130 Nr 6 RdNr 27; BT-Drucks 15/1515, S 85; vgl auch Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 130 RdNr 8, Stand Juli 2009; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, Vor §§ 129 bis 134 RdNr 4 Stand Juni 2005).

16

Die außerbetriebliche Ausbildung des Klägers in den letzten zwei Jahren vor Eintritt der Arbeitslosigkeit war zwar versicherungspflichtig (s oben). Für das Bemessungsrecht des Alg ist sie indes einer Beschäftigung nicht gleichgestellt (s auch § 7 Abs 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -< SGB IV>). Die in diesem Versicherungspflichtverhältnis erzielte Vergütung nach § 17 BBiG, der nicht zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungen unterscheidet(vgl zur Angemessenheit der Ausbildungsvergütung etwa BAGE 96, 237, 246; BAG Urteil vom 16.1.2003 - 6 AZR 325/01 - AP Nr 13 zu § 10 BBiG; BAG, Urteil vom 22.1.2008 - 9 AZR 999/06 -, AP Nr 7 zu § 17 BBiG), wird arbeitsrechtlich nicht als Arbeitsentgelt im eigentlichen Sinne verstanden (Kania in Küttner, Personalbuch 2010, Nr 74 RdNr 26 f mwN; Beckers in Fachanwaltskommentar Arbeitsrecht, 2008, § 17 BBG RdNr 1); sie ist jedoch ohnedies nicht im Rahmen einer Beschäftigung erzielt, wie dies § 130 Abs 1 SGB III iVm § 131 SGB III voraussetzt, sodass dahinstehen kann, ob die Ausbildungsvergütung einer betrieblichen Ausbildung Arbeitsentgelt iS des Alg-Bemessungsrechts iVm § 14 SGB IV ist. Dass die Ausbildung im Rahmen einer außerbetrieblichen Ausbildung keine Beschäftigung darstellt, belegt § 25 Abs 1 Satz 2 SGB III, weil der Gesetzgeber mit dieser Regelung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.10.2000 (SozR 3-2600 § 1 Nr 7) reagiert hat, wonach die Umschulung, die in einer Bildungseinrichtung als Dienstleistung gegen Vergütung durchgeführt wird, keine Beschäftigung zur Berufsausbildung darstellt (vgl nur Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 25 RdNr 143, Stand März 2010; vgl auch Brand in Niesel, SGB III, 4. Aufl 2007, § 25 RdNr 35). An einer Beschäftigung zur Berufsausbildung iS des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III iVm § 7 Abs 2 SGB IV durch Eingliederung in den Produktions- und Dienstleistungsprozess eines Betriebs fehlt es nämlich bei einem Auszubildenden, wenn der alleinige Betriebszweck des Ausbildungsbetriebs in der Organisation und Durchführung von Qualifizierungs- und Bildungsmaßnahmen besteht und der Auszubildende nicht innerhalb dieses Betriebszwecks, sondern nur - wie hier - als Teilnehmer der Maßnahme tätig wird(BSG SozR 4-4300 § 25 Nr 2 RdNr 14; s auch Schlegel, aaO).

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Während durch § 25 Abs 1 Satz 2 SGB III ausdrücklich - ebenso wie im Beitragsrecht durch § 346 Abs 1 Satz 2 SGB III - die außerbetriebliche Ausbildung der betrieblichen Ausbildung in einem Beschäftigungsverhältnis gleichgestellt ist, ist dies in §§ 131, 132 SGB III nicht geschehen. Der Gesetzgeber hat also auf eine generelle Erweiterung des Beschäftigungsbegriffs für die Gruppe der nach § 25 Abs 1 Satz 2 SGB III Versicherungspflichtigen verzichtet und sich auf punktuelle Gleichstellungen in den einzelnen Gesetzen für einzelne Bereiche des jeweiligen Gesetzes beschränkt(vgl auch: § 5 Abs 4a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung -, § 1 Nr 3a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung -, § 226 Abs 1 Satz 3 SGB V, § 162 Nr 3a SGB VI). Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die außerbetriebliche Ausbildung uneingeschränkt als Beschäftigung hätte angesehen werden sollen.

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Weist mithin der Kläger keinen Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt (aus einem Beschäftigungsverhältnis) auf, ist dem Alg nach § 132 Abs 1 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen, das sich gemäß Abs 2 der Vorschrift nach vier Qualifikationsstufen errechnet, hier nach der Qualifikationsgruppe 3 (abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf). Nachdem der Kläger seine Berufsausbildung als Hochbaufacharbeiter erfolgreich abgeschlossen hat, mussten sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten grundsätzlich auf Beschäftigungen entsprechend der erworbenen beruflichen Qualifikation erstrecken (§ 132 Abs 2 Satz 1 SGB III), weil diese Tätigkeiten eine bestmögliche Eingliederung in den Arbeitsmarkt garantieren (vgl zu dieser Voraussetzung: BSG, Urteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 4 RdNr 15; vgl auch Coseriu/Jakob in NK-SGB III, 3. Aufl 2008, § 132 RdNr 15 ff; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 132 RdNr 33 ff, Stand März 2007). Für andere Überlegungen, etwa die Füllung einer planwidrigen Gesetzeslücke zur Erlangung angemessener sachlicher Ergebnisse, bleibt kein Raum (BSG, Urteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - aaO, RdNr 16 ff).

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Bei der Qualifikationsgruppe 3 ist gemäß § 132 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB III ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1/450 der Bezugsgröße zu Grunde zu legen. Maßgeblich ist dabei die Bezugsgröße-West für das Jahr 2006 mit 29 400 Euro (vgl die Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung vom 21.12.2005 - BGBl I 3627); hieraus errechnet sich ein Betrag von 65,33 Euro. Zwar hat der Kläger die Ausbildung in den neuen Bundesländern (im Beitrittsgebiet) zurückgelegt; jedoch ist § 408 SGB III für ihn nicht einschlägig. Danach ist die Bezugsgröße für das in Art 3 des Einigungsvertrags genannte Gebiet (Beitrittsgebiet) maßgebend, wenn der Beschäftigungsort im Beitrittsgebiet liegt, soweit Vorschriften dieses Buchs (des SGB III) bei Entgelten an die Bezugsgröße anknüpfen. § 408 Nr 1 SGB III stellt jedoch erkennbar auf das Entgelt aus einer ausgeübten Beschäftigung ab, was durch die Bezugnahme auf den konkreten Beschäftigungsort(§ 9 SGB IV) deutlich wird (vgl: Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 408 RdNr 30, Stand März 2010; Rolfs in Gagel; SGB II/SGB III, § 132 SGB III RdNr 12, Stand April 2010; Rokita in Schönefelder/Kranz/Wanka, SGB III, § 132 RdNr 70, Stand Juli 2006). Bei Anwendung des § 132 SGB III geht es jedoch nicht um das früher erzielte Entgelt, sondern darum, auf welche Tätigkeit die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen zu erstrecken hat. Die Ausgangslage beider Vorschriften ist damit nicht identisch und verbietet damit auch eine generelle analoge Anwendung. Offen bleiben kann, ob dies anders ist, wenn - was vorliegend nicht der Fall ist - der Leistungsempfänger seine Arbeitsbereitschaft - zulässigerweise - auf das Beitrittsgebiet beschränkt hat.

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Gegen die Regelung des § 132 Abs 2 SGB III, die den Kläger ohnedies begünstigt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken(BSG, Urteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 4 RdNr 22 f mwN; vgl auch BSG SozR 4-4300 § 132 Nr 3 und BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 39/08 R). Als unbillig empfundene Ungleichbehandlungen, die daraus resultieren, dass durch die fiktive Bemessung sich im Einzelfall ein höherer Alg-Anspruch ergibt als in den Fällen eines niedrigeren Arbeitsentgelts, sind angesichts des Gesetzeszwecks der Vereinfachung und Pauschalierung hinzunehmen (vgl BSG aaO). Es besteht deshalb keine Veranlassung, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art 100 Abs 1 Grundgesetz einzuholen, die für das Urteil in der vorliegenden Sache nur dann von Bedeutung wäre, wenn das BVerfG zu einer Unvereinbarkeit der Vorschriften des Bemessungsrechts für das Alg gelangen und dem Gesetzgeber eine Neuregelung auferlegen würde, die für den Kläger ungünstiger als die jetzige ausfallen könnte. Davon ist nicht auszugehen. Ggf könnte, um eine unterschiedliche Behandlung von außerbetrieblich und betrieblich Ausgebildeten zu vermeiden, auch bei Vergütungen im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung deren Arbeitsentgeltcharakter iS des Bemessungsrechts verneint werden.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Übergangsgeld, wenn

1.
die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und
2.
sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches, einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnehmen, für die die besonderen Leistungen erbracht werden.
Im Übrigen gelten die Vorschriften des Kapitels 11 des Teils 1 des Neunten Buches, soweit in diesem Buch nichts Abweichendes bestimmt ist. Besteht bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die allgemeinen Leistungen erbracht werden, kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, erhalten Menschen mit Behinderungen Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, wenn sie bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die besonderen Leistungen erbracht werden, Übergangsgeld erhalten würden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.