Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. März 2017 - L 5 KR 1036/16

bei uns veröffentlicht am22.03.2017

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21.03.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für eine Krebsbehandlung (Protonentherapie).
Der Kläger ist der Witwer der 1958 geborenen U. J. (im Folgenden: Versicherte); die Versicherte war bei der Beklagten (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin - G. E. - im Folgenden nur: Beklagte) gesetzlich krankenversichert. Der Kläger hatte zur Zeit des Todes der Versicherten mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.
Im Juli 2009 wurde bei der Versicherten ein Klatskin-Tumor mit Lebermetastasen diagnostiziert. Die operative Entfernung des Tumors bzw. der Metastasen war nicht möglich. Die Versicherte wurde zunächst im St. Sch.-G. konservativ und von September bis November 2009 mit 3 Zyklen Chemotherapie palliativ behandelt.
Anfang November 2009 beantragte die Versicherte die Gewährung bzw. Übernahme der Kosten einer Protonentherapie im R. P. Th. C., M. (im Folgenden: R.).
Das R. ist - ohne rechtliche Verselbständigung - der Ch. Klinik Dr. R., M., angegliedert; die Behandlungsräume des R. befinden sich in dieser Klinik. Die Ch. Klinik Dr. R. ist mit den Fachrichtungen Chirurgie, Herzchirurgie und Strahlentherapie in den Krankenhausplan des Freistaats B. aufgenommen. Krankenhausträger (und damit auch Träger des dem Krankenhaus angegliederten R.) ist die Ch. Klinik Dr. R. GmbH und Co. KG (R.-Träger). Dem R. ist ein Gästehaus angeschlossen, in dem die Patienten des R. übernachten können. Die Ärzte, die im R. Leistungen der Protonentherapie erbringen, nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung nicht teil.
Die Versicherte legte Arztberichte und die Bescheinigung des R. vom 03.11.2009 vor. Darin ist ausgeführt, der Tumor sei nicht operabel und bedürfe umgehend einer Protonentherapie. Mit dieser Behandlungsmethode könne der Tumor hochdosiert bestrahlt werden, während in der (gesunden) Umgebung des Tumors nur wenig Strahlung (ein Sechstel der hoch anzusetzenden Tumordosis) deponiert werde. Das betreffe insbesondere die Leber, den Pankreas, den Dünndarm und den Magen. Die Protonentherapie sei daher sehr schonend, aber hoch effektiv, um den Tumor zu behandeln und die Funktionsstörung im Bereich der Leberpforte zu beheben. Es werde um Kostenübernahme und nächstmögliche Bearbeitung gebeten. Der Bescheinigung war ein Kostenvoranschlag des R.-Trägers vom 20.10.2009 über Gesamtkosten i.H.v. 18.978,45 EUR beigefügt. Der Kostenvoranschlag hat „ärztliche Leistungen im Rahmen der strahlentherapeutischen Behandlung inklusive Diagnostik“ zum Gegenstand; es handele sich um eine Pauschale (inklusive Mehrwertsteuer).
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 09.12.2009 führte Dr. F. aus, bei der Versicherten (Diagnosen: Klatskin-Tumor mit histologisch gesicherter Lebermetastasierung Typ 3-B nach Bismuth ED 07/09, Z.n. nach Stenteinlage linker Ductus hepaticus, arterielle Hypertonie) liege eine akut lebensbedrohliche, notstandsähnliche Situation vor. Die Versicherte befinde sich in einer Palliativsituation. Die verfügbaren schulmedizinischen (vertraglichen) palliativen Therapiemethoden bestünden in der systemischen Chemotherapie und der konventionellen fraktionierten Bestrahlung mittels Linearbeschleuniger. Für die Protonentherapie liege ein Wirksamkeitsnachweis an Hand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen auf Grund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken nicht vor. Überlegenheit, medizinischer Nutzen und Wirtschaftlichkeit der Protonentherapie gegenüber den vertraglichen Behandlungsmethoden seien bisher nicht belegt. Die Leistungsvoraussetzungen seien daher nicht erfüllt.
Am 10.12.2009 überwies die Versicherte den im Kostenvoranschlag vom 20.10.2009 genannten Betrag an den R.-Träger.
Mit Bescheid vom 10.12.2009 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag unter Hinweis auf das MDK-Gutachten des Dr. F. ab. Die Protonentherapie gehöre nicht zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) habe diese Behandlungsmethode nicht (positiv) bewertet. Außerdem stünden mit der systemischen Chemotherapie und der konventionellen Bestrahlung vertragliche Behandlungsmethoden zur Verfügung.
10 
Am 15.12.2009 wurde die Versicherte im R. untersucht. Am 16.12.2009 stimmte sie im Zuge der Patientenaufklärung durch Unterzeichnung des entsprechenden (Aufklärungs-)Formulars dem Beginn der Protonentherapie am 11.01.2010 zu; außerdem schloss sie den Behandlungsvertrag vom 16.12.2009 mit dem R.-Träger ab.
11 
Am 19.12.2009 erhob die Versicherte Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 10.12.2009. Die seit September 2009 durchgeführte systemische Chemotherapie sei wirkungslos. Der Tumor habe sich nicht verkleinert. Nach Auskunft ihrer behandelnden Ärzte sei die konventionelle Bestrahlung (Photonenbestrahlung) wegen der Lage des Tumors und der Gefährdung anderer Organe nicht möglich und es komme nur eine sehr genaue Protonenbestrahlung in Betracht. Die Protonenbestrahlung werde von vielen Krankenkassen, auch von der Beklagten, in Einzelfallentscheidungen gewährt und seit 01.11.2009 an der Universitätsklinik H. im Rahmen von Studien bei Hirntumoren angewendet.
12 
Die Versicherte legte das Schreiben des R. vom 15.12.2009 vor. Darin führt Fachoberarzt W. aus, bei der Versicherten könne die herkömmliche Photonenbestrahlung wegen mangelnder Verträglichkeit auf Grund der ungünstigen Mitbestrahlung gesunder Organe, wie Magen und Dünndarm, nicht durchgeführt werden. Die palliative Protonenbestrahlung des Klatskin-Tumors und der solitären Lebermetastase gewährleiste demgegenüber ein deutlich günstigeres Nutzen-Risiko-Verhältnis und ermögliche so neben der Systemtherapie auch eine lokal unterstützende Behandlung.
13 
Die Beklagte befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 22.12.2009 führte Dr. F. aus, aus den vorgelegten Unterlagen ergäben sich keine neuen Erkenntnisse. Es sei nicht ersichtlich, welche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen bislang durchgeführt worden seien, insbesondere, ob sich die Versicherte im Rahmen eines interdisziplinären Tumorboards vorgestellt habe; hier wäre die Überweisung zum Tumorboard z.B. der Universitätsklinik H. anzuraten. Es sei auch nicht erkennbar, ob ein multimodaler Therapieansatz erwogen worden sei. Man möge auch prüfen, ob die Versicherte in eine Studie aufgenommen werden könne.
14 
Am 30.12.2009 teilte der MDK der Beklagten im Zuge einer Direktberatung mit, durch die Protonentherapie sei eine Verkürzung der stationären Aufenthaltszeiten aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich.
15 
Nachdem der MDK der Beklagten am 04.01.2010 mitgeteilt hatte, auf der Grundlage der vorliegenden Informationen/Unterlagen sei eine Begutachtung nicht möglich, richtete die Beklagte die vom MDK vorgeschlagenen Fragen mit Schreiben vom 05.01.2010 an das R..
16 
Mit Schreiben vom 05.02.2010 teilte der Arzt W. (R.) der Beklagten mit, geplant sei eine (computergestützte dreidimensionale) Protonenbestrahlung der extra- und intrahepatischen Tumoranteile mit dem so genannten Spotscanning-Verfahren. Es seien 21 Bestrahlungsfraktionen erforderlich; dabei würden 5 Fraktionen in einer Woche appliziert. Therapieziel sei die Tumorremission. Die Behandlung solle der Versicherten Lebensqualität und Lebenszeit sichern. Studien mit größeren Patientenkollektiven existierten nicht. Retrospektive Daten zeigten möglicherweise eine Verbesserung des Überlebens. Wegen der Seltenheit des Tumors hätten, basierend auf spärlicher Datenlage, keine Leitlinien entwickelt werden können. Die Chemotherapie habe bei der Krebserkrankung der Versicherten eine Ansprechrate von ca. 20%. Die Ansprechrate einer Bestrahlungsbehandlung sei deutlich höher einzuschätzen. Bei der Protonentherapie sei die Nebenwirkungsrate deutlich geringer als bei der Photonentherapie. Eine Photonentherapie sei auf Grund des Bestrahlungsvolumens in der Leber wegen der zu erwartenden Hepatotoxizität nicht zu empfehlen. Angesichts des geringen Aufkommens des vorliegenden Krankheitsbilds erscheine die Einrichtung einer Studie nicht sinnvoll. Auf Grund der seltenen Verfügbarkeit der Protonen- bzw. Ionentherapie handele es sich um eine sporadische Anwendung. Man habe die Bestrahlung eines malignen Gallengangtumors bisher in einem Fall durchgeführt.
17 
Während der Zeit vom 11.01.2010 bis 09.02.2010 wurde die Protonentherapie bei der Versicherten im R. durchgeführt (22 Bestrahlungstermine). Die Versicherte suchte am jeweiligen Behandlungstag die Behandlungsräume des R. in der Ch. Klinik Dr. R. zur (wenige Minuten dauernden) Protonenbestrahlung auf. Nach erfolgter Bestrahlung konnte sie die Räumlichkeiten des R. bzw. die Ch. Klinik Dr. R. verlassen; Krankenhausleistungen, wie Unterkunft und (Krankenhaus-)Verpflegung oder pflegerische Betreuung durch Krankenhauspersonal der Ch. Klinik Dr. R., wurden nicht in Anspruch genommen. Während der Behandlungszeit war die Versicherte im Gästehaus des R. untergebracht (Anreise/Abreise: 17.01.2010/23.01.2010 - 24.01.2010/29.01.2010 - 31.01.2010/05.02.2010 - 08.02.2010/ 10.02.2010). Die Kosten hierfür beliefen sich auf 2.260,76 EUR (Rechnungen vom 10.02.2010, 05.02.2010, 29.01.2010, 23.01.2010 und 17.01.2010). Für die Protonentherapie wurden der Versicherten mit Rechnung des R.-Trägers vom 11.03.2010 Kosten i.H.v. 18.978,45 EUR in Rechnung gestellt. Die Rechnung trägt die Bezeichnung „Rechnung über teilstationäre Krankenhausbehandlung“; sie ist nicht nach Maßgabe der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ausgestellt und weist den genannten Rechnungsbetrag als Pauschalbetrag aus.
18 
Im (abschließenden) MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 15.02.2010 führte Dr. F. aus, nach den Unterlagen des R. liege bei der Versicherten ein seltenes Krankheitsbild vor. Eine akut lebensbedrohliche, notstandsähnliche Situation habe wohl im November 2009 bestanden. Informationen oder Unterlagen über den weiteren klinischen Verlauf seit August 2009 seien nicht vorgelegt worden. Gesicherte Erkenntnisse über die Überlegenheit der Protonentherapie gegenüber vertragsärztlichen Standardtherapien, wie Chemotherapie und konventionelle Bestrahlung, lägen nicht vor. Es gebe auch keine Informationen über eine anhaltende Wirksamkeit der Protonentherapie gegenüber vertragsärztlichen Therapien. Man empfehle die Vorstellung der Versicherten in einem Tumorzentrum, etwa einer Universitätsklinik, um die Möglichkeiten eines multimodalen Therapieansatzes zu überprüfen.
19 
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die ambulante Protonentherapie sei eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), für die eine Empfehlung des GBA zur Anerkennung des therapeutischen Nutzens nicht vorliege. Die Protonentherapie könne auch nicht nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs gewährt werden. Es stünden noch allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden (wie die palliative systemische Chemotherapie und die konventionelle Strahlentherapie) zur Verfügung. Für die Protonentherapie liege ein Wirksamkeitsnachweis an Hand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen auf Grund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken nicht vor. Überlegenheit, medizinischer Nutzen und Wirtschaftlichkeit der Protonentherapie gegenüber den vertraglichen Behandlungsmethoden seien bisher nicht belegt.
20 
Am 19.10.2010 erhob die Versicherte Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Sie verstarb 2012. Der Kläger ist Alleinerbe der Versicherten. Er führte das Klageverfahren fort.
21 
Zur Begründung der Klage wurde (unter Vorlage u.a. von Arztberichten des R. vom 10.02.2010, 28.04.2010, 26.08.2010 und 10.12.2010 über Nachuntersuchungen der Versicherten) vorgetragen, nachdem sich die Krebserkrankung als inoperabel erwiesen habe, sei die angeratene systemische Chemotherapie durchgeführt worden, obwohl diese nur bei einem verschwindend geringen Teil (ca. 2%) der an Leber- bzw. Gallenkrebs erkrankten Patienten anspreche; eine Tumorremission habe nicht erreicht werden können. Sowohl die Ärzte des Klinikums Sch.-G. wie die Ärzte des R.-B.-Krankenhauses, St., hätten eine konventionelle Strahlentherapie wegen der gesicherten Lebermetastasierung nicht befürwortet. Die Versicherte sei sodann auf die Protonentherapie aufmerksam geworden, die an der Universitätsklinik H. im Rahmen von Studien bei Hirntumoren und im R. auch bei Weichteiltumoren angewendet werde. Auf Grund der mit dem fortschreitenden Tumorwachstum verbundenen Dringlichkeit sei die Protonentherapie während des Widerspruchsverfahrens durchgeführt worden. Für die regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung habe nach (erfolgloser) Durchführung der Chemotherapie eine anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht mehr zur Verfügung gestanden. Nach erfolgter Protonentherapie habe der Tumor das Wachstum eingestellt und er sei um 10% kleiner geworden, wobei sich die Laborparameter, insbesondere der Tumormarker, erheblich verbessert hätten. Der Stent im Gallengang habe entfernt werden können. Die Versicherte habe am 08. oder 09.12.2009 bei der Beklagten vorgesprochen. Die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten habe mitgeteilt, die Kosten der Protonentherapie würden definitiv nicht übernommen; das sei intern geklärt worden und der Ablehnungsbescheid werde umgehend versandt. Der Ablehnungsbescheid sei bei der Vorsprache auch gezeigt worden. Am 15. und 16.12.2009 habe sich die Versicherte im R. zu einem Erstgespräch und zur Durchführung von Voruntersuchungen vorgestellt. Außerdem hätten Aufklärungsgespräche stattgefunden. Auf Grund der Einschätzung und der Voruntersuchungen habe sie sich am 16.12.2009 zur Durchführung der Protonentherapie entschlossen und an diesem Tag den Aufnahmetermin für den 11.01.2010 vereinbart. Der vorgeschriebene Beschaffungsweg sei damit eingehalten worden. Die Beklagte habe mittlerweile mit der Universitätsklinik E. einen Vertrag über die Behandlung u.a. des Leberzellkarzinoms durch Protonentherapie abgeschlossen. Die GOÄ sei nicht anwendbar; daher sei unschädlich, dass die Rechnung vom 11.03.2010 nicht nach Maßgabe der GOÄ ausgestellt worden sei (Schreiben des R.-Trägers vom 04.12.2013).
22 
Hingewiesen wurde außerdem auf eine Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 06.11.2009, die im Verfahren des GBA über eine Änderung der Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus (RL Methoden Krankenhausbehandlung) - Protonentherapie bei der Indikation Lebermetastasen - abgegeben worden ist. Darin heißt es (u.a.), es werde vorgeschlagen, bei der Indikation „Lebermetastasen“ den Einsatz einer Protonentherapie unter Berücksichtigung besonderer Kriterien als individuelle Therapieentscheidung bei inoperablen bzw. anderen lokal-ablativen Behandlungsansätzen nicht zugänglichen Lebermetastasen im begründeten Einzelfall zu ermöglichen; der entsprechende Ergänzungsvorschlag der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Patientenvertreter werde nachdrücklich unterstützt. Nach Rücksprache mit den Fachexperten wäre zu erwägen, die mögliche Indikation für eine Protonentherapie (im Rahmen der Krankenhausbehandlung) auf Patienten mit Lebermetastasen insbesondere eines kolorektalen Karzinoms oder eines Nierenzellkarzinoms mit höchstens 3 intrahepatischen Tumoren und einer prognostischen Lebenserwartung von zumindest 6 Monaten einzugrenzen.
23 
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Bei der Versicherten habe eine notstandsähnliche Situation nicht vorgelegen. Außerdem hätten noch allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden zur Verfügung gestanden, wie die (in einem Bericht der Universitätsklinik H. vom 26.08.2009 angeratene) systemische Kombinations-Chemotherapie mit Gemcitabine und Cisplatin oder Oxaliplatin. Der MDK habe festgestellt, dass ein Wirksamkeitsnachweis für die Protonentherapie nicht geführt sei. Es gebe weder eine evidenzbasierte Studienlage noch eine ausgedehnte Erfahrung bei der Tumorentität der Versicherten noch einschlägige Leitlinien. Die Protonentherapie habe damit experimentellen Charakter. Der GBA habe die Protonentherapie bei Lebermetastasen mittlerweile durch Beschluss vom 20.01.2011 aus der Leistungserbringung zu Lasten der GKV im Rahmen der Krankenhausbehandlung ausgeschlossen. Das R. sei zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen; ggf. hätte die Behandlung in der Universitätsklinik H. durchgeführt werden können. Ob die Versicherte den vorgeschriebenen Beschaffungsweg eingehalten habe, sei ebenfalls zweifelhaft, da sie die Kosten für die Protonentherapie bereits am 10.12.2009 überwiesen habe und die Protonentherapie ab dem 15.12.2009 durchgeführt worden sei. Der Ablehnungsbescheid sei aber erst unter dem 10.12.2009 erlassen worden. Zuvor - vor Eingang des MDK-Gutachtens vom 09.12.2009 am 10.12.2009 - habe man den Leistungsantrag nicht im Zuge einer Vorsprache der Versicherten (mündlich) abgelehnt. Offenbar habe die Versicherte den (Untersuchungs-)Termin vom 15.12.2009 noch vor der abschließenden Entscheidung über ihren Antrag vereinbart. Ein Notfall habe nicht vorgelegen.
24 
Die Beklagte legte das MDK-Gutachten (nach Aktenlage) des Dr. B. vom 25.07.2011 vor. Darin ist (u.a.) ausgeführt, Gallengangtumore oder cholangiozelluläre Karzinome träten in Deutschland in ca. 5.000 Neuerkrankungsfällen im Jahr auf; der Klatskin-Tumor sei eine Sonderform des cholangiozellulären Karzinoms. Die Erkrankung der Versicherten stelle zwar eine seltene, nicht aber eine singuläre Krankheit (i.S.d. der Rechtsprechung zu „Seltenheitsfällen“) dar, d.h., es sei prinzipiell möglich, Studien durchzuführen, um Wirksamkeit und Nutzen einer Behandlung zu erforschen. Der GBA habe bislang 3 Indikationen für die Protonentherapie positiv bewertet, 3 Verfahren ausgesetzt und 10 Indikationen ausgeschlossen. Für die hier vorliegenden Lebermetastasen sei die Protonentherapie - seit 20.01.2011 - (aus der Krankenhausbehandlung) ausgeschlossen worden. Karzinome der Gallenwege stellten eine prognostisch ungünstige Tumorentität dar. Beim Nachweis von Fernmetastasen liege die mediane Überlebenszeit unter Supportiv-Therapie bei ca. 3 Monaten. Nach chirurgischer Intervention liege bei extrahepatischen Gallenwegen die 5-Jahres-Überlebensrate bei 20% bis 40 %. Bei der Versicherten habe unzweifelhaft eine weit fortgeschrittene, inoperable Tumorerkrankung vorgelegen, die nicht mehr kurativ, sondern nur noch palliativ habe behandelt werden können; das sei auch das Behandlungsziel der Protonentherapie im R. gewesen. Bei Durchführung der Protonentherapie seien die schulmedizinischen/vertraglichen Behandlungsmethoden, insbesondere die Chemotherapie oder auch die (herkömmliche) Strahlentherapie (mit Photonenbestrahlung) nicht ausgeschöpft gewesen. Die Literaturrecherche habe keine einzige Publikation zur Anwendung der Protonentherapie beim Cholangiokarzinom ergeben. Selbst bei dem viel häufigeren Krankheitsbild des kolorektalen Karzinoms und Lebermetastasen habe der GBA im Rahmen der Bewertung der Protonentherapie im Januar 2011 weltweit nur 5 publizierte Patienten gefunden. Daher liege für die in Rede stehende Behandlungsmethode nach aktuellem Stand ein Wirksamkeitsnachweis an Hand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen auf Grund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken nicht vor. Die Angaben des R. zur Schonung umliegender Organe würden durch den bei der Versicherten eingetretenen Behandlungsverlauf widerlegt. Im Zuge der Protonenbestrahlung bis 09.02.2010 sei es zu einer ausgeprägten Strahlenschädigung des Magenantrums gekommen mit ausgedehnten Magenulzerationen und Blutungen, die mehrfach ambulant und stationär behandelt worden seien (mit akut lebensbedrohlicher Komplikation); schließlich habe man als ultima ratio den Magen weitgehend entfernt. Damit sei letztendlich gerade die der konventionellen Strahlenbehandlung zugeschriebene Komplikation eingetreten. Die Protonentherapie stelle bei Patienten mit inoperablen Lebermetastasen derzeit kein Verfahren dar, für das in dem insgesamt mit Unsicherheiten behafteten Indikationsbereich der metastasierten Erkrankungen ausreichend Hinweise für einen Nutzen vorlägen. Der GBA habe außerdem dargelegt, dass es für den theoretischen Vorteil der Protonentherapie (steilere Dosisgradienz zwischen Zielvolumen und Risikoorganen) noch keine Belege gebe. Deshalb solle die Anwendung der Protonentherapie unter Bedingungen erfolgen, die dem experimentellen Handeln gerecht würden, also regelmäßig in klinisch kontrollierten Studien. Demgegenüber biete das R. die Protonentherapie als kommerzieller Anbieter jedem an, der bereit sei, die Kosten im Voraus zu bezahlen. Der GBA komme zu dem Ergebnis, dass die Protonentherapie bei der Indikation Lebermetastasen für eine ausreichende zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gemäß § 137c SGB V nicht erforderlich und damit nicht (mehr) Leistung der GKV im Rahmen der Krankenhausbehandlung sei. Zwei der vom R. angeführten Publikationen hätten nicht die Protonentherapie, sondern die konventionelle Strahlentherapie zum Gegenstand; eine dritte Publikation betreffe eine zusätzlich zur chirurgischen Intervention durchgeführte Strahlentherapie. Insgesamt sei derzeit nicht bekannt, ob der Nutzen der Protonentherapie die Risiken überwiege. Für die bei der Versicherten vorliegende Indikation gebe es keine Erfahrungswerte hinsichtlich der notwendigen Strahlendosen. Die Behandlungspläne für die konventionelle Strahlentherapie seien demgegenüber besser evaluiert und standardisiert. Die Protonentherapie sei auch nicht als Empfehlung einer Tumorkonferenz, sondern auf Wunsch der Versicherten durchgeführt worden.
25 
Das SG führte am 08.03.2013 eine Erörterungsverhandlung durch. Der Kläger gab an, auf die Protonentherapie habe sein Bruder aus A. aufmerksam gemacht; man habe dann das R. gefunden. Am 08. oder 09.12.2010 habe man bei der Beklagten vorgesprochen und dabei den Ablehnungsbescheid gesehen. Die Mitarbeiterin der Beklagten habe gesagt, der Bescheid werde in Kürze versandt, das MDK-Gutachten liege nunmehr vor. Der Vertreter der Beklagten gab an, wenn eine Leistungsablehnung bei einer Vorsprache erklärt werde, werde ein entsprechender (hier nicht vorliegender) Vermerk angefertigt. Möglicherweise sei beim MDK angerufen und nach dem Sachstand gefragt worden. Eine Ablehnungsentscheidung ergehe aber erst nach Vorliegen des MDK-Gutachtens.
26 
Das SG befragte sodann behandelnde Ärzte. Prof. Dr. H. (St. Sch. G.) führte im Bericht vom 16.07.2013 (u.a.) aus, die Versicherte sei vom R.-B.-Krankenhaus, St., zur Durchführung der palliativen Chemotherapie mit Platin und Gemcitabine überwiesen worden. Von September 2009 bis November 2009 habe man 3 Zyklen palliative Chemotherapie durchgeführt. Hierunter sei im Abdomen-CT eine stabile Erkrankungssituation dokumentiert worden. Zwischenzeitlich habe sich die Versicherte im R. zur Protonentherapie vorgestellt. Die zytostatische Therapie des cholangiozellulären Karzinoms sei insgesamt schwierig, da der Tumor nur ein geringes Ansprechen auf diese Behandlung zeige. Für die Versicherte wäre lediglich die Fortführung der Chemotherapie über 3 weitere Zyklen in Betracht gekommen, ggf. dann bei Tumorprogression und gutem Allgemeinzustand eine Zweitlinienchemotherapie. Die Behandlungsoptionen seien sicherlich sehr begrenzt gewesen. Studienergebnisse zur Protonentherapie seien ihm nicht bekannt. Die konventionelle Strahlentherapie im Bereich des Leberhilus/Gallenblasenbetts sei auf Grund der Toxizität sehr problematisch und werde in der Regel nicht durchgeführt. Bei der Versicherten habe insgesamt eine metastasierte und lokal fortgeschrittene Tumorerkrankung mit eher begrenzten therapeutischen Möglichkeiten vorgelegen. Rückblickend könne man sicherlich sagen, dass sie sehr von der lokalen Strahlentherapie profitiert habe und dass die konventionellen und etablierten Therapiemöglichkeiten beim Tumortyp der Versicherten sehr begrenzt seien. Dr. W. (R.) führte im Bericht vom 25.07.2013 aus, durch die Protonentherapie habe das Tumorgeschehen für 21 Monate größtenteils stabil gehalten werden können. Im November 2011 hätten sich 2 Metastasen in der Leber größenprogredient gezeigt, weshalb eine Radiofrequenzablation durchgeführt worden sei, die zumindest bis ins Frühjahr 2012 eine Tumorkontrolle erreicht habe. In Anbetracht dE., dass Inoperabilität und Unverträglichkeit für Chemotherapie bestanden habe, seien die schulmedizinischen Standardverfahren bis auf die Strahlentherapie ausgeschöpft gewesen. In der Strahlenbehandlung biete die Protonentherapie die günstigsten physikalischen Eigenschaften. Da der Klatskin-Tumor äußerst selten sei, hätten 2009 keine publizierten Studien zur Behandlung dieses Tumors mit Protonen vorgelegen. Auch für die Photonentherapie gebe es keine Phase-III-Studien. Der GBA habe die Protonentherapie zur Behandlung von Gallengangkarzinomen, speziell von Klatskin-Tumoren, nicht beurteilt. Die Beurteilung der Protonentherapie zur Behandlung des hepatozellulären Karzinoms habe der GBA ausgesetzt, bis neuere Daten aus Phase-III-Studien vorlägen. Der Behandlungsvertrag sei von der Versicherten am 16.12.2009 unterschrieben worden. Die Behandlungskosten müssten jeweils vor Behandlungsbeginn gezahlt werden.
27 
Mit Urteil vom 21.03.2014 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V seien nicht erfüllt. Eine unaufschiebbare Leistung (Notfall) i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V stehe nicht in Rede. Zwischen dem Erstkontakt der Versicherten mit dem R. - Kostenvoranschlag des R.-Trägers vom 20.10.2009 bzw. Bescheinigung vom 03.11.2009 - und der Voruntersuchung am 15.12.2009 bzw. dem Therapiebeginn am 11.01.2010 lägen nahezu 3 Monate. Auch auf § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) könne der Erstattungsanspruch nicht gestützt werden. Es fehle am Ursachenzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Leistungsbeschaffung. Die Versicherte sei schon vor Ergehen des Ablehnungsbescheids vom 10.12.2009 zur Durchführung der Protonentherapie im R. fest entschlossen gewesen. Sie habe die gesamten Behandlungskosten bereits am 10.12.2009, also vor Erhalt des Ablehnungsbescheids, im Voraus überwiesen. Dass der Leistungsantrag bei einer Vorsprache der Versicherten am 08.12.2009 oder 09.12.2009 abgelehnt worden sei, könne ausgeschlossen werden, da das maßgebliche MDK-Gutachten erst am 09.12.2009 erstellt worden und der Beklagten erst am 10.12.2009 zugegangen sei. Außerdem finde sich in den Verwaltungsakten kein entsprechender Gesprächsvermerk. Die Versicherte hätte die für die Protonentherapie geforderte Vergütung nicht zahlen müssen; es fehle an einer rechtlich wirksamen Kostenbelastung. Für die Rechnungsstellung gelte die GOÄ, wenn - wie hier - kein totaler Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag abgeschlossen worden sei. Für die (privatärztlich) ambulant erbrachte Behandlung könne eine Vergütung nur bei ordnungsgemäßer Rechnungsstellung nach Maßgabe der GOÄ beansprucht werden. Daran fehle es hier. In der Rechnung des R.-Trägers vom 11.03.2010 sei ein Pauschalbetrag ausgewiesen, was gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 GOÄ unzulässig sei. Hiervon dürfe auch nicht durch Vereinbarung abgewichen werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GOÄ). Gemäß § 12 Abs. 1 GOÄ werde die Vergütung nur fällig, wenn eine der GOÄ entsprechende Rechnung erteilt worden sei. Die nachträgliche Vorlage einer GOÄ-konformen Rechnung könne den Mangel nicht heilen. Schließlich habe die Beklagte die Gewährung der Protonentherapie auch nicht zu Unrecht abgelehnt; die Versicherte habe die Behandlung als Leistung der GKV nicht beanspruchen können. Die Protonentherapie sei weder als voll- noch als teilstationäre Krankenhausbehandlung (durch die Ch. Klinik Dr. R. bzw. deren Träger) erbracht worden. Die Patienten kämen zur Protonenbehandlung erst unmittelbar vor dem Bestrahlungstermin in das R., wo ihnen ein Behandlungsraum zugewiesen werde. Die Bestrahlung dauere wenige Minuten, danach könnten die Patienten den Rest des Tages frei gestalten und etwa im Gästehaus des R. oder in einer anderen Unterkunft übernachten. Verpflegung werde nicht gewährt und die Patienten müssten abgesehen von der Bestrahlung im R. auch nicht anwesend sein. Die Versicherte habe nur eine ärztliche Leistung, nicht jedoch die medizinisch-organisatorische Leistung eines Krankenhauses in Anspruch genommen; das gehe auch aus dem Kostenvoranschlag des R.-Trägers vom 20.10.2009 hervor. Die Voraussetzungen für die Erbringung einer ambulanten Krankenhausbehandlung zu Lasten der GKV (§ 116b SGB V) seien nicht erfüllt gewesen. Auch als ambulante ärztliche Behandlung habe die Protonentherapie nicht zu Lasten der GKV erbracht werden können. Die Ärzte des R. seien zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen. Außerdem fehle es für die ambulante Behandlung des Klatskin-Tumors durch Protonentherapie an der gemäß § 135 Abs. 1 SGB V notwendigen Empfehlung des GBA; die genannte Behandlungsmethode gehöre daher nicht zum Leistungskatalog der GKV. Ein Seltenheitsfall liege bei ca. 5.000 Neuerkrankungen im Jahr in Deutschland nicht vor; Anhaltspunkte für ein Systemversagen gebe es nicht. Auch die Voraussetzungen der Leistungsgewährung in grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs seien nicht erfüllt gewesen. Zweifelhaft sei, ob die schulmedizinischen Behandlungsmethoden (Chemotherapie) ausgeschöpft gewesen seien. Die Protonentherapie sei zudem ausschließlich palliativ und nicht kurativ angewendet worden; von der Möglichkeit der Heilung der Tumorerkrankung sei auch das R. nicht ausgegangen. Schließlich fehlten für die Wirksamkeit der Protonentherapie stichhaltige wissenschaftliche Nachweise. Das gehe aus dem MDK-Gutachten des Dr. B. vom 25.07.2011 hervor. Publikationen zur Anwendung der Protonentherapie bei Gallengangtumoren gebe es nicht. Die Protonentherapie sei daher im Rahmen eines experimentellen Heilversuchs ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Nutzen für die Versicherte durchgeführt worden.
28 
Gegen das ihm am 20.06.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.07.2014 Berufung eingelegt. Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V (unaufschiebbare Leistung) setze einen Notfall i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht voraus und sei auch bei einer - hier vorliegenden - anderweitigen dringlichen Bedarfslage anwendbar. Der für den Erstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) notwendige Beschaffungsweg sei eingehalten worden; bei der Vorsprache am 08. oder 09.12.2009 habe die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten den Leistungsantrag abgelehnt. Hierzu hätte das SG weitere Ermittlungen anstellen und Zeugenvernehmungen durchführen müssen. Die Versicherte habe sich erst nach den Voruntersuchungen und den Aufklärungsgesprächen im R. vom 16.12.2009 zur Inanspruchnahme der Protonentherapie entschlossen. Dass sie die Behandlungskosten schon am 10.12.2009 überwiesen habe, ändere daran nichts. Dies sei notwendig gewesen, um die Voruntersuchungen durchzuführen. Die GOÄ sei nicht anwendbar. Die Behandlung sei von einem Krankenhaus erbracht worden, das auch alleiniger Vertragspartner der Versicherten gewesen sei. Schließlich seien die Voraussetzungen für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs erfüllt gewesen. Die schulmedizinischen Behandlungsmethoden seien ausgeschöpft gewesen. Im R. habe man eine Tumorremission angestrebt. Zur Frage, ob eine rein palliative Behandlung stattgefunden habe - die auch durch palliative Chemotherapie möglich gewesen wäre - hätten weitere Ermittlungen angestellt werden müssen. Die Beklagte habe mittlerweile einen Kooperationsvertrag mit der Universitätsklinik E. über die Behandlung (u.a.) von Patienten mit Leberzellkarzinom durch Protonentherapie abgeschlossen und kooperiere nach Pressemitteilungen auch mit dem Protonentherapiezentrum der Universitätsklinik H.. Das zeige, dass offenbar konkrete Anhaltspunkte für den Nutzen der Protonentherapie vorlägen.
29 
Der Kläger beantragt,
30 
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21.03.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2010 zu verurteilen, die Kosten für die Krebsbehandlung der Versicherten mit Protonentherapie im R. P. Th. C., M., i.H.v. 18.978,45 EUR zu erstatten,
31 
hilfsweise,
32 
zum Beweis der Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns im R. Anhaltspunkte für die Wirksamkeit der Protonentherapie vorlagen, die Einholung eines strahlentherapeutischen- bzw. onkologischen Fachgutachtens. Der Gutachter wird bestätigen, dass zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns Anhaltspunkte vorlagen, dass die Protonentherapie bei der Versicherten positive Wirkung entfalten kann.
33 
Die Beklagte beantragt,
34 
die Berufung zurückzuweisen.
35 
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
36 
Mit Beschluss vom 31.08.2015 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das beim Bundessozialgericht (BSG) unter dem Aktenzeichen B 1 KR 14/14 R anhängige Revisionsverfahren angeordnet.
37 
Am 16.03.2016 hat der Kläger das Verfahren (nach Ergehen des Urteils des BSG vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris) wieder angerufen. Es wird unter dem Aktenzeichen L 5 KR 1036/16 fortgeführt.
38 
Der Kläger trägt abschließend vor, der Kostenerstattungsanspruch könne nicht mangels rechtlich wirksamer Kostenbelastung der Versicherten ausgeschlossen werden (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris). In der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2017 hat er noch eine Mehrfertigung des „w. j.“ (4/2010) vorgelegt, in der der Artikel „Klatskin Tumor - Neues zu Diagnostik und Therapie des hilären Gallenwegskarzinoms“ veröffentlicht ist.
39 
Die Beklagte weist abschließend auf das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.09.2015 (- L 1 KR 524/12 -, nicht veröffentlicht) hin; dieses Urteil stütze ihre Rechtsaufassung.
40 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
41 
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens ist die Erstattung der Aufwendungen, die der Versicherten für die Behandlung ihrer Krebserkrankung durch Protonentherapie entstanden sind. Die Kosten, die der Versicherten hierfür in Rechnung gestellt worden sind, belaufen sich auf 18.978,45 EUR. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist damit überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig. Der Kläger macht den Erstattungsanspruch zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG). Er ist hierfür gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten (als mit ihr zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebender Ehegatte) prozessführungsbefugt. Da der Erstattungsanspruch über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen zum Gegenstand hat, stellt er (in jedem Fall) einen Anspruch auf laufende Geldleistungen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I dar (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 6/11 R -, in juris).
II.
42 
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlung der Krebserkrankung der Versicherten durch Protonentherapie.
43 
1.) Da die Versicherte nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung gewählt hatte, kommt als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der GKV (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 (1. und 2. Alt.) SGB V reicht daher nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Die Selbstbeschaffung der Leistung muss außerdem zu einer (zivil-) rechtlich wirksamen Kostenlast des Versicherten geführt haben. Daran kann es insbesondere bei Verstößen gegen das einschlägige öffentlich-rechtliche Preisrecht fehlen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - zur GOÄ und zum Preisrecht für Krankenhausleistungen; auch etwa jurisPK-SGB V Schlegel/Voelzke, § 33 Rdnr. 49).
44 
Der regelmäßig im Vordergrund stehende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und außerdem einen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung der Leistung entstandenen Kostenlast voraus. Dieser Ursachenzusammenhang fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V) oder wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt weder einen „Formalismus“ in dem Sinne dar, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte nicht gehalten ist, die Entscheidung der Krankenkasse in seine eigene Entscheidung inhaltlich einzubeziehen, sondern den Abschluss des Verwaltungsverfahrens nur „formal“ abwarten muss, jedoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der GKV gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (so: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Dem steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG; Beschluss vom 19.03.2009, - 1 BvR 316/09 -, in juris) nicht in der Weise ausgelegt werden darf, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt.
45 
Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V (unaufschiebbare Leistung) setzt voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht (mehr) darauf an, ob es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten; die gegenteilige Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris) aufgegeben. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern (sogar) ein (medizinischer) Notfall i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung, § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V kann daher (gerade) auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (auch dazu: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris). Auch bei Vorliegen einer unaufschiebbaren Leistung i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V ist aber notwendig, dass die selbst beschaffte Leistung zu den von der GKV als Sachleistung zu gewährenden Leistungen (zu ihrem Leistungskatalog) gehört (BSG; Urteil vom 08.09.2015, a.a.O.).
46 
2.) Davon ausgehend kann der Kläger die Erstattung der Aufwendungen, die der Versicherten für die Behandlung ihrer Krebserkrankung durch Protonentherapie entstanden sind, nicht beanspruchen.
47 
Der Senat kann zunächst - im Hinblick auf beide Erstattungstatbestände des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V - offen lassen, ob die für die Erbringung der Protonentherapie vereinbarte Vergütung gegen öffentlich-rechtliches Preisrecht verstoßen und es deshalb an einer rechtswirksamen Kostenbelastung der Versicherten gefehlt hat (vgl. dazu BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris Rdnr. 21; Urteil vom 11.09.2012, - B 1 KR 3/12 R -, in juris Rdnr. 38 ff.). Der Senat kann - im Hinblick auf den Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V - weiter offen lassen, ob eine unaufschiebbare Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht bzw. beschafft worden ist. Es spricht freilich viel dafür, dass die Protonentherapie nicht im Eilfall als unaufschiebbare Therapiemaßnahme, sondern nach vorheriger Überlegung und Abwägung des Für und Wider planmäßig durchgeführt worden ist. Die Versicherte hatte sich, nachdem sie durch den Bruder des Klägers auf die Protonentherapie aufmerksam gemacht worden war, an das R. gewandt, dort (vom R.-Träger) den Kostenvoranschlag vom 20.10.2009 hinsichtlich der anfallenden Behandlungskosten eingeholt, die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten dieser Behandlung Anfang November 2009 bei der Beklagten beantragt, sich am 15.12.2009 im R. zur Aufnahmeuntersuchung vorgestellt und die Protonentherapie sodann am 11.01.2010 aufgenommen. Bei diesem Verfahrensgang wird eine unaufschiebbare Leistung i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V kaum angenommen werden können. Schließlich kann der Senat - im Hinblick auf den Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V - auch offen lassen, ob die Versicherte von vornherein auf die Protonenbehandlung im R. festgelegt und fest entschlossen gewesen ist, sich diese Behandlungsleistung selbst dann zu beschaffen, wenn der Leistungsantrag abgelehnt werden sollte, und ob der Beschaffungsweg im Übrigen eingehalten worden ist; für eine Vorfestlegung der Versicherten spricht freilich, dass die gesamten (erheblichen) Behandlungskosten i.H.v. 18.978,45 EUR bereits am 10.12.2009 und noch vor Ergehen des Ablehnungsbescheids vom gleichen Tag überwiesen worden sind. Auf all diese Fragen kommt es entscheidungserheblich nicht an, weshalb der Senat nähere Feststellungen hierzu nicht treffen muss. Er muss weder weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht anstellen noch (zum Inhalt des Beratungsgesprächs vom 08. bzw. 09.12.2009) die vom Kläger beantragte Zeugenvernehmung durchführen. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch scheitert nämlich auch bei Vorliegen einer rechtlich wirksamen Kostenbelastung der Versicherten, bei Vorliegen eines Eilfalls (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V) bzw. bei fehlender Vorfestlegung auf die Protonentherapie im R. und bei Einhaltung des Beschaffungswegs (§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V) daran, dass sich die Versicherte eine Behandlungsleistung beschafft hat, die vom Leistungskatalog der GKV nicht umfasst gewesen ist und deren Kosten die Gemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten daher nicht übernehmen muss. Die Beklagte hat die Leistungsgewährung in Einklang mit den hierfür geltenden Vorschriften und Rechtsgrundsätzen zu Recht abgelehnt.
48 
Das SG hat zutreffend dargelegt, dass die Protonentherapie nicht als (voll- oder teilstationäre) Krankenhausbehandlung, sondern als ambulante Behandlungsleistung erbracht worden ist; der Kläger macht anderes auch nicht mehr geltend. Die Versicherte hat Krankenhausleistungen der Ch. Klinik Dr. R., wie Krankenhausverpflegung, Unterkunft oder pflegerische Betreuung und Medikation, nicht in Anspruch genommen. Sie hat die Behandlungsräume des R. in der Ch. Klinik Dr. R. nur zur (einmal wochentäglichen - Bericht des Arztes W. vom 05.02.2010) Durchführung der (wenige Minuten dauernden) Protonenbestrahlung aufgesucht, die Behandlungsräume nach erfolgter Bestrahlung wieder verlassen und sie ist im Übrigen im Gästehaus des R. untergebracht gewesen (vgl. hierzu auch Beschluss des erkennenden Senats vom 21.09.2016, - L 5 KR 2884/14 - und Urteil vom 14.12.2016, - L 5 KR 3913/15 -, beide nicht veröffentlicht).
49 
Als ambulante (vertragsärztliche) Behandlungsleistung hat die Protonentherapie nicht zu Lasten der GKV erbracht werden können. Hierfür fehlt die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V notwendige und hier auch nicht entbehrliche positive Empfehlung des GBA. Das SG hat das in seinem Urteil zutreffend dargelegt; hierauf wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG; vgl. hierzu auch Beschluss des erkennenden Senats vom 21.09.2016, - L 5 KR 2884/14 - und Urteil vom 14.12.2016, - L 5 KR 3913/15 -, beide nicht veröffentlicht). Die Beklagte hat der Versicherten die Protonentherapie auch nicht nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (jetzt kodifiziert in § 2 Abs. 1a SGB V) gewähren müssen. Die Protonentherapie war - zur (maßgeblichen) Zeit der Leistungserbringung - durch Richtlinienentscheidung des GBA zwar nicht ausdrücklich aus dem Katalog der zu Lasten der GKV ambulant erbringbaren Leistungen ausgeschlossen (vgl. zur Krankenhausbehandlung jetzt: § 4 Abs. 1 Nr. 3.10. RL Methoden Krankenhausbehandlung ), so dass eine Anspruchsbegründung aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs bzw. nach § 2 Abs. 1a SGB V ohne Weiteres statthaft ist (dazu auch Senatsurteil vom 18.03.2015, a.a.O. m.w.N. und Senatsurteil vom 27.07.2016, - L 5 KR 4217/14 -, in juris; vgl. auch § 2 Abs. 2 der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung, MethodRL). Die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung in grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs sind jedoch nicht erfüllt gewesen.
50 
In seinem grundlegenden Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -, in juris) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und mit der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dE. lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn diese Behandlungsmethode eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (BVerfG, a.a.O. Rdnr. 64). Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts ist in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig. Übernimmt der Staat mit dem System der gesetzlichen Krankenversicherung Verantwortung für Leben und körperliche Unversehrtheit der Versicherten, so gehört die Vorsorge in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung unter den genannten Voraussetzungen zum Kernbereich der Leistungspflicht und der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geforderten Mindestversorgung (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 65). Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R -, beide in juris, - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der GKV ausgeschlossen, weil der zuständige GBA diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit (BSG, Urteil vom 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht etwa bei BSG, Urteil vom 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -, alle in juris) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415/13 -, beide in juris), wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -, in juris; zu alledem auch Senatsurteile vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 - und vom 27.07.2016, - L 5 KR 442/16 -, beide in juris).
51 
Bei der Versicherten hat mit dem cholangiozellulären Karzinom mit Lebermetastasen (unstreitig) eine regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorgelegen; die Versicherte ist an dieser Erkrankung auch verstorben. Angesichts des weit fortgeschrittenen Krankheitsstadiums (so auch Dr. B. im MDK-Gutachten vom 25.07.2011 unter Hinweis auf eine mediane Überlebenszeit bei Fernmetastasen von ca. 3 Monaten) hat sich die Versicherte bei Aufnahme der Protonentherapie in einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage befunden; das geht aus dem MDK-Gutachten des Dr. F. vom 09.12.2009 hervor. Eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung hat nicht mehr zur Verfügung gestanden. Der Senat entnimmt das dem Bericht des Prof. Dr. H. vom 16.07.2013. Danach ist die zytostatische Therapie (Chemotherapie) des cholangiozellulären Karzinoms insgesamt schwierig, weil der Tumor nur ein geringes Ansprechen auf diese Behandlung zeigt. Bei der Versicherten hat die Anwendung von 3 Zyklen Chemotherapie seit September 2009 auch keine wesentliche Wirkung gehabt; der Tumor hat sich nicht verkleinert. Die Fortführung der Chemotherapie über 3 weitere Zyklen, ggf. bei dennoch stattfindender Tumorprogression (und gutem Allgemeinzustand) eine Zweitlinientherapie ist danach wenig aussichtsreich gewesen. Die konventionelle Strahlentherapie (Photonenbestrahlung) ist im Bereich des Leberhilus/Gallenblasenbetts auf Grund der Toxizität sehr problematisch und wird deswegen in der Regel nicht durchgeführt. Damit sind die (schulmedizinischen) therapeutischen Methoden zur Behandlung der metastasierten und lokal fortgeschrittenen Tumorerkrankung der Versicherten - so die Einschätzung des Prof. Dr. H. - sehr begrenzt und nach Auffassung des Senats ausgeschöpft gewesen.
52 
Ausschlaggebend ist daher, ob für die bei der Versicherten durchgeführte Protonentherapie eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden hat. Das ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall gewesen.
53 
Die Anforderungen an das für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs vielfach - so auch hier - im Vordergrund stehende Merkmal der indiziengestützten nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (dazu näher, insbesondere zur abstrakten und konkret-individuellen Prüfung und Abwägung von Risiken und Nutzen der Behandlungsmethode, BSG, Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R -, in juris Rdnr. 16) dürfen nicht (gänzlich) aufgelöst werden. Das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. auch gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, genügt für sich allein genommen regelmäßig nicht (vgl. dazu auch etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, in juris Rdnr 32 f.; Senatsurteil vom 27.07.2016, - L 5 KR 442/16 -, in juris). Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, muss die GKV auch nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (bzw. des § 2 Abs. 1a SGB V) nicht gewähren (BSG, Urteil vom 07.05.2013, - B 1 KR 26/12 R -, in juris Rdnr. 21). Außerdem dürfen den Versicherten nicht die im Krankenversicherungsrecht vorgesehenen Schutzmechanismen entzogen werden. Das Vorliegen indiziengestützter Erfolgsaussichten der in Rede stehenden Behandlungsmethode ist daher nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu beurteilen (BSG, Urteil vom 07.05.2013, a.a.O., auch zum Arztvorbehalt des § 15 SGB V).
54 
Die Anforderungen an das Merkmal der indiziengestützten nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf dürfen im Einzelfall freilich auch nicht überspannt werden. Hierzu neigt der MDK nach den Erfahrungen des Senats tendenziell, etwa durch das Verlangen eines Wirksamkeits- und Nutzennachweises durch evidenzbasierte Studien (vgl. etwa Senatsurteil vom 19.03.2014, - L 5 KR 1496/13 -, in juris: Behandlung des Schleimhautmelanoms durch Immuntherapie mit dendritischen Zellen; auch BSG, Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R - in juris Rdnr. 16). Im Unterschied zur Anwendung von Arzneimitteln im Off-Label-Use (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 25/11 R -; Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -, beide in juris) genügen nämlich schon (Wirksamkeits-)Indizien. Solche Indizien können sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden. Das BVerfG (Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris) hat als (so BVerfG a.a.O.) „Hinweise“ auf einen individuellen Wirkungszusammenhang etwa einen Vergleich des Gesundheitszustands des Versicherten mit dem Zustand anderer, in gleicher Weise erkrankter, aber nicht mit der in Frage stehenden Methode behandelter Personen sowie auch mit dem solcher Personen, die bereits auf diese Weise behandelt wurden oder behandelt werden, angeführt, wobei derartige Erfahrungen insbesondere bei einer länger andauernden Behandlung Folgerungen für die Wirksamkeit der Behandlung erlauben können. Auch der fachlichen Einschätzung der Wirksamkeit der Methode im konkreten Einzelfall durch die Ärzte des Erkrankten, die die Symptome seiner Krankheit behandeln, kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG Bedeutung zu und es können sich „Hinweise“ auf die Eignung der im Streit befindlichen Behandlung auch aus der wissenschaftlichen Diskussion ergeben (so: BVerfG, Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris Rdnr. 66; auch BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 -, in juris Rdnr. 14). Davon ausgehend hat das BSG etwa Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten und Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen (Urteil vom 04.02.2006, - B 1 KR 7/05 R -, in juris) oder Verlaufsbeobachtungen an Hand von 126 operierten Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle (Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R -, in juris) für geeignete Indizien erachtet, um das Bestehen von mehr als bloß ganz entfernt (fern) liegenden Aussichten auf eine spürbar(e) positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch eine Therapie nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu begründen (Urteil vom 02.09.2014, a.a.O.). Steht bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode generell nicht zur Verfügung oder scheidet sie im konkreten Einzelfall (nachgewiesenermaßen) aus, sind schließlich Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen: je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften „Hinweise“ auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg (vgl. ebenfalls etwa BSG, Urteil vom 02.09.2014, a.a.O., Rdnr. 17).
55 
Der nicht ganz entfernt liegende „Behandlungserfolg“ der Alternativbehandlung muss auch bei Versicherten, die sich schulmedizinisch betrachtet in einer Palliativsituation befinden, keinen kurativen Behandlungsverfolg in dem Sinne darstellen, dass die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung als Wiederherstellung der Gesundheit (restitutio ad integrum) bestehen und die Alternativbehandlung hierauf gerichtet sein und mit diesem Anspruch auftreten müsste. Der Rechtsprechung des BVerfG ist eine Einschränkung der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs dieser Art, wovon das SG aber offenbar ausgegangen ist (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014, - L 11 KR 3597/13 -, in juris), nicht zu entnehmen. Eine solche Einschränkung würde die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Pflicht der GKV zum Schutz von Leben und Gesundheit der Versicherten auch unzulässig verkürzen, zumal in den Fallgestaltungen, in denen die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs in Betracht kommt, eine Heilungsaussicht im vorstehend beschriebenen Sinne der Kuration (als restitutio ad integrum) vielfach nicht (mehr) besteht. Das BVerfG hat die Fälle der (nicht ganz fern liegenden) Aussicht auf Heilung und der (nicht ganz fern liegenden) Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf mit der Wendung „oder“ alternativ nebeneinander gestellt und mit der Wendung „wenigstens“ (zusätzlich) zum Ausdruck gebracht, dass es bei der zweiten Alternative „spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf“ nicht wie bei der ersten Alternative um „Heilung“ gehen muss (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris Rdnr. 64). Aus dem Beschluss des BVerfG vom 26.02.2013 (- 1 BvR 2045/12 -, in juris), auf den sich das LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 24.06.2014 (- L 11 KR 3597/13 -, in juris) stützt, folgt nichts anderes. Danach kommt eine Alternativbehandlung bei krankheitsbedingter Lebensgefahr, wenn die Schulmedizin jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet und nur noch palliative Therapien anbietet, zwar nur in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen „über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg“ besteht; Versicherte könnten jedenfalls dann nicht auf eine palliative Standardtherapie verwiesen werden, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernt liegende „Aussicht auf Heilung“ bestehe (so BVerfG, a.a.O.). Das bedeutet aber nicht, dass Versicherte, die sich aus schulmedizinischer Sicht in einer Palliativsituation befinden, grundrechtsfundiert nur solche Alternativbehandlungen beanspruchen könnten, die einen kurativen Anspruch im (engeren) Sinne der restitutio ad integrum erheben (können). Mit „Heilung“ im Sinne des genannten Beschlusses des BVerfG ist vielmehr (auch) die spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, etwa durch Verlängerung der möglichst beschwerdefreien oder beschwerdearmen (Über-)Lebenszeit des (Tod-)Kranken, namentlich durch das vorübergehende Aufhalten oder Verlangsamen des Fortschreitens der nicht mehr heilbaren und deshalb kurativ nicht behandelbaren Erkrankung gemeint; das gilt insbesondere für nicht mehr heilbare Tumorerkrankungen, bei denen das Tumorwachstum zur Verlängerung der Lebenszeit des Erkrankten vorübergehend aufgehalten oder verlangsamt werden soll. In der Lebenszeitverlängerung als solcher liegt dann die positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, die freilich außerdem auch spürbar sein muss (in diesem Sinne ersichtlich auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2016, - L 11 KR 1180/15 -, in juris Rdnr. 33; zu alledem auch Senatsurteil vom 22.02.2017, - L 5 KR 1653/15 -, in juris: Behandlung des Glioblastoms durch Immuntherapie mit dendritischen Zellen).
56 
Nach Maßgabe dE. sind ausreichende Indizien für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im vorstehend beschriebenen Sinn nicht festzustellen.
57 
Im Ausgangspunkt unschädlich ist zwar, dass für die Versicherte bei Beginn der Protonentherapie eine Aussicht auf Heilung ihrer Krebserkrankung unstreitig nicht mehr bestanden, sie sich also in einer Palliativsituation befunden hat, und die in Rede stehende Behandlungsmethode nicht mit der Zielsetzung und dem Anspruch der Heilung angewendet worden ist, es vielmehr um eine (spürbare) Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch Verlängerung der möglichst beschwerdefreien oder beschwerdearmen Überlebenszeit bis zum nicht mehr abzuwendenden (Krebs-)Tod gegangen ist (so auch der Arzt W. - R. - im Bericht vom 05.02.2010). Aus dem MDK-Gutachten des Dr. B. vom 25.07.2011 geht aber hervor, dass es für die Protonentherapie (hier) zur Behandlung des cholangiozellulären Karzinoms mit Lebermetastasen keine ausreichenden Indizien für eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gibt. Die von Dr. B. durchgeführte Literaturrecherche hat keine (einzige) Publikation zur Anwendung der Protonentherapie beim Cholangiokarzinom ergeben. Die vom R. angeführten drei Publikationen sind, wie Dr. B. schlüssig dargelegt hat, nicht einschlägig. Zwei Publikationen haben nicht die Protonentherapie, sondern die (schulmedizinische) Photonentherapie zum Gegenstand, die dritte Publikation betrifft die zusätzlich zur (hier mangels Operabilität des Tumors ausscheidenden) chirurgischen Intervention durchgeführte Strahlentherapie. Bei dem viel häufigeren Krankheitsbild des kolorektalen Karzinoms und Lebermetastasen hat der GBA (im Januar 2011) weltweit nur 5 publizierte Patienten auffinden können. Der Arzt W. (R.) hat insoweit bestätigt, dass die Protonentherapie nur sporadisch angewendet wird und man im R. die Protonenbestrahlung eines malignen Gallengangtumors bislang nur in einem Fall durchgeführt hat (Bericht vom 05.02.2010). Fallserien oder Fallberichte kommen als Indizien daher nicht in Betracht. Leitlinien von Fachgesellschaften existieren für die Protonentherapie ebenfalls nicht. Für den im wissenschaftlich-theoretischen Ansatz bzw. im wissenschaftlichen Erklärungsmodell postulierten Nutzen der Protonentherapie - Schonung der Tumornachbarschaft infolge steilerer Dosisgradienz zwischen Zielvolumen und Risikoorganen - gibt es nach der von Dr. B. in seinem Gutachten angeführten Auffassung des GBA noch keine Belege. Erfahrungswerte hinsichtlich der notwendigen Strahlendosis liegen nicht vor. Aus den seit 01.11.2009 an der Universitätsklinik H. durchgeführten Studien zur Anwendung der Protonentherapie bei Hirntumoren können (Wirksamkeits-)Indizien für die hier vorliegende Fallgestaltung nicht abgeleitet werden, da die Protonentherapie - als experimentelles Verfahren - (erst) im Rahmen kontrollierter klinischer Studien praktiziert wird und die Studien auch eine andere Krebserkrankung betreffen. Die vom Kläger angeführte (spätere) Kooperation der Beklagten mit den Universitätskliniken E. und H. ist nicht von Belang. (Wirksamkeits-)Indizien müssen sich aus Erkenntnissen (vor allem) der medizinischen Wissenschaft oder der (klinischen) Behandlungspraxis ergeben. Die Verwaltungspraxis einer Krankenkasse kommt hierfür nicht in Betracht. Entsprechendes gilt für die im Richtlinienverfahren des GBA nach § 137c SGB V abgegebene Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 06.11.2009. Bei dieser Stellungnahme handelt es sich nicht um eine medizinisch-wissenschaftliche Expertise, sondern um die Äußerung einer im Richtlinienverfahren angehörten Körperschaft (vgl. § 91 Abs. 5 SGB V). Dass der GBA die Erbringung der Protonentherapie bei Lebermetastasen mit Beschluss vom 20.01.2011 aus der stationären Krankenhausbehandlung zu Lasten der GKV ausgeschlossen hat, ist hier nicht von Belang, weil es auf die Rechtslage bei Durchführung der streitigen Behandlung (im Januar/Februar 2010) ankommt. Unerheblich ist auch, ob die Versicherte die Protonentherapie in ihrem Fall als hilfreich empfunden hat und ihr im Nachhinein betrachtet ein individueller Nutzen zugeschrieben werden soll. Für die Begründung einer Leistungspflicht bzw. Erstattungspflicht der GKV genügt das nicht.
58 
Die Versicherte hat sich die Protonentherapie im R. auf eigenen Wunsch als experimentelles und vom Leistungskatalog der GKV nicht umfasstes Behandlungsverfahren im Rahmen eines Heilversuchs beschafft. Die ihr hierfür entstandenen Aufwendungen muss die Gemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten nicht übernehmen.
59 
Angesichts der vorliegenden Arztberichte und - eingehenden - MDK-Gutachten (zuletzt des Dr. B. vom 25.07.2011) drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht nicht auf. Die Erhebung eines (weiteren) Gutachtens, wie vom Kläger hilfsweise beantragt, ist nicht durchzuführen. Gegen die für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Erkenntnisse des MDK sind stichhaltige Einwendungen nicht erhoben; begründete Zweifel sind nicht ersichtlich. Das gilt auch im Hinblick auf ein in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgelegtes Journal des W. Tumorzentrums (W.), in dem (auf S. 7) zu den Möglichkeiten der Strahlentherapie im Hinblick auf die Zielsetzung moderner Bestrahlungstechniken (Intensivierung der lokalen Tumorbehandlung bei weitestgehender Schonung der dem Tumorbett angrenzenden Strukturen) ohne weitere Vertiefung von der intraoperativen Strahlentherapie, der stereotaktischen 3-D-Bestrahlung und - (auch lediglich) als Option für die Zukunft - von der Protonentherapie die Rede ist. Die angesprochene deutliche Verlängerung der Überlebenszeit bezieht sich außerdem (allgemein) auf die intraoperative Bestrahlung des Klatskin-Tumors bzw. auf Patienten nach einer Lebertransplantation, worum es hier nicht geht.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
61 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Gründe

 
I.
41 
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens ist die Erstattung der Aufwendungen, die der Versicherten für die Behandlung ihrer Krebserkrankung durch Protonentherapie entstanden sind. Die Kosten, die der Versicherten hierfür in Rechnung gestellt worden sind, belaufen sich auf 18.978,45 EUR. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist damit überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig. Der Kläger macht den Erstattungsanspruch zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG). Er ist hierfür gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten (als mit ihr zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebender Ehegatte) prozessführungsbefugt. Da der Erstattungsanspruch über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen zum Gegenstand hat, stellt er (in jedem Fall) einen Anspruch auf laufende Geldleistungen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I dar (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 6/11 R -, in juris).
II.
42 
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlung der Krebserkrankung der Versicherten durch Protonentherapie.
43 
1.) Da die Versicherte nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung gewählt hatte, kommt als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der GKV (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 (1. und 2. Alt.) SGB V reicht daher nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Die Selbstbeschaffung der Leistung muss außerdem zu einer (zivil-) rechtlich wirksamen Kostenlast des Versicherten geführt haben. Daran kann es insbesondere bei Verstößen gegen das einschlägige öffentlich-rechtliche Preisrecht fehlen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - zur GOÄ und zum Preisrecht für Krankenhausleistungen; auch etwa jurisPK-SGB V Schlegel/Voelzke, § 33 Rdnr. 49).
44 
Der regelmäßig im Vordergrund stehende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und außerdem einen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung der Leistung entstandenen Kostenlast voraus. Dieser Ursachenzusammenhang fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V) oder wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt weder einen „Formalismus“ in dem Sinne dar, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte nicht gehalten ist, die Entscheidung der Krankenkasse in seine eigene Entscheidung inhaltlich einzubeziehen, sondern den Abschluss des Verwaltungsverfahrens nur „formal“ abwarten muss, jedoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der GKV gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (so: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Dem steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG; Beschluss vom 19.03.2009, - 1 BvR 316/09 -, in juris) nicht in der Weise ausgelegt werden darf, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt.
45 
Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V (unaufschiebbare Leistung) setzt voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht (mehr) darauf an, ob es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten; die gegenteilige Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris) aufgegeben. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern (sogar) ein (medizinischer) Notfall i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung, § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V kann daher (gerade) auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (auch dazu: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris). Auch bei Vorliegen einer unaufschiebbaren Leistung i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V ist aber notwendig, dass die selbst beschaffte Leistung zu den von der GKV als Sachleistung zu gewährenden Leistungen (zu ihrem Leistungskatalog) gehört (BSG; Urteil vom 08.09.2015, a.a.O.).
46 
2.) Davon ausgehend kann der Kläger die Erstattung der Aufwendungen, die der Versicherten für die Behandlung ihrer Krebserkrankung durch Protonentherapie entstanden sind, nicht beanspruchen.
47 
Der Senat kann zunächst - im Hinblick auf beide Erstattungstatbestände des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V - offen lassen, ob die für die Erbringung der Protonentherapie vereinbarte Vergütung gegen öffentlich-rechtliches Preisrecht verstoßen und es deshalb an einer rechtswirksamen Kostenbelastung der Versicherten gefehlt hat (vgl. dazu BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris Rdnr. 21; Urteil vom 11.09.2012, - B 1 KR 3/12 R -, in juris Rdnr. 38 ff.). Der Senat kann - im Hinblick auf den Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V - weiter offen lassen, ob eine unaufschiebbare Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht bzw. beschafft worden ist. Es spricht freilich viel dafür, dass die Protonentherapie nicht im Eilfall als unaufschiebbare Therapiemaßnahme, sondern nach vorheriger Überlegung und Abwägung des Für und Wider planmäßig durchgeführt worden ist. Die Versicherte hatte sich, nachdem sie durch den Bruder des Klägers auf die Protonentherapie aufmerksam gemacht worden war, an das R. gewandt, dort (vom R.-Träger) den Kostenvoranschlag vom 20.10.2009 hinsichtlich der anfallenden Behandlungskosten eingeholt, die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten dieser Behandlung Anfang November 2009 bei der Beklagten beantragt, sich am 15.12.2009 im R. zur Aufnahmeuntersuchung vorgestellt und die Protonentherapie sodann am 11.01.2010 aufgenommen. Bei diesem Verfahrensgang wird eine unaufschiebbare Leistung i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V kaum angenommen werden können. Schließlich kann der Senat - im Hinblick auf den Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V - auch offen lassen, ob die Versicherte von vornherein auf die Protonenbehandlung im R. festgelegt und fest entschlossen gewesen ist, sich diese Behandlungsleistung selbst dann zu beschaffen, wenn der Leistungsantrag abgelehnt werden sollte, und ob der Beschaffungsweg im Übrigen eingehalten worden ist; für eine Vorfestlegung der Versicherten spricht freilich, dass die gesamten (erheblichen) Behandlungskosten i.H.v. 18.978,45 EUR bereits am 10.12.2009 und noch vor Ergehen des Ablehnungsbescheids vom gleichen Tag überwiesen worden sind. Auf all diese Fragen kommt es entscheidungserheblich nicht an, weshalb der Senat nähere Feststellungen hierzu nicht treffen muss. Er muss weder weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht anstellen noch (zum Inhalt des Beratungsgesprächs vom 08. bzw. 09.12.2009) die vom Kläger beantragte Zeugenvernehmung durchführen. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch scheitert nämlich auch bei Vorliegen einer rechtlich wirksamen Kostenbelastung der Versicherten, bei Vorliegen eines Eilfalls (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V) bzw. bei fehlender Vorfestlegung auf die Protonentherapie im R. und bei Einhaltung des Beschaffungswegs (§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V) daran, dass sich die Versicherte eine Behandlungsleistung beschafft hat, die vom Leistungskatalog der GKV nicht umfasst gewesen ist und deren Kosten die Gemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten daher nicht übernehmen muss. Die Beklagte hat die Leistungsgewährung in Einklang mit den hierfür geltenden Vorschriften und Rechtsgrundsätzen zu Recht abgelehnt.
48 
Das SG hat zutreffend dargelegt, dass die Protonentherapie nicht als (voll- oder teilstationäre) Krankenhausbehandlung, sondern als ambulante Behandlungsleistung erbracht worden ist; der Kläger macht anderes auch nicht mehr geltend. Die Versicherte hat Krankenhausleistungen der Ch. Klinik Dr. R., wie Krankenhausverpflegung, Unterkunft oder pflegerische Betreuung und Medikation, nicht in Anspruch genommen. Sie hat die Behandlungsräume des R. in der Ch. Klinik Dr. R. nur zur (einmal wochentäglichen - Bericht des Arztes W. vom 05.02.2010) Durchführung der (wenige Minuten dauernden) Protonenbestrahlung aufgesucht, die Behandlungsräume nach erfolgter Bestrahlung wieder verlassen und sie ist im Übrigen im Gästehaus des R. untergebracht gewesen (vgl. hierzu auch Beschluss des erkennenden Senats vom 21.09.2016, - L 5 KR 2884/14 - und Urteil vom 14.12.2016, - L 5 KR 3913/15 -, beide nicht veröffentlicht).
49 
Als ambulante (vertragsärztliche) Behandlungsleistung hat die Protonentherapie nicht zu Lasten der GKV erbracht werden können. Hierfür fehlt die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V notwendige und hier auch nicht entbehrliche positive Empfehlung des GBA. Das SG hat das in seinem Urteil zutreffend dargelegt; hierauf wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG; vgl. hierzu auch Beschluss des erkennenden Senats vom 21.09.2016, - L 5 KR 2884/14 - und Urteil vom 14.12.2016, - L 5 KR 3913/15 -, beide nicht veröffentlicht). Die Beklagte hat der Versicherten die Protonentherapie auch nicht nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (jetzt kodifiziert in § 2 Abs. 1a SGB V) gewähren müssen. Die Protonentherapie war - zur (maßgeblichen) Zeit der Leistungserbringung - durch Richtlinienentscheidung des GBA zwar nicht ausdrücklich aus dem Katalog der zu Lasten der GKV ambulant erbringbaren Leistungen ausgeschlossen (vgl. zur Krankenhausbehandlung jetzt: § 4 Abs. 1 Nr. 3.10. RL Methoden Krankenhausbehandlung ), so dass eine Anspruchsbegründung aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs bzw. nach § 2 Abs. 1a SGB V ohne Weiteres statthaft ist (dazu auch Senatsurteil vom 18.03.2015, a.a.O. m.w.N. und Senatsurteil vom 27.07.2016, - L 5 KR 4217/14 -, in juris; vgl. auch § 2 Abs. 2 der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung, MethodRL). Die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung in grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs sind jedoch nicht erfüllt gewesen.
50 
In seinem grundlegenden Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -, in juris) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und mit der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dE. lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn diese Behandlungsmethode eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (BVerfG, a.a.O. Rdnr. 64). Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts ist in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig. Übernimmt der Staat mit dem System der gesetzlichen Krankenversicherung Verantwortung für Leben und körperliche Unversehrtheit der Versicherten, so gehört die Vorsorge in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung unter den genannten Voraussetzungen zum Kernbereich der Leistungspflicht und der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geforderten Mindestversorgung (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 65). Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R -, beide in juris, - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der GKV ausgeschlossen, weil der zuständige GBA diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit (BSG, Urteil vom 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht etwa bei BSG, Urteil vom 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -, alle in juris) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415/13 -, beide in juris), wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -, in juris; zu alledem auch Senatsurteile vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 - und vom 27.07.2016, - L 5 KR 442/16 -, beide in juris).
51 
Bei der Versicherten hat mit dem cholangiozellulären Karzinom mit Lebermetastasen (unstreitig) eine regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorgelegen; die Versicherte ist an dieser Erkrankung auch verstorben. Angesichts des weit fortgeschrittenen Krankheitsstadiums (so auch Dr. B. im MDK-Gutachten vom 25.07.2011 unter Hinweis auf eine mediane Überlebenszeit bei Fernmetastasen von ca. 3 Monaten) hat sich die Versicherte bei Aufnahme der Protonentherapie in einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage befunden; das geht aus dem MDK-Gutachten des Dr. F. vom 09.12.2009 hervor. Eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung hat nicht mehr zur Verfügung gestanden. Der Senat entnimmt das dem Bericht des Prof. Dr. H. vom 16.07.2013. Danach ist die zytostatische Therapie (Chemotherapie) des cholangiozellulären Karzinoms insgesamt schwierig, weil der Tumor nur ein geringes Ansprechen auf diese Behandlung zeigt. Bei der Versicherten hat die Anwendung von 3 Zyklen Chemotherapie seit September 2009 auch keine wesentliche Wirkung gehabt; der Tumor hat sich nicht verkleinert. Die Fortführung der Chemotherapie über 3 weitere Zyklen, ggf. bei dennoch stattfindender Tumorprogression (und gutem Allgemeinzustand) eine Zweitlinientherapie ist danach wenig aussichtsreich gewesen. Die konventionelle Strahlentherapie (Photonenbestrahlung) ist im Bereich des Leberhilus/Gallenblasenbetts auf Grund der Toxizität sehr problematisch und wird deswegen in der Regel nicht durchgeführt. Damit sind die (schulmedizinischen) therapeutischen Methoden zur Behandlung der metastasierten und lokal fortgeschrittenen Tumorerkrankung der Versicherten - so die Einschätzung des Prof. Dr. H. - sehr begrenzt und nach Auffassung des Senats ausgeschöpft gewesen.
52 
Ausschlaggebend ist daher, ob für die bei der Versicherten durchgeführte Protonentherapie eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden hat. Das ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall gewesen.
53 
Die Anforderungen an das für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs vielfach - so auch hier - im Vordergrund stehende Merkmal der indiziengestützten nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (dazu näher, insbesondere zur abstrakten und konkret-individuellen Prüfung und Abwägung von Risiken und Nutzen der Behandlungsmethode, BSG, Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R -, in juris Rdnr. 16) dürfen nicht (gänzlich) aufgelöst werden. Das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. auch gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, genügt für sich allein genommen regelmäßig nicht (vgl. dazu auch etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, in juris Rdnr 32 f.; Senatsurteil vom 27.07.2016, - L 5 KR 442/16 -, in juris). Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, muss die GKV auch nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (bzw. des § 2 Abs. 1a SGB V) nicht gewähren (BSG, Urteil vom 07.05.2013, - B 1 KR 26/12 R -, in juris Rdnr. 21). Außerdem dürfen den Versicherten nicht die im Krankenversicherungsrecht vorgesehenen Schutzmechanismen entzogen werden. Das Vorliegen indiziengestützter Erfolgsaussichten der in Rede stehenden Behandlungsmethode ist daher nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu beurteilen (BSG, Urteil vom 07.05.2013, a.a.O., auch zum Arztvorbehalt des § 15 SGB V).
54 
Die Anforderungen an das Merkmal der indiziengestützten nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf dürfen im Einzelfall freilich auch nicht überspannt werden. Hierzu neigt der MDK nach den Erfahrungen des Senats tendenziell, etwa durch das Verlangen eines Wirksamkeits- und Nutzennachweises durch evidenzbasierte Studien (vgl. etwa Senatsurteil vom 19.03.2014, - L 5 KR 1496/13 -, in juris: Behandlung des Schleimhautmelanoms durch Immuntherapie mit dendritischen Zellen; auch BSG, Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R - in juris Rdnr. 16). Im Unterschied zur Anwendung von Arzneimitteln im Off-Label-Use (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 25/11 R -; Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -, beide in juris) genügen nämlich schon (Wirksamkeits-)Indizien. Solche Indizien können sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden. Das BVerfG (Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris) hat als (so BVerfG a.a.O.) „Hinweise“ auf einen individuellen Wirkungszusammenhang etwa einen Vergleich des Gesundheitszustands des Versicherten mit dem Zustand anderer, in gleicher Weise erkrankter, aber nicht mit der in Frage stehenden Methode behandelter Personen sowie auch mit dem solcher Personen, die bereits auf diese Weise behandelt wurden oder behandelt werden, angeführt, wobei derartige Erfahrungen insbesondere bei einer länger andauernden Behandlung Folgerungen für die Wirksamkeit der Behandlung erlauben können. Auch der fachlichen Einschätzung der Wirksamkeit der Methode im konkreten Einzelfall durch die Ärzte des Erkrankten, die die Symptome seiner Krankheit behandeln, kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG Bedeutung zu und es können sich „Hinweise“ auf die Eignung der im Streit befindlichen Behandlung auch aus der wissenschaftlichen Diskussion ergeben (so: BVerfG, Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris Rdnr. 66; auch BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 -, in juris Rdnr. 14). Davon ausgehend hat das BSG etwa Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten und Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen (Urteil vom 04.02.2006, - B 1 KR 7/05 R -, in juris) oder Verlaufsbeobachtungen an Hand von 126 operierten Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle (Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R -, in juris) für geeignete Indizien erachtet, um das Bestehen von mehr als bloß ganz entfernt (fern) liegenden Aussichten auf eine spürbar(e) positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch eine Therapie nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu begründen (Urteil vom 02.09.2014, a.a.O.). Steht bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode generell nicht zur Verfügung oder scheidet sie im konkreten Einzelfall (nachgewiesenermaßen) aus, sind schließlich Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen: je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften „Hinweise“ auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg (vgl. ebenfalls etwa BSG, Urteil vom 02.09.2014, a.a.O., Rdnr. 17).
55 
Der nicht ganz entfernt liegende „Behandlungserfolg“ der Alternativbehandlung muss auch bei Versicherten, die sich schulmedizinisch betrachtet in einer Palliativsituation befinden, keinen kurativen Behandlungsverfolg in dem Sinne darstellen, dass die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung als Wiederherstellung der Gesundheit (restitutio ad integrum) bestehen und die Alternativbehandlung hierauf gerichtet sein und mit diesem Anspruch auftreten müsste. Der Rechtsprechung des BVerfG ist eine Einschränkung der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs dieser Art, wovon das SG aber offenbar ausgegangen ist (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014, - L 11 KR 3597/13 -, in juris), nicht zu entnehmen. Eine solche Einschränkung würde die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Pflicht der GKV zum Schutz von Leben und Gesundheit der Versicherten auch unzulässig verkürzen, zumal in den Fallgestaltungen, in denen die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs in Betracht kommt, eine Heilungsaussicht im vorstehend beschriebenen Sinne der Kuration (als restitutio ad integrum) vielfach nicht (mehr) besteht. Das BVerfG hat die Fälle der (nicht ganz fern liegenden) Aussicht auf Heilung und der (nicht ganz fern liegenden) Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf mit der Wendung „oder“ alternativ nebeneinander gestellt und mit der Wendung „wenigstens“ (zusätzlich) zum Ausdruck gebracht, dass es bei der zweiten Alternative „spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf“ nicht wie bei der ersten Alternative um „Heilung“ gehen muss (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris Rdnr. 64). Aus dem Beschluss des BVerfG vom 26.02.2013 (- 1 BvR 2045/12 -, in juris), auf den sich das LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 24.06.2014 (- L 11 KR 3597/13 -, in juris) stützt, folgt nichts anderes. Danach kommt eine Alternativbehandlung bei krankheitsbedingter Lebensgefahr, wenn die Schulmedizin jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet und nur noch palliative Therapien anbietet, zwar nur in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen „über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg“ besteht; Versicherte könnten jedenfalls dann nicht auf eine palliative Standardtherapie verwiesen werden, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernt liegende „Aussicht auf Heilung“ bestehe (so BVerfG, a.a.O.). Das bedeutet aber nicht, dass Versicherte, die sich aus schulmedizinischer Sicht in einer Palliativsituation befinden, grundrechtsfundiert nur solche Alternativbehandlungen beanspruchen könnten, die einen kurativen Anspruch im (engeren) Sinne der restitutio ad integrum erheben (können). Mit „Heilung“ im Sinne des genannten Beschlusses des BVerfG ist vielmehr (auch) die spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, etwa durch Verlängerung der möglichst beschwerdefreien oder beschwerdearmen (Über-)Lebenszeit des (Tod-)Kranken, namentlich durch das vorübergehende Aufhalten oder Verlangsamen des Fortschreitens der nicht mehr heilbaren und deshalb kurativ nicht behandelbaren Erkrankung gemeint; das gilt insbesondere für nicht mehr heilbare Tumorerkrankungen, bei denen das Tumorwachstum zur Verlängerung der Lebenszeit des Erkrankten vorübergehend aufgehalten oder verlangsamt werden soll. In der Lebenszeitverlängerung als solcher liegt dann die positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, die freilich außerdem auch spürbar sein muss (in diesem Sinne ersichtlich auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2016, - L 11 KR 1180/15 -, in juris Rdnr. 33; zu alledem auch Senatsurteil vom 22.02.2017, - L 5 KR 1653/15 -, in juris: Behandlung des Glioblastoms durch Immuntherapie mit dendritischen Zellen).
56 
Nach Maßgabe dE. sind ausreichende Indizien für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im vorstehend beschriebenen Sinn nicht festzustellen.
57 
Im Ausgangspunkt unschädlich ist zwar, dass für die Versicherte bei Beginn der Protonentherapie eine Aussicht auf Heilung ihrer Krebserkrankung unstreitig nicht mehr bestanden, sie sich also in einer Palliativsituation befunden hat, und die in Rede stehende Behandlungsmethode nicht mit der Zielsetzung und dem Anspruch der Heilung angewendet worden ist, es vielmehr um eine (spürbare) Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch Verlängerung der möglichst beschwerdefreien oder beschwerdearmen Überlebenszeit bis zum nicht mehr abzuwendenden (Krebs-)Tod gegangen ist (so auch der Arzt W. - R. - im Bericht vom 05.02.2010). Aus dem MDK-Gutachten des Dr. B. vom 25.07.2011 geht aber hervor, dass es für die Protonentherapie (hier) zur Behandlung des cholangiozellulären Karzinoms mit Lebermetastasen keine ausreichenden Indizien für eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gibt. Die von Dr. B. durchgeführte Literaturrecherche hat keine (einzige) Publikation zur Anwendung der Protonentherapie beim Cholangiokarzinom ergeben. Die vom R. angeführten drei Publikationen sind, wie Dr. B. schlüssig dargelegt hat, nicht einschlägig. Zwei Publikationen haben nicht die Protonentherapie, sondern die (schulmedizinische) Photonentherapie zum Gegenstand, die dritte Publikation betrifft die zusätzlich zur (hier mangels Operabilität des Tumors ausscheidenden) chirurgischen Intervention durchgeführte Strahlentherapie. Bei dem viel häufigeren Krankheitsbild des kolorektalen Karzinoms und Lebermetastasen hat der GBA (im Januar 2011) weltweit nur 5 publizierte Patienten auffinden können. Der Arzt W. (R.) hat insoweit bestätigt, dass die Protonentherapie nur sporadisch angewendet wird und man im R. die Protonenbestrahlung eines malignen Gallengangtumors bislang nur in einem Fall durchgeführt hat (Bericht vom 05.02.2010). Fallserien oder Fallberichte kommen als Indizien daher nicht in Betracht. Leitlinien von Fachgesellschaften existieren für die Protonentherapie ebenfalls nicht. Für den im wissenschaftlich-theoretischen Ansatz bzw. im wissenschaftlichen Erklärungsmodell postulierten Nutzen der Protonentherapie - Schonung der Tumornachbarschaft infolge steilerer Dosisgradienz zwischen Zielvolumen und Risikoorganen - gibt es nach der von Dr. B. in seinem Gutachten angeführten Auffassung des GBA noch keine Belege. Erfahrungswerte hinsichtlich der notwendigen Strahlendosis liegen nicht vor. Aus den seit 01.11.2009 an der Universitätsklinik H. durchgeführten Studien zur Anwendung der Protonentherapie bei Hirntumoren können (Wirksamkeits-)Indizien für die hier vorliegende Fallgestaltung nicht abgeleitet werden, da die Protonentherapie - als experimentelles Verfahren - (erst) im Rahmen kontrollierter klinischer Studien praktiziert wird und die Studien auch eine andere Krebserkrankung betreffen. Die vom Kläger angeführte (spätere) Kooperation der Beklagten mit den Universitätskliniken E. und H. ist nicht von Belang. (Wirksamkeits-)Indizien müssen sich aus Erkenntnissen (vor allem) der medizinischen Wissenschaft oder der (klinischen) Behandlungspraxis ergeben. Die Verwaltungspraxis einer Krankenkasse kommt hierfür nicht in Betracht. Entsprechendes gilt für die im Richtlinienverfahren des GBA nach § 137c SGB V abgegebene Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 06.11.2009. Bei dieser Stellungnahme handelt es sich nicht um eine medizinisch-wissenschaftliche Expertise, sondern um die Äußerung einer im Richtlinienverfahren angehörten Körperschaft (vgl. § 91 Abs. 5 SGB V). Dass der GBA die Erbringung der Protonentherapie bei Lebermetastasen mit Beschluss vom 20.01.2011 aus der stationären Krankenhausbehandlung zu Lasten der GKV ausgeschlossen hat, ist hier nicht von Belang, weil es auf die Rechtslage bei Durchführung der streitigen Behandlung (im Januar/Februar 2010) ankommt. Unerheblich ist auch, ob die Versicherte die Protonentherapie in ihrem Fall als hilfreich empfunden hat und ihr im Nachhinein betrachtet ein individueller Nutzen zugeschrieben werden soll. Für die Begründung einer Leistungspflicht bzw. Erstattungspflicht der GKV genügt das nicht.
58 
Die Versicherte hat sich die Protonentherapie im R. auf eigenen Wunsch als experimentelles und vom Leistungskatalog der GKV nicht umfasstes Behandlungsverfahren im Rahmen eines Heilversuchs beschafft. Die ihr hierfür entstandenen Aufwendungen muss die Gemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten nicht übernehmen.
59 
Angesichts der vorliegenden Arztberichte und - eingehenden - MDK-Gutachten (zuletzt des Dr. B. vom 25.07.2011) drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht nicht auf. Die Erhebung eines (weiteren) Gutachtens, wie vom Kläger hilfsweise beantragt, ist nicht durchzuführen. Gegen die für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Erkenntnisse des MDK sind stichhaltige Einwendungen nicht erhoben; begründete Zweifel sind nicht ersichtlich. Das gilt auch im Hinblick auf ein in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgelegtes Journal des W. Tumorzentrums (W.), in dem (auf S. 7) zu den Möglichkeiten der Strahlentherapie im Hinblick auf die Zielsetzung moderner Bestrahlungstechniken (Intensivierung der lokalen Tumorbehandlung bei weitestgehender Schonung der dem Tumorbett angrenzenden Strukturen) ohne weitere Vertiefung von der intraoperativen Strahlentherapie, der stereotaktischen 3-D-Bestrahlung und - (auch lediglich) als Option für die Zukunft - von der Protonentherapie die Rede ist. Die angesprochene deutliche Verlängerung der Überlebenszeit bezieht sich außerdem (allgemein) auf die intraoperative Bestrahlung des Klatskin-Tumors bzw. auf Patienten nach einer Lebertransplantation, worum es hier nicht geht.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
61 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. März 2017 - L 5 KR 1036/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. März 2017 - L 5 KR 1036/16

Referenzen - Gesetze

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. März 2017 - L 5 KR 1036/16 zitiert 29 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 13 Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 135 Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden


(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 85 Gesamtvergütung


(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärzt

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 91 Gemeinsamer Bundesausschuss


(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 137c Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Unte

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 56 Sonderrechtsnachfolge


(1) Fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen stehen beim Tod des Berechtigten nacheinander 1. dem Ehegatten,1a. dem Lebenspartner,2. den Kindern,3. den Eltern,4. dem Haushaltsführerzu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in ein

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 116b Ambulante spezialfachärztliche Versorgung


(1) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung umfasst die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattunge

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 76 Freie Arztwahl


(1) Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, de

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 15 Ärztliche Behandlung, elektronische Gesundheitskarte


(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wen

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 19 Leistungen auf Antrag oder von Amts wegen


Leistungen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie in der sozialen Pflegeversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abw

Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ 1982 | § 12 Fälligkeit und Abrechnung der Vergütung, Rechnung


(1) Die Vergütung wird fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine dieser Verordnung entsprechende Rechnung erteilt worden ist. (2) Die Rechnung muß insbesondere enthalten: 1. das Datum der Erbringung der Leistung,2. bei Gebühren die Nummer und die

Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ 1982 | § 2 Abweichende Vereinbarung


(1) Durch Vereinbarung kann eine von dieser Verordnung abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden. Für Leistungen nach § 5a ist eine Vereinbarung nach Satz 1 ausgeschlossen. Die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl (§ 5 Abs. 1 Satz 2) oder eines

Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ 1982 | § 10 Ersatz von Auslagen


(1) Neben den für die einzelnen ärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren können als Auslagen nur berechnet werden 1. die Kosten für diejenigen Arzneimittel, Verbandmittel und sonstigen Materialien, die der Patient zur weiteren Verwendung behält od

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. März 2017 - L 5 KR 1036/16 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. März 2017 - L 5 KR 1036/16 zitiert 9 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 27. Juli 2016 - L 5 KR 4217/14

bei uns veröffentlicht am 27.07.2016

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.07.2014 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Tatbestand   1 Die Beteiligten streiten über die Er

Bundessozialgericht Urteil, 02. Sept. 2014 - B 1 KR 4/13 R

bei uns veröffentlicht am 02.09.2014

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das La

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 19. März 2014 - L 5 KR 1496/13

bei uns veröffentlicht am 19.03.2014

Tenor Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26.02.2013 und der Bescheid der Beklagten vom 20.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.9.2010 aufgehoben.Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom

Bundessozialgericht Urteil, 07. Mai 2013 - B 1 KR 26/12 R

bei uns veröffentlicht am 07.05.2013

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 11. Sept. 2012 - B 1 KR 3/12 R

bei uns veröffentlicht am 11.09.2012

Tenor Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die

Bundessozialgericht Urteil, 03. Juli 2012 - B 1 KR 6/11 R

bei uns veröffentlicht am 03.07.2012

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main

Bundessozialgericht Urteil, 03. Juli 2012 - B 1 KR 25/11 R

bei uns veröffentlicht am 03.07.2012

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 08. Nov. 2011 - B 1 KR 19/10 R

bei uns veröffentlicht am 08.11.2011

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. März 2017 - L 5 KR 1036/16.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 16. Mai 2019 - L 20 KR 502/17

bei uns veröffentlicht am 16.05.2019

Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.06.2017 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

Referenzen

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Neben den für die einzelnen ärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren können als Auslagen nur berechnet werden

1.
die Kosten für diejenigen Arzneimittel, Verbandmittel und sonstigen Materialien, die der Patient zur weiteren Verwendung behält oder die mit einer einmaligen Anwendung verbraucht sind, soweit in Absatz 2 nichts anderes bestimmt ist,
2.
Versand- und Portokosten, soweit deren Berechnung nach Absatz 3 nicht ausgeschlossen ist,
3.
die im Zusammenhang mit Leistungen nach Abschnitt O bei der Anwendung radioaktiver Stoffe durch deren Verbrauch entstandenen Kosten sowie
4.
die nach den Vorschriften des Gebührenverzeichnisses als gesondert berechnungsfähig ausgewiesenen Kosten.
Die Berechnung von Pauschalen ist nicht zulässig.

(2) Nicht berechnet werden können die Kosten für

1.
Kleinmaterialien wie Zellstoff, Mulltupfer, Schnellverbandmaterial, Verbandspray, Gewebeklebstoff auf Histoacrylbasis, Mullkompressen, Holzspatel, Holzstäbchen, Wattestäbchen, Gummifingerlinge,
2.
Reagenzien und Narkosemittel zur Oberflächenanästhesie,
3.
Desinfektions- und Reinigungsmittel,
4.
Augen-, Ohren-, Nasentropfen, Puder, Salben und geringwertige Arzneimittel zur sofortigen Anwendung sowie für
5.
folgende Einmalartikel: Einmalspritzen, Einmalkanülen, Einmalhandschuhe, Einmalharnblasenkatheter, Einmalskalpelle, Einmalproktoskope, Einmaldarmrohre, Einmalspekula.

(3) Versand- und Portokosten können nur von dem Arzt berechnet werden, dem die gesamten Kosten für Versandmaterial, Versandgefäße sowie für den Versand oder Transport entstanden sind. Kosten für Versandmaterial, für den Versand des Untersuchungsmaterials und die Übermittlung des Untersuchungsergebnisses innerhalb einer Laborgemeinschaft oder innerhalb eines Krankenhausgeländes sind nicht berechnungsfähig; dies gilt auch, wenn Material oder ein Teil davon unter Nutzung der Transportmittel oder des Versandweges oder der Versandgefäße einer Laborgemeinschaft zur Untersuchung einem zur Erbringung von Leistungen beauftragten Arzt zugeleitet wird. Werden aus demselben Körpermaterial sowohl in einer Laborgemeinschaft als auch von einem Laborarzt Leistungen aus Abschnitte M oder N ausgeführt, so kann der Laborarzt bei Benutzung desselben Transportweges Versandkosten nicht berechnen; dies gilt auch dann, wenn ein Arzt eines anderen Gebiets Auftragsleistungen aus Abschnitt M oder N erbringt. Für die Versendung der Arztrechnung dürfen Versand- und Portokosten nicht berechnet werden.

(1) Durch Vereinbarung kann eine von dieser Verordnung abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden. Für Leistungen nach § 5a ist eine Vereinbarung nach Satz 1 ausgeschlossen. Die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl (§ 5 Abs. 1 Satz 2) oder eines abweichenden Punktwerts (§ 5 Abs. 1 Satz 3) ist nicht zulässig. Notfall- und akute Schmerzbehandlungen dürfen nicht von einer Vereinbarung nach Satz 1 abhängig gemacht werden.

(2) Eine Vereinbarung nach Absatz 1 Satz 1 ist nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung des Arztes in einem Schriftstück zu treffen. Dieses muß neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung, dem Steigerungssatz und dem vereinbarten Betrag auch die Feststellung enthalten, daß eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Weitere Erklärungen darf die Vereinbarung nicht enthalten. Der Arzt hat dem Zahlungspflichtigen einen Abdruck der Vereinbarung auszuhändigen.

(3) Für Leistungen nach den Abschnitten A, E, M und O ist eine Vereinbarung nach Absatz 1 Satz 1 unzulässig. Im übrigen ist bei vollstationären, teilstationären sowie vor- und nachstationären wahlärztlichen Leistungen eine Vereinbarung nach Absatz 1 Satz 1 nur für vom Wahlarzt höchstpersönlich erbrachte Leistungen zulässig.

(1) Die Vergütung wird fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine dieser Verordnung entsprechende Rechnung erteilt worden ist.

(2) Die Rechnung muß insbesondere enthalten:

1.
das Datum der Erbringung der Leistung,
2.
bei Gebühren die Nummer und die Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistung einschließlich einer in der Leistungsbeschreibung gegebenenfalls genannten Mindestdauer sowie den jeweiligen Betrag und den Steigerungssatz,
3.
bei Gebühren für stationäre, teilstationäre sowie vor- und nachstationäre privatärztliche Leistungen zusätzlich den Minderungsbetrag nach § 6a,
4.
bei Entschädigungen nach den §§ 7 bis 9 den Betrag, die Art der Entschädigung und die Berechnung,
5.
bei Ersatz von Auslagen nach § 10 den Betrag und die Art der Auslage; übersteigt der Betrag der einzelnen Auslage 50,- Deutsche Mark, ist der Beleg oder ein sonstiger Nachweis beizufügen.

(3) Überschreitet eine berechnete Gebühr nach Absatz 2 Nr. 2 das 2,3fache des Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen; das gleiche gilt bei den in § 5 Abs. 3 genannten Leistungen, wenn das 1,8fache des Gebührensatzes überschritten wird, sowie bei den in § 5 Abs. 4 genannten Leistungen, wenn das 1,15fache des Gebührensatzes überschritten wird. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern. Soweit im Falle einer abweichenden Vereinbarung nach § 2 auch ohne die getroffene Vereinbarung ein Überschreiten der in Satz 1 genannten Steigerungssätze gerechtfertigt gewesen wäre, ist das Überschreiten auf Verlangen des Zahlungspflichtigen zu begründen; die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend. Die Bezeichnung der Leistung nach Absatz 2 Nr. 2 kann entfallen, wenn der Rechnung eine Zusammenstellung beigefügt wird, der die Bezeichnung für die abgerechnete Leistungsnummer entnommen werden kann. Leistungen, die auf Verlangen erbracht worden sind (§ 1 Abs. 2 Satz 2), sind als solche zu bezeichnen.

(4) Wird eine Leistung nach § 6 Abs. 2 berechnet, ist die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich zu beschreiben und mit dem Hinweis "entsprechend" sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung zu versehen.

(5) Durch Vereinbarung mit den in § 11 Abs. 1 genannten Leistungs- und Kostenträgern kann eine von den Vorschriften der Absätze 1 bis 4 abweichende Regelung getroffen werden.

(1) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung umfasst die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehören nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 insbesondere folgende Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen:

1.
Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen wie
a)
onkologische Erkrankungen,
b)
rheumatologische Erkrankungen,
c)
HIV/AIDS,
d)
Herzinsuffizienz
(NYHA Stadium 3 – 4),
e)
Multiple Sklerose,
f)
zerebrale Anfallsleiden (Epilepsie),
g)
komplexe Erkrankungen im Rahmen der pädiatrischen Kardiologie,
h)
Folgeschäden bei Frühgeborenen oder
i)
Querschnittslähmung bei Komplikationen, die eine interdisziplinäre Versorgung erforderlich machen;
bei Erkrankungen nach den Buchstaben c bis i umfasst die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nur schwere Verlaufsformen der jeweiligen Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen;
2.
seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen wie
a)
Tuberkulose,
b)
Mukoviszidose,
c)
Hämophilie,
d)
Fehlbildungen, angeborene Skelettsystemfehlbildungen und neuromuskuläre Erkrankungen,
e)
schwerwiegende immunologische Erkrankungen,
f)
biliäre Zirrhose,
g)
primär sklerosierende Cholangitis,
h)
Morbus Wilson,
i)
Transsexualismus,
j)
Versorgung von Kindern mit angeborenen Stoffwechselstörungen,
k)
Marfan-Syndrom,
l)
pulmonale Hypertonie,
m)
Kurzdarmsyndrom oder
n)
Versorgung von Patienten vor oder nach Organtransplantation und von lebenden Spendern sowie
3.
hochspezialisierte Leistungen wie
a)
CT/MRT-gestützte interventionelle schmerztherapeutische Leistungen oder
b)
Brachytherapie.
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden können Gegenstand des Leistungsumfangs in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sein, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c für die Krankenhausbehandlung keine ablehnende Entscheidung getroffen hat.

(2) An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und nach § 108 zugelassene Krankenhäuser sind berechtigt, Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach Absatz 1, deren Behandlungsumfang der Gemeinsame Bundesausschuss nach den Absätzen 4 und 5 bestimmt hat, zu erbringen, soweit sie die hierfür jeweils maßgeblichen Anforderungen und Voraussetzungen nach den Absätzen 4 und 5 erfüllen und dies gegenüber dem nach Maßgabe des Absatzes 3 Satz 1 erweiterten Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Absatz 1 unter Beifügung entsprechender Belege anzeigen. Soweit der Abschluss von Vereinbarungen nach Absatz 4 Satz 9 und 10 zwischen den in Satz 1 genannten Leistungserbringern erforderlich ist, sind diese im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach Satz 1 ebenfalls vorzulegen. Dies gilt nicht, wenn der Leistungserbringer glaubhaft versichert, dass ihm die Vorlage aus den in Absatz 4 Satz 11 zweiter Halbsatz genannten Gründen nicht möglich ist. Der Leistungserbringer ist nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Eingang seiner Anzeige zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt, es sei denn, der Landesausschuss nach Satz 1 teilt ihm innerhalb dieser Frist mit, dass er die Anforderungen und Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt. Der Landesausschuss nach Satz 1 kann von dem anzeigenden Leistungserbringer zusätzlich erforderliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 4 unterbrochen. Danach läuft die Frist weiter; der Zeitraum der Unterbrechung wird in die Frist nicht eingerechnet. Nach Satz 4 berechtigte Leistungserbringer haben ihre Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Landeskrankenhausgesellschaft zu melden und dabei den Erkrankungs- und Leistungsbereich anzugeben, auf den sich die Berechtigung erstreckt. Erfüllt der Leistungserbringer die für ihn nach den Sätzen 1 und 2 maßgeblichen Voraussetzungen für die Berechtigung zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nicht mehr, hat er dies unverzüglich unter Angabe des Zeitpunkts ihres Wegfalls gegenüber dem Landesausschuss nach Satz 1 anzuzeigen sowie den in Satz 7 genannten Stellen zu melden. Der Landesausschuss nach Satz 1 kann einen an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer aus gegebenem Anlass sowie unabhängig davon nach Ablauf von mindestens fünf Jahren seit seiner erstmaligen Teilnahmeanzeige oder der letzten späteren Überprüfung seiner Teilnahmeberechtigung auffordern, ihm gegenüber innerhalb einer Frist von zwei Monaten nachzuweisen, dass er die Voraussetzungen für seine Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung weiterhin erfüllt. Die Sätze 4, 5 und 8 gelten entsprechend.

(3) Für die Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 wird der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Absatz 1 um Vertreter der Krankenhäuser in der gleichen Zahl erweitert, wie sie nach § 90 Absatz 2 jeweils für die Vertreter der Krankenkassen und die Vertreter der Ärzte vorgesehen ist (erweiterter Landesausschuss). Die Vertreter der Krankenhäuser werden von der Landeskrankenhausgesellschaft bestellt. Über den Vorsitzenden des erweiterten Landesausschusses und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen sowie die Landeskrankenhausgesellschaft einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, werden sie durch die für die Sozialversicherung zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes im Benehmen mit den beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie der Landeskrankenhausgesellschaft berufen. Die dem Landesausschuss durch die Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 entstehenden Kosten werden zur Hälfte von den Verbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie zu je einem Viertel von den beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landeskrankenhausgesellschaft getragen. Der erweiterte Landesausschuss beschließt mit einfacher Mehrheit; bei der Gewichtung der Stimmen zählen die Stimmen der Vertreter der Krankenkassen doppelt. Der erweiterte Landesausschuss kann für die Beschlussfassung über Entscheidungen im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach Absatz 2 in seiner Geschäftsordnung abweichend von Satz 1 die Besetzung mit einer kleineren Zahl von Mitgliedern festlegen; die Mitberatungsrechte nach § 90 Absatz 4 Satz 2 sowie § 140f Absatz 3 bleiben unberührt. Er ist befugt, geeignete Dritte ganz oder teilweise mit der Durchführung von Aufgaben nach Absatz 2 zu beauftragen und kann hierfür nähere Vorgaben beschließen.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in einer Richtlinie bis zum 31. Dezember 2012 das Nähere zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach Absatz 1. Er konkretisiert die Erkrankungen nach Absatz 1 Satz 2 nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der jeweiligen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung oder nach weiteren von ihm festzulegenden Merkmalen und bestimmt den Behandlungsumfang. In Bezug auf Krankenhäuser, die an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmen, hat der Gemeinsame Bundesausschuss für Leistungen, die sowohl ambulant spezialfachärztlich als auch teilstationär oder stationär erbracht werden können, allgemeine Tatbestände zu bestimmen, bei deren Vorliegen eine ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung ausnahmsweise nicht ausreichend ist und eine teilstationäre oder stationäre Durchführung erforderlich sein kann. Er regelt die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung sowie sonstige Anforderungen an die Qualitätssicherung unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3. Bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen setzt die ambulante spezialfachärztliche Versorgung die Überweisung durch einen Vertragsarzt voraus; das Nähere hierzu regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach Satz 1. Satz 5 gilt nicht bei Zuweisung von Versicherten aus dem stationären Bereich. Für seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss, in welchen Fällen die ambulante spezialfachärztliche Leistungserbringung die Überweisung durch den behandelnden Arzt voraussetzt. Für die Behandlung von Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1, bei denen es sich nicht zugleich um seltene Erkrankungen oder Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen handelt, kann er Empfehlungen als Entscheidungshilfe für den behandelnden Arzt abgeben, in welchen medizinischen Fallkonstellationen bei der jeweiligen Krankheit von einem besonderen Krankheitsverlauf auszugehen ist. Zudem kann er für die Versorgung bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen Regelungen zu Vereinbarungen treffen, die eine Kooperation zwischen den beteiligten Leistungserbringern nach Absatz 2 Satz 1 in diesem Versorgungsbereich fördern. Für die Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen hat er Regelungen für solche Vereinbarungen zu treffen. Diese Vereinbarungen nach den Sätzen 9 und 10 sind Voraussetzung für die Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, es sei denn, dass ein Leistungserbringer eine Vereinbarung nach den Sätzen 9 oder 10 nicht abschließen kann, weil in seinem für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung relevanten Einzugsbereich

a)
kein geeigneter Kooperationspartner vorhanden ist oder
b)
er dort trotz ernsthaften Bemühens innerhalb eines Zeitraums von mindestens zwei Monaten keinen zur Kooperation mit ihm bereiten geeigneten Leistungserbringer finden konnte.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat spätestens jeweils zwei Jahre nach dem Inkrafttreten eines Richtlinienbeschlusses, der für eine Erkrankung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b getroffen wurde, die Auswirkungen dieses Beschlusses hinsichtlich Qualität, Inanspruchnahme und Wirtschaftlichkeit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sowie die Erforderlichkeit einer Anpassung dieses Beschlusses zu prüfen. Über das Ergebnis der Prüfung berichtet der Gemeinsame Bundesausschuss dem Bundesministerium für Gesundheit.

(5) Der Gemeinsame Bundesausschuss ergänzt den Katalog nach Absatz 1 Satz 2 auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, einer Trägerorganisation des Gemeinsamen Bundesausschusses oder der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 um weitere Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierte Leistungen. Im Übrigen gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Die Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung werden unmittelbar von der Krankenkasse vergütet; Leistungserbringer können die Kassenärztliche Vereinigung gegen Aufwendungsersatz mit der Abrechnung von Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung beauftragen. Für die Vergütung der Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam und einheitlich die Kalkulationssystematik, diagnosebezogene Gebührenpositionen in Euro sowie deren jeweilige verbindliche Einführungszeitpunkte nach Inkrafttreten der entsprechenden Richtlinien gemäß den Absätzen 4 und 5. Die Kalkulation erfolgt auf betriebswirtschaftlicher Grundlage ausgehend vom einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen unter ergänzender Berücksichtigung der nichtärztlichen Leistungen, der Sachkosten sowie der spezifischen Investitionsbedingungen. Bei den seltenen Erkrankungen und Erkrankungszuständen mit entsprechend geringen Fallzahlen sollen die Gebührenpositionen für die Diagnostik und die Behandlung getrennt kalkuliert werden. Die Vertragspartner können einen Dritten mit der Kalkulation beauftragen. Die Gebührenpositionen sind in regelmäßigen Zeitabständen daraufhin zu überprüfen, ob sie noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungserbringung entsprechen. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 2 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 2 erfolgt die Vergütung auf der Grundlage der vom Bewertungsausschuss gemäß § 87 Absatz 5a bestimmten abrechnungsfähigen ambulanten spezialfachärztlichen Leistungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen mit dem Preis der jeweiligen regionalen Euro-Gebührenordnung. Der Bewertungsausschuss gemäß § 87 Absatz 5a hat den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 2 und jeweils bis spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der Richtlinien gemäß den Absätzen 4 und 5 insbesondere so anzupassen, dass die Leistungen nach Absatz 1 unter Berücksichtigung der Vorgaben nach den Absätzen 4 und 5 angemessen bewertet sind und nur von den an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern abgerechnet werden können. Die Prüfung der Abrechnung und der Wirtschaftlichkeit sowie der Qualität, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss hierzu in der Richtlinie nach Absatz 4 keine abweichende Regelung getroffen hat, erfolgt durch die Krankenkassen, die hiermit eine Arbeitsgemeinschaft oder den Medizinischen Dienst beauftragen können; ihnen sind die für die Prüfungen erforderlichen Belege und Berechtigungsdaten nach Absatz 2 auf Verlangen vorzulegen. Für die Abrechnung gilt § 295 Absatz 1b Satz 1 entsprechend. Das Nähere über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens sowie über die erforderlichen Vordrucke wird von den Vertragsparteien nach Satz 2 vereinbart; Satz 7 gilt entsprechend. Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung ist nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7 in den Vereinbarungen nach § 87a Absatz 3 um die Leistungen zu bereinigen, die Bestandteil der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sind. Die Bereinigung darf nicht zulasten des hausärztlichen Vergütungsanteils und der fachärztlichen Grundversorgung gehen. In den Vereinbarungen zur Bereinigung ist auch über notwendige Korrekturverfahren zu entscheiden.

(7) Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach Absatz 1 schließt die Verordnung von Leistungen nach § 73 Absatz 2 Nummer 5 bis 8 und 12 ein, soweit diese zur Erfüllung des Behandlungsauftrags nach Absatz 2 erforderlich sind; § 73 Absatz 2 Nummer 9 gilt entsprechend. Die Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 gelten entsprechend. Die Vereinbarungen über Vordrucke und Nachweise nach § 87 Absatz 1 Satz 2 sowie die Richtlinien nach § 75 Absatz 7 gelten entsprechend, soweit sie Regelungen zur Verordnung von Leistungen nach Satz 1 betreffen. Verordnungen im Rahmen der Versorgung nach Absatz 1 sind auf den Vordrucken gesondert zu kennzeichnen. Leistungserbringer nach Absatz 2 erhalten ein Kennzeichen nach § 293 Absatz 1 und Absatz 4 Satz 2 Nummer 1, das eine eindeutige Zuordnung im Rahmen der Abrechnung nach den §§ 300 und 302 ermöglicht, und tragen dieses auf die Vordrucke auf. Das Nähere zu Form und Zuweisung der Kennzeichen nach den Sätzen 4 und 5, zur Bereitstellung der Vordrucke sowie zur Auftragung der Kennzeichen auf die Vordrucke ist in der Vereinbarung nach Absatz 6 Satz 12 zu regeln. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen nach Satz 1 gilt § 113 Absatz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Prüfung durch die Prüfungsstellen gegen Kostenersatz durchgeführt wird, soweit die Krankenkasse mit dem Leistungserbringer nach Absatz 2 nichts anderes vereinbart hat.

(8) Bestimmungen, die von einem Land nach § 116b Absatz 2 Satz 1 in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung getroffen wurden, gelten weiter. Bestimmungen nach Satz 1 für eine Erkrankung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 oder eine hochspezialisierte Leistung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3, für die der Gemeinsame Bundesausschuss das Nähere zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung in der Richtlinie nach Absatz 4 Satz 1 geregelt hat, werden unwirksam, wenn das Krankenhaus zu dieser Erkrankung oder hochspezialisierten Leistung zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt ist, spätestens jedoch drei Jahre nach Inkrafttreten des entsprechenden Richtlinienbeschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die von zugelassenen Krankenhäusern aufgrund von Bestimmungen nach Satz 1 erbrachten Leistungen werden nach § 116b Absatz 5 in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung vergütet.

(9) Die Auswirkungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung auf die Kostenträger, die Leistungserbringer sowie auf die Patientenversorgung sind fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zu bewerten. Gegenstand der Bewertung sind insbesondere der Stand der Versorgungsstruktur, der Qualität sowie der Abrechnung der Leistungen in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung auch im Hinblick auf die Entwicklung in anderen Versorgungsbereichen. Die Ergebnisse der Bewertung sind dem Bundesministerium für Gesundheit zum 31. März 2017 zuzuleiten. Die Bewertung und die Berichtspflicht obliegen dem Spitzenverband Bund, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft gemeinsam.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2, den nach § 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme der Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 1 und 2 Satz 1 richtet sich nach den hierüber abgeschlossenen Verträgen. Die Zahl der Eigeneinrichtungen darf auf Grund vertraglicher Vereinbarung vermehrt werden, wenn die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 Satz 1 erfüllt sind.

(1a) In den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 7 können Versicherte auch zugelassene Krankenhäuser in Anspruch nehmen, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen; dies gilt auch, wenn die Terminservicestelle Versicherte in den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 3 in eine Notfallambulanz vermittelt. Die Inanspruchnahme umfasst auch weitere auf den Termin folgende notwendige Behandlungen, die dazu dienen, den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen.

(2) Wird ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächsterreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinische Versorgungszentren in Anspruch genommen, hat der Versicherte die Mehrkosten zu tragen.

(3) Die Versicherten sollen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Der Versicherte wählt einen Hausarzt. Der Arzt hat den Versicherten vorab über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung (§ 73) zu unterrichten; eine Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung hat er auf seinem Praxisschild anzugeben.

(3a) Die Partner der Verträge nach § 82 Abs. 1 haben geeignete Maßnahmen zu vereinbaren, die einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme von Vertragsärzten entgegenwirken und den Informationsaustausch zwischen vor- und nachbehandelnden Ärzten gewährleisten.

(4) Die Übernahme der Behandlung verpflichtet die in Absatz 1 genannten Personen oder Einrichtungen dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts.

(5) Die Versicherten der knappschaftlichen Krankenversicherung können unter den Knappschaftsärzten und den in Absatz 1 genannten Personen und Einrichtungen frei wählen. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen stehen beim Tod des Berechtigten nacheinander

1.
dem Ehegatten,
1a.
dem Lebenspartner,
2.
den Kindern,
3.
den Eltern,
4.
dem Haushaltsführer
zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Mehreren Personen einer Gruppe stehen die Ansprüche zu gleichen Teilen zu.

(2) Als Kinder im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 gelten auch

1.
Stiefkinder und Enkel, die in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen sind,
2.
Pflegekinder (Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden sind),
3.
Geschwister des Berechtigten, die in seinen Haushalt aufgenommen worden sind.

(3) Als Eltern im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 gelten auch

1.
sonstige Verwandte der geraden aufsteigenden Linie,
2.
Stiefeltern,
3.
Pflegeeltern (Personen, die den Berechtigten als Pflegekind aufgenommen haben).

(4) Haushaltsführer im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 ist derjenige Verwandte oder Verschwägerte, der an Stelle des verstorbenen oder geschiedenen oder an der Führung des Haushalts aus gesundheitlichen Gründen dauernd gehinderten Ehegatten oder Lebenspartners den Haushalt des Berechtigten mindestens ein Jahr lang vor dessen Tod geführt hat und von diesem überwiegend unterhalten worden ist.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2008 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für ambulante transarterielle Chemoperfusionen und eine Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie (LITT).

2

Der Kläger war Ehemann und ist Erbe der 1927 geborenen und am 24.3.2008 verstorbenen Dr. K. M. (im Folgenden: Versicherte). Er lebte zur Zeit ihres Todes mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt. Die Versicherte, eine ehemalige Zahnärztin, war als Bezieherin einer Regelaltersrente bei der beklagten Krankenkasse (KK) freiwillig versichert. Die Versicherte litt an einem Sigmakarzinom, das sie im Juli 2003 operieren ließ. Kontrolluntersuchungen im Mai und Juni 2005 zeigten einen hepatischen und lymphatischen Progress der Erkrankung. Daraufhin leitete das Krankenhaus N. in F. eine Chemotherapie ein (16.6.2005). Die Versicherte setzte die Behandlung nicht fort. Vertragsarzt Dr. L. überwies sie zur "Chemoembolisation" in das Universitätsklinikum F. zur Mit-/Weiterbehandlung "Leber NPL" (17.6.2005). Chefarzt Prof. Dr. V. war dort mit Einschränkungen ua zur Chemoembolisation ermächtigt (GO-Nr 34286 EBM 2000 plus), nicht aber zur Chemoperfusion (kein Gegenstand des EBM 2000 plus), die er als "lokale Chemotherapie " bezeichnet. Er klärte die Versicherte nach seinen Angaben anlässlich der Untersuchung darüber auf, dass sie die Kosten der beabsichtigten Chemoperfusion selbst tragen müsse, da "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" stattfinde. Weiter vereinbarte er mit ihr bei jeder Behandlungseinheit schriftlich private persönliche Beratung und Behandlung. Die Versicherte beantragte bei der Beklagten, die bei Prof. Dr. V./Universitätsklinikum F. anfallenden Kosten zu übernehmen. Prof. Dr. V. werde bereits am 21.6.2005 mit "einer lokalen Chemotherapie beginnen". Diese werde im Abstand von einem Monat noch zweimal wiederholt, damit der Tumor schrumpfe, um ihn dann "mit Laser-Technik zu vernichten" (18./20.6.2005). Die Beklagte antwortete ua, wenn sie eine Privatbehandlungsvereinbarung treffe, habe sie die Mehrkosten zu tragen. Es sei nicht zu erkennen, ob sie eine Privatbehandlung gewählt habe. Der behandelnde Arzt kläre sie vor Behandlungsbeginn hierüber auf. Die Versicherte erhielt ab 21.6.2005 transarterielle Chemoperfusionen sowie später eine LITT. Sie beantragte, die bereits für den 21.6.2005 gezahlten Behandlungs- und Fahrkosten zu übernehmen (17./19.8.2005). Prof. Dr. V. rechne "prinzipiell nur mit den Patienten direkt ab". Die Rechnungen für den 21.6.2005 wie für die beiden Folgetermine umfassen ua neben Positionen für bildgebende Verfahren die GOÄ-Ziffer 5357 - "Embolisation". Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da die Chemoperfusion keine vertragsärztliche Leistung sei, nur privat abgerechnet werden könne, die Versicherte hierüber aufgeklärt worden sei und Wahlerklärungen - auch für die folgenden Perfusionen - unterschrieben habe (Bescheid vom 22.9.2005). Mit ihrem Widerspruch trug die Versicherte vor, sie benötige dringend die lebensnotwendigen, als Methode etablierten Chemoperfusionen, die keine Wahlleistung seien, mit anschließender Laser-Therapie. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.3.2006). Die Versicherte hat Zahlungsklage erhoben und ihre Erstattungsforderung an den Kläger abgetreten. Das SG hat die Klage abgewiesen: Ambulante Chemoperfusionen seien umstritten und nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) empfohlen. Als Alternative sei eine systemische Chemotherapie möglich gewesen (Urteil vom 17.11.2008).

3

Mit seiner auf Zahlung von 77 700,92 Euro für die Behandlung bis 8.11.2007 nebst Fahrkosten gerichteten Berufung hat der Kläger vorgetragen, Prof. Dr. V. habe nicht darüber aufgeklärt, dass die Chemoperfusion eine Privatleistung sei, "die meine Frau dann unterschrieben habe". Das LSG hat die Beklagte - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - verurteilt, 18 708,87 Euro zu zahlen, Kosten für die vom 21.6. bis 13.9.2005 durchgeführten transarteriellen Chemoperfusionen und für die Fahrten zum Universitätsklinikum. Die Art der Rechtsnachfolge des Klägers sei unerheblich. Die Versicherte habe sich trotz der ihr abgerungenen Unterzeichnung privatärztlicher Behandlungsverträge bis zum Erlass des Bescheides vom 22.9.2005 in dem Glauben befunden, sie erhalte eine Chemoembolisation. Darin liege ein Systemversagen, das zur Kostenerstattung zwinge. Es sei nicht gewährleistet, dass die Zivilgerichte der Beurteilung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit folgten. Nach Bescheiderlass habe die Versicherte nicht mehr geirrt. Auf die weitere erbrachte Behandlung bei Prof. Dr. V. habe sie keinen Naturalleistungsanspruch gehabt, da die Leistungen nicht zur ambulanten Behandlung zugelassen gewesen seien und eine systemische Chemotherapie als zugelassene Alternative zur Verfügung gestanden habe (Urteil vom 28.4.2011).

4

Der Kläger rügt zur Begründung seiner Revision sinngemäß die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und ausdrücklich mangelnde Sachaufklärung. Das LSG hätte Vertrauensschutz gewähren und klären müssen, dass nach Zugang des Bescheides vom 22.9.2005 ein Wechsel zu einer systemischen Chemotherapie noch zumutbar gewesen sei.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 sowie den Bescheid vom 22. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 in vollem Umfang aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über die zuerkannten 18 708,87 Euro hinaus weitere 58 992,05 Euro zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, soweit es die Berufung des Klägers zurückgewiesen hat, und insoweit die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen,
sowie
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 in vollem Umfang zurückzuweisen.

7

Sie rügt zur Begründung ihrer Revision die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und sinngemäß, das LSG habe das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend beachtet. Mangels Naturalleistungsanspruchs im Zeitpunkt der Behandlung bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet; die zulässige Revision des Klägers ist dagegen unbegründet. Das LSG-Urteil ist zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das SG-Urteil ist in vollem Umfang zurückzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Behandlung der Versicherten vom 21.6.2005 bis 8.11.2007 aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V(idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Obwohl die Versicherte ihren Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V während des Klageverfahrens an den Kläger abgetreten hat, blieb sie zunächst allein berechtigt, prozessual die Feststellung dieses Anspruchs zu betreiben(vgl entsprechend BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 11 ff und LS 1 mwN). Der Kläger handelte sinngemäß zunächst für die Versicherte. Er ist seit dem Tod der Versicherten als ihr Sonderrechtsnachfolger, nicht aber als Erbe prozessführungsbefugt (zum Begriff vgl BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 15 mwN), den Kostenerstattungsanspruch der Versicherten gerichtlich geltend zu machen (dazu 1.). Der Versicherten stand aber kein Zahlungsanspruch zu, da die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nicht erfüllt sind. Die Versicherte hatte nämlich gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die durchgeführte Krankenbehandlung (dazu 2.). Der abweichenden LSG-Auffassung ist nicht zu folgen (dazu 3.).

10

1. Der Kläger ist prozessführungsbefugt, weil er Sonderrechtsnachfolger der Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V ist. Das folgt aus § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I. Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit der Berechtigten zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es beim Kläger. Bei dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch handelt es sich auch um einen fälligen Anspruch auf laufende Geldleistungen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Kostenerstattungsanspruch auf Geldleistungen gerichtet (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Bestand ein Kostenerstattungsanspruch, war er mit seinem Entstehen fällig (§ 41 SGB I).

11

Der Kostenerstattungsanspruch ist im Rechtssinne auf "laufende" Geldleistungen jedenfalls dann gerichtet, wenn er - wie vorliegend - über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen betrifft. § 56 SGB I ist in diesem Sinne bei Todesfällen in der Zeit ab dem 2.1.2002 auszulegen. Die Regelung ist einer weiten Auslegung zugänglich. Sie kann sogar als Basis einer Analogie dienen (vgl dazu BSG SozR 1500 § 75 Nr 44 S 48). Den Begriff der laufenden Geldleistungen, dem der Begriff der "einmaligen" Geldleistung gegenübersteht, definiert das Gesetz nicht. Nach den Gesetzesmaterialien (Entwurf der Bundesregierung zum SGB I, BT-Drucks 7/868 S 31 zu § 48)handelt es sich um Leistungen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden; sie verlieren ihren Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet oder als zusammenfassende Zahlung für mehrere Zeitabschnitte geleistet werden. Das kommt auch für die Kostenerstattungsansprüche nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei Systemmangel in Betracht (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V; § 15 Abs 1 SGB IX). Sie knüpfen daran an, dass der Berechtigte regelmäßig zu einer Vorfinanzierung für mehrere Zeitabschnitte gezwungen ist (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Dem Zweck der Sonderrechtsnachfolge in § 56 SGB I wird es in besonderem Maße gerecht, solche Kostenerstattungsansprüche als Ansprüche auf laufende Geldleistungen anzusehen. Es beschränkt in aller Regel die Lebensführung nicht nur des Leistungsberechtigten, sondern aller Familienangehörigen, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn Ansprüche auf laufende Geldleistung nicht rechtzeitig erfüllt werden (vgl Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 7/868 S 33 zu den §§ 56 bis 59). Das gilt in gleicher Weise regelmäßig für die Fälle, in denen die KK ihre Pflicht zur Naturalleistungsgewährung (§ 2 Abs 2 und § 13 Abs 1 SGB V) nicht erfüllt, der Versicherte sich deshalb die zu beanspruchenden Leistungen selbst beschafft, vorfinanziert und später die Kostenerstattung von der KK erstreitet. Um die dadurch entstandene Benachteiligung auszugleichen, sieht § 56 SGB I in Abweichung vom Erbrecht, aber in Übereinstimmung mit Vorschriften des bis zum Inkrafttreten des SGB I geltenden Rechts und mit der Funktion solcher Leistungen eine Sonderrechtsnachfolge vor. Der Schutzbedarf der durch die Vorschriften der Sonderrechtsnachfolge erfassten Personen hat zwischenzeitlich noch dadurch zugenommen, dass § 183 S 1 SGG(hier idF durch Art 1 Nr 61 des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes <6. SGGÄndG> vom 17.8.2001, BGBl I 2144) seit dem 2.1.2002 allein Sonderrechtsnachfolger hinsichtlich der Gerichtskosten privilegiert, während sonstige Rechtsnachfolger nach § 183 S 2 SGG Kostenfreiheit nur in dem Rechtszug haben können, indem sie das Verfahren aufnehmen(vgl zum Ganzen BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 11 - Ilomedin).

12

Der Vorbehalt abweichender Regelungen (§ 37 SGB I; vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 17)steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Allerdings hatte das vor Inkrafttreten des SGB I geltende Recht der RVO für die GKV - anders als für das Recht der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung (vgl hierzu § 630 und § 1288 RVO, dementsprechend § 65 Angestelltenversicherungsgesetz und § 88 Reichsknappschaftsgesetz) - keine Regelung zur Sonderrechtsnachfolge enthalten. Deshalb nahm auch die Rechtsprechung des BSG zum alten Rechtszustand an, der galt, wenn ein Sozialleistungsberechtigter vor dem Inkrafttreten des SGB I (1.1.1976) gestorben war (vgl Art II § 19 SGB I idF vom 11.12.1975, BGBl I 3015), dass ein Erstattungsanspruch im Wege der Rechtsnachfolge auf die Erben übergeht (vgl BSG Urteil vom 10.10.1978 - 3 RK 11/78 - USK 78126). Die bewusst umfassend getroffene Regelung des § 56 SGB I erfasst dagegen auch das Recht der GKV. Die Besonderheiten dieses Rechtsgebiets erfordern es nicht, Kostenerstattungsansprüche von der Sonderrechtsnachfolge nach dem SGB I auszuschließen. Besondere Überlegungen, die im Recht der Sozialhilfe für den Ausschluss der Sonderrechtsnachfolge oder Modifikationen in Betracht kommen (vgl dazu BVerwGE 96, 18, 22 ff = Buchholz 435.11 § 58 SGB I Nr 2; BSG SozR 4-3500 § 19 Nr 3, RdNr 16 ff mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), greifen insoweit für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V und § 15 Abs 1 SGB IX nicht durch.

13

Der vorliegende Fall unterscheidet sich durch den Tod der Versicherten in der Zeit ab dem 2.1.2002, dem Tag des Inkrafttretens des 6. SGGÄndG, auch wesentlich von jenem, der dem Urteil des 9. Senats des BSG vom 10.12.2003 (vgl BSGE 92, 42 = SozR 4-3100 § 35 Nr 3)zugrunde lag. Jener Rechtsstreit betraf die Erstattung von bis zum Tode des Berechtigten im Jahr 1999 verauslagten Aufwendungen entsprechend § 18 Abs 3 und 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit Blick auf Heimpflege nach § 35 Abs 6 BVG. Er war schon vor Inkrafttreten des 6. SGGÄndG rechtshängig geworden, sodass nach dem Übergangsrecht (Art 17 Abs 1 S 2 6. SGGÄndG) noch altes Kostenrecht anzuwenden war.

14

Der erkennende Senat kann diese Rechtsprechung fortführen (vgl grundlegend BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5 - Ilomedin), ohne den Großen Senat anrufen zu müssen. Denn der 3. Senat des BSG hat seine entgegenstehende, abweichende Rechtsauffassung aus den Urteilen vom 3.8.2006 und vom 25.8.2009 (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 10 RdNr 11)auf Anfrage des erkennenden Senats (BSG Beschluss vom 8.11.2011 - B 1 KR 6/11 R) aufgegeben (BSG Beschluss vom 15.3.2012 - B 3 KR 2/11 S).

15

2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten - hier allein in Betracht kommenden - Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind nicht erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war". Der Anspruch aus § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 und 2 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch des Versicherten gegen seine KK. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 8 - Leucinose, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 - Lorenzos Öl; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT). Daran fehlt es.

16

Nach den insoweit unangegriffenen und damit den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte die Versicherte keinen Anspruch auf eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT gegen die Beklagte. Die Beklagte war zwar nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung der Versicherten verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die KKn sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie - wie im vorliegenden Fall - nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei - wie hier - neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 S 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der KKn erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den KKn geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 12 - LITT, stRspr). Es fehlte zur Zeit der Behandlung der Versicherten an einer Empfehlung des GBA für eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT.

17

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 - ICL). Für ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl dazu BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff mwN - LITT; § 135 Abs 1 S 4 und 5 SGB V idF des Art 1 Nr 105 Buchst b des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - vom 26.3.2007, BGBl I 378). Auch die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung sind nicht erfüllt (vgl hierzu zB BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21 und 29 ff mwN - Tomudex; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - 32 - D-Ribose; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 20 ff mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - Lorenzos Öl; ab 1.1.2012 § 2 Abs 1a SGB V). Es stand nämlich für die Versicherte im maßgeblichen Zeitpunkt Juni 2005 zu Beginn der Behandlung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 28, 33 - LITT) mit der systemischen Chemotherapie eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 21 - LITT; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 31 - Tomudex). Entgegen der Auffassung des Klägers stellt sich die Frage nach einem zumutbaren Wechsel von der transarteriellen Chemoperfusion zur systemischen Chemotherapie zu einem späteren Zeitpunkt nicht.

18

3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist es für den Erstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V unerheblich, dass - wovon das LSG ausgeht, was aber die Beklagte angegriffen hat - Prof. Dr. V. angeblich die Versicherte nicht über die Verabreichung von Chemoperfusionen aufgeklärt hat, sodass sie von einer Chemoembolisation ausging. Es bedarf deshalb keiner Vertiefung, ob die Beklagte mit ihrem Vorbringen noch hinreichend sinngemäß als Verfahrensverstoß gerügt hat, dass das LSG bei seiner Annahme das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat (vgl dazu BSG SozR Nr 56 zu § 128 SGG; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012 § 128 RdNr 13 mwN) und dass das LSG mit diesem Verfahrensverstoß die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten hat. Hierfür spricht allerdings, dass es nicht darauf eingegangen ist, dass nach den vom LSG in Bezug genommenen Akteninhalt die Versicherte durch ihren Ehegatten schon am 18.6.2005, nach der Erstuntersuchung bei Prof. Dr. V. am 17.6.2005, Kostenerstattung für eine "lokale Chemotherapie" beantragte - so bezeichnet Prof. Dr. V. die Chemoperfusion; dass die Nachfrage der Beklagten im Sekretariat von Prof. Dr. V. ergab, dass die Versicherte über die nur privat abzurechnende Chemoperfusionen aufgeklärt wurde und entsprechende Wahlerklärungen unterschrieb; dass die Versicherte auf die Wiedergabe dieses Sachverhalts in ihrem Widerspruch nicht etwa überrascht reagierte, sondern ausführte, sie benötige dringend "die lebensnotwendige Chemoperfusion mit anschließender Laser-Therapie. Zu dieser Therapie gibt es keine Alternative"; dass Prof. Dr. V. selbst gegenüber dem SG angab, die Chemoperfusion habe er der Versicherten privat in Rechnung gestellt, weil "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" erfolge, er habe mit der Versicherten eine private Kostenvereinbarung getroffen und ihr vor der Behandlung mit Chemoperfusion die Auskunft erteilt, dass die Kosten selbst getragen werden müssten; schließlich dass der Kläger dem bei Kenntnisnahme während des Klageverfahrens nicht etwa sofort widersprach, sondern die unmittelbar daneben aufgeführte Angabe von Prof. Dr. V. im gleichen Schreiben als entscheidend ansah, die Chemoembolisation wäre zu gefährlich gewesen.

19

Auch wenn man in Widerspruch zum Akteninhalt zugunsten des Klägers unterstellt, der hierzu nicht vom LSG persönlich angehörte Prof. Dr. V. habe die Versicherte nicht darüber aufgeklärt, Chemoperfusionen zu verabreichen, begründet dies entgegen der Auffassung des LSG kein "Systemversagen", welches das Erfordernis des Bestehens eines Primäranspruchs entfallen lässt und zur Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V führt. Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck des § 13 Abs 3 S 1 SGB V geben für die Rechtsauffassung des LSG nichts her, Versicherten seien bei unterlassener ärztlicher Aufklärung über eine durchgeführte, nicht zu Lasten der GKV zu beanspruchende Behandlung Kosten zu erstatten. Schon der Wortlaut der abschließenden Regelung (vgl dazu BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 19 mwN)des § 13 Abs 3 S 1 SGB V knüpft an die Voraussetzung an, dass die KK "eine … Leistung" nicht rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht ablehnte, sie zu erbringen. Dreh- und Angelpunkt des Anspruchs ist die dem Versicherten geschuldete Leistung, hier also die Krankenbehandlung. Die Gesetzesmaterialien belegen Gleiches. Danach ersetzt die Vorschrift den Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die KK eine Leistung wegen ihrer Dringlichkeit … nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. In anderen Fällen selbstbeschaffter Leistungen besteht keine Leistungspflicht der KK (vgl insgesamt Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen , BT-Drucks 11/2237 S 164, zu § 13 Abs 2). Sowohl § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 SGB V als auch § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V knüpfen zwingend an die von der KK geschuldete, aber rechtswidrig nicht erbrachte Leistung an(vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; Brandts in Kasseler Komm, Stand April 2012, § 13 SGB V RdNr 52 ff; E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V RdNr 233 ff mwN). Das Regelungssystem des SGB V begründet Ansprüche auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 SGB V)unter Beachtung des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) grundsätzlich nach objektiven Kriterien (vgl beispielhaft für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 30 f; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 19 ff mwN; Hauck, NZS 2007, 461 ff). Besteht die Möglichkeit, verschiedene Wege zu gehen, sind diese krankenversicherungsrechtlich auf ihre Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen (§ 12 Abs 1 SGB V). Nur wenn mehrere verschiedene in Betracht kommende Maßnahmen ärztlichen Handelns diesen Anforderungen genügen, hat der versicherte Patient auch hierüber aufgeklärt zu werden und die Auswahl zu treffen (vgl BSG Beschluss vom 7.11.2006 - B 1 KR 32/04 R - GesR 2007, 276 RdNr 54). Dieses Regelungssystem sichert die Gleichbehandlung der Versicherten (Art 3 Abs 1 GG) und richtet die Leistungen am Gesichtspunkt der Qualität und Wirtschaftlichkeit aus. Es vermeidet, den Anspruch Versicherter von dem in dieser Hinsicht ungeeigneten Maßstab ärztlicher Pflichtverletzungen abhängig zu machen, wie es bei der Rechtsauffassung des LSG der Fall wäre.

20

Entgegen der Ansicht des LSG entstehen infolge der Regelung des Gesetzgebers keine Rechtsschutzdefizite zu Lasten der Versicherten. Erhalten Versicherte eine GKV-Leistung, müssen sie grundsätzlich hierfür abgesehen von der Zuzahlung nicht zahlen. Zahlen sie dennoch, können sie das Gezahlte im Zivilrechtsweg zurückfordern. Ihre Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund, die Versicherten können zudem vom Leistungserbringer, etwa vom Arzt, Schadensersatz fordern (§ 76 Abs 4 SGB V). Deutet sich ein solcher Sachverhalt erst im Rechtsstreit der Sozialgerichtsbarkeit über Kostenerstattung an, kann der Versicherte nach dem SGG zwar nicht dem betroffenen Arzt den Streit verkünden. Das Gericht kann ihn aber - funktional gleichwertig - beiladen, um eine Bindungswirkung seiner Entscheidung zu erreichen (vgl dazu BSGE 40, 130, 132 = SozR 1750 § 41 Nr 1; zur rechtswegübergreifenden Interventionswirkung vgl auch BSGE 109, 133 = SozR 4-1750 § 68 Nr 1).

21

§ 13 Abs 3 S 1 SGB V ist für einen solchen Fall nicht gedacht. Kosten im Sinne des § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind dem Versicherten in einem solchen Fall nicht dadurch "entstanden", dass seine KK eine Leistung rechtswidrig abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Seine KK kann ihn bei der Rückforderung unterstützen (vgl § 66 SGB V), hat aber nicht die Aufgabe, für solche ärztlichen Pflichtverletzungen nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V einzustehen.

22

Die Regelung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V will vielmehr Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der KK geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht(vgl BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 25). Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn der Versicherte eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will. So lag es nach den LSG-Feststellungen hinsichtlich der Chemotherapie für die Versicherte. Will ein Versicherter dagegen eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen, weiß er, dass er diese - abgesehen von den gesetzlichen Zuzahlungen - frei von Honorar beanspruchen kann.

23

§ 13 Abs 3 S 1 SGB V garantiert - wie dargelegt - lediglich, dass Versicherte tatsächlich bestehende Versorgungslücken des Naturalleistungssystems in den gesetzlich bestimmten Fällen zu Lasten der KKn beseitigen können, indem sie sich die geschuldete Leistung selbst verschaffen. Auch die irrige Annahme eines Versicherten, ihm werde eine GKV-Leistung erbracht, obwohl dies nicht der Fall ist, schafft keine Versorgungslücke. Denn die Fehlvorstellung ändert nicht den Umfang des GKV-Leistungskatalogs: Der Versicherte erhält eine Leistung, die er gerade nicht von der GKV beanspruchen kann. Hat der Leistungserbringer die Fehlvorstellung des Versicherten erzeugt, kann der Versicherte erst recht das Gezahlte nach den oben dargelegten Grundsätzen zurückverlangen. Schließt der zutreffend umfassend aufgeklärte Versicherte dagegen über die Leistung von vornherein eine private Honorarvereinbarung ab, begibt er sich des Schutzes des Naturalleistungssystems. Er ist in diesem Fall nicht schutzwürdig.

24

Verletzt der behandelnde Arzt seine Aufklärungspflichten, kann dies zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs des Arztes führen (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 35 - LITT; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18). Sollte der behandelnde Arzt mit Hilfe einer Honorarvereinbarung versuchen, ihn selbst treffende Risiken auf den Versicherten abzuwälzen, kommt nach der Rechtsprechung des Senats auch eine Nichtigkeit der Vereinbarung nach § 32 SGB I in Betracht(vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 26; BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 16 f; BSG Urteil vom 18.7.2006 - B 1 KR 9/05 R - USK 2006-79 - juris RdNr 13; vgl auch die Auflistung der verschiedenen Fallgruppen fehlender Zahlungsverpflichtungen bei E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V, RdNr 267 ff).

25

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, weil der Kläger in seiner Eigenschaft als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I klagt.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

Leistungen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie in der sozialen Pflegeversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt. Leistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung werden von Amts wegen erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die gesetzliche Unfallversicherung nichts Abweichendes ergibt.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2, den nach § 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme der Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 1 und 2 Satz 1 richtet sich nach den hierüber abgeschlossenen Verträgen. Die Zahl der Eigeneinrichtungen darf auf Grund vertraglicher Vereinbarung vermehrt werden, wenn die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 Satz 1 erfüllt sind.

(1a) In den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 7 können Versicherte auch zugelassene Krankenhäuser in Anspruch nehmen, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen; dies gilt auch, wenn die Terminservicestelle Versicherte in den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 3 in eine Notfallambulanz vermittelt. Die Inanspruchnahme umfasst auch weitere auf den Termin folgende notwendige Behandlungen, die dazu dienen, den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen.

(2) Wird ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächsterreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinische Versorgungszentren in Anspruch genommen, hat der Versicherte die Mehrkosten zu tragen.

(3) Die Versicherten sollen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Der Versicherte wählt einen Hausarzt. Der Arzt hat den Versicherten vorab über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung (§ 73) zu unterrichten; eine Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung hat er auf seinem Praxisschild anzugeben.

(3a) Die Partner der Verträge nach § 82 Abs. 1 haben geeignete Maßnahmen zu vereinbaren, die einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme von Vertragsärzten entgegenwirken und den Informationsaustausch zwischen vor- und nachbehandelnden Ärzten gewährleisten.

(4) Die Übernahme der Behandlung verpflichtet die in Absatz 1 genannten Personen oder Einrichtungen dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts.

(5) Die Versicherten der knappschaftlichen Krankenversicherung können unter den Knappschaftsärzten und den in Absatz 1 genannten Personen und Einrichtungen frei wählen. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag vereinbart; die Landesverbände der Krankenkassen treffen die Vereinbarung mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Die Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungen für die Versorgung verschiedener Gruppen von Versicherten ist nicht zulässig. Die Vertragsparteien haben auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit und für eine besonders qualifizierte onkologische Versorgung zu vereinbaren; das Nähere ist jeweils im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren. Die Vergütungen der Untersuchungen nach den §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, § 26 werden als Pauschalen vereinbart. Beim Zahnersatz sind Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans nicht zulässig. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist der Betrag des Ausgabenvolumens nach Satz 2 zu bestimmen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 6 und Ausgaben auf Grund der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 sind auf das Ausgabenvolumen nach Satz 2 anzurechnen.

(2a) (weggefallen)

(2b) (weggefallen)

(2c) Die Vertragspartner nach § 82 Abs. 1 können vereinbaren, daß für die Gesamtvergütungen getrennte Vergütungsanteile für die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Arztgruppen zugrunde gelegt werden; sie können auch die Grundlagen für die Bemessung der Vergütungsanteile regeln. § 89 Abs. 1 gilt nicht.

(2d) Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Punktwerte nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(3) In der vertragszahnärztlichen Versorgung vereinbaren die Vertragsparteien des Gesamtvertrages die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Zahl und Struktur der Versicherten, der Morbiditätsentwicklung, der Kosten- und Versorgungsstruktur, der für die vertragszahnärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der zahnärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz neben den Kriterien nach Satz 1 zu berücksichtigen. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Krankenkassen haben den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die Zahl ihrer Versicherten vom 1. Juli eines Jahres, die ihren Wohnsitz im Bezirk der jeweiligen Kassenzahnärztlichen Vereinigung haben, gegliedert nach den Altersgruppen des Vordrucks KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 1. Oktober des Jahres mitzuteilen.

(3a) Die Gesamtvergütungen nach Absatz 3 dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Im Jahr 2024 dürfen die Gesamtvergütungen für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Gesamtvergütungen nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(4) Die Kassenzahnärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Sie wendet dabei in der vertragszahnärztlichen Versorgung den im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragszahnärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen. Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden. Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragszahnarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 Satz 1 vorzusehen. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die bis zum 11. Februar 2011 aufgewendeten Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 2792,16 Euro zu erstatten und sie im Übrigen von den weiteren Kosten freizustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung und Freistellung von Kosten einer Mamma- Augmentationsplastik (MAP).

2

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wurde 1967 als Mann geboren. Bei ihr besteht eine primäre Mann-zu-Frau-Transsexualität, die 2007 zu einer Änderung des Vornamens nach dem Transsexuellengesetz (TSG) führte (AG Schöneberg Beschluss vom 7.9.2007 - 70 III 59/07). Seit mehr als 15 Jahren wird sie mit weiblichen Hormonen behandelt. 2006/2007 erhielt sie eine operative Gesichtsfeminisierung und zwei Operationen zur Veränderung der Stimmlage zu Lasten der Beklagten. Ihren Antrag, ihr ua eine MAP zu gewähren (17.7.2007), lehnte die Beklagte hingegen ab: Die ebenfalls beantragte medizinisch indizierte Genitaltransformation habe Vorrang. Die Mikromastie als solche sei kein körperlicher Makel. Es sei möglich, dass die Brust nach der Kastration noch wachse (Bescheide vom 1.10.2007 und 19.3.2008, Widerspruchsbescheid vom 22.9.2008). Während des sich anschließenden Klageverfahrens hat sich die Klägerin vom 8. bis 11.10.2008 in der H. für Ästhetische und Plastische Chirurgie eine MAP verschafft (Behandlungs- und Honorarvereinbarung über 5000 Euro; Zahlung auf der Grundlage eines Privatkredits der Deutschen Bank mit einer Laufzeit von 66 Monaten und einem effektiven Jahreszins von 10,99 %, Gesamtbetrag: 6579,62 Euro). Eine Genitaltransformation ist bisher nicht erfolgt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.6.2009), das LSG die Berufung zurückgewiesen: Ein Anspruch auf Kostenerstattung scheitere bereits an einem fehlenden konkreten Antrag. Ein Anspruch auf operative Brustvergrößerung könne überdies nur bei Entstellung und als ultima ratio nur bestehen, wenn ein ausreichendes Brustwachstum auf anderem Wege nicht mehr zu erwarten sei (Urteil vom 11.2.2011).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 und § 27 Abs 1 S 1 SGB V. Sie habe Anspruch auf den Aufbau einer weiblichen Brust, ohne auf eine vorherige geschlechtsumwandelnde Operation verwiesen werden zu können. Vor der streitbefangenen Operation habe ihr Brustumfang abzüglich des Unterbrustumfangs 6 cm betragen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die bis zum 11. Februar 2011 aufgewendeten Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 2792,16 Euro zu erstatten und sie im Übrigen von den weiteren Kosten freizustellen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil, der SG-Gerichtsbescheid und die Bescheide der beklagten KK sind aufzuheben. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für die auf der Grundlage einer vertragsärztlichen Verordnung im Oktober 2008 durchgeführte stationäre MAP und im Übrigen auf Freistellung von den weiteren Kosten. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenfreistellungs- und -erstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V(anzuwenden idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046) sind erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: Hat die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch auf Kostenerstattung ist demnach nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff):Bestehen eines Primärleistungs(Naturalleistungs-)anspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die KK, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung. So liegt es hier: Die Beklagte lehnte es zu Unrecht ab, der Klägerin eine stationäre MAP zu gewähren (dazu 1.). Der Klägerin entstanden dadurch, dass sie sich eine der abgelehnten entsprechende, notwendige Leistung - MAP - selbst verschaffte, die von ihr geltend gemachten Kosten. Soweit sie Freistellung begehrt, droht ihr aufgrund der Selbstbeschaffung noch eine Kostenbelastung (dazu insgesamt 2.).

8

1. Die Beklagte lehnte einen Antrag der Klägerin auf Brustvergrößerung zu Unrecht ab, indem sie die Klägerin vorrangig auf die Durchführung einer Genitaltransformation verwies. Bei sinngemäßer Auslegung war der Antrag der Klägerin von Juli 2007 ua auf eine MAP ohne vorrangige Genitaltransformation gerichtet. Das Revisionsgericht ist berechtigt, den Antrag auszulegen. Das LSG hat die von ihm festgestellten Umstände im Hinblick darauf, wie der Antrag der Klägerin auszulegen ist, nicht verwertet. In einem solchen Fall hat das Revisionsgericht die vom LSG festgestellten Tatsachen in die Rechtsanwendung einzubeziehen. Die Auslegung eines Antrags hat sich danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für anderes Verhalten vorliegen (vgl BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 12 ff - UAE). Der Antrag der Klägerin lässt trotz seiner Verbindung mit weiteren Anträgen unmissverständlich erkennen, dass sie eine MAP nicht vom Ergebnis einer zuvor durchgeführten Kastration abhängig machen wollte. Ersichtlich ging es ihr lediglich darum, ua eine MAP als Maßnahme zur Angleichung ihrer Geschlechtsmerkmale zu erreichen.

9

Zu Unrecht lehnte die Beklagte den Antrag auf eine MAP ab. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass transsexuelle Versicherte nach § 27 Abs 1 SGB V Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern(dazu a). Die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien (dazu b). Der bestehende Brustansatz schließt den Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlung nicht aus (dazu c).

10

a) Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Versicherte leidet an Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit, deren Behandlung notwendig ist (dazu aa). Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus - als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (dazu bb). Die genannten operativen Eingriffe in den gesunden Körper müssen medizinisch erforderlich sein (dazu cc).

11

aa) Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10 mwN - Zisidentität; zu Bestrebungen, den Transsexualismus zu "entpathologisieren", vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.1.2010 - L 5 KR 375/10 - Juris RdNr 44). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus.

12

Transsexualismus ist nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse eine psychische Krankheit. Transsexuelle leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 34 mwN). Für die Diagnose entscheidend ist die Stabilität des transsexuellen Wunsches, der vollständigen psychischen Identifikation mit dem anderen, dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 unter Hinweis auf Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, Zf Sexualforschung 2001, S 258, 260; Pichlo, in: Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S 121). Die ICD-10-GM Version 2012 ordnet Transsexualismus mit dem Schlüssel F64.0 (Störungen der Geschlechtsidentität) dem Kapitel V zu (Psychische und Verhaltensstörungen ). F64.0 spricht von dem "Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden".

13

Die Rechtsordnung erkennt Transsexualismus nicht nur personenstandsrechtlich, sondern auch als behandlungsbedürftige Krankheit an. Der Gesetzgeber hat bereits durch Schaffung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (TSG) vom 10.9.1980 (BGBl I 1654; zuletzt geändert durch Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - BGBl I 224 = BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909) bestätigt, dass der Befund des Transsexualismus eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17). Inzwischen erstreckt das SGB V ausdrücklich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung auf die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehört ua Transsexualismus als seltene Erkrankung (vgl § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF durch Art 1 Nr 44 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl dazu BT-Drucks 17/6906 S 81; vgl zuvor Anlage 2 Nr 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V idF vom 18.10.2005, BAnz Nr 7 S 88 vom 11.1.2006, zuletzt geändert am 15.12.2011, BAnz Nr 197 S 4655, in Kraft getreten am 31.12.2011; zur erstmaligen Berücksichtigung des Transsexualismus als seltene Erkrankung im Rahmen des § 116b SGB V aF vgl die Bekanntmachung des GBA über eine Ergänzung des Katalogs nach § 116b Abs 3 SGB V vom 16.3.2004, BAnz Nr 88 S 10177).

14

bb) Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung des Transsexualismus ist mittlerweile - anknüpfend an den Erkenntnisfortschritt über die Erkrankung - weit gefächert. Für erforderlich werden individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 36 unter Hinweis auf Pichlo, in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität - Transidentität, 2006, 17; Becker, in: Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, 153, 180, 181).

15

Während die notwendige Krankenbehandlung des Transsexualismus auf psychischer Ebene nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ermöglichung und Stützung eines Lebens im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unproblematisch von § 27 Abs 1 S 1 SGB V erfasst ist, versteht sich dies für hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung nicht in gleicher Weise beinahe von selbst. Der erkennende Senat erachtet dennoch solche Ansprüche weiterhin für möglich.

16

Die ständige Rechtsprechung des für diese Frage allein zuständigen erkennenden Senats verneint grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 - Zisidentität; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (näher dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 mwN - Zisidentität).

17

Auch allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 S 3, § 28 Abs 1 S 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN)und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14 mwN - Zisidentität). Daran hält der Senat fest.

18

Der Senat hat allerdings bisher unter Hinweis auf die Regelungen des TSG eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen in dem hier betroffenen Bereich im Falle einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus gemacht. Er hat in diesen Fällen einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen bejaht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität), zugleich aber auch - neben § 27 Abs 1 S 1 SGB V - dem Regelungskonzept des TSG Grenzen der Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung entnommen(vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17 - Zisidentität). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind danach beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 unter Hinweis ua auf § 8 Abs 1 Nr 4 TSG).

19

Der erkennende Senat führt seine Rechtsprechung im Kern trotz der Entscheidung des BVerfG fort, § 8 Abs 1 Nr 4 TSG mit Art 2 Abs 1 und Art 2 Abs 2 iVm Art 1 Abs 1 GG für nicht vereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für nicht anwendbar zu erklären(vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909). Das BVerfG zielt mit seiner Entscheidung nämlich darauf ab, Transsexuelle vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen. Es sieht - nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe - die von § 8 Abs 1 Nr 4 TSG zum Erreichen personen-standsrechtlicher Änderungen zwingend vorgegebene deutliche Annäherung der transsexuellen Person an die körperliche Erscheinung des angestrebten anderen Geschlechts im Sinne einer genitalverändernden Operation angesichts der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken als unzumutbar an. Es ist danach unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BVerfGE 128, 109, 131 f = NJW 2011, 909, RdNr 70). Die operativen Eingriffe als solche stellen dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen keinen Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz dar (vgl zu Letzterem bereits BVerfGE 49, 286, 299 f). Unverändert kann bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BVerfGE 128, 109, 132 = NJW 2011, 909, RdNr 66; vgl auch zur Gesetzesentwicklung des TSG und § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG unten, II. 1.b).

20

cc) Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht losgelöst von der inneren Reichweite des Anspruchs überprüft werden (dazu b.).

21

b) Die Klägerin erfüllte zur Zeit der Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine MAP. Die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V) im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung kann nach der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG allerdings nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs 1 Nr 4 TSG eingegrenzt werden. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung(vgl dazu Hauck, NZS 2007, 461) nach den medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (dazu aa). Für das erforderliche Ausmaß der Behandlung ist dagegen nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen, dass dem Anspruch bereits Genüge getan ist, wenn die Behandlung nicht zu einer Entstellung führt (dazu bb).

22

aa) Besteht eine Indikation für eine begehrte geschlechtsangleichende Operation transsexueller Versicherter, bestimmen vornehmlich objektivierte medizinische Kriterien das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen.

23

Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl schon bisher BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.

24

Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 S 3, § 2 Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs 1 S 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.

25

In Abkehr von den bisherigen Überlegungen, Transsexuellen zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen nach § 8 Abs 1 Nr 4 TSG (bisherige Fassung) eine genitalverändernde Operation abzuverlangen, können sich hierbei die gebotenen individuellen operativen Therapieansätze lediglich auf MAP ohne genitalverändernde Operationen beschränken. Denn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Relativierung des Operationswunsches in seiner Bedeutung für Diagnose und Therapie Transsexueller (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 mwN). Insoweit muss medizinisch abgeklärt sein, dass die begehrte Therapie - MAP - geeignet, ausreichend und erforderlich, im Rahmen gleichwertiger Alternativen zudem im engeren Sinne wirtschaftlich ist. Auch der Operationswunsch hinsichtlich einer MAP darf nicht eine Lösungsschablone für etwa verborgene andere psychische Störungen oder Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern sein, sondern muss aufgrund des Transsexualismus indiziert sein.

26

Die genannten Voraussetzungen sind bei der Klägerin nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt. Das LSG zieht die ärztlich gestellte Indikation nicht in medizinischer Hinsicht in Zweifel, sondern hat lediglich in rechtlicher Hinsicht Bedenken gegen die Reichweite des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin, indem es der Genitaltransformation mit der anschließenden Möglichkeit eines spontanen Brustwachstums Vorrang vor einer MAP einräumt und diese auch nur bei Entstellung in Erwägung zieht.

27

bb) Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es demgegenüber aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (vgl zum Ganzen grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt.

28

c) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen ihres bereits vorhandenen Brustansatzes ausgeschlossen. Es steht fest, dass die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine medizinisch indizierte MAP erfordert.

29

Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine MAP beanspruchen (vgl zu DIN EN 13402: Größenbezeichnung von Bekleidung (2001) http://www.beuth.de/langanzeige/DIN-EN-13402-1/de/38031428). Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.

30

Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art 3 Abs 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl dazu zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).

31

Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat die Mikromastie der Klägerin nicht ein Ausmaß, das nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt.

32

2. a) Die Klägerin verschaffte sich aufgrund der Ablehnung ihres Antrags selbst eine solche Leistung, die der beantragten MAP entsprach und notwendig war. Grundsätzlich muss die selbst beschaffte Leistung zu demselben Leistungstyp gehören und auf gleicher Indikationsstellung bei im Wesentlichen unveränderten Verhältnissen beruhen wie die zuvor abgelehnte Leistung (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 28). Die in der H. selbst beschaffte MAP entsprach in medizinischer Hinsicht der beantragten, abgelehnten MAP. Sie erfolgte aufgrund andauernder Indikationsstellung ebenfalls in vergleichbarer Weise stationär. Die von der Klägerin selbst beschaffte Leistung war auch in vollem Umfang nach den allgemein anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst notwendig. Geht die selbst beschaffte Leistung über das als Naturalleistung Geschuldete hinaus, ist sie insoweit nicht notwendig. So lag es hier indes nach dem Gesamtzusammenhang der bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht.

33

Ohne Belang ist es hierbei grundsätzlich, dass das von Versicherten - hier: der Klägerin - für die Selbstbeschaffung aufgesuchte Krankenhaus nicht zur Behandlung Versicherter zugelassen ist. Bei rechtswidriger Ablehnung stationärer Behandlung wegen angeblich fehlender medizinischer Notwendigkeit sind die Aufwendungen für die Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Krankenhauses nicht nur - wie es die Entscheidung des erkennenden Senats vom 24.9.1996 (1 RK 33/95 - BSGE 79, 125, 128 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 53 - Brustverkleinerung) nahelegen könnte - erstattungsfähig, wenn ein Vertragskrankenhaus mangels ausreichender Informationsmöglichkeiten des Versicherten nicht erreichbar gewesen ist. Versicherte, denen ihre KK rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind vielmehr nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25 ff - Magenband). Es fehlt insoweit ein innerer Grund, den Kreis der nach ärztlichem Berufsrecht und sonstigem Recht für die Selbstverschaffung der notwendigen entsprechenden privatärztlichen Leistung zulässigen Leistungserbringer einzuschränken. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich auch insoweit maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat (vgl hierzu BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 18, 23 mwN - UAE). Erzwingt die rechtswidrige Leistungsablehnung der KK eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung.

34

Will die KK durch die konkrete Wahl des privatärztlichen Leistungserbringers entstehende Mehrkosten vermeiden, weil zB nicht die Grenzen des gesetzlichen Preisrechts der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) eingreifen, kann sie die Versicherten im Rahmen ihrer die Leistungen ablehnenden Entscheidung spontan auf konkrete günstige Möglichkeiten angemessener Selbstbeschaffung hinweisen. Das hat die Beklagte hier nicht getan. Sie hat der Klägerin von sich aus trotz wiederholter Kontaktaufnahme während des laufenden Widerspruchsverfahrens und der daraus erkennbaren Dringlichkeit des Anliegens eines operativen Brustaufbaus keinerlei Unterstützung bei der Suche nach einer kostengünstigen Krankenhausbehandlung gewährt.

35

Die Ablehnung des Antrags der Klägerin, ihr eine MAP zu gewähren, war auch die wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung einer MAP. Insbesondere hatte sich die Klägerin nicht - unabhängig davon, wie eine Entscheidung der Beklagten ausfiel - von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29 mwN - Magenband; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24 - UAE; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 260 f).

36

b) Weil die Klägerin sich die MAP selbst verschaffte, entstanden ihr bis zum 11.2.2011 Kosten in Höhe von 2792,16 Euro und droht ihr für die Folgezeit eine weitere Kostenbelastung. Ihr entstanden nämlich für die konkret durchgeführte MAP Kosten in Höhe von 5000 Euro (dazu aa) sowie hierfür Kreditfinanzierungskosten (dazu bb).

37

aa) Der H. erwuchs aus der MAP-Behandlung der Klägerin ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch in Höhe von 5000 Euro. Die Klägerin und die H. vereinbarten in der Sache bei sinngemäßer Auslegung der Erklärungen der Vertragsparteien und ihrer Interessen einen umfassenden sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag. Die Rechnung über die vereinbarte Leistung unterfiel nicht etwa den Anforderungen der Vorschriften der GOÄ (neugefasst durch Bekanntmachung vom 9.2.1996, BGBl I 210; zuletzt geändert durch Art 17 Gesetz vom 4.12.2001, BGBl I 3320) oder anderem öffentlich-rechtlichem Preisrecht.

38

(1) Geht es allein um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, besteht allerdings ein Vergütungsanspruch des Arztes für eine ärztliche Behandlung nur, wenn er dem Patienten darüber eine ordnungsgemäße Abrechnung nach den Bestimmungen der GOÄ erteilt (vgl dazu zB BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18 ff - Brachytherapie). Nach § 1 Abs 1 GOÄ bestimmen sich nämlich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Der Anwendungsbereich der GOÄ (vgl dazu auch BGHZ 183, 143) ist dagegen nicht eröffnet, weil nicht nur "berufliche Leistungen der Ärzte" Vertragsgegenstand sind, wenn der Patient - wie hier die Klägerin - weitergehend einen umfassenden, sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag mit dem Träger des Krankenhauses geschlossen hat (vgl Hermanns/Filler/Roscher, GOÄ Komm, 4. Aufl 2010, § 1 S 17 f; Quaas in ders/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl 2008, § 13 RdNr 41 ff; Spickhoff in ders, Medizinrecht, 2011, § 1 GOÄ RdNr 6). In einem solchen Falle schuldet der Träger des Krankenhauses nach näherer Maßgabe der vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen nicht nur ärztliche Leistungen, sondern zusätzlich auch alle anderen medizinisch erforderlichen Leistungen des Krankenhauses, insbesondere auch nichtärztliche pflegerische Betreuung, Unterbringung, Verpflegung und Medikation. Der behandelnde Krankenhausarzt wirkt an der Erfüllung dieser Pflicht des Krankenhausträgers für diesen mit und ist ihm gegenüber verpflichtet. Der behandelnde Krankenhausarzt ist dagegen gegenüber dem Patienten weder zur Erbringung der ärztlichen Leistungen im eigenen Namen verpflichtet noch berechtigt, ihm seine Leistungen in Rechnung zu stellen.

39

(2) Die vereinbarte Vergütung verstieß auch nicht gegen das öffentlich-rechtliche Preisrecht für Krankenhausbehandlungen. Nach § 1 Abs 1 Krankenhausentgeltgesetz(Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen vom 23.4.2002, hier anzuwenden in der Fassung durch Art 2 Nr 1 Gesetz vom 17.7.2003 BGBl I 1461) werden die vollstationären und teilstationären Leistungen der DRG-Krankenhäuser nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 29.6.1972, BGBl I 1009, hier anzuwenden idF durch Art 4 Gesetz vom 5.9.2006 BGBl I 2098) vergütet. Gemäß § 1 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG gilt dieses Gesetz indes ua nicht für Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Dies sind Krankenhäuser, die nicht die in § 67 Abgabenordnung(hier anzuwenden idF durch Art 10 Nr 7 und Nr 17 Gesetz vom 13.12.2006, BGBl I 2878) bezeichneten Voraussetzungen erfüllen. So liegt es nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG auch bei der H. (vgl auch allgemeine Informationen zur Berechnung der Kosten, abrufbar unter www.h. de). Eine solche aufgrund einer Konzession nach § 30 Abs 1 Gewerbeordnung betriebene Privatkrankenanstalt - wie die H. ist in ihrer Preisgestaltung - in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB - grundsätzlich frei(vgl BGH Beschluss vom 21.4.2011 - III ZR 114/10 - RdNr 5, GesR 2011, 492 = MedR 2011, 801; vgl auch BGHZ 154, 154, 158).

40

Vorgaben für das Vergütungsrecht aus dem KHG (3. Abschnitt, §§ 16-26), insbesondere aufgrund von § 17 Abs 5 KHG, greifen für den Vertrag mit der H. über im Jahr 2008 zu erbringende Leistungen nicht ein. Das KHG ist grundsätzlich auch auf Krankenhäuser anwendbar, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Die nicht geförderten Krankenhäuser sind vom Anwendungsbereich des KHG nicht ausgeschlossen (§ 3 KHG). § 20 S 1 KHG schränkt den Anwendungsbereich des 3. Abschnitts des KHG über Krankenhauspflegesätze für diese Krankenhäuser indes auf die Regelung des § 17 Abs 5 KHG ein. Pflegesätze sind die Entgelte der Benutzer oder ihrer Kostenträger für stationäre und teilstationäre Leistungen des Krankenhauses (§ 2 Nr 4 KHG). Die Vorschriften des 3. Abschnitts mit Ausnahme des § 17 Abs 5 KHG finden ua keine Anwendung auf Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden(vgl § 20 S 1 KHG). Ohne Belang sind vorliegend die ab 1.1.2012 geltenden Änderungen des § 17 Abs 1 KHG(vgl § 17 Abs 1 S 5 und 6 KHG, eingefügt durch Art 6 Nr 1a GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983, kritisch hierzu Quaas, GesR 2012, 193).

41

Der Regelungsbereich des § 17 Abs 5 KHG ist indes vorliegend nicht betroffen. § 17 Abs 5 KHG(hier anzuwenden idF durch Art 18 Nr 3 Gesetz vom 26.3.2007 BGBl I 378 mWv 1.7.2008) regelt ausschließlich Fälle der unmittelbaren Leistung von Krankenhäusern an öffentlich-rechtliche Kostenträger und nicht Fälle, in denen sich Versicherte zunächst rechtswidrig abgelehnte Leistungen selbst privat verschaffen und anschließend von ihrer KK Kostenerstattung begehren. Denn nach § 17 Abs 5 S 1 KHG dürfen bei Krankenhäusern, die nach diesem Gesetz nicht oder nur teilweise öffentlich gefördert werden, bloß von Sozialleistungsträgern und sonstigen öffentlich-rechtlichen Kostenträgern keine höheren Pflegesätze gefordert werden, als sie von diesen für Leistungen vergleichbarer nach diesem Gesetz geförderter Krankenhäuser zu entrichten sind. Auch § 17 Abs 5 S 2 KHG ist nicht einschlägig. Er erfasst lediglich Krankenhäuser, die nur deshalb nach diesem Gesetz nicht gefördert werden, weil sie keinen Antrag auf Förderung stellen. Solche Krankenhäuser dürfen auch von einem Krankenhausbenutzer keine höheren als die sich aus § 17 Abs 5 S 1 KHG ergebenden Pflegesätze fordern. Die H. ist indes von vorneherein als nicht förderungsfähige Privatkrankenanstalt konzipiert (vgl zum Problem auch Dettling in Lenz, Dettling, Kieser, Krankenhausrecht 2007, S 95 RdNr 66; Genzel/Degener-Hencke in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 89 RdNr 21).

42

(3) Der Vergütungsanspruch der behandelnden Privatklinik ist auch nicht wegen Wuchers nach § 138 Abs 2 BGB oder als sog wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs 1 BGB nichtig. Beide Tatbestände erfordern objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl zB BGHZ 104, 102, 104 mwN; BGHZ 128, 255, 257). Die Vergütungen nicht förderungsfähiger Privatkrankenanstalten wie der H., die kein Vertragskrankenhaus sind (§ 108 Nr 3 SGB V), sind mit den Entgelten zu vergleichen, die andere Privatkliniken für vergleichbare Krankenhausleistungen nach einem entsprechenden Abrechnungsmodus verlangen (vgl zum Ganzen BGHZ 154, 154, 159 ff). Es fehlt nach den Feststellungen des LSG jeglicher Hinweis auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in diesem Sinne (vgl auch die Informationen zur Berechnung der Kosten abrufbar unter www.h. de). Die von der Beklagten angestellten Vergleichsberechnungen mit Vergütungen für stationäre Behandlungen von öffentlich geförderten Krankenhäusern und Versorgungskrankenhäusern sind für eine Vergleichsberechnung dagegen nicht geeignet.

43

bb) Die geltend gemachten Zinsen sind als notwendige Beschaffungskosten Teil der Kostenerstattung (vgl BSGE 96,161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 29 - UAE). Die Erstattung "in entstandener Höhe" (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V) geht insoweit der allgemeinen Regelung des § 44 SGB I vor(vgl zur abweichenden Situation bei Zinsaufwendungen zur Befriedigung einer rechtswidrigen Erstattungsforderung BSGE 76, 233 = SozR 3-1750 § 945 Nr 1). Für die noch ausstehenden Ratenzahlungen ist der Anspruch auf Freistellung gerichtet (vgl zur Freistellung E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 275 f).

44

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.07.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Krebstherapie mit Hyperthermie, Vitamin-C-Infusionen und Thymuspräparaten.
Die Klägerin ist (neben ihrer Tochter) als Witwe (Gesamt-)Rechtsnachfolgerin (Erbin zu je ½ - Erbschein des Notariats S. vom 05.03.2013) des 1977 geborenen und am 30.01.2013 verstorbenen D. J. (im Folgenden: Versicherter). Sie hat zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Der Versicherte war bei der Sch. H. V. AG krankenversichert. Für die Leistungserbringung in Deutschland war die Beklagte zuständig.
Am 14.11.2011 diagnostizierte der Onkologe Dr. B. bei dem Versicherten ein fortgeschrittenes Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs (AEG-Karzinom) mit Leber- und Lymphknotenmetastasen (Arztbrief vom 18.11.2011). Am 23.11.2011 stellte sich der Versicherte zur Einholung einer Zweitmeinung im Klinikum r. der I. in M. vor. Dort wurde ihm wegen Inoperabilität des Tumors eine Chemotherapie nach dem PLF-Schema (Leukovorin, 5-FU sowie Cisplatin) empfohlen (Arztbrief vom 24.11.2011). Die Chemotherapie wurde im Dezember 2011 im H.-B.-Klinikum, S., aufgenommen (Arztbrief vom 21.12.2011).
Mit Schreiben vom 03.12.2011 beantragte der Versicherte die Übernahme der Kosten einer Hyperthermie-Behandlung. Da bei ihm wegen des fortgeschrittenen Stadiums der Krebserkrankung Aussicht auf Heilung nicht bestehe, habe ihm sein behandelnder Hausarzt Dr. Dr. R. die Durchführung einer Hyperthermie-Behandlung begleitend zur (schulmedizinischen) Chemotherapie angeraten. Dadurch sollten seine Beschwerden gelindert und sein Wohlbefinden solle aufrechterhalten werden. Dr. Dr. R. halte es auch für möglich, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen oder zumindest für einige Zeit aufzuhalten. Zur Stärkung des Immunsystems solle zusätzlich eine Thymus- und eine Misteltherapie durchgeführt werden.
Am 06.12.2011 nahm der Versicherte die ambulante Hyperthermie-Behandlung bei Dr. Dr. R. auf. Die Hyperthermie-Anwendung wurde vom 01.02.2012 bis 10.02.2012 und vom 03.07.2012 bis 11.07.2012 stationär in der B.-Klinik, Bad B., und im Übrigen ambulant in der F., F., und bei Dr. Dr. R. fortgeführt. In der F. ist der Versicherte darüber aufgeklärt worden, dass die lokoregionäre Tiefenhyperthermie als experimentelle Therapie von der Leistungspflicht der Krankenkassen nicht umfasst ist; ein entsprechendes Aufklärungsformular unterzeichnete der Versicherte am 03.04.2012. Die Hyperthermie-Behandlung wurde bis zum August 2012 durchgeführt. Bereits am 18.11.2011 hatte der Versicherte bei Dr. Dr. R. die (zusätzliche) Behandlung mit Thymuspräparaten aufgenommen. Ab 01.06.2012 wurden ihm von Dr. Dr. R. außerdem Vitamin-C-Infusionen verabreicht.
Dr. Dr. R. und Dr. H., F., stellten dem Versicherten für die als privatärztliche Leistungen erbrachte Hyperthermie-Behandlung, die Behandlung mit Thymuspräparaten und mit Vitamin-C- bzw. Seleninfusionen von November 2011 bis September 2012 Kosten von insgesamt 4.963,75 EUR bzw. 2.925,00 EUR und 220,14 EUR (Gesamtbetrag 8.108,89 EUR) in Rechnung (Rechnungen vom 27.12.2011, 03.04.2012, 09.05.2012, 05.06.2012, 02.07.2012, 13.08.2012 und 27.09.2012). Die Rechnungen sind bezahlt worden.
Mit Schreiben vom 22.12.2011 forderte die Beklagte den Versicherten auf, ihr weitere Informationen zur Hyperthermie-Behandlung von seinem behandelnden Arzt zukommen zu lassen.
Mit Bescheid vom 22.12.2011, der keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Thymus-Therapie ab. Diese gehöre nicht zum Leistungskatalog der Krankenkassen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) habe die Thymustherapie noch nicht bewertet.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) zur Hyperthermie-Behandlung des Versicherten.
10 
Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 27.01.2012 führte Dr. W. aus, nach Feststellung primärer Inoperabilität der Krebserkrankung des Versicherten sei eine Chemotherapie eingeleitet und es sei ein Stent (Speiseröhre) gelegt worden. Die Hyperthermie solle die Tumorzellen durch „Hitzestress“ empfindlicher gegenüber natürlichen Abbauprozessen oder der Strahlen- und Chemotherapie machen. Sie stelle keine Standardbehandlung dar. Der GBA habe sich mit der Krebsbehandlung durch Hyperthermie am 18.01.2005 befasst und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Stellenwert dieser Therapieform bei der Behandlung des Mammakarzinoms im Vergleich zu Standardtherapien (Operation, Strahlen- und Chemotherapie sowie Hormontherapie) noch unklar sei. Keine der unterschiedlichen Methoden der Hyperthermie sei bisher ausreichend standardisiert in Bezug auf Temperatur, Einwirkdauer usw. Die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aufgestellten Voraussetzungen für die grundrechtsorientierte (erweiternde) Auslegung des Leistungskatalogs (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris) seien vorliegend nicht erfüllt. Empfohlen werde die Anwendung der leitliniengerechten Therapie durch Onkologen bzw. Gastroenterologen.
11 
Mit Bescheid vom 02.02.2012, der ebenfalls keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Hyperthermie-Behandlung des Versicherten ab.
12 
Der Versicherte legte den Arztbrief des Onkologen Dr. St. (H.-B.-Klinikum) vom 01.02.2012 vor. Darin ist ausgeführt, die Krebserkrankung des Versicherten werde derzeit mit Chemotherapie und simultan mit Hyperthermie behandelt. Die computertomographische Zwischenuntersuchung vom 26.01.2012 habe eine Größenrückbildung des Primärtumors, der regionären Lymphknotenmetastasen und eine zunehmende Einschmelzung der Leberherde (Tumornekrosen) ergeben. Korrelierend hiermit sei der Tumormarker CEA rückläufig (Therapiebeginn 1.416, maximal 1.856, aktuell 343 ng/ml). Zusammenfassend habe durch die aktuelle Therapie ein Ansprechen am Verlauf des Tumormarkers und bildgebend im CT dokumentiert werden können. Die Anpassung der Chemotherapie erfolge in Absprache mit Dr. Dr. R., wobei konkret die Oxaliplatindosis auf 66 % der Standarddosierung zurückgenommen worden sei. Dadurch sei die chemotherapeutische Behandlung nebenwirkungsärmer und es bestehe im Prinzip die Möglichkeit einer Behandlungsverlängerung, sofern auch im weiteren Verlauf eine Tumorrückbildung erreicht werden könne.
13 
Die Beklagte befragte erneut den MDK. In der Sozialmedizinischen Fallberatung (nach Aktenlage) vom 09.03.2012 führte Dr. W. aus, aus dem Arztbrief des Dr. St. vom 01.02.2012 gehe nicht hervor, ob der Rückgang des Primärtumors und der Metastasen Folge der Hyperthermie oder der Kombination aus Chemotherapie und Hyperthermie sei. Möglicherweise handele es sich auch um einen Effekt, der allein von der Chemotherapie ausgehe. Es bleibe bei der Einschätzung im MDK-Gutachten vom 27.01.2012.
14 
Mit Bescheid vom 12.03.2012 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Hyperthermie-Behandlung des Versicherten erneut ab.
15 
Am 16.03.2012 erhob der Versicherte Widerspruch. Wie aus dem Arztbrief des Dr. St. vom 01.02.2012 hervorgehe, habe die Hyperthermie-Behandlung bei ihm eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
16 
Der Versicherte legte den Arztbrief des Dr. St. vom 19.03.2012 (mit Bericht der Radiologischen Gemeinschaftspraxis S. vom 16.03.2012) vor. Darin heißt es, bei guter Verträglichkeit habe unter der Chemotherapie nach dem FLOT-Protokoll in Kombination mit einer Hyperthermie-Behandlung ein sehr erfreuliches Therapieansprechen erreicht werden können. Am eindrucksvollsten zeige sich dies am Abfall des Tumormarkers CEA von max. 1.856 auf zuletzt 22 ng/ml. Auch in der bildgebenden Diagnostik mit CT-Abdomen nach 4 Zyklen Chemotherapie (einschmelzende Lebermetastasen) sowie nach 8 Zyklen (Größenregression > 50%, Referenzmetastase Segment V von 2,5 cm auf 1 cm) habe das Tumoransprechen bildmorphologisch dokumentiert werden können. In der ÖGD sei kein Primärtumor mehr nachweisbar. Man habe dem Versicherten vorgeschlagen, die Oxaliplatindosis, die vorübergehend (in den Chemotherapie-Zyklen 5 bis 7) auf 75 % erhöht worden sei, wieder auf 65 % (wie in den Zyklen 1 bis 4) zu reduzieren. Darunter sei unter der Hyperthermie ein optimales Therapieansprechen evaluiert worden. Durch die Oxaliplatin-Reduktion habe die Chemotherapie bisher nicht zu klinischen Zeichen einer Polyneuropathie geführt.
17 
Die Beklagte befragte erneut den MDK, auch zur beim Versicherten angewandten Thymustherapie. Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 28.03.2012 führte der Arzt E. aus, die Krebsbehandlung durch Hyperthermie sei Gegenstand der medizinischen Forschung. Ein Wirksamkeitsnachweis stehe allerdings weiterhin aus. Die Behandlung mit Hyperthermie im Rahmen klinischer Studien wäre möglich, regelmäßig als stationäre oder teilstationäre Behandlung unter kontrollierten Bedingungen, einschließlich Temperaturmessung im Tumorbett. Außerhalb klinischer Studien könne die Übernahme der Kosten für eine Hyperthermie-Behandlung ohne kontrollierte Bedingungen jedoch nicht befürwortet werden. Thymus-Lysate seien als Wirkstoff lediglich als nicht-rezeptpflichtige, homöopathische Arzneimittel auf dem Markt. Diese könnten zulasten der Krankenkassen nicht verordnet werden.
18 
Mit Schreiben vom 30.03.2012 teilte die Beklagte dem Versicherten (u.a.) mit, die Kosten der Thymustherapie und der Hyperthermie könnten nicht übernommen werden.
19 
Im weiteren MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 11.05.2012 führte der Arzt E. ergänzend aus, Studien, aus denen sich eine verlängerte Überlebenszeit von Krebspatienten durch Thymustherapie ableiten lasse, seien bei der Literaturrecherche nicht gefunden worden. Die Ausschöpfung der Standardtherapie beim Versicherten sei den Unterlagen nicht zu entnehmen. Für die Thymustherapie finde sich keine Empfehlung in den Leitlinien. Als Alternative stehe dem Versicherten die leitliniengerechte onkologische und gastroenterologische Behandlung zur Verfügung.
20 
Mit Schreiben vom 18.05.2012 beantragte der Versicherte die Übernahme der Kosten für die Behandlung mit Selen- und Vitamin-C-Infusionen. Mit Bescheid vom 21.06.2012 lehnte die Beklagte (auch) diesen Antrag ab. Am 19.07.2012 legte der Versicherte dagegen Widerspruch ein.
21 
Mit Schreiben vom 29.06.2012 lehnte die H. V. AG die Übernahme von Behandlungskosten für den Versicherten ab.
22 
Die Beklagte befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 21.08.2012 führte Dr. B.-N. (zur Misteltherapie) aus, bei dem Medikament Helixor P (wässriger Auszug aus Kiefernmistel) handele es sich um ein apothekenpflichtiges, aber nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Nach Maßgabe der Arzneimittelrichtlinien (AMR) könnten Mistelpräparate aperenteral auf Mistellektin normiert nur in der palliativen Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqualität zulasten der Krankenkassen eingesetzt werden. Helixor sei, ebenso wie andere Mistelpräparate der anthroposophischen Medizin, nicht auf Mistellektin normiert. Hintergrund sei, dass für die Behandlung aus anthroposophischer Sicht nicht der exakte Wirkstoffgehalt an Mistellektin, sondern der gesamte Gehalt des Mistelextraktes wichtig sei. Sowohl für allopathische, phytotherapeutische, nicht verschreibungspflichtige Mistelpräparate, wie Cefalektin, Eurixor und Lektinol, als auch für die anthroposophischen Mistelpräparate, wie Helixor, Abnoba viscum, Iscador, gelte, dass diese Arzneimittel bei malignen Tumoren für die palliative Therapie zulasten der Krankenkassen verordnet werden dürften. Das vom Versicherten begehrte Medikament sei daher zu gewähren.
23 
Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 22.08.2012 führte Dr. B.-N. (zur Hyperthermie- und Thymusbehandlung) aus, zu den Hyperthermie-Verfahren gehörten verschiedene Methoden, die eine lokale, regionale oder systemische Erwärmung des Körpers über die normale Körpertemperatur hinaus erzeugten. Die Wirksamkeit der Hyperthermie werde auf molekulare und physiologische Effekte von Wärme auf Zell- und Gewebeebene zurückgeführt. Dabei werde u.a. eine Sensibilisierung von Tumorzellen gegenüber der Radiotherapie und/oder der Anwendung von Zytostatika postuliert, ebenso eine „physiologische Umstimmung im Tumorgebiet in Abhängigkeit von der speziellen Tumorbiologie und der erzielten Temperatur“. Unterschieden werde zwischen der lokalen (oberflächlichen) Hyperthermie, der regionalen Tiefenhyperthermie, der interstitiellen Hyperthermie, der Extremitätenperfusion (der regionalen Hyperthermie zuordenbar) und der Teilkörper- und Ganzkörperhyperthermie. Die wissenschaftlich fundierte Krebsbehandlung mit regionaler Tiefenhyperthermie innerhalb klinischer Studien werde an spezialisierten akademischen Zentren (z.B. in D., E., M. und T.) durchgeführt. Dabei würden technische Geräte eingesetzt, die neben der Temperaturdosisplanung eine Verifikation der tatsächlich erzielten Temperaturen über Temperaturmessungen ermöglichten. Das sei erforderlich, weil der Temperaturbereich, in dem Hyperthermie gegen Tumore nachgewiesenermaßen wirksam sei, nahe an der Grenze liege, an der auch gesundes Gewebe irreversibel geschädigt werde. Verglichen mit den wissenschaftlichen Verfahren problematisch seien demgegenüber Hyperthermieverfahren, denen sowohl eine wissenschaftlich-technisch begründete Therapieplanung, die Möglichkeit der Fokussierung der Energieverteilung im Zielgebiet wie auch eine valide Temperaturkontrolle im Zielvolumen fehle. Bei diesen Verfahren würden Niederfrequenzgeräte eingesetzt; die Behandler sprächen von „Elektro-Hyperthermie“ bzw. „Oncothermie“. Die Geräte verwendeten den niedrigsten und damit technisch und wirtschaftlich am einfachsten und kostengünstig darstellbaren Frequenzbereich, für den aufgrund erlaubter Störungen anderer Dienste keine aufwändigen Abschirmungsmaßnahmen erforderlich seien. Die offizielle Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft Hyperthermie der Deutschen Krebsgesellschaft, in der die wissenschaftlich orientierte Hyperthermie in Deutschland organisiert sei, habe diese Methode wiederholt scharf kritisiert und die (Geräte-)Hersteller aufgefordert, Belege für die behaupteten Effekte oder die klinische Wirksamkeit des Verfahrens beizubringen, was jedoch nicht erfolgt sei. Nach Maßgabe des Medizinproduktegesetzes könnten die Niederfrequenzgeräte ohne Wirkungsnachweis angeboten werden. Sie würden gut vermarktet und vorwiegend an komplementäronkologische Einrichtungen und an Heilpraktiker verkauft. Studien, die den Nutzen dieser Hyperthermie-Methode für den Patienten belegten, gebe es nicht. Beim Versicherten seien offenbar unterschiedliche Hyperthermie-Verfahren, teils ambulant, teils stationär, angewendet worden. Hinsichtlich der Thymustherapie fänden sich in den Behandlungsunterlagen keine genauen Angaben zu Art und Herstellung der verwendeten Thymuspräparate. Thymuspräparate seien in den AMR von der Verordnung zulasten der Krankenkassen ausgeschlossen worden.
24 
Das beim Versicherten vorliegende metastasierende AEG-Karzinom stelle eine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung dar. AEG-Karzinome würden wie Magenkarzinome behandelt. Mit verschiedenen Chemotherapieschemata seien Remissionen bis zu 40 % zu erreichen mit Verlängerung der Überlebenszeit. Dazu heiße es in der einschlägigen S3-Leitlinie „Magenkarzinom“, eine palliative medikamentöse Tumortherapie solle zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Diagnosestellung der lokal fortgeschrittenen inoperablen oder metastasierten Erkrankung eingeleitet werden. Die Kombinationstherapie sei der Monotherapie mit 5-FU bzw. oralem Fluoropyrimidin in Bezug auf die Überlebenszeit signifikant überlegen. Indiziert sei eine systemische platin-/fluoropyrimidinhaltige Kombinationstherapie. Eine Dreifachkombination mit Cisplatin, 5-FU und Docetaxel (DCF) führe bei einer jüngeren Patientenpopulation (median 55 Jahre) im Vergleich zu einer Zweifachtherapie mit Cisplatin/5-FU zu einem statistisch signifikanten Überlebensvorteil, sei jedoch mit einer höheren Rate an Toxizitäten verbunden. Patienten in gutem Allgemeinzustand solle eine Zweit-Chemotherapie angeboten werden bei Progress. Insgesamt stünden für das beim Versicherten verfolgte Behandlungsziel vertragliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
25 
Nach Aussagen der offiziellen Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft Hyperthermie hätten klinische Behandlungsprotokolle einen Nutzen der regionalen Tiefenhyperthermie bei lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen, kapselüberschreitenden Prostatakarzinomen, Hochrisiko-Weichgewebesarkomen, Gebärmutterhalskrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Harnblasen-karzinomen und bei Keimzelltumoren bei Kindern und Jugendlichen ergeben. Die Hyperthermie werde danach derzeit vor allem bei schwierigen Krebserkrankungen eingesetzt. Sie komme vor allem bei Tumoren in Frage, die schlecht oder gar nicht operabel seien und für Krebsgeschwülste, die trotz vorangegangener konventioneller Therapie ein- oder mehrfach wieder aufgetreten seien. In den Kliniken der Mitglieder der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft Hyperthermie würden Hyperthermiepatienten in klinischen Studien erfasst. Deshalb werde die Überwärmungstherapie nur bei Indikationen angewendet, die gezielt wissenschaftlich erforscht würden. Dazu gehörten Magenkarzinome bzw. AEG-Tumore nicht. In der aktuell gültigen S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ und in der entsprechenden amerikanischen Leitlinie würden Hyperthermie und Thymustherapie als Behandlung von AEG-Tumoren nicht erwähnt. Insgesamt ergäben sich nach Aktenlage keine neuen Erkenntnisse für Wirksamkeit und Nutzen der in Rede stehenden Krebsbehandlung. Viele Fragen zu Sicherheit, Wirksamkeit und Nutzen, wie Hitzeempfindlichkeit von Tumorzellen, methodisch-technische Aspekte, klinische Ansprechraten oder Überlebenszeiten, seien weiterhin offen. Aufgrund der Unterschiede bei den verschiedenen Systemen zur Erzeugung einer Hyperthermie und auch aufgrund der unzureichenden Standardisierung der Verfahren zur Anwendung am Patienten in einheitlichen und etablierten Protokollen sei es erforderlich, die postulierten Wirksamkeitseffekte durch Hyperthermie weiterhin unbedingt in kontrollierten klinischen Studien zu überprüfen. Die meisten der bei der Literaturrecherche aufgefundenen Arbeiten befassten sich mit der Anwendung von hyperthermer intraperitonealer Chemotherapie in perioperativer Anwendung. Es gebe keine Studien, die Hinweise auf eine positive Einwirkung der Hyperthermie (Ganzkörperhyperthermie bzw. lokoregionale Tiefenhyperthermie) allein oder in Verbindung mit Chemotherapie auf den Krankheitsverlauf im vorliegenden Fall erbringen würden. Studien, die darauf hinweisen könnten, dass im Fall eines AEG-Karzinoms durch Thymustherapie eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf eingetreten sei, seien bei der Literaturrecherche ebenfalls nicht aufzufinden. Es gebe auch keine Hinweise auf eine positive Einwirkung der Thymustherapie auf den Krankheitsverlauf in Kombination mit Chemotherapie (und Hyperthermie). Zudem werde in vorliegenden Arztbriefen wiederholt erwähnt, dass Oxaliplatin nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt Dr. Dr. R. von Anfang an auf 65% (66 %) bzw. 75 % reduziert worden sei, ohne dass zuvor Nebenwirkungen wie Polyneuropathie aufgetreten wären. Darunter sei nach Auffassung des Dr. Dr. R. unter Hyperthermie ein optimales Therapieansprechen evaluiert worden. Bei der Literaturrecherche hätten sich indessen keine Hinweise auf Studien ergeben, in denen dies (auch bei Vorliegen eines Magenkarzinoms bzw. eines AEG-Karzinoms) habe belegt werden können bzw. untersucht worden sei.
26 
Insgesamt stünden zur Behandlung der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten leitliniengerechte vertragsärztliche Behandlungsmethoden für die palliative Therapiesituation zur Verfügung. Belastbare Hinweise für eine Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf mit den hier durchgeführten Modalitäten der Hyperthermie sowie der Thymustherapie gebe es nicht. Die vom Versicherten im Rahmen privatärztlicher Behandlung gewählte experimentelle Therapie habe bislang keinen Wirksamkeitsnachweis anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken erbracht. Eine Überlegenheit, ein medizinischer Nutzen oder die Wirtschaftlichkeit gegenüber anderen Standardverfahren seien nicht nachgewiesen.
27 
Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 30.08.2012 führte Dr. B.-N. (zur Infusionstherapie) aus, bei Vitamin-C-Injektionslösungen handele es sich um apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Diese seien zugelassen zur Prophylaxe eines Vitamin-C-Mangels bei längerer parenteraler Ernährung sowie bei Methämoglobinämie im Kindesalter. Die Dauer der Anwendung richte sich laut Fachinformation nach dem klinischen Bild und nach den labordiagnostischen Parametern. In den Behandlungsunterlagen befänden sich keine Angaben zu Präparat, Dosierung, Häufigkeit der Anwendung sowie zu den Laborwerten. Der verordnete Wirkstoff sei in den AMR als Therapiestandard bei schwerwiegenden Erkrankungen wie folgt anerkannt: Wasserlösliche Vitamine, Benfotiamin und Folsäure als Monopräparate nur bei nachgewiesenem, schwerwiegendem Vitaminmangel, der durch eine entsprechende Ernährung nicht behoben werden kann. Diese Fallgestaltung liege hier bei Anwendung in Kombination mit Hyperthermie, Thymustherapie und Selen-Infusionen jedoch nicht vor. Verschreibungspflichtige Selenpräparate zu Infusionszwecken seien in Deutschland zugelassen zur Behandlung von Patienten mit nachgewiesenem Selenmangel, der ernährungsgemäß nicht behoben werden könne. Zur Therapiekontrolle sei laut Fachinformation die Selenbestimmung im Vollblut bzw. im Serum sinnvoll. In den Behandlungsunterlagen fänden sich (auch insoweit) keine Angaben zu Präparat, Dosierung und Häufigkeit der Anwendung sowie zu den Laborwerten. Bei der Anwendung in Kombination mit Hyperthermie, Thymustherapie und Vitamin-C-Infusionen zur Behandlung der beim Versicherten vorliegenden Krebserkrankung handele es sich um einen indikationsüberschreitenden Off-Label-Use. Eine dafür in § 30 Abschnitt K AMR notwendige Empfehlung der Expertengruppe mit Zustimmung des pharmazeutischen Unternehmens bzw. die Übernahme der Empfehlung durch den GBA in die AMR liege nicht vor. Wie bereits im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 dargelegt, stünden für das Behandlungsziel vertragliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. AEG-Karzinome würden wie Magenkarzinome behandelt. Diese seien chemosensibel. Wirksam seien Taxane, 5-FU, Doxorubicin, Mitomycin C, Methotrexat, Cisplatin, Irinotecan und Nitrose-Harnstoffe. Aus den Unterlagen gehe nicht hervor, dass ein wissenschaftlicher Konsens in Fachkreisen über den Einsatz von Selen-Infusionen zur Behandlung der Krebserkrankung des Versicherten bestehe. Ebenso wenig könne aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht bestätigt werden, dass mit dem in Rede stehenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden könne. Für die Zielindikation des Arzneimittels sei auch ein Zulassungsantrag in Deutschland bzw. Europa nicht gestellt; entsprechende Phase-III-Studien seien nicht publiziert. Die Anwendung von Vitamin-C-Infusionen und Selen-Infusionen im Fall des Versicherten sei nicht als Standard etabliert bzw. von nationalen oder internationalen Fachkreisen empfohlen, auch nicht als Begleittherapie zur Hyperthermie und Thymustherapie. Dr. St. habe die genannten Infusionen in seinen Arztbriefen auch nicht erwähnt. Entsprechendes gelte für die Arztberichte der Krankenhäuser, in denen der Versicherte untersucht bzw. behandelt worden sei. Im Hinblick auf die Regelung in § 2 Abs. 1a SGB V seien beim Versicherten die dem allgemein anerkannten Standard der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden palliativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Begehrt werde daher eine Leistung, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre.
28 
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2012 (dem Versicherten am 06.11.2012 zugestellt) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Behandlung des Versicherten mit Hyperthermie, Thymus- und Infusionstherapie stelle keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Die Kosten hierfür könnten daher nicht übernommen werden.
29 
Am 06.12.2012 erhob der Versicherte Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Nach dem Tod des Versicherten am 30.01.2013 führte die Klägerin (gemeinsam mit ihrer Tochter) das Klageverfahren fort. Zur Begründung wurde vorgetragen, die neben der Chemotherapie durchgeführte Hyperthermie-Behandlung habe eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gehabt. Aus den vorliegenden Arztberichten gehe hervor, dass der Tumormarker CEA rückläufig gewesen und dass es zu einer größeren Rückbildung des Primärtumors und der regionären Lymphknotenmetastasen sowie zu einer zunehmenden Einschmelzung der Leberherde (Tumornekrosen) gekommen sei. Außerdem habe man die Chemotherapie unter verringerter Dosis und damit nebenwirkungsärmer durchführen können. Insgesamt habe durch Kombination der Chemotherapie mit Hyperthermie ein Behandlungserfolg erzielt werden können; schließlich sei der Primärtumor nicht mehr nachweisbar gewesen. Die Beklagte gewähre die in Rede stehende Behandlung vollumfänglich im stationären Bereich, lehne aber die Kostenübernahme für die ambulante Durchführung ab; das sei sachlich nicht gerechtfertigt. Aus Statistiken gehe hervor, dass die Hyperthermie-Behandlung in Fällen der vorliegenden Art eine lebensverlängernde Wirkung habe, die mit Chemotherapie allein nicht erreichbar sei. Die Kombinationsbehandlung mit Chemotherapie, Hyperthermie, Thymus- und Infusionstherapie verringere die Nebenwirkungen einer Behandlung allein mit Chemotherapie.
30 
Die Klägerin trug ergänzend vor, der Versicherte habe ab Diagnosestellung dank der zusätzlichen Behandlung mit Hyperthermie, Thymus- und Infusionstherapie im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts 14,5 Monate überlebt; die durchschnittliche Überlebenszeit (bei männlichen Patienten) liege bei 9,2 Monaten. Im ersten Jahr würden 42,4 % der Erkrankten versterben. Außerdem hätten die Nebenwirkungen der Chemotherapie durch Dosisreduktion um die Hälfte deutlich vermindert werden können.
31 
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Das SG zog weitere Arztunterlagen bei und befragte behandelnde Ärzte.
32 
Prof. Dr. H. (H.-B.-Klinik) führte im Bericht vom 15.08.2013 aus, beim Versicherten sei eine Chemotherapie mit 5-FU-Oxaliplatin und Taxotere angewandt worden. Da das Krebsleiden bereits primär metastasiert gewesen sei (Lebermetastasen) habe von vornherein kein kuratives Therapiekonzept bestanden.
33 
Dr. H. (F.) gab im Bericht vom 20.08.2013 an, der Versicherte habe sich erstmals am 03.04.2012 vorgestellt; der letzte Kontakt habe am 28.06.2012 stattgefunden. An diesem Tag sei auch die letzte Hyperthermie-Behandlung vorgenommen worden. Der Versicherte habe sich in einer palliativen Situation befunden. Leitliniengerecht sei eine palliative Chemotherapie durchgeführt worden. Ergänzend habe man schon von Beginn an in der Praxis des Dr. Dr. R. eine begleitende Hyperthermie-Behandlung angewandt. Bei der ersten Zwischenuntersuchung habe sich ein überdurchschnittlich gutes Ansprechen der Therapie gezeigt. Insofern sei evident, dass bei dem Versicherten die Kombination zwischen Chemotherapie und Hyperthermie ein Optimum in der Behandlung dargestellt habe. Dementsprechend habe man auch die Fortsetzung der Therapie geplant. Auf Wunsch des Versicherten habe man den Hyperthermie-Teil der Behandlung in der Zeit von April bis Juni 2012 durchgeführt. Prinzipiell habe zwar eine palliative Situation vorgelegen, da der Tumor metastasiert gewesen sei. Im Hinblick auf das junge Alter und den guten Allgemeinzustand des Versicherten sei aber auch daran gedacht worden, ob nicht durch intensiviertes Ansprechen auf die Therapie eine eventuelle sekundäre Resektion des Primärtumors und der Metastasen möglich werden würde. Unter diesem Gesichtspunkt habe der Versicherte eine maximal effektive Chemotherapie erhalten. Ergänzend habe man Hyperthermie angewandt. Es gebe gute Daten, die sowohl eine Intensivierung der Wirksamkeit der Chemotherapie und der Hyperthermie, aber auch einen direkt immunstimulierenden Effekt der Hyperthermie belegten. Insofern sei das Konzept der Kombination einer potenten Chemotherapie in Verbindung mit Hyperthermie im Fall des Versicherten sicher eine medizinisch sehr sinnvolle Entscheidung gewesen. Durch ein maximales Ansprechen habe zumindest theoretisch die Option bestanden, die primär palliative Situation eventuell dann doch in eine kurative Option durch Operation und nachfolgende adjuvante Therapie überzuführen. Die schulmedizinische Standardtherapie sei federführend von der H.-B.-Klinik durchgeführt worden. Man habe sich dort für eine Chemotherapie nach dem FLOT-Schema entschieden. Diese Kombinationstherapie sei sicher nach aktueller Datenlage eine der potentesten Kombinationstherapien bei der in Rede stehenden Tumorentität, weshalb man die Entscheidung der Klinik als sehr vernünftig einstufen könne. Es gebe Daten, wonach die Wirksamkeit (der schulmedizinischen Behandlung) durch die Hyperthermie noch gesteigert werden könne. Insofern mache auch die Hinzunahme der Hyperthermie durchaus Sinn. Das gewählte Behandlungskonzept scheine ein durchaus sinnvolles Behandlungskonzept in der gegebenen Situation gewesen zu sein.
34 
Dr. Dr. R. teilte unter dem 28.08.2013 mit, er habe den Versicherten vom 18.03.2011 bis 02.12.2012 hausärztlich behandelt. Nach der Diagnose der Krebserkrankung sei der Versicherte über die infauste Prognose bei allein schulmedizinischer Behandlung informiert worden. Deshalb sei in Absprache mit den Ärzten der H.-B.-Klinik ein Konzept für die onkologische komplementäre Begleitung entwickelt worden. Dieses habe eine vorsichtige Reduktion der schulmedizinischen Standardtherapie und die Ergänzung der Therapie durch parallele Hyperthermie und begleitende Infusionen mit Selen und Vitamin C sowie eine Thymustherapie umfasst. Diese Therapie habe einen kurativen Anspruch; er habe sie in jüngster Vergangenheit mehrfach erfolgreich durchgeführt. Nach der ersten Serie der Chemotherapie und der komplementären Begleittherapie habe sich der Versicherte im Stadium der partiellen Remission bei einem erstaunlich guten Allgemeinzustand befunden. Leider habe sodann über einen längeren Zeitraum eine weitere Behandlung nicht stattgefunden, da sich die Option der lokalen Operation oder der Embolisation der Lebermetastasen ergeben habe. Die partielle Remission habe bis Juli 2012 angehalten; sodann sei eine Progression der Lebermetastasen festgestellt worden. Trotz verschlechterter Ansprechbarkeit (der Chemotherapie) sei die Begleittherapie weitergeführt worden. Leider sei es zu einer deutlichen hepatischen und ossären Metastasierung gekommen, weshalb man auf ein weiteres Protokoll (der Chemotherapie) umgestellt habe. Auch dies habe nicht den gewünschten Erfolg erbracht. Die komplementäre Begleittherapie habe Anfang Dezember 2012 nicht mehr zufriedenstellend angesprochen und sei abgebrochen worden. Zur Thymustherapie existiere eine Fülle von Studien mit positivem Erfolg. Er wende diese Behandlung seit 25 Jahren erfolgreich bei Krebserkrankungen und bei schweren chronischen Erkrankungen an.
35 
Die Beklagte legte das MDK-Gutachten des Dr. T. vom 09.12.2013 (Fachreferat Onkologie) vor. Darin ist ausgeführt, im Hinblick auf das von Dr. H. erwähnte überdurchschnittlich gute Ansprechen des Versicherten auf die Therapie bleibe unklar, ob dies Folge der komplementären Hyperthermie-Behandlung gewesen sei. Auch bei Einsatz der Chemotherapie gebe es Patienten, die überdurchschnittlich bzw. unterdurchschnittlich auf die Behandlung reagierten. Insofern habe das überdurchschnittliche Therapieansprechen nicht die Bedeutung eines Wirksamkeitsnachweises für die Hyperthermie-Behandlung. Die Ansicht des Dr. H., der das (überdurchschnittliche) Therapieansprechen des Versicherten auf die Kombination von Chemotherapie und Hyperthermie zurückführe, sei aus wissenschaftlich-methodischer Sicht nicht gerechtfertigt. Nur eine vergleichende Studie könne einen entsprechenden symbiotischen Effekt belegen. Auch die Aussage, es gebe gute Daten, die sowohl die Intensivierung der Wirksamkeit der Chemotherapie durch Hyperthermie wie einen direkt immunstimulierenden Effekt der Hyperthermie belegten, könne aus sozialmedizinischer Sicht nicht nachvollzogen werden. Wie bereits in vorausgegangenen MDK-Gutachten dargelegt, gebe es hinsichtlich der Hyperthermie in Deutschland zwei verschiedene medizinische Strömungen. Die wissenschaftliche Hyperthermie organisiere sich in einer Interdisziplinären Arbeitsgruppe Hyperthermie der Deutschen Krebsgesellschaft (Atzelsberger Kreis) und in der Arbeitsgruppe Hyperthermie der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie. Der Atzelsberger Kreis habe im Jahr 2012 erstmals eine Leitlinie zum Qualitätsmanagement bei der regionalen Tiefenhyperthermie herausgegeben. Die zweite Strömung stelle die Deutsche Gesellschaft für Hyperthermie dar. Diese sei Mitglied im Dachverband der Ärztegesellschaft für Naturheilkunde und Komplementärmedizin. Dort würden für die Hyperthermie typischerweise andere Geräte als bei der wissenschaftlichen Hyperthermie eingesetzt. Die komplementäre Form der Hyperthermie werde auch als Elektro-Hyperthermie bezeichnet. Neben unterschiedlichen Leistungsmerkmalen der Geräte unterscheide sich die auf diese Weise betriebene Form der Hyperthermie vor allem in wichtigen Aspekten des Qualitätsmanagements. So erfolge in der komplementären Hyperthermie im Gegensatz zur wissenschaftlichen Hyperthermie z.B. keine Temperaturdosisplanung und keine Bestimmung der tatsächlich erreichten Temperatur im Zielgewebe. Insoweit gebe es zwischen den Hyperthermie-Konzepten der Schulmedizin und des komplementären Ansatzes Unterschiede, auch substantieller Art, nachdem in der komplementären Hyperthermie auch und sogar überwiegend (zu 80%) auf den Aufbau elektrischer Felder und deren Wirkung abgestellt werde. Aus den Unterlagen gehe nicht hervor, mit welchen Geräten die Hyperthermie-Behandlung beim Versicherten durchgeführt worden sei. Indizien sprächen allerdings für die Anwendung der komplementären Elektro-Hyperthermie; davon sei auszugehen. Zum Wirkungsnachweis der in der komplementären Hyperthermie angewandten Methode seien bei der Literaturrecherche keine klinischen Studien gefunden worden. Für die Angaben des Dr. H. gebe es aus sozialmedizinischer Sicht keine objektivierbaren wissenschaftlichen Belege. Für die Methode der Elektro-Hyperthermie liege derzeit indikationsunabhängig keinerlei Evidenz für einen Wirksamkeitsnachweis vor. Insbesondere bleibe unklar, ob die Elektro-Hyperthermie zusätzlich zur durchgeführten Chemotherapie mit einer spezifischen Wirksamkeit verbunden sei. Hinsichtlich des Berichtes des Dr. Dr. R. könne nicht nachvollzogen werden, wie für ein nicht evidenz-basiertes Therapiekonzept eine kurative Wirkung bei einem an einem metastasierenden AEG-Karzinom erkrankten Patienten postuliert werden könne. Die nicht weiter belegten Angaben des Dr. Dr. R. hinsichtlich des Erfolges der Thymustherapie könnten die Anforderungen der evidenz-basierten Medizin nicht ersetzen.
36 
Die Klägerin trug hierzu vor, Dr. T. habe nicht hinreichend bedacht, dass unkonventionelle Behandlungsmethoden auf den Grundsätzen der Erfahrungsmedizin und nicht der Schulmedizin beruhten. Er hätte das diesen Methoden zugrunde liegende therapeutische Konzept bzw. die besondere Therapierichtung und die darauf bezogene Binnenanerkennung der in Rede stehende Behandlungsmethoden in die Beurteilung einbeziehen müssen (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 16.09.1997, - 1 RK 28/95 -; Urteil vom 08.09.1993, - 14a RKa 7/92 -; Urteil vom 11.05.2011, - 6 KA 25/10 R -, alle in juris). Fallbeispiele zeigten, dass die Thymustherapie als Teil der Organotherapie die Reaktion des Immunsystems bei Krebspatienten verbessere. Dem Versicherten seien bei infauster Prognose durch die Dosisreduktion der Chemotherapie belastende Nebenwirkungen (wie Übelkeit, Erbrechen oder Polyneuropathie) erspart geblieben.
37 
Vorgelegt wurde außerdem der Bericht des Dr. St. vom 31.03.2014. Darin ist (u.a.) ausgeführt, bei der Erstlinienchemotherapie habe durch begleitende Hyperthermieanwendungen ein erstaunlicher Verlauf mit Abfall des Tumormarkers CEA von 1.416 auf 5 ng/ml und eine partielle Regression mit Rückbildung sowohl des Primärtumors als auch der Lebermetastasen ohne höhergradige Nebenwirkungen erreicht werden können. Deswegen sei in der Universitätsklinik F. sogar eine erweiterte Hemihepatektomie als Empfehlung diskutiert worden. Wegen eines zwischenzeitlichen Progresses sei indessen die Therapiealternative mit einer Zweitlinienchemotherapie durchgeführt worden, im ersten und zweiten Zyklus mit, im dritten Zyklus ohne Hyperthermie. Hierunter sei es zu einer Progression mit CEA-Anstieg von 43 auf 334 ng/ml und auch zu einer deutlichen Progression der hepatischen Metastasen gekommen. Insgesamt habe unter der Erstlinientherapie in Kombination mit Hyperthermie und dadurch möglicher Reduktion der Oxaliplatindosis auf 65 % bis 75 % ein sehr gutes Therapieansprechen ohne relevante Nebenwirkungen erreicht werden können. Mit der Zweitlinientherapie sei dies allerdings nicht mehr gelungen, weder mit der Chemotherapie allein noch mit zusätzlicher Hyperthermie. Das belege, dass die Kombination von Oxaliplatin in reduzierter Dosierung mit Hyperthermie eine effektive Therapiekombination darstelle.
38 
Dr. Dr. R. teilte im Bericht vom 09.04.2014 mit, der Versicherte habe sowohl lokoregionale Hyperthermie wie (bei ihm) moderate Ganzkörperhyperthermie erhalten. Das neue Behandlungsverfahren sei im Hinblick auf die infauste Prognose des Versicherten (Lebenserwartung unter 1 Jahr) angewandt worden. Das von ihm praktizierte Verfahren - Reduktion der Oxaliplatindosis in Kombination mit Hyperthermie - sei recht neu und er habe es bislang nur bei Patienten mit infauster Prognose in weit fortgeschrittenem Tumorstadium angewandt. Zur Thymustherapie als Teil der Erfahrungsheilkunde gebe es seines Wissens keine neueren Studien, die den wissenschaftlichen Kriterien entsprächen, jedoch eine große Sammlung von positiven Erfahrungsberichten und Fallbeschreibungen.
39 
Die Beklagte legte hierzu abschließend das MDK-Gutachten des Dr. T. vom 19.05.2014 vor. Darin heißt es (u.a.), in den bislang eingeholten MDK-Gutachten sei nicht behauptet worden, dass die Hyperthermie „keinen Erfolg bringe“. Man habe vielmehr darauf hingewiesen, dass der wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweis bislang nicht erbracht sei, was aber zur Begründung der Leistungspflicht der Krankenkassen erforderlich wäre, weil die Hyperthermie vom GBA aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden sei. Für die Anwendung von Hyperthermie allein oder in Kombination mit Chemotherapie bei Patienten mit metastasiertem Magenkarzinom sei bislang kein wissenschaftlich-basierter Wirksamkeitsnachweis erbracht worden. Daran ändere die Einschätzung des Dr. Dr. R. nichts. Auch besondere Therapierichtungen (vgl. § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) müssten sich an den einschlägigen Qualitätsstandards messen lassen (BSG, Urteil vom 21.03.2013, - B 3 KR 2/12 R -, in juris). Aus dem Bericht des Dr. St. vom 31.03.2014 gehe nicht hervor, ob er die in Rede stehende Kombination von Chemotherapie und Hyperthermie generell als effektive Therapiekombination einstufe oder dies nur für den Fall des Versicherten annehmen wolle. Ungeachtet der subjektiven Einschätzung behandelnder Ärzte bleibe unklar, inwieweit der Hyperthermie im vorliegenden Fall ein spezifischer Anteil am Therapieeffekt zugesprochen werden könne. Aus wissenschaftlicher Sicht werde diese Unklarheit auch nicht dadurch ausgeräumt, dass eine dosisreduzierte Chemotherapie durchgeführt worden sei. Der vorliegende Fall belege die Notwendigkeit der Begutachtung ex-ante. Aus sozialmedizinischer Sicht erscheine grundsätzlich problematisch, den Therapieeffekt im Nachhinein über den Verlauf bei einem einzigen Patienten zu definieren, zumal, wenn eine anerkannte Methode (Chemotherapie) gemeinsam mit einer neuen Methode (Hyperthermie) verabreicht werde. Das könne dazu führen, dass die Behandlungskosten bei Versicherten, bei denen im Nachhinein ein Nutzen nicht ausgeschlossen werde, erstattet würden, bei anderen Versicherten, bei denen die jeweilige Behandlungsmethode erfolglos angewandt worden sei, jedoch nicht („pay for performance“).
40 
Mit Urteil vom 17.07.2014 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte müsse die Aufwendungen für die (alternative) Krebsbehandlung des Versicherten gem. § 13 Abs. 3 SGB V nicht erstatten; sie habe die Gewährung dieser Behandlung als Sachleistung nicht zu Unrecht abgelehnt. Die Anwendung von Tiefenhyperthermie als Begleitbehandlung zur (herkömmlichen) Chemotherapie stelle eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V dar, die von den Krankenkassen nur zu gewähren sei, wenn der GBA eine positive Empfehlung zu deren therapeutischem Nutzen abgegeben habe. Dass die Behandlung nach eigener Einschätzung des Versicherten oder seiner behandelnden Ärzte positiv verlaufen sei oder von einzelnen Ärzte befürwortet werde, genüge nicht (BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 6/11 R -, in juris). Der GBA habe aber nicht nur eine positive Empfehlung zur Krebsbehandlung durch Hyperthermie nicht abgegeben, sondern diese Behandlungsmethode (u.a.: Ganzkörperhyperthermie, regionale Tiefenhyperthermie, Oberflächenhyperthermie, Hyperthermie in Kombination mit Radiatio und/oder Chemotherapie) ausdrücklich als nicht anerkannte Behandlungsmethode aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen ausgeschlossen (Anlage II Nr. 42 der Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung - Method-RL -; Beschluss des GBA vom 18.01.2005, BAnz 2005, S. 7485). Ein Systemversagen liege nicht vor, da sich der GBA mit der Krebsbehandlung durch Hyperthermie befasst habe. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch könne auch nicht auf die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris, bzw. seit 01.01.2012 § 2 Abs. 1a SGB V) gestützt werden, wenngleich der Versicherte (unstreitig) an einer regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung gelitten habe. Die Frage, ob die Krankenkasse die Kosten einer alternativen Behandlungsmethode übernehmen müsse, könne nicht losgelöst davon beurteilt werden, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermöge und was die alternative Behandlung zu leisten vorgebe (BVerfG, Beschluss vom 26.02.2013, - 1 BvR 2045/12 -, in juris). Hierfür müsse zunächst das konkrete Behandlungsziel geklärt werden. Biete die Schulmedizin nur palliative Behandlungsmöglichkeiten an, weil sie jede Möglichkeit einer kurativen Behandlung als aussichtslos betrachte, komme ein Anspruch auf eine alternative Behandlungsmethode allerdings nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg bestehe. Die Versicherten dürften nicht auf eine nur auf die Linderung von Krankheitsbeschwerden abzielende Standardtherapie verwiesen werden, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bestehe. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt werden könnten, reichten allerdings nicht aus (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.07.2012, - L 11 KR 2435/14 ER-B -, in juris). Hier könne offen bleiben, ob mit der ausschließlichen Chemotherapie nach dem PLF-Schema, wie vom Klinikum r. der I. empfohlen (Arztbrief vom 24.11.2011), eine Standardtherapie vorhanden gewesen sei, die den Rückgriff auf alternative und nicht anerkannte Behandlungsmethoden ausschließe. Für die Krebsbehandlung durch Hyperthermie fehle es nämlich zumindest an einer auf Indizien gestützten, nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Maßgeblich hierfür sei der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Behandlung (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris), hier also die Zeit von Dezember 2011 bis August 2012. Die ambulante Hyperthermie sei, wie bereits dargelegt, durch Beschluss des GBA vom 18.01.2005 (a.a.O.) aus der vertragsärztlichen Versorgung ausdrücklich ausgeschlossen worden und könne von den Krankenkassen schon deshalb auch nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs nicht gewährt werden (BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2012, - L 4 KR 5054/10 -, beide in juris). Die Beurteilung einer Behandlungsmethode durch den GBA als nicht anerkannt sei nämlich nach der dem zugrunde liegenden gesetzlichen Konzeption auf der Grundlage einer umfassenden Analyse des hierzu vorhandenen Wissenschaftsstandes erfolgt und daher sei die Frage nach hinreichenden Anhaltspunkten für die Wirksamkeit einer Behandlungsmethode vorgreiflich geprüft und verneint worden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2012, - L 4 KR 5054/10 -, in juris). Anhaltspunkte dafür, dass der Beschluss des GBA vom 18.01.2005 (a.a.O.) auf einer fehlerhaften Grundlage beruhen würde oder zwischenzeitlich an Validität eingebüßt hätte, gebe es nicht. Neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Krebsbehandlung durch Hyperthermie seien (bis August 2012) nicht gewonnen worden. Auch die F., in der der Versicherte behandelt worden sei, spreche (nach wie vor) von einer experimentellen Therapie. Dr. Dr. R. bezeichne die von ihm angewandte Form der Hyperthermie als neues Verfahren, das bislang nur bei einigen Patienten mit infausten Prognosen und weit fortgeschrittenem Tumorstadium angewandt worden sei und das nicht mit der Hyperthermiebehandlung, die Gegenstand von Studien gewesen sei, übereinstimme. Wissenschaftliche Studien über die von diesem Arzt angewandte Hyperthermie-Methode, vor allem direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, seien weder ersichtlich noch dargetan. Gleiches gelte für Meinungen anerkannter Experten oder Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen, die eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung durch die in Rede stehende Hyperthermiebehandlung beim Krankheitsbild des Versicherten begründen könnten. Zwar hätten sich Dr. Dr. R. und Dr. St. für die Weiterführung bzw. Wirksamkeit der Therapie ausgesprochen, wissenschaftliche Anknüpfungspunkte für die Wirksamkeit der Behandlung lägen indessen nicht vor und könnten auch aus dem Einzelfall des Versicherten nicht hergeleitet werden. Dessen überdurchschnittlich gutes Ansprechen auf die Behandlung könne auch auf die Chemotherapie für sich allein zurückzuführen sein. Vergleichsstudien fehlten insoweit. Die Beklagte müsse auch die Kosten für die Thymustherapie nicht erstatten. Thymuspräparate seien gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V als nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Arzneimittelversorgung durch die Krankenkassen ausgeschlossen (§ 31 SGB V). Die Präparate seien außerdem nicht in der Richtlinie des GBA aufgeführt, in der festgelegt werde, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gälten, ausnahmsweise verordnet werden könnten (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die genannten Regelungen seien verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 12.12.2012, - 1 BvR 69/09 -; BSG, Urteil vom 06.11.2008, - B 1 KR 6/08 R -, beide in juris). Sollte man die Verabreichung der Thymuspräparate als ärztliche Behandlung einstufen, fehle es für diese (dann) neue Behandlungsmethode an der (positiven) Bewertung durch den GBA. Im Hinblick auf die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs fehle es an wissenschaftlichen Anknüpfungspunkten für die Wirksamkeit der Thymustherapie (als Teil der Erfahrungsheilkunde) zur Behandlung der Erkrankung des Versicherten und damit an der auf Indizien gestützten, nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung bzw. spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Die Übernahme der Kosten für die Infusionsbehandlung (Vitamin-C-Infusionen) scheitere schon daran, dass diese Behandlung am 01.06.2012 und damit vor Ergehen des Ablehnungsbescheids der Beklagten am 21.06.2012 aufgenommen worden sei; es fehle daher am Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung. Eine unaufschiebbare Behandlung stehe nicht in Rede. Der Versicherte habe die Kostenübernahme für die Infusionsbehandlung nämlich am 18.05.2012 beantragt, mit der Behandlung jedoch erst zwei Wochen später (am 01.06.2012) begonnen. Ob die später durchgeführten Vitamin-C-Infusionen Teil eines einheitlichen Behandlungsvorgangs oder selbstständige Behandlungen darstellten, könne offen bleiben, da die in Rede stehenden Behandlungsmaßnahmen ohnehin von den Krankenkassen nicht zu gewähren seien. Bei Vitamin-C-Injektionslösungen handele es sich um apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen seien. Eine Ausnahme für die Anwendung in Kombination mit Hyperthermie, Thymustherapie und Selen-Infusionen bei AEG-Karzinom sei, wie Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 30.08.2012 dargelegt habe, nicht vorgesehen.
41 
Gegen das ihnen am 08.09.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin gemeinsam mit ihrer Tochter am 08.10.2014 Berufung eingelegt. Die Berufung der Tochter der Klägerin ist am 11.03.2016 zurückgenommen worden. Die Klägerin führt das Berufungsverfahren (allein) fort. Sie bekräftigt das bisherige Vorbringen. Ergänzend wird vorgetragen, die Durchführung der (palliativen) Chemotherapie mit Oxaliplatin führe wegen schwerwiegender Nebenwirkungen (regelmäßig Polyneuropathie) zu einer Verschlechterung der Lebensqualität. Beim Versicherten hätten die Neurotoxikation und die dadurch verursachten Schmerzen mit der simultan durchgeführten Hyperthermie verhindert werden können, weil die Dosis des Chemotherapeutikums um bis zu einem Drittel habe reduziert werden können. Außerdem habe man die Chemotherapie dreimal durchführen können, was bei der infausten Prognose des Versicherten üblicherweise nicht möglich sei. Das SG hätte nach Maßgabe des § 2 Abs. 1a SGB V eine Einzelfallbeurteilung an Hand der vom behandelnden Arzt angewandten Behandlungsmethode vornehmen müssen. Im Unterschied zur ambulanten Anwendung würden die Kosten für Hyperthermie, Thymustherapie, Selen und Vitamin C bei stationärer Behandlung regelmäßig übernommen. Das sei sachlich nicht gerechtfertigt. Für die regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung des Versicherten habe es zur Linderung der Symptome keine schulmedizinische Behandlungsmethode gegeben. Bei ausschließlicher Anwendung von Chemotherapie (durch Oxaliplatin) wären stärkere Nebenwirkungen aufgetreten und der Versicherte wäre wesentlich früher verstorben. Außerdem habe die Kombination aus Chemotherapie und Hyperthermie zu einer Verkleinerung des Primärtumors und der Metastasen geführt, weshalb man sogar über eine Operation diskutiert habe. Das wäre bei alleiniger Chemotherapie nicht möglich gewesen. Es liege auch ein Systemversagen vor. Der GBA habe die Parallelbehandlung moribunder Krebspatienten mit Hyperthermie und Chemotherapie bei infauster Prognose nicht bewertet, weil es sich dabei um eine neue Behandlungsmethode handele, für die es derzeit noch keine verwertbaren klinischen Ergebnisse mit wissenschaftlichen Statistiken gebe. Die aus der Erfahrungsmedizin stammenden Erkenntnisse des Dr. Dr. R. seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.
42 
Die Klägerin beantragt,
43 
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.07.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 22.12.2011, 02.02.2012, 12.03.2012 und 21.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2012 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Behandlung des Versicherten mit Hyperthermie, Thymustherapie und Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen in der Zeit von November 2011 bis September 2012 i.H.v. 8.108,89 EUR zu erstatten.
44 
Die Beklagte beantragt,
45 
die Berufung zurückzuweisen.
46 
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
47 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
48 
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens ist die Erstattung der Aufwendungen, die dem Versicherten für die ambulante Behandlung seiner Krebserkrankung durch Hyperthermie, Thymustherapie und Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen entstanden sind. Die Aufwendungen für die begleitende Misteltherapie sind nicht Streitgegenstand; die Beklagte hat die Kosten hierfür übernommen. Die Kosten, die dem Versicherten von Dr. Dr. R. für die streitgegenständliche Behandlung als privatärztliche Leistung in Rechnung gestellt worden sind, belaufen sich, wie im Klage- und Berufungsverfahren (unter Vorlage privatärztlicher Rechnungen) vorgetragen worden ist, auf 4.963,75 EUR (Hyperthermie), 2.925,00 EUR (Thymustherapie) und 220,14 EUR (Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen), insgesamt auf 8.108,89 EUR. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist damit überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen gem. § 151 SGG zulässig. Die Klägerin macht den Erstattungsanspruch zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG). Sie ist hierfür gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten (als mit ihm zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin) prozessführungsbefugt. Da der Erstattungsanspruch über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen zum Gegenstand hat, stellt er (in jedem Fall) einen Anspruch auf laufende Geldleistungen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I dar (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 6/11 R -, in juris). Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 22.12.2011 die Übernahme der Kosten für die Thymus-Therapie abgelehnt; das Schreiben vom 30.03.2012 enthält insoweit nur eine wiederholende Verfügung, nicht jedoch einen erneuten Ablehnungsbescheid. Mit Bescheiden vom 02.02.2012 und (nach erneuter Prüfung) vom 12.03.2012 hat die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Hyperthermie-Behandlung abgelehnt. Die Übernahme der Kosten für die Selen- und Vitamin-C-Infusionen ist mit Bescheid vom 21.06.2012 abgelehnt worden.
II.
49 
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das SG hat in seinem Urteil eingehend und zutreffend dargelegt, welche Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze für das Erstattungsbegehren der Klägerin maßgeblich sind, und dass sie die Erstattung der in Rede stehenden Aufwendungen nicht beanspruchen kann, weil die Beklagte die Gewährung der (zusätzlichen) ambulanten Behandlung der Krebserkrankung des Versicherten mit Hyperthermie, Thymuspräparaten und Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen durch Dr. Dr. R. und in der F. als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu Unrecht abgelehnt hat; die Ablehnungsbescheide der Beklagten entsprechen dem geltenden Recht und sind daher rechtmäßig. Der Senat nimmt auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei angemerkt:
1.)
50 
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 (Fall 1 und 2) SGB V reicht daher nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Die Selbstbeschaffung der Leistung muss außerdem zu einer (zivil-)rechtlich wirksamen Kostenlast des Versicherten geführt haben. Daran kann es insbesondere bei Verstößen gegen das einschlägige öffentlich-rechtliche Preisrecht fehlen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - zur Gebührenordnung für Ärzte und zum Preisrecht für Krankenhausleistungen; auch etwa jurisPK-SGB V Schlegel/Voelzke, § 33 Rdnr. 49).
51 
Der regelmäßig im Vordergrund stehende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und außerdem einen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung der Leistung entstandenen Kostenlast voraus. Dieser Ursachenzusammenhang fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V) oder wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt weder einen „Formalismus“ in dem Sinne dar, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte nicht gehalten ist, die Entscheidung der Krankenkasse in seine eigene Entscheidung inhaltlich einzubeziehen, sondern den Abschluss des Verwaltungsverfahrens nur „formal“ abwarten muss, jedoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (so: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Dem steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 19.03.2009, - 1 BvR 316/09 -, in juris) nicht in der Weise ausgelegt werden darf, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt.
52 
Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V (unaufschiebbare Leistung) setzt voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht (mehr) darauf an, ob es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten; die gegenteilige Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris) aufgegeben. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern (sogar) ein (medizinischer) Notfall i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung, § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V kann daher (gerade) auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (auch dazu: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris).
2.)
53 
Davon ausgehend kann die Klägerin die Erstattung der dem Versicherten für die ambulante Behandlung seiner Krebserkrankung durch Dr. Dr. R. und die F. entstandenen Aufwendungen nicht beanspruchen. Unaufschiebbare Leistungen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V stehen unstreitig nicht in Rede, so dass nur ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V in Betracht kommt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte hat die Gewährung der - im Vordergrund des Leistungs- bzw. Erstattungsbegehrens stehenden - ergänzenden ambulanten Krebsbehandlung durch Hyperthermie (zusätzlich zu der dem Versicherten gewährten schulmedizinischen Chemotherapie) nicht zu Unrecht abgelehnt (unten a). Gleiches gilt für die Gewährung der Behandlung mit Thymuspräparaten bzw. mit Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen (unten b). Der Leistungsanspruch des Versicherten hat diese Behandlungsleistungen nicht umfasst. Sie können von der Krankenkasse nicht als (Sach-)Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden. Für die Kosten ihrer Beschaffung als privatärztliche Behandlungsleistung kann (und darf) die Versichertengemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten nicht aufkommen. Mangels rechtswidriger Leistungsablehnung kommt es auf Fragen des Beschaffungswegs oder der Ursächlichkeit der Leistungsablehnung für die Selbstbeschaffung nicht mehr an.
a)
54 
Die ambulante Krebsbehandlung durch Hyperthermie (hier Elektro-Hyperthermie) als Ergänzung einer (schulmedizinischen) Chemotherapie ist nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der Krankenkassen.
55 
Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat sich mit der Behandlung von Krebserkrankungen durch Hyperthermie (in Kombination mit anderen Behandlungsmethoden) mehrfach befasst und regelmäßig entschieden, dass diese Behandlungsmethode vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfasst ist (vgl. beispielhaft nur etwa: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.11.2015, - L16 KR 677/15 B ER - < Hyperthermie- und Laserbehandlung bei Pankreaskarzinom>; LSG Saarland, Urteil vom 21.10.2015, - L 2 KR 189/14 - ; Bayerisches LSG, Urteil vom 10.03.2015, - L 5 KR 52/12 - ; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014, - L 11 KR 3597/13 - ; Thüringer LSG, Urteil vom 01.10.2013, - L 6 KR 751/11 - ; anders etwa bei einem CUP-Syndrom, einer Krebserkrankung bei unbekanntem Primärtumor, bei dem es innerhalb kürzester Zeit trotz Chemotherapie und experimenteller Antikörpertherapie zu einer fortschreitenden Metastasierung in Leber, Lunge, Milz, Bauchspeicheldrüse, Magen, Magenwand und Lymphknoten gekommen war, LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.12.2014, - L 1 KR 21/13 -; alle in juris). Auch im vorliegenden Fall hat ein Leistungsanspruch des Versicherten auf Gewährung einer Hyperthermie-Behandlung nicht bestanden.
56 
Als Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Krebsbehandlung durch Hyperthermie kommen, wie das SG in seinem Urteil zutreffend dargelegt hat, weder die Vorschriften des § 27 Abs. 1 SGB V noch die Rechtsgrundsätze zum so genannten Systemversagen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern nur die in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Rechtsgrundsätze zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. für die Zeit ab 01.01.2012 die diese Rechtsgrundsätze kodifizierenden und nach deren Maßgaben auszulegenden Regelungen in § 2 Abs. 1a SGB V in Betracht. In seinem grundlegenden Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -, in juris) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig. Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R -, beide in juris - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige GBA diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit (BSG, Urteil vom 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht etwa bei BSG, Urteil vom 5.5.2009, - B 1 KR 15/08 R -, alle in juris) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415713 -, beide in juris), wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -; zu alledem auch Senatsurteil vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 -, in juris).
57 
Einem auf diese Rechtsgrundsätze bzw. auf die Vorschrift in § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Versicherten hat hier schon entgegen gestanden, dass der GBA die Krebsbehandlung durch Hyperthermie (auch in Kombination mit Chemotherapie) durch Richtlinienentscheidung - in Anlage II Nr. 42 Method-RL - ausdrücklich aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen ausgeschlossen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist für eine Anspruchsbegründung aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs aber kein Raum mehr, wenn der GBA zu einer negativen Bewertung gelangt ist (BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 -R -; vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.10.2015, - B 1 KR 69/15 B -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2012, - L 4 KR 5054/10 -; für vorläufige Rechtsschutzverfahren anders etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.02.2007, - L 5 B 8/07 KR ER - oder LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.07.2011, - 5 KR 99/11 B ER -; diese Frage offen lassend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014,- L 11 KR 3597/13 -; alle in juris); stichhaltige Gründe, aus denen der maßgebliche Beschluss des GBA beanstandet werden könnte, sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
58 
Auch wenn man ungeachtet der genannten Richtlinienentscheidung des GBA einen verfassungs- bzw. grundrechtsunmittelbaren Leistungsanspruch (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415713 -, beide in juris) bzw. einen auf § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Versicherten nicht von vornherein ausschließen wollte, wären die Voraussetzungen eines solchen Leistungsanspruchs jedenfalls nicht erfüllt gewesen. Es hat an der auf Indizien gestützten nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gefehlt (dazu näher, insbesondere zur abstrakten und konkret-individuellen Prüfung und Abwägung von Risiken und Nutzen der Behandlungsmethode, BSG, Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R -, in juris Rdnr. 16). Dieses Erfordernis darf einerseits zwar nicht überspannt werden, etwa durch die Forderung eines Wirksamkeits- und Nutzennachweises durch evidenzbasierte Studien (vgl. etwa Senatsurteil vom 19.03.2014, - L 5 KR 1496/13 - , nicht veröffentlicht). Im Unterschied zur Anwendung von Arzneimitteln im Off-Label-Use (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 25/11 R -; Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -, beide in juris) genügen nämlich schon (Wirksamkeits-)Indizien, die sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden können (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 02.09.2014, a.a.O.: wissenschaftliche Verlaufsbeobachtung anhand von 126 operierten Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle). Steht in den Fallgestaltungen des § 2 Abs. 1a SGB V (lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche bzw. wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung) eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode generell nicht zur Verfügung oder scheidet sie im konkreten Einzelfall (nachgewiesenermaßen) aus, sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen „je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise (so BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris Rdnr. 66) auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg. Andererseits darf die in Rede stehende und im Einzelfall vielfach maßgebliche Voraussetzung für die grundrechtsorientierte (erweiternde) Auslegung des Leistungskatalogs auch nicht (gänzlich) aufgelöst werden. Das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, genügt für sich allein genommen nicht (vgl. dazu auch etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, in juris Rdnr 32 f.).
59 
Aus den vorliegenden MDK-Gutachten geht für den Senat überzeugend hervor, dass die vorstehend genannte Voraussetzung für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs nicht erfüllt gewesen ist. Der Senat entnimmt dies insbesondere den fundierten und schlüssigen Darlegungen des Dr. T. (Fachreferat Onkologie des MDK) in dessen Gutachten vom 09.12.2013 und vom 19.05.2014. Danach muss im Ausgangspunkt unterschieden werden zwischen dem Verfahren der wissenschaftlichen Hyperthermie, deren Anwender sich in einer Interdisziplinären Arbeitsgruppe der Deutschen Krebsgesellschaft (Atzelsberger Kreis) und der Arbeitsgruppe Hyperthermie der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie organisiert haben, und dem Verfahren der so genannten Elektro-Hyperthermie, deren Anwender organisiert sind in der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie als Mitglied des Dachverbands der Ärztegesellschaft für Naturheilkunde und Komplementärmedizin. Dr. Dr. R. und die F. haben bei dem Versicherten ersichtlich das Verfahren der Elektro-Hyperthermie angewendet. Bei diesem Verfahren werden andere Geräte eingesetzt als bei den Verfahren der wissenschaftlichen Hyperthermie, von denen sich die Elektro-Hyperthermie nicht zuletzt deswegen hinsichtlich des Qualitätsmanagements substantiell unterscheidet. Bei der Elektro-Hyperthermie fehlt - so Dr. T. - vor allem die Temperaturdosisplanung bzw. die Bestimmung der im Zielgewebe tatsächlich erreichten Temperatur. Dr. T. hat demzufolge überzeugend dargelegt, dass für die Methode der Elektro-Hyperthermie indikationsunabhängig keinerlei Evidenz für einen Wirksamkeitsnachweis vorliegt (dazu auch etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2014, - L 11 KR 3597/13 -, in juris Rdnr. 36). Klinische Studien zum Wirksamkeitsnachweis der in der komplementären Elektro-Hyperthermie angewandten Methode (Elektro-Hyperthermie in Kombination mit schulmedizinischer Chemotherapie) hat Dr. T. nicht auffinden können. Deshalb bleibt namentlich auch unklar, ob die Elektro-Hyperthermie zusätzlich zu der beim Versicherten durchgeführten Chemotherapie mit einer speziellen Wirksamkeit verbunden gewesen ist. Für die abweichenden Annahmen der behandelnden Ärzte des Versicherten, des Dr. H. und des Dr. Dr. R., fehlen daher die evidenzbasierten medizinischen Grundlagen. Diese Ärzte stützen sich auf (auch nicht weiter wissenschaftlich substantiierte und für die sozialmedizinische Beurteilung nachvollziehbar dokumentierte) persönliche Erfahrungen in ihrer Behandlungspraxis. Für die Begründung eines Leistungsanspruchs aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung genügt das nicht. Das gilt auch für die ersichtlich positiven Feststellungen, die im Verlauf der Behandlung des Versicherten getroffen worden sind. Auch wenn daraus möglicherweise im Nachhinein Anhaltspunkte für ein Ansprechen der Behandlung im Einzelfall abzuleiten wären, würde das im Hinblick auf die eingangs dargestellten Anforderungen an die verfassungs- bzw. grundrechtsunmittelbare Begründung krankenversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche nicht genügen können. Die Gutachter des MDK haben außerdem schlüssig dargelegt, dass das von den behandelnden Ärzten beschriebene Ansprechen der Behandlung (etwa durch die Beobachtung des Verlaufs des Tumormarkers oder durch bildgebende Verfahren - Arztbriefe des Dr. St. vom 01.02.2012, 19.03.2012 und Bericht vom 31.03.2014; Berichte des Dr. H. vom 20.08.2013 und des Dr. Dr. R. vom 28.08.2013 und vom 09.04.2014) nicht ohne Weiteres auf die Anwendung der Elektro-Hyperthermie zusätzlich zur schulmäßigen Chemotherapie bzw. auf einen Synergieeffekt beider Behandlungsmethoden zurückgeführt werden kann; die bereits dargestellte Erkenntnislage in der medizinischen Wissenschaft kann diese Annahme nicht stützen. Dr. T. hat im MDK-Gutachten vom 09.12.2013 demzufolge überzeugend dargelegt, dass unklar ist, ob das genannte Therapieansprechen Folge der Kombination von Elektro-Hyperthermie und Chemotherapie gewesen ist oder ob es nur auf der Chemotherapie beruht hat, die auch ohne Elektro-Hyperthermie teils unter- teils aber auch überdurchschnittlich ansprechen kann (so auch Dr. W. im MDK-Gutachten vom 09.03.2012).
60 
Die weiter vorliegenden MDK-Gutachten stützen und bestätigen die Auffassung des Dr. T. zusätzlich. So hat vor allem Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 unter Abgrenzung der wissenschaftlichen Hyperthermie, die in klinischen Studien an speziellen Zentren (Universitätskliniken) durchgeführt wird, von der Elektro-Hyperthermie (weiter präzisierend) dargelegt, dass bei der wissenschaftlichen Hyperthermie anders als bei der Elektro-Hyperthermie technische Geräte eingesetzt werden, die neben der Temperaturdosisplanung eine Verifikation der tatsächlich erzielten Temperatur über Temperaturmessungen ermöglichen. Dies ist mit den bei der Elektro-Hyperthermie genutzten (einfacheren) Geräten nicht möglich, weshalb bei diesem Verfahren eine wissenschaftlich-technische Therapieplanung, die Möglichkeit der Fokussierung der Energieverteilung im Zielgebiet und eine valide Temperaturkontrolle im Zielvolumen nicht möglich ist. Deswegen hat die Arbeitsgemeinschaft Hyperthermie der Deutschen Krebsgesellschaft an der Elektro-Hyperthermie auch wiederholt (- so Dr. B.-N.: scharfe -) Kritik geäußert. Dr. B.-N. hat in Übereinstimmung mit Dr. T. betont, dass es keine Studien gibt, die (insbesondere) einen Nutzen der Elektro-Hyperthermie für die Krebsbehandlung belegen könnten. Es gibt - so Dr. B.-N. - keine Studien, die Hinweise auf eine positive Einwirkung der Hyperthermie (Ganzkörperhyperthermie bzw. lokoregionale Tiefenhyperthermie) allein oder in Verbindung mit Chemotherapie auf den Krankheitsverlauf im vorliegenden Fall erbringen würden. Die für die Behandlung des (wie ein Magenkarzinom zu behandelnden) AEG-Karzinoms einschlägige S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ der zuständigen deutschen Fachgesellschaft und ebenso die entsprechende Leitlinie der zuständigen amerikanischen Fachgesellschaft erwähnen die Hyperthermie als Methode zur Behandlung dieser Krebserkrankung nicht.
61 
Damit kann die - wissenschaftliche - Hyperthermie ggf. in klinischen Studien zur Behandlung schwieriger und fortgeschrittener Krebserkrankungen (worauf Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 ebenfalls hingewiesen hat) in spezialisierten (universitären) Zentren (etwa in D., E., M. und T.) auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, nicht jedoch die (ambulante) Elektro-Hyperthermie, auch nicht in Kombination mit anderen Behandlungsverfahren, wie der Chemotherapie. Angesichts der medizinisch und technisch begründeten Unterschiede beider Behandlungsmethoden kann die Klägerin den geltend gemachten Erstattungsanspruch auf Gründe der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) ebenfalls nicht stützen.
b)
62 
Die Beklagte hat auch die Gewährung der (ergänzenden) Thymustherapie und der Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen zu Recht abgelehnt. Hierfür gilt das Vorstehende weitgehend entsprechend.
63 
Bei der Thymustherapie handelt es sich ersichtlich um eine Pharmakotherapie (zur Abgrenzung der Pharmakotherapie von der ärztlichen Behandlung näher Senatsurteil vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 -, in juris Rdnr. 39 m.w.N.). Das beim Versicherten angewandte Thymus-Präparat ist - so der Arzt E. im MDK-Gutachten vom 28.03.2012 - ein nicht verschreibungspflichtiges (homöopathisches) Arzneimittel. Es kann daher gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. mit den einschlägigen Vorschriften der AMR zu Lasten der Krankenkassen nicht verordnet werden (§ 12 Abs. 1 SGB V i.V.m. Anlage I AMR; zur Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses etwa BSG, Urteil vom 15.12.2015, - B 1 KR 30/15 R -, in juris). Die dargestellten Grundsätze für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung führen auch hier nicht weiter. Wie Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 dargelegt hat (ebenso der Sache nach der Arzt E. im MDK-Gutachten vom 11.05.2012), gibt es keine Studien, die darauf hinweisen könnten, dass im Fall des AEG-Karzinoms durch Thymustherapie eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bewirkt werden kann, und es gibt auch keine Hinweise auf eine positive Einwirkung durch Thymustherapie in Kombination mit Chemotherapie und Hyperthermie. Die Literaturrecherche hat Hinweise auf Studien, die die von Dr. Dr. R. postulierten Therapieerfolge belegen oder dies (auch nur) untersuchen würden, nicht ergeben. Auch in der bereits erwähnten deutschen S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ und in der entsprechenden amerikanischen Leitlinie wird die Thymustherapie als Behandlung von AEG-Tumoren nicht erwähnt (so Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012). Dr. Dr. R. hat im Bericht vom 09.04.2014 ebenfalls eingeräumt, dass es für die in Rede stehende Krebsbehandlung den Kriterien der medizinischen Wissenschaft entsprechende Studien nicht gibt.
64 
Die Behandlung mit Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen stellt ebenfalls eine Pharmakotherapie dar. Die beim Versicherten angewandte Injektionslösung ist wie das verabreichte Thymuspräparat ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel und kann aus den bereits zur Thymustherapie dargestellten Gründen zu Lasten der Krankenkassen nicht verordnet werden; die Ausnahmeindikation des schwerwiegenden, durch eine entsprechende Ernährung nicht behebbaren Vitaminmangels hat beim Versicherten (unstreitig) nicht vorgelegen. Dr. B.-N. hat das im MDK-Gutachten vom 30.08.2012 näher dargelegt. Auch hier führen die Grundsätze zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung nicht weiter. Wie Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 30.08.2012 ausgeführt hat, hat es nach der Datenlage an einer begründeten Aussicht auf die Erzielung eines Behandlungserfolgs bei der Krebserkrankung des Versicherten gefehlt. Dr. B.-N. hat seine Einschätzung unmittelbar zwar auf die Anwendung des in Rede stehenden Arzneimittels im (richterrechtlichen) Off-Label-Use (dazu etwa Senatsurteil vom 08.03.2015, - L 5 KR 3861712 -, in juris Rdnr. 44) bezogen. Seine Ausführungen belegen zugleich aber das Fehlen einer durch Indizien gestützten nicht ganz fernliegenden Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf der Krebserkrankung. Die Anwendung der in Rede stehenden Infusionen (ebenso der Thymus-Präparate) hat außerdem ersichtlich eine Begleitbehandlung der - ganz im Vordergrund stehenden - Hyperthermie-Behandlung des Versicherten (als Hauptbehandlung) dargestellt, die dadurch hat unterstützt werden sollen. Die Infusionsbehandlung kann damit in leistungsrechtlicher Hinsicht (bezogen auf die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs) letztendlich nicht wesentlich anders beurteilt werden als die genannte Hauptbehandlung selbst.
65 
Die Klägerin stützt sich für ihr Kostenerstattungsbegehren insgesamt (nachvollziehbar) im Kern auf die positive Selbsteinschätzung des Versicherten hinsichtlich eines für ihn spürbaren Behandlungserfolgs, auch durch die Möglichkeit, die Dosis der weiterhin angewandten Chemotherapeutika herabzusetzen und deren Nebenwirkungen abzumildern. Wie eingangs dargelegt, genügt das für die Aufnahme der in Rede stehenden Methoden zur Behandlung des AEG-Karzinoms in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung indessen ebenso wenig wie die Einschätzung der behandelnden Ärzte, die die Entscheidung des Versicherten zur Durchführung (vor allem) der Hyperthermie-Behandlung als in seiner Lage medizinisch sinnvoll angesehen haben.
66 
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht nicht auf.
67 
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
68 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Gründe

 
I.
48 
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens ist die Erstattung der Aufwendungen, die dem Versicherten für die ambulante Behandlung seiner Krebserkrankung durch Hyperthermie, Thymustherapie und Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen entstanden sind. Die Aufwendungen für die begleitende Misteltherapie sind nicht Streitgegenstand; die Beklagte hat die Kosten hierfür übernommen. Die Kosten, die dem Versicherten von Dr. Dr. R. für die streitgegenständliche Behandlung als privatärztliche Leistung in Rechnung gestellt worden sind, belaufen sich, wie im Klage- und Berufungsverfahren (unter Vorlage privatärztlicher Rechnungen) vorgetragen worden ist, auf 4.963,75 EUR (Hyperthermie), 2.925,00 EUR (Thymustherapie) und 220,14 EUR (Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen), insgesamt auf 8.108,89 EUR. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist damit überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen gem. § 151 SGG zulässig. Die Klägerin macht den Erstattungsanspruch zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG). Sie ist hierfür gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten (als mit ihm zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin) prozessführungsbefugt. Da der Erstattungsanspruch über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen zum Gegenstand hat, stellt er (in jedem Fall) einen Anspruch auf laufende Geldleistungen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I dar (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 6/11 R -, in juris). Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 22.12.2011 die Übernahme der Kosten für die Thymus-Therapie abgelehnt; das Schreiben vom 30.03.2012 enthält insoweit nur eine wiederholende Verfügung, nicht jedoch einen erneuten Ablehnungsbescheid. Mit Bescheiden vom 02.02.2012 und (nach erneuter Prüfung) vom 12.03.2012 hat die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Hyperthermie-Behandlung abgelehnt. Die Übernahme der Kosten für die Selen- und Vitamin-C-Infusionen ist mit Bescheid vom 21.06.2012 abgelehnt worden.
II.
49 
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das SG hat in seinem Urteil eingehend und zutreffend dargelegt, welche Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze für das Erstattungsbegehren der Klägerin maßgeblich sind, und dass sie die Erstattung der in Rede stehenden Aufwendungen nicht beanspruchen kann, weil die Beklagte die Gewährung der (zusätzlichen) ambulanten Behandlung der Krebserkrankung des Versicherten mit Hyperthermie, Thymuspräparaten und Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen durch Dr. Dr. R. und in der F. als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu Unrecht abgelehnt hat; die Ablehnungsbescheide der Beklagten entsprechen dem geltenden Recht und sind daher rechtmäßig. Der Senat nimmt auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei angemerkt:
1.)
50 
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 (Fall 1 und 2) SGB V reicht daher nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Die Selbstbeschaffung der Leistung muss außerdem zu einer (zivil-)rechtlich wirksamen Kostenlast des Versicherten geführt haben. Daran kann es insbesondere bei Verstößen gegen das einschlägige öffentlich-rechtliche Preisrecht fehlen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - zur Gebührenordnung für Ärzte und zum Preisrecht für Krankenhausleistungen; auch etwa jurisPK-SGB V Schlegel/Voelzke, § 33 Rdnr. 49).
51 
Der regelmäßig im Vordergrund stehende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und außerdem einen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung der Leistung entstandenen Kostenlast voraus. Dieser Ursachenzusammenhang fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V) oder wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt weder einen „Formalismus“ in dem Sinne dar, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte nicht gehalten ist, die Entscheidung der Krankenkasse in seine eigene Entscheidung inhaltlich einzubeziehen, sondern den Abschluss des Verwaltungsverfahrens nur „formal“ abwarten muss, jedoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (so: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Dem steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 19.03.2009, - 1 BvR 316/09 -, in juris) nicht in der Weise ausgelegt werden darf, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt.
52 
Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V (unaufschiebbare Leistung) setzt voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht (mehr) darauf an, ob es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten; die gegenteilige Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris) aufgegeben. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern (sogar) ein (medizinischer) Notfall i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung, § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V kann daher (gerade) auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (auch dazu: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris).
2.)
53 
Davon ausgehend kann die Klägerin die Erstattung der dem Versicherten für die ambulante Behandlung seiner Krebserkrankung durch Dr. Dr. R. und die F. entstandenen Aufwendungen nicht beanspruchen. Unaufschiebbare Leistungen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V stehen unstreitig nicht in Rede, so dass nur ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V in Betracht kommt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte hat die Gewährung der - im Vordergrund des Leistungs- bzw. Erstattungsbegehrens stehenden - ergänzenden ambulanten Krebsbehandlung durch Hyperthermie (zusätzlich zu der dem Versicherten gewährten schulmedizinischen Chemotherapie) nicht zu Unrecht abgelehnt (unten a). Gleiches gilt für die Gewährung der Behandlung mit Thymuspräparaten bzw. mit Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen (unten b). Der Leistungsanspruch des Versicherten hat diese Behandlungsleistungen nicht umfasst. Sie können von der Krankenkasse nicht als (Sach-)Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden. Für die Kosten ihrer Beschaffung als privatärztliche Behandlungsleistung kann (und darf) die Versichertengemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten nicht aufkommen. Mangels rechtswidriger Leistungsablehnung kommt es auf Fragen des Beschaffungswegs oder der Ursächlichkeit der Leistungsablehnung für die Selbstbeschaffung nicht mehr an.
a)
54 
Die ambulante Krebsbehandlung durch Hyperthermie (hier Elektro-Hyperthermie) als Ergänzung einer (schulmedizinischen) Chemotherapie ist nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der Krankenkassen.
55 
Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat sich mit der Behandlung von Krebserkrankungen durch Hyperthermie (in Kombination mit anderen Behandlungsmethoden) mehrfach befasst und regelmäßig entschieden, dass diese Behandlungsmethode vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfasst ist (vgl. beispielhaft nur etwa: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.11.2015, - L16 KR 677/15 B ER - < Hyperthermie- und Laserbehandlung bei Pankreaskarzinom>; LSG Saarland, Urteil vom 21.10.2015, - L 2 KR 189/14 - ; Bayerisches LSG, Urteil vom 10.03.2015, - L 5 KR 52/12 - ; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014, - L 11 KR 3597/13 - ; Thüringer LSG, Urteil vom 01.10.2013, - L 6 KR 751/11 - ; anders etwa bei einem CUP-Syndrom, einer Krebserkrankung bei unbekanntem Primärtumor, bei dem es innerhalb kürzester Zeit trotz Chemotherapie und experimenteller Antikörpertherapie zu einer fortschreitenden Metastasierung in Leber, Lunge, Milz, Bauchspeicheldrüse, Magen, Magenwand und Lymphknoten gekommen war, LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.12.2014, - L 1 KR 21/13 -; alle in juris). Auch im vorliegenden Fall hat ein Leistungsanspruch des Versicherten auf Gewährung einer Hyperthermie-Behandlung nicht bestanden.
56 
Als Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Krebsbehandlung durch Hyperthermie kommen, wie das SG in seinem Urteil zutreffend dargelegt hat, weder die Vorschriften des § 27 Abs. 1 SGB V noch die Rechtsgrundsätze zum so genannten Systemversagen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern nur die in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Rechtsgrundsätze zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. für die Zeit ab 01.01.2012 die diese Rechtsgrundsätze kodifizierenden und nach deren Maßgaben auszulegenden Regelungen in § 2 Abs. 1a SGB V in Betracht. In seinem grundlegenden Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -, in juris) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig. Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R -, beide in juris - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige GBA diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit (BSG, Urteil vom 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht etwa bei BSG, Urteil vom 5.5.2009, - B 1 KR 15/08 R -, alle in juris) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415713 -, beide in juris), wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -; zu alledem auch Senatsurteil vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 -, in juris).
57 
Einem auf diese Rechtsgrundsätze bzw. auf die Vorschrift in § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Versicherten hat hier schon entgegen gestanden, dass der GBA die Krebsbehandlung durch Hyperthermie (auch in Kombination mit Chemotherapie) durch Richtlinienentscheidung - in Anlage II Nr. 42 Method-RL - ausdrücklich aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen ausgeschlossen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist für eine Anspruchsbegründung aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs aber kein Raum mehr, wenn der GBA zu einer negativen Bewertung gelangt ist (BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 -R -; vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.10.2015, - B 1 KR 69/15 B -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2012, - L 4 KR 5054/10 -; für vorläufige Rechtsschutzverfahren anders etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.02.2007, - L 5 B 8/07 KR ER - oder LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.07.2011, - 5 KR 99/11 B ER -; diese Frage offen lassend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014,- L 11 KR 3597/13 -; alle in juris); stichhaltige Gründe, aus denen der maßgebliche Beschluss des GBA beanstandet werden könnte, sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
58 
Auch wenn man ungeachtet der genannten Richtlinienentscheidung des GBA einen verfassungs- bzw. grundrechtsunmittelbaren Leistungsanspruch (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415713 -, beide in juris) bzw. einen auf § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Versicherten nicht von vornherein ausschließen wollte, wären die Voraussetzungen eines solchen Leistungsanspruchs jedenfalls nicht erfüllt gewesen. Es hat an der auf Indizien gestützten nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gefehlt (dazu näher, insbesondere zur abstrakten und konkret-individuellen Prüfung und Abwägung von Risiken und Nutzen der Behandlungsmethode, BSG, Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R -, in juris Rdnr. 16). Dieses Erfordernis darf einerseits zwar nicht überspannt werden, etwa durch die Forderung eines Wirksamkeits- und Nutzennachweises durch evidenzbasierte Studien (vgl. etwa Senatsurteil vom 19.03.2014, - L 5 KR 1496/13 - , nicht veröffentlicht). Im Unterschied zur Anwendung von Arzneimitteln im Off-Label-Use (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 25/11 R -; Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -, beide in juris) genügen nämlich schon (Wirksamkeits-)Indizien, die sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden können (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 02.09.2014, a.a.O.: wissenschaftliche Verlaufsbeobachtung anhand von 126 operierten Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle). Steht in den Fallgestaltungen des § 2 Abs. 1a SGB V (lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche bzw. wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung) eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode generell nicht zur Verfügung oder scheidet sie im konkreten Einzelfall (nachgewiesenermaßen) aus, sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen „je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise (so BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris Rdnr. 66) auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg. Andererseits darf die in Rede stehende und im Einzelfall vielfach maßgebliche Voraussetzung für die grundrechtsorientierte (erweiternde) Auslegung des Leistungskatalogs auch nicht (gänzlich) aufgelöst werden. Das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, genügt für sich allein genommen nicht (vgl. dazu auch etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, in juris Rdnr 32 f.).
59 
Aus den vorliegenden MDK-Gutachten geht für den Senat überzeugend hervor, dass die vorstehend genannte Voraussetzung für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs nicht erfüllt gewesen ist. Der Senat entnimmt dies insbesondere den fundierten und schlüssigen Darlegungen des Dr. T. (Fachreferat Onkologie des MDK) in dessen Gutachten vom 09.12.2013 und vom 19.05.2014. Danach muss im Ausgangspunkt unterschieden werden zwischen dem Verfahren der wissenschaftlichen Hyperthermie, deren Anwender sich in einer Interdisziplinären Arbeitsgruppe der Deutschen Krebsgesellschaft (Atzelsberger Kreis) und der Arbeitsgruppe Hyperthermie der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie organisiert haben, und dem Verfahren der so genannten Elektro-Hyperthermie, deren Anwender organisiert sind in der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie als Mitglied des Dachverbands der Ärztegesellschaft für Naturheilkunde und Komplementärmedizin. Dr. Dr. R. und die F. haben bei dem Versicherten ersichtlich das Verfahren der Elektro-Hyperthermie angewendet. Bei diesem Verfahren werden andere Geräte eingesetzt als bei den Verfahren der wissenschaftlichen Hyperthermie, von denen sich die Elektro-Hyperthermie nicht zuletzt deswegen hinsichtlich des Qualitätsmanagements substantiell unterscheidet. Bei der Elektro-Hyperthermie fehlt - so Dr. T. - vor allem die Temperaturdosisplanung bzw. die Bestimmung der im Zielgewebe tatsächlich erreichten Temperatur. Dr. T. hat demzufolge überzeugend dargelegt, dass für die Methode der Elektro-Hyperthermie indikationsunabhängig keinerlei Evidenz für einen Wirksamkeitsnachweis vorliegt (dazu auch etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2014, - L 11 KR 3597/13 -, in juris Rdnr. 36). Klinische Studien zum Wirksamkeitsnachweis der in der komplementären Elektro-Hyperthermie angewandten Methode (Elektro-Hyperthermie in Kombination mit schulmedizinischer Chemotherapie) hat Dr. T. nicht auffinden können. Deshalb bleibt namentlich auch unklar, ob die Elektro-Hyperthermie zusätzlich zu der beim Versicherten durchgeführten Chemotherapie mit einer speziellen Wirksamkeit verbunden gewesen ist. Für die abweichenden Annahmen der behandelnden Ärzte des Versicherten, des Dr. H. und des Dr. Dr. R., fehlen daher die evidenzbasierten medizinischen Grundlagen. Diese Ärzte stützen sich auf (auch nicht weiter wissenschaftlich substantiierte und für die sozialmedizinische Beurteilung nachvollziehbar dokumentierte) persönliche Erfahrungen in ihrer Behandlungspraxis. Für die Begründung eines Leistungsanspruchs aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung genügt das nicht. Das gilt auch für die ersichtlich positiven Feststellungen, die im Verlauf der Behandlung des Versicherten getroffen worden sind. Auch wenn daraus möglicherweise im Nachhinein Anhaltspunkte für ein Ansprechen der Behandlung im Einzelfall abzuleiten wären, würde das im Hinblick auf die eingangs dargestellten Anforderungen an die verfassungs- bzw. grundrechtsunmittelbare Begründung krankenversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche nicht genügen können. Die Gutachter des MDK haben außerdem schlüssig dargelegt, dass das von den behandelnden Ärzten beschriebene Ansprechen der Behandlung (etwa durch die Beobachtung des Verlaufs des Tumormarkers oder durch bildgebende Verfahren - Arztbriefe des Dr. St. vom 01.02.2012, 19.03.2012 und Bericht vom 31.03.2014; Berichte des Dr. H. vom 20.08.2013 und des Dr. Dr. R. vom 28.08.2013 und vom 09.04.2014) nicht ohne Weiteres auf die Anwendung der Elektro-Hyperthermie zusätzlich zur schulmäßigen Chemotherapie bzw. auf einen Synergieeffekt beider Behandlungsmethoden zurückgeführt werden kann; die bereits dargestellte Erkenntnislage in der medizinischen Wissenschaft kann diese Annahme nicht stützen. Dr. T. hat im MDK-Gutachten vom 09.12.2013 demzufolge überzeugend dargelegt, dass unklar ist, ob das genannte Therapieansprechen Folge der Kombination von Elektro-Hyperthermie und Chemotherapie gewesen ist oder ob es nur auf der Chemotherapie beruht hat, die auch ohne Elektro-Hyperthermie teils unter- teils aber auch überdurchschnittlich ansprechen kann (so auch Dr. W. im MDK-Gutachten vom 09.03.2012).
60 
Die weiter vorliegenden MDK-Gutachten stützen und bestätigen die Auffassung des Dr. T. zusätzlich. So hat vor allem Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 unter Abgrenzung der wissenschaftlichen Hyperthermie, die in klinischen Studien an speziellen Zentren (Universitätskliniken) durchgeführt wird, von der Elektro-Hyperthermie (weiter präzisierend) dargelegt, dass bei der wissenschaftlichen Hyperthermie anders als bei der Elektro-Hyperthermie technische Geräte eingesetzt werden, die neben der Temperaturdosisplanung eine Verifikation der tatsächlich erzielten Temperatur über Temperaturmessungen ermöglichen. Dies ist mit den bei der Elektro-Hyperthermie genutzten (einfacheren) Geräten nicht möglich, weshalb bei diesem Verfahren eine wissenschaftlich-technische Therapieplanung, die Möglichkeit der Fokussierung der Energieverteilung im Zielgebiet und eine valide Temperaturkontrolle im Zielvolumen nicht möglich ist. Deswegen hat die Arbeitsgemeinschaft Hyperthermie der Deutschen Krebsgesellschaft an der Elektro-Hyperthermie auch wiederholt (- so Dr. B.-N.: scharfe -) Kritik geäußert. Dr. B.-N. hat in Übereinstimmung mit Dr. T. betont, dass es keine Studien gibt, die (insbesondere) einen Nutzen der Elektro-Hyperthermie für die Krebsbehandlung belegen könnten. Es gibt - so Dr. B.-N. - keine Studien, die Hinweise auf eine positive Einwirkung der Hyperthermie (Ganzkörperhyperthermie bzw. lokoregionale Tiefenhyperthermie) allein oder in Verbindung mit Chemotherapie auf den Krankheitsverlauf im vorliegenden Fall erbringen würden. Die für die Behandlung des (wie ein Magenkarzinom zu behandelnden) AEG-Karzinoms einschlägige S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ der zuständigen deutschen Fachgesellschaft und ebenso die entsprechende Leitlinie der zuständigen amerikanischen Fachgesellschaft erwähnen die Hyperthermie als Methode zur Behandlung dieser Krebserkrankung nicht.
61 
Damit kann die - wissenschaftliche - Hyperthermie ggf. in klinischen Studien zur Behandlung schwieriger und fortgeschrittener Krebserkrankungen (worauf Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 ebenfalls hingewiesen hat) in spezialisierten (universitären) Zentren (etwa in D., E., M. und T.) auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, nicht jedoch die (ambulante) Elektro-Hyperthermie, auch nicht in Kombination mit anderen Behandlungsverfahren, wie der Chemotherapie. Angesichts der medizinisch und technisch begründeten Unterschiede beider Behandlungsmethoden kann die Klägerin den geltend gemachten Erstattungsanspruch auf Gründe der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) ebenfalls nicht stützen.
b)
62 
Die Beklagte hat auch die Gewährung der (ergänzenden) Thymustherapie und der Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen zu Recht abgelehnt. Hierfür gilt das Vorstehende weitgehend entsprechend.
63 
Bei der Thymustherapie handelt es sich ersichtlich um eine Pharmakotherapie (zur Abgrenzung der Pharmakotherapie von der ärztlichen Behandlung näher Senatsurteil vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 -, in juris Rdnr. 39 m.w.N.). Das beim Versicherten angewandte Thymus-Präparat ist - so der Arzt E. im MDK-Gutachten vom 28.03.2012 - ein nicht verschreibungspflichtiges (homöopathisches) Arzneimittel. Es kann daher gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. mit den einschlägigen Vorschriften der AMR zu Lasten der Krankenkassen nicht verordnet werden (§ 12 Abs. 1 SGB V i.V.m. Anlage I AMR; zur Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses etwa BSG, Urteil vom 15.12.2015, - B 1 KR 30/15 R -, in juris). Die dargestellten Grundsätze für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung führen auch hier nicht weiter. Wie Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 dargelegt hat (ebenso der Sache nach der Arzt E. im MDK-Gutachten vom 11.05.2012), gibt es keine Studien, die darauf hinweisen könnten, dass im Fall des AEG-Karzinoms durch Thymustherapie eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bewirkt werden kann, und es gibt auch keine Hinweise auf eine positive Einwirkung durch Thymustherapie in Kombination mit Chemotherapie und Hyperthermie. Die Literaturrecherche hat Hinweise auf Studien, die die von Dr. Dr. R. postulierten Therapieerfolge belegen oder dies (auch nur) untersuchen würden, nicht ergeben. Auch in der bereits erwähnten deutschen S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ und in der entsprechenden amerikanischen Leitlinie wird die Thymustherapie als Behandlung von AEG-Tumoren nicht erwähnt (so Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012). Dr. Dr. R. hat im Bericht vom 09.04.2014 ebenfalls eingeräumt, dass es für die in Rede stehende Krebsbehandlung den Kriterien der medizinischen Wissenschaft entsprechende Studien nicht gibt.
64 
Die Behandlung mit Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen stellt ebenfalls eine Pharmakotherapie dar. Die beim Versicherten angewandte Injektionslösung ist wie das verabreichte Thymuspräparat ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel und kann aus den bereits zur Thymustherapie dargestellten Gründen zu Lasten der Krankenkassen nicht verordnet werden; die Ausnahmeindikation des schwerwiegenden, durch eine entsprechende Ernährung nicht behebbaren Vitaminmangels hat beim Versicherten (unstreitig) nicht vorgelegen. Dr. B.-N. hat das im MDK-Gutachten vom 30.08.2012 näher dargelegt. Auch hier führen die Grundsätze zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung nicht weiter. Wie Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 30.08.2012 ausgeführt hat, hat es nach der Datenlage an einer begründeten Aussicht auf die Erzielung eines Behandlungserfolgs bei der Krebserkrankung des Versicherten gefehlt. Dr. B.-N. hat seine Einschätzung unmittelbar zwar auf die Anwendung des in Rede stehenden Arzneimittels im (richterrechtlichen) Off-Label-Use (dazu etwa Senatsurteil vom 08.03.2015, - L 5 KR 3861712 -, in juris Rdnr. 44) bezogen. Seine Ausführungen belegen zugleich aber das Fehlen einer durch Indizien gestützten nicht ganz fernliegenden Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf der Krebserkrankung. Die Anwendung der in Rede stehenden Infusionen (ebenso der Thymus-Präparate) hat außerdem ersichtlich eine Begleitbehandlung der - ganz im Vordergrund stehenden - Hyperthermie-Behandlung des Versicherten (als Hauptbehandlung) dargestellt, die dadurch hat unterstützt werden sollen. Die Infusionsbehandlung kann damit in leistungsrechtlicher Hinsicht (bezogen auf die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs) letztendlich nicht wesentlich anders beurteilt werden als die genannte Hauptbehandlung selbst.
65 
Die Klägerin stützt sich für ihr Kostenerstattungsbegehren insgesamt (nachvollziehbar) im Kern auf die positive Selbsteinschätzung des Versicherten hinsichtlich eines für ihn spürbaren Behandlungserfolgs, auch durch die Möglichkeit, die Dosis der weiterhin angewandten Chemotherapeutika herabzusetzen und deren Nebenwirkungen abzumildern. Wie eingangs dargelegt, genügt das für die Aufnahme der in Rede stehenden Methoden zur Behandlung des AEG-Karzinoms in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung indessen ebenso wenig wie die Einschätzung der behandelnden Ärzte, die die Entscheidung des Versicherten zur Durchführung (vor allem) der Hyperthermie-Behandlung als in seiner Lage medizinisch sinnvoll angesehen haben.
66 
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht nicht auf.
67 
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
68 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Gründe

A.

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versorgung der Beschwerdeführerin mit einem Medizinprodukt auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die beantragte Versorgung war mit der Begründung abgelehnt worden, das Medizinprodukt sei nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Liste der verordnungsfähigen Medizinprodukte aufgenommen worden, und es gebe keinen Anspruch darauf, dass die Kosten der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung nach den Grundsätzen des Beschlusses des Ersten Senats vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) übernommen würden.

II.

2

1. Die Beschwerdeführerin leidet an einer chronischen Erkrankung der Harnblasenwand. Die Krankheit hat eine erhebliche Verringerung der Blasenkapazität sowie Entleerungsstörungen mit ausgeprägten Schmerzen und imperativem Harndrang zur Folge. Bei chronischem Verlauf kann eine Schrumpfblase entstehen, die bei unglücklicher Entwicklung der Krankheit eventuell operativ entfernt werden muss. Die Beschwerdeführerin beantragte bei ihrer Krankenkasse die Versorgung mit einem Medizinprodukt zur Therapie dieser Krankheit. Sämtliche Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Versorgung blieben ohne Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung der Revision durch das Bundessozialgericht und mittelbar gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB V.

3

2. Die Verfassungsbeschwerde stützt sich im Wesentlichen auf zwei Argumente:

4

a) Zum einen beansprucht die Beschwerdeführerin nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) eine Versorgung mit dem Medizinprodukt unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. In dieser Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Versorgung anerkannt, wenn ein Versicherter an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht existieren, und wenn die gewünschte Behandlung eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (vgl. BVerfGE 115, 25 <49>). Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie erfülle alle Voraussetzungen dieses Anspruchs; die Krankheit sei lebensbedrohlich, weil sie nach bisherigen Erfahrungen auch Anlass für einen Suizid sein könne.

5

Zumindest müsse der Anspruch in Fortführung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 auch in Fällen schwerwiegender Erkrankungen eröffnet sein, die zum Verlust eines Körperorgans führen und die sozialen Kontakte der Erkrankten erheblich beeinträchtigen könnten. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 formuliere, dass der Anspruch "insbesondere" in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung bestehe (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>); dass das Tatbestandsmerkmal nur als Beispiel aufgeführt werde, belege, dass es Krankheiten gleichen Gewichts gebe, die ebenfalls zu einem solchen Anspruch führen könnten.

6

b) Zum anderen rügt die Beschwerdeführerin, der nach § 91 SGB V tätige Gemeinsame Bundesausschuss verweigere die Aufnahme des von ihr gewünschten Medizinprodukts in seine Arzneimittel-Richtlinie, ohne dafür hinreichend demokratisch legitimiert zu sein. Diese Weigerung wirke ihr gegenüber rechtlich wie eine Ablehnung, denn nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei die Aufnahme des Medizinprodukts in eine Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Voraussetzung einer Versorgung.

7

Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erfassten alle an der Krankenversorgung Beteiligten ohne eine hinreichende Steuerung durch parlamentarisches Gesetz oder durch Weisung und Aufsicht der Gesundheitsbehörden. Die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses seien völlig weisungsunabhängig. Zehn Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses würden von den Leistungserbringern und -finanzierern der gesetzlichen Krankenversicherung bestellt, die drei unparteiischen Mitglieder im Einvernehmen dieser beiden Gruppen ernannt. Die vom Demokratieprinzip erforderte personelle Legitimationskette vom Volk über das Parlament zum Gemeinsamen Bundesausschuss fehle gänzlich.

B.

8

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie zeigt nicht entsprechend den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG substantiiert und schlüssig die Möglichkeit der Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin auf. Teilweise genügt sie auch nicht den Anforderungen an die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

I.

9

1. a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 <87> m.w.N.).

10

b) Der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abgeleitete Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 68, 384 <388 f.>). Dem Bundesverfassungsgericht soll vor seiner Entscheidung unter anderem ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und die Fallanschauung der Gerichte, insbesondere der obersten Bundesgerichte, vermittelt werden (vgl. BVerfGE 72, 39 <43>). Deswegen ist dem Subsidiaritätsgrundsatz auch nicht genügt, wenn im Instanzenzug ein Mangel nicht nachgeprüft werden konnte, weil er nicht oder nicht in ordnungsgemäßer Form gerügt worden war (vgl. BVerfGE 16, 124 <127>; 54, 53 <65>; 74, 102 <114>). Zwar resultiert daraus keine allgemeine Pflicht, verfassungsrechtliche Erwägungen und Bedenken schon in das fachgerichtliche Verfahren einzuführen (vgl. BVerfGE 112, 50 <60 ff.>). Dies lässt aber die Obliegenheit der Parteien unberührt, die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen bereits im Ausgangsverfahren vollständig vorzutragen; ein grundsätzlich neuer Tatsachenvortrag ist im Verfahren der Verfassungsbeschwerde ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 112, 50 <62>). Hat der Beschwerdeführer die Tatsachen dort nicht vollständig vorgebracht, hat er nicht alles ihm Zumutbare getan, um eine fachgerichtliche Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen.

11

2. An diesen Substantiierungsanforderungen und am Grundsatz der Subsidiarität scheitert die Verfassungsbeschwerde mit ihren Angriffen gegen das Urteil des Bundessozialgerichts und mittelbar gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V.

12

a) Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 geben die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 GG einen Anspruch auf Krankenversorgung insbesondere in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, wenn für sie schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen und die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht. Dann könnten diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten (vgl. BVerfGE 115, 25 <45 und 49>).

13

b) Nach ihren eigenen Darlegungen ist die Beschwerdeführerin von keiner lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung betroffen. Sie leidet zwar zweifellos an einer schwerwiegenden Erkrankung mit gewichtigen Folgen; diese begründet aber keine zeitlich naheliegende Todesgefahr. Ihr Hinweis auf statistisch erfasste Suizide bei einer Erkrankung dieser Art kann in seiner Allgemeinheit das individuelle Vorliegen dieses Anspruchsmerkmals nicht begründen.

14

c) Auch sind die medizinischen Angaben der Beschwerdeführerin unzureichend, um im Hinblick auf das von ihr begehrte Medizinprodukt eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf prüfen zu können. Zwar gibt die Verfassungsbeschwerde die Indizien für einen individuellen Wirkungszusammenhang aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (vgl. BVerfGE 115, 25 <50>) abstrakt wieder, konkretisiert sie aber nicht für den Einzelfall. Die Beschwerdeführerin hat weder vergleichende Angaben zu ihrem und dem Gesundheitszustand anderer behandelter Versicherter gemacht noch eine fachliche Einschätzung ihrer behandelnden Ärzte zu der beabsichtigten Therapie vorgelegt. Warum beides im Hinblick auf ihre nicht näher dargelegte finanzielle Situation von vornherein unzumutbar sein sollte, erschließt sich nicht. Zudem fehlt es an wesentlichen Informationen zu medizinischen Erkenntnissen über die Wirksamkeit des von ihr begehrten Medizinprodukts. Dessen positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ist zunächst lediglich behauptet und mit pauschalen Verweisen auf Anwendungsuntersuchungen begründet worden. Erst nach Ablauf der maßgeblichen Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für die Begründung der Verfassungsbeschwerde hat die Beschwerde detaillierter vorgetragen, aber auch dann nur vorgebracht, dass ihrer Ansicht nach eine in das Verfahren neu eingebrachte Studie trotz deren höherer Evidenzstufe nicht geeignet sei, einen Wirksamkeitsnachweis auszuschließen.

15

d) Dem Vortrag der Beschwerdeführerin lässt sich auch nicht entnehmen, dass sie im Verfahren vor den Sozialgerichten ausreichende Darlegungen für einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf das begehrte Medizinprodukt nach den Maßstäben des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 vorgebracht und so dem Grundsatz der Subsidiarität genügt hätte.

16

3. Die Beschwerdeführerin trägt vor, es sei verfassungsrechtlich geboten, den grundgesetzlichen Leistungsanspruch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 auf schwerwiegende Krankheiten zu erweitern, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen vergleichbar sind. Sie verweist dazu auf die Formulierung im genannten Beschluss, der Anspruch entstehe "insbesondere" in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>). Er müsse also auch für andere Krankheiten gleichen Gewichts gelten.

17

a) Eine solche Erweiterung ist fachgerichtlich schon anerkannt und mittlerweile auch gesetzlich normiert worden. Schon das Bundessozialgericht hat den verfassungsrechtlichen Leistungsanspruch auf wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungsfälle in notstandsähnlichen Situationen erweitert (vgl. BSGE 96, 153 <160 f. Rn. 31-32>; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R -, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8 Rn. 16 ff.). Dies sei bei einem drohenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gegeben. Der Verlust müsse jedoch in absehbarer Zeit, das heißt in einem kürzeren, überschaubaren Zeitraum, mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (vgl. BSGE 100, 103 <112 Rn. 32>). Der Gesetzgeber ist dem gefolgt und hat mit Wirkung zum 1. Januar 2012 in § 2 Abs. 1a SGB V einen Anspruch bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung gegeben. Es blieb dem Gesetzgeber zwar unbenommen, die vom Bundessozialgericht vorgenommene Anspruchserweiterung in § 2 Abs. 1a SGB V nachzuzeichnen. Diese Änderung des einfachen Gesetzesrechts vermag jedoch den hier im Verfahren der Verfassungsbeschwerde allein maßgeblichen verfassungsunmittelbaren Anspruch für sich genommen nicht zu erweitern. Im Übrigen ist die einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage erst im Jahr 2012 geschaffen worden, erfasst also zeitlich das vorliegende fachgerichtliche Verfahren nicht.

18

b) Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit krankenversicherungsrechtlichen Leistungsansprüchen in Fällen schwerwiegender Erkrankungen befasst, aber in keinem Fall festgestellt, dass es verfassungsrechtlich geboten sei, die Grundsätze des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 auf Erkrankungen zu erstrecken, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar sind. Es würde auch dem Ausnahmecharakter eines aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 GG abgeleiteten Leistungsanspruchs nicht gerecht, in großzügiger Auslegung der Verfassung einen solchen zu erweitern und so die sozialstaatliche Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers außer Acht zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb festgestellt, dass die notwendige Gefährdungslage erst in einer notstandsähnlichen Situation vorliege, in der ein erheblicher Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Anknüpfungspunkt eines derartigen Anspruchs ist deswegen unverändert "das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage" (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. März 2014 - 1 BvR 2415/13 -, juris, Rn. 14). Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch ist so auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr beschränkt. Entscheidend ist es, dass eine Krankheit lebensbedrohlich ist, das heißt in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann, und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen. Dies bedeutet nicht, dass in anderen Krankheitsfällen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung keinen grundrechtlichen Schutz genießen; insoweit kommt nach den Maßstäben des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 jedoch kein verfassungsunmittelbarer Leistungsanspruch auf Versorgung in Betracht.

19

4. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels hinreichender Substantiierung auch insoweit unzulässig, als die Beschwerdeführerin eine fehlende demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses bei der Ausgestaltung der Leistungsansprüche der Versicherten geltend macht.

20

a) Die Schutzwirkungen des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gehen über den im Beschluss vom 6. Dezember 2005 anerkannten, besonderen Extremfall der lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit hinaus und vermitteln einen weitergehenden subjektivrechtlichen Grundrechtsschutz. Die Ausgestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich an der grundrechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen (vgl. BVerfGE 115, 25 <44 f.> m.w.N.). Zugleich schützt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip in einem auf Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht beruhenden Versicherungssystem, bei dem der Einzelne typischerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe seines Beitrags und auf Art und Ausmaß der aus seinem Versicherungsverhältnis geschuldeten Leistung hat, den beitragspflichtigen Versicherten vor einer Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung. Zwar ergibt sich daraus grundsätzlich kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen zur Krankenbehandlung. Gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen sind aber daraufhin zu prüfen, ob sie im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind (vgl. BVerfGE 115, 25 <43>). Den Versicherten steht insoweit ein Anspruch auf eine verfassungsmäßige Ausgestaltung und auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung zu (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>). Gesetzlicher Ausgestaltung bedürfen insbesondere auch die grundsätzlich zulässigen (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>) Verfahren zur Bewertung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens sowie der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Würde eine zur Behandlung einer Krankheit benötigte Leistung in einem Entscheidungsprozess verweigert, der verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, wären Versicherte in ihren Grundrechten verletzt. Auf einen derartigen Anspruch auf Gewährleistung verfassungsmäßiger Ausgestaltung des Verfahrens der Leistungsgewährung könnte sich ein Beschwerdeführer prozessrechtlich nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG jedoch nur dann berufen, wenn er darlegte, die begehrte Behandlungsmethode biete eine zumindest auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

21

Hieran fehlt es jedoch vorliegend. Die Beschwerdeführerin hat - wie bereits festgestellt - im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nicht innerhalb der Begründungsfrist substantiiert dazu vorgetragen, dass die von ihr begehrte Behandlungsmethode eine derartige Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung verspricht.

22

b) Zudem bedürfte eine Verfassungsbeschwerde, die im Ergebnis auf Aufnahme eines Medizinprodukts in eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V zielt und das dem zugrunde liegende Verfahren aufgreift, einer Befassung mit der konkreten Befugnisnorm, auf der die streitige Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses fußt. Vorliegend fehlt jedoch die Darlegung, aus welchen Gründen gerade § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der es dem Gemeinsamen Bundesausschuss gestattet, ausnahmsweise Medizinprodukte in die Reihe der verordnungsfähigen Versorgung aufzunehmen, mit verfassungsrechtlichen Vorgaben, etwa zur demokratischen Legitimation (vgl. BVerfGE 115, 25 <47>), unvereinbar sein könnte. Mit dem Vorbringen - durchaus gewichtiger - genereller und allgemeiner Zweifel an der demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses als Institution kann das nicht gelingen. Vielmehr bedarf es konkreter Ausführungen nicht nur zum Einzelfall, sondern auch zur Ausgestaltung der in Rede stehenden Befugnis, zum Gehalt der Richtlinie und zur Reichweite der Regelung auf an ihrer Entstehung Beteiligte oder auch unbeteiligte Dritte. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss für eine Richtlinie hinreichende Legitimation besitzt, wenn sie zum Beispiel nur an der Regelsetzung Beteiligte mit geringer Intensität trifft, während sie für eine andere seiner Normen fehlen kann, wenn sie zum Beispiel mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht mitwirken konnten. Maßgeblich ist hierfür insbesondere, inwieweit der Ausschuss für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet ist.

23

Dem wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Auf die allein in Frage stehende Befugnisnorm des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V und auf die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses gerade für die darauf gründende Richtliniensetzung geht sie gar nicht ein, sondern begnügt sich mit der Wiedergabe allgemeiner Zweifel an der generellen Legitimation dieser Institution. Auch wäre es erforderlich gewesen, auf die tatsächliche Bedeutung der dem Ausschuss gerade für die Medizinprodukteversorgung übertragenen Befugnisse näher einzugehen und den Gehalt der gesetzlichen Vorgaben und deren Auslegung in der Praxis in Abgrenzung etwa zu denen der Arzneimittelversorgung zu würdigen, um so dem Bundesverfassungsgericht eine Beurteilungsgrundlage dafür zu schaffen, wieweit die Entscheidungen des Ausschusses gesetzlich angeleitet sind und welche Bedeutung ihnen praktisch zukommt.

II.

24

1. Die Verfassungswidrigkeit des Inhalts der die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten regelnden §§ 27 bis 29 Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) rügt die Beschwerdeführerin nicht. Die Verfassungsbeschwerde kritisiert zwar die vom Gemeinsamen Bundesausschuss im 4. Kapitel seiner Verfahrensordnung für alle Richtlinienentscheidungen festgelegten Evidenzanforderungen und Bewertungskriterien sowie die aus ihrer Sicht unzureichenden Ermittlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses im Herstellerzulassungsverfahren und will hieraus ein Systemversagen ableiten. Weder die Verfahrensordnung noch das Genehmigungsverfahren selbst sind aber von der Beschwerdeführerin zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht worden.

25

2. Die zusätzlich und ausdrücklich als verfassungswidrig gerügte Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 3 SGB V war für das angegriffene Urteil des Bundessozialgerichts ohne rechtliche Relevanz. Sie erklärt den in § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V geregelten gesetzlichen Versorgungsausschluss für bestimmte Arzneimittel - wie Erkältungs-, Schmerz- oder Abführmittel und Reisemedizin - für entsprechend anwendbar. Von dieser Vorschrift ist die Beschwerdeführerin, soweit erkennbar, in keiner Weise selbst betroffen. Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, weshalb diese Regelung, die überhaupt keine Normsetzungskompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses begründet, unvereinbar mit dem Grundgesetz sein sollte. Die Beschwerdebegründung geht darauf nicht ein.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten in Höhe von 11 564 Euro für eine auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung.

2

Der 1984 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger leidet an Retinitis pigmentosa, einer Netzhauterkrankung, die zu Tunnelblick und in ihrem Endstadium zur Erblindung führt. Im Jahr 2002 beantragte er - ua auf seine nur noch 3 % bis 5 % betragende Sehfähigkeit hinweisend - die Kostenübernahme für eine sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P in H ; dieser Arzt habe eine Therapie entwickelt, die das weitere Absterben der Netzhaut verhindere und das Sehvermögen verbessern könne. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Behandlungsmethode schulmedizinisch nicht allgemein anerkannt sei (Bescheid vom 19.11.2002; Widerspruchsbescheid vom 5.2.2003). Vom 10.1. bis 31.1.2003 ließ sich der Kläger auf Kuba auf eigene Kosten (nach eigenen Angaben 11 564 Euro) entsprechend behandeln.

3

Die Klage auf Kostenerstattung ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 24.3.2006; Urteil des LSG vom 1.8.2007). Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung für die auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung betroffen gewesen ist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3), weil das LSG dem nach § 109 SGG gestellten Antrag des Klägers, Beweis zur Eignung der durchgeführten Heilbehandlung durch den Sachverständigen Prof. M (Universität Bologna) zu erheben, nicht nachgekommen war. Das LSG hat ein Gutachten nach Aktenlage bei Prof. M
dazu eingeholt, ob die Kuba-Therapie dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, und anschließend die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, es fehle an einem hinreichend objektiven Wirksamkeitsnachweis der sog Kuba-Therapie (Urteil vom 16.11.2011).

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Art 2 Abs 2 S 1 sowie von Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip. Das LSG verkenne mit seiner Forderung nach validen Studien oder aussagekräftige Statistiken die Anforderungen, die an Hinweise für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine zumindest spürbare positive Einwirkung der Behandlung auf den Krankheitsverlauf zu stellen seien.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. März 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2003 zu verurteilen, ihm 11 564 Euro zu zahlen,

6

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das an-gefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung von 11 564 Euro Kosten für die Auslandsbehandlung hat, vermag der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen. Es steht nicht fest, dass die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V erfüllt sind.

10

Das LSG hat zwar in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Erstattungsanspruch aus § 18 Abs 1 S 1 SGB V bei Beachtung des Qualitätsgebots(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) abgelehnt (dazu 1.), aber unzureichende Feststellungen zur grundrechtsorientierten Auslegung getroffen (dazu 2.). Eine grundrechtsorientierte Auslegung scheidet allerdings aus, wenn die Überprüfbarkeit der Methode an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten scheitert (dazu 3.).

11

1. Nach den auch den erkennenden Senat bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) beruht der geltend gemachte Anspruch auf § 18 Abs 1 S 1 SGB V(in der hier noch maßgeblichen bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Danach kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist. Der Anspruch setzt ua nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 29) grundsätzlich voraus, dass die Leistung im Ausland den Anforderungen an das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) entspricht. Das hat das LSG im Ergebnis - unangegriffen und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - verneint, weil nicht die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie kein Konsens besteht.

12

2. Nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) kommen Abmilderungen der Anforderungen des Qualitätsgebots infolge grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts der GKV auch im Anwendungsbereich des § 18 SGB V in Betracht. Ist für Versicherte eine nach Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierter Leistungsbestimmung in der GKV zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich, besteht ein Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs 1 S 1 SGB V.

13

Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), bedarf es hierfür zunächst der Feststellung, dass der Kläger im Zeitpunkt der Behandlung an einer Krankheit litt, die zumindest wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar ist. Diesbezüglich hat das erste Revisionsurteil vorgegeben, dass hierfür eine drohende Erblindung in Betracht kommt, hochgradige Sehstörungen demgegenüber nicht ausreichen (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31). Sodann ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), die Feststellung erforderlich, ob, und wenn ja mit welcher Zielrichtung, bezüglich dieser Krankheit zumindest eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht und für den Kläger anwendbar ist. Des Weiteren ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), festzustellen, mit welcher Zielsetzung die sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P durchgeführt wird und ob bezüglich dieser Behandlungsmethode eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers bestand. Hierzu bedarf es der Feststellungen, die für eine abstrakte Nutzen-Risiko-Analyse und für eine Abwägung der Chancen und Risiken dieser Behandlungsmethode gerade im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse bei dem Kläger erforderlich sind. Maßgeblich sind für diese Feststellungen nach den bindenden Vorgaben (§ 170 Abs 5 SGG) die Regeln der ärztlichen Kunst.

14

Das LSG hat zur konkreten Krankheitssituation des Klägers, zu den regelmäßigen, schulmäßigen Behandlungsmethoden bei seiner Augenkrankheit, zu einer Unverträglichkeit dieser Methoden bei dem Kläger und zu den Chancen und Risiken der Kuba-Therapie im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse des Klägers im Behandlungszeitpunkt keine Feststellungen getroffen. Soweit es eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verneint hat, weil es an einem objektiven Wirksamkeitsnachweis fehle, verkennt es die bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGG).

15

Das LSG hat ausgeführt, die Methode sei nicht ausreichend an Menschen evaluiert und werde von der überwiegenden Mehrheit der einschlägigen Fachleute jedenfalls nicht befürwortet, vom wissenschaftlichen Beirat von Pro Retina Deutschland e.V. nicht empfohlen, vom "Health Council of the Netherlands" in den Niederlanden nicht anerkannt und auch in den USA und überwiegend in Europa nicht akzeptiert. Prof. M gehöre zur Minderheit der Befürworter und zu den wenigen Anwendern, gleichwohl vermöge er nur auf seine eigenen klinischen Erfahrungen an Menschen (und Tieren) hinzuweisen, ohne dass valide Studien oder aussagekräftige Statistiken zur Wirksamkeit der Therapie existierten. Die bisherigen Erkenntnisse würden zwar einen positiven Einfluss nicht ausschließen, genügten aber nicht, um von einer "ausreichend gesicherten" positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auszugehen, weil sich der Sachverständige nur auf die Feststellungen der von ihm operierten 126 Menschen stütze und eine graduelle Verzögerung des Sehschärfeverlustes um 18 bis 24 Monaten nicht ausreichend erscheine.

16

Damit überspannt das LSG die Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts. Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), ist es bei der abstrakten und konkreten Prüfung von Risiken und Nutzen geboten, jeweils das erreichbare Behandlungsziel iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu berücksichtigen. Der bei beiden Analysen von Nutzen und Risiken zu beachtende Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der den Zurechnungszusammenhang zwischen Therapie, Erfolg und Risiken betrifft, unterliegt - ähnlich wie bei der Anwendung von Pharmakotherapien mit Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV - aufgrund von Verfassungsrecht Abstufungen je nach Schwere und Stadium der Erkrankung und Ausmaß sowie Eintrittswahrscheinlichkeit von unerwünschten Nebenwirkungen. Erforderlich ist, dass unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt. Soweit danach eine solche Behandlungsmethode in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob bei Anlegen des gleichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch andere (anerkannte) Methoden diesen Anforderungen genügen. Ist dem so, sind diese Methoden untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen (vgl zum Ganzen zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 25 f mwN - LITT, bezogen in BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30).

17

Die Folge dieser Rechtsprechung ist, dass, wenn eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode für eine wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbare Krankheit (generell) überhaupt nicht zur Verfügung steht oder im konkreten Einzelfall ausscheidet, weil der Versicherte diese nachgewiesenermaßen nicht verträgt, der Nachweis des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit einem der notstandsähnlichen Situation angemessenen geringeren Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterfällt. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und 'hoffnungsloser' die Situation, desto geringere Anforderungen an die 'ernsthaften Hinweise' auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg" (BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40; mit ähnlicher Tendenz schon: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, 179; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl 2002, § 130 RdNr 23).

18

Wissenschaftliche Verlaufsbeobachtungen anhand von operierten 126 Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle sind ihrer Art nach ohne Weiteres geeignet, nach den Regeln der ärztlichen Kunst als Grundlage für "Indizien" im dargelegten Sinne für eine positive Einwirkung zu dienen. Nach den Feststellungen des LSG hat Prof. M 126 Patienten mit der Pelaez-Technik jeweils an einem Auge operiert - das nicht operierte Auge diente der Kontrolle - und stellte dabei fest, dass es zu Verbesserungen kam, die sich schrittweise verringerten, bis sie 18 bis 24 Monate nach Einsetzen des Implantats verschwanden.

19

Es entspricht auch nicht den dargelegten bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGB V), einen Erhalt der Sehfähigkeit durch Verbesserung des Sehvermögens für 18 bis 24 Monate als unerheblich anzusehen. Vielmehr handelt es sich ohne Zweifel um eine offenkundig positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Zu den Behandlungszielen des § 27 Abs 1 S 1 SGB V gehören die Heilung einer Krankheit, die Verhütung ihrer Verschlimmerung sowie die Linderung von Krankheitsbeschwerden. Eine "Verhütung der Verschlimmerung" setzt nicht voraus, dass diese dauerhaft ist, also die Erkrankung zum Stillstand kommt. Bei schicksalhaftem Verlauf der Erkrankung genügt es vielmehr, dass ihr Eintritt - hier die Erblindung - hinausgezögert wird (Steege in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2014, K § 27 RdNr 59).

20

Ob die Kuba-Therapie im Zeitpunkt der Behandlung nach den aufgezeigten Maßstäben geeignet war, beim Kläger eine Verschlimmerung im oben genannten Sinne zu vermeiden, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Nach Angaben von Prof. M soll die Behandlung nur auf Fälle mit hoher Progredienz des Krankheitsverlaufs angewendet werden, bei denen andere Methoden fehlschlugen. Das LSG hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die Frage offen gelassen, ob bei dem Kläger eine derartig schnelle Degeneration vorliegt. Entsprechende und ggf die übrigen, oben umschriebenen Feststellungen wird es nachzuholen haben. Mit Blick auf die gebotene abstrakte Nutzen-Risiko-Bewertung genügt es nicht - wie durch das LSG geschehen - nur allgemein mögliche Risiken zu nennen, ohne deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Die zu beurteilenden Risiken (nicht unerhebliches Operationsrisiko, Doppelsehen, welliges Sehen, schnellerer Verfall der Sehschärfe und des Gesichtsfelds als vor der Operation) wird das LSG deshalb abstrakt sowie bezogen auf den Einzelfall fest umreißen und mit dem möglichen Erfolg der Therapie in Anlehnung an Art 2 Abs 2 GG abzuwägen haben.

21

3. Die Notwendigkeit für das LSG, weitere ergänzende Feststellungen zu treffen, kann sich aus den in neuerer Rechtsprechung des erkennenden Senats entwickelten Anforderungen ergeben. Der erkennende Senat darf diese neueren Anforderungen trotz der grundsätzlichen Bindungswirkung (vgl § 170 Abs 5 SGG) seines ersten Revisionsurteils auch in diesem Verfahren zugrunde legen. Ein oberster Gerichtshof des Bundes ist nämlich, wenn er - wie hier der erkennende Senat - seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und erneut mit derselben Sache befasst wird, an seine zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden (vgl GmSOGB BSGE 35, 293, 296 ff = SozR Nr 15 zu § 170 SGG; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 13 mwN).

22

Nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f) verlangt die aus der grundrechtsorientierten Auslegung (heute: § 2 Abs 1a SGB V) resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zugrunde liegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Scheitert die Überprüfbarkeit der Methode nach Maßgabe der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten - womöglich als Teil eines Marketingkonzepts des Behandlers im Ausland -, sind derartige Erkenntnismängel nicht durch die grundrechtsorientierte Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zu überwinden(BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f). Die auch und gerade dem Patientenschutz dienende, tatsächlich mögliche wissenschaftliche Kontrolle, die innerhalb von EU und EWR die Regelungen über die Zulassung neuer Behandlungsmethoden prägt, steht bei Auslandskrankenbehandlungen nach § 18 SGB V nicht zur Disposition der ausländischen Leistungserbringer. Die grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V darf nicht dazu dienen, ein Anreizsystem dafür zu schaffen, dass in Deutschland versicherte Patienten Behandlungsleistungen außerhalb von EU und EWR nur deshalb erhalten, weil sich ihre Anbieter dauerhaft objektiv der tatsächlich möglichen wissenschaftlichen Kontrolle ihrer Leistungen entziehen, insbesondere keine Daten über die Einzelheiten der Behandlung einschließlich ihrer objektivierbaren Folgen veröffentlichen(BSG aaO mwN zur Sicherung des Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs 1 S 3 SGB V durch § 135 Abs 1 SGB V). Das LSG hat zur Ursache bestehender Erkenntnismängel im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers keine Feststellungen getroffen. Auch dies wird es nachzuholen haben.

23

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für in der Ukraine erfolgte Behandlungsmaßnahmen.

2

Der im Juli 1978 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger leidet an Zerebralparese mit Bewegungsstörungen seit Geburt im Sinne einer spastischen Tetraplegie und einer massiven statomotorischen Retardierung. Er ließ sich seit 1993 regelmäßig in dem von dem Neurologen und Chirotherapeuten Prof. Dr. Kozijavkin geleiteten Institut in der Ukraine behandeln. Dessen Therapiekonzept, das er selbst "System der intensiven neurophysiologischen Rehabilitation (SINR)" nennt (im Folgenden Methode Kozijavkin), besteht in einer sogenannten multimodalen Behandlung. Es hat zum Ziel, innerhalb einer zweiwöchigen Behandlung unter Beteiligung ärztlicher und nichtärztlicher Fachkräfte eine Verbesserung der Bewegungsmöglichkeiten bei Personen mit infantilen Zentralparesen herbeizuführen. Dazu werden ua Akupressur, Akupunktur, Wärmebehandlung mit Bienenwachs, Reflextherapie, Manualtherapie und Krankengymnastik eingesetzt. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Behandlung der Wirbelsäule mit Techniken der Manualtherapie, mit deren Hilfe Wirbelsäulenblockaden gelöst werden sollen. An diese Behandlungsphase schließt sich eine drei- bis zwölfmonatige Stabilisierungsphase an, der wiederum eine zweiwöchige intensive Behandlung in der Ukraine folgt. Die Beklagte lehnte Anträge für die Erteilung von Kostenzusagen für Behandlungen vom 19.9. bis 3.10.2000, 10. bis 24.4.2001, 28.9. bis 12.10.2001, 20.3. bis 3.4.2002 und vom 25.3. bis 8.4.2003 jeweils ab (Bescheid vom 17.8.2000; Widerspruchsbescheid vom 22.8.2001; Bescheid vom 5.3.2001; Widerspruchsbescheid vom 22.8.2001; Bescheid vom 21.8.2001; Widerspruchsbescheid vom 5.12.2001; Bescheide vom 6.3.2002 und 26.2.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.8.2003). Der Kläger ließ sich dennoch in den jeweils beantragten Zeiten in der Ukraine in dem Institut von Prof. Dr. Kozijavkin behandeln und zahlte hierfür insgesamt 20 348,58 Euro.

3

Das SG hat die deshalb erhobenen Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage dazu verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (Urteil vom 3.2.2005). Das BSG hat auf die Sprungrevision der Beklagten das SG-Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen (BSG Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 6/05 R - nv), weil über den vom Kläger erhobenen Anspruch ohne weitere Sachaufklärung zu bestimmten generellen und individuellen Tatsachen nicht entschieden werden kann. Das LSG hat die Klage abgewiesen, ohne weiteren Beweis zu erheben (LSG-Beschluss vom 3.3.2010). Das BSG hat den LSG-Beschluss wegen Missachtung der Bindungswirkung (vgl § 170 Abs 5 SGG)aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des LSG zurückverwiesen (BSG Beschluss vom 28.9.2010 - B 1 KR 46/10 B -). Das LSG hat nunmehr nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen: Die Methode Kozijavkin sei zur Zeit der betroffenen Behandlungen nicht allgemein anerkannt gewesen. Eine grundrechtsorientierte Auslegung komme nicht in Betracht, da die Krankheit des Klägers mit einer regelmäßig tödlichen Erkrankung nicht wertungsmäßig vergleichbar sei (Urteil vom 22.3.2012).

4

Der Kläger rügt sinngemäß die Verletzung der Bindungswirkung des ersten Revisionsurteils (vgl § 170 Abs 5 SGG)und des Rechtsgedankens des § 2 Abs 1a SGB V entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG(BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Das LSG hätte sich aufgrund seines Vorbringens gedrängt sehen müssen, durch Sachverständige festzustellen, dass er durch die Spastik am ganzen Körper infolge der infantilen Zentralparese schmerzintensiv betroffen sei. Dies sei weit unerträglicher als eine Erblindung. Belege für den Nutzen der Methode Kozijavkin bestünden aus jüngerer Zeit und seien zu berücksichtigen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 3. Februar 2005 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG das zur Neubescheidung verurteilende SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger kann keine Neubescheidung verlangen, denn er hat keinen Anspruch aus § 18 Abs 1 S 1 SGB V auf Erstattung der Kosten in Höhe von 20 348,58 Euro, die ihm durch die mehrfachen Behandlungen in der Ukraine nach der Methode Kozijavkin innerhalb der Gesamtzeit vom 19.9.2000 bis 8.4.2003 entstanden sind. Die Methode Kozijavkin entsprach in diesem Zeitraum nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (dazu 1.). Die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V sind nicht erfüllt(dazu 2.).

9

1. Nach den auch den erkennenden Senat bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG)des ersten Revisionsurteils (BSG Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 6/05 R - RdNr 12, nv) beruht der geltend gemachte Anspruch auf § 18 Abs 1 S 1 SGB V(in der hier noch maßgeblichen bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Der Anspruch setzt voraus, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung der Krankheit des Klägers nur im Ausland, im Institut Prof. Dr. Kozijavkins in der Ukraine, in den genannten Zeiträumen möglich war. Daran fehlt es.

10

Gemäß den bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (BSG Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 6/05 R - RdNr 20 ff, nv) ist entscheidend, dass die Leistung im Ausland zur Zeit der Behandlung den Kriterien des in § 2 Abs 1 S 3 SGB V geregelten Qualitätsgebots entsprach. Das wiederum ist der Fall, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (vgl bereits BSGE 84, 90, 96 f = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 18 f - Kozijavkin I; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 23 ff - Kozijavkin II).

11

Nach dem überzeugenden Ergebnis der Beweisaufnahme des LSG war die Methode Kozijavkin noch im Jahr 2005 - und darüber hinaus - nicht allgemein anerkannt. Es fehlten bis zum damaligen Zeitpunkt unabhängige Studien nach anerkannten wissenschaftlichen Standards zur Wirksamkeit der Methode. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das LSG sich nicht allein auf deutsche Quellen beschränkt, sondern etwa über die Datenbank DIMDI internationale Publikationen einbezogen (zB Mijna Hadders-Algra, Tineke Dirks, Cornill Blauw-Hospers, Victorine de Graaf-Peters, The Kozijavkin method: giving parents false hope? The Lancet, Bd 365, Lieferung 9462, S 842, 5.3.2005). Die Methode Kozijavkin wird weder in Deutschland noch in anderen Ländern der EU eingesetzt.

12

2. Der Kläger kann sich im Ergebnis auch nicht auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V zu seinen Gunsten berufen.

13

a) Der erkennende Senat muss trotz der grundsätzlichen Bindungswirkung (vgl § 170 Abs 5 SGG)seines ersten Revisionsurteils (BSG Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 6/05 R - Juris) darüber entscheiden, ob der Kläger aufgrund einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V den zu prüfenden Anspruch hat. Ein oberster Gerichtshof des Bundes ist nämlich, wenn er - wie hier der erkennende Senat - seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und erneut mit derselben Sache befasst wird, an seine zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden (vgl GmSOGB BSGE 35, 293, 296 ff = SozR Nr 15 zu § 170 SGG). Das erste Revisionsurteil enthält keine ausdrücklichen Ausführungen zu einer grundrechtsorientierten Auslegung. Die diese Rechtsfigur entwickelnde Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5),die den Beteiligten des dortigen Verfahrens nach dem 6.12.2005 zugestellt wurde, war dem 1. Senat des BSG bei seiner Entscheidung vom 13.12.2005 noch nicht bekannt. Der erkennende Senat hat seine Rechtsprechung zu § 18 Abs 1 S 1 SGB V später dahingehend fortentwickelt, dass ein Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch nach dieser Rechtsgrundlage auch dann besteht, wenn für Versicherte eine nach den Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierter Leistungsbestimmung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich ist(vgl BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30). Eine verfassungskonforme Auslegung kommt nicht nur bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21, 29 mwN - Tomudex), sondern auch bei wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankungen wie einer drohenden Erblindung in Betracht (vgl BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - D-Ribose).

14

b) Der Kläger kann aus der Regelung des § 2 Abs 1a SGB V nichts für sich herleiten, da sie erst zum 1.1.2012 in Kraft getreten ist (vgl Art 1 Nr 1 und Art 15 Abs 1 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983). In der Sache führt die Regelung allerdings die Rechtsprechung des BVerfG und des erkennenden Senats zur grundrechtsorientierten Auslegung fort. Auf diese Rechtsprechung (vgl BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 30 - D-Ribose)sucht sich der Kläger zu stützen. Sie ist ihrer Art nach anzuwenden, greift aber vorliegend nicht ein.

15

c) Die grundrechtsorientierte Auslegung einer Regelung des SGB V über einen Anspruch auf Übernahme einer Behandlungsmethode zu Lasten der GKV setzt voraus, dass folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: (1.) Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung vor. (2.) Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. (3.) Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 21 mwN). Diese Voraussetzungen sind nicht alle erfüllt.

16

aa) Es ist beim Kläger allerdings nicht völlig ausgeschlossen, dass die Auswirkungen seiner infantilen Zerebralparese mit Bewegungsstörungen, einer spastischen Tetraplegie und einer ausgeprägten statomotorischen Retardierung eine Ausprägung erreichen, welche allgemein für eine grundrechtskonforme erweiternde Auslegung des Leistungsrechts der GKV zu fordern ist. Der erkennende Senat hat zwar entschieden, dass ein Versicherter, der an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine, Sekundärschäden am knöchernen Apparat (Coxarthrose, Pseudoradikulärsyndrom) und sich dadurch verstärkender Spastik bei in Ruhe einschießenden schmerzhaften Spasmen leidet, nicht die Schwelle erreicht, welche allgemein für eine grundrechtskonforme erweiternde Auslegung des Leistungsrechts der GKV zu fordern ist (vgl BSGE 109, 211 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 23). Bei einer spastischen Tetraplegie sind indes nicht lediglich die Beine, sondern alle vier Extremitäten betroffen. Die Körperhaltung ist meist asymmetrisch. Kopf- und Augenkontrolle sowie die Sprachmotorik sind regelmäßig erschwert. Der Kläger beruft sich sinngemäß darauf, ein von ihm beantragtes Sachverständigengutachten hätte eine Spastik des ganzen Körpers ergeben. Ohne genaue Feststellung und Analyse der Funktionsbeeinträchtigungen ist nicht klar, dass der Kläger an einer Erkrankung leidet, die wertungsmäßig einen Schweregrad etwa wie bei einer völligen Erblindung erreicht. Der erkennende Senat unterstellt dies. Denn der Kläger hat die Feststellungen des LSG zur geringfügigeren Erkrankung des Klägers mit durchgreifenden Rügen angegriffen (vgl zu den Anforderungen § 164 Abs 2 S 3 SGG und hierzu BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN). Der Senat kann dennoch abschließend über die Sache entscheiden, da die weiteren Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung nicht erfüllt sind.

17

bb) Bezüglich seiner Krankheit stand dem Kläger im betroffenen Zeitraum eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung in Deutschland zur Verfügung. Die infantile Zerebralparese wird nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse als Symptomenkomplex angesehen, für den es keine pauschale, auf alle Patienten in gleicher Weise ausgerichtete Standardtherapie gibt. Vielmehr erfordert die Erkrankung ein individuelles Behandlungskonzept, das den festgestellten Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen Rechnung trägt. Therapieelemente sind regelmäßig funktionelle Übungsbehandlungen der motorischen Störungen einschließlich verordneter Heilmittel (Maßnahmen der physikalischen Therapie, der Ergo-, Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie), Pharmakotherapien zur Verringerung von Muskelspasmen oder Verhinderung von Krampfanfällen, verordnete Hilfsmittel, operative Behandlungen bei Kontrakturen und Sehnenverkürzungen, Therapien zusätzlicher Störungen sowie medizinische ambulante, erforderlichenfalls stationäre Rehabilitationsleistungen (vgl Zusammenstellung der Therapieelemente im Grundsatzgutachten des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkasse eV vom 8.5.2003, S 22 ff; vgl auch ebenda, Leitlinien der Gesellschaft für Neuropädiatrie zur Diagnose und Therapie der infantilen Cerebralparese, S 52 ff). Es gibt aufgrund des umfassenden ambulanten und stationären Angebots in Deutschland für die keinesfalls seltenen Fälle infantiler Zerebralparesen insoweit keinerlei Hinweis auf quantitative Versorgungslücken. Die bei der Methode Kozijavkin eingesetzten, sich teilweise mit dem Behandlungsangebot in Deutschland überschneidenden Therapieelemente belegen die Verträglichkeit einer individuellen Therapie nach Standard in Deutschland für den Kläger.

18

Das Ziel der Methode Kozijavkin besteht entsprechend den Feststellungen des LSG darin, innerhalb einer zweiwöchigen Behandlung unter Beteiligung ärztlicher und nichtärztlicher Fachkräfte eine Verbesserung der Bewegungsmöglichkeiten von Personen mit infantiler Zerebralparese zu erreichen. Es geht lediglich darum, Symptome der infantilen Zerebralparese zu lindern und ihre Verschlimmerung zu verhüten. Eine Heilung der Krankheit kommt nicht in Betracht. Auch die in Deutschland angewandten anerkannten Behandlungsstrategien zielen auf eine Linderung und Verhütung der Verschlimmerung der Symptome der infantilen Zerebralparese (vgl Grundsatzgutachten des MDS vom 8.5.2003, S 22 ff; vgl auch ebenda, Leitlinien der Gesellschaft für Neuropädiatrie zur Diagnose und Therapie der infantilen Cerebralparese, S 52 ff).

19

cc) Bezüglich der Methode Kozijavkin besteht auch lediglich eine ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Eine grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V darf nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht dazu führen, dass unabhängig von wissenschaftlichen Maßstäben allein die entfernte Hoffnung auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf zu einer Kostenerstattung zwingt. Abmilderungen des Qualitätsgebots kommen zwar infolge grundrechtsorientierter Auslegung der Regelungen des Leistungsrechts der GKV im Anschluss an den Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) und die dazu inzwischen ergangene umfangreiche Folgerechtsprechung des Senats (vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - D-Ribose; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21 und 30 f mwN - Tomudex; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 20 ff mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - Lorenzos Öl; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 mwN - ICL; vgl zu weiteren Anwendungsfällen zB: Kretschmer, MEDSACH 2009, 54 ff) auch im Anwendungsbereich des § 18 Abs 1 S 1 SGB V in Betracht(vgl Hauck in Festschrift 50 Jahre saarländische Sozialgerichtsbarkeit, 2009, S 49, 67). Ist für Versicherte eine nach den Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierter Leistungsbestimmung in der GKV zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich, besteht ein Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs 1 S 1 SGB V.

20

Die Folge der verfassungskonformen Auslegung ist es indes, dass zur Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Schutzpflichten bei neuen Behandlungsmethoden die Einhaltung des Arztvorbehalts (§ 15 SGB V) und die Beachtung der Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich bleiben. Dies gilt auch, wenn es beim Versicherten zu einer notstandsähnlichen behandlungsbedürftigen Situation kommt. Gleichermaßen ist das Bestehen von mehr als bloß ganz entfernt liegenden Aussichten auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch die streitige Therapie nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu beurteilen (vgl näher BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 22 ff mwN - LITT). Dies ändert mithin nichts an der Heranziehung und Maßgeblichkeit allein wissenschaftlicher Maßstäbe zur Beurteilung eines Behandlungserfolgs im Recht der GKV, wie sie sich zB in § 2 Abs 1 S 3 SGB V und auch in § 18 Abs 1 S 1 SGB V niederschlagen und in Sondersituationen evidenzbezogen abgestuft zur Anwendung gelangen können(vgl auch BVerfG Beschluss vom 28.8.2007 - 1 BvR 1617/05 - zur "Kuba-Therapie" bei Retinitis pigmentosa, Verfassungsbeschwerde ua gerichtet gegen den Beschluss des Senats vom 15.6.2005 - B 1 KR 111/04 B - und das Urteil des Bayerischen LSG vom 11.11.2004 - L 4 KR 296/03 -; vgl zum Ganzen BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 29 ff). Ziel der grundrechtsorientierten Auslegung ist es, die Gestaltung des Leistungsrechts der GKV an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art 2 Abs 2 S 1 GG zu stellen.

21

Die aufgezeigte Zielsetzung begrenzt zugleich die Reichweite einer grundrechtsorientierten Auslegung. So reichen rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, hierfür nicht aus (vgl zB BVerfG Beschluss vom 26.2.2013 - 1 BvR 2045/12 - NZS 2013, 500, 501 = NJW 2013, 1664, 1665 = Juris RdNr 15). Es ist auch nicht zulässig, den Rechtsgütern des Art 2 Abs 2 S 1 GG die Schutzmechanismen zu entziehen, die die Rechtsordnung hierfür vorsieht. Das hat der erkennende Senat für Arzneimittel - vom BVerfG bestätigt - entschieden und der Gesetzgeber ist dem ebenfalls gefolgt (vgl zu § 2 Abs 1a SGB V GKV-VStG, BR-Drucks 456/11 S 74; BVerfG Beschluss vom 30.6.2008 - 1 BvR 1665/07 - SozR 4-2500 § 31 Nr 17 im Anschluss an BSG USK 2007-25 - mnesis). In diesem Sinne bleiben für nicht oder nicht in der betreffenden Indikation zugelassene Arzneimittel neben der mit dem neuen § 2 Abs 1a SGB V vorgenommenen leistungsrechtlichen Klarstellung die vom BSG entwickelten Grundsätze zur Leistungspflicht der GKV unberührt, die vom BVerfG nicht beanstandet wurden(vgl ebenda).

22

Eine weitere Begrenzung der sich aus der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V ergebenden Ansprüche auf Methoden, die noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, folgt aus der Mitwirkungsobliegenheit der Behandler. Die aus der grundrechtsorientierten Auslegung und aus § 2 Abs 1a SGB V resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, verlangt unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zugrundeliegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses.

23

Nichts anderes kann gelten für Fälle der Auslandsbehandlung nach einer neuen Methode gemäß § 18 Abs 1 S 1 SGB V, deren grundsätzlicher Anwendbarkeit durch Ärzte im Inland bei hinreichend wissenschaftlicher Fundierung nichts im Wege stünde. Scheitert die Überprüfbarkeit der Methode nach Maßgabe der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten - womöglich als Teil eines Marketingkonzepts des Behandlers im Ausland -, sind derartige Erkenntnismängel nicht durch die grundrechtsorientierte Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zu überwinden. Die auch und gerade dem Patientenschutz dienende, tatsächlich mögliche wissenschaftliche Kontrolle, die innerhalb von EU und EWiR die Regelungen über die Zulassung neuer Behandlungsmethoden prägt, steht bei Auslandskrankenbehandlungen nach § 18 SGB V nicht zur Disposition der ausländischen Leistungserbringer. Die grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V darf nicht dazu dienen, ein Anreizsystem dafür zu schaffen, dass in Deutschland versicherte Patienten Behandlungsleistungen außerhalb von EU und EWiR nur deshalb erhalten, weil sich ihre Anbieter dauerhaft objektiv der tatsächlich möglichen wissenschaftlichen Kontrolle ihrer Leistungen entziehen, insbesondere keine Daten über die Einzelheiten der Behandlung einschließlich ihrer objektivierbaren Folgen veröffentlichen(vgl zur Sicherung des Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs 1 S 3 SGB V durch § 135 Abs 1 SGB V BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 mwN; zu seiner Geltung für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung vgl BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 52; BSG Urteil vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R - RdNr 34 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 137 Nr 2 vorgesehen; zur Geltung des Qualitätsgebots für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen iS von § 107 Abs 2 Nr 2 SGB V vgl BSGE 81, 189, 195 = SozR 3-2500 § 111 Nr 1; BSGE 89, 294, 305 = SozR 3-2500 § 111 Nr 3; Wahl in jurisPK-SGB V, § 111, 2. Aufl, Stand 1.4.2012, RdNr 37 mwN).

24

So liegt es hier. Die Zahl nach der Methode Kozijavkin in der Ukraine behandelter Patienten mit einer Zerebralparese von 10 521 allein im Zeitraum 1991 - 1999, davon 68 % mit Tetraparese (vgl Nachweis im Grundsatzgutachten des MDS vom 8.5.2003, S 43: Kozijavkin/Del Bello, Praktische Paediatrie 2000, Nr 6-8; vgl auch die Zahlen im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. hc von Voß für das Verfahren Sächsisches LSG L 1 KR 1/03, S 12 f) belegt, dass das dortige Patientenvolumen ohne Weiteres geeignet ist, aussagekräftige statistische Daten zu generieren, um den Nutzen der Therapie zu beurteilen. Es ist ebenfalls wissenschaftlich gesichert, dass kontrollierte prospektive klinische Studien mit einem aussagekräftigen Design über die Methode Kozijavkin möglich sind (vgl Grundsatzgutachten des MDS vom 8.5.2003, S 46 bei Fn 6). Zu einer in Aussicht genommenen Wirksamkeitsstudie zur Methode Kozijavkin (vgl Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. hc von Voß für das Verfahren Sächsisches LSG L 1 KR 1/03, S 14) ist es bisher nicht gekommen. Die Behandlungseinrichtungen in Deutschland wären bei wissenschaftlich hinreichend belegter Wirksamkeit und nachgewiesenem Nutzen der Methode nach dem Sinngehalt des Grundsatzgutachtens des MDS ohne Weiteres in der Lage, hiernach zu verfahren. In diesem Falle würde damit aber auch ein wesentlicher Grund für Patienten aus Deutschland entfallen, zwecks Behandlung nach der Methode Kozijavkin in die Ukraine zu reisen.

25

Die Defizite in der wissenschaftlichen Beweisführung für einen Nutzen der Methode Kozijavkin sind seit langem bekannt. Der erkennende Senat stützte schon seine erste Entscheidung zur Methode Kozijavkin darauf, dass diese Methode bisher nicht ausreichend erforscht und eine abschließende Bewertung ihrer Wirksamkeit und ihrer Risiken deshalb nicht möglich ist. Bereits in der ersten Hälfte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts war die Erfolgsrate der umstrittenen Therapie mangels vergleichender Effektivitätsstudien nicht objektivierbar (Prof. Dr. Hanefeld, Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Göttingen, Stellungnahme vom 13.7.1993; Dr. Rosenkötter, Sozialpädiatrisches Zentrum Ludwigsburg). Die Schwierigkeiten bei der Überprüfung und Bewertung wurden damals auch darauf zurückgeführt, dass die Behandlungsmethode eng an die Person von Dr. Kozijavkin gebunden und eine Einweisung ausländischer Ärzte bisher nicht erfolgt sei. Damit fehlte eine unabdingbare Voraussetzung für die Erlangung der wissenschaftlichen Anerkennung, nämlich die Möglichkeit, die Behandlung an anderer Stelle und durch andere Ärzte zu wiederholen und ihre Ergebnisse überprüfbar zu machen (vgl insgesamt BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4).

26

Der kritische wissenschaftliche Umgang ärztlicher Behandler in Deutschland mit der Methode Kozijavkin drückt sich ua auch darin aus, dass sie nicht pauschal alle hierbei aufgeführten Therapieelemente verwenden, sondern lediglich jene Teile, die nach wissenschaftlichen Kriterien für den Patienten einen Nutzen versprechen (vgl die Zusammenstellung der Therapieelemente im Grundsatzgutachten des MDS vom 8.5.2003, S 22 ff). Dementsprechend bejaht etwa die Gesellschaft für Neuropädiatrie in ihrer Stellungnahme zur Methode Kozijavkin den Einsatz therapeutischer Techniken der Manuellen Medizin bei spastischen infantilen Zerebralparesen, allerdings lediglich in nach wissenschaftlichem Standard gesichertem Umfang, welches sie bei der Methode Kozijavkin schon als nicht gewährleistet ansieht. Sie lehnt aber Einzelelemente wie die Apitherapie wegen ihres Risikopotentials ohne gesicherten Nutzen ab (vgl die Wiedergabe im Grundsatzgutachten des MDS vom 8.5.2003, S 58 ff und Stellungnahme des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin Prof. Dr. Straßburg vom 6.4.2011). In Einklang hiermit hat die Methode Kozijavkin in den vergangenen zehn Jahren im Rahmen der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Zerebralparesen in den deutschen Sozialpädiatrischen Zentren keine wesentliche Rolle mehr gespielt (vgl Stellungnahme Prof. Dr. Straßburg vom 6.4.2011).

27

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden.

(2) Versicherte, die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten vor Beginn der Behandlung ihre elektronische Gesundheitskarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Ab dem 1. Januar 2024 kann der Versicherte den Nachweis nach Satz 1 auch durch eine digitale Identität nach § 291 Absatz 8 erbringen.

(3) Für die Inanspruchnahme anderer Leistungen stellt die Krankenkasse den Versicherten Berechtigungsscheine aus, soweit es zweckmäßig ist. Der Berechtigungsschein ist vor der Inanspruchnahme der Leistung dem Leistungserbringer auszuhändigen.

(4) In den Berechtigungsscheinen sind die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 9 und 11, bei befristeter Gültigkeit das Datum des Fristablaufs, aufzunehmen. Weitere Angaben dürfen nicht aufgenommen werden.

(5) In dringenden Fällen kann die elektronische Gesundheitskarte oder der Berechtigungsschein nachgereicht werden.

(6) Jeder Versicherte erhält die elektronische Gesundheitskarte bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei einer Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. Die Krankenkassen haben einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Muß die Karte auf Grund von vom Versicherten verschuldeten Gründen neu ausgestellt werden, kann eine Gebühr von 5 Euro erhoben werden; diese Gebühr ist auch von den nach § 10 Versicherten zu zahlen. Satz 3 gilt entsprechend, wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann und von der Krankenkasse eine zur Überbrückung von Übergangszeiten befristete Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen ausgestellt wird. Die wiederholte Ausstellung einer Bescheinigung nach Satz 4 kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitwirkt; hierauf ist der Versicherte bei der erstmaligen Ausstellung einer Ersatzbescheinigung hinzuweisen. Die Krankenkasse kann die Aushändigung der elektronischen Gesundheitskarte vom Vorliegen der Meldung nach § 10 Abs. 6 abhängig machen.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26.02.2013 und der Bescheid der Beklagten vom 20.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.9.2010 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 06.08.2009 zurückzunehmen und der Klägerin 12.601,79 EUR zu erstatten.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für eine Krebsbehandlung mit autologen dendritischen Zellen.
Die 1958 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, erkrankte im Juni 2009 an einem malignen anorektalen Schleimhautmelanom. Am 05.06.2009 wurde eine operative Exzision des Tumors und am 13.07.2009 durch PD Dr. P. (Gemeinschaftspraxis PD Dr. P. und PD Dr. G. für onkologische, endokrinologische und minimalinvasive Chirurgie, N.-U.) eine transanale Tumornachresektion durchgeführt.
Am 09.07.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten einer Behandlung mit dendritischen Zellen. Sie fügte zudem die Stellungnahme des PD Dr. G. vom 07.07.2009 bei. Darin ist u.a. ausgeführt, die Klägerin leide an einem fortgeschrittenen Melanom des Rektums. Für diese spezielle Melanom-Entität lägen keinerlei Therapieempfehlungen vor. Die Behandlung mit dendritischen Zellen sei als Ultima-Ratio-Therapie indiziert. Bei der Behandlung mit dendritischen Zellen handele es sich um eine individuelle Therapie zur Bekämpfung von Tumorerkrankungen. Aus kompetenten Vorläuferzellen, die aus dem Blut des Patienten gewonnen würden, könnten unter dem Einfluss von Zytokinen und Wachstumsfaktoren dendritische Zellen gezüchtet werden. Nach dem Zurückspritzen der aktivierten dendritischen Zellen in das Unterhautfettgewebe werde das körpereigene Immunsystem des Patienten zur Bildung von spezifischen Immunzellen und Antikörpern gegen den Tumor angeregt. Die Behandlung mit dendritischen Zellen, die in einem Unternehmen in U. (Firma C.) auf höchstem Niveau hergestellt würden, habe sich bereits bei einer nennenswerten Anzahl onkologischer Zentren durchgesetzt und werde von vielen Ärzten zur Behandlung von Tumorerkrankungen angewandt. Sie sei auch (bei moderaten Kosten) vorliegend indiziert, da sie die konventionellen Behandlungsformen ergänze und das körpereigene Immunsystem als weiteren Behandlungspfeiler zur Bekämpfung des Tumors in die Therapie einbeziehe.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg. In der MDK-Stellungnahme vom 24.07.2009 führte Dr. P. aus, die Unterlagen seien nicht ausreichend. Für die Klägerin stehe die leitliniengerechte Melanomtherapie nach den Empfehlungen der wissenschaftlich anerkannten Fachgesellschaften zur Verfügung. Vermutlich seien die vertraglichen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht ausgeschöpft. Durch die Anwendung der beantragten Maßnahme bestehe keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Mit Bescheid vom 06.08.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten einer Behandlung mit dendritischen Zellen ab. Diese Behandlungsmethode gehöre nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs legte die Klägerin (u.a.) eine Stellungnahme PD Dr. P. vom 09.09.2009 vor. Darin ist ausgeführt, alle erfolgversprechenden konventionellen Behandlungsmethoden seien angewendet worden und würden auch weiter angewendet. Die Therapie mit dendritischen Zellen sei aus ärztlicher Sicht zwingend erforderlich. Unter der Kombinationstherapie mit dendritischen Zellen sei es bei vielen Patienten zu einem sehr erfreulichen Verlauf der schweren Krebserkrankung gekommen. Vergleichbare Therapien mit Behandlungserfolgen dieser Art gebe es nicht. Seit einer negativen Empfehlung des MDK aus dem Jahr 2000 sei eine Vielzahl weiterer Studien veröffentlicht worden. Die Annahme, bei der Therapie mit dendritischen Zellen komme es zu weitreichenden Nebenwirkungen und einer Verschlechterung der Lebensqualität, sei danach nicht zutreffend. Die Kosten der Therapie (ca. 4.100 EUR) seien erheblich niedriger als die Kosten einer Chemotherapie.
Vorgelegt wurde weiter der Bericht des Comprehensive Cancer Center des Universitätsklinikums U. vom 20.08.2009, in dem darauf hingewiesen wurde, dass im Tumor der Klägerin eine bisher nicht beschriebene c-kit-Mutation gefunden worden sei, und als Weiterbehandlungsmaßnahme eine adjuvante Therapie mit Interferon alpha in niedriger Dosierung empfohlen wurde.
Die Beklagte befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten vom 05.10.2009 führte der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, internistische Onkologie, medikamentöse Tumortherapie und Palliativmedizin Dr. G. aus, die Klägerin leide an einem kurativ operierten akral-lentiginösen malignen Melanom des anorektalen Übergangs. Hier sei eine den einschlägigen Leitlinien entsprechende Behandlung mit Interferon alpha in niedriger Dosierung vorgeschlagen worden. Eine akut lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung liege nicht vor. Ohne Anwendung der beantragten Behandlung trete in wenigen Wochen keine schwere irreversible Schädigung ein. Für die Klägerin stehe als vertragsärztliche Behandlungsmöglichkeit die Therapie mit Interferon alpha zur Verfügung. Die vertragsärztlichen Behandlungsmöglichkeiten seien vermutlich nicht ausgeschöpft. Ob die vorgeschlagene Interferontherapie durchgeführt worden sei, gehe aus den Unterlagen nicht hervor. Durch die Behandlung mit dendritischen Zellen bestehe keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Nachdem die Klägerin ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten am 06.10.2009 (telefonisch) mitgeteilt haben soll, die Interferon-Behandlung werde seit 2 Wochen durchgeführt und solle noch 18 Monate andauern, bat die Beklagte den MDK erneut um Stellungnahme. Im MDK-Gutachten vom 08.10.2009 führte Dr. G. (ergänzend) aus, bei der Klägerin liege ein lokal begrenztes, kurativ operiertes akral-lentiginöses malignes Melanom des anorektalen Übergangs vor. Ca. 90 % aller malignen Melanome würden derzeit als Primärtumor ohne erkennbare Metastasierung diagnostiziert. Die Anwendung tumor-antigen-präsentierender dendritischer Zellen sei nach der gegenwärtig vorliegenden Literatur zunächst beim malignen Melanom und hellzelligem Nierenkarzinom im Blickpunkt des Interesses. Sie sei allerdings nicht über das experimentelle Stadium hinausgekommen und keineswegs als Standard etabliert. Die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift „Der Onkologe“ (Organ der Deutschen Krebsgesellschaft) von August 2009 behandele als Hauptthema das Melanom. Danach habe die Anwendung von Interferon alpha in niedriger Dosierung über 18 Monate in den Stadien II - III in prospektiv-randomisierten Studien zu einem signifikanten Vorteil für die Patienten geführt. Die Behandlung mit niedrig-dosiertem Interferon alpha über 18 Monate hinaus solle jedoch nicht empfohlen werden.
10 
Bislang habe keine größere kontrollierte Studie beweisen können, dass das rezidivfreie Intervall oder die Gesamtüberlebenszeit durch eine adjuvante Vakzinierung (Einsatz dendritischer Zellen) habe verlängert werden können; die Vakzinierung stelle immer noch eine experimentelle Therapie dar. Der Einsatz dendritischer Zellen als Adjuvanz oder Maßnahme nach Interferon alpha finde in der genannten Veröffentlichung keinen Niederschlag. Auch in der zuletzt im September 2007 überarbeiteten AWMF-Leitlinie „Malignes Melanom der Haut“ fänden sich keine Hinweise auf eine adjuvante Therapie mit dendritischen Zellen im kurativ operierten Stadium. Vielmehr werde ausdrücklich auf die Immuntherapie mit Interferon alpha hingewiesen, das als einzige Substanz in prospektiv-randomisierten Studien zu einem signifikanten Vorteil geführt habe. Eine kombinierte Behandlung mit Interferon alpha und dendritischen Zellen werde nicht erwähnt. Die Deutsche Leitlinie Malignes Melanom vom Februar 2005 beschreibe für das nicht-metastasierte Stadium nur therapeutische und immunologische Ansätze und stelle wiederum klar, dass eine chemotherapeutische Modalität keinen Vorteil biete. Eine explizite Empfehlung zum Einsatz dendritischer Zellen im adjuvanten Setting finde sich in den Leitlinien nicht. Über Phase-I-Studien hinaus gebe es keine belastbaren Daten; das Verfahren habe auch keinen Eingang in die klinische Routine gefunden. Außerdem würden bei der Herstellung dendritischer Zellen äußerst verschiedene Methoden angewandt; ein qualitätsgesichertes standardisiertes Verfahren sei nicht konsentiert. Eine Therapie mit dendritischen Zellen parallel oder sequentiell zu Interferon alpha sei in der Leitlinie nicht erwähnt. Hier habe eine prospektiv randomisierte doppelblind angelegte wissenschaftliche Prüfung mit harten klinischen Eckpunkten nicht stattgefunden. Aufzufinden seien später durchgeführte Arbeiten vor allem bei metastasierten Patienten, bei denen jedoch insgesamt keine schlüssigen konsistenten Ergebnisse hinsichtlich einer weiteren Untersuchung der Anwendung von autologen dendritischen Zellen beim malignen Melanom abgeleitet werden könnten. Auch insoweit handele es sich lediglich um Phase-I-Studien, aus denen zudem hervorgehe, dass die Art und Weise der Präparation dendritischer Zellen weiterhin sehr heterogen sei. Auch in den USA seien offenbar Phase-I/II-Studien anhängig, allerdings existierten keine Publikationen, die eine belastbare Grundlage für eine Anwendung der dendritischen Zellen beim Menschen nahelegten.
11 
Zusammenfassend könne man feststellen, dass auch nach der neuesten Literatur kein hinreichender Wirksamkeitsnachweis für die in Rede stehende Behandlungsmethode insbesondere als adjuvante Therapie vorliege. Es gebe (nur) präliminäre erste klinische Versuche, die eine hinreichende Sicherheit oder gar einen Nutzen hinsichtlich der Anwendung bei der Tumorentität der Klägerin nicht geben könnten. Darüber hinaus bestehe insbesondere keine Evidenz hinsichtlich eines Benefits für den Patienten insoweit, als eine Überlegenheit gegenüber oder gar ein Effekt nach und zusätzlich zur Standardtherapie mit Interferon alpha nachgewiesen wäre. Eine Prüfung habe hier nicht stattgefunden, weil die Entwicklung noch nicht soweit gediehen sei. In der Richtlinie Methoden der vertragsärztlichen Versorgung (MvV-Richtlinie) sei die Behandlung mit dendritischen Zellen ebenfalls nicht erwähnt. Die Übernahme der Kosten für autologe dendritische Zellen komme schließlich auch deshalb nicht in Betracht, weil diese gewerblich, nicht apothekenmäßig hergestellt würden und eine arzneimittelrechtliche Zulassung hierfür nicht vorliege. Eine akut lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung liege bei der Klägerin nicht vor. Die Wirksamkeit der durchgeführten Therapie mit Interferon alpha lasse sich zunächst im definierten Therapieintervall von 18 Monaten feststellen. Danach solle die leitliniengerechte Nachsorge mit regelmäßigen Kontrollen erfolgen. Die medizinische Versorgung der Klägerin sei nach gegenwärtigem Stand der Wissenschaft durch die laufende Therapie mit Interferon alpha ausreichend sichergestellt. Eine Behandlung mit dendritischen Zellen sei keine wissenschaftlich geprüfte Methode zur Behandlung neben der laufenden Interferontherapie.
12 
Die Klägerin soll nach einem Aktenvermerk der Beklagten (vgl. Bl. 67 Verw.-Akten) am 08.10.2009 bei der Beklagten angerufen haben, sie sei mit einer Ablehnung nicht einverstanden, habe wegen ihrer angeschlagenen Gesundheit aber nicht die Kraft, weitere Schritte zu unternehmen; der Vermerk schließt mit der Bemerkung, der Widerspruch habe sich damit erledigt.
13 
Unter dem 12.02.2010 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten für eine Therapie mit dendritischen Zellen. Sie legte die Stellungnahme des PD Dr. G. vom 09.02.2010 vor. Darin ist ausgeführt, die Klägerin werde seit Juni 2009 wegen eines lokal fortgeschrittenen malignen Melanoms behandelt. Nach durchgeführter Operation sei eine Immuntherapie mit autologen dendritischen Zellen vorgenommen worden. Dadurch habe ein Rezidiv verhindert werden können. Wegen des offensichtlichen Erfolges der Therapie könne die Kostenübernahme nicht weiter abgelehnt werden. Insbesondere in den letzten Jahren sei der Einsatz dendritischer Zellen bei verschiedenen malignen Erkrankungen in zahlreichen Studien erprobt worden. Zu diesem Thema gebe es über 6000 wissenschaftliche Publikationen. Die Zulassung der Therapie durch die zuständige Behörde der USA stehe unmittelbar bevor.
14 
Die Beklagte befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten vom 12.05.2010 führte Dr. B. aus, bei der Klägerin stehe für die adjuvante - nicht einmal die kurative - Situation ein zugelassenes und verkehrsfähiges Arzneimittel (Interferon alpha) zur Verfügung. Ob diese Therapie durchgeführt worden sei, könne den vorliegenden Berichten nicht eindeutig entnommen werden. Für die Herstellung von dendritischen Zellen gebe es eine Vielzahl von Verfahren, die sich nicht unerheblich voneinander unterschieden. Außerdem müsse man bei immunologischen Ansätzen in der Onkologie nach den einzelnen Tumoren unterscheiden, wobei hier vor allem das Melanom und das Nierenzellkarzinom von Interesse seien. Nach wie vor lägen keine prospektiven randomisierten kontrollierten Studien mit dendritischen Zellvakzinen vor. Die in Rede stehende Behandlung könne nicht als erprobt angesehen werden. Außerdem liege die notwendige arzneimittelrechtliche Zulassung für die Herstellung dendritischer Zellen nicht vor. Auch sei nicht nachgewiesen, dass es nicht zu gefährlichen Toleranzinduktionen komme.
15 
Derzeit könne man nicht erkennen, ob die dendritischen Zellen auf rechtmäßige Weise hergestellt würden. Nach Auffassung des Regierungspräsidiums T. (Leitstelle Arzneimittelüberwachung) liege hier ein arzneimittelrechtlich nicht mehr zulässiges Inverkehrbringen dendritischer Zellen durch die Firma C. vor, bei der PD Dr. G. die Zellen offenbar herstellen lassen wolle. Die Firma C. verfüge nicht über eine entsprechende Herstellungsgenehmigung und dürfe die Zellen daher nicht an den behandelnden Arzt weitergeben. Die von PD Dr. G. angeführte Zulassung in den USA beziehe sich auf die Herstellung dendritischer Zellen zur Behandlung des Prostatakarzinoms und nicht des Melanoms. Die übliche und ausreichende Therapie für die Klägerin wäre die niedrig dosierte Anwendung von Interferon mit einer engmaschigen Überwachung.
16 
Mit Bescheid vom 20.05.2010 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin unter Hinweis auf das MDK-Gutachten vom 12.05.2010 erneut ab.
17 
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, sie leide unter einer absoluten Sonderform des Melanoms mit äußerst schlechter Prognose. Deshalb sei die Behandlung mit dendritischen Zellen indiziert. Diese Therapie sei vor etwa einem Jahr eingeleitet worden und sie sei seitdem rezidivfrei. Die Behandlung mit Interferon alpha sei nicht ausreichend. Die Krankenkassen hätten die Kosten einer Behandlung mit dendritischen Zellen auch in Einzelfällen übernommen. Hinsichtlich der Herstellung der dendritischen Zellen durch PD Dr. G. seien die Übergangsregelungen in § 144 Abs. 7 Arzneimittelgesetz (AMG) einschlägig
18 
Die Klägerin legte Rechnungen der Firma C. über die Herstellung dendritischer Zellen vom 16.07.2009 und 22.02.2010 (Kosten 4.078,11 EUR bzw. 4.261,84 EUR) vor. Als Herstellungszeitpunkt ist der 07.07.2009 bzw. der 09.02.2010 angegeben.
19 
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Behandlung mit autologischen dendritischen Zellen handele es sich um eine unkonventionelle Methode, für die der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Empfehlung ausgesprochen habe. Die Behandlungskosten könnten daher grundsätzlich nicht übernommen werden. Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) seien nicht erfüllt. Nach Auffassung des MDK liege eine akut lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung nicht vor. Außerdem stehe mit der Interferon-Behandlung im definierten Therapieintervall eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode zur Verfügung.
20 
Am 29.10.2010 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Ulm. Sie trug vor, sie leide an einer fortgeschrittenen Sonderform eines Melanoms mit äußerst schlechter Prognose. Nach Ansicht ihres behandelnden Arztes stünden hierfür konventionelle Behandlungsmethoden nicht ausreichend zur Verfügung, weshalb ihr die Therapie mit autologen dendritischen Zellvakzinen empfohlen worden sei. Diese sei als ultima ratio indiziert gewesen, um das Rezidivrisiko bzw. die Metastasenbildung auszuschließen oder zu verringern. Sie habe sich für die genannte Therapie entschieden und begehre nunmehr die Erstattung der hierfür entstandenen Kosten. Eine echte Behandlungsalternative gebe es für die Sonderform ihrer Krebserkrankung nicht; das gelte auch für die vom MDK angeführte Interferon-Behandlung. Diese sei allenfalls bei einem bereits metastasierenden Melanom als medizinischer Standard etabliert. Mit der seit 2009 durchgeführten Behandlung mit dendritischen Zellen habe bei ihr ein Rezidiv verhindert werden können. Das stelle einen erheblichen Therapieerfolg dar und rechtfertige die Anwendung der in Rede stehenden Behandlungsmethode.
21 
Die Klägerin legte eine Übersicht über die durchgeführte Behandlung mit dendritischen Zellen vor:
22 
Juni 2009
erste und zweite Immunisierung in der Praxis PD Dr. G.
16.02.2010
erste Immunisierung in der Praxis PD Dr. G.
15.03.2010
zweite Immunisierung in der Praxis PD Dr. G.
28.09.2010
erste Immunisierung in der Praxis PD Dr. G.
28.10.2010
zweite Immunisierung in der Praxis PD Dr. G.
23 
Die Rechnung der Firma C. vom 16.12.2010 (4.261,84 EUR; Herstellungszeitpunkt der dendritischen Zellen 21.09.2010), sei noch nicht beglichen.
24 
Das Sozialgericht erhob das Gutachten des Prof. Dr. K. (Hautklinik der Universitätsklinik E.) vom 02.03.2012.
25 
Der Gutachter führte aus, bei der Klägerin liege kein akral-lentiginöses Melanom, sondern ein Schleimhautmelanom vor; insoweit sei es bei den Vorgutachten offenbar zu einer Verwechslung gekommen. Schleimhautmelanome stellten eine seltene Untergruppe des Melanoms dar und träten mit 50- bis 100-mal geringerer Inzidenz auf. Sie hätten im Vergleich zu den häufigeren kutanen Melanomen (der Haut) eine wesentlich schlechtere Prognose mit 5-Jahres-Überlebensraten zwischen 10% und 20%. Die mittlere Überlebenszeit liege bei 10 bis 13 Monaten. Sie werde weder durch den Umfang der lokalen chirurgischen Therapie noch durch eine elektive Lymphknotenausräumung signifikant verbessert, da es rasch zu Fernmetastasen komme.
26 
Eine zugelassene wirksame adjuvante Therapie zur Verhinderung einer Fernmetastasierung beim Schleimhautmelanom gebe es bisher nicht, was auch daran liege, dass Patienten mit Schleimhautmelanomen wegen ihrer besonders schlechten Prognose von Studien, auch von allen Interferon-Studien, ausgeschlossen würden. Mangels Alternativen würden sie in verschiedenen Zentren mit Interferonen oder Chemotherapie adjuvant behandelt. Die Erfahrungen seien aber unbefriedigend und würden nur anekdotenhaft in Übersichtsarbeiten erwähnt. In der Literatur finde sich keine einzige Publikation, die über eine wirksame adjuvante Therapie beim Schleimhautmelanom berichte. Angesichts der Seltenheit der Erkrankung sei auch nicht zu erwarten, dass es je große randomisierte Studien geben werde, die die für die Zulassung eines Medikaments erforderlichen statistisch belastbaren Daten liefern könnten. Die Wirksamkeit der Interferontherapie beim kutanen Melanom sei insgesamt gering; weniger als 10% der Patienten hätten davon einen Nutzen. Bei anstehenden Studien sei das Schleimhautmelanom aber wiederum ausgeschlossen.
27 
Er habe Publikationen zum Einsatz dendritischer Zellen gesichtet. Mehr als 300 Publikationen berichteten über die Anwendung dendritischer Zellen beim Menschen; die Gesamtzahl der Patienten betrage 3.400. Das Spektrum der bisher behandelten Tumorentitäten umfasse neben den dominierenden Melanomen, Hypernephrome und Prostatakarzinome sowie (in 113 Fällen) Mamma-Karzinome. Die Anzahl der Studien werde vom Melanom mit 74 Studien angeführt. In der großen Mehrheit handele es sich um Phase-I/II-Studien mit in der Regel bis zu 30 Patienten. In 2 Studien würden Daten aus randomisierten Phase-III-Studien vorgestellt. Derzeit gebe es keinen allgemeinen Standard zur Generierung und Applizierung dendritischer Zellen. Auch die Beladung der Zellen mit Tumorantigenen und die pro Impfung eingesetzte Menge dendritischer Zellen sei heterogen. Dennoch werde in fast allen Studien und in allen Tumorentitäten von einem klinischen Ansprechen bei einem Teil der Patienten berichtet. Die Patienten hätten mit wenigen Ausnahmen schulmedizinische Therapien absolviert und seien weiter progredient gewesen, so dass das Ansprechen auf dendritische Zellen nicht auf die Auswahl von Patienten mit von sich aus langsamerem Krankheitsverlauf zurückzuführen sei.
28 
Die beiden randomisierten Studien beträfen das Prostatakarzinom. Am 29.04.2010 sei nach Abschluss einer weiteren klinischen Phase-III-Studie das erste dendritische Zellvakzin als Arzneimittel in den USA zugelassen worden. Die (als Übersicht zusammengestellten 46) Studien für die Tumorentität Melanom ergäben Ansprechraten von wenigen % bis 30%. In 14 der 46 Studien werde über komplette Remissionen, die auch andere Tumorentitäten beträfen (Nierenzellkarzinom, Lymphom) berichtet. Die Nebenwirkungen der Behandlung mit dendritischen Zellen seien mild (u.a. Grippesymptome, Übelkeit, Hautreaktionen). Über Todesfälle werde nicht berichtet und es würden nur wenige WHO Grad III-IV Reaktionen festgestellt. Die Sinnhaftigkeit der Aktivierung des Immunsystems zur Behandlung des Melanoms sei kürzlich durch eine randomisierte Studie eindrucksvoll belegt worden, allerdings mit sehr hoher Nebenwirkungsrate (2 bis 3 Todesfälle). Für diese Studie seien auch Patienten mit metastasierendem Schleimhaut- und Aderhautmelanom zugelassen worden. Allerdings fänden sich in der Publikation keine Aussagen zur Wirksamkeit in diesen seltenen Untergruppen.
29 
Nach derzeitigem Kenntnisstand würden über 90% der Patienten mit einem Schleimhautmelanom innerhalb von 5 Jahren versterben, auch beim Einsatz zugelassener Standards einer adjuvanten Therapie. Im Fall der Klägerin wäre sogar eine Hochdosis-Interferontherapie mit Kosten von 30.000 EUR bis 40.000 EUR von der Beklagten finanziert worden, obwohl die seltene Untergruppe (Schleimhautmelanom) in allen Interferonstudien ausgeschlossen gewesen sei. Beim Auftreten von Metastasen wäre sodann auch eine Therapie mit Yervoy mit Kosten um 100.000 EUR gewährt worden, die bei maximal 10% der Patienten einen längeren Nutzen, aber bei 30 % der Patienten schwere und zusätzlich kostenträchtige Nebenwirkungen verursache. Die bei der Klägerin abgelehnte kostengünstige Immuntherapie mit patienteneigenen dendritischen Zellen habe ein viel höheres Potential im Gegensatz zu den unspezifischen Immuntherapien mit Interferon oder letztendlich mit Yervoy, spezifische Immunantworten gegen relevante Antigene, wie gegen die bei der Klägerin festgestellte Mutation im cKIT-Rezeptor hervorzurufen. Nur solche Immunantworten gegen individuelle Mutationen seien stark genug, alle Tumorzellen eines Patienten zu vernichten. Deswegen habe auch der Entdecker der dendritischen Zellen 2011 den Nobelpreis erhalten.
30 
Auch wenn bei der Klägerin wegen des malignen Schleimhautmelanoms keine akute Lebensgefahr bestehe, handele es sich bei der Erkrankung doch um eine regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit mit äußerst schlechter Prognose. Die angewandten Therapien entsprächen den Leitlinien und publizierten Erfahrungen. Die Klägerin habe sodann im Laufe eines Jahres 6 Vakzinierungen mit dendritischen Zellen erhalten, die von der Firma C. aus Vorläuferzellen ihres Blutes gezüchtet worden seien. Gesicherte Standards für die Herstellung und Applikation dendritischer Zellen gebe es noch nicht. Allerdings habe es sich bei der hier angewandten Herstellungsmethode um ein übliches Vorgehen gehandelt. Abgesehen von der Chirurgie, bei der die Exzision des Tumors mit einem Sicherheitsabstand angestrebt werde, gebe es beim Schleimhautmelanom keine weitere konservative Therapie. Hier liege de facto ein Systemmangel vor, weshalb nach der Rechtsprechung des BVerfG zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs die Voraussetzungen für die Finanzierung auch unkonventioneller Behandlungsmethoden erfüllt seien. Bei der Klägerin wäre die Überlebensprognose weder durch eine größere lokale Operation noch durch eine diagnostische oder elektive Lymphknotenexstirpation/-dissektion verbessert worden. Auch für eine Wirksamkeit der im Tumorboard des Comprehensive Cancer Center U. vorgeschlagenen Interferontherapie fehle beim Schleimhautmelanom jeglicher Anhalt. Auf Basis der publizierten Erfahrungen und des Ausschlusses von Schleimhautmelanomen bei allen bisherigen Interferonstudien müsse davon ausgegangen werden, dass eine Interferontherapie der Klägerin keinen Nutzen gebracht hätte.
31 
Die Beklagte legte das Gutachten des MDK N. (Kompetenz Zentrum Onkologie, Dr. W., Prof. Dr. H.) vom 16.07.2012 vor. Darin ist ausgeführt, beim anorektalen Melanom handele es sich um eine seltene Erkrankung. Die operative Entfernung des Melanoms gelte derzeit als Therapie der Wahl. Chemotherapie, Immuntherapie und Strahlentherapie würden bei Patienten mit anorektalen Melanomen in neoadjuvanter, adjuvanter und palliativer Intention eingesetzt. Für die Immuntherapie stünden Zytokine und Interferon alpha 2b oder Interleukin zur Verfügung. Wegen der kleinen Fallzahlen gebe es keine Standardtherapieprotokolle und entsprechend liege keine Evidenz bei der Evaluierung der Ansprechraten vor. Genauso wenig Evidenz bestehe bisher für den Stellenwert der Strahlentherapie. Nach einer Phase-II-Studie in den USA habe man angenommen, dass Chemotherapie als adjuvante Therapie bei Schleimhautmelanomen im Vergleich zu Interferon oder der Beobachtung rezidivfreies Überleben und Gesamtüberleben signifikant verbessere. Die Studie zeige aber auch, dass durch Gabe von Interferon im Vergleich zum Verzicht auf eine adjuvante medikamentöse Tumortherapie eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeit erreicht werde (von 21 auf 41 Monate im Median). Die vermutete Wirksamkeit von Interferon auch beim Schleimhautmelanom habe somit bestätigt werden können.
32 
Wie von Prof. Dr. K. ausgeführt, gebe es keine zugelassene adjuvante Therapie zur Verhinderung von Fernmetastasen beim anorektalen Melanom. Interferon alpha 2a sei zur Therapie des malignen Melanoms des AJCC Stadiums II bei Patienten, die nach einer Tumorresektion krankheitsfrei seien, zugelassen. Interferon alpha 2b sei zur adjuvanten Therapie von Melanompatienten, die nach chirurgischem Eingriff tumorfrei, aber in hohem Maße rezidivgefährdet seien, zugelassen. Eine Unterscheidung zwischen kutanen Melanomen (der Haut) und Melanomen anderer, auch anorektaler Lokalisation sei der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht zu entnehmen. Auf der anderen Seite seien anorektale bzw. allgemein Schleimhautmelanome in großen Phase-III-Studien entweder nicht explizit erwähnt, nicht eingeschlossen oder von diesen Studien sogar ausgeschlossen worden. Obwohl die Daten keinen so deutlichen Überlebensvorteil wie bei anderen Tumorentitäten zeigten, sei gültige Lehrmeinung, dass Patienten mit malignen Melanomen im AJCC-Stadium II B/C und III - C eine adjuvante Interferontherapie unter sorgfältiger Abwägung und Aufklärung angeboten werden sollte. Das bedeute, dass grundsätzlich eine Standardtherapie zur adjuvanten Therapie des malignen Melanoms zur Verfügung stehe; das sei die zugelassene Interferontherapie. Andere Standardtherapien gebe es nicht. Eine adjuvante Vakzinationstherapie (durch dendritische Zellen) werde hingegen nach der - allerdings erst in der Konsultationsfassung vorliegenden - interdisziplinären S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“ der Deutschen Krebsgesellschaft wie auch in allen vorherigen Versionen der Leitlinie nicht empfohlen.
33 
Hinsichtlich der adjuvanten Therapie anorektaler Melanome gebe es nahezu keine gesicherten Erkenntnisse. In der Literatur fänden sich deutliche Hinweise darauf, dass Patienten mit anorektalem Melanom regelhaft in Analogie zum kutanen Melanom behandelt würden, wie es in der Onkologie auch bei anderen seltenen Tumorentitäten gehandhabt werde. Zusammenfassend sei die (der Klägerin erteilte) Therapieempfehlung der Tumorkonferenz der Universitätsklinik U. sachgerecht, wenn diese aufgrund der Seltenheit von Schleimhautmelanomen ein Vorgehen analog der Hautmelanome empfehle. Der abweichenden Auffassung von Prof. Dr. K. müsse entgegengehalten werden, dass für die spezielle Situation der adjuvanten Therapie des anorektalen Melanoms kein anderer Therapieansatz, insbesondere auch nicht der Einsatz dendritischer Zellen, begründet werden könne und kein Anhalt dafür bestehe, dass es sich bei schleimhautassoziierten Melanomen um eine tumorbiologisch grundsätzlich von kutanen Melanomen distinkte Entität handele, so dass die Therapie mit Interferon in Analogie zur Therapie kutaner Melanome der gegenwärtig besten externen wissenschaftlichen Evidenz zur Entscheidungsfindung und damit auch dem Therapiestandard (§ 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) entspreche.
34 
Die Anwendung dendritischer Zellen bei malignen Erkrankungen sei ein interessanter Therapieansatz. Deswegen gebe es hierzu auch viel Literatur, wenngleich ausgesprochen wenige Phase-III-Studien. Die Studienergebnisse zu dendritischen Zellen seien aufgrund der unzähligen verschiedenen Methoden schwer vergleichbar. Die allermeisten Studien hätten keine überzeugenden Ergebnisse liefern können. Die jetzt erforderliche Konsolidierung des Forschungsgebiets durch methodisch hochwertige vergleichende Studien sei aufgrund des erforderlichen Aufwands notwendigerweise mit einer Reduktion der Publikationsfrequenz verbunden; die Ära der kleinen, nicht kontrollierten Phase-I-Studien sei beendet. Der Nachweis klinischen Nutzens im Sinne einer positiven Einwirkung auf patientenorientierte Eckpunkte (wie Verlängerung der Überlebenszeit) sei bisher nicht bzw. nur in hier nicht einschlägigen Konstellationen erbracht worden. Die hierfür, auch von Prof. Dr. K., als Beleg für eine Wirksamkeit dendritischer Zellen angeführte Studie von Schadendorf sei kritisch kommentiert werden. Sie habe 98 Patienten mit malignen Melanomen in dem Stadium IV randomisiert, die mittels Standardchemotherapie oder mit Vakzinierung unter Verwendung von mit autologen Peptiden beladener dendritischer Zellen behandelt worden seien. Die Studie sei statistisch nur darauf ausgelegt gewesen, eine mögliche Überlegenheit der experimentellen Therapie (dendritische Zellen) zu zeigen. Ein Unterschied habe jedoch nicht herausgearbeitet werden können. Das mediane Überleben sei in beiden Gruppen nicht unterschiedlich ausgefallen. Die primären Endpunkte der Studie seien damit verfehlt worden. Es handele sich um eine hinsichtlich des Wirksamkeitsnachweises der Prüf-Intervention negative Studie. Die einzige auf Basis dieser Studie zulässig gesicherte Aussage sei, dass eine gegenüber DTIC bessere Wirkung hinsichtlich des Tumoransprechens und des Überlebens nicht nachgewiesen sei. Außerdem hätten an der Studie Patienten mit manifest metastasierten malignen Melanomen teilgenommen, also mit gegenwärtig makroskopischer Krankheitslast. Das sei von der adjuvanten Situation mit nur mikroskopischer Resterkrankung gerade bei immunologischen Ansätzen fundamental verschieden. Die Studie sei für die Situation der Klägerin daher nicht einschlägig. Eine andere von Prof. Dr. K. angeführte Studie betreffe Patienten mit Prostatakarzinomen. Das eingesetzte Antigen könne nur bei dieser Erkrankung wirksam sein. Eine Aussage für die Krebserkrankung der Klägerin sei daraus nicht zu gewinnen.
35 
Derzeit gebe es (im Hinblick auf den gegenwärtigen Forschungsstand) keinen allgemeinen Standard, wie dendritische Zellen generiert und appliziert würden. Welche Methode in der Praxis des PD Dr. G. angewandt werde, bleibe bewusst vage. Autologes patienteneigenes Tumorantigen könne bei der Klägerin jedenfalls nicht angewandt worden sein, weil der Tumor primär R0-reseziert worden sei und damit also bei der späteren Nachresektion am 13.07.2009 kein patienteneigenes Tumormaterial habe gewonnen werden können, das möglicherweise zur Beladung dendritischer Zellen nutzbar gewesen wäre.
36 
Mit der Herstellung der dendritischen Zellen ohne entsprechende Genehmigung verstoße die Firma C. gegen das Arzneimittelgesetz. Ein rechtswidrig hergestelltes Arzneimittel könne aber nicht Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkasse sein. PD Dr. G. halte 80 % der Kapitalanteile an der Firma C.. Hierüber sei die Klägerin offenbar nicht informiert worden. Insgesamt gebe es sehr vielfältige Möglichkeiten, dendritische Zellen zu veranlassen, immunologische Antworten des Organismus zur Bekämpfung von Tumorzellen in Gang zu setzen. Der Begriff dendritische Zelltherapie habe keinen spezifischen Inhalt; ohne nähere Erläuterung könne über das Therapieverfahren so keinerlei Aussage gemacht werden. Ferner sei eine Einordnung bezüglich belastbarer klinischer Daten aus Phase-III-Studien mit Belegen der Wirksamkeit der Therapie sowie valider Sicherheitsdaten zu fordern. Die vagen Angaben im Antrag der Klägerin seien so nicht prüffähig, insgesamt weit entfernt von einem konkreten Behandlungsplan und entbehrten jeden Hinweises auf vorherige wissenschaftliche Evaluation der konkret durchgeführten Therapie. Auch dem Gutachten des Prof. Dr. K. sei hierzu nichts Näheres zu entnehmen.
37 
Entgegen der Auffassung des Prof. Dr. K. habe man keine belastbaren wissenschaftlichen Studien gefunden, die einen Nutzen einer adjuvanten Therapie mit dendritischen Zellen bei malignen Melanomen belegten. Hier wäre ein Vergleich im Rahmen einer Phase-III-Studie zum zugelassenen und etablierten Standardmedikament Interferon zu fordern. Lediglich drei der von Prof. Dr. K. angeführten 46 Studien hätten die adjuvante Situation beim malignen Melanom betrachtet. Bezüglich dieser seien keine Effektivitätsdaten in der Tabelle berichtet. Auch die Nebenwirkungen seien angesichts des nicht nachgewiesenen Nutzens im Hinblick auf die angegebene Grad-III/IV-Toxizität ethisch nicht vertretbar.
38 
Letztendlich sei rein spekulativ, ob die dendritische Zelltherapie hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei Melanomen gegenüber den in der adjuvanten Situation belegten unspezifischen Immuntherapien, wie Interferon, geeigneter sei. Dafür gebe es, wie eingehend dargelegt, keine Daten. Dass die dendritische Zelltherapie ein geeigneter Einsatz sei, habe bislang nur für Prostatakarzinome, nicht jedoch für andere Tumorerkrankungen belegt werden können. Der Ansatz bei Prostatakarzinomen sei absolut prostataspezifisch und könne auf andere Tumore nicht übertragen werden.
39 
Bei der Klägerin liege eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung vor. Inwieweit die adjuvante Situation nach vollständiger Entfernung allen klinisch erkennbaren Tumors im Zustand der Heilungsbewährung die Definition der lebensbedrohlichen Erkrankung noch erfülle, sei fraglich. Regelmäßig tödlich verlaufend sei die Erkrankung in diesem Stadium nach dieser Behandlung jedenfalls nicht. Die operative Therapie sei leitliniengerecht erfolgt. Die anschließend vorgenommene Vakzinierung mit dendritischen Zellen sei jedoch hoch experimentell und aus den dargelegten Gründen abzulehnen. Die Erkrankung der Klägerin solle in Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin in Analogie zur adjuvanten Behandlung des kutanen malignen Melanoms therapiert werden. Somit sei die Gabe von Interferon leitliniengerecht und arzneimittelrechtlich zugelassen. Dass dies gängige Praxis bei nicht-kutanen Melanomen und dort auch erfolgreich sei, könne der Literatur entnommen werden. Dies sei auch gleichzeitig die allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Das gälte auch dann, wenn die Konferenz der Uniklinik U. der Klägerin empfohlen hätte, eine adjuvante Therapie sei nicht erforderlich. Allgemeinem medizinischem Standard entsprechend könne auch das Unterlassen einer spezifischen Therapie sein. Auch dann müsste die Überlegenheit alternativer Ansätze nachgewiesen werden. Ein Systemmangel liege nur dann vor, wenn es eine etablierte, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Therapie gäbe, die aufgrund vorwerfbarer verzögerter Anerkennung durch die zuständigen Gremien den Versicherten vorenthalten würde; das sei hier nicht der Fall. Bei der Klägerin sei die adjuvante Therapie mit Interferon die geeignete, zumutbare und dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Therapie der ersten Wahl. Der Einwand mangelnden Nutzens sei durch die neuere Literatur entkräftet. Die von der Klägerin nicht gewünschte Entfernung von Wächterlymphknoten wäre nicht nur diagnostisch, sondern auch therapeutisch indiziert gewesen. Es sei nicht erkennbar, dass dies mit nicht vertretbaren Risiken behaftet gewesen wäre. Die Klägerin sei insgesamt nicht austherapiert gewesen. Vielmehr habe eine leitliniengerechte Behandlung zur Verfügung gestanden.
40 
Nachdem die Klägerin abschließend zu den vorliegenden Gutachten Stellung genommen und in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 26.02.2013 erklärt hatte, alle Rechnungen der Firma C. über die Herstellung dendritischer Zellen bezahlt zu haben, wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 26.02.2013 ab.
41 
Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, hinsichtlich der Rechnung der Firma C. vom 07.07.2009 sei ein Überprüfungsantrag gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Streitgegenstand. Der (allein in Betracht kommende) Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V setze voraus, dass der Versicherte vor der Beschaffung der Leistung die Entscheidung der Krankenkasse über sein Leistungsbegehren abwarte. Die Klägerin habe die Gewährung einer Therapie mit dendritischen Zellen erstmals am 10.07.2009 beantragt. Aus der Rechnung der Firma C. vom 16.07.2009 gehe aber hervor, dass die bei der Klägerin applizierten Zellen bereits am 07.07.2009 hergestellt worden seien. An diesem Tag habe die Behandlung daher begonnen. Betrachte man alle Behandlungen mit dendritischen Zellen im Juli 2009, im Februar/März 2010 und im September/Oktober 2010 als Behandlungseinheit, könne die Klägerin schon mangels Einhaltung des Beschaffungswegs Kostenerstattung für die selbst beschaffte Leistung nicht beanspruchen. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, sie habe die Behandlung mit dendritischen Zellen gewählt, weil sie leben wolle, stelle die Ablehnungsentscheidung der Beklagten insoweit keine Zäsur dar. Die Klägerin sei von Anfang an darauf festgelegt gewesen, weitere Behandlungen mit dendritischen Zellen vornehmen zu lassen. Nichts anderes gälte, wenn man jede Zellbehandlung - was vorzugswürdig sei - als neue Behandlungsleistung einstufen würde. Die Kostenübernahme für den zweiten Behandlungszyklus habe die Klägerin am 12.02.2010 beantragt. Nach der Rechnung der Firma C. vom 22.02.2010 seien die dendritischen Zellen hierfür aber bereits am 9.2.2010 hergestellt worden; die Beklagte habe den Antrag erst mit Bescheid vom 20.05.2010 abgelehnt. Für den dritten Behandlungszyklus, auf den sich die Rechnung der Firma C. vom 16.12.2010 beziehe, habe die Klägerin gar keinen Antrag bei der Beklagten mehr gestellt. Eine Notfallsituation, bei der die Entscheidung der Beklagten nicht habe abgewartet werden können, habe nicht vorgelegen.
42 
Der Klägerin stehe ein Leistungsanspruch auch in der Sache nicht zu. Die Therapie mit dendritischen Zellen stelle eine neue Behandlungsmethode dar, für die es eine (positive) Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht gebe. Systemversagen liege nicht vor. Für die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen sei ein (Anerkennungs-)Antrag von den zuständigen Stellen nicht gestellt worden und dies sei offensichtlich auch nicht beabsichtigt. Die Klägerin könne ihr Leistungsbegehren schließlich nicht auf die Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs bzw. auf § 2 Abs. 1a SGB V stützen. Zwar liege (unstreitig) eine lebensbedrohliche Erkrankung vor. Allerdings gebe es für die Anwendung dendritischer Zellen bei Schleimhautmelanomen kein wissenschaftlich ausreichendes Studienmaterial, aus dem auf eine durch Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf geschlossen werden könnte. Insoweit habe Prof. Dr. K. auf 46 Studien zur Behandlung des Melanoms mit dendritischen Zellen verwiesen. Zu den Ergebnissen dieser Studien habe er sich jedoch nicht geäußert, während im MDK-Gutachten des Kompetenz-Zentrums Onkologie vom 16.07.2012 auf diese Studien eingegangen und klargestellt werde, dass diese keinerlei Wirksamkeitsvorteile ergeben hätten, die größere Studie (Schadendorf, 2006) sogar negativ ausgefallen sei. Außerdem könnten die Studien nicht ohne Weiteres auf die bei der Klägerin vorliegende Sonderform des Melanoms übertragen werden. Die Behandlung mit dendritischen Zellen stelle - mit Ausnahme des Prostatakarzinoms - ein Verfahren dar, das sich noch in der wissenschaftlichen Entwicklung befinde. Die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen werde außerhalb klinischer Studien von der Deutschen Krebsgesellschaft nicht als Therapie empfohlen. Empfohlen werde vielmehr die Behandlung mit dendritischen Zellen nur innerhalb klinischer Studien. Die Deutsche Krebsgesellschaft fordere alle Ärzte auf, ihren Patienten von Therapieangeboten außerhalb von Studien auf privater Zahlungsbasis abzuraten und Patienten mit Informationsbedarf an ein entsprechendes Forschungs- und Studienzentrum zu verweisen (vgl. LSG Schleswig Holstein, Urt. v. 12.01.2012, - L 5 KR 49/10 -; LSG Hessen, Beschl. v. 27.08.2012, - L 8 KR 189/12 B ER - ; Stellungnahme der Deutschen Krebsgesellschaft vom 05.04.2011 - Presseinformation). Eine Kostenerstattung käme schließlich ohnehin nur für solche Behandlungen in Betracht, welche die Beklagte selbst rechtmäßig gewähren könnte. Der MDK habe insoweit darauf verwiesen, dass die Firma C. (unstreitig) nicht über eine behördliche Erlaubnis für die Herstellung dendritischer Zellen verfüge. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis sei lediglich beantragt. Ob möglicherweise ein Ausnahmefall nach § 144 AMG in Verbindung mit § 2 und § 4 Abs. 9, Abs. 4b AMG vorliege, sei dahingestellt; es komme entscheidungserheblich darauf nicht an.
43 
Auf das ihr am 06.03.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.04.2013 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, auf Einzelheiten des Beschaffungswegs komme es nicht an, weil eine unaufschiebbare Leistung in Rede stehe. Sie sei unmittelbar auf die Inanspruchnahme einer Behandlung mit dendritischen Zellen angewiesen gewesen. Andernfalls hätte sie bereits binnen weniger Monate mit dem Tod rechnen müssen. Bei Leistungen, die nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs zu gewähren seien, müsse die Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse vor der Selbstbeschaffung nicht abgewartet werden. Auch in seinem Beschluss vom 06.12.2005 (a. a. O.) habe das BVerfG die Einhaltung des Beschaffungswegs jedenfalls offen gelassen. Sie stütze den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht unmittelbar auf § 13 Abs. 3 SGB V, sondern auf das Vorliegen einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung. Die Beklagte lehne die Gewährung dendritischer Zellbehandlungen grundsätzlich ab, weshalb man von ihr - zumal bei einem dringlichen Behandlungsfall - nicht vE. dürfe, eine erfahrungsgemäß langwierige Antragsbearbeitung und die absehbare Antragsablehnung abzuwarten. In Fällen, in denen sich die Krankenkasse losgelöst vom konkreten Behandlungsfall gegen eine neuartige Therapiemethode ausspreche, der Versicherte jedoch nach fachärztlicher Empfehlung auf einen unverzüglichen Therapiebeginn angewiesen sei, müsse die nachträgliche Antragstellung bei der Krankenkasse genügen. Sie habe im Übrigen nicht vor Antragstellung mit der Therapie begonnen. Die Herstellung der dendritischen Zellen sei mit dem Therapiebeginn nicht gleichzusetzen, sondern stelle lediglich die Voraussetzung für die (künftige) ärztliche Behandlung dar. Das Sozialgericht habe aus ihrer Äußerung zu Ende der mündlichen Verhandlung, am Leben bleiben zu wollen, zu Unrecht geschlossen, sie sei von vornherein auf die Behandlung mit dendritischen Zellen festgelegt gewesen. Auf die Möglichkeit, ihre Klage - ungeachtet der Erhebung eines Gutachtens - (schon) mangels Einhaltung des Beschaffungswegs abzuweisen, habe man sie nicht hingewiesen und ihr insoweit nicht rechtliches Gehör gewährt.
44 
Sie habe am 07.07.2009 die Gewährung bzw. Übernahme der Kosten einer dendritischen Zelltherapie beantragt. Diesen Antrag haben sie vorsorglich erneut am 12.02.2010 gestellt. Bei Erbringung der den Rechnungen der Firma C. vom 22.02.2010 und 16.12.2010 zu Grunde liegenden Behandlungen habe der Beklagten daher ein Leistungsantrag vorgelegen. Im Bescheid vom 09.10.2009 habe die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf die fehlende Anerkennung der Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und damit aus formal-rechtlichen Erwägungen abgelehnt. Die Ablehnungsgründe hätten auch für künftige Behandlungszyklen gegolten, weshalb sie einen erneuten Leistungsantrag als sinnlos hätte ansehen dürfen. Das Sozialgericht habe die Behandlung mit dendritischen Zellen auch zu Unrecht in unterschiedliche Behandlungszyklen aufgeteilt, die immer neu beginnen würden. Ihr behandelnder Arzt, PD Dr. G., gehe in aller Regel von einer einheitlichen und durchgehenden Immuntherapie, bestehend aus mehreren zeitlich aufeinanderfolgenden Zyklen, aus. Jeder Zyklus sei als Teil eines einheitlichen Therapieansatzes einzustufen, weshalb eine neue Indikationslage für die weitere Verabreichung dendritischer Zellen nicht erforderlich sei. Deswegen sei ein gesonderter Antrag vor jedem neuen Behandlungsschritt bzw. Zyklus nicht notwendig. Bei wiederkehrenden Behandlungsleistungen der vorliegenden Art setze die Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse eine Zäsur mit der Folge, dass die Kostenerstattung (mangels Einhaltung des Beschaffungswegs) nur für die Zeit davor ausgeschlossen sei (vgl. LSG Schleswig Holstein, Urt. v. 12.01.2012, - L 5 KR 49/10 -; BSG, Urt. v. 25.09.2000, - B 1 KR 5/99 R -). Für seine davon abweichende Auffassung hätte das Sozialgericht wenigstens den behandelnden Arzt nach Inhalt und Ablauf der Immuntherapie befragen müssen.
45 
Ihr stehe auch der Sache nach ein Anspruch auf Gewährung der in Rede stehenden Immuntherapie als neuartige Behandlungsmethode zu. Dass es hierfür eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht gebe, stehe dem nicht entgegen. Für sie gebe es eine anerkannte Behandlungsmethode mit ebenso positiver wie risikofreier Wirkungsweise nicht. Das gehe aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervor. Prof. Dr. K. sei ein renommierter Wissenschaftler auf dem Gebiet der Onkologie, gerade im Bereich der malignen Melanome, und Koordinator des Hautkrebszentrums der Universitätsklinik E.. Die gegenteilige Auffassung des MDK könne nicht überzeugen. Das Fehlen klinischer Studien zur Behandlung ihrer Erkrankungen zeige gerade, dass sie auf die ihr angeratene Therapie mit dendritischen Zellen als ultima ratio angewiesen sei. Zumindest hätte das Sozialgericht ein weiteres (Ober-)Gutachten erheben oder Prof. Dr. K. zu den Einwendungen des MDK anhören müssen.
46 
Die Einschätzung der Deutschen Krebsgesellschaft aus dem Jahr 2011, wonach es der Behandlung mit dendritischen Zellen an einem ausreichenden Wirksamkeitsnachweis fehle, werde in der Wissenschaft nicht ausnahmslos geteilt. Für einen Leistungsanspruch nach Maßgabe einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs genüge es, wenn, außerhalb von klinischen Studien, zuverlässige und wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zu Qualität und Wirksamkeit der Behandlungsmethode vorlägen; um eine dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode könne es in solchen Fällen naturgemäß nicht gehen. Außerdem genügten nach der Rechtsprechung des BVerfG auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussichten auf Heilung oder eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Dabei sei (auch) auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Der MDK habe das im Unterschied zu Prof. Dr. K. unterlassen und sich aus eher grundsätzlichen Erwägungen gegen die Therapie mit dendritischen Zellen ausgesprochen. Für die positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf genüge es, wenn zumindest das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten werde oder Komplikationen verhindert würden. Fehlten dabei theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster, könne im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolges entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen ließen (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.06.2012, - L 11 KR 5856/09 -). Das sei hier der Fall. Relevante Risiken und Nebenwirkungen der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen seien bislang nicht aufgetreten oder bekannt geworden. Ein vom MDK und der Beklagten geforderter Wirksamkeitsnachweis sei nicht notwendig. Je schwerwiegender die Erkrankung, desto geringer müssten auch die Anforderungen an die Indizien für einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg ausfallen. Dabei könnten beim Fehlen evidenzbasierter Studien auch deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte und Meinungen anerkannter Experten oder Berichte von Konsensuskonferenzen in Betracht zu ziehen sein. Aus ihrer Sicht gebe es danach hinreichende Indizien für einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg. Man möge hierzu ggf. den Gutachter Prof. Dr. K. in der mündlichen Verhandlung befragen.
47 
Die Klägerin beantragt,
48 
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26.02.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 06.08.2009 zurückzunehmen und ihr 12.601,79 EUR zu erstatten.
49 
Die Beklagte beantragt,
50 
die Berufung zurückzuweisen.
51 
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, aufgrund der lebensbedrohlichen Grunderkrankung habe eine Notfallsituation nicht vorgelegen. Das folge auch daraus, dass es sich bei der dendritischen Zelltherapie um eine adjuvante (unterstützende) Therapie gehandelt habe. Hypothetisch sei auch das postulierte Versterben innerhalb weniger Monate ohne Durchführung der begehrten Therapie. Aus den vorliegenden Gutachten gehe hervor, dass das klinisch erkennbare, lokal begrenzte Tumorgewebe vollständig operativ entfernt worden sei. Anhaltspunkte für Metastasen hätten nicht vorgelegen. Die weitere Therapie, ob nun durch Interferon oder durch dendritische Zellen, sei (nur) vorsorglich zur Minimierung eines letztendlich noch verbleibenden Restrisikos durchgeführt worden. Eine Ultima-Ratio-Therapie habe nicht vorgelegen, weil es Behandlungsalternativen gegeben habe. Die Klägerin habe den Leistungsantrag auch erst gestellt, als sie sich zur Behandlung mit dendritischen Zellen entschlossen gehabt habe. Andernfalls sei kaum erklärbar, dass der behandelnde Arzt bereits vor dem 07.07.2009 einen Herstellungsauftrag an das Labor (der Firma C.) erteilt habe.
52 
Die Firma C. hat unter dem 27.02.2014 mitgeteilt, sie habe die Herstellung autologer dendritischer Zellen im April 2012 eingestellt. Die Herstellungstätigkeit sei bis dahin unter der Verantwortlichkeit des PD Dr. G. gem. § 4b AMG ausgeübt worden. Die Herstellung dendritischer Zellen werde nunmehr von dem Labor PD Dr. G. (auf der Grundlage einer Anzeige nach § 67 AMG) vorgenommen. Die abschließende Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG stehe noch aus.
53 
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit Schreiben vom 13.03.2014 (Bl. 51 LSG-Akte) dem Senat mitgeteilt, die Anwendung dendritischer Zellen zur Behandlung eines Schleimhautmelanoms oder anderer Erkrankungen sei bisher im Gemeinsamen Bundesausschuss nicht überprüft worden, auch sei ein entsprechender Antrag noch nicht gestellt worden. Schließlich bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für eine Antragspflicht vorlägen.
54 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
55 
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem geltend gemachten Erstattungsbetrag von über 12.000 EUR überschritten. Die Berufung ist auch sonst zulässig (§ 151 SGG). Sie ist auch begründet. Die Beklagte hat die Erstattung der Aufwendungen der Klägerin für die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht abgelehnt.
56 
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Beklagte der Klägerin 12.601,79 EUR zu erstatten hat, die die Klägerin der Firma C. auf deren Rechnungen vom 16.07.2009, 22.02.2010 und 16.12.2010 gezahlt hat. Die Erstattung des Betrags der Rechnung vom 16.07.2009 war bereits Gegenstand des Bescheids vom 06.08.2010. Ob der Widerspruch gegen diesen Bescheid tatsächlich von der Klägerin am 08.10.2009 fernmündlich zurückgenommen wurde und ob ein nicht weiter bestätigter Telefonvermerk eines Mitarbeiters der Beklagten ausreicht, das Widerspruchsverfahren einzustellen, kann offenbleiben. Da die Klägerin mit dem eingereichten Schreiben vom 09.02.2010 die Übernahme der gesamten Kosten der bisherigen Behandlung mit dendritischen Zellen verlangt hat, bezieht sich der Bescheid vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 nicht nur auf die Rechnungen vom 22.02.2010 und 16.12.2010, sondern auch auf die Rechnung vom 16.07.2010. Jedenfalls der Widerspruchsbescheid vom 28.09.2010 enthält eine abschließende Stellungnahme der Beklagten zum gesamten Behandlungskomplex mit dendritischen Zellen als Folge des im Juni 2009 operativ entfernten Schleimhautmelanoms der Klägerin. Das SG hat deshalb zu Recht in diesen Bescheiden eine inzidente Ablehnung eines Antrags nach § 44 SGB X in Bezug auf den Bescheid vom 06.08.2009 gesehen. Die Beklagte hat die erneute Überprüfung des Bescheids nach § 44 SGB X durch den Senat im Berufungsverfahren auch nicht in Frage gestellt.
I.
57 
Rechtsgrundlage des mit Klage und Berufung verfolgten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift sieht in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urt. v. 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -).
58 
Der hier allein in Betracht kommende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und grundsätzlich auch einen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten voraus. Die rechtswidrige Ablehnung der Leistung scheidet für solche (selbst beschaffte) Leistungen von vornherein aus, die von den Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung nicht zu erbringen sind. Der Kostenerstattungsanspruch gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB V reicht nämlich nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Der Ursachenzusammenhang zwischen rechtswidriger Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urt. v. 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V).
59 
§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V darf nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 19.03.2009 - 1 BvR 316/09) nicht in der Weise ausgelegt werden, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt. Dies gilt erst recht, wenn - wie nachstehend aufgezeigt - bei grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts des SGB V ein Anspruch auf Behandlung mit dendritischen Zellen besteht, den die Beklagte von Anfang an als Sachleistung hätte gewähren müssen und den sie in der Folge zu Unrecht abgelehnt hat. Bei der Rechtsanwendung im Einzelfall müssen dann die grundrechtlichen Maßgaben insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes berücksichtigt werden, namentlich, wenn erhebliche und nicht wiedergutzumachende Schäden für Leib und Leben drohen (Art. 2 Abs. 2 GG) und der Versicherte deswegen existentielle Leistungen der Krankenversicherung begehrt. Auch insoweit gilt, dass sich das Gericht (genauso wie die Krankenkasse) schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -; auch Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B - zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung). Das verbietet es, im Einzelfall überzogene und damit unverhältnismäßige Verfahrenserfordernisse nicht nur für den Zugang des Versicherten zu den Leistungen der Krankenkasse, sondern auch für die Selbstbeschaffung einer Leistung und die Erstattung der hierfür entstandenen Aufwendungen nach Maßgabe des § 13 Abs. 3 SGB V aufzustellen. Gerade in den Fällen des § 2 Abs. 1a SGB V, also bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen wird es daher vielfach genügen müssen, wenn der Versicherte sich mit seinem Leistungsbegehren unverzüglich an die Krankenkasse wendet und dieser daher jedenfalls eine zeitnahe Prüfung ermöglicht wird. Einzelheiten des Beschaffungswegs werden dann für den Erstattungsanspruch keine ausschlaggebende Rolle spielen können, vielmehr wird die Krankenkasse und im Streitfall das Gericht zu prüfen haben, ob das Erstattungsverlangen in der Sache berechtigt ist.
II.
60 
Rechtsgrundlage des dem Kostenerstattungsanspruch zugrunde liegenden Leistungsanspruchs auf Gewährung ärztlicher Behandlung ist § 27 Abs. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB V) auch die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V). Der Anspruch auf Krankenbehandlung bzw. Arzneimittelversorgung unterliegt den für alle Leistungsansprüche (§ 11 SGB V) geltenden allgemeinen Maßgaben der §§ 2, 12 SGB V. Gem. § 2 Abs. 1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Gem. § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Die Versicherten erhalten die ihnen danach zustehenden Leistungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V als Sach- und Dienstleistungen, soweit das SGB V nichts anderes vorsieht.
1.)
61 
Bei der Versorgung der Versicherten mit ärztlicher Heilbehandlung ist hinsichtlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (BSG, Urt. v. 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -) zu beachten. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch dann nur zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen (vgl. BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -), wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. An die Entscheidungen des Bundesausschusses sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R - m.w.N.). Ohne befürwortende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht (zu alledem auch Senatsurteil vom 30.8.2006, - L 5 KR 281/06 -). Die Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst „Methoden“, also Maßnahmen, die bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandt werden (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -); dazu können ggf. auch über die bloße Verabreichung von Arzneimitteln hinausgehende Pharmakotherapien zählen.
62 
Neu ist eine Behandlungsmethode zunächst dann, wenn sie erst nach Inkrafttreten des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V - also erst in der Zeit seit dem 01.01.1989 - als kassen- bzw vertragsärztliche Behandlungsmethode praktiziert worden ist. Neu ist auch eine Behandlungsmethode, für die eine entsprechende Leistungsposition im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zunächst nicht bestand, diese vielmehr erst später - nach dem 01.01.1989 - in das Leistungsverzeichnis des EBM-Ä aufgenommen wurde (zur Maßgeblichkeit des EBM auch BSG, Urt. v. 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -). Nach diesen Abgrenzungen ist bei Arzneitherapien - bei Arzneimitteln ist kein Raum für die Schaffung einer Leistungsposition im EBM-Ä - darauf abzustellen, ob sie schon vor dem 01.01.1989 oder erst nach dem 01.01.1989 praktiziert wurden. Wurden sie schon vorher praktiziert, so sind sie nicht neu; dann käme nur eine Überprüfung nach Maßgabe des § 135 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V in Betracht, wonach die Verordnungsfähigkeit erst ausgeschlossen wäre, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die Behandlungsmethode ausdrücklich für unvereinbar mit den Erfordernissen des § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V erklärt hatte (BSG; Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 48/09 R -). Eine Behandlungsmethode kann auch dann als „neu“ zu beurteilen und deshalb der besonderen krankenversicherungsrechtlichen Qualitätskontrolle zu unterwerfen sein, wenn sie sich aus einer neuartigen Kombination verschiedener - für sich jeweils anerkannter oder zugelassener - Maßnahmen zusammensetzt (BSG; Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -).
63 
Näheres zur Arzneimittelversorgung der Versicherten ist in § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V geregelt. Danach besteht Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Der (krankenversicherungsrechtliche) Arzneimittelbegriff in §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 31 SGB V knüpft an den (verwaltungsrechtlichen) Arzneimittelbegriff des AMG an. Dieser ist in der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG festgelegt; weitere Begriffsbestimmungen enthält § 4 AMG. Gem. § 2 Abs. 1. AMG sind Arzneimittel (u.a.) Stoffe, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im menschlichen Körper Krankheiten zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen; Stoffe in diesem Sinne sind gem. § 3 Nr. 3 AMG auch menschliche Stoffwechselprodukte in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand, also auch Blut und Blutplasma (Rehmann, AMG § 3 Rdnr. 2). Gem. § 4 Abs. 2 AMG sind Blutzubereitungen Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten. § 4 Abs. 9 AMG (i. d. F. des Gesetzes v. 17.07.2009, BGBl. I, S. 1990, gültig ab 23.07.2009) bestimmt, dass (u.a.) somatische Zelltherapeutika (i. S. d. in dieser Vorschrift genannten EG-Verordnungen) Arzneimittel für neuartige Therapien sind. Das aus dem Blut des Patienten durch Beladung mit Antigenen hergestellte Präparat mit dendritischen Zellen stellt ein (zelluläres) Arzneimittel (Blutzubereitung bzw. somatisches Zelltherapeutikum nach § 4 Abs. 2, 9 AMG) dar (vgl. dazu auch etwa OLG München, Urt. v. 16.11.2005, - 20 U 3950/05 - sowie DÖSGHO-Jahrestagung, veröffentlicht unter www://haematologie-onlologie.universimed.com/artikel). Damit unterliegt die Herstellung dendritischer Zellen und deren Anwendung im Rahmen der Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V den Maßgaben des Arzneimittelrechts.
64 
Hinsichtlich der Herstellung dendritischer Zellen ist gem. § 20b Abs. 1 und 4 AMG (eingeführt durch Gesetz v. 20.07.2007, BGBl. I. S. 1574 zum 01.08.2007) im Grundsatz eine behördliche Erlaubnis notwendig. Hinsichtlich der Arzneimittel für neuartige Therapien nach § 4b AMG (eingeführt durch Gesetz v. 17.07.2009, a. a. O. zum 23.07.2009), also für Arzneimittel, die als individuelle Zubereitung für einen einzelnen Patienten ärztlich verschrieben, nach spezifischen Qualitätsnormen nicht routinemäßig hergestellt und in einer spezialisierten Einrichtung der Krankenversorgung unter der fachlichen Verantwortung eines Arztes angewendet werden (§ 4b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AMG) sind in der (ebenfalls ab 23.07.2009 geltenden) Vorschrift des § 144 AMG Übergangsregelungen getroffen worden. Danach gilt (u.a.): Wer die in § 4b Abs. 1 AMG genannten Arzneimittel für neuartige Therapien am 23.07.2009 befugt herstellt und bis zum 01.012010 eine Herstellungserlaubnis beantragt, darf diese Arzneimittel bis zur Entscheidung über den gestellten Antrag weiter herstellen.
65 
Hinsichtlich des Inverkehrbringens dendritischer Zellen ist die für Fertigarzneimittel, wozu auch außerhalb der Apotheke gewerblich hergestellte Rezepturarzneimittel gehören (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 AMG), gem. § 21 Abs. 1 AMG an sich notwendige arzneimittelrechtliche Zulassung nicht erforderlich. Gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1a AMG bedarf es einer Zulassung nämlich nicht für Arzneimittel, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden; dies trifft auf das in Rede stehende zelluläre Arzneimittel zu. Nach näherer Maßgabe des § 21a Abs. 1 AMG kann demgegenüber ggf. eine Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde erforderlich sein (vgl. § 21a Abs. 1 Satz 3: Blutstammzellzubereitungen zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung).
2.)
66 
Bei der Anwendung von Arzneimitteln können die Maßgaben des Arzneimittelrechts, insbesondere arzneimittelrechtliche Verkehrsverbote mit ihren Folgewirkungen für das Krankenversicherungsrecht (dazu näher etwa Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B -: Botoxinjektion zur Blasenvergrößerung), und der krankenversicherungsrechtliche Erlaubnisvorbehalt für die Anwendung neuer ärztlicher Behandlungsmethoden gem. § 135 Abs. 1 SGB V gleichzeitig anzuwenden sein. Für die Abgrenzung der Pharmakotherapie durch bloße Verabreichung eines Arzneimittels - auch im Wege der Injektion - von der Pharmakotherapie als ärztliche Behandlungsmethode kommt es darauf an, welches Gewicht der ärztlichen Tätigkeit für den Therapieerfolg zukommt (vgl. näher BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -, LSG Baden-Württemberg, Urt. v. Urt. v. 15.5.2012, - L 11 KR 5817/10 -). Ist diese im Rahmen eines Zusammenspiels von ärztlicher Kunst und Arzneimittelgabe ebenso wichtig wie das Wirkprinzip des in den Körper eingebrachten Stoffes, liegt in jedem Fall eine über die schlichte Verabreichung eines Arzneimittels hinausgehende ärztliche Behandlungsmethode vor. Die Anforderungen des Krankenversicherungsrechts sind dann ggf. im Erlaubnisverfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu prüfen. Dessen krankenversicherungsrechtliche Prüfung kommt zur ggf. notwendigen arzneimittelrechtlichen Prüfung durch die hierfür zuständige Verwaltungsbehörde hinzu (vgl. BSG Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -). Für solche Pharmakotherapien besteht eine Leistungspflicht der Krankenkasse daher erst dann, wenn die aus dem Arzneimittelrecht folgenden leistungsrechtlichen Mindestvoraussetzungen und die krankenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine neue Behandlungsmethode kumulativ erfüllt sind, wenn also weder ein arzneimittelrechtliches Verkehrsverbot noch der krankenversicherungsrechtliche Erlaubnisvorbehalt das verwendete Arzneimittel erfasst (BSG Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 -; auch dazu Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B -). Das gilt nach Auffassung des Senats für die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen als Anwendung eines zellulären Arzneimittels für neuartige Therapien i. S. d. § 4 Abs. 9 AMG. Dabei handelt es sich (wovon ersichtlich auch die Beteiligten ausgehen) nicht um die bloße Verabreichung eines Arzneimittels, sondern um eine ärztliche Behandlungsmethode nach § 135 Abs. 1 SGB V.
3.)
67 
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt und des Fehlens einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde und damit ein „Systemversagen“ vorliegt. Dann ist die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien nämlich rechtswidrig unterblieben, weshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (näher BSGE 81, 54 sowie BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -). Auch bei Krankheiten, die wegen ihrer Seltenheit praktisch nicht systematisch erforschbar sind, muss die Behandlung aus dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht schon mangels entsprechender Empfehlung des Bundesausschusses ausscheiden (vgl. dazu BSGE 93,236).
68 
Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG können sich (ansonsten nicht bestehende) Leistungsansprüche darüber hinaus auch aus einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts ergeben. In seinem Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlichen Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig.
69 
Das Bundessozialgericht hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG Urt. v. 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung (oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit - BSG, Urt. v. 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht bei BSG, Urt. v. 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr individuelle Notlage gegeben sein, wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschl. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -).
70 
Diese Grundsätze sind auf die Arzneimittelversorgung übertragen worden. Sie können ggf. einen Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln begründen, die arzneimittelrechtlich noch gar nicht oder nicht für den in Rede stehenden Anwendungsbereich zugelassen sind. Ergänzend hat das BSG - im Hinblick auf die Versorgung mit Arzneimitteln - aber dargelegt, dass an das Krankheits-Kriterium (im Sinne der vorstehend unter 1. genannten Voraussetzung) strengere Anforderungen zu stellen sind als an das Kriterium der schwerwiegenden Erkrankung für die Eröffnung des Off-Label-Use (vgl. BSG, Urt. v. 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -; auch BSG, Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 48/09 R -).
71 
In der seit 01.01.2012 geltenden Vorschrift des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V hat der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG entwickelten Rechtgrundsätze zu grundrechtsfundierten Leistungsansprüchen in das SGB V aufgenommen. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende, insbesondere also eine in Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (noch) nicht entsprechende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung festgestellt. Für Auslegung und Anwendung des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V sind die Maßgaben der genannten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG heranzuziehen (Senatsurteil vom 14.03.2012, - L 5 KR 5406/11 -).
III.
72 
Davon ausgehend steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von PD Dr. G. in den Jahren 2009 und 2010 durchgeführte Behandlung mit dendritischen Zellen zu. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V sind erfüllt. Die Klägerin hat den in dieser Vorschrift vorgesehenen Beschaffungsweg eingehalten (unten 1). Die Beklagte hat die von der Klägerin selbstbeschaffte Leistung auch zu Unrecht abgelehnt (unten 2). Auch die Übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs sind erfüllt (unten 3).
1.)
73 
Die Klägerin hat sich die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen durch PD Dr. G. ohne Missachtung des in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Beschaffungswegs selbst beschafft. Die Frage nach der Einhaltung des Beschaffungswegs kann sich dabei nur auf die Rechnungen beziehen, die vor der grundsätzlichen Ablehnungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 06.08.2009 ergangen sind, das ist hier allein die Rechnung vom 16.07.2009. Die Klägerin hat nämlich mit ihrem Antrag vom 09.07.2009 initial für die gesamte Behandlung mit dendritischen Zellen den Antrag auf Kostenfreistellung bei der Beklagten gestellt; das genügt (BSG Urt. v. 07.05.2013 - B 1 KR 44/12 R - Juris Rn 30). Eine Beschränkung lediglich auf die im Juli 2009 angefallenen Kosten lässt sich diesem Antrag nicht entnehmen. Im Übrigen stellen sich die einzelnen Behandlungszyklen als unselbständige (Teil-)Leistungen der auf die Verhinderung der Metastasenbildung gerichteten adjuvanten Behandlung der Klägerin nach der operativen Entfernung des Tumorgewebes dar, weshalb es mit dem (rechtzeitigen) Herantragen des Leistungsbegehrens an die Beklagte hinsichtlich des ersten Behandlungszyklus sein Bewenden haben muss.
74 
Die Klägerin, die an einem im Juni 2009 diagnostizierten Schleimhautmelanom und damit - wie Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 03.02.2012 dargelegt hat - an einer seltenen Untergruppe des Melanoms mit wesentlich schlechterer Prognose als das Hautmelanom (kutane Melanom) leidet, ist am 05.06.2009 und am 13.07.2009 durch Exzision des Tumors und Nachresektion operativ behandelt worden. Die (weitere) Behandlung mit dendritischen Zellen ist danach im Juli 2009 aufgenommen und in mehreren Behandlungszyklen durchgeführt worden. Die Klägerin hat sich - hinsichtlich des ersten Behandlungszyklus - erstmals am 09.07.2009, also noch vor der operativen Tumornachresektion am 13.07.2009, wegen einer sich an die operative Therapie anschließenden (adjuvanten) Nachbehandlung mit dendritischen Zellen (zur Metastasenprophylaxe) an die Beklagte gewandt und die Gewährung dieser Behandlung als Sachleistung beantragt. Sie hat sich nicht von vornherein außerhalb des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung gestellt, um sich von dort ohne weitere Prüfung durch die Krankenkasse eine vom Leistungskatalog nicht umfasste Behandlungsleistung zu verschaffen, sondern sie hat die Beklagte nach Lage der Dinge unverzüglich mit dem Leistungsbegehren konfrontiert und eine zeitnahe Prüfung ermöglicht. Dass mit der Herstellung der dendritischen Zellen wenige Tage vor Antragstellung - am 07.07.2009 - begonnen worden ist, ist demgegenüber unschädlich, ohne dass es noch darauf ankäme, ob man den Behandlungsbeginn der dendritischen Zelltherapie auf diesen Tag oder den Tag der erstmaligen Verabreichung der dendritischen Zellen festzulegen hätte. Angesichts der Gefahr einer Metastasierung der schweren Krebserkrankung und der damit verbundenen Todesgefahr ist es im Hinblick auf das Grundrecht der Klägerin auf Leben und Gesundheit bzw. die daraus folgenden Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zu vereinbaren, ihr zur Vermeidung einer etwaigen Kostenbelastung vor der Aufnahme der in Rede stehenden Behandlung zur Metastasenprophylaxe auch das Abwarten einer (Ablehnungs-)Entscheidung der Beklagten abzuvE. (ebenso BSG Urt. v. 12.09.2012 - B 3 KR 20/11 R - Juris Rn 12 für den Fall einer verzögerten Entscheidung über eine Hilfsmittelgewährung), zumal angesichts der zu erwartenden Einschaltung des MDK mit einem länger dauernden Verwaltungsverfahren zu rechnen gewesen ist. Bei dieser Sachlage kommt es nicht in Betracht, den geltend gemachten Erstattungsanspruch schon wegen der Einzelheiten des Beschaffungsvorgangs abzulehnen, vielmehr ist eine Sachprüfung erforderlich.
2.)
75 
Die Beklagte hat die Gewährung der beantragten Behandlung mit dendritischen Zellen zu Unrecht abgelehnt. Die Beklagte hätte der Klägerin die in Rede stehende Behandlung nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs als Sachleistung gewähren müssen (unten a). Vorschriften des Arzneimittelrechts stehen dem nicht entgegen (unten b).
a.)
76 
Die Klägerin hatte Anspruch auf die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
77 
Bei der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode i. S. d § 135 Abs. 1 SGB V; für diese ärztliche Leistung ist eine Leistungsposition im EBM nicht vorhanden. Eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses existiert nicht. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist mit der hier streitigen Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen auch nicht befasst, wie er gegenüber dem Senat mit Schreiben vom 13.03.2014 dargelegt hat. Anhaltspunkte für ein so genanntes Systemversagen liegen nicht vor (Senatsbeschluss vom 16.05.2011, - L 5 KR 970/11 ER-B -). Bei dem Schleimhautmelanom, an dem die Klägerin leidet, handelt es sich zwar um eine seltene Untergruppe des Melanoms, jedoch nicht um eine wegen ihrer Seltenheit systematisch gar nicht erforschbare Krankheit. Hierüber herrscht unter den Beteiligten ersichtlich kein Streit. Danach kommt ein Leistungsanspruch nur nach Maßgabe der vom BVerfG (Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) vorgenommenen grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (jetzt: § 2 Abs. 1a SGB V) in Betracht. Die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind erfüllt.
78 
Die Klägerin leidet (unstreitig) an einer lebensbedrohlichen und regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung. Das Schleimhautmelanom, an dem sie erkrankt ist, hat, wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervorgeht, eine äußerst schlechte und (noch) ungünstigere Überlebensprognose als das kutane Melanom (der Haut) mit einer mittleren Überlebenszeit von 10 bis 13 Monaten. Über 90% der Patienten versterben innerhalb von 5 Jahren. Entgegen der Auffassung der Beklagten (und des MDK, etwa Gutachten des Dr. G. vom 05.10.2009) scheitert die Leistungsgewährung auch nicht am Erfordernis einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage. Das BVerfG hat hierfür ersichtlich stets auf den Einzelfall abgestellt und eine rein zeitliche Betrachtung nicht vorgenommen, etwa auch ausreichen lassen, dass in Sonderfällen der Tod voraussichtlich erst in einigen Jahren eintreten wird (Beschl. v. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -). Auch die Unterscheidung zwischen einer adjuvanten und einer kurativen Behandlungssituation, auf die sich der MDK stützen will, ist für die hier maßgebliche grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die Behandlung mit dendritischen Zellen hat nach der operativen Entfernung des Tumorgewebes zum Ziel, die Bildung von Metastasen zu verhindern. Nur dann besteht Aussicht auf eine Heilung der Krebserkrankung. Sind demgegenüber Metastasen aufgetreten, bestehen praktisch keine aussichtsreichen Behandlungsmöglichkeiten mehr und es muss mit einem (baldigen, innerhalb von Monaten eintretenden) Tod des Patienten gerechnet werden. Der Senat entnimmt dies dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. K.. Danach liegt die (sehr) schlechte Prognose des Schleimhautmelanoms (u.a.) daran, dass es rasch zu Fernmetastasen kommt. Ist es dazu gekommen, besteht allenfalls noch eine Therapieoption durch Yervoy, was aber nur bei maximal 10% der Patienten einen längeren Nutzen hat (mit schweren Nebenwirkungen bei 30% der Patienten). Bei dieser Sachlage gibt es keine Zwischenzeit zwischen der operativen Entfernung des Tumorgewebes und dem jedenfalls im Stadium der Heilungsbewährung stattfindenden Auftreten von Metastasen, während der die für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs notwendige individuelle Notlage naher Lebensgefahr nicht bestünde und während der zunächst das ohne adjuvante Therapie (erst recht) zu erwartende Auftreten von Metastasen abzuwarten wäre. Die vorliegende Fallgestaltung ist nach Ansicht des Senats mit der Fallgestaltung eines Prostatakarzinoms im Anfangsstadium ohne Hinweis auf metastatische Absiedlungen (vgl. BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -) nicht vergleichbar. Der These, eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs sei auf die Situation der Rezidivprophylaxe nicht anwendbar (vgl. etwa LSG Schleswig- Holstein, Urt. v. 08.09.2011, L 5 KR 97/10 -), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen; sie findet in der Rechtsprechung des BVerfG keine ausreichende Stütze.
79 
Damit ist vorliegend letztendlich ausschlaggebend, ob für die - konkrete - Erkrankung der Klägerin eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht, und, wenn dies nicht festgestellt werden kann, ob für die bei ihr angewandte Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen eine durch Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Da für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs die Grundrechte des jeweiligen Versicherten und die diesem bei Verweigerung der Leistung im Einzelfall drohenden Grundrechtseingriffe bzw. Grundrechtsverletzungen maßgeblich sind, findet eine vom Einzelfall gelöste abstrakte Betrachtung, etwa im Sinne einer abstrakten wissenschaftlich-medizinischen Methodendiskussion, nicht statt.
80 
Für die adjuvante Therapie des Schleimhautmelanoms der Klägerin steht nach Auffassung des Senats eine allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende und die Anwendung der in Rede stehenden Alternativtherapie verdrängende Behandlungsmethode nicht zur Verfügung. Die Beklagte verweist (gestützt auf das MDK-Gutachten des Prof. Dr. H.) auf eine Interferonbehandlung, die man als eine Art „Analogbehandlung“ entsprechend der Behandlung des kutanen Melanoms auch beim (mit dem kutanen Melanom tumorbiologisch jedoch nicht ohne Weiteres gleichzusetzenden) Schleimhautmelanom anwenden könne. Die Wirksamkeit einer solchen Therapie wird aber - wenn auch gestützt durch eine von Prof. Dr. H. angeführte Phase-II-Studie in den USA - nur vermutet. Demgegenüber hat Prof. Dr. K. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt, dass es eine wirksame adjuvante Therapie zur Verhinderung einer Fernmetastasierung beim Schleimhautmelanom nicht gibt und darauf verwiesen, dass Patienten mit Schleimhautmelanomen von den Interferonstudien (gerade) ausgeschlossen werden. Die Erfahrungen mit der mangels Alternativen notgedrungen eingesetzten Interferon- und Chemotherapie hat Prof. Dr. K. als unbefriedigend eingestuft; sie würden nur „anekdotenhaft“ in Übersichtsarbeiten erwähnt. In der Literatur findet sich - so Prof. Dr. K. - keine einzige Publikation, die über eine wirksame adjuvante Therapie beim Schleimhautmelanom berichtet.
81 
Prof. Dr. H. hat im MDK-Gutachten vom 16.07.2012 der Auffassung des Prof. Dr. K. im Kern zugestimmt und ebenfalls dargelegt, dass es eine zugelassene adjuvante Therapie zur Verhinderung von Fernmetastasen beim anorektalen Melanom (dem Schleimhautmelanom der Klägerin) nicht gibt. Hierfür bestehen - so Prof. Dr. H. - nahezu keine gesicherten Erkenntnisse. Es finden sich vielmehr nur - und seien es auch deutliche - Hinweise in der wissenschaftlichen Literatur, dass Patienten mit anorektalem Melanom in Analogie zu Patienten mit kutanem Melanom behandelt werden, wie es in der Onkologie auch bei anderen Tumorentitäten gehandhabt wird. Der Erfolg der letztendlich auf die Vermutung einer (tumorbiologischen) Vergleichbarkeit des Schleimhautmelanoms mit dem kutanen Melanom gestützten Interferonbehandlung ist im Übrigen schon beim kutanen Melanom sehr gering; weniger als 10% der Patienten haben davon einen Nutzen. Insgesamt besteht daher nach der überzeugenden Auffassung des Prof. Dr. K. für die Wirksamkeit der der Klägerin im Tumorboard des Comprehensive Cancer Center U. vorgeschlagenen Interferontherapie beim Schleimhautmelanom jeglicher Anhalt und es muss auf der Grundlage der publizierten Erfahrungen davon ausgegangen werden, dass ihr eine Interferontherapie keinen Nutzen gebracht hätte. Sie kann damit nicht auf diese Therapie als Standardtherapie verwiesen werden. Dem ist im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H. nichts wirklich Überzeugendes entgegengesetzt. Prof. Dr. H. hat sich der Sache nach mit einer eher vom Erkrankungsfall der Klägerin abstrahierenden Methodendiskussion befasst, etwa indem er es als gültige Lehrmeinung bezeichnet, Patienten mit malignen Melanomen (in einem bestimmten Stadium) eine adjuvante Interferontherapie unter sorgfältiger Abwägung und Aufklärung anzubieten; damit wird nicht ausreichend klar auf den Behandlungsfall der Klägerin eingegangen. Die Schlussfolgerung des Prof. Dr. H., für diese stehe mit der Interferontherapie - und das auch nur grundsätzlich - eine Standardtherapie zur adjuvanten Behandlung des malignen Melanoms zur Verfügung, ist im Kern zu allgemein gehalten. Der Senat kann ihr angesichts der überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. K., denen sich Prof. Dr. H. in wesentlichen Teilen auch angeschlossen hat, nicht folgen. Die Klägerin ist auch nicht auf eine weitere Operation, etwa die Entfernung von Wächterlymphnoten (MDK-Gutachten des Prof. Dr. H.) zu verweisen. Prof. Dr. K. hat in seinem Gutachten insoweit schlüssig dargelegt, dass die Überlebensprognose der Klägerin weder durch eine größere lokale Operation noch durch eine diagnostische oder elektive Lymphknotenexstirpation/-dissektion zu verbessern wäre. Außerdem ist Gegenstand des vorliegenden Streits keine (weitere) operative Heilbehandlung, sondern eine adjuvante Heilbehandlung durch Anwendung eines zellulären Arzneimittels zur Metastasenprophylaxe.
82 
Hinsichtlich der bei der Klägerin durch PD Dr. G. (ärztlich) angewandten Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen besteht eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
83 
Der Anspruch des Versicherten auf Gewährung ärztlicher Behandlung (§§ 27, 28 SGB V) als Sachleistung im Wege der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (bzw. jetzt nach Maßgabe des § 2 Abs. 1a SGB V) erfordert nach der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG nicht, dass die begehrte Behandlungsmethode bereits als Standard etabliert ist und dass ihre Wirksamkeit durch größere kontrollierte oder belastbare Studien (bereits) bewiesen ist oder dass sie Eingang in die klinische Routine gefunden hat; die entsprechenden Postulate im MDK-Gutachten des Dr. G. vom 08.10.2009 und auch im MDK-Gutachten des Dr. B. vom 12.05.2010 sowie im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H. sind zu eng und so mit den verfassungsgerichtlichen Maßgaben der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs nicht vereinbar. Ein grundrechtsfundierter (bzw. in § 2 Abs. 1a SGB V verankerter) Leitungsanspruch ist auch nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die zuständige medizinische Fachgesellschaft - hier die Deutsche Krebsgesellschaft - die in Rede stehende Behandlungsmethode nicht als Therapie empfiehlt. Empfehlungen dieser Art haben tatsächliches Gewicht, jedoch keine den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nahekommende Ausschlusswirkung. Davon abgesehen hat die Deutsche Krebsgesellschaft die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen in ihrer Stellungnahme vom 03.11.2011 zur Therapie von Tumorpatienten mit onkologischen Viren auch nicht allgemein abgelehnt, sondern darauf verwiesen, dass hinsichtlich der onkologischen Virentherapie - die der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen entspricht - bei in der Regel sehr guter Verträglichkeit in einzelnen Fällen eine gute Wirksamkeit dokumentiert worden ist. Bedenken werden vor allem in Hinblick auf (derzeit nicht) auszuschließende negative Auswirkungen geäußert. Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt die in Rede stehende Behandlung - immerhin - im Rahmen klinischer Studien. Ungeachtet des negativen Tenors sind der genannten Empfehlung damit - worauf alleine es für die Gewährung eines grundrechtsfundierten Leistungsanspruchs ankommt - (sogar) Indizien für eine nicht ganz fern liegende positive Wirkung der dendritischen Zellbehandlung zu entnehmen. Hinzukommt als weiteres stützendes Indiz, dass - so Prof. Dr. K. in seinem Gutachten - in fast allen von ihm gesichteten Studien zur Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen von einem klinischen Ansprechen bei einem Teil der Patienten berichtet wird mit Ansprechraten bei der Tumorentität Melanom von wenigen Prozent bis (immerhin) 30 %; in 14 von 46 Studien wird sogar über komplette Remissionen, die auch andere Tumorentitäten (wie Nierenzellkarzinom oder Lymphom) betreffen, berichtet. Dass es sich bei diesen Studien in der großen Mehrheit um Phase-I/II-Studien mit in der Regel bis zu 30 Patienten handelt, ist unerheblich. Im Rahmen der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs kommt es nicht auf einen - möglichst weitgehenden - Wirksamkeitsnachweis, sondern nur darauf an, ob eine nicht ganz fern liegende Aussicht wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auf (bloße) Indizien gestützt werden kann. Außerdem liegen (immerhin) 2 randomisierte Phase-III-Studien zur Behandlung des Prostatakarzinoms mit dendritischen Zellen vor. Der indiziellen Wirkung der von Prof. Dr. K. angeführten Studienergebnisse wird man nicht ohne Weiteres die Unterschiede der Tumorentitäten entgegenhalten dürfen, nachdem die Beklagte hinsichtlich der etablierten Behandlungsmethoden ebenfalls einen Analogschluss von der Wirksamkeit der Interferontherapie beim kutanen Melanom auf eine entsprechende Wirksamkeit beim Schleimhautmelanom vornimmt und „Analogbehandlungen“ - so Prof. Dr. H. in seinem MDK-Gutachten - in der Onkologie auch bei anderen seltenen Tumorarten praktiziert werden.
84 
Bei dieser Sachlage kann der an einer schweren Krebserkrankung leidenden Klägerin die Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen ohne Grundrechtsverstoß nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung versagt werden, zumal - wie Prof. Dr. K. in Einklang mit der Deutschen Krebsgesellschaft dargelegt hat - (nur) mit eher milden Nebenwirkungen gerechnet werden muss. Die begehrte Behandlungsmethode enthält als Krebsbehandlung mit zellulären Arzneimitteln im Rahmen neuartiger Therapien (vgl. §§ 4 Abs. 9, 4b AMG) keine „unseriösen“ Heilungsversprechen, für deren Kosten die Versichertengemeinschaft nicht aufzukommen braucht, stellt vielmehr eine (seriöse) ärztliche Behandlungsmethode dar, der Prof. Dr. K. als Koordinator des Hautkrebszentrums der Universitätsklinik E. bei der Krebserkrankung der Klägerin in der Summe ein viel höheres Potenzial als den unspezifischen Immuntherapien mit Interferon oder Yervoy beimisst. Die Beklagte und ersichtlich auch der MDK werden mit ihrer (zu engen) Auffassung den besonderen Leistungsanforderungen, die den gesetzlichen Krankenkassen nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung aus den Grundrechten der Versicherten erwachsen, im vorliegenden Fall nicht ausreichend gerecht (anders etwa LSG Hessen, Beschl. v. 28.03.2013, - L 8 KR 68/13 ZVW - ; LSG, Urt. v. 12.01.2012, - L 5 KR 49/10 -; zum Recht der beamtenrechtlichen Beihilfe etwa VGH Baden-Württemberg Urt. v. 14.07.2010, - 11 S 2730/09 -). Der Senat sieht sich mit dieser Rechtsprechung im Wesentlichen in Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 26.2.2013, - 1 BvR 2045/12 -; zum Recht der privaten Krankenversicherung etwa BGH, Urt. v. 30.10.2013, - IV ZR 307/12 -).
b).
85 
Die auch im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachtenden Maßgaben des Arzneimittelrechts stehen der Leistungsgewährung nicht entgegen.
86 
Hinsichtlich der Herstellung der bei der Klägerin durch PD Dr. G. im mehreren Behandlungszyklen applizierten dendritischen Zellen als zelluläres Arzneimittel für neuartige Therapien (§§ 4 Abs. 9, 4b AMG) ist, wie der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. K. entnimmt, ein übliches Verfahren angewendet worden. Dass es keinen allgemein Herstellungsstandard gibt, ist nicht maßgeblich. Die Einwendungen im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H., der offenbar die angewandte Herstellungsmethode in ihrer Eigenart nicht hat nachvollziehen können, sind daher nicht berechtigt. Dass die Firma C. die dendritischen Zellen unter Verletzung des Arzneimittelrechts hergestellt und in Verkehr gebracht hätte, ist von der Beklagten letztendlich nur behauptet worden; stichhaltige Anhaltspunkte hierfür bestehen - auch im Hinblick auf das eingangs dargestellte - Übergangsrecht für Arzneimittel für neuartige Therapien nicht. Wie die Firma C. unter dem 27.02. 2014 mitgeteilt hat, hat sie die Herstellung dendritischer Zellen im April 2012 eingestellt. Die Herstellung dendritischer Zellen wird nunmehr von dem Labor Dr. G. vorgenommen. Die abschließende Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde über die von der Firma C. seinerzeit beantragte Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG ist offenbar nicht ergangen, so dass es für die streitige Zeit (2009, 2010) bei der Anwendung des Übergangsrechts (insbesondere § 144 Abs. 1 AMG) bleibt. Die Beklagte kann den grundrechtsfundierten Leistungsanspruch der Klägerin nicht unter Hinweis auf (verfahrensrechtliche) arzneimittelrechtliche Anforderungen an die Herstellung und Anwendung der bei der Klägerin applizierten dendritischen Zellen abwehren, nachdem insoweit sachliche Bedenken, wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervorgeht, nicht bestehen und auch weder von der Beklagten noch vom MDK (substantiiert) geltend gemacht werden.
3.)
87 
Die übrigen Voraussetzungen des von der Klägerin verfolgten Erstattungsbegehrens sind erfüllt. Die Klägerin hat die Behandlungskosten nach Maßgabe der Rechnungen des PD Dr. G. gezahlt und dessen Zahlungsanspruch erfüllt. Bedenken hinsichtlich der Höhe der Kosten sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
88 
Insgesamt erweisen sich damit der Bescheid der Beklagten vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 sowie der Bescheid vom 06.08.2009 als rechtswidrig. Diese Bescheide können damit ebenso wenig Bestand haben wie das Urteil des SG. Der Berufung der Klägerin war in vollem Umfang stattzugeben.
IV.
89 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
90 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Gründe

 
55 
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem geltend gemachten Erstattungsbetrag von über 12.000 EUR überschritten. Die Berufung ist auch sonst zulässig (§ 151 SGG). Sie ist auch begründet. Die Beklagte hat die Erstattung der Aufwendungen der Klägerin für die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht abgelehnt.
56 
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Beklagte der Klägerin 12.601,79 EUR zu erstatten hat, die die Klägerin der Firma C. auf deren Rechnungen vom 16.07.2009, 22.02.2010 und 16.12.2010 gezahlt hat. Die Erstattung des Betrags der Rechnung vom 16.07.2009 war bereits Gegenstand des Bescheids vom 06.08.2010. Ob der Widerspruch gegen diesen Bescheid tatsächlich von der Klägerin am 08.10.2009 fernmündlich zurückgenommen wurde und ob ein nicht weiter bestätigter Telefonvermerk eines Mitarbeiters der Beklagten ausreicht, das Widerspruchsverfahren einzustellen, kann offenbleiben. Da die Klägerin mit dem eingereichten Schreiben vom 09.02.2010 die Übernahme der gesamten Kosten der bisherigen Behandlung mit dendritischen Zellen verlangt hat, bezieht sich der Bescheid vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 nicht nur auf die Rechnungen vom 22.02.2010 und 16.12.2010, sondern auch auf die Rechnung vom 16.07.2010. Jedenfalls der Widerspruchsbescheid vom 28.09.2010 enthält eine abschließende Stellungnahme der Beklagten zum gesamten Behandlungskomplex mit dendritischen Zellen als Folge des im Juni 2009 operativ entfernten Schleimhautmelanoms der Klägerin. Das SG hat deshalb zu Recht in diesen Bescheiden eine inzidente Ablehnung eines Antrags nach § 44 SGB X in Bezug auf den Bescheid vom 06.08.2009 gesehen. Die Beklagte hat die erneute Überprüfung des Bescheids nach § 44 SGB X durch den Senat im Berufungsverfahren auch nicht in Frage gestellt.
I.
57 
Rechtsgrundlage des mit Klage und Berufung verfolgten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift sieht in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urt. v. 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -).
58 
Der hier allein in Betracht kommende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und grundsätzlich auch einen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten voraus. Die rechtswidrige Ablehnung der Leistung scheidet für solche (selbst beschaffte) Leistungen von vornherein aus, die von den Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung nicht zu erbringen sind. Der Kostenerstattungsanspruch gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB V reicht nämlich nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Der Ursachenzusammenhang zwischen rechtswidriger Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urt. v. 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V).
59 
§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V darf nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 19.03.2009 - 1 BvR 316/09) nicht in der Weise ausgelegt werden, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt. Dies gilt erst recht, wenn - wie nachstehend aufgezeigt - bei grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts des SGB V ein Anspruch auf Behandlung mit dendritischen Zellen besteht, den die Beklagte von Anfang an als Sachleistung hätte gewähren müssen und den sie in der Folge zu Unrecht abgelehnt hat. Bei der Rechtsanwendung im Einzelfall müssen dann die grundrechtlichen Maßgaben insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes berücksichtigt werden, namentlich, wenn erhebliche und nicht wiedergutzumachende Schäden für Leib und Leben drohen (Art. 2 Abs. 2 GG) und der Versicherte deswegen existentielle Leistungen der Krankenversicherung begehrt. Auch insoweit gilt, dass sich das Gericht (genauso wie die Krankenkasse) schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -; auch Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B - zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung). Das verbietet es, im Einzelfall überzogene und damit unverhältnismäßige Verfahrenserfordernisse nicht nur für den Zugang des Versicherten zu den Leistungen der Krankenkasse, sondern auch für die Selbstbeschaffung einer Leistung und die Erstattung der hierfür entstandenen Aufwendungen nach Maßgabe des § 13 Abs. 3 SGB V aufzustellen. Gerade in den Fällen des § 2 Abs. 1a SGB V, also bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen wird es daher vielfach genügen müssen, wenn der Versicherte sich mit seinem Leistungsbegehren unverzüglich an die Krankenkasse wendet und dieser daher jedenfalls eine zeitnahe Prüfung ermöglicht wird. Einzelheiten des Beschaffungswegs werden dann für den Erstattungsanspruch keine ausschlaggebende Rolle spielen können, vielmehr wird die Krankenkasse und im Streitfall das Gericht zu prüfen haben, ob das Erstattungsverlangen in der Sache berechtigt ist.
II.
60 
Rechtsgrundlage des dem Kostenerstattungsanspruch zugrunde liegenden Leistungsanspruchs auf Gewährung ärztlicher Behandlung ist § 27 Abs. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB V) auch die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V). Der Anspruch auf Krankenbehandlung bzw. Arzneimittelversorgung unterliegt den für alle Leistungsansprüche (§ 11 SGB V) geltenden allgemeinen Maßgaben der §§ 2, 12 SGB V. Gem. § 2 Abs. 1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Gem. § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Die Versicherten erhalten die ihnen danach zustehenden Leistungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V als Sach- und Dienstleistungen, soweit das SGB V nichts anderes vorsieht.
1.)
61 
Bei der Versorgung der Versicherten mit ärztlicher Heilbehandlung ist hinsichtlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (BSG, Urt. v. 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -) zu beachten. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch dann nur zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen (vgl. BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -), wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. An die Entscheidungen des Bundesausschusses sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R - m.w.N.). Ohne befürwortende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht (zu alledem auch Senatsurteil vom 30.8.2006, - L 5 KR 281/06 -). Die Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst „Methoden“, also Maßnahmen, die bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandt werden (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -); dazu können ggf. auch über die bloße Verabreichung von Arzneimitteln hinausgehende Pharmakotherapien zählen.
62 
Neu ist eine Behandlungsmethode zunächst dann, wenn sie erst nach Inkrafttreten des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V - also erst in der Zeit seit dem 01.01.1989 - als kassen- bzw vertragsärztliche Behandlungsmethode praktiziert worden ist. Neu ist auch eine Behandlungsmethode, für die eine entsprechende Leistungsposition im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zunächst nicht bestand, diese vielmehr erst später - nach dem 01.01.1989 - in das Leistungsverzeichnis des EBM-Ä aufgenommen wurde (zur Maßgeblichkeit des EBM auch BSG, Urt. v. 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -). Nach diesen Abgrenzungen ist bei Arzneitherapien - bei Arzneimitteln ist kein Raum für die Schaffung einer Leistungsposition im EBM-Ä - darauf abzustellen, ob sie schon vor dem 01.01.1989 oder erst nach dem 01.01.1989 praktiziert wurden. Wurden sie schon vorher praktiziert, so sind sie nicht neu; dann käme nur eine Überprüfung nach Maßgabe des § 135 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V in Betracht, wonach die Verordnungsfähigkeit erst ausgeschlossen wäre, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die Behandlungsmethode ausdrücklich für unvereinbar mit den Erfordernissen des § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V erklärt hatte (BSG; Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 48/09 R -). Eine Behandlungsmethode kann auch dann als „neu“ zu beurteilen und deshalb der besonderen krankenversicherungsrechtlichen Qualitätskontrolle zu unterwerfen sein, wenn sie sich aus einer neuartigen Kombination verschiedener - für sich jeweils anerkannter oder zugelassener - Maßnahmen zusammensetzt (BSG; Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -).
63 
Näheres zur Arzneimittelversorgung der Versicherten ist in § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V geregelt. Danach besteht Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Der (krankenversicherungsrechtliche) Arzneimittelbegriff in §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 31 SGB V knüpft an den (verwaltungsrechtlichen) Arzneimittelbegriff des AMG an. Dieser ist in der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG festgelegt; weitere Begriffsbestimmungen enthält § 4 AMG. Gem. § 2 Abs. 1. AMG sind Arzneimittel (u.a.) Stoffe, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im menschlichen Körper Krankheiten zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen; Stoffe in diesem Sinne sind gem. § 3 Nr. 3 AMG auch menschliche Stoffwechselprodukte in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand, also auch Blut und Blutplasma (Rehmann, AMG § 3 Rdnr. 2). Gem. § 4 Abs. 2 AMG sind Blutzubereitungen Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten. § 4 Abs. 9 AMG (i. d. F. des Gesetzes v. 17.07.2009, BGBl. I, S. 1990, gültig ab 23.07.2009) bestimmt, dass (u.a.) somatische Zelltherapeutika (i. S. d. in dieser Vorschrift genannten EG-Verordnungen) Arzneimittel für neuartige Therapien sind. Das aus dem Blut des Patienten durch Beladung mit Antigenen hergestellte Präparat mit dendritischen Zellen stellt ein (zelluläres) Arzneimittel (Blutzubereitung bzw. somatisches Zelltherapeutikum nach § 4 Abs. 2, 9 AMG) dar (vgl. dazu auch etwa OLG München, Urt. v. 16.11.2005, - 20 U 3950/05 - sowie DÖSGHO-Jahrestagung, veröffentlicht unter www://haematologie-onlologie.universimed.com/artikel). Damit unterliegt die Herstellung dendritischer Zellen und deren Anwendung im Rahmen der Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V den Maßgaben des Arzneimittelrechts.
64 
Hinsichtlich der Herstellung dendritischer Zellen ist gem. § 20b Abs. 1 und 4 AMG (eingeführt durch Gesetz v. 20.07.2007, BGBl. I. S. 1574 zum 01.08.2007) im Grundsatz eine behördliche Erlaubnis notwendig. Hinsichtlich der Arzneimittel für neuartige Therapien nach § 4b AMG (eingeführt durch Gesetz v. 17.07.2009, a. a. O. zum 23.07.2009), also für Arzneimittel, die als individuelle Zubereitung für einen einzelnen Patienten ärztlich verschrieben, nach spezifischen Qualitätsnormen nicht routinemäßig hergestellt und in einer spezialisierten Einrichtung der Krankenversorgung unter der fachlichen Verantwortung eines Arztes angewendet werden (§ 4b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AMG) sind in der (ebenfalls ab 23.07.2009 geltenden) Vorschrift des § 144 AMG Übergangsregelungen getroffen worden. Danach gilt (u.a.): Wer die in § 4b Abs. 1 AMG genannten Arzneimittel für neuartige Therapien am 23.07.2009 befugt herstellt und bis zum 01.012010 eine Herstellungserlaubnis beantragt, darf diese Arzneimittel bis zur Entscheidung über den gestellten Antrag weiter herstellen.
65 
Hinsichtlich des Inverkehrbringens dendritischer Zellen ist die für Fertigarzneimittel, wozu auch außerhalb der Apotheke gewerblich hergestellte Rezepturarzneimittel gehören (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 AMG), gem. § 21 Abs. 1 AMG an sich notwendige arzneimittelrechtliche Zulassung nicht erforderlich. Gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1a AMG bedarf es einer Zulassung nämlich nicht für Arzneimittel, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden; dies trifft auf das in Rede stehende zelluläre Arzneimittel zu. Nach näherer Maßgabe des § 21a Abs. 1 AMG kann demgegenüber ggf. eine Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde erforderlich sein (vgl. § 21a Abs. 1 Satz 3: Blutstammzellzubereitungen zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung).
2.)
66 
Bei der Anwendung von Arzneimitteln können die Maßgaben des Arzneimittelrechts, insbesondere arzneimittelrechtliche Verkehrsverbote mit ihren Folgewirkungen für das Krankenversicherungsrecht (dazu näher etwa Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B -: Botoxinjektion zur Blasenvergrößerung), und der krankenversicherungsrechtliche Erlaubnisvorbehalt für die Anwendung neuer ärztlicher Behandlungsmethoden gem. § 135 Abs. 1 SGB V gleichzeitig anzuwenden sein. Für die Abgrenzung der Pharmakotherapie durch bloße Verabreichung eines Arzneimittels - auch im Wege der Injektion - von der Pharmakotherapie als ärztliche Behandlungsmethode kommt es darauf an, welches Gewicht der ärztlichen Tätigkeit für den Therapieerfolg zukommt (vgl. näher BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -, LSG Baden-Württemberg, Urt. v. Urt. v. 15.5.2012, - L 11 KR 5817/10 -). Ist diese im Rahmen eines Zusammenspiels von ärztlicher Kunst und Arzneimittelgabe ebenso wichtig wie das Wirkprinzip des in den Körper eingebrachten Stoffes, liegt in jedem Fall eine über die schlichte Verabreichung eines Arzneimittels hinausgehende ärztliche Behandlungsmethode vor. Die Anforderungen des Krankenversicherungsrechts sind dann ggf. im Erlaubnisverfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu prüfen. Dessen krankenversicherungsrechtliche Prüfung kommt zur ggf. notwendigen arzneimittelrechtlichen Prüfung durch die hierfür zuständige Verwaltungsbehörde hinzu (vgl. BSG Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -). Für solche Pharmakotherapien besteht eine Leistungspflicht der Krankenkasse daher erst dann, wenn die aus dem Arzneimittelrecht folgenden leistungsrechtlichen Mindestvoraussetzungen und die krankenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine neue Behandlungsmethode kumulativ erfüllt sind, wenn also weder ein arzneimittelrechtliches Verkehrsverbot noch der krankenversicherungsrechtliche Erlaubnisvorbehalt das verwendete Arzneimittel erfasst (BSG Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 -; auch dazu Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B -). Das gilt nach Auffassung des Senats für die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen als Anwendung eines zellulären Arzneimittels für neuartige Therapien i. S. d. § 4 Abs. 9 AMG. Dabei handelt es sich (wovon ersichtlich auch die Beteiligten ausgehen) nicht um die bloße Verabreichung eines Arzneimittels, sondern um eine ärztliche Behandlungsmethode nach § 135 Abs. 1 SGB V.
3.)
67 
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt und des Fehlens einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde und damit ein „Systemversagen“ vorliegt. Dann ist die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien nämlich rechtswidrig unterblieben, weshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (näher BSGE 81, 54 sowie BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -). Auch bei Krankheiten, die wegen ihrer Seltenheit praktisch nicht systematisch erforschbar sind, muss die Behandlung aus dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht schon mangels entsprechender Empfehlung des Bundesausschusses ausscheiden (vgl. dazu BSGE 93,236).
68 
Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG können sich (ansonsten nicht bestehende) Leistungsansprüche darüber hinaus auch aus einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts ergeben. In seinem Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlichen Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig.
69 
Das Bundessozialgericht hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG Urt. v. 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung (oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit - BSG, Urt. v. 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht bei BSG, Urt. v. 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr individuelle Notlage gegeben sein, wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschl. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -).
70 
Diese Grundsätze sind auf die Arzneimittelversorgung übertragen worden. Sie können ggf. einen Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln begründen, die arzneimittelrechtlich noch gar nicht oder nicht für den in Rede stehenden Anwendungsbereich zugelassen sind. Ergänzend hat das BSG - im Hinblick auf die Versorgung mit Arzneimitteln - aber dargelegt, dass an das Krankheits-Kriterium (im Sinne der vorstehend unter 1. genannten Voraussetzung) strengere Anforderungen zu stellen sind als an das Kriterium der schwerwiegenden Erkrankung für die Eröffnung des Off-Label-Use (vgl. BSG, Urt. v. 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -; auch BSG, Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 48/09 R -).
71 
In der seit 01.01.2012 geltenden Vorschrift des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V hat der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG entwickelten Rechtgrundsätze zu grundrechtsfundierten Leistungsansprüchen in das SGB V aufgenommen. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende, insbesondere also eine in Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (noch) nicht entsprechende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung festgestellt. Für Auslegung und Anwendung des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V sind die Maßgaben der genannten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG heranzuziehen (Senatsurteil vom 14.03.2012, - L 5 KR 5406/11 -).
III.
72 
Davon ausgehend steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von PD Dr. G. in den Jahren 2009 und 2010 durchgeführte Behandlung mit dendritischen Zellen zu. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V sind erfüllt. Die Klägerin hat den in dieser Vorschrift vorgesehenen Beschaffungsweg eingehalten (unten 1). Die Beklagte hat die von der Klägerin selbstbeschaffte Leistung auch zu Unrecht abgelehnt (unten 2). Auch die Übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs sind erfüllt (unten 3).
1.)
73 
Die Klägerin hat sich die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen durch PD Dr. G. ohne Missachtung des in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Beschaffungswegs selbst beschafft. Die Frage nach der Einhaltung des Beschaffungswegs kann sich dabei nur auf die Rechnungen beziehen, die vor der grundsätzlichen Ablehnungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 06.08.2009 ergangen sind, das ist hier allein die Rechnung vom 16.07.2009. Die Klägerin hat nämlich mit ihrem Antrag vom 09.07.2009 initial für die gesamte Behandlung mit dendritischen Zellen den Antrag auf Kostenfreistellung bei der Beklagten gestellt; das genügt (BSG Urt. v. 07.05.2013 - B 1 KR 44/12 R - Juris Rn 30). Eine Beschränkung lediglich auf die im Juli 2009 angefallenen Kosten lässt sich diesem Antrag nicht entnehmen. Im Übrigen stellen sich die einzelnen Behandlungszyklen als unselbständige (Teil-)Leistungen der auf die Verhinderung der Metastasenbildung gerichteten adjuvanten Behandlung der Klägerin nach der operativen Entfernung des Tumorgewebes dar, weshalb es mit dem (rechtzeitigen) Herantragen des Leistungsbegehrens an die Beklagte hinsichtlich des ersten Behandlungszyklus sein Bewenden haben muss.
74 
Die Klägerin, die an einem im Juni 2009 diagnostizierten Schleimhautmelanom und damit - wie Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 03.02.2012 dargelegt hat - an einer seltenen Untergruppe des Melanoms mit wesentlich schlechterer Prognose als das Hautmelanom (kutane Melanom) leidet, ist am 05.06.2009 und am 13.07.2009 durch Exzision des Tumors und Nachresektion operativ behandelt worden. Die (weitere) Behandlung mit dendritischen Zellen ist danach im Juli 2009 aufgenommen und in mehreren Behandlungszyklen durchgeführt worden. Die Klägerin hat sich - hinsichtlich des ersten Behandlungszyklus - erstmals am 09.07.2009, also noch vor der operativen Tumornachresektion am 13.07.2009, wegen einer sich an die operative Therapie anschließenden (adjuvanten) Nachbehandlung mit dendritischen Zellen (zur Metastasenprophylaxe) an die Beklagte gewandt und die Gewährung dieser Behandlung als Sachleistung beantragt. Sie hat sich nicht von vornherein außerhalb des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung gestellt, um sich von dort ohne weitere Prüfung durch die Krankenkasse eine vom Leistungskatalog nicht umfasste Behandlungsleistung zu verschaffen, sondern sie hat die Beklagte nach Lage der Dinge unverzüglich mit dem Leistungsbegehren konfrontiert und eine zeitnahe Prüfung ermöglicht. Dass mit der Herstellung der dendritischen Zellen wenige Tage vor Antragstellung - am 07.07.2009 - begonnen worden ist, ist demgegenüber unschädlich, ohne dass es noch darauf ankäme, ob man den Behandlungsbeginn der dendritischen Zelltherapie auf diesen Tag oder den Tag der erstmaligen Verabreichung der dendritischen Zellen festzulegen hätte. Angesichts der Gefahr einer Metastasierung der schweren Krebserkrankung und der damit verbundenen Todesgefahr ist es im Hinblick auf das Grundrecht der Klägerin auf Leben und Gesundheit bzw. die daraus folgenden Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zu vereinbaren, ihr zur Vermeidung einer etwaigen Kostenbelastung vor der Aufnahme der in Rede stehenden Behandlung zur Metastasenprophylaxe auch das Abwarten einer (Ablehnungs-)Entscheidung der Beklagten abzuvE. (ebenso BSG Urt. v. 12.09.2012 - B 3 KR 20/11 R - Juris Rn 12 für den Fall einer verzögerten Entscheidung über eine Hilfsmittelgewährung), zumal angesichts der zu erwartenden Einschaltung des MDK mit einem länger dauernden Verwaltungsverfahren zu rechnen gewesen ist. Bei dieser Sachlage kommt es nicht in Betracht, den geltend gemachten Erstattungsanspruch schon wegen der Einzelheiten des Beschaffungsvorgangs abzulehnen, vielmehr ist eine Sachprüfung erforderlich.
2.)
75 
Die Beklagte hat die Gewährung der beantragten Behandlung mit dendritischen Zellen zu Unrecht abgelehnt. Die Beklagte hätte der Klägerin die in Rede stehende Behandlung nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs als Sachleistung gewähren müssen (unten a). Vorschriften des Arzneimittelrechts stehen dem nicht entgegen (unten b).
a.)
76 
Die Klägerin hatte Anspruch auf die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
77 
Bei der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode i. S. d § 135 Abs. 1 SGB V; für diese ärztliche Leistung ist eine Leistungsposition im EBM nicht vorhanden. Eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses existiert nicht. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist mit der hier streitigen Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen auch nicht befasst, wie er gegenüber dem Senat mit Schreiben vom 13.03.2014 dargelegt hat. Anhaltspunkte für ein so genanntes Systemversagen liegen nicht vor (Senatsbeschluss vom 16.05.2011, - L 5 KR 970/11 ER-B -). Bei dem Schleimhautmelanom, an dem die Klägerin leidet, handelt es sich zwar um eine seltene Untergruppe des Melanoms, jedoch nicht um eine wegen ihrer Seltenheit systematisch gar nicht erforschbare Krankheit. Hierüber herrscht unter den Beteiligten ersichtlich kein Streit. Danach kommt ein Leistungsanspruch nur nach Maßgabe der vom BVerfG (Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) vorgenommenen grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (jetzt: § 2 Abs. 1a SGB V) in Betracht. Die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind erfüllt.
78 
Die Klägerin leidet (unstreitig) an einer lebensbedrohlichen und regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung. Das Schleimhautmelanom, an dem sie erkrankt ist, hat, wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervorgeht, eine äußerst schlechte und (noch) ungünstigere Überlebensprognose als das kutane Melanom (der Haut) mit einer mittleren Überlebenszeit von 10 bis 13 Monaten. Über 90% der Patienten versterben innerhalb von 5 Jahren. Entgegen der Auffassung der Beklagten (und des MDK, etwa Gutachten des Dr. G. vom 05.10.2009) scheitert die Leistungsgewährung auch nicht am Erfordernis einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage. Das BVerfG hat hierfür ersichtlich stets auf den Einzelfall abgestellt und eine rein zeitliche Betrachtung nicht vorgenommen, etwa auch ausreichen lassen, dass in Sonderfällen der Tod voraussichtlich erst in einigen Jahren eintreten wird (Beschl. v. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -). Auch die Unterscheidung zwischen einer adjuvanten und einer kurativen Behandlungssituation, auf die sich der MDK stützen will, ist für die hier maßgebliche grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die Behandlung mit dendritischen Zellen hat nach der operativen Entfernung des Tumorgewebes zum Ziel, die Bildung von Metastasen zu verhindern. Nur dann besteht Aussicht auf eine Heilung der Krebserkrankung. Sind demgegenüber Metastasen aufgetreten, bestehen praktisch keine aussichtsreichen Behandlungsmöglichkeiten mehr und es muss mit einem (baldigen, innerhalb von Monaten eintretenden) Tod des Patienten gerechnet werden. Der Senat entnimmt dies dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. K.. Danach liegt die (sehr) schlechte Prognose des Schleimhautmelanoms (u.a.) daran, dass es rasch zu Fernmetastasen kommt. Ist es dazu gekommen, besteht allenfalls noch eine Therapieoption durch Yervoy, was aber nur bei maximal 10% der Patienten einen längeren Nutzen hat (mit schweren Nebenwirkungen bei 30% der Patienten). Bei dieser Sachlage gibt es keine Zwischenzeit zwischen der operativen Entfernung des Tumorgewebes und dem jedenfalls im Stadium der Heilungsbewährung stattfindenden Auftreten von Metastasen, während der die für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs notwendige individuelle Notlage naher Lebensgefahr nicht bestünde und während der zunächst das ohne adjuvante Therapie (erst recht) zu erwartende Auftreten von Metastasen abzuwarten wäre. Die vorliegende Fallgestaltung ist nach Ansicht des Senats mit der Fallgestaltung eines Prostatakarzinoms im Anfangsstadium ohne Hinweis auf metastatische Absiedlungen (vgl. BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -) nicht vergleichbar. Der These, eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs sei auf die Situation der Rezidivprophylaxe nicht anwendbar (vgl. etwa LSG Schleswig- Holstein, Urt. v. 08.09.2011, L 5 KR 97/10 -), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen; sie findet in der Rechtsprechung des BVerfG keine ausreichende Stütze.
79 
Damit ist vorliegend letztendlich ausschlaggebend, ob für die - konkrete - Erkrankung der Klägerin eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht, und, wenn dies nicht festgestellt werden kann, ob für die bei ihr angewandte Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen eine durch Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Da für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs die Grundrechte des jeweiligen Versicherten und die diesem bei Verweigerung der Leistung im Einzelfall drohenden Grundrechtseingriffe bzw. Grundrechtsverletzungen maßgeblich sind, findet eine vom Einzelfall gelöste abstrakte Betrachtung, etwa im Sinne einer abstrakten wissenschaftlich-medizinischen Methodendiskussion, nicht statt.
80 
Für die adjuvante Therapie des Schleimhautmelanoms der Klägerin steht nach Auffassung des Senats eine allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende und die Anwendung der in Rede stehenden Alternativtherapie verdrängende Behandlungsmethode nicht zur Verfügung. Die Beklagte verweist (gestützt auf das MDK-Gutachten des Prof. Dr. H.) auf eine Interferonbehandlung, die man als eine Art „Analogbehandlung“ entsprechend der Behandlung des kutanen Melanoms auch beim (mit dem kutanen Melanom tumorbiologisch jedoch nicht ohne Weiteres gleichzusetzenden) Schleimhautmelanom anwenden könne. Die Wirksamkeit einer solchen Therapie wird aber - wenn auch gestützt durch eine von Prof. Dr. H. angeführte Phase-II-Studie in den USA - nur vermutet. Demgegenüber hat Prof. Dr. K. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt, dass es eine wirksame adjuvante Therapie zur Verhinderung einer Fernmetastasierung beim Schleimhautmelanom nicht gibt und darauf verwiesen, dass Patienten mit Schleimhautmelanomen von den Interferonstudien (gerade) ausgeschlossen werden. Die Erfahrungen mit der mangels Alternativen notgedrungen eingesetzten Interferon- und Chemotherapie hat Prof. Dr. K. als unbefriedigend eingestuft; sie würden nur „anekdotenhaft“ in Übersichtsarbeiten erwähnt. In der Literatur findet sich - so Prof. Dr. K. - keine einzige Publikation, die über eine wirksame adjuvante Therapie beim Schleimhautmelanom berichtet.
81 
Prof. Dr. H. hat im MDK-Gutachten vom 16.07.2012 der Auffassung des Prof. Dr. K. im Kern zugestimmt und ebenfalls dargelegt, dass es eine zugelassene adjuvante Therapie zur Verhinderung von Fernmetastasen beim anorektalen Melanom (dem Schleimhautmelanom der Klägerin) nicht gibt. Hierfür bestehen - so Prof. Dr. H. - nahezu keine gesicherten Erkenntnisse. Es finden sich vielmehr nur - und seien es auch deutliche - Hinweise in der wissenschaftlichen Literatur, dass Patienten mit anorektalem Melanom in Analogie zu Patienten mit kutanem Melanom behandelt werden, wie es in der Onkologie auch bei anderen Tumorentitäten gehandhabt wird. Der Erfolg der letztendlich auf die Vermutung einer (tumorbiologischen) Vergleichbarkeit des Schleimhautmelanoms mit dem kutanen Melanom gestützten Interferonbehandlung ist im Übrigen schon beim kutanen Melanom sehr gering; weniger als 10% der Patienten haben davon einen Nutzen. Insgesamt besteht daher nach der überzeugenden Auffassung des Prof. Dr. K. für die Wirksamkeit der der Klägerin im Tumorboard des Comprehensive Cancer Center U. vorgeschlagenen Interferontherapie beim Schleimhautmelanom jeglicher Anhalt und es muss auf der Grundlage der publizierten Erfahrungen davon ausgegangen werden, dass ihr eine Interferontherapie keinen Nutzen gebracht hätte. Sie kann damit nicht auf diese Therapie als Standardtherapie verwiesen werden. Dem ist im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H. nichts wirklich Überzeugendes entgegengesetzt. Prof. Dr. H. hat sich der Sache nach mit einer eher vom Erkrankungsfall der Klägerin abstrahierenden Methodendiskussion befasst, etwa indem er es als gültige Lehrmeinung bezeichnet, Patienten mit malignen Melanomen (in einem bestimmten Stadium) eine adjuvante Interferontherapie unter sorgfältiger Abwägung und Aufklärung anzubieten; damit wird nicht ausreichend klar auf den Behandlungsfall der Klägerin eingegangen. Die Schlussfolgerung des Prof. Dr. H., für diese stehe mit der Interferontherapie - und das auch nur grundsätzlich - eine Standardtherapie zur adjuvanten Behandlung des malignen Melanoms zur Verfügung, ist im Kern zu allgemein gehalten. Der Senat kann ihr angesichts der überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. K., denen sich Prof. Dr. H. in wesentlichen Teilen auch angeschlossen hat, nicht folgen. Die Klägerin ist auch nicht auf eine weitere Operation, etwa die Entfernung von Wächterlymphnoten (MDK-Gutachten des Prof. Dr. H.) zu verweisen. Prof. Dr. K. hat in seinem Gutachten insoweit schlüssig dargelegt, dass die Überlebensprognose der Klägerin weder durch eine größere lokale Operation noch durch eine diagnostische oder elektive Lymphknotenexstirpation/-dissektion zu verbessern wäre. Außerdem ist Gegenstand des vorliegenden Streits keine (weitere) operative Heilbehandlung, sondern eine adjuvante Heilbehandlung durch Anwendung eines zellulären Arzneimittels zur Metastasenprophylaxe.
82 
Hinsichtlich der bei der Klägerin durch PD Dr. G. (ärztlich) angewandten Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen besteht eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
83 
Der Anspruch des Versicherten auf Gewährung ärztlicher Behandlung (§§ 27, 28 SGB V) als Sachleistung im Wege der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (bzw. jetzt nach Maßgabe des § 2 Abs. 1a SGB V) erfordert nach der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG nicht, dass die begehrte Behandlungsmethode bereits als Standard etabliert ist und dass ihre Wirksamkeit durch größere kontrollierte oder belastbare Studien (bereits) bewiesen ist oder dass sie Eingang in die klinische Routine gefunden hat; die entsprechenden Postulate im MDK-Gutachten des Dr. G. vom 08.10.2009 und auch im MDK-Gutachten des Dr. B. vom 12.05.2010 sowie im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H. sind zu eng und so mit den verfassungsgerichtlichen Maßgaben der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs nicht vereinbar. Ein grundrechtsfundierter (bzw. in § 2 Abs. 1a SGB V verankerter) Leitungsanspruch ist auch nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die zuständige medizinische Fachgesellschaft - hier die Deutsche Krebsgesellschaft - die in Rede stehende Behandlungsmethode nicht als Therapie empfiehlt. Empfehlungen dieser Art haben tatsächliches Gewicht, jedoch keine den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nahekommende Ausschlusswirkung. Davon abgesehen hat die Deutsche Krebsgesellschaft die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen in ihrer Stellungnahme vom 03.11.2011 zur Therapie von Tumorpatienten mit onkologischen Viren auch nicht allgemein abgelehnt, sondern darauf verwiesen, dass hinsichtlich der onkologischen Virentherapie - die der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen entspricht - bei in der Regel sehr guter Verträglichkeit in einzelnen Fällen eine gute Wirksamkeit dokumentiert worden ist. Bedenken werden vor allem in Hinblick auf (derzeit nicht) auszuschließende negative Auswirkungen geäußert. Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt die in Rede stehende Behandlung - immerhin - im Rahmen klinischer Studien. Ungeachtet des negativen Tenors sind der genannten Empfehlung damit - worauf alleine es für die Gewährung eines grundrechtsfundierten Leistungsanspruchs ankommt - (sogar) Indizien für eine nicht ganz fern liegende positive Wirkung der dendritischen Zellbehandlung zu entnehmen. Hinzukommt als weiteres stützendes Indiz, dass - so Prof. Dr. K. in seinem Gutachten - in fast allen von ihm gesichteten Studien zur Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen von einem klinischen Ansprechen bei einem Teil der Patienten berichtet wird mit Ansprechraten bei der Tumorentität Melanom von wenigen Prozent bis (immerhin) 30 %; in 14 von 46 Studien wird sogar über komplette Remissionen, die auch andere Tumorentitäten (wie Nierenzellkarzinom oder Lymphom) betreffen, berichtet. Dass es sich bei diesen Studien in der großen Mehrheit um Phase-I/II-Studien mit in der Regel bis zu 30 Patienten handelt, ist unerheblich. Im Rahmen der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs kommt es nicht auf einen - möglichst weitgehenden - Wirksamkeitsnachweis, sondern nur darauf an, ob eine nicht ganz fern liegende Aussicht wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auf (bloße) Indizien gestützt werden kann. Außerdem liegen (immerhin) 2 randomisierte Phase-III-Studien zur Behandlung des Prostatakarzinoms mit dendritischen Zellen vor. Der indiziellen Wirkung der von Prof. Dr. K. angeführten Studienergebnisse wird man nicht ohne Weiteres die Unterschiede der Tumorentitäten entgegenhalten dürfen, nachdem die Beklagte hinsichtlich der etablierten Behandlungsmethoden ebenfalls einen Analogschluss von der Wirksamkeit der Interferontherapie beim kutanen Melanom auf eine entsprechende Wirksamkeit beim Schleimhautmelanom vornimmt und „Analogbehandlungen“ - so Prof. Dr. H. in seinem MDK-Gutachten - in der Onkologie auch bei anderen seltenen Tumorarten praktiziert werden.
84 
Bei dieser Sachlage kann der an einer schweren Krebserkrankung leidenden Klägerin die Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen ohne Grundrechtsverstoß nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung versagt werden, zumal - wie Prof. Dr. K. in Einklang mit der Deutschen Krebsgesellschaft dargelegt hat - (nur) mit eher milden Nebenwirkungen gerechnet werden muss. Die begehrte Behandlungsmethode enthält als Krebsbehandlung mit zellulären Arzneimitteln im Rahmen neuartiger Therapien (vgl. §§ 4 Abs. 9, 4b AMG) keine „unseriösen“ Heilungsversprechen, für deren Kosten die Versichertengemeinschaft nicht aufzukommen braucht, stellt vielmehr eine (seriöse) ärztliche Behandlungsmethode dar, der Prof. Dr. K. als Koordinator des Hautkrebszentrums der Universitätsklinik E. bei der Krebserkrankung der Klägerin in der Summe ein viel höheres Potenzial als den unspezifischen Immuntherapien mit Interferon oder Yervoy beimisst. Die Beklagte und ersichtlich auch der MDK werden mit ihrer (zu engen) Auffassung den besonderen Leistungsanforderungen, die den gesetzlichen Krankenkassen nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung aus den Grundrechten der Versicherten erwachsen, im vorliegenden Fall nicht ausreichend gerecht (anders etwa LSG Hessen, Beschl. v. 28.03.2013, - L 8 KR 68/13 ZVW - ; LSG, Urt. v. 12.01.2012, - L 5 KR 49/10 -; zum Recht der beamtenrechtlichen Beihilfe etwa VGH Baden-Württemberg Urt. v. 14.07.2010, - 11 S 2730/09 -). Der Senat sieht sich mit dieser Rechtsprechung im Wesentlichen in Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 26.2.2013, - 1 BvR 2045/12 -; zum Recht der privaten Krankenversicherung etwa BGH, Urt. v. 30.10.2013, - IV ZR 307/12 -).
b).
85 
Die auch im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachtenden Maßgaben des Arzneimittelrechts stehen der Leistungsgewährung nicht entgegen.
86 
Hinsichtlich der Herstellung der bei der Klägerin durch PD Dr. G. im mehreren Behandlungszyklen applizierten dendritischen Zellen als zelluläres Arzneimittel für neuartige Therapien (§§ 4 Abs. 9, 4b AMG) ist, wie der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. K. entnimmt, ein übliches Verfahren angewendet worden. Dass es keinen allgemein Herstellungsstandard gibt, ist nicht maßgeblich. Die Einwendungen im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H., der offenbar die angewandte Herstellungsmethode in ihrer Eigenart nicht hat nachvollziehen können, sind daher nicht berechtigt. Dass die Firma C. die dendritischen Zellen unter Verletzung des Arzneimittelrechts hergestellt und in Verkehr gebracht hätte, ist von der Beklagten letztendlich nur behauptet worden; stichhaltige Anhaltspunkte hierfür bestehen - auch im Hinblick auf das eingangs dargestellte - Übergangsrecht für Arzneimittel für neuartige Therapien nicht. Wie die Firma C. unter dem 27.02. 2014 mitgeteilt hat, hat sie die Herstellung dendritischer Zellen im April 2012 eingestellt. Die Herstellung dendritischer Zellen wird nunmehr von dem Labor Dr. G. vorgenommen. Die abschließende Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde über die von der Firma C. seinerzeit beantragte Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG ist offenbar nicht ergangen, so dass es für die streitige Zeit (2009, 2010) bei der Anwendung des Übergangsrechts (insbesondere § 144 Abs. 1 AMG) bleibt. Die Beklagte kann den grundrechtsfundierten Leistungsanspruch der Klägerin nicht unter Hinweis auf (verfahrensrechtliche) arzneimittelrechtliche Anforderungen an die Herstellung und Anwendung der bei der Klägerin applizierten dendritischen Zellen abwehren, nachdem insoweit sachliche Bedenken, wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervorgeht, nicht bestehen und auch weder von der Beklagten noch vom MDK (substantiiert) geltend gemacht werden.
3.)
87 
Die übrigen Voraussetzungen des von der Klägerin verfolgten Erstattungsbegehrens sind erfüllt. Die Klägerin hat die Behandlungskosten nach Maßgabe der Rechnungen des PD Dr. G. gezahlt und dessen Zahlungsanspruch erfüllt. Bedenken hinsichtlich der Höhe der Kosten sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
88 
Insgesamt erweisen sich damit der Bescheid der Beklagten vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 sowie der Bescheid vom 06.08.2009 als rechtswidrig. Diese Bescheide können damit ebenso wenig Bestand haben wie das Urteil des SG. Der Berufung der Klägerin war in vollem Umfang stattzugeben.
IV.
89 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
90 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten in Höhe von 11 564 Euro für eine auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung.

2

Der 1984 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger leidet an Retinitis pigmentosa, einer Netzhauterkrankung, die zu Tunnelblick und in ihrem Endstadium zur Erblindung führt. Im Jahr 2002 beantragte er - ua auf seine nur noch 3 % bis 5 % betragende Sehfähigkeit hinweisend - die Kostenübernahme für eine sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P in H ; dieser Arzt habe eine Therapie entwickelt, die das weitere Absterben der Netzhaut verhindere und das Sehvermögen verbessern könne. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Behandlungsmethode schulmedizinisch nicht allgemein anerkannt sei (Bescheid vom 19.11.2002; Widerspruchsbescheid vom 5.2.2003). Vom 10.1. bis 31.1.2003 ließ sich der Kläger auf Kuba auf eigene Kosten (nach eigenen Angaben 11 564 Euro) entsprechend behandeln.

3

Die Klage auf Kostenerstattung ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 24.3.2006; Urteil des LSG vom 1.8.2007). Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung für die auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung betroffen gewesen ist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3), weil das LSG dem nach § 109 SGG gestellten Antrag des Klägers, Beweis zur Eignung der durchgeführten Heilbehandlung durch den Sachverständigen Prof. M (Universität Bologna) zu erheben, nicht nachgekommen war. Das LSG hat ein Gutachten nach Aktenlage bei Prof. M
dazu eingeholt, ob die Kuba-Therapie dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, und anschließend die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, es fehle an einem hinreichend objektiven Wirksamkeitsnachweis der sog Kuba-Therapie (Urteil vom 16.11.2011).

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Art 2 Abs 2 S 1 sowie von Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip. Das LSG verkenne mit seiner Forderung nach validen Studien oder aussagekräftige Statistiken die Anforderungen, die an Hinweise für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine zumindest spürbare positive Einwirkung der Behandlung auf den Krankheitsverlauf zu stellen seien.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. März 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2003 zu verurteilen, ihm 11 564 Euro zu zahlen,

6

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das an-gefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung von 11 564 Euro Kosten für die Auslandsbehandlung hat, vermag der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen. Es steht nicht fest, dass die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V erfüllt sind.

10

Das LSG hat zwar in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Erstattungsanspruch aus § 18 Abs 1 S 1 SGB V bei Beachtung des Qualitätsgebots(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) abgelehnt (dazu 1.), aber unzureichende Feststellungen zur grundrechtsorientierten Auslegung getroffen (dazu 2.). Eine grundrechtsorientierte Auslegung scheidet allerdings aus, wenn die Überprüfbarkeit der Methode an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten scheitert (dazu 3.).

11

1. Nach den auch den erkennenden Senat bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) beruht der geltend gemachte Anspruch auf § 18 Abs 1 S 1 SGB V(in der hier noch maßgeblichen bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Danach kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist. Der Anspruch setzt ua nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 29) grundsätzlich voraus, dass die Leistung im Ausland den Anforderungen an das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) entspricht. Das hat das LSG im Ergebnis - unangegriffen und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - verneint, weil nicht die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie kein Konsens besteht.

12

2. Nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) kommen Abmilderungen der Anforderungen des Qualitätsgebots infolge grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts der GKV auch im Anwendungsbereich des § 18 SGB V in Betracht. Ist für Versicherte eine nach Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierter Leistungsbestimmung in der GKV zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich, besteht ein Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs 1 S 1 SGB V.

13

Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), bedarf es hierfür zunächst der Feststellung, dass der Kläger im Zeitpunkt der Behandlung an einer Krankheit litt, die zumindest wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar ist. Diesbezüglich hat das erste Revisionsurteil vorgegeben, dass hierfür eine drohende Erblindung in Betracht kommt, hochgradige Sehstörungen demgegenüber nicht ausreichen (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31). Sodann ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), die Feststellung erforderlich, ob, und wenn ja mit welcher Zielrichtung, bezüglich dieser Krankheit zumindest eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht und für den Kläger anwendbar ist. Des Weiteren ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), festzustellen, mit welcher Zielsetzung die sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P durchgeführt wird und ob bezüglich dieser Behandlungsmethode eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers bestand. Hierzu bedarf es der Feststellungen, die für eine abstrakte Nutzen-Risiko-Analyse und für eine Abwägung der Chancen und Risiken dieser Behandlungsmethode gerade im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse bei dem Kläger erforderlich sind. Maßgeblich sind für diese Feststellungen nach den bindenden Vorgaben (§ 170 Abs 5 SGG) die Regeln der ärztlichen Kunst.

14

Das LSG hat zur konkreten Krankheitssituation des Klägers, zu den regelmäßigen, schulmäßigen Behandlungsmethoden bei seiner Augenkrankheit, zu einer Unverträglichkeit dieser Methoden bei dem Kläger und zu den Chancen und Risiken der Kuba-Therapie im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse des Klägers im Behandlungszeitpunkt keine Feststellungen getroffen. Soweit es eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verneint hat, weil es an einem objektiven Wirksamkeitsnachweis fehle, verkennt es die bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGG).

15

Das LSG hat ausgeführt, die Methode sei nicht ausreichend an Menschen evaluiert und werde von der überwiegenden Mehrheit der einschlägigen Fachleute jedenfalls nicht befürwortet, vom wissenschaftlichen Beirat von Pro Retina Deutschland e.V. nicht empfohlen, vom "Health Council of the Netherlands" in den Niederlanden nicht anerkannt und auch in den USA und überwiegend in Europa nicht akzeptiert. Prof. M gehöre zur Minderheit der Befürworter und zu den wenigen Anwendern, gleichwohl vermöge er nur auf seine eigenen klinischen Erfahrungen an Menschen (und Tieren) hinzuweisen, ohne dass valide Studien oder aussagekräftige Statistiken zur Wirksamkeit der Therapie existierten. Die bisherigen Erkenntnisse würden zwar einen positiven Einfluss nicht ausschließen, genügten aber nicht, um von einer "ausreichend gesicherten" positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auszugehen, weil sich der Sachverständige nur auf die Feststellungen der von ihm operierten 126 Menschen stütze und eine graduelle Verzögerung des Sehschärfeverlustes um 18 bis 24 Monaten nicht ausreichend erscheine.

16

Damit überspannt das LSG die Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts. Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), ist es bei der abstrakten und konkreten Prüfung von Risiken und Nutzen geboten, jeweils das erreichbare Behandlungsziel iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu berücksichtigen. Der bei beiden Analysen von Nutzen und Risiken zu beachtende Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der den Zurechnungszusammenhang zwischen Therapie, Erfolg und Risiken betrifft, unterliegt - ähnlich wie bei der Anwendung von Pharmakotherapien mit Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV - aufgrund von Verfassungsrecht Abstufungen je nach Schwere und Stadium der Erkrankung und Ausmaß sowie Eintrittswahrscheinlichkeit von unerwünschten Nebenwirkungen. Erforderlich ist, dass unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt. Soweit danach eine solche Behandlungsmethode in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob bei Anlegen des gleichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch andere (anerkannte) Methoden diesen Anforderungen genügen. Ist dem so, sind diese Methoden untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen (vgl zum Ganzen zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 25 f mwN - LITT, bezogen in BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30).

17

Die Folge dieser Rechtsprechung ist, dass, wenn eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode für eine wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbare Krankheit (generell) überhaupt nicht zur Verfügung steht oder im konkreten Einzelfall ausscheidet, weil der Versicherte diese nachgewiesenermaßen nicht verträgt, der Nachweis des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit einem der notstandsähnlichen Situation angemessenen geringeren Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterfällt. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und 'hoffnungsloser' die Situation, desto geringere Anforderungen an die 'ernsthaften Hinweise' auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg" (BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40; mit ähnlicher Tendenz schon: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, 179; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl 2002, § 130 RdNr 23).

18

Wissenschaftliche Verlaufsbeobachtungen anhand von operierten 126 Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle sind ihrer Art nach ohne Weiteres geeignet, nach den Regeln der ärztlichen Kunst als Grundlage für "Indizien" im dargelegten Sinne für eine positive Einwirkung zu dienen. Nach den Feststellungen des LSG hat Prof. M 126 Patienten mit der Pelaez-Technik jeweils an einem Auge operiert - das nicht operierte Auge diente der Kontrolle - und stellte dabei fest, dass es zu Verbesserungen kam, die sich schrittweise verringerten, bis sie 18 bis 24 Monate nach Einsetzen des Implantats verschwanden.

19

Es entspricht auch nicht den dargelegten bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGB V), einen Erhalt der Sehfähigkeit durch Verbesserung des Sehvermögens für 18 bis 24 Monate als unerheblich anzusehen. Vielmehr handelt es sich ohne Zweifel um eine offenkundig positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Zu den Behandlungszielen des § 27 Abs 1 S 1 SGB V gehören die Heilung einer Krankheit, die Verhütung ihrer Verschlimmerung sowie die Linderung von Krankheitsbeschwerden. Eine "Verhütung der Verschlimmerung" setzt nicht voraus, dass diese dauerhaft ist, also die Erkrankung zum Stillstand kommt. Bei schicksalhaftem Verlauf der Erkrankung genügt es vielmehr, dass ihr Eintritt - hier die Erblindung - hinausgezögert wird (Steege in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2014, K § 27 RdNr 59).

20

Ob die Kuba-Therapie im Zeitpunkt der Behandlung nach den aufgezeigten Maßstäben geeignet war, beim Kläger eine Verschlimmerung im oben genannten Sinne zu vermeiden, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Nach Angaben von Prof. M soll die Behandlung nur auf Fälle mit hoher Progredienz des Krankheitsverlaufs angewendet werden, bei denen andere Methoden fehlschlugen. Das LSG hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die Frage offen gelassen, ob bei dem Kläger eine derartig schnelle Degeneration vorliegt. Entsprechende und ggf die übrigen, oben umschriebenen Feststellungen wird es nachzuholen haben. Mit Blick auf die gebotene abstrakte Nutzen-Risiko-Bewertung genügt es nicht - wie durch das LSG geschehen - nur allgemein mögliche Risiken zu nennen, ohne deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Die zu beurteilenden Risiken (nicht unerhebliches Operationsrisiko, Doppelsehen, welliges Sehen, schnellerer Verfall der Sehschärfe und des Gesichtsfelds als vor der Operation) wird das LSG deshalb abstrakt sowie bezogen auf den Einzelfall fest umreißen und mit dem möglichen Erfolg der Therapie in Anlehnung an Art 2 Abs 2 GG abzuwägen haben.

21

3. Die Notwendigkeit für das LSG, weitere ergänzende Feststellungen zu treffen, kann sich aus den in neuerer Rechtsprechung des erkennenden Senats entwickelten Anforderungen ergeben. Der erkennende Senat darf diese neueren Anforderungen trotz der grundsätzlichen Bindungswirkung (vgl § 170 Abs 5 SGG) seines ersten Revisionsurteils auch in diesem Verfahren zugrunde legen. Ein oberster Gerichtshof des Bundes ist nämlich, wenn er - wie hier der erkennende Senat - seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und erneut mit derselben Sache befasst wird, an seine zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden (vgl GmSOGB BSGE 35, 293, 296 ff = SozR Nr 15 zu § 170 SGG; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 13 mwN).

22

Nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f) verlangt die aus der grundrechtsorientierten Auslegung (heute: § 2 Abs 1a SGB V) resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zugrunde liegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Scheitert die Überprüfbarkeit der Methode nach Maßgabe der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten - womöglich als Teil eines Marketingkonzepts des Behandlers im Ausland -, sind derartige Erkenntnismängel nicht durch die grundrechtsorientierte Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zu überwinden(BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f). Die auch und gerade dem Patientenschutz dienende, tatsächlich mögliche wissenschaftliche Kontrolle, die innerhalb von EU und EWR die Regelungen über die Zulassung neuer Behandlungsmethoden prägt, steht bei Auslandskrankenbehandlungen nach § 18 SGB V nicht zur Disposition der ausländischen Leistungserbringer. Die grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V darf nicht dazu dienen, ein Anreizsystem dafür zu schaffen, dass in Deutschland versicherte Patienten Behandlungsleistungen außerhalb von EU und EWR nur deshalb erhalten, weil sich ihre Anbieter dauerhaft objektiv der tatsächlich möglichen wissenschaftlichen Kontrolle ihrer Leistungen entziehen, insbesondere keine Daten über die Einzelheiten der Behandlung einschließlich ihrer objektivierbaren Folgen veröffentlichen(BSG aaO mwN zur Sicherung des Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs 1 S 3 SGB V durch § 135 Abs 1 SGB V). Das LSG hat zur Ursache bestehender Erkenntnismängel im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers keine Feststellungen getroffen. Auch dies wird es nachzuholen haben.

23

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine selbst beschaffte augenärztliche Behandlung mit dem Arzneimittel Avastin (Wirkstoff Bevacizumab).

2

Die 1938 geborene Klägerin war bei der beklagten Krankenkasse (KK) bis zum 31.8.2008 versichert. Sie leidet an einer erheblichen Visuseinschränkung auf dem rechten Auge wegen rezidivierender Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem bei im Zeitraum 2006/2007 nahezu unbeeinträchtigtem Sehen auf dem linken Auge. Sie beantragte (14.9.2006), die Kosten für die intravitreale Injektion von Avastin zu übernehmen. Entsprechend einer Beurteilung von Prof. Dr. H. seien die Voraussetzungen eines Off-Label-Use von Avastin aufgrund eines diabetischen Makulaödems (zystoid persistierend) erfüllt. Avastin ist in Deutschland nur zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen zugelassen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 5.10.2006). Im November 2006, im Januar 2007 und im März 2007 ließ sich die Klägerin ärztlich intravitreal Avastin injizieren und wendete hierfür insgesamt 982,28 Euro auf. Ihr Überprüfungsantrag (12./15.10.2007) blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 18.10.2007; Widerspruchsbescheid vom 10.1.2008). Das SG hat ihre Klage auf Kostenerstattung abgewiesen (Urteil vom 18.9.2008), das LSG ihre Berufung zurückgewiesen. Es fehle für einen Off-Label-Use an dem hierfür erforderlichen Wirksamkeitsnachweis. Es bestehe keine notstandsähnliche Situation und kein Seltenheitsfall (entsprechend BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 - Visudyne). Das Makulaödem trete eher häufig auf und sei deshalb erforschbar bzw sogar erforscht. Das Krankheitsbild der Klägerin könne von entsprechenden Studien "mit umfasst sein" (Urteil vom 25.5.2011).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und mangelhafte Sachverhaltsaufklärung. Zu Unrecht habe das LSG das Vorliegen des Kostenerstattungsanspruchs verneint. Es handele sich bei der rezidivierenden Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem um einen die Therapie mit Avastin rechtfertigenden Seltenheitsfall. Dies sei bei einer Inzidenz von 5 auf 10 000 Personen anzunehmen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Mai 2011, das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 18. September 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 5. Oktober 2006 zurückzunehmen und ihr 982,28 Euro zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Denn die Klägerin hat gegen die beklagte KK keinen Anspruch auf Zahlung von 982,28 Euro Kosten dreier intravitrealer Injektionen von Avastin aus der hier allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage § 44 Abs 1 SGB X iVm § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(idF durch Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046; vgl dazu 1.). Der Klägerin steht kein Anspruch zu, weil die Avastin-Injektionen nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehören (vgl dazu 2.-5.).

8

1. Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches - hier: § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20) - längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs 4 S 1 SGB X).

9

a) Es bedarf einer Einzelüberprüfung der Anspruchsvoraussetzungen trotz des zwischenzeitlich erfolgten Kassenwechsels der Klägerin. Zwar erlischt nach § 19 Abs 1 SGB V der Anspruch auf Leistungen grundsätzlich mit dem Ende der Mitgliedschaft. Die Vorschrift findet auch bei einem Kassenwechsel Anwendung (vgl BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4 RdNr 12 mwN). Sie führt nach ihrem Sinn und Zweck aber nur zum Erlöschen der Naturalleistungspflicht der früheren Kasse (vgl BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34 RdNr 9 ff unter Aufgabe von BSGE 99, 220 = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 bzgl der Naturalleistungspflicht), nicht jedoch zum Erlöschen bereits entstandener Geldleistungsansprüche wie dem Anspruch auf Kostenerstattung für eine durch die bisherige KK zu Unrecht abgelehnte Leistung (vgl - dies stillschweigend voraussetzend - zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5; entsprechend zu höheren Krg-Ansprüchen zB BSG Urteil vom 10.5.2012 - B 1 KR 26/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; ausdrücklich für einen speziellen Fall BSGE 76, 45 = SozR 3-2500 § 29 Nr 2; vgl allgemein auch E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand November 2011, § 13 SGB V RdNr 82 ff mwN; Helbig in JurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 13 SGB V RdNr 87).

10

b) Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 SGB X sind indes nicht erfüllt. Die Beklagte wandte weder das Recht unrichtig an noch ging sie von einem Sachverhalt aus, der sich als unrichtig erweist, als sie eine Kostenübernahme der Avastin-Injektionen für die Klägerin ablehnte (Bescheid vom 5.10.2006). Der Anspruch auf Kostenerstattung reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl nur BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 mwN - "Lorenzos Öl"). Es fehlt bereits an einem Naturalleistungsanspruch der Klägerin auf intravitreale Avastin-Injektionen.

11

Die Klägerin kann zwar nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Krankenbehandlung verlangen, wenn sie notwendig ist, um ihre rezidivierende Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem des rechten Auges zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung ua auch die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V). Das Arzneimittel Avastin ist aber mangels Arzneimittelzulassung für die Erkrankung der Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig (dazu 2.). Es besteht auch kein Anspruch auf eine Versorgung nach den Grundsätzen des Off-Label-Use (dazu 3.), der grundrechtsorientierten Leistungsausweitung (dazu 4.) oder des Seltenheitsfalles (dazu 5.). Da die Klägerin schon das Arzneimittel Avastin nicht als Naturalleistung beanspruchen kann, kommt es auf die weiteren Fragen nicht an, ob intravitreale Injektionen wegen ihrer Besonderheiten (etwa: Eigenarten der Applikation unter Beachtung der Spezifika des Zielgebiets; erforderlicher Hygienestandard; erforderliche Sicherungen für den Fall von Komplikationen) grundsätzlich einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) bedürfen oder - als der Art nach bekannte Anwendungsform einer Pharmakotherapie - gerade nicht (vgl § 135 SGB V),und ob das Fehlen einer ausdrücklichen EBM-Position einem Leistungsanspruch entgegensteht, oder etwa nach dem Rechtsgedanken eines Systemversagens überspielt werden kann (vgl dazu zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 17 RdNr 13 f mwN; Hauck, NZS 2007, 461).

12

2. Die Klägerin konnte von der Beklagten Versorgung mit Avastin nach den allgemeinen Grundsätzen nicht verlangen. Versicherte können Versorgung mit vertragsärztlich verordneten Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV grundsätzlich ungeachtet weiterer Einschränkungen (vgl §§ 31, 34 SGB V) nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem sie angewendet werden sollen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 S 3, § 12 Abs 1 SGB V) dagegen nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 S 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche(§ 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 22 mwN - D-Ribose; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 15 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 9 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 21 ADHS/Methylphenidat).

13

So liegt es hier. Das begehrte Fertigarzneimittel Avastin ist zulassungspflichtig. Es ist weder in Deutschland noch EU-weit als Arzneimittel für die Indikation Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem oder ein übergeordnetes Indikationsgebiet zugelassen, das die genannte Erkrankung mit umfasst. Das steht nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG fest (§ 163 SGG).

14

3. Die Klägerin konnte eine Versorgung mit Avastin auch im Rahmen eines Off-Label-Use zur Behandlung ihres Makulaödems auf Kosten der GKV weder nach § 35c SGB V noch nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung beanspruchen. Für einen Anspruch aus § 35c SGB V liegt - schon mit Blick auf seinen zeitlichen Anwendungsbereich - nichts vor. Entsprechend dem Rechtsgedanken der heute geltenden Anmerkung zu Abschnitt K Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) (AM-RL vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009, Nr 49a , zuletzt geändert am 19.1.2012, BAnz AT 30.4.2012 B 3, in Kraft getreten am 1.5.2012) bleiben die allgemeinen, vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV unberührt, wenn - wie hier - ein nicht in der AM-RL geregelter Off-Label-Use betroffen ist (vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - juris RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

15

Die nach diesen Grundsätzen erforderlichen Voraussetzungen sind ebenfalls nicht erfüllt. Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27 mwN - Wobe-Mugos E; im Falle des Systemversagens s BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 24 mwN - Neuropsychologische Therapie).

16

An einer aufgrund der Datenlage begründeten Erfolgsaussicht fehlt es. Von hinreichenden Erfolgsaussichten im dargelegten Sinne ist nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Es müssen also Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sein und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist es zu einer abgeschlossenen, veröffentlichten Studie in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III mit Relevanz für die Erkrankung der Klägerin bisher nicht gekommen.

17

4. Die Klägerin konnte Avastin nach den Grundsätzen einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung zu Lasten der Beklagten ebenfalls nicht verlangen. Der erkennende Senat wendet diese Rechtsfigur für Arzneimittel nur einschränkend unter Beachtung der verfassungskonformen Wertungen des AMG an (vgl zB BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - USK 2007 - 25 RdNr 18 ff; BVerfG SozR 4-2500 § 31 Nr 10 RdNr 9 ff; BVerfG SozR 4-2500 § 31 Nr 17 RdNr 9 ff; dementsprechend Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der GKV - GKV-Versorgungsstrukturgesetz - BR-Drucks 456/11 S 74). Eine grundrechtsorientierte Leistungsauslegung setzt ua zumindest voraus, dass Versicherte an einer Krankheit leiden, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung wertungsmäßig vergleichbar ist (vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - D-Ribose; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 mwN; vgl nunmehr auch § 2 Abs 1a SGB V idF durch Art 1 Nr 1 des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Hierzu zählt etwa der Fall einer drohenden Erblindung (vgl BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31 mwN),nicht aber eine Krankheit unterhalb dieser Schwelle. So kann selbst zB eine hochgradige Beeinträchtigung der Sehfähigkeit nicht mit einer Erblindung auf eine Stufe gestellt werden (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 13 - ICL). An einer so weitgehenden Betroffenheit der Klägerin fehlt es. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)besteht bei ihr eine erhebliche Visuseinschränkung alleine auf dem rechten Auge, während sie mit dem linken Auge nahezu unbeeinträchtigt sehen kann.

18

5. Die Klägerin konnte Avastin auch nach den Grundsätzen eines Seltenheitsfalles nicht beanspruchen. Der erkennende Senat hält im Kern an seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Anforderungen an einen Seltenheitsfall (dazu a) entgegen den Einwendungen der Klägerin (dazu b) fest. Die Behandlung der Klägerin erfüllte die danach maßgeblichen Anforderungen für einen Leistungsanspruch nicht (dazu c).

19

a) Die Rechtsprechung des erkennenden Senats hat zu den Grundsätzen eines Seltenheitsfalles entschieden, dass ein Einzelimport eines Arzneimittels nach § 73 Abs 3 AMG ausnahmsweise zur Leistungspflicht der GKV führen kann, wenn das Mittel zur Behandlung einer einzigartigen Krankheit in einer außergewöhnlichen medizinischen Situation auf diesem Wege legal zu beschaffen ist(BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 23 ff - Visudyne). Hierzu darf das festgestellte Krankheitsbild aufgrund seiner Singularität medizinisch nicht erforschbar sein (vgl auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 14 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - Leucinose). Allein geringe Patientenzahlen stehen einer wissenschaftlichen Erforschung nicht entgegen, wenn etwa die Ähnlichkeit zu weit verbreiteten Erkrankungen eine wissenschaftliche Erforschung ermöglicht (BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 31 - Visudyne). Das gilt erst recht, wenn - trotz der Seltenheit der Erkrankung - die Krankheitsursache oder Wirkmechanismen der bei ihr auftretenden Symptomatik wissenschaftlich klärungsfähig sind, deren Kenntnis der Verwirklichung eines der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Ziele der Krankenbehandlung dienen kann. Die Art möglicher wissenschaftlicher Studien über den Nutzen eines Arzneimittels spiegelt sich ua wider - geordnet nach den Stufen erreichbarer Evidenz im Rahmen der heute gesetzlich gebotenen Bewertung des therapeutischen Nutzens - im 4. Kapitel in § 7 Verfahrensordnung des GBA(VerfO vom 18.12.2008, BAnz Nr 84a vom 10.06.2009, zuletzt geändert am 19.1.2012, BAnz Nr 36 S 915 vom 2.3.2012, in Kraft getreten am 1.2.2012).

20

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es demgegenüber ausgeschlossen, für die genannten Seltenheitsfälle allein auf die Häufigkeit einer Erkrankung abzustellen (vgl zum Unterschied zwischen einem Seltenheitsfall nach der Rechtsprechung des Senats und "seltenen Erkrankungen" iS des Unionsrechts bzw der Zuerkennung eines "orphan-drug"-Status bereits BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 2, 17 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 5, 14 - Idebenone; kritisch gegenüber der Senatsrechtsprechung Lelgemann/Francke, Bundesgesundheitsbl 2008, 509, 513 ff; vgl auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 14 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - Leucinose: Ursachen, Wirkungen und Therapiemöglichkeiten bekannt trotz einer Inzidenz von 1 auf 200 000 Geburten). Die Besonderheiten seltener Erkrankungen rechtfertigen es grds nicht, die Evidenzanforderungen an Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln für ihre Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV abzusenken. Es bestünde andernfalls die Gefahr, dass das für die Besonderheiten seltener Erkrankungen geschaffene differenzierte Zulassungssystem umgangen wird. Arzneimittelverwendung außerhalb der zugelassenen Indikationen bedeutet, Arzneimittel ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualität einzusetzen. Diese Kontrolle soll in erster Linie Patienten vor inakzeptablen unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit schützen. Ausnahmen kommen nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung in Betracht, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernisse entgegenwirkt (vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 18 mwN - Idebenone; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 33 - Venimmun; BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - USK 2007-25 = juris RdNr 21; BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 23 - Visudyne).

21

Eine Absenkung der genannten Evidenzanforderungen erschiene auch deshalb problematisch, weil sich das nationale GKV-Leistungsrecht in Widerspruch zu Wertungen des europäischen Zulassungsrechts für Arzneimittel setzen würde, insbesondere bei einer Ausdehnung der "Seltenheitsfälle" dem Zulassungsrecht für Arzneimittel seine praktische Wirksamkeit nehmen könnte (vgl im Hinblick auf die Unvereinbarkeit nationaler Regelungen mit dem - den notwendigen Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dienenden - unionsrechtlichen Arzneimittelzulassungsrecht zuletzt EuGH Urteil vom 29.3.2012 C-185/10 Kommission/Polen - juris). Es widerspräche der Zielsetzung sowohl der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl L 311 vom 28.11.2001, S 67, zuletzt geändert durch Richtlinie 2011/62/EU vom 8.6.2011) als auch des deutschen Zulassungsrechts für Arzneimittel. Im Rahmen der Marktzulassung unterliegen Arzneimittel für seltene Leiden grundsätzlich dem "normalen Bewertungsverfahren" (vgl Erwägungsgrund 7 VO [EG] Nr 141/2000 vom 16.12.1999, ABl L 18 vom 22.1.2000, S 1). Denn an seltenen Erkrankungen leidende Patienten haben denselben Anspruch auf Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln wie andere Patienten (kritisch zu den in der Zulassungspraxis angelegten Evidenzanforderungen aber Joppi/Bertele/Garattini, British Journal of Clinical Pharmacology 2009, Bd 67, 494 ff; ferner Dupont/Van Wilder, British Journal of Clinical Pharmacology 2011, Bd 71, 488 ff).

22

Allein der anerkannte Status als Arzneimittel für seltene Leiden rechtfertigt nicht bereits für sich Einschränkungen der grundsätzlich bestehenden Notwendigkeit, umfassende Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels vorzulegen (vgl im Einzelnen EMA, Guideline on procedures for the granting of a marketing authorisation under exceptional circumstances, pursuant to Article 14 (8) of Regulation (EC) No 726/2004 vom 15.12.2005, Dokumentennummer EMEA/357981/2005, S 4). Denn hierfür ist die Prävalenzrate, die über die Anerkennung als seltene Erkrankung insbesondere entscheidet (vgl Art 3 Abs 1 VO [EG] Nr 141/2000 iVm Art 2 der VO [EG] Nr 847/2000 der Kommission vom 27.4.2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe "ähnliches Arzneimittel" und "klinische Überlegenheit", ABl L 103 vom 28.4.2000, S 5), wenig aussagekräftig.

23

Im europäischen Sekundärrecht wird ein Arzneimittel als Arzneimittel für seltene Leiden ua ausgewiesen, wenn der Investor nachweisen kann, dass a) das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines Leidens bestimmt ist, das lebensbedrohend ist oder eine chronische Invalidität nach sich zieht und von dem zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinschaft nicht mehr als fünf von zehntausend Personen betroffen sind, und b) in der Gemeinschaft noch keine zufriedenstellende Methode für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung des betreffenden Leidens zugelassen wurde oder dass das betreffende Arzneimittel - sofern eine solche Methode besteht - für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichem Nutzen sein wird (vgl Art 3 Abs 1 VO [EG] Nr 141/2000 iVm Art 2 der VO [EG] Nr 847/2000 der Kommission vom 27.4.2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe "ähnliches Arzneimittel" und "klinische Überlegenheit", ABl L 103 vom 28.4.2000, S 5; vgl hierzu auch Dear/Lilitkarntakul/Webb, British Journal of Clinical Pharmacology 2006, Bd 62, 264, 266 ua auch zu der Einführung der Begrifflichkeit sog "ultra-orphan diseases" für Erkrankungen mit einer deutlich geringeren Prävalenzrate als vom europäischen Sekundärrecht gefordert; vgl zu Herkunft und Entwicklung von Begriff und Definition der "seltenen Erkrankungen", insbesondere auch zu dem Versuch, das eigentliche Problem aus Herstellersicht nicht ausreichender Gewinnerwartungen mit Hilfe der Prävalenzrate einer Krankheit abzubilden, Huyard, Sociology of Health & Illness 2009, 463 ff).

24

Dementsprechend gilt das "normale" Verfahren zur Bewertung von Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit grundsätzlich auch für Arzneimittel für seltene Leiden. Die Regelung schließt es nur nicht aus, die besondere Situation seltener Erkrankungen zu berücksichtigen. Das unionsrechtliche Zulassungssystem ist vielmehr im Grundsatz offen für eine Berücksichtigung der beim Nachweis von Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit bei seltenen Erkrankungen bestehenden strukturellen Schwierigkeiten. Nach Nr 4 des Anhangs der VO [EG] Nr 726/2004 vom 31.3.2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl L 136 vom 30.4.2004, S 1, zuletzt geändert durch VO [EG] Nr 470/2009 vom 6.5.2009) sind Arzneimittel, die als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der VO [EG] Nr 141/2000 ausgewiesen sind, von der Union im zentralen Zulassungsverfahren zu genehmigen, um verkehrsfähig zu sein (vgl Art 3 Abs 1 und - für den fakultativen Anwendungsbereich des zentralisierten Zulassungsverfahrens - Abs 2 und 3 VO [EG] Nr 726/2004). Im Hinblick auf die für die Genehmigung vorzulegenden Nachweise verweist Art 6 Abs 1 S 1 VO [EG] Nr 726/2004 ua auf Anhang I der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl L 311 vom 28.11.2001, S 67, zuletzt geändert durch Richtlinie 2011/62/EU vom 8.6.2011).

25

Nach dem sich mit sog orphan drugs befassenden Teil III Nr 5 des Anhangs I des Gemeinschaftskodexes idF der Richtlinie 2003/63/EG vom 25.6.2003 können für entsprechend der VO [EG] Nr 141/2000 als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesene Arzneimittel die allgemeinen Bestimmungen von Teil II Nr 6 ("Unterlagen bei Anträgen unter außergewöhnlichen Umständen") gelten, wenn der Antragsteller in den präklinischen und klinischen Zusammenfassungen begründet, warum er keine vollständigen Angaben vorlegen kann und er das Nutzen/Risiko-Verhältnis des betreffenden Arzneimittels für seltene Leiden begründet. Nach Teil II Nr 6 kann unter bestimmten spezifischen Auflagen (zB Durchführung eines Versuchsprogramms mit anschließender Neubeurteilung des Nutzen/Risikoprofils, besonderen Anforderungen an die Abgabe des Arzneimittels oder an die Packungsbeilage und die Fachinformation) eine Zulassung erteilt werden, wenn der Antragsteller nachweisen kann, dass er keine vollständigen Auskünfte über die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei bestimmungsgemäßen Gebrauch erteilen kann, weil die Indikationen, für die das betreffende Arzneimittel bestimmt ist, so selten vorkommen, dass dem Antragsteller billigerweise nicht zugemutet werden kann, die vollständigen Angaben vorzulegen (vgl hierzu näher die entsprechenden Leitlinien der EMA, insbesondere den "Guideline on procedures for the granting of a marketing authorisation under exceptional circumstances, pursuant to Article 14 (8) of Regulation (EC) No 726/2004" vom 15.12.2005, Dokumentennummer EMEA/357981/2005). Damit korrespondiert Art 14 Abs 8 S 2 VO [EG] Nr 726/2004. Hiernach kann der Antragsteller im Rahmen einer solchen Genehmigung aufgrund außergewöhnlicher Umstände verpflichtet werden, besondere Verfahren zu schaffen, die insbesondere die Sicherheit des Arzneimittels, die Information der zuständigen Behörden über alle Zwischenfälle im Zusammenhang mit seiner Verwendung und die zu ergreifenden Maßnahmen betreffen. Nach S 3 ist die Aufrechterhaltung einer solchen im Ausnahmefall erteilten Genehmigung von der jährlichen Neubeurteilung ihrer Erteilungsvoraussetzungen abhängig.

26

Aus dem nationalen Zulassungsrecht ergibt sich für einen Antrag auf Zulassung im dezentralen Verfahren nichts Anderes. Die für die Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel (§ 1 AMG)vorzulegenden Zulassungsunterlagen bestimmt insbesondere § 22 AMG. Die dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechenden Anforderungen an diese Unterlagen lassen sich den auf der Grundlage des § 26 AMG erlassenen und zurzeit noch in der Form von Verwaltungsvorschriften geltenden Arzneimittelprüfrichtlinien entnehmen. Art 2 Nr 2 der Zweiten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der Arzneimittelprüfrichtlinien vom 11.10.2004 (BAnz 2004, Nr 197 S 22037) verweist vollständig auf Überschrift und Wortlaut des Anhangs I zur Richtlinie 2001/83/EG ("Gemeinschaftskodex") idF der Richtlinie 2003/63/EG. Auch insoweit besteht - ausgehend von den allgemeinen Anforderungen - lediglich die Möglichkeit einer erleichterten Zulassung unter Auflagen bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände wie dem seltenen Auftreten einer Erkrankung.

27

c) Das LSG hat die danach rechtlich maßgebliche Feststellung, dass die Erkrankung der Klägerin aufgrund ihrer Einzigartigkeit im dargelegten Sinne medizinisch nicht erforschbar ist, im angegriffenen Urteil verneint. Es hat festgestellt, dass das Krankheitsbild der Klägerin erforschbar sei, weil es von Studien zum eher häufig auftretenden Makulaödem "mit umfasst sein" könne. Der Senat ist an diese getroffene Feststellung gebunden, denn die Klägerin hat diesbezüglich keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht (vgl § 163 SGG). Soweit sie mit der Revision rügt, das LSG habe es unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) unterlassen, diese Annahme zu überprüfen, hat sie iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben sollen(vgl § 164 Abs 2 S 3 SGG; näher BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 68 ff mwN).

28

Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, muss der Revisionskläger deshalb die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 69 mwN; BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 S 50; BSG SozR Nr 40 zu § 103 SGG; BSG SozR Nr 7 zu § 103 SGG). Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem LSG hätte aufdrängen müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2010, § 164 RdNr 12a). Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten (vgl BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 30).

29

Die Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Sie legt mit ihrer Rüge nicht dar, aufgrund welcher Tatsachen sich das LSG zu einer weiteren Tatsachenermittlung hätte gedrängt fühlen müssen. Sie geht nicht darauf ein, dass bereits das SG unter Berufung auf den Zusammenfassenden Bericht des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 22.1.2001 über die Beratungen gemäß § 135 Abs 1 SGB V zur Photodynamischen Therapie (PDT) mit Verteporfin bei altersabhängiger feuchter Makuladegeneration mit subfoveolären klassischen choriodalen Neovaskularisationen die Möglichkeit bejaht hat, das Krankheitsbild der Klägerin zu erforschen. Sie legt nicht dar, mit Blick auf welches Vorbringen sich das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Im Übrigen bezeichnet die Klägerin auch die zu erhebenden Beweismittel nicht konkret.

30

Die Klägerin versäumt es ferner, das Ergebnis der für erforderlich gehaltenen Ermittlungen darzulegen und auszuführen, ob und inwieweit dieses nach dem sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG zu einer anderen Berufungsentscheidung geführt hätte. Diese Ausführungen wären erforderlich gewesen, denn nur so ist für das Revisionsgericht allein aus der Revisionsbegründung ersichtlich, ob das angegriffene Urteil auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann.

31

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten über die ambulante Versorgung des Klägers mit Fertigarzneimitteln, die das bakterielle Nervengift Clostridium botulinum Toxin Typ A (Botulinumtoxin A ) enthalten.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1954 geborene Kläger leidet an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine. Wegen zunehmender, die Gangstörung weiter verschlechternder Beinspastik mit Betonung der Oberschenkelinnenseiten (Adduktorenspastik) behandelte ihn die Universitätsklinik für Neurologie des Universitätsklinikums M. ab Mai 2001 bis April 2005 im Rahmen mehrerer, jeweils mehrtägiger stationärer Aufenthalte auf Kosten der Beklagten mit einem BTX/A-Präparat. Die Beklagte lehnte den bereits im August 2001 gestellten Antrag ab, die Kosten für eine ambulante BTX/A-Therapie zu übernehmen (Bescheid vom 7.9.2001, Widerspruchsbescheid vom 17.1.2002). BTX/A sei nämlich nicht für die Behandlung einer Adduktorenspastik zugelassen. Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine ambulante BTX/A-Therapie als zulassungsüberschreitende Anwendung (Off-Label-Use) zu gewähren (Urteil vom 28.2.2006). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die nunmehr auf Fortsetzungsfeststellung gerichtete Klage abgewiesen: Zwar sei derzeit keine BTX/A-Therapie der fortbestehenden Adduktorenspastik des Klägers erforderlich. Doch bestehe ein Feststellungsinteresse, weil die BTX/A-Therapie der Adduktorenspastik jederzeit wieder notwendig werden könne. Der Kläger habe nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, § 31 Abs 1 SGB V keinen Anspruch auf Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff BTX/A, da ihnen eine Zulassung für die Indikation "Adduktorenspastik" fehle. Sie erfüllten auch nicht die Voraussetzungen eines Off-Label-Use, da keine abgeschlossene einschlägige Phase III-Studie veröffentlicht sei. Eine notstandsähnliche Situation, die eine grundrechtsorientierte Erweiterung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) rechtfertige, bestehe ebenfalls nicht. Das den Kläger behandelnde Krankenhaus sei nicht nach § 116b SGB V berechtigt, die begehrten ambulanten Behandlungen der Adduktorenspastik zu erbringen. Ein Behandlungsanspruch nach § 117 SGB V scheitere daran, dass auch die Hochschulambulanzen nur innerhalb der von § 135 SGB V vorgegebenen Grenzen Leistungen erbringen dürften(Urteil vom 17.6.2010).

3

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des Art 2 Abs 2 GG und des § 117 SGB V. Er habe wegen seiner schweren Erkrankung auch ohne Phase III-Studien Anspruch auf die ambulante BTX/A-Therapie seiner Adduktorenspastik. Außerdem rügt er, das LSG habe eine im Jahr 2004 vorgestellte multizentrische doppelblinde, plazebokontrollierte Studie nicht berücksichtigt.

4

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 28. Februar 2006 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte durch den Bescheid vom 7. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2002 rechtswidrig dem Kläger bei vertragsärztlicher Verordnung die Versorgung mit Fertigarzneimitteln, die den Wirkstoff Botulinumtoxin A enthalten, zur ambulanten Behandlung seiner Adduktorenspastik verweigert hat.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

7

II. Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG auf die Berufung der beklagten KK das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klage ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.-6.). Der Kläger hat gegen die Beklagte nämlich keinen Anspruch auf ambulante Behandlung seiner Adduktorenspastik mit einer BTX/A-Therapie, auch nicht in einer Hochschulambulanz.

8

1. Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässig mit der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG). Diese Regelung des SGG gilt ausdrücklich für Anfechtungsklagen, ist aber entsprechend auf kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen anzuwenden (stRspr, vgl zB BSGE 92, 46 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1; Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 131 RdNr 59 mwN). Das ursprüngliche Leistungsbegehren des Klägers hat sich während des Rechtsstreits erledigt, weil eine BTX/A-Therapie der Adduktorenspastik des Klägers im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 1 RdNr 5 mit Blick auf die Zukunftsausrichtung des Naturalleistungsbegehrens; s dazu etwa BSGE 88, 166, 167 = SozR 3-2500 § 28 Nr 5 S 26 mwN; BSGE 91, 32 = SozR 4-2500 § 28 Nr 1, RdNr 7)nach dessen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) medizinisch nicht erforderlich war.

9

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte sein Begehren rechtswidrig abgelehnt hat, da nach den Feststellungen des LSG Wiederholungsgefahr besteht (vgl zu den Fallgruppen des berechtigten Interesses Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 131 RdNr 75 ff mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 131 RdNr 10b mwN). Eine Wiederholungsgefahr setzt die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage beim Kläger voraus (vgl BSG SozR 4-2500 § 17 Nr 3 RdNr 13 mwN). So liegt es etwa, wenn sich konkret abzeichnet, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten kann. Nach den Feststellungen des LSG kann bei der fortbestehenden Krankheit jederzeit wieder ein BTX/A-Therapiebedarf im Adduktorenbereich auftreten.

10

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einem den Wirkstoff BTX/A enthaltenden Fertigarzneimittel im Rahmen ambulanter Behandlung seiner Adduktorenspastik. Die begehrten Fertigarzneimittel besitzen weder die erforderliche Zulassung zur Behandlung der beim Kläger bestehenden Krankheit (dazu 3.) noch besteht Anspruch auf eine Versorgung nach den Grundsätzen des Off-Label-Use (dazu 4.). Der Kläger kann auch keinen Einzelimport von BTX/A enthaltenden Fertigarzneimitteln verlangen, weil weder ein sog Seltenheitsfall noch ein Fall grundrechtsorientierter Leistungsausweitung gegeben ist. Auf ein sog Systemversagen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (dazu 5.). Schließlich ergibt sich auch nichts anderes daraus, dass die BTX/A-Therapie durch die Universitätsklinik für Neurologie des Universitätsklinikums M. nach § 117 SGB V als ambulante Therapie durchgeführt worden ist und weiterhin durchgeführt werden kann(dazu 6.).

11

3. Versicherte können Versorgung mit vertragsärztlich verordneten Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV - hier mit dem Wirkstoff BTX/A - grundsätzlich ungeachtet weiterer Einschränkungen (vgl §§ 31, 34 SGB V)nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem sie angewendet werden sollen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche(§ 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 22 mwN - D-Ribose; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 15 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 9 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 21 ADHS/Methylphenidat). So liegt es hier. Die begehrten Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff BTX/A sind zulassungspflichtig. Weder in Deutschland noch EU-weit liegt die erforderliche Arzneimittelzulassung für die Indikation Adduktorenspastik oder ein übergeordnetes Indikationsgebiet vor, das die Adduktorenspastik mit umfasst. Das steht nach den unangegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG fest (§ 163 SGG).

12

Keine Zulassung für Deutschland liegt darin, dass angeblich in Italien eine Zulassung BTX/A enthaltender Arzneimittel für Beinspastik ohne Bedeutung der Ursache, damit uU auch für eine Adduktorenspastik besteht. Insoweit eröffnet zwar § 25b Abs 2 AMG die Möglichkeit eines erleichterten Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung mit der Folge, dass das bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassene Arzneimittel grundsätzlich auch im Inland zuzulassen ist(näher dazu Friese in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 5 RdNr 5 f und 156 ff; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand Januar 2011, § 25b AMG RdNr 13 ff). Die bloße Möglichkeit, dass es einem pharmazeutischen Unternehmen offensteht, im Verfahren nach § 25b Abs 2 AMG die Zulassung eines bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassenen Arzneimittels herbeizuführen, ersetzt aber nicht die Zulassungsentscheidung.

13

4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit BTX/A-haltigen Fertigarzneimitteln im Rahmen eines Off-Label-Use zur Behandlung der Adduktorenspastik auf Kosten der GKV, weder nach § 35c SGB V(dazu a) noch nach allgemeinen Grundsätzen (dazu b).

14

a) Bei der streitigen BTX/A-Therapie handelt es sich um keinen durch § 35c Abs 1 SGB V und untergesetzliche Regelungen gedeckten Off-Label-Use. Nach § 92 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 6 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln. Nach § 91 Abs 6 SGB V sind die Beschlüsse des GBA mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 137b SGB V und zu Empfehlungen nach § 137f SGB V für die Träger iS des § 91 Abs 1 Satz 1 SGB V, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich. Abschnitt K und Anlage VI der Richtlinie des GBA über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009, Nr 49a , zuletzt geändert am 18.8.2011, BAnz Nr 156 S 3609 vom 14.10.2011) enthalten Einzelheiten über die "Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten" und führen Wirkstoffe als verordnungsfähig (Anlage VI Teil A) bzw als nicht verordnungsfähig (Anlage VI Teil B) auf. Die AM-RL benennt hierbei BTX/A nicht. Es fehlt damit an der erforderlichen expliziten Regelung der Verordnungsfähigkeit für die von der Zulassung nicht abgedeckte Indikation. Auf die Frage einer verzögerten Bearbeitung kommt es insoweit nicht an (vgl § 35c Abs 1 SGB V gegenüber § 135 Abs 1 Satz 4 SGB V). Eine Verzögerung in der Bearbeitung könnte nur zur Anwendung der allgemeinen Regeln des Off-Label-Use führen (vgl dazu unten, b), nicht aber zu einer Zulassungsfiktion (vgl ähnlich bereits BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 44).

15

Auch die Voraussetzungen des § 35c Abs 2 SGB V sind nicht erfüllt. Danach haben Versicherte außerhalb des Anwendungsbereichs des Absatzes 1 Anspruch auf Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln in klinischen Studien, sofern hierdurch eine therapierelevante Verbesserung der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung im Vergleich zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten zu erwarten ist, damit verbundene Mehrkosten in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten medizinischen Zusatznutzen stehen, die Behandlung durch einen Arzt erfolgt, der an der vertragsärztlichen Versorgung oder an der ambulanten Versorgung nach den §§ 116b und 117 SGB V teilnimmt, und der GBA der Arzneimittelverordnung nicht widerspricht. Der Kläger beansprucht die Versorgung indes nicht im Rahmen einer klinischen Studie.

16

b) Entsprechend der Anmerkung zu Abschnitt K AM-RL bleiben die allgemeinen, vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV unberührt, wenn - wie hier - ein nicht in der AM-RL geregelter Off-Label-Use betroffen ist. Die nach diesen Grundsätzen erforderlichen Voraussetzungen sind ebenfalls nicht erfüllt. Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin). Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27 mwN - Wobe-Mugos E; im Falle des Systemversagens s BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 24 mwN - Neuropsychologische Therapie).

17

Von hinreichenden Erfolgsaussichten ist nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das (konkrete) Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann nur angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sind. Soweit man aus der früheren Rspr des Senats (BSGE 89, 184, 192 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36)ein unterschiedliches Schutzniveau vor und während laufender Zulassungsverfahren ableiten kann, gibt der Senat diese Rspr klarstellend auf. Außerhalb und während eines Zulassungsverfahrens muss die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich entsprechen. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zugrunde liegt und in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (vgl BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 24 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 16 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 34 ADHS/Methylphenidat). Dies bedeutet, dass der während und außerhalb eines Zulassungsverfahrens zu erbringende wissenschaftliche Nachweis durch Studien erbracht werden muss, die die an eine Phase III-Studie zu stellenden qualitativen Anforderungen erfüllen. Daran fehlt es. Nach den Feststellungen des LSG, welche nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffen und damit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), ist es zu einer abgeschlossenen, veröffentlichten Studie der Phase III mit Relevanz für den Kläger bisher nicht gekommen.

18

Die sinngemäß erhobene Rüge des Klägers, das LSG habe seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG)verletzt, greift nicht durch. Eine Verletzung des § 103 SGG liegt lediglich vor, wenn das Tatsachengericht Ermittlungen unterlässt, obwohl es sich ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen(stRspr vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 5; Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 103 RdNr 86 ff mwN). Daran fehlt es. Das LSG hat die Anforderungen des BSG zugrunde gelegt, wonach für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV - wie dargelegt - einschlägige Studien der Phase III veröffentlicht sein müssen. Bei diesem Ausgangspunkt drängt es sich nicht auf, für den 1954 geborenen Kläger eine Studie zu würdigen, die im Jahre 2004 anlässlich der Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie in Bern vorgestellt wurde und der Frage des Effektes von BTX/A bei der Behandlung der Adduktorenspastik bei Kindern mit Zerebralparese im Alter von zwei bis zu zehn Jahren nachging. Dies gilt erst recht unter Beachtung der Wertungen der Rspr, wonach in der GKV versicherte Erwachsene grundsätzlich keinen Anspruch auf zulassungsüberschreitende Anwendung eines nur zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen zugelassenen Arzneimittels unter erleichterten Voraussetzungen haben, selbst wenn eine gleiche Wirksamkeit des Mittels unterstellt wird (vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15).

19

Es ist für den krankenversicherungsrechtlichen Anspruch des Klägers auch ohne Belang, dass eine Stellungnahme des Arbeitskreises Botulinumtoxin eV vom 4.5.2006 die Anwendung von BTX/A unabhängig von der Ursache befürwortet und nationale sowie europäische Konsensusgruppen explizit BTX/A bei Adduktorenspastik empfehlen (vgl Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Therapie des spastischen Syndroms, Stand 2008, S 8). Grundsätzlich bestimmen nicht Leitlinien und Konsensempfehlungen medizinischer Fachgesellschaften den Umfang der Leistungsansprüche der Versicherten der GKV. Das Leistungsrecht ist vielmehr insbesondere von den Vorgaben des § 2 Abs 1 Satz 1 und 3, § 12 SGB V geprägt, wonach Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen müssen. Für Fertigarzneimittel werden diese Anforderungen in der oben dargelegten Weise konkretisiert.

20

5. Der Kläger kann auch keinen Einzelimport nach § 73 Abs 3 AMG von BTX/A enthaltenden Fertigarzneimitteln zu Lasten der Beklagten verlangen. Weder ist ein sog Seltenheitsfall (dazu a) noch ein Fall grundrechtsorientierter Leistungsausweitung gegeben (dazu b). Auf ein sog Systemversagen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (dazu c).

21

a) Der erkennende Senat zieht im Rahmen des § 73 Abs 3 AMG ausnahmsweise die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der GKV selbst ohne Inlandszulassung in Erwägung, wenn es sich um einen Fall der Seltenheit handelt(vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 43 mwN). Die Voraussetzungen eines sog Seltenheitsfalls sind indes nicht erfüllt. Die Inzidenz der spastischen Beinparese ist, wie schon die Zulassung von BTX/A für den spastischen Spitzfuß belegt, für eine systematische wissenschaftliche Erforschung ausreichend hoch, um auch die Behandlung der Adduktorenspastik mittels BTX/A auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen. Das zieht auch der Kläger letztlich nicht in Zweifel.

22

b) Auch ein Anspruch auf BTX/A enthaltende Fertigarzneimittel zu Lasten der Beklagten im Rahmen eines Einzelimports nach § 73 Abs 3 AMG aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung besteht nicht(vgl zu den Voraussetzungen BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31/32 - D-Ribose; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 23 - Tomudex; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 16 mwN - Mnesis/Idebenone; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - "Lorenzos Öl"; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 45 f mwN - ADHS/Methylphenidat).

23

Die verfassungskonforme Auslegung setzt ua voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt. Um eine solche Erkrankung geht es bei dem Leiden des Klägers nicht. Nach den unangegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) leidet der Kläger an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine, Sekundärschäden am knöchernen Apparat (Coxarthrose, Pseudoradikulärsyndrom) und sich dadurch verstärkender Spastik bei in Ruhe einschießenden schmerzhaften Spasmen. Mit diesen Auswirkungen seiner Krankheit wird nicht die Schwelle erreicht, welche allgemein für eine grundrechtskonforme erweiternde Auslegung des Leistungsrechts der GKV zu fordern ist. Das Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, umschreibt nämlich eine strengere Voraussetzung, als sie mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des Off-Label-Use formuliert ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 34 - Neuropsychologische Therapie; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 17 - Mnesis/Idebenone). Das BSG hat dementsprechend das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit und eine Gleichstellung mit den in diesem Bereich zu verlangenden notstandsähnlichen Extremsituationen auch schon in ähnlichen Fällen mit durchaus gravierenden Beeinträchtigungen verneint (vgl die Übersicht in BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 15 - ICL).

24

c) Ein sog Systemversagen aufgrund zögerlicher oder willkürlicher Bearbeitung spielt weder im Rahmen des Einzelimports noch - über das oben Ausgeführte hinaus - für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV eine Rolle, soweit allein die Versorgung mit einem Fertigarzneimittel betroffen ist. Anders liegt es lediglich, wenn zugleich und parallel hierzu eine neue vertragsärztliche Behandlungsmethode betroffen ist (vgl dazu BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 22 ff - Visudyne).

25

6. Die Begrenzung des Anspruchs des Klägers auf die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln wird abgesehen von den dargestellten und hier verneinten Ausnahmen nicht dadurch aufgehoben oder geändert, dass eine Hochschulambulanz nach § 117 SGB V behandelt oder zur Behandlung in Betracht kommt.

26

§ 117 SGB V eröffnet den Hochschulambulanzen den Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung, um die universitäre Forschung und Lehre zu unterstützen(vgl BSGE 82, 216, 221 = SozR 3-5520 § 31 Nr 9 S 37 f; zu § 117 Abs 2 SGB V: BSG SozR 4-2500 § 117 Nr 1 RdNr 35). Die von Ärzten in Hochschulambulanzen in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang erbrachten ambulanten Leistungen sind weiterhin Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Der Zulassungsausschuss (§ 96 SGB V) ist nach § 117 Abs 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378) verpflichtet, auf Verlangen von Hochschulen oder Hochschulkliniken die Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken (Hochschulambulanzen) zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten und der in § 75 Abs 3 SGB V genannten Personen zu ermächtigen. § 95 Abs 1 Satz 1, Abs 4 Satz 1 SGB V(ab 1.7.2008 idF von Art 6 Nr 16 des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008, BGBl I 874) beschreiben näher die Rechtsfolge einer solchen Ermächtigung: Die ermächtigte Einrichtung ist zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet.

27

Hiernach vermag die Behandlung durch Ärzte einer Hochschulambulanz zugunsten des Klägers keinen anderen Versorgungsanspruch zu begründen als den, der ihm zusteht, wenn er sich in die Behandlung eines Vertragsarztes begibt. Auch die Ärzte einer Hochschulambulanz dürfen dem Kläger nur für die jeweilige Indikation zugelassene Fertigarzneimittel verordnen, es sei denn, dass eine gesetzliche oder richterrechtliche Ausnahme eingreift. Das ist indes - wie oben dargestellt - hier nicht der Fall.

28

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe

A.

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versorgung der Beschwerdeführerin mit einem Medizinprodukt auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die beantragte Versorgung war mit der Begründung abgelehnt worden, das Medizinprodukt sei nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Liste der verordnungsfähigen Medizinprodukte aufgenommen worden, und es gebe keinen Anspruch darauf, dass die Kosten der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung nach den Grundsätzen des Beschlusses des Ersten Senats vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) übernommen würden.

II.

2

1. Die Beschwerdeführerin leidet an einer chronischen Erkrankung der Harnblasenwand. Die Krankheit hat eine erhebliche Verringerung der Blasenkapazität sowie Entleerungsstörungen mit ausgeprägten Schmerzen und imperativem Harndrang zur Folge. Bei chronischem Verlauf kann eine Schrumpfblase entstehen, die bei unglücklicher Entwicklung der Krankheit eventuell operativ entfernt werden muss. Die Beschwerdeführerin beantragte bei ihrer Krankenkasse die Versorgung mit einem Medizinprodukt zur Therapie dieser Krankheit. Sämtliche Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Versorgung blieben ohne Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung der Revision durch das Bundessozialgericht und mittelbar gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB V.

3

2. Die Verfassungsbeschwerde stützt sich im Wesentlichen auf zwei Argumente:

4

a) Zum einen beansprucht die Beschwerdeführerin nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) eine Versorgung mit dem Medizinprodukt unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. In dieser Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Versorgung anerkannt, wenn ein Versicherter an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht existieren, und wenn die gewünschte Behandlung eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (vgl. BVerfGE 115, 25 <49>). Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie erfülle alle Voraussetzungen dieses Anspruchs; die Krankheit sei lebensbedrohlich, weil sie nach bisherigen Erfahrungen auch Anlass für einen Suizid sein könne.

5

Zumindest müsse der Anspruch in Fortführung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 auch in Fällen schwerwiegender Erkrankungen eröffnet sein, die zum Verlust eines Körperorgans führen und die sozialen Kontakte der Erkrankten erheblich beeinträchtigen könnten. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 formuliere, dass der Anspruch "insbesondere" in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung bestehe (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>); dass das Tatbestandsmerkmal nur als Beispiel aufgeführt werde, belege, dass es Krankheiten gleichen Gewichts gebe, die ebenfalls zu einem solchen Anspruch führen könnten.

6

b) Zum anderen rügt die Beschwerdeführerin, der nach § 91 SGB V tätige Gemeinsame Bundesausschuss verweigere die Aufnahme des von ihr gewünschten Medizinprodukts in seine Arzneimittel-Richtlinie, ohne dafür hinreichend demokratisch legitimiert zu sein. Diese Weigerung wirke ihr gegenüber rechtlich wie eine Ablehnung, denn nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei die Aufnahme des Medizinprodukts in eine Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Voraussetzung einer Versorgung.

7

Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erfassten alle an der Krankenversorgung Beteiligten ohne eine hinreichende Steuerung durch parlamentarisches Gesetz oder durch Weisung und Aufsicht der Gesundheitsbehörden. Die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses seien völlig weisungsunabhängig. Zehn Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses würden von den Leistungserbringern und -finanzierern der gesetzlichen Krankenversicherung bestellt, die drei unparteiischen Mitglieder im Einvernehmen dieser beiden Gruppen ernannt. Die vom Demokratieprinzip erforderte personelle Legitimationskette vom Volk über das Parlament zum Gemeinsamen Bundesausschuss fehle gänzlich.

B.

8

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie zeigt nicht entsprechend den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG substantiiert und schlüssig die Möglichkeit der Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin auf. Teilweise genügt sie auch nicht den Anforderungen an die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

I.

9

1. a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 <87> m.w.N.).

10

b) Der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abgeleitete Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 68, 384 <388 f.>). Dem Bundesverfassungsgericht soll vor seiner Entscheidung unter anderem ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und die Fallanschauung der Gerichte, insbesondere der obersten Bundesgerichte, vermittelt werden (vgl. BVerfGE 72, 39 <43>). Deswegen ist dem Subsidiaritätsgrundsatz auch nicht genügt, wenn im Instanzenzug ein Mangel nicht nachgeprüft werden konnte, weil er nicht oder nicht in ordnungsgemäßer Form gerügt worden war (vgl. BVerfGE 16, 124 <127>; 54, 53 <65>; 74, 102 <114>). Zwar resultiert daraus keine allgemeine Pflicht, verfassungsrechtliche Erwägungen und Bedenken schon in das fachgerichtliche Verfahren einzuführen (vgl. BVerfGE 112, 50 <60 ff.>). Dies lässt aber die Obliegenheit der Parteien unberührt, die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen bereits im Ausgangsverfahren vollständig vorzutragen; ein grundsätzlich neuer Tatsachenvortrag ist im Verfahren der Verfassungsbeschwerde ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 112, 50 <62>). Hat der Beschwerdeführer die Tatsachen dort nicht vollständig vorgebracht, hat er nicht alles ihm Zumutbare getan, um eine fachgerichtliche Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen.

11

2. An diesen Substantiierungsanforderungen und am Grundsatz der Subsidiarität scheitert die Verfassungsbeschwerde mit ihren Angriffen gegen das Urteil des Bundessozialgerichts und mittelbar gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V.

12

a) Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 geben die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 GG einen Anspruch auf Krankenversorgung insbesondere in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, wenn für sie schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen und die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht. Dann könnten diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten (vgl. BVerfGE 115, 25 <45 und 49>).

13

b) Nach ihren eigenen Darlegungen ist die Beschwerdeführerin von keiner lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung betroffen. Sie leidet zwar zweifellos an einer schwerwiegenden Erkrankung mit gewichtigen Folgen; diese begründet aber keine zeitlich naheliegende Todesgefahr. Ihr Hinweis auf statistisch erfasste Suizide bei einer Erkrankung dieser Art kann in seiner Allgemeinheit das individuelle Vorliegen dieses Anspruchsmerkmals nicht begründen.

14

c) Auch sind die medizinischen Angaben der Beschwerdeführerin unzureichend, um im Hinblick auf das von ihr begehrte Medizinprodukt eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf prüfen zu können. Zwar gibt die Verfassungsbeschwerde die Indizien für einen individuellen Wirkungszusammenhang aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (vgl. BVerfGE 115, 25 <50>) abstrakt wieder, konkretisiert sie aber nicht für den Einzelfall. Die Beschwerdeführerin hat weder vergleichende Angaben zu ihrem und dem Gesundheitszustand anderer behandelter Versicherter gemacht noch eine fachliche Einschätzung ihrer behandelnden Ärzte zu der beabsichtigten Therapie vorgelegt. Warum beides im Hinblick auf ihre nicht näher dargelegte finanzielle Situation von vornherein unzumutbar sein sollte, erschließt sich nicht. Zudem fehlt es an wesentlichen Informationen zu medizinischen Erkenntnissen über die Wirksamkeit des von ihr begehrten Medizinprodukts. Dessen positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ist zunächst lediglich behauptet und mit pauschalen Verweisen auf Anwendungsuntersuchungen begründet worden. Erst nach Ablauf der maßgeblichen Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für die Begründung der Verfassungsbeschwerde hat die Beschwerde detaillierter vorgetragen, aber auch dann nur vorgebracht, dass ihrer Ansicht nach eine in das Verfahren neu eingebrachte Studie trotz deren höherer Evidenzstufe nicht geeignet sei, einen Wirksamkeitsnachweis auszuschließen.

15

d) Dem Vortrag der Beschwerdeführerin lässt sich auch nicht entnehmen, dass sie im Verfahren vor den Sozialgerichten ausreichende Darlegungen für einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf das begehrte Medizinprodukt nach den Maßstäben des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 vorgebracht und so dem Grundsatz der Subsidiarität genügt hätte.

16

3. Die Beschwerdeführerin trägt vor, es sei verfassungsrechtlich geboten, den grundgesetzlichen Leistungsanspruch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 auf schwerwiegende Krankheiten zu erweitern, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen vergleichbar sind. Sie verweist dazu auf die Formulierung im genannten Beschluss, der Anspruch entstehe "insbesondere" in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>). Er müsse also auch für andere Krankheiten gleichen Gewichts gelten.

17

a) Eine solche Erweiterung ist fachgerichtlich schon anerkannt und mittlerweile auch gesetzlich normiert worden. Schon das Bundessozialgericht hat den verfassungsrechtlichen Leistungsanspruch auf wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungsfälle in notstandsähnlichen Situationen erweitert (vgl. BSGE 96, 153 <160 f. Rn. 31-32>; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R -, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8 Rn. 16 ff.). Dies sei bei einem drohenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gegeben. Der Verlust müsse jedoch in absehbarer Zeit, das heißt in einem kürzeren, überschaubaren Zeitraum, mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (vgl. BSGE 100, 103 <112 Rn. 32>). Der Gesetzgeber ist dem gefolgt und hat mit Wirkung zum 1. Januar 2012 in § 2 Abs. 1a SGB V einen Anspruch bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung gegeben. Es blieb dem Gesetzgeber zwar unbenommen, die vom Bundessozialgericht vorgenommene Anspruchserweiterung in § 2 Abs. 1a SGB V nachzuzeichnen. Diese Änderung des einfachen Gesetzesrechts vermag jedoch den hier im Verfahren der Verfassungsbeschwerde allein maßgeblichen verfassungsunmittelbaren Anspruch für sich genommen nicht zu erweitern. Im Übrigen ist die einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage erst im Jahr 2012 geschaffen worden, erfasst also zeitlich das vorliegende fachgerichtliche Verfahren nicht.

18

b) Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit krankenversicherungsrechtlichen Leistungsansprüchen in Fällen schwerwiegender Erkrankungen befasst, aber in keinem Fall festgestellt, dass es verfassungsrechtlich geboten sei, die Grundsätze des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 auf Erkrankungen zu erstrecken, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar sind. Es würde auch dem Ausnahmecharakter eines aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 GG abgeleiteten Leistungsanspruchs nicht gerecht, in großzügiger Auslegung der Verfassung einen solchen zu erweitern und so die sozialstaatliche Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers außer Acht zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb festgestellt, dass die notwendige Gefährdungslage erst in einer notstandsähnlichen Situation vorliege, in der ein erheblicher Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Anknüpfungspunkt eines derartigen Anspruchs ist deswegen unverändert "das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage" (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. März 2014 - 1 BvR 2415/13 -, juris, Rn. 14). Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch ist so auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr beschränkt. Entscheidend ist es, dass eine Krankheit lebensbedrohlich ist, das heißt in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann, und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen. Dies bedeutet nicht, dass in anderen Krankheitsfällen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung keinen grundrechtlichen Schutz genießen; insoweit kommt nach den Maßstäben des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 jedoch kein verfassungsunmittelbarer Leistungsanspruch auf Versorgung in Betracht.

19

4. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels hinreichender Substantiierung auch insoweit unzulässig, als die Beschwerdeführerin eine fehlende demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses bei der Ausgestaltung der Leistungsansprüche der Versicherten geltend macht.

20

a) Die Schutzwirkungen des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gehen über den im Beschluss vom 6. Dezember 2005 anerkannten, besonderen Extremfall der lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit hinaus und vermitteln einen weitergehenden subjektivrechtlichen Grundrechtsschutz. Die Ausgestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich an der grundrechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen (vgl. BVerfGE 115, 25 <44 f.> m.w.N.). Zugleich schützt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip in einem auf Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht beruhenden Versicherungssystem, bei dem der Einzelne typischerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe seines Beitrags und auf Art und Ausmaß der aus seinem Versicherungsverhältnis geschuldeten Leistung hat, den beitragspflichtigen Versicherten vor einer Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung. Zwar ergibt sich daraus grundsätzlich kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen zur Krankenbehandlung. Gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen sind aber daraufhin zu prüfen, ob sie im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind (vgl. BVerfGE 115, 25 <43>). Den Versicherten steht insoweit ein Anspruch auf eine verfassungsmäßige Ausgestaltung und auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung zu (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>). Gesetzlicher Ausgestaltung bedürfen insbesondere auch die grundsätzlich zulässigen (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>) Verfahren zur Bewertung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens sowie der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Würde eine zur Behandlung einer Krankheit benötigte Leistung in einem Entscheidungsprozess verweigert, der verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, wären Versicherte in ihren Grundrechten verletzt. Auf einen derartigen Anspruch auf Gewährleistung verfassungsmäßiger Ausgestaltung des Verfahrens der Leistungsgewährung könnte sich ein Beschwerdeführer prozessrechtlich nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG jedoch nur dann berufen, wenn er darlegte, die begehrte Behandlungsmethode biete eine zumindest auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

21

Hieran fehlt es jedoch vorliegend. Die Beschwerdeführerin hat - wie bereits festgestellt - im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nicht innerhalb der Begründungsfrist substantiiert dazu vorgetragen, dass die von ihr begehrte Behandlungsmethode eine derartige Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung verspricht.

22

b) Zudem bedürfte eine Verfassungsbeschwerde, die im Ergebnis auf Aufnahme eines Medizinprodukts in eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V zielt und das dem zugrunde liegende Verfahren aufgreift, einer Befassung mit der konkreten Befugnisnorm, auf der die streitige Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses fußt. Vorliegend fehlt jedoch die Darlegung, aus welchen Gründen gerade § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der es dem Gemeinsamen Bundesausschuss gestattet, ausnahmsweise Medizinprodukte in die Reihe der verordnungsfähigen Versorgung aufzunehmen, mit verfassungsrechtlichen Vorgaben, etwa zur demokratischen Legitimation (vgl. BVerfGE 115, 25 <47>), unvereinbar sein könnte. Mit dem Vorbringen - durchaus gewichtiger - genereller und allgemeiner Zweifel an der demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses als Institution kann das nicht gelingen. Vielmehr bedarf es konkreter Ausführungen nicht nur zum Einzelfall, sondern auch zur Ausgestaltung der in Rede stehenden Befugnis, zum Gehalt der Richtlinie und zur Reichweite der Regelung auf an ihrer Entstehung Beteiligte oder auch unbeteiligte Dritte. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss für eine Richtlinie hinreichende Legitimation besitzt, wenn sie zum Beispiel nur an der Regelsetzung Beteiligte mit geringer Intensität trifft, während sie für eine andere seiner Normen fehlen kann, wenn sie zum Beispiel mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht mitwirken konnten. Maßgeblich ist hierfür insbesondere, inwieweit der Ausschuss für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet ist.

23

Dem wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Auf die allein in Frage stehende Befugnisnorm des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V und auf die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses gerade für die darauf gründende Richtliniensetzung geht sie gar nicht ein, sondern begnügt sich mit der Wiedergabe allgemeiner Zweifel an der generellen Legitimation dieser Institution. Auch wäre es erforderlich gewesen, auf die tatsächliche Bedeutung der dem Ausschuss gerade für die Medizinprodukteversorgung übertragenen Befugnisse näher einzugehen und den Gehalt der gesetzlichen Vorgaben und deren Auslegung in der Praxis in Abgrenzung etwa zu denen der Arzneimittelversorgung zu würdigen, um so dem Bundesverfassungsgericht eine Beurteilungsgrundlage dafür zu schaffen, wieweit die Entscheidungen des Ausschusses gesetzlich angeleitet sind und welche Bedeutung ihnen praktisch zukommt.

II.

24

1. Die Verfassungswidrigkeit des Inhalts der die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten regelnden §§ 27 bis 29 Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) rügt die Beschwerdeführerin nicht. Die Verfassungsbeschwerde kritisiert zwar die vom Gemeinsamen Bundesausschuss im 4. Kapitel seiner Verfahrensordnung für alle Richtlinienentscheidungen festgelegten Evidenzanforderungen und Bewertungskriterien sowie die aus ihrer Sicht unzureichenden Ermittlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses im Herstellerzulassungsverfahren und will hieraus ein Systemversagen ableiten. Weder die Verfahrensordnung noch das Genehmigungsverfahren selbst sind aber von der Beschwerdeführerin zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht worden.

25

2. Die zusätzlich und ausdrücklich als verfassungswidrig gerügte Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 3 SGB V war für das angegriffene Urteil des Bundessozialgerichts ohne rechtliche Relevanz. Sie erklärt den in § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V geregelten gesetzlichen Versorgungsausschluss für bestimmte Arzneimittel - wie Erkältungs-, Schmerz- oder Abführmittel und Reisemedizin - für entsprechend anwendbar. Von dieser Vorschrift ist die Beschwerdeführerin, soweit erkennbar, in keiner Weise selbst betroffen. Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, weshalb diese Regelung, die überhaupt keine Normsetzungskompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses begründet, unvereinbar mit dem Grundgesetz sein sollte. Die Beschwerdebegründung geht darauf nicht ein.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten in Höhe von 11 564 Euro für eine auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung.

2

Der 1984 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger leidet an Retinitis pigmentosa, einer Netzhauterkrankung, die zu Tunnelblick und in ihrem Endstadium zur Erblindung führt. Im Jahr 2002 beantragte er - ua auf seine nur noch 3 % bis 5 % betragende Sehfähigkeit hinweisend - die Kostenübernahme für eine sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P in H ; dieser Arzt habe eine Therapie entwickelt, die das weitere Absterben der Netzhaut verhindere und das Sehvermögen verbessern könne. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Behandlungsmethode schulmedizinisch nicht allgemein anerkannt sei (Bescheid vom 19.11.2002; Widerspruchsbescheid vom 5.2.2003). Vom 10.1. bis 31.1.2003 ließ sich der Kläger auf Kuba auf eigene Kosten (nach eigenen Angaben 11 564 Euro) entsprechend behandeln.

3

Die Klage auf Kostenerstattung ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 24.3.2006; Urteil des LSG vom 1.8.2007). Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung für die auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung betroffen gewesen ist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3), weil das LSG dem nach § 109 SGG gestellten Antrag des Klägers, Beweis zur Eignung der durchgeführten Heilbehandlung durch den Sachverständigen Prof. M (Universität Bologna) zu erheben, nicht nachgekommen war. Das LSG hat ein Gutachten nach Aktenlage bei Prof. M
dazu eingeholt, ob die Kuba-Therapie dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, und anschließend die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, es fehle an einem hinreichend objektiven Wirksamkeitsnachweis der sog Kuba-Therapie (Urteil vom 16.11.2011).

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Art 2 Abs 2 S 1 sowie von Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip. Das LSG verkenne mit seiner Forderung nach validen Studien oder aussagekräftige Statistiken die Anforderungen, die an Hinweise für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine zumindest spürbare positive Einwirkung der Behandlung auf den Krankheitsverlauf zu stellen seien.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. März 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2003 zu verurteilen, ihm 11 564 Euro zu zahlen,

6

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das an-gefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung von 11 564 Euro Kosten für die Auslandsbehandlung hat, vermag der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen. Es steht nicht fest, dass die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V erfüllt sind.

10

Das LSG hat zwar in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Erstattungsanspruch aus § 18 Abs 1 S 1 SGB V bei Beachtung des Qualitätsgebots(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) abgelehnt (dazu 1.), aber unzureichende Feststellungen zur grundrechtsorientierten Auslegung getroffen (dazu 2.). Eine grundrechtsorientierte Auslegung scheidet allerdings aus, wenn die Überprüfbarkeit der Methode an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten scheitert (dazu 3.).

11

1. Nach den auch den erkennenden Senat bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) beruht der geltend gemachte Anspruch auf § 18 Abs 1 S 1 SGB V(in der hier noch maßgeblichen bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Danach kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist. Der Anspruch setzt ua nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 29) grundsätzlich voraus, dass die Leistung im Ausland den Anforderungen an das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) entspricht. Das hat das LSG im Ergebnis - unangegriffen und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - verneint, weil nicht die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie kein Konsens besteht.

12

2. Nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) kommen Abmilderungen der Anforderungen des Qualitätsgebots infolge grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts der GKV auch im Anwendungsbereich des § 18 SGB V in Betracht. Ist für Versicherte eine nach Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierter Leistungsbestimmung in der GKV zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich, besteht ein Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs 1 S 1 SGB V.

13

Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), bedarf es hierfür zunächst der Feststellung, dass der Kläger im Zeitpunkt der Behandlung an einer Krankheit litt, die zumindest wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar ist. Diesbezüglich hat das erste Revisionsurteil vorgegeben, dass hierfür eine drohende Erblindung in Betracht kommt, hochgradige Sehstörungen demgegenüber nicht ausreichen (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31). Sodann ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), die Feststellung erforderlich, ob, und wenn ja mit welcher Zielrichtung, bezüglich dieser Krankheit zumindest eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht und für den Kläger anwendbar ist. Des Weiteren ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), festzustellen, mit welcher Zielsetzung die sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P durchgeführt wird und ob bezüglich dieser Behandlungsmethode eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers bestand. Hierzu bedarf es der Feststellungen, die für eine abstrakte Nutzen-Risiko-Analyse und für eine Abwägung der Chancen und Risiken dieser Behandlungsmethode gerade im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse bei dem Kläger erforderlich sind. Maßgeblich sind für diese Feststellungen nach den bindenden Vorgaben (§ 170 Abs 5 SGG) die Regeln der ärztlichen Kunst.

14

Das LSG hat zur konkreten Krankheitssituation des Klägers, zu den regelmäßigen, schulmäßigen Behandlungsmethoden bei seiner Augenkrankheit, zu einer Unverträglichkeit dieser Methoden bei dem Kläger und zu den Chancen und Risiken der Kuba-Therapie im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse des Klägers im Behandlungszeitpunkt keine Feststellungen getroffen. Soweit es eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verneint hat, weil es an einem objektiven Wirksamkeitsnachweis fehle, verkennt es die bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGG).

15

Das LSG hat ausgeführt, die Methode sei nicht ausreichend an Menschen evaluiert und werde von der überwiegenden Mehrheit der einschlägigen Fachleute jedenfalls nicht befürwortet, vom wissenschaftlichen Beirat von Pro Retina Deutschland e.V. nicht empfohlen, vom "Health Council of the Netherlands" in den Niederlanden nicht anerkannt und auch in den USA und überwiegend in Europa nicht akzeptiert. Prof. M gehöre zur Minderheit der Befürworter und zu den wenigen Anwendern, gleichwohl vermöge er nur auf seine eigenen klinischen Erfahrungen an Menschen (und Tieren) hinzuweisen, ohne dass valide Studien oder aussagekräftige Statistiken zur Wirksamkeit der Therapie existierten. Die bisherigen Erkenntnisse würden zwar einen positiven Einfluss nicht ausschließen, genügten aber nicht, um von einer "ausreichend gesicherten" positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auszugehen, weil sich der Sachverständige nur auf die Feststellungen der von ihm operierten 126 Menschen stütze und eine graduelle Verzögerung des Sehschärfeverlustes um 18 bis 24 Monaten nicht ausreichend erscheine.

16

Damit überspannt das LSG die Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts. Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), ist es bei der abstrakten und konkreten Prüfung von Risiken und Nutzen geboten, jeweils das erreichbare Behandlungsziel iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu berücksichtigen. Der bei beiden Analysen von Nutzen und Risiken zu beachtende Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der den Zurechnungszusammenhang zwischen Therapie, Erfolg und Risiken betrifft, unterliegt - ähnlich wie bei der Anwendung von Pharmakotherapien mit Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV - aufgrund von Verfassungsrecht Abstufungen je nach Schwere und Stadium der Erkrankung und Ausmaß sowie Eintrittswahrscheinlichkeit von unerwünschten Nebenwirkungen. Erforderlich ist, dass unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt. Soweit danach eine solche Behandlungsmethode in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob bei Anlegen des gleichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch andere (anerkannte) Methoden diesen Anforderungen genügen. Ist dem so, sind diese Methoden untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen (vgl zum Ganzen zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 25 f mwN - LITT, bezogen in BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30).

17

Die Folge dieser Rechtsprechung ist, dass, wenn eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode für eine wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbare Krankheit (generell) überhaupt nicht zur Verfügung steht oder im konkreten Einzelfall ausscheidet, weil der Versicherte diese nachgewiesenermaßen nicht verträgt, der Nachweis des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit einem der notstandsähnlichen Situation angemessenen geringeren Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterfällt. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und 'hoffnungsloser' die Situation, desto geringere Anforderungen an die 'ernsthaften Hinweise' auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg" (BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40; mit ähnlicher Tendenz schon: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, 179; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl 2002, § 130 RdNr 23).

18

Wissenschaftliche Verlaufsbeobachtungen anhand von operierten 126 Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle sind ihrer Art nach ohne Weiteres geeignet, nach den Regeln der ärztlichen Kunst als Grundlage für "Indizien" im dargelegten Sinne für eine positive Einwirkung zu dienen. Nach den Feststellungen des LSG hat Prof. M 126 Patienten mit der Pelaez-Technik jeweils an einem Auge operiert - das nicht operierte Auge diente der Kontrolle - und stellte dabei fest, dass es zu Verbesserungen kam, die sich schrittweise verringerten, bis sie 18 bis 24 Monate nach Einsetzen des Implantats verschwanden.

19

Es entspricht auch nicht den dargelegten bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGB V), einen Erhalt der Sehfähigkeit durch Verbesserung des Sehvermögens für 18 bis 24 Monate als unerheblich anzusehen. Vielmehr handelt es sich ohne Zweifel um eine offenkundig positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Zu den Behandlungszielen des § 27 Abs 1 S 1 SGB V gehören die Heilung einer Krankheit, die Verhütung ihrer Verschlimmerung sowie die Linderung von Krankheitsbeschwerden. Eine "Verhütung der Verschlimmerung" setzt nicht voraus, dass diese dauerhaft ist, also die Erkrankung zum Stillstand kommt. Bei schicksalhaftem Verlauf der Erkrankung genügt es vielmehr, dass ihr Eintritt - hier die Erblindung - hinausgezögert wird (Steege in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2014, K § 27 RdNr 59).

20

Ob die Kuba-Therapie im Zeitpunkt der Behandlung nach den aufgezeigten Maßstäben geeignet war, beim Kläger eine Verschlimmerung im oben genannten Sinne zu vermeiden, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Nach Angaben von Prof. M soll die Behandlung nur auf Fälle mit hoher Progredienz des Krankheitsverlaufs angewendet werden, bei denen andere Methoden fehlschlugen. Das LSG hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die Frage offen gelassen, ob bei dem Kläger eine derartig schnelle Degeneration vorliegt. Entsprechende und ggf die übrigen, oben umschriebenen Feststellungen wird es nachzuholen haben. Mit Blick auf die gebotene abstrakte Nutzen-Risiko-Bewertung genügt es nicht - wie durch das LSG geschehen - nur allgemein mögliche Risiken zu nennen, ohne deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Die zu beurteilenden Risiken (nicht unerhebliches Operationsrisiko, Doppelsehen, welliges Sehen, schnellerer Verfall der Sehschärfe und des Gesichtsfelds als vor der Operation) wird das LSG deshalb abstrakt sowie bezogen auf den Einzelfall fest umreißen und mit dem möglichen Erfolg der Therapie in Anlehnung an Art 2 Abs 2 GG abzuwägen haben.

21

3. Die Notwendigkeit für das LSG, weitere ergänzende Feststellungen zu treffen, kann sich aus den in neuerer Rechtsprechung des erkennenden Senats entwickelten Anforderungen ergeben. Der erkennende Senat darf diese neueren Anforderungen trotz der grundsätzlichen Bindungswirkung (vgl § 170 Abs 5 SGG) seines ersten Revisionsurteils auch in diesem Verfahren zugrunde legen. Ein oberster Gerichtshof des Bundes ist nämlich, wenn er - wie hier der erkennende Senat - seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und erneut mit derselben Sache befasst wird, an seine zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden (vgl GmSOGB BSGE 35, 293, 296 ff = SozR Nr 15 zu § 170 SGG; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 13 mwN).

22

Nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f) verlangt die aus der grundrechtsorientierten Auslegung (heute: § 2 Abs 1a SGB V) resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zugrunde liegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Scheitert die Überprüfbarkeit der Methode nach Maßgabe der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten - womöglich als Teil eines Marketingkonzepts des Behandlers im Ausland -, sind derartige Erkenntnismängel nicht durch die grundrechtsorientierte Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zu überwinden(BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f). Die auch und gerade dem Patientenschutz dienende, tatsächlich mögliche wissenschaftliche Kontrolle, die innerhalb von EU und EWR die Regelungen über die Zulassung neuer Behandlungsmethoden prägt, steht bei Auslandskrankenbehandlungen nach § 18 SGB V nicht zur Disposition der ausländischen Leistungserbringer. Die grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V darf nicht dazu dienen, ein Anreizsystem dafür zu schaffen, dass in Deutschland versicherte Patienten Behandlungsleistungen außerhalb von EU und EWR nur deshalb erhalten, weil sich ihre Anbieter dauerhaft objektiv der tatsächlich möglichen wissenschaftlichen Kontrolle ihrer Leistungen entziehen, insbesondere keine Daten über die Einzelheiten der Behandlung einschließlich ihrer objektivierbaren Folgen veröffentlichen(BSG aaO mwN zur Sicherung des Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs 1 S 3 SGB V durch § 135 Abs 1 SGB V). Das LSG hat zur Ursache bestehender Erkenntnismängel im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers keine Feststellungen getroffen. Auch dies wird es nachzuholen haben.

23

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden des Beschlussgremiums gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

(2) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft und fünf von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern. Für die Berufung des unparteiischen Vorsitzenden und der weiteren unparteiischen Mitglieder sowie jeweils zweier Stellvertreter einigen sich die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 jeweils auf einen Vorschlag und legen diese Vorschläge dem Bundesministerium für Gesundheit spätestens zwölf Monate vor Ablauf der Amtszeit vor. Als unparteiische Mitglieder und deren Stellvertreter können nur Personen benannt werden, die im vorangegangenen Jahr nicht bei den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1, bei deren Mitgliedern, bei Verbänden von deren Mitgliedern oder in einem Krankenhaus beschäftigt oder selbst als Vertragsarzt, Vertragszahnarzt oder Vertragspsychotherapeut tätig waren. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt die Vorschläge an den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages. Der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages kann einem Vorschlag nach nichtöffentlicher Anhörung der jeweils vorgeschlagenen Person innerhalb von sechs Wochen mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder durch Beschluss widersprechen, sofern er die Unabhängigkeit oder die Unparteilichkeit der vorgeschlagenen Person als nicht gewährleistet ansieht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 legen innerhalb von sechs Wochen, nachdem das Bundesministerium für Gesundheit den Gemeinsamen Bundesausschuss über einen erfolgten Widerspruch unterrichtet hat, einen neuen Vorschlag vor. Widerspricht der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages nach Satz 5 auch dem neuen Vorschlag innerhalb von sechs Wochen oder haben die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 keinen neuen Vorschlag vorgelegt, erfolgt die Berufung durch das Bundesministerium für Gesundheit. Die Unparteiischen üben ihre Tätigkeit in der Regel hauptamtlich aus; eine ehrenamtliche Ausübung ist zulässig, soweit die Unparteiischen von ihren Arbeitgebern in dem für die Tätigkeit erforderlichen Umfang freigestellt werden. Die Stellvertreter der Unparteiischen sind ehrenamtlich tätig. Hauptamtliche Unparteiische stehen während ihrer Amtszeit in einem Dienstverhältnis zum Gemeinsamen Bundesausschuss. Zusätzlich zu ihren Aufgaben im Beschlussgremium übernehmen die einzelnen Unparteiischen den Vorsitz der Unterausschüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses. Der Vorsitzende nach Absatz 1 Satz 3 stellt übergreifend die Einhaltung aller dem Gemeinsamen Bundesausschuss auferlegten gesetzlichen Fristen sicher. Zur Erfüllung dieser Aufgabe nimmt er eine zeitliche Steuerungsverantwortung wahr und hat ein Antragsrecht an das Beschlussgremium nach Satz 1, er erstattet auch den nach Absatz 11 jährlich vorzulegenden Bericht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 schließen die Dienstvereinbarungen mit den hauptamtlichen Unparteiischen; § 35a Absatz 6 Satz 2 und Absatz 6a Satz 1 und 2 des Vierten Buches gilt entsprechend. Vergütungserhöhungen sind während der Dauer der Amtszeit der Unparteiischen unzulässig. Zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen kann eine über die zuletzt nach § 35a Absatz 6a Satz 1 des Vierten Buches gebilligte Vergütung der letzten Amtsperiode oder des Vorgängers im Amt hinausgehende höhere Vergütung nur durch einen Zuschlag auf die Grundvergütung nach Maßgabe der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes vereinbart werden. Die Aufsichtsbehörde kann zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen eine niedrigere Vergütung anordnen. Die Art und die Höhe finanzieller Zuwendungen, die den Unparteiischen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Unparteiische von Dritten gewährt werden, sind den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 mitzuteilen und auf die Vergütung der Unparteiischen anzurechnen oder an den Gemeinsamen Bundesausschuss abzuführen. Vereinbarungen der Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 für die Zukunftssicherung der Unparteiischen sind nur auf der Grundlage von beitragsorientierten Zusagen zulässig. Die von den Organisationen benannten sonstigen Mitglieder des Beschlussgremiums üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus; sie sind bei den Entscheidungen im Beschlussgremium an Weisungen nicht gebunden. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benennen für jedes von ihnen benannte Mitglied bis zu drei Stellvertreter. Die Amtszeit im Beschlussgremium beträgt ab der am 1. Juli 2012 beginnenden Amtszeit sechs Jahre.

(2a) Bei Beschlüssen, die allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 alle fünf Stimmen der Leistungserbringerseite anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von der betroffenen Leistungserbringerorganisation nach Absatz 1 Satz 1 benannt worden sind. Bei Beschlüssen, die allein zwei der drei Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 die Stimmen der von der nicht betroffenen Leistungserbringerorganisation benannten Mitglieder anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von den betroffenen Leistungserbringerorganisationen benannt worden sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seiner Geschäftsordnung erstmals bis zum 31. Januar 2012 fest, welche Richtlinien und Entscheidungen allein einen oder allein zwei der Leistungssektoren wesentlich betreffen. Bei Beschlüssen zur Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wird die Stimme des von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung benannten Mitglieds ab dem 1. Januar 2012 anteilig auf die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft benannten Mitglieder übertragen.

(3) Für die Tragung der Kosten des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Kosten der von den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benannten Mitglieder gilt § 139c entsprechend. Im Übrigen gilt § 90 Abs. 3 Satz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass vor Erlass der Rechtsverordnung außerdem die Deutsche Krankenhausgesellschaft anzuhören ist.

(3a) Verletzen Mitglieder oder deren Stellvertreter, die von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen benannt oder berufen werden, in der ihnen insoweit übertragenen Amtsführung die ihnen einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, gilt § 42 Absatz 1 bis 3 des Vierten Buches mit der Maßgabe entsprechend, dass die Verantwortlichkeit den Gemeinsamen Bundesausschuss, nicht aber die in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen, trifft. Dies gilt auch im Falle einer Berufung der unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch das Bundesministerium für Gesundheit nach Absatz 2 Satz 7. Soweit von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen für die Vorbereitung von Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses Personen für die nach seiner Geschäftsordnung bestehenden Gremien benannt werden und diese Personen zur Wahrung der Vertraulichkeit der für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtigen, ihnen zugänglichen Unterlagen und Informationen verpflichtet werden, gilt Satz 1 entsprechend. Das Gleiche gilt für nach § 140f Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz benannte sachkundige Personen, denen zur Ausübung ihres Mitberatungsrechts für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtige Unterlagen und Informationen zugänglich gemacht werden, wenn sie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zur Wahrung der Vertraulichkeit dieser Unterlagen verpflichtet worden sind. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Geschäftsordnung.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt

1.
eine Verfahrensordnung, in der er insbesondere methodische Anforderungen an die wissenschaftliche sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens, einschließlich Bewertungen nach den §§ 35a und 35b, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse sowie die Anforderungen an den Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit von Sachverständigen und das Verfahren der Anhörung zu den jeweiligen Richtlinien, insbesondere die Feststellung der anzuhörenden Stellen, die Art und Weise der Anhörung und deren Auswertung, regelt,
2.
eine Geschäftsordnung, in der er Regelungen zur Arbeitsweise des Gemeinsamen Bundesausschusses insbesondere zur Geschäftsführung, zur Vorbereitung der Richtlinienbeschlüsse durch Einsetzung von in der Regel sektorenübergreifend gestalteten Unterausschüssen, zum Vorsitz der Unterausschüsse durch die Unparteiischen des Beschlussgremiums sowie zur Zusammenarbeit der Gremien und der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses trifft; in der Geschäftsordnung sind Regelungen zu treffen zur Gewährleistung des Mitberatungsrechts der von den Organisationen nach § 140f Abs. 2 entsandten sachkundigen Personen.
Die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Vorlage des Beschlusses und der tragenden Gründe ganz oder teilweise versagt. Das Bundesministerium für Gesundheit kann im Rahmen der Genehmigungsprüfung vom Gemeinsamen Bundesausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Wird die Genehmigung ganz oder teilweise versagt, so kann das Bundesministerium für Gesundheit insbesondere zur Sicherstellung einer sach- und funktionsgerechten Ausgestaltung der Arbeitsweise und des Bewertungsverfahrens des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderliche Änderungen bestimmen und anordnen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb einer bestimmten Frist die erforderlichen Änderungen vornimmt. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss der Anordnung innerhalb der Frist nicht nach, so kann das Bundesministerium für Gesundheit die erforderlichen Änderungen selbst vornehmen. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend, wenn sich die Erforderlichkeit der Änderung einer bereits genehmigten Regelung der Verfahrensordnung oder der Geschäftsordnung erst nachträglich ergibt. Klagen gegen Anordnungen und Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit nach den Sätzen 3 bis 7 haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) Bei Beschlüssen, deren Gegenstand die Berufsausübung der Ärzte, Psychotherapeuten oder Zahnärzte berührt, ist der jeweiligen Arbeitsgemeinschaft der Kammern dieser Berufe auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 136 Absatz 3 und § 136b Absatz 1 Satz 3 bleiben unberührt.

(5a) Bei Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses, die die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln oder voraussetzen, ist dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(6) Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 136d sind für die Träger nach Absatz 1 Satz 1, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich.

(7) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 Satz 1 fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit seiner Mitglieder, sofern die Geschäftsordnung nichts anderes bestimmt. Beschlüsse zur Arzneimittelversorgung und zur Qualitätssicherung sind in der Regel sektorenübergreifend zu fassen. Beschlüsse, die nicht allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen und die zur Folge haben, dass eine bisher zulasten der Krankenkassen erbringbare Leistung zukünftig nicht mehr zu deren Lasten erbracht werden darf, bedürfen einer Mehrheit von neun Stimmen. Der unparteiische Vorsitzende und die weiteren unparteiischen Mitglieder können dem Beschlussgremium gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag zur Entscheidung vorlegen. Mit der Vorbereitung eines Beschlussvorschlags oder eines Antrags eines Unparteiischen nach § 135 Absatz 1 Satz 1 oder § 137c Absatz 1 Satz 1 können die Unparteiischen oder kann der Unparteiische die Geschäftsführung beauftragen. Die Sitzungen des Beschlussgremiums sind in der Regel öffentlich und werden zeitgleich als Live-Video-Übertragung im Internet angeboten sowie in einer Mediathek zum späteren Abruf verfügbar gehalten. Die nichtöffentlichen Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, insbesondere auch die Beratungen in den vorbereitenden Gremien, sind einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften vertraulich.

(8) (weggefallen)

(9) Jedem, der berechtigt ist, zu einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses Stellung zu nehmen und eine schriftliche oder elektronische Stellungnahme abgegeben hat, ist in der Regel auch Gelegenheit zu einer mündlichen Stellungnahme zu geben. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Verfahrensordnung vorzusehen, dass die Teilnahme jeweils eines Vertreters einer zu einem Beschlussgegenstand stellungnahmeberechtigten Organisation an den Beratungen zu diesem Gegenstand in dem zuständigen Unterausschuss zugelassen werden kann.

(10) Der Gemeinsame Bundesausschuss ermittelt spätestens ab dem 1. September 2012 die infolge seiner Beschlüsse zu erwartenden Bürokratiekosten im Sinne des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates und stellt diese Kosten in der Begründung des jeweiligen Beschlusses nachvollziehbar dar. Bei der Ermittlung der Bürokratiekosten ist die Methodik nach § 2 Absatz 3 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates anzuwenden. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 30. Juni 2012 in seiner Verfahrensordnung.

(11) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages einmal jährlich zum 31. März über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über die Einhaltung der Fristen nach § 135 Absatz 1 Satz 4 und 5, § 136b Absatz 3 Satz 1, § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 vorzulegen, in dem im Falle von Überschreitungen der Fristen nach § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 auch die zur Straffung des Verfahrens unternommenen Maßnahmen und die besonderen Schwierigkeiten einer Bewertung, die zu einer Fristüberschreitung geführt haben können, im Einzelnen dargelegt werden müssen. Zudem sind in dem Bericht auch alle anderen Beratungsverfahren über Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses darzustellen, die seit förmlicher Einleitung des Beratungsverfahrens länger als drei Jahre andauern und in denen noch keine abschließende Beschlussfassung erfolgt ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen stehen beim Tod des Berechtigten nacheinander

1.
dem Ehegatten,
1a.
dem Lebenspartner,
2.
den Kindern,
3.
den Eltern,
4.
dem Haushaltsführer
zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Mehreren Personen einer Gruppe stehen die Ansprüche zu gleichen Teilen zu.

(2) Als Kinder im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 gelten auch

1.
Stiefkinder und Enkel, die in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen sind,
2.
Pflegekinder (Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden sind),
3.
Geschwister des Berechtigten, die in seinen Haushalt aufgenommen worden sind.

(3) Als Eltern im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 gelten auch

1.
sonstige Verwandte der geraden aufsteigenden Linie,
2.
Stiefeltern,
3.
Pflegeeltern (Personen, die den Berechtigten als Pflegekind aufgenommen haben).

(4) Haushaltsführer im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 ist derjenige Verwandte oder Verschwägerte, der an Stelle des verstorbenen oder geschiedenen oder an der Führung des Haushalts aus gesundheitlichen Gründen dauernd gehinderten Ehegatten oder Lebenspartners den Haushalt des Berechtigten mindestens ein Jahr lang vor dessen Tod geführt hat und von diesem überwiegend unterhalten worden ist.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2008 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für ambulante transarterielle Chemoperfusionen und eine Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie (LITT).

2

Der Kläger war Ehemann und ist Erbe der 1927 geborenen und am 24.3.2008 verstorbenen Dr. K. M. (im Folgenden: Versicherte). Er lebte zur Zeit ihres Todes mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt. Die Versicherte, eine ehemalige Zahnärztin, war als Bezieherin einer Regelaltersrente bei der beklagten Krankenkasse (KK) freiwillig versichert. Die Versicherte litt an einem Sigmakarzinom, das sie im Juli 2003 operieren ließ. Kontrolluntersuchungen im Mai und Juni 2005 zeigten einen hepatischen und lymphatischen Progress der Erkrankung. Daraufhin leitete das Krankenhaus N. in F. eine Chemotherapie ein (16.6.2005). Die Versicherte setzte die Behandlung nicht fort. Vertragsarzt Dr. L. überwies sie zur "Chemoembolisation" in das Universitätsklinikum F. zur Mit-/Weiterbehandlung "Leber NPL" (17.6.2005). Chefarzt Prof. Dr. V. war dort mit Einschränkungen ua zur Chemoembolisation ermächtigt (GO-Nr 34286 EBM 2000 plus), nicht aber zur Chemoperfusion (kein Gegenstand des EBM 2000 plus), die er als "lokale Chemotherapie " bezeichnet. Er klärte die Versicherte nach seinen Angaben anlässlich der Untersuchung darüber auf, dass sie die Kosten der beabsichtigten Chemoperfusion selbst tragen müsse, da "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" stattfinde. Weiter vereinbarte er mit ihr bei jeder Behandlungseinheit schriftlich private persönliche Beratung und Behandlung. Die Versicherte beantragte bei der Beklagten, die bei Prof. Dr. V./Universitätsklinikum F. anfallenden Kosten zu übernehmen. Prof. Dr. V. werde bereits am 21.6.2005 mit "einer lokalen Chemotherapie beginnen". Diese werde im Abstand von einem Monat noch zweimal wiederholt, damit der Tumor schrumpfe, um ihn dann "mit Laser-Technik zu vernichten" (18./20.6.2005). Die Beklagte antwortete ua, wenn sie eine Privatbehandlungsvereinbarung treffe, habe sie die Mehrkosten zu tragen. Es sei nicht zu erkennen, ob sie eine Privatbehandlung gewählt habe. Der behandelnde Arzt kläre sie vor Behandlungsbeginn hierüber auf. Die Versicherte erhielt ab 21.6.2005 transarterielle Chemoperfusionen sowie später eine LITT. Sie beantragte, die bereits für den 21.6.2005 gezahlten Behandlungs- und Fahrkosten zu übernehmen (17./19.8.2005). Prof. Dr. V. rechne "prinzipiell nur mit den Patienten direkt ab". Die Rechnungen für den 21.6.2005 wie für die beiden Folgetermine umfassen ua neben Positionen für bildgebende Verfahren die GOÄ-Ziffer 5357 - "Embolisation". Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da die Chemoperfusion keine vertragsärztliche Leistung sei, nur privat abgerechnet werden könne, die Versicherte hierüber aufgeklärt worden sei und Wahlerklärungen - auch für die folgenden Perfusionen - unterschrieben habe (Bescheid vom 22.9.2005). Mit ihrem Widerspruch trug die Versicherte vor, sie benötige dringend die lebensnotwendigen, als Methode etablierten Chemoperfusionen, die keine Wahlleistung seien, mit anschließender Laser-Therapie. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.3.2006). Die Versicherte hat Zahlungsklage erhoben und ihre Erstattungsforderung an den Kläger abgetreten. Das SG hat die Klage abgewiesen: Ambulante Chemoperfusionen seien umstritten und nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) empfohlen. Als Alternative sei eine systemische Chemotherapie möglich gewesen (Urteil vom 17.11.2008).

3

Mit seiner auf Zahlung von 77 700,92 Euro für die Behandlung bis 8.11.2007 nebst Fahrkosten gerichteten Berufung hat der Kläger vorgetragen, Prof. Dr. V. habe nicht darüber aufgeklärt, dass die Chemoperfusion eine Privatleistung sei, "die meine Frau dann unterschrieben habe". Das LSG hat die Beklagte - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - verurteilt, 18 708,87 Euro zu zahlen, Kosten für die vom 21.6. bis 13.9.2005 durchgeführten transarteriellen Chemoperfusionen und für die Fahrten zum Universitätsklinikum. Die Art der Rechtsnachfolge des Klägers sei unerheblich. Die Versicherte habe sich trotz der ihr abgerungenen Unterzeichnung privatärztlicher Behandlungsverträge bis zum Erlass des Bescheides vom 22.9.2005 in dem Glauben befunden, sie erhalte eine Chemoembolisation. Darin liege ein Systemversagen, das zur Kostenerstattung zwinge. Es sei nicht gewährleistet, dass die Zivilgerichte der Beurteilung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit folgten. Nach Bescheiderlass habe die Versicherte nicht mehr geirrt. Auf die weitere erbrachte Behandlung bei Prof. Dr. V. habe sie keinen Naturalleistungsanspruch gehabt, da die Leistungen nicht zur ambulanten Behandlung zugelassen gewesen seien und eine systemische Chemotherapie als zugelassene Alternative zur Verfügung gestanden habe (Urteil vom 28.4.2011).

4

Der Kläger rügt zur Begründung seiner Revision sinngemäß die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und ausdrücklich mangelnde Sachaufklärung. Das LSG hätte Vertrauensschutz gewähren und klären müssen, dass nach Zugang des Bescheides vom 22.9.2005 ein Wechsel zu einer systemischen Chemotherapie noch zumutbar gewesen sei.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 sowie den Bescheid vom 22. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 in vollem Umfang aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über die zuerkannten 18 708,87 Euro hinaus weitere 58 992,05 Euro zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, soweit es die Berufung des Klägers zurückgewiesen hat, und insoweit die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen,
sowie
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 in vollem Umfang zurückzuweisen.

7

Sie rügt zur Begründung ihrer Revision die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und sinngemäß, das LSG habe das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend beachtet. Mangels Naturalleistungsanspruchs im Zeitpunkt der Behandlung bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet; die zulässige Revision des Klägers ist dagegen unbegründet. Das LSG-Urteil ist zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das SG-Urteil ist in vollem Umfang zurückzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Behandlung der Versicherten vom 21.6.2005 bis 8.11.2007 aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V(idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Obwohl die Versicherte ihren Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V während des Klageverfahrens an den Kläger abgetreten hat, blieb sie zunächst allein berechtigt, prozessual die Feststellung dieses Anspruchs zu betreiben(vgl entsprechend BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 11 ff und LS 1 mwN). Der Kläger handelte sinngemäß zunächst für die Versicherte. Er ist seit dem Tod der Versicherten als ihr Sonderrechtsnachfolger, nicht aber als Erbe prozessführungsbefugt (zum Begriff vgl BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 15 mwN), den Kostenerstattungsanspruch der Versicherten gerichtlich geltend zu machen (dazu 1.). Der Versicherten stand aber kein Zahlungsanspruch zu, da die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nicht erfüllt sind. Die Versicherte hatte nämlich gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die durchgeführte Krankenbehandlung (dazu 2.). Der abweichenden LSG-Auffassung ist nicht zu folgen (dazu 3.).

10

1. Der Kläger ist prozessführungsbefugt, weil er Sonderrechtsnachfolger der Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V ist. Das folgt aus § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I. Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit der Berechtigten zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es beim Kläger. Bei dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch handelt es sich auch um einen fälligen Anspruch auf laufende Geldleistungen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Kostenerstattungsanspruch auf Geldleistungen gerichtet (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Bestand ein Kostenerstattungsanspruch, war er mit seinem Entstehen fällig (§ 41 SGB I).

11

Der Kostenerstattungsanspruch ist im Rechtssinne auf "laufende" Geldleistungen jedenfalls dann gerichtet, wenn er - wie vorliegend - über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen betrifft. § 56 SGB I ist in diesem Sinne bei Todesfällen in der Zeit ab dem 2.1.2002 auszulegen. Die Regelung ist einer weiten Auslegung zugänglich. Sie kann sogar als Basis einer Analogie dienen (vgl dazu BSG SozR 1500 § 75 Nr 44 S 48). Den Begriff der laufenden Geldleistungen, dem der Begriff der "einmaligen" Geldleistung gegenübersteht, definiert das Gesetz nicht. Nach den Gesetzesmaterialien (Entwurf der Bundesregierung zum SGB I, BT-Drucks 7/868 S 31 zu § 48)handelt es sich um Leistungen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden; sie verlieren ihren Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet oder als zusammenfassende Zahlung für mehrere Zeitabschnitte geleistet werden. Das kommt auch für die Kostenerstattungsansprüche nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei Systemmangel in Betracht (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V; § 15 Abs 1 SGB IX). Sie knüpfen daran an, dass der Berechtigte regelmäßig zu einer Vorfinanzierung für mehrere Zeitabschnitte gezwungen ist (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Dem Zweck der Sonderrechtsnachfolge in § 56 SGB I wird es in besonderem Maße gerecht, solche Kostenerstattungsansprüche als Ansprüche auf laufende Geldleistungen anzusehen. Es beschränkt in aller Regel die Lebensführung nicht nur des Leistungsberechtigten, sondern aller Familienangehörigen, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn Ansprüche auf laufende Geldleistung nicht rechtzeitig erfüllt werden (vgl Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 7/868 S 33 zu den §§ 56 bis 59). Das gilt in gleicher Weise regelmäßig für die Fälle, in denen die KK ihre Pflicht zur Naturalleistungsgewährung (§ 2 Abs 2 und § 13 Abs 1 SGB V) nicht erfüllt, der Versicherte sich deshalb die zu beanspruchenden Leistungen selbst beschafft, vorfinanziert und später die Kostenerstattung von der KK erstreitet. Um die dadurch entstandene Benachteiligung auszugleichen, sieht § 56 SGB I in Abweichung vom Erbrecht, aber in Übereinstimmung mit Vorschriften des bis zum Inkrafttreten des SGB I geltenden Rechts und mit der Funktion solcher Leistungen eine Sonderrechtsnachfolge vor. Der Schutzbedarf der durch die Vorschriften der Sonderrechtsnachfolge erfassten Personen hat zwischenzeitlich noch dadurch zugenommen, dass § 183 S 1 SGG(hier idF durch Art 1 Nr 61 des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes <6. SGGÄndG> vom 17.8.2001, BGBl I 2144) seit dem 2.1.2002 allein Sonderrechtsnachfolger hinsichtlich der Gerichtskosten privilegiert, während sonstige Rechtsnachfolger nach § 183 S 2 SGG Kostenfreiheit nur in dem Rechtszug haben können, indem sie das Verfahren aufnehmen(vgl zum Ganzen BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 11 - Ilomedin).

12

Der Vorbehalt abweichender Regelungen (§ 37 SGB I; vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 17)steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Allerdings hatte das vor Inkrafttreten des SGB I geltende Recht der RVO für die GKV - anders als für das Recht der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung (vgl hierzu § 630 und § 1288 RVO, dementsprechend § 65 Angestelltenversicherungsgesetz und § 88 Reichsknappschaftsgesetz) - keine Regelung zur Sonderrechtsnachfolge enthalten. Deshalb nahm auch die Rechtsprechung des BSG zum alten Rechtszustand an, der galt, wenn ein Sozialleistungsberechtigter vor dem Inkrafttreten des SGB I (1.1.1976) gestorben war (vgl Art II § 19 SGB I idF vom 11.12.1975, BGBl I 3015), dass ein Erstattungsanspruch im Wege der Rechtsnachfolge auf die Erben übergeht (vgl BSG Urteil vom 10.10.1978 - 3 RK 11/78 - USK 78126). Die bewusst umfassend getroffene Regelung des § 56 SGB I erfasst dagegen auch das Recht der GKV. Die Besonderheiten dieses Rechtsgebiets erfordern es nicht, Kostenerstattungsansprüche von der Sonderrechtsnachfolge nach dem SGB I auszuschließen. Besondere Überlegungen, die im Recht der Sozialhilfe für den Ausschluss der Sonderrechtsnachfolge oder Modifikationen in Betracht kommen (vgl dazu BVerwGE 96, 18, 22 ff = Buchholz 435.11 § 58 SGB I Nr 2; BSG SozR 4-3500 § 19 Nr 3, RdNr 16 ff mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), greifen insoweit für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V und § 15 Abs 1 SGB IX nicht durch.

13

Der vorliegende Fall unterscheidet sich durch den Tod der Versicherten in der Zeit ab dem 2.1.2002, dem Tag des Inkrafttretens des 6. SGGÄndG, auch wesentlich von jenem, der dem Urteil des 9. Senats des BSG vom 10.12.2003 (vgl BSGE 92, 42 = SozR 4-3100 § 35 Nr 3)zugrunde lag. Jener Rechtsstreit betraf die Erstattung von bis zum Tode des Berechtigten im Jahr 1999 verauslagten Aufwendungen entsprechend § 18 Abs 3 und 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit Blick auf Heimpflege nach § 35 Abs 6 BVG. Er war schon vor Inkrafttreten des 6. SGGÄndG rechtshängig geworden, sodass nach dem Übergangsrecht (Art 17 Abs 1 S 2 6. SGGÄndG) noch altes Kostenrecht anzuwenden war.

14

Der erkennende Senat kann diese Rechtsprechung fortführen (vgl grundlegend BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5 - Ilomedin), ohne den Großen Senat anrufen zu müssen. Denn der 3. Senat des BSG hat seine entgegenstehende, abweichende Rechtsauffassung aus den Urteilen vom 3.8.2006 und vom 25.8.2009 (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 10 RdNr 11)auf Anfrage des erkennenden Senats (BSG Beschluss vom 8.11.2011 - B 1 KR 6/11 R) aufgegeben (BSG Beschluss vom 15.3.2012 - B 3 KR 2/11 S).

15

2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten - hier allein in Betracht kommenden - Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind nicht erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war". Der Anspruch aus § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 und 2 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch des Versicherten gegen seine KK. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 8 - Leucinose, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 - Lorenzos Öl; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT). Daran fehlt es.

16

Nach den insoweit unangegriffenen und damit den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte die Versicherte keinen Anspruch auf eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT gegen die Beklagte. Die Beklagte war zwar nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung der Versicherten verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die KKn sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie - wie im vorliegenden Fall - nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei - wie hier - neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 S 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der KKn erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den KKn geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 12 - LITT, stRspr). Es fehlte zur Zeit der Behandlung der Versicherten an einer Empfehlung des GBA für eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT.

17

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 - ICL). Für ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl dazu BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff mwN - LITT; § 135 Abs 1 S 4 und 5 SGB V idF des Art 1 Nr 105 Buchst b des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - vom 26.3.2007, BGBl I 378). Auch die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung sind nicht erfüllt (vgl hierzu zB BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21 und 29 ff mwN - Tomudex; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - 32 - D-Ribose; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 20 ff mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - Lorenzos Öl; ab 1.1.2012 § 2 Abs 1a SGB V). Es stand nämlich für die Versicherte im maßgeblichen Zeitpunkt Juni 2005 zu Beginn der Behandlung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 28, 33 - LITT) mit der systemischen Chemotherapie eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 21 - LITT; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 31 - Tomudex). Entgegen der Auffassung des Klägers stellt sich die Frage nach einem zumutbaren Wechsel von der transarteriellen Chemoperfusion zur systemischen Chemotherapie zu einem späteren Zeitpunkt nicht.

18

3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist es für den Erstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V unerheblich, dass - wovon das LSG ausgeht, was aber die Beklagte angegriffen hat - Prof. Dr. V. angeblich die Versicherte nicht über die Verabreichung von Chemoperfusionen aufgeklärt hat, sodass sie von einer Chemoembolisation ausging. Es bedarf deshalb keiner Vertiefung, ob die Beklagte mit ihrem Vorbringen noch hinreichend sinngemäß als Verfahrensverstoß gerügt hat, dass das LSG bei seiner Annahme das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat (vgl dazu BSG SozR Nr 56 zu § 128 SGG; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012 § 128 RdNr 13 mwN) und dass das LSG mit diesem Verfahrensverstoß die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten hat. Hierfür spricht allerdings, dass es nicht darauf eingegangen ist, dass nach den vom LSG in Bezug genommenen Akteninhalt die Versicherte durch ihren Ehegatten schon am 18.6.2005, nach der Erstuntersuchung bei Prof. Dr. V. am 17.6.2005, Kostenerstattung für eine "lokale Chemotherapie" beantragte - so bezeichnet Prof. Dr. V. die Chemoperfusion; dass die Nachfrage der Beklagten im Sekretariat von Prof. Dr. V. ergab, dass die Versicherte über die nur privat abzurechnende Chemoperfusionen aufgeklärt wurde und entsprechende Wahlerklärungen unterschrieb; dass die Versicherte auf die Wiedergabe dieses Sachverhalts in ihrem Widerspruch nicht etwa überrascht reagierte, sondern ausführte, sie benötige dringend "die lebensnotwendige Chemoperfusion mit anschließender Laser-Therapie. Zu dieser Therapie gibt es keine Alternative"; dass Prof. Dr. V. selbst gegenüber dem SG angab, die Chemoperfusion habe er der Versicherten privat in Rechnung gestellt, weil "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" erfolge, er habe mit der Versicherten eine private Kostenvereinbarung getroffen und ihr vor der Behandlung mit Chemoperfusion die Auskunft erteilt, dass die Kosten selbst getragen werden müssten; schließlich dass der Kläger dem bei Kenntnisnahme während des Klageverfahrens nicht etwa sofort widersprach, sondern die unmittelbar daneben aufgeführte Angabe von Prof. Dr. V. im gleichen Schreiben als entscheidend ansah, die Chemoembolisation wäre zu gefährlich gewesen.

19

Auch wenn man in Widerspruch zum Akteninhalt zugunsten des Klägers unterstellt, der hierzu nicht vom LSG persönlich angehörte Prof. Dr. V. habe die Versicherte nicht darüber aufgeklärt, Chemoperfusionen zu verabreichen, begründet dies entgegen der Auffassung des LSG kein "Systemversagen", welches das Erfordernis des Bestehens eines Primäranspruchs entfallen lässt und zur Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V führt. Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck des § 13 Abs 3 S 1 SGB V geben für die Rechtsauffassung des LSG nichts her, Versicherten seien bei unterlassener ärztlicher Aufklärung über eine durchgeführte, nicht zu Lasten der GKV zu beanspruchende Behandlung Kosten zu erstatten. Schon der Wortlaut der abschließenden Regelung (vgl dazu BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 19 mwN)des § 13 Abs 3 S 1 SGB V knüpft an die Voraussetzung an, dass die KK "eine … Leistung" nicht rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht ablehnte, sie zu erbringen. Dreh- und Angelpunkt des Anspruchs ist die dem Versicherten geschuldete Leistung, hier also die Krankenbehandlung. Die Gesetzesmaterialien belegen Gleiches. Danach ersetzt die Vorschrift den Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die KK eine Leistung wegen ihrer Dringlichkeit … nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. In anderen Fällen selbstbeschaffter Leistungen besteht keine Leistungspflicht der KK (vgl insgesamt Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen , BT-Drucks 11/2237 S 164, zu § 13 Abs 2). Sowohl § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 SGB V als auch § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V knüpfen zwingend an die von der KK geschuldete, aber rechtswidrig nicht erbrachte Leistung an(vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; Brandts in Kasseler Komm, Stand April 2012, § 13 SGB V RdNr 52 ff; E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V RdNr 233 ff mwN). Das Regelungssystem des SGB V begründet Ansprüche auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 SGB V)unter Beachtung des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) grundsätzlich nach objektiven Kriterien (vgl beispielhaft für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 30 f; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 19 ff mwN; Hauck, NZS 2007, 461 ff). Besteht die Möglichkeit, verschiedene Wege zu gehen, sind diese krankenversicherungsrechtlich auf ihre Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen (§ 12 Abs 1 SGB V). Nur wenn mehrere verschiedene in Betracht kommende Maßnahmen ärztlichen Handelns diesen Anforderungen genügen, hat der versicherte Patient auch hierüber aufgeklärt zu werden und die Auswahl zu treffen (vgl BSG Beschluss vom 7.11.2006 - B 1 KR 32/04 R - GesR 2007, 276 RdNr 54). Dieses Regelungssystem sichert die Gleichbehandlung der Versicherten (Art 3 Abs 1 GG) und richtet die Leistungen am Gesichtspunkt der Qualität und Wirtschaftlichkeit aus. Es vermeidet, den Anspruch Versicherter von dem in dieser Hinsicht ungeeigneten Maßstab ärztlicher Pflichtverletzungen abhängig zu machen, wie es bei der Rechtsauffassung des LSG der Fall wäre.

20

Entgegen der Ansicht des LSG entstehen infolge der Regelung des Gesetzgebers keine Rechtsschutzdefizite zu Lasten der Versicherten. Erhalten Versicherte eine GKV-Leistung, müssen sie grundsätzlich hierfür abgesehen von der Zuzahlung nicht zahlen. Zahlen sie dennoch, können sie das Gezahlte im Zivilrechtsweg zurückfordern. Ihre Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund, die Versicherten können zudem vom Leistungserbringer, etwa vom Arzt, Schadensersatz fordern (§ 76 Abs 4 SGB V). Deutet sich ein solcher Sachverhalt erst im Rechtsstreit der Sozialgerichtsbarkeit über Kostenerstattung an, kann der Versicherte nach dem SGG zwar nicht dem betroffenen Arzt den Streit verkünden. Das Gericht kann ihn aber - funktional gleichwertig - beiladen, um eine Bindungswirkung seiner Entscheidung zu erreichen (vgl dazu BSGE 40, 130, 132 = SozR 1750 § 41 Nr 1; zur rechtswegübergreifenden Interventionswirkung vgl auch BSGE 109, 133 = SozR 4-1750 § 68 Nr 1).

21

§ 13 Abs 3 S 1 SGB V ist für einen solchen Fall nicht gedacht. Kosten im Sinne des § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind dem Versicherten in einem solchen Fall nicht dadurch "entstanden", dass seine KK eine Leistung rechtswidrig abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Seine KK kann ihn bei der Rückforderung unterstützen (vgl § 66 SGB V), hat aber nicht die Aufgabe, für solche ärztlichen Pflichtverletzungen nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V einzustehen.

22

Die Regelung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V will vielmehr Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der KK geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht(vgl BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 25). Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn der Versicherte eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will. So lag es nach den LSG-Feststellungen hinsichtlich der Chemotherapie für die Versicherte. Will ein Versicherter dagegen eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen, weiß er, dass er diese - abgesehen von den gesetzlichen Zuzahlungen - frei von Honorar beanspruchen kann.

23

§ 13 Abs 3 S 1 SGB V garantiert - wie dargelegt - lediglich, dass Versicherte tatsächlich bestehende Versorgungslücken des Naturalleistungssystems in den gesetzlich bestimmten Fällen zu Lasten der KKn beseitigen können, indem sie sich die geschuldete Leistung selbst verschaffen. Auch die irrige Annahme eines Versicherten, ihm werde eine GKV-Leistung erbracht, obwohl dies nicht der Fall ist, schafft keine Versorgungslücke. Denn die Fehlvorstellung ändert nicht den Umfang des GKV-Leistungskatalogs: Der Versicherte erhält eine Leistung, die er gerade nicht von der GKV beanspruchen kann. Hat der Leistungserbringer die Fehlvorstellung des Versicherten erzeugt, kann der Versicherte erst recht das Gezahlte nach den oben dargelegten Grundsätzen zurückverlangen. Schließt der zutreffend umfassend aufgeklärte Versicherte dagegen über die Leistung von vornherein eine private Honorarvereinbarung ab, begibt er sich des Schutzes des Naturalleistungssystems. Er ist in diesem Fall nicht schutzwürdig.

24

Verletzt der behandelnde Arzt seine Aufklärungspflichten, kann dies zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs des Arztes führen (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 35 - LITT; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18). Sollte der behandelnde Arzt mit Hilfe einer Honorarvereinbarung versuchen, ihn selbst treffende Risiken auf den Versicherten abzuwälzen, kommt nach der Rechtsprechung des Senats auch eine Nichtigkeit der Vereinbarung nach § 32 SGB I in Betracht(vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 26; BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 16 f; BSG Urteil vom 18.7.2006 - B 1 KR 9/05 R - USK 2006-79 - juris RdNr 13; vgl auch die Auflistung der verschiedenen Fallgruppen fehlender Zahlungsverpflichtungen bei E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V, RdNr 267 ff).

25

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, weil der Kläger in seiner Eigenschaft als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I klagt.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

Leistungen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie in der sozialen Pflegeversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt. Leistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung werden von Amts wegen erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die gesetzliche Unfallversicherung nichts Abweichendes ergibt.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2, den nach § 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme der Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 1 und 2 Satz 1 richtet sich nach den hierüber abgeschlossenen Verträgen. Die Zahl der Eigeneinrichtungen darf auf Grund vertraglicher Vereinbarung vermehrt werden, wenn die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 Satz 1 erfüllt sind.

(1a) In den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 7 können Versicherte auch zugelassene Krankenhäuser in Anspruch nehmen, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen; dies gilt auch, wenn die Terminservicestelle Versicherte in den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 3 in eine Notfallambulanz vermittelt. Die Inanspruchnahme umfasst auch weitere auf den Termin folgende notwendige Behandlungen, die dazu dienen, den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen.

(2) Wird ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächsterreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinische Versorgungszentren in Anspruch genommen, hat der Versicherte die Mehrkosten zu tragen.

(3) Die Versicherten sollen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Der Versicherte wählt einen Hausarzt. Der Arzt hat den Versicherten vorab über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung (§ 73) zu unterrichten; eine Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung hat er auf seinem Praxisschild anzugeben.

(3a) Die Partner der Verträge nach § 82 Abs. 1 haben geeignete Maßnahmen zu vereinbaren, die einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme von Vertragsärzten entgegenwirken und den Informationsaustausch zwischen vor- und nachbehandelnden Ärzten gewährleisten.

(4) Die Übernahme der Behandlung verpflichtet die in Absatz 1 genannten Personen oder Einrichtungen dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts.

(5) Die Versicherten der knappschaftlichen Krankenversicherung können unter den Knappschaftsärzten und den in Absatz 1 genannten Personen und Einrichtungen frei wählen. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag vereinbart; die Landesverbände der Krankenkassen treffen die Vereinbarung mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Die Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungen für die Versorgung verschiedener Gruppen von Versicherten ist nicht zulässig. Die Vertragsparteien haben auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit und für eine besonders qualifizierte onkologische Versorgung zu vereinbaren; das Nähere ist jeweils im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren. Die Vergütungen der Untersuchungen nach den §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, § 26 werden als Pauschalen vereinbart. Beim Zahnersatz sind Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans nicht zulässig. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist der Betrag des Ausgabenvolumens nach Satz 2 zu bestimmen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 6 und Ausgaben auf Grund der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 sind auf das Ausgabenvolumen nach Satz 2 anzurechnen.

(2a) (weggefallen)

(2b) (weggefallen)

(2c) Die Vertragspartner nach § 82 Abs. 1 können vereinbaren, daß für die Gesamtvergütungen getrennte Vergütungsanteile für die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Arztgruppen zugrunde gelegt werden; sie können auch die Grundlagen für die Bemessung der Vergütungsanteile regeln. § 89 Abs. 1 gilt nicht.

(2d) Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Punktwerte nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(3) In der vertragszahnärztlichen Versorgung vereinbaren die Vertragsparteien des Gesamtvertrages die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Zahl und Struktur der Versicherten, der Morbiditätsentwicklung, der Kosten- und Versorgungsstruktur, der für die vertragszahnärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der zahnärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz neben den Kriterien nach Satz 1 zu berücksichtigen. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Krankenkassen haben den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die Zahl ihrer Versicherten vom 1. Juli eines Jahres, die ihren Wohnsitz im Bezirk der jeweiligen Kassenzahnärztlichen Vereinigung haben, gegliedert nach den Altersgruppen des Vordrucks KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 1. Oktober des Jahres mitzuteilen.

(3a) Die Gesamtvergütungen nach Absatz 3 dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Im Jahr 2024 dürfen die Gesamtvergütungen für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Gesamtvergütungen nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(4) Die Kassenzahnärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Sie wendet dabei in der vertragszahnärztlichen Versorgung den im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragszahnärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen. Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden. Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragszahnarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 Satz 1 vorzusehen. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die bis zum 11. Februar 2011 aufgewendeten Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 2792,16 Euro zu erstatten und sie im Übrigen von den weiteren Kosten freizustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung und Freistellung von Kosten einer Mamma- Augmentationsplastik (MAP).

2

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wurde 1967 als Mann geboren. Bei ihr besteht eine primäre Mann-zu-Frau-Transsexualität, die 2007 zu einer Änderung des Vornamens nach dem Transsexuellengesetz (TSG) führte (AG Schöneberg Beschluss vom 7.9.2007 - 70 III 59/07). Seit mehr als 15 Jahren wird sie mit weiblichen Hormonen behandelt. 2006/2007 erhielt sie eine operative Gesichtsfeminisierung und zwei Operationen zur Veränderung der Stimmlage zu Lasten der Beklagten. Ihren Antrag, ihr ua eine MAP zu gewähren (17.7.2007), lehnte die Beklagte hingegen ab: Die ebenfalls beantragte medizinisch indizierte Genitaltransformation habe Vorrang. Die Mikromastie als solche sei kein körperlicher Makel. Es sei möglich, dass die Brust nach der Kastration noch wachse (Bescheide vom 1.10.2007 und 19.3.2008, Widerspruchsbescheid vom 22.9.2008). Während des sich anschließenden Klageverfahrens hat sich die Klägerin vom 8. bis 11.10.2008 in der H. für Ästhetische und Plastische Chirurgie eine MAP verschafft (Behandlungs- und Honorarvereinbarung über 5000 Euro; Zahlung auf der Grundlage eines Privatkredits der Deutschen Bank mit einer Laufzeit von 66 Monaten und einem effektiven Jahreszins von 10,99 %, Gesamtbetrag: 6579,62 Euro). Eine Genitaltransformation ist bisher nicht erfolgt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.6.2009), das LSG die Berufung zurückgewiesen: Ein Anspruch auf Kostenerstattung scheitere bereits an einem fehlenden konkreten Antrag. Ein Anspruch auf operative Brustvergrößerung könne überdies nur bei Entstellung und als ultima ratio nur bestehen, wenn ein ausreichendes Brustwachstum auf anderem Wege nicht mehr zu erwarten sei (Urteil vom 11.2.2011).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 und § 27 Abs 1 S 1 SGB V. Sie habe Anspruch auf den Aufbau einer weiblichen Brust, ohne auf eine vorherige geschlechtsumwandelnde Operation verwiesen werden zu können. Vor der streitbefangenen Operation habe ihr Brustumfang abzüglich des Unterbrustumfangs 6 cm betragen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die bis zum 11. Februar 2011 aufgewendeten Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 2792,16 Euro zu erstatten und sie im Übrigen von den weiteren Kosten freizustellen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil, der SG-Gerichtsbescheid und die Bescheide der beklagten KK sind aufzuheben. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für die auf der Grundlage einer vertragsärztlichen Verordnung im Oktober 2008 durchgeführte stationäre MAP und im Übrigen auf Freistellung von den weiteren Kosten. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenfreistellungs- und -erstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V(anzuwenden idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046) sind erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: Hat die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch auf Kostenerstattung ist demnach nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff):Bestehen eines Primärleistungs(Naturalleistungs-)anspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die KK, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung. So liegt es hier: Die Beklagte lehnte es zu Unrecht ab, der Klägerin eine stationäre MAP zu gewähren (dazu 1.). Der Klägerin entstanden dadurch, dass sie sich eine der abgelehnten entsprechende, notwendige Leistung - MAP - selbst verschaffte, die von ihr geltend gemachten Kosten. Soweit sie Freistellung begehrt, droht ihr aufgrund der Selbstbeschaffung noch eine Kostenbelastung (dazu insgesamt 2.).

8

1. Die Beklagte lehnte einen Antrag der Klägerin auf Brustvergrößerung zu Unrecht ab, indem sie die Klägerin vorrangig auf die Durchführung einer Genitaltransformation verwies. Bei sinngemäßer Auslegung war der Antrag der Klägerin von Juli 2007 ua auf eine MAP ohne vorrangige Genitaltransformation gerichtet. Das Revisionsgericht ist berechtigt, den Antrag auszulegen. Das LSG hat die von ihm festgestellten Umstände im Hinblick darauf, wie der Antrag der Klägerin auszulegen ist, nicht verwertet. In einem solchen Fall hat das Revisionsgericht die vom LSG festgestellten Tatsachen in die Rechtsanwendung einzubeziehen. Die Auslegung eines Antrags hat sich danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für anderes Verhalten vorliegen (vgl BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 12 ff - UAE). Der Antrag der Klägerin lässt trotz seiner Verbindung mit weiteren Anträgen unmissverständlich erkennen, dass sie eine MAP nicht vom Ergebnis einer zuvor durchgeführten Kastration abhängig machen wollte. Ersichtlich ging es ihr lediglich darum, ua eine MAP als Maßnahme zur Angleichung ihrer Geschlechtsmerkmale zu erreichen.

9

Zu Unrecht lehnte die Beklagte den Antrag auf eine MAP ab. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass transsexuelle Versicherte nach § 27 Abs 1 SGB V Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern(dazu a). Die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien (dazu b). Der bestehende Brustansatz schließt den Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlung nicht aus (dazu c).

10

a) Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Versicherte leidet an Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit, deren Behandlung notwendig ist (dazu aa). Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus - als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (dazu bb). Die genannten operativen Eingriffe in den gesunden Körper müssen medizinisch erforderlich sein (dazu cc).

11

aa) Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10 mwN - Zisidentität; zu Bestrebungen, den Transsexualismus zu "entpathologisieren", vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.1.2010 - L 5 KR 375/10 - Juris RdNr 44). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus.

12

Transsexualismus ist nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse eine psychische Krankheit. Transsexuelle leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 34 mwN). Für die Diagnose entscheidend ist die Stabilität des transsexuellen Wunsches, der vollständigen psychischen Identifikation mit dem anderen, dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 unter Hinweis auf Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, Zf Sexualforschung 2001, S 258, 260; Pichlo, in: Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S 121). Die ICD-10-GM Version 2012 ordnet Transsexualismus mit dem Schlüssel F64.0 (Störungen der Geschlechtsidentität) dem Kapitel V zu (Psychische und Verhaltensstörungen ). F64.0 spricht von dem "Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden".

13

Die Rechtsordnung erkennt Transsexualismus nicht nur personenstandsrechtlich, sondern auch als behandlungsbedürftige Krankheit an. Der Gesetzgeber hat bereits durch Schaffung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (TSG) vom 10.9.1980 (BGBl I 1654; zuletzt geändert durch Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - BGBl I 224 = BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909) bestätigt, dass der Befund des Transsexualismus eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17). Inzwischen erstreckt das SGB V ausdrücklich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung auf die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehört ua Transsexualismus als seltene Erkrankung (vgl § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF durch Art 1 Nr 44 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl dazu BT-Drucks 17/6906 S 81; vgl zuvor Anlage 2 Nr 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V idF vom 18.10.2005, BAnz Nr 7 S 88 vom 11.1.2006, zuletzt geändert am 15.12.2011, BAnz Nr 197 S 4655, in Kraft getreten am 31.12.2011; zur erstmaligen Berücksichtigung des Transsexualismus als seltene Erkrankung im Rahmen des § 116b SGB V aF vgl die Bekanntmachung des GBA über eine Ergänzung des Katalogs nach § 116b Abs 3 SGB V vom 16.3.2004, BAnz Nr 88 S 10177).

14

bb) Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung des Transsexualismus ist mittlerweile - anknüpfend an den Erkenntnisfortschritt über die Erkrankung - weit gefächert. Für erforderlich werden individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 36 unter Hinweis auf Pichlo, in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität - Transidentität, 2006, 17; Becker, in: Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, 153, 180, 181).

15

Während die notwendige Krankenbehandlung des Transsexualismus auf psychischer Ebene nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ermöglichung und Stützung eines Lebens im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unproblematisch von § 27 Abs 1 S 1 SGB V erfasst ist, versteht sich dies für hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung nicht in gleicher Weise beinahe von selbst. Der erkennende Senat erachtet dennoch solche Ansprüche weiterhin für möglich.

16

Die ständige Rechtsprechung des für diese Frage allein zuständigen erkennenden Senats verneint grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 - Zisidentität; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (näher dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 mwN - Zisidentität).

17

Auch allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 S 3, § 28 Abs 1 S 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN)und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14 mwN - Zisidentität). Daran hält der Senat fest.

18

Der Senat hat allerdings bisher unter Hinweis auf die Regelungen des TSG eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen in dem hier betroffenen Bereich im Falle einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus gemacht. Er hat in diesen Fällen einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen bejaht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität), zugleich aber auch - neben § 27 Abs 1 S 1 SGB V - dem Regelungskonzept des TSG Grenzen der Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung entnommen(vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17 - Zisidentität). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind danach beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 unter Hinweis ua auf § 8 Abs 1 Nr 4 TSG).

19

Der erkennende Senat führt seine Rechtsprechung im Kern trotz der Entscheidung des BVerfG fort, § 8 Abs 1 Nr 4 TSG mit Art 2 Abs 1 und Art 2 Abs 2 iVm Art 1 Abs 1 GG für nicht vereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für nicht anwendbar zu erklären(vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909). Das BVerfG zielt mit seiner Entscheidung nämlich darauf ab, Transsexuelle vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen. Es sieht - nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe - die von § 8 Abs 1 Nr 4 TSG zum Erreichen personen-standsrechtlicher Änderungen zwingend vorgegebene deutliche Annäherung der transsexuellen Person an die körperliche Erscheinung des angestrebten anderen Geschlechts im Sinne einer genitalverändernden Operation angesichts der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken als unzumutbar an. Es ist danach unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BVerfGE 128, 109, 131 f = NJW 2011, 909, RdNr 70). Die operativen Eingriffe als solche stellen dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen keinen Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz dar (vgl zu Letzterem bereits BVerfGE 49, 286, 299 f). Unverändert kann bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BVerfGE 128, 109, 132 = NJW 2011, 909, RdNr 66; vgl auch zur Gesetzesentwicklung des TSG und § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG unten, II. 1.b).

20

cc) Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht losgelöst von der inneren Reichweite des Anspruchs überprüft werden (dazu b.).

21

b) Die Klägerin erfüllte zur Zeit der Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine MAP. Die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V) im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung kann nach der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG allerdings nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs 1 Nr 4 TSG eingegrenzt werden. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung(vgl dazu Hauck, NZS 2007, 461) nach den medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (dazu aa). Für das erforderliche Ausmaß der Behandlung ist dagegen nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen, dass dem Anspruch bereits Genüge getan ist, wenn die Behandlung nicht zu einer Entstellung führt (dazu bb).

22

aa) Besteht eine Indikation für eine begehrte geschlechtsangleichende Operation transsexueller Versicherter, bestimmen vornehmlich objektivierte medizinische Kriterien das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen.

23

Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl schon bisher BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.

24

Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 S 3, § 2 Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs 1 S 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.

25

In Abkehr von den bisherigen Überlegungen, Transsexuellen zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen nach § 8 Abs 1 Nr 4 TSG (bisherige Fassung) eine genitalverändernde Operation abzuverlangen, können sich hierbei die gebotenen individuellen operativen Therapieansätze lediglich auf MAP ohne genitalverändernde Operationen beschränken. Denn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Relativierung des Operationswunsches in seiner Bedeutung für Diagnose und Therapie Transsexueller (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 mwN). Insoweit muss medizinisch abgeklärt sein, dass die begehrte Therapie - MAP - geeignet, ausreichend und erforderlich, im Rahmen gleichwertiger Alternativen zudem im engeren Sinne wirtschaftlich ist. Auch der Operationswunsch hinsichtlich einer MAP darf nicht eine Lösungsschablone für etwa verborgene andere psychische Störungen oder Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern sein, sondern muss aufgrund des Transsexualismus indiziert sein.

26

Die genannten Voraussetzungen sind bei der Klägerin nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt. Das LSG zieht die ärztlich gestellte Indikation nicht in medizinischer Hinsicht in Zweifel, sondern hat lediglich in rechtlicher Hinsicht Bedenken gegen die Reichweite des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin, indem es der Genitaltransformation mit der anschließenden Möglichkeit eines spontanen Brustwachstums Vorrang vor einer MAP einräumt und diese auch nur bei Entstellung in Erwägung zieht.

27

bb) Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es demgegenüber aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (vgl zum Ganzen grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt.

28

c) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen ihres bereits vorhandenen Brustansatzes ausgeschlossen. Es steht fest, dass die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine medizinisch indizierte MAP erfordert.

29

Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine MAP beanspruchen (vgl zu DIN EN 13402: Größenbezeichnung von Bekleidung (2001) http://www.beuth.de/langanzeige/DIN-EN-13402-1/de/38031428). Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.

30

Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art 3 Abs 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl dazu zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).

31

Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat die Mikromastie der Klägerin nicht ein Ausmaß, das nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt.

32

2. a) Die Klägerin verschaffte sich aufgrund der Ablehnung ihres Antrags selbst eine solche Leistung, die der beantragten MAP entsprach und notwendig war. Grundsätzlich muss die selbst beschaffte Leistung zu demselben Leistungstyp gehören und auf gleicher Indikationsstellung bei im Wesentlichen unveränderten Verhältnissen beruhen wie die zuvor abgelehnte Leistung (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 28). Die in der H. selbst beschaffte MAP entsprach in medizinischer Hinsicht der beantragten, abgelehnten MAP. Sie erfolgte aufgrund andauernder Indikationsstellung ebenfalls in vergleichbarer Weise stationär. Die von der Klägerin selbst beschaffte Leistung war auch in vollem Umfang nach den allgemein anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst notwendig. Geht die selbst beschaffte Leistung über das als Naturalleistung Geschuldete hinaus, ist sie insoweit nicht notwendig. So lag es hier indes nach dem Gesamtzusammenhang der bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht.

33

Ohne Belang ist es hierbei grundsätzlich, dass das von Versicherten - hier: der Klägerin - für die Selbstbeschaffung aufgesuchte Krankenhaus nicht zur Behandlung Versicherter zugelassen ist. Bei rechtswidriger Ablehnung stationärer Behandlung wegen angeblich fehlender medizinischer Notwendigkeit sind die Aufwendungen für die Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Krankenhauses nicht nur - wie es die Entscheidung des erkennenden Senats vom 24.9.1996 (1 RK 33/95 - BSGE 79, 125, 128 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 53 - Brustverkleinerung) nahelegen könnte - erstattungsfähig, wenn ein Vertragskrankenhaus mangels ausreichender Informationsmöglichkeiten des Versicherten nicht erreichbar gewesen ist. Versicherte, denen ihre KK rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind vielmehr nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25 ff - Magenband). Es fehlt insoweit ein innerer Grund, den Kreis der nach ärztlichem Berufsrecht und sonstigem Recht für die Selbstverschaffung der notwendigen entsprechenden privatärztlichen Leistung zulässigen Leistungserbringer einzuschränken. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich auch insoweit maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat (vgl hierzu BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 18, 23 mwN - UAE). Erzwingt die rechtswidrige Leistungsablehnung der KK eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung.

34

Will die KK durch die konkrete Wahl des privatärztlichen Leistungserbringers entstehende Mehrkosten vermeiden, weil zB nicht die Grenzen des gesetzlichen Preisrechts der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) eingreifen, kann sie die Versicherten im Rahmen ihrer die Leistungen ablehnenden Entscheidung spontan auf konkrete günstige Möglichkeiten angemessener Selbstbeschaffung hinweisen. Das hat die Beklagte hier nicht getan. Sie hat der Klägerin von sich aus trotz wiederholter Kontaktaufnahme während des laufenden Widerspruchsverfahrens und der daraus erkennbaren Dringlichkeit des Anliegens eines operativen Brustaufbaus keinerlei Unterstützung bei der Suche nach einer kostengünstigen Krankenhausbehandlung gewährt.

35

Die Ablehnung des Antrags der Klägerin, ihr eine MAP zu gewähren, war auch die wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung einer MAP. Insbesondere hatte sich die Klägerin nicht - unabhängig davon, wie eine Entscheidung der Beklagten ausfiel - von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29 mwN - Magenband; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24 - UAE; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 260 f).

36

b) Weil die Klägerin sich die MAP selbst verschaffte, entstanden ihr bis zum 11.2.2011 Kosten in Höhe von 2792,16 Euro und droht ihr für die Folgezeit eine weitere Kostenbelastung. Ihr entstanden nämlich für die konkret durchgeführte MAP Kosten in Höhe von 5000 Euro (dazu aa) sowie hierfür Kreditfinanzierungskosten (dazu bb).

37

aa) Der H. erwuchs aus der MAP-Behandlung der Klägerin ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch in Höhe von 5000 Euro. Die Klägerin und die H. vereinbarten in der Sache bei sinngemäßer Auslegung der Erklärungen der Vertragsparteien und ihrer Interessen einen umfassenden sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag. Die Rechnung über die vereinbarte Leistung unterfiel nicht etwa den Anforderungen der Vorschriften der GOÄ (neugefasst durch Bekanntmachung vom 9.2.1996, BGBl I 210; zuletzt geändert durch Art 17 Gesetz vom 4.12.2001, BGBl I 3320) oder anderem öffentlich-rechtlichem Preisrecht.

38

(1) Geht es allein um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, besteht allerdings ein Vergütungsanspruch des Arztes für eine ärztliche Behandlung nur, wenn er dem Patienten darüber eine ordnungsgemäße Abrechnung nach den Bestimmungen der GOÄ erteilt (vgl dazu zB BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18 ff - Brachytherapie). Nach § 1 Abs 1 GOÄ bestimmen sich nämlich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Der Anwendungsbereich der GOÄ (vgl dazu auch BGHZ 183, 143) ist dagegen nicht eröffnet, weil nicht nur "berufliche Leistungen der Ärzte" Vertragsgegenstand sind, wenn der Patient - wie hier die Klägerin - weitergehend einen umfassenden, sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag mit dem Träger des Krankenhauses geschlossen hat (vgl Hermanns/Filler/Roscher, GOÄ Komm, 4. Aufl 2010, § 1 S 17 f; Quaas in ders/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl 2008, § 13 RdNr 41 ff; Spickhoff in ders, Medizinrecht, 2011, § 1 GOÄ RdNr 6). In einem solchen Falle schuldet der Träger des Krankenhauses nach näherer Maßgabe der vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen nicht nur ärztliche Leistungen, sondern zusätzlich auch alle anderen medizinisch erforderlichen Leistungen des Krankenhauses, insbesondere auch nichtärztliche pflegerische Betreuung, Unterbringung, Verpflegung und Medikation. Der behandelnde Krankenhausarzt wirkt an der Erfüllung dieser Pflicht des Krankenhausträgers für diesen mit und ist ihm gegenüber verpflichtet. Der behandelnde Krankenhausarzt ist dagegen gegenüber dem Patienten weder zur Erbringung der ärztlichen Leistungen im eigenen Namen verpflichtet noch berechtigt, ihm seine Leistungen in Rechnung zu stellen.

39

(2) Die vereinbarte Vergütung verstieß auch nicht gegen das öffentlich-rechtliche Preisrecht für Krankenhausbehandlungen. Nach § 1 Abs 1 Krankenhausentgeltgesetz(Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen vom 23.4.2002, hier anzuwenden in der Fassung durch Art 2 Nr 1 Gesetz vom 17.7.2003 BGBl I 1461) werden die vollstationären und teilstationären Leistungen der DRG-Krankenhäuser nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 29.6.1972, BGBl I 1009, hier anzuwenden idF durch Art 4 Gesetz vom 5.9.2006 BGBl I 2098) vergütet. Gemäß § 1 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG gilt dieses Gesetz indes ua nicht für Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Dies sind Krankenhäuser, die nicht die in § 67 Abgabenordnung(hier anzuwenden idF durch Art 10 Nr 7 und Nr 17 Gesetz vom 13.12.2006, BGBl I 2878) bezeichneten Voraussetzungen erfüllen. So liegt es nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG auch bei der H. (vgl auch allgemeine Informationen zur Berechnung der Kosten, abrufbar unter www.h. de). Eine solche aufgrund einer Konzession nach § 30 Abs 1 Gewerbeordnung betriebene Privatkrankenanstalt - wie die H. ist in ihrer Preisgestaltung - in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB - grundsätzlich frei(vgl BGH Beschluss vom 21.4.2011 - III ZR 114/10 - RdNr 5, GesR 2011, 492 = MedR 2011, 801; vgl auch BGHZ 154, 154, 158).

40

Vorgaben für das Vergütungsrecht aus dem KHG (3. Abschnitt, §§ 16-26), insbesondere aufgrund von § 17 Abs 5 KHG, greifen für den Vertrag mit der H. über im Jahr 2008 zu erbringende Leistungen nicht ein. Das KHG ist grundsätzlich auch auf Krankenhäuser anwendbar, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Die nicht geförderten Krankenhäuser sind vom Anwendungsbereich des KHG nicht ausgeschlossen (§ 3 KHG). § 20 S 1 KHG schränkt den Anwendungsbereich des 3. Abschnitts des KHG über Krankenhauspflegesätze für diese Krankenhäuser indes auf die Regelung des § 17 Abs 5 KHG ein. Pflegesätze sind die Entgelte der Benutzer oder ihrer Kostenträger für stationäre und teilstationäre Leistungen des Krankenhauses (§ 2 Nr 4 KHG). Die Vorschriften des 3. Abschnitts mit Ausnahme des § 17 Abs 5 KHG finden ua keine Anwendung auf Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden(vgl § 20 S 1 KHG). Ohne Belang sind vorliegend die ab 1.1.2012 geltenden Änderungen des § 17 Abs 1 KHG(vgl § 17 Abs 1 S 5 und 6 KHG, eingefügt durch Art 6 Nr 1a GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983, kritisch hierzu Quaas, GesR 2012, 193).

41

Der Regelungsbereich des § 17 Abs 5 KHG ist indes vorliegend nicht betroffen. § 17 Abs 5 KHG(hier anzuwenden idF durch Art 18 Nr 3 Gesetz vom 26.3.2007 BGBl I 378 mWv 1.7.2008) regelt ausschließlich Fälle der unmittelbaren Leistung von Krankenhäusern an öffentlich-rechtliche Kostenträger und nicht Fälle, in denen sich Versicherte zunächst rechtswidrig abgelehnte Leistungen selbst privat verschaffen und anschließend von ihrer KK Kostenerstattung begehren. Denn nach § 17 Abs 5 S 1 KHG dürfen bei Krankenhäusern, die nach diesem Gesetz nicht oder nur teilweise öffentlich gefördert werden, bloß von Sozialleistungsträgern und sonstigen öffentlich-rechtlichen Kostenträgern keine höheren Pflegesätze gefordert werden, als sie von diesen für Leistungen vergleichbarer nach diesem Gesetz geförderter Krankenhäuser zu entrichten sind. Auch § 17 Abs 5 S 2 KHG ist nicht einschlägig. Er erfasst lediglich Krankenhäuser, die nur deshalb nach diesem Gesetz nicht gefördert werden, weil sie keinen Antrag auf Förderung stellen. Solche Krankenhäuser dürfen auch von einem Krankenhausbenutzer keine höheren als die sich aus § 17 Abs 5 S 1 KHG ergebenden Pflegesätze fordern. Die H. ist indes von vorneherein als nicht förderungsfähige Privatkrankenanstalt konzipiert (vgl zum Problem auch Dettling in Lenz, Dettling, Kieser, Krankenhausrecht 2007, S 95 RdNr 66; Genzel/Degener-Hencke in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 89 RdNr 21).

42

(3) Der Vergütungsanspruch der behandelnden Privatklinik ist auch nicht wegen Wuchers nach § 138 Abs 2 BGB oder als sog wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs 1 BGB nichtig. Beide Tatbestände erfordern objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl zB BGHZ 104, 102, 104 mwN; BGHZ 128, 255, 257). Die Vergütungen nicht förderungsfähiger Privatkrankenanstalten wie der H., die kein Vertragskrankenhaus sind (§ 108 Nr 3 SGB V), sind mit den Entgelten zu vergleichen, die andere Privatkliniken für vergleichbare Krankenhausleistungen nach einem entsprechenden Abrechnungsmodus verlangen (vgl zum Ganzen BGHZ 154, 154, 159 ff). Es fehlt nach den Feststellungen des LSG jeglicher Hinweis auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in diesem Sinne (vgl auch die Informationen zur Berechnung der Kosten abrufbar unter www.h. de). Die von der Beklagten angestellten Vergleichsberechnungen mit Vergütungen für stationäre Behandlungen von öffentlich geförderten Krankenhäusern und Versorgungskrankenhäusern sind für eine Vergleichsberechnung dagegen nicht geeignet.

43

bb) Die geltend gemachten Zinsen sind als notwendige Beschaffungskosten Teil der Kostenerstattung (vgl BSGE 96,161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 29 - UAE). Die Erstattung "in entstandener Höhe" (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V) geht insoweit der allgemeinen Regelung des § 44 SGB I vor(vgl zur abweichenden Situation bei Zinsaufwendungen zur Befriedigung einer rechtswidrigen Erstattungsforderung BSGE 76, 233 = SozR 3-1750 § 945 Nr 1). Für die noch ausstehenden Ratenzahlungen ist der Anspruch auf Freistellung gerichtet (vgl zur Freistellung E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 275 f).

44

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.07.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Krebstherapie mit Hyperthermie, Vitamin-C-Infusionen und Thymuspräparaten.
Die Klägerin ist (neben ihrer Tochter) als Witwe (Gesamt-)Rechtsnachfolgerin (Erbin zu je ½ - Erbschein des Notariats S. vom 05.03.2013) des 1977 geborenen und am 30.01.2013 verstorbenen D. J. (im Folgenden: Versicherter). Sie hat zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Der Versicherte war bei der Sch. H. V. AG krankenversichert. Für die Leistungserbringung in Deutschland war die Beklagte zuständig.
Am 14.11.2011 diagnostizierte der Onkologe Dr. B. bei dem Versicherten ein fortgeschrittenes Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs (AEG-Karzinom) mit Leber- und Lymphknotenmetastasen (Arztbrief vom 18.11.2011). Am 23.11.2011 stellte sich der Versicherte zur Einholung einer Zweitmeinung im Klinikum r. der I. in M. vor. Dort wurde ihm wegen Inoperabilität des Tumors eine Chemotherapie nach dem PLF-Schema (Leukovorin, 5-FU sowie Cisplatin) empfohlen (Arztbrief vom 24.11.2011). Die Chemotherapie wurde im Dezember 2011 im H.-B.-Klinikum, S., aufgenommen (Arztbrief vom 21.12.2011).
Mit Schreiben vom 03.12.2011 beantragte der Versicherte die Übernahme der Kosten einer Hyperthermie-Behandlung. Da bei ihm wegen des fortgeschrittenen Stadiums der Krebserkrankung Aussicht auf Heilung nicht bestehe, habe ihm sein behandelnder Hausarzt Dr. Dr. R. die Durchführung einer Hyperthermie-Behandlung begleitend zur (schulmedizinischen) Chemotherapie angeraten. Dadurch sollten seine Beschwerden gelindert und sein Wohlbefinden solle aufrechterhalten werden. Dr. Dr. R. halte es auch für möglich, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen oder zumindest für einige Zeit aufzuhalten. Zur Stärkung des Immunsystems solle zusätzlich eine Thymus- und eine Misteltherapie durchgeführt werden.
Am 06.12.2011 nahm der Versicherte die ambulante Hyperthermie-Behandlung bei Dr. Dr. R. auf. Die Hyperthermie-Anwendung wurde vom 01.02.2012 bis 10.02.2012 und vom 03.07.2012 bis 11.07.2012 stationär in der B.-Klinik, Bad B., und im Übrigen ambulant in der F., F., und bei Dr. Dr. R. fortgeführt. In der F. ist der Versicherte darüber aufgeklärt worden, dass die lokoregionäre Tiefenhyperthermie als experimentelle Therapie von der Leistungspflicht der Krankenkassen nicht umfasst ist; ein entsprechendes Aufklärungsformular unterzeichnete der Versicherte am 03.04.2012. Die Hyperthermie-Behandlung wurde bis zum August 2012 durchgeführt. Bereits am 18.11.2011 hatte der Versicherte bei Dr. Dr. R. die (zusätzliche) Behandlung mit Thymuspräparaten aufgenommen. Ab 01.06.2012 wurden ihm von Dr. Dr. R. außerdem Vitamin-C-Infusionen verabreicht.
Dr. Dr. R. und Dr. H., F., stellten dem Versicherten für die als privatärztliche Leistungen erbrachte Hyperthermie-Behandlung, die Behandlung mit Thymuspräparaten und mit Vitamin-C- bzw. Seleninfusionen von November 2011 bis September 2012 Kosten von insgesamt 4.963,75 EUR bzw. 2.925,00 EUR und 220,14 EUR (Gesamtbetrag 8.108,89 EUR) in Rechnung (Rechnungen vom 27.12.2011, 03.04.2012, 09.05.2012, 05.06.2012, 02.07.2012, 13.08.2012 und 27.09.2012). Die Rechnungen sind bezahlt worden.
Mit Schreiben vom 22.12.2011 forderte die Beklagte den Versicherten auf, ihr weitere Informationen zur Hyperthermie-Behandlung von seinem behandelnden Arzt zukommen zu lassen.
Mit Bescheid vom 22.12.2011, der keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Thymus-Therapie ab. Diese gehöre nicht zum Leistungskatalog der Krankenkassen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) habe die Thymustherapie noch nicht bewertet.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) zur Hyperthermie-Behandlung des Versicherten.
10 
Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 27.01.2012 führte Dr. W. aus, nach Feststellung primärer Inoperabilität der Krebserkrankung des Versicherten sei eine Chemotherapie eingeleitet und es sei ein Stent (Speiseröhre) gelegt worden. Die Hyperthermie solle die Tumorzellen durch „Hitzestress“ empfindlicher gegenüber natürlichen Abbauprozessen oder der Strahlen- und Chemotherapie machen. Sie stelle keine Standardbehandlung dar. Der GBA habe sich mit der Krebsbehandlung durch Hyperthermie am 18.01.2005 befasst und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Stellenwert dieser Therapieform bei der Behandlung des Mammakarzinoms im Vergleich zu Standardtherapien (Operation, Strahlen- und Chemotherapie sowie Hormontherapie) noch unklar sei. Keine der unterschiedlichen Methoden der Hyperthermie sei bisher ausreichend standardisiert in Bezug auf Temperatur, Einwirkdauer usw. Die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aufgestellten Voraussetzungen für die grundrechtsorientierte (erweiternde) Auslegung des Leistungskatalogs (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris) seien vorliegend nicht erfüllt. Empfohlen werde die Anwendung der leitliniengerechten Therapie durch Onkologen bzw. Gastroenterologen.
11 
Mit Bescheid vom 02.02.2012, der ebenfalls keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Hyperthermie-Behandlung des Versicherten ab.
12 
Der Versicherte legte den Arztbrief des Onkologen Dr. St. (H.-B.-Klinikum) vom 01.02.2012 vor. Darin ist ausgeführt, die Krebserkrankung des Versicherten werde derzeit mit Chemotherapie und simultan mit Hyperthermie behandelt. Die computertomographische Zwischenuntersuchung vom 26.01.2012 habe eine Größenrückbildung des Primärtumors, der regionären Lymphknotenmetastasen und eine zunehmende Einschmelzung der Leberherde (Tumornekrosen) ergeben. Korrelierend hiermit sei der Tumormarker CEA rückläufig (Therapiebeginn 1.416, maximal 1.856, aktuell 343 ng/ml). Zusammenfassend habe durch die aktuelle Therapie ein Ansprechen am Verlauf des Tumormarkers und bildgebend im CT dokumentiert werden können. Die Anpassung der Chemotherapie erfolge in Absprache mit Dr. Dr. R., wobei konkret die Oxaliplatindosis auf 66 % der Standarddosierung zurückgenommen worden sei. Dadurch sei die chemotherapeutische Behandlung nebenwirkungsärmer und es bestehe im Prinzip die Möglichkeit einer Behandlungsverlängerung, sofern auch im weiteren Verlauf eine Tumorrückbildung erreicht werden könne.
13 
Die Beklagte befragte erneut den MDK. In der Sozialmedizinischen Fallberatung (nach Aktenlage) vom 09.03.2012 führte Dr. W. aus, aus dem Arztbrief des Dr. St. vom 01.02.2012 gehe nicht hervor, ob der Rückgang des Primärtumors und der Metastasen Folge der Hyperthermie oder der Kombination aus Chemotherapie und Hyperthermie sei. Möglicherweise handele es sich auch um einen Effekt, der allein von der Chemotherapie ausgehe. Es bleibe bei der Einschätzung im MDK-Gutachten vom 27.01.2012.
14 
Mit Bescheid vom 12.03.2012 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Hyperthermie-Behandlung des Versicherten erneut ab.
15 
Am 16.03.2012 erhob der Versicherte Widerspruch. Wie aus dem Arztbrief des Dr. St. vom 01.02.2012 hervorgehe, habe die Hyperthermie-Behandlung bei ihm eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
16 
Der Versicherte legte den Arztbrief des Dr. St. vom 19.03.2012 (mit Bericht der Radiologischen Gemeinschaftspraxis S. vom 16.03.2012) vor. Darin heißt es, bei guter Verträglichkeit habe unter der Chemotherapie nach dem FLOT-Protokoll in Kombination mit einer Hyperthermie-Behandlung ein sehr erfreuliches Therapieansprechen erreicht werden können. Am eindrucksvollsten zeige sich dies am Abfall des Tumormarkers CEA von max. 1.856 auf zuletzt 22 ng/ml. Auch in der bildgebenden Diagnostik mit CT-Abdomen nach 4 Zyklen Chemotherapie (einschmelzende Lebermetastasen) sowie nach 8 Zyklen (Größenregression > 50%, Referenzmetastase Segment V von 2,5 cm auf 1 cm) habe das Tumoransprechen bildmorphologisch dokumentiert werden können. In der ÖGD sei kein Primärtumor mehr nachweisbar. Man habe dem Versicherten vorgeschlagen, die Oxaliplatindosis, die vorübergehend (in den Chemotherapie-Zyklen 5 bis 7) auf 75 % erhöht worden sei, wieder auf 65 % (wie in den Zyklen 1 bis 4) zu reduzieren. Darunter sei unter der Hyperthermie ein optimales Therapieansprechen evaluiert worden. Durch die Oxaliplatin-Reduktion habe die Chemotherapie bisher nicht zu klinischen Zeichen einer Polyneuropathie geführt.
17 
Die Beklagte befragte erneut den MDK, auch zur beim Versicherten angewandten Thymustherapie. Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 28.03.2012 führte der Arzt E. aus, die Krebsbehandlung durch Hyperthermie sei Gegenstand der medizinischen Forschung. Ein Wirksamkeitsnachweis stehe allerdings weiterhin aus. Die Behandlung mit Hyperthermie im Rahmen klinischer Studien wäre möglich, regelmäßig als stationäre oder teilstationäre Behandlung unter kontrollierten Bedingungen, einschließlich Temperaturmessung im Tumorbett. Außerhalb klinischer Studien könne die Übernahme der Kosten für eine Hyperthermie-Behandlung ohne kontrollierte Bedingungen jedoch nicht befürwortet werden. Thymus-Lysate seien als Wirkstoff lediglich als nicht-rezeptpflichtige, homöopathische Arzneimittel auf dem Markt. Diese könnten zulasten der Krankenkassen nicht verordnet werden.
18 
Mit Schreiben vom 30.03.2012 teilte die Beklagte dem Versicherten (u.a.) mit, die Kosten der Thymustherapie und der Hyperthermie könnten nicht übernommen werden.
19 
Im weiteren MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 11.05.2012 führte der Arzt E. ergänzend aus, Studien, aus denen sich eine verlängerte Überlebenszeit von Krebspatienten durch Thymustherapie ableiten lasse, seien bei der Literaturrecherche nicht gefunden worden. Die Ausschöpfung der Standardtherapie beim Versicherten sei den Unterlagen nicht zu entnehmen. Für die Thymustherapie finde sich keine Empfehlung in den Leitlinien. Als Alternative stehe dem Versicherten die leitliniengerechte onkologische und gastroenterologische Behandlung zur Verfügung.
20 
Mit Schreiben vom 18.05.2012 beantragte der Versicherte die Übernahme der Kosten für die Behandlung mit Selen- und Vitamin-C-Infusionen. Mit Bescheid vom 21.06.2012 lehnte die Beklagte (auch) diesen Antrag ab. Am 19.07.2012 legte der Versicherte dagegen Widerspruch ein.
21 
Mit Schreiben vom 29.06.2012 lehnte die H. V. AG die Übernahme von Behandlungskosten für den Versicherten ab.
22 
Die Beklagte befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 21.08.2012 führte Dr. B.-N. (zur Misteltherapie) aus, bei dem Medikament Helixor P (wässriger Auszug aus Kiefernmistel) handele es sich um ein apothekenpflichtiges, aber nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Nach Maßgabe der Arzneimittelrichtlinien (AMR) könnten Mistelpräparate aperenteral auf Mistellektin normiert nur in der palliativen Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqualität zulasten der Krankenkassen eingesetzt werden. Helixor sei, ebenso wie andere Mistelpräparate der anthroposophischen Medizin, nicht auf Mistellektin normiert. Hintergrund sei, dass für die Behandlung aus anthroposophischer Sicht nicht der exakte Wirkstoffgehalt an Mistellektin, sondern der gesamte Gehalt des Mistelextraktes wichtig sei. Sowohl für allopathische, phytotherapeutische, nicht verschreibungspflichtige Mistelpräparate, wie Cefalektin, Eurixor und Lektinol, als auch für die anthroposophischen Mistelpräparate, wie Helixor, Abnoba viscum, Iscador, gelte, dass diese Arzneimittel bei malignen Tumoren für die palliative Therapie zulasten der Krankenkassen verordnet werden dürften. Das vom Versicherten begehrte Medikament sei daher zu gewähren.
23 
Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 22.08.2012 führte Dr. B.-N. (zur Hyperthermie- und Thymusbehandlung) aus, zu den Hyperthermie-Verfahren gehörten verschiedene Methoden, die eine lokale, regionale oder systemische Erwärmung des Körpers über die normale Körpertemperatur hinaus erzeugten. Die Wirksamkeit der Hyperthermie werde auf molekulare und physiologische Effekte von Wärme auf Zell- und Gewebeebene zurückgeführt. Dabei werde u.a. eine Sensibilisierung von Tumorzellen gegenüber der Radiotherapie und/oder der Anwendung von Zytostatika postuliert, ebenso eine „physiologische Umstimmung im Tumorgebiet in Abhängigkeit von der speziellen Tumorbiologie und der erzielten Temperatur“. Unterschieden werde zwischen der lokalen (oberflächlichen) Hyperthermie, der regionalen Tiefenhyperthermie, der interstitiellen Hyperthermie, der Extremitätenperfusion (der regionalen Hyperthermie zuordenbar) und der Teilkörper- und Ganzkörperhyperthermie. Die wissenschaftlich fundierte Krebsbehandlung mit regionaler Tiefenhyperthermie innerhalb klinischer Studien werde an spezialisierten akademischen Zentren (z.B. in D., E., M. und T.) durchgeführt. Dabei würden technische Geräte eingesetzt, die neben der Temperaturdosisplanung eine Verifikation der tatsächlich erzielten Temperaturen über Temperaturmessungen ermöglichten. Das sei erforderlich, weil der Temperaturbereich, in dem Hyperthermie gegen Tumore nachgewiesenermaßen wirksam sei, nahe an der Grenze liege, an der auch gesundes Gewebe irreversibel geschädigt werde. Verglichen mit den wissenschaftlichen Verfahren problematisch seien demgegenüber Hyperthermieverfahren, denen sowohl eine wissenschaftlich-technisch begründete Therapieplanung, die Möglichkeit der Fokussierung der Energieverteilung im Zielgebiet wie auch eine valide Temperaturkontrolle im Zielvolumen fehle. Bei diesen Verfahren würden Niederfrequenzgeräte eingesetzt; die Behandler sprächen von „Elektro-Hyperthermie“ bzw. „Oncothermie“. Die Geräte verwendeten den niedrigsten und damit technisch und wirtschaftlich am einfachsten und kostengünstig darstellbaren Frequenzbereich, für den aufgrund erlaubter Störungen anderer Dienste keine aufwändigen Abschirmungsmaßnahmen erforderlich seien. Die offizielle Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft Hyperthermie der Deutschen Krebsgesellschaft, in der die wissenschaftlich orientierte Hyperthermie in Deutschland organisiert sei, habe diese Methode wiederholt scharf kritisiert und die (Geräte-)Hersteller aufgefordert, Belege für die behaupteten Effekte oder die klinische Wirksamkeit des Verfahrens beizubringen, was jedoch nicht erfolgt sei. Nach Maßgabe des Medizinproduktegesetzes könnten die Niederfrequenzgeräte ohne Wirkungsnachweis angeboten werden. Sie würden gut vermarktet und vorwiegend an komplementäronkologische Einrichtungen und an Heilpraktiker verkauft. Studien, die den Nutzen dieser Hyperthermie-Methode für den Patienten belegten, gebe es nicht. Beim Versicherten seien offenbar unterschiedliche Hyperthermie-Verfahren, teils ambulant, teils stationär, angewendet worden. Hinsichtlich der Thymustherapie fänden sich in den Behandlungsunterlagen keine genauen Angaben zu Art und Herstellung der verwendeten Thymuspräparate. Thymuspräparate seien in den AMR von der Verordnung zulasten der Krankenkassen ausgeschlossen worden.
24 
Das beim Versicherten vorliegende metastasierende AEG-Karzinom stelle eine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung dar. AEG-Karzinome würden wie Magenkarzinome behandelt. Mit verschiedenen Chemotherapieschemata seien Remissionen bis zu 40 % zu erreichen mit Verlängerung der Überlebenszeit. Dazu heiße es in der einschlägigen S3-Leitlinie „Magenkarzinom“, eine palliative medikamentöse Tumortherapie solle zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Diagnosestellung der lokal fortgeschrittenen inoperablen oder metastasierten Erkrankung eingeleitet werden. Die Kombinationstherapie sei der Monotherapie mit 5-FU bzw. oralem Fluoropyrimidin in Bezug auf die Überlebenszeit signifikant überlegen. Indiziert sei eine systemische platin-/fluoropyrimidinhaltige Kombinationstherapie. Eine Dreifachkombination mit Cisplatin, 5-FU und Docetaxel (DCF) führe bei einer jüngeren Patientenpopulation (median 55 Jahre) im Vergleich zu einer Zweifachtherapie mit Cisplatin/5-FU zu einem statistisch signifikanten Überlebensvorteil, sei jedoch mit einer höheren Rate an Toxizitäten verbunden. Patienten in gutem Allgemeinzustand solle eine Zweit-Chemotherapie angeboten werden bei Progress. Insgesamt stünden für das beim Versicherten verfolgte Behandlungsziel vertragliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
25 
Nach Aussagen der offiziellen Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft Hyperthermie hätten klinische Behandlungsprotokolle einen Nutzen der regionalen Tiefenhyperthermie bei lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen, kapselüberschreitenden Prostatakarzinomen, Hochrisiko-Weichgewebesarkomen, Gebärmutterhalskrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Harnblasen-karzinomen und bei Keimzelltumoren bei Kindern und Jugendlichen ergeben. Die Hyperthermie werde danach derzeit vor allem bei schwierigen Krebserkrankungen eingesetzt. Sie komme vor allem bei Tumoren in Frage, die schlecht oder gar nicht operabel seien und für Krebsgeschwülste, die trotz vorangegangener konventioneller Therapie ein- oder mehrfach wieder aufgetreten seien. In den Kliniken der Mitglieder der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft Hyperthermie würden Hyperthermiepatienten in klinischen Studien erfasst. Deshalb werde die Überwärmungstherapie nur bei Indikationen angewendet, die gezielt wissenschaftlich erforscht würden. Dazu gehörten Magenkarzinome bzw. AEG-Tumore nicht. In der aktuell gültigen S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ und in der entsprechenden amerikanischen Leitlinie würden Hyperthermie und Thymustherapie als Behandlung von AEG-Tumoren nicht erwähnt. Insgesamt ergäben sich nach Aktenlage keine neuen Erkenntnisse für Wirksamkeit und Nutzen der in Rede stehenden Krebsbehandlung. Viele Fragen zu Sicherheit, Wirksamkeit und Nutzen, wie Hitzeempfindlichkeit von Tumorzellen, methodisch-technische Aspekte, klinische Ansprechraten oder Überlebenszeiten, seien weiterhin offen. Aufgrund der Unterschiede bei den verschiedenen Systemen zur Erzeugung einer Hyperthermie und auch aufgrund der unzureichenden Standardisierung der Verfahren zur Anwendung am Patienten in einheitlichen und etablierten Protokollen sei es erforderlich, die postulierten Wirksamkeitseffekte durch Hyperthermie weiterhin unbedingt in kontrollierten klinischen Studien zu überprüfen. Die meisten der bei der Literaturrecherche aufgefundenen Arbeiten befassten sich mit der Anwendung von hyperthermer intraperitonealer Chemotherapie in perioperativer Anwendung. Es gebe keine Studien, die Hinweise auf eine positive Einwirkung der Hyperthermie (Ganzkörperhyperthermie bzw. lokoregionale Tiefenhyperthermie) allein oder in Verbindung mit Chemotherapie auf den Krankheitsverlauf im vorliegenden Fall erbringen würden. Studien, die darauf hinweisen könnten, dass im Fall eines AEG-Karzinoms durch Thymustherapie eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf eingetreten sei, seien bei der Literaturrecherche ebenfalls nicht aufzufinden. Es gebe auch keine Hinweise auf eine positive Einwirkung der Thymustherapie auf den Krankheitsverlauf in Kombination mit Chemotherapie (und Hyperthermie). Zudem werde in vorliegenden Arztbriefen wiederholt erwähnt, dass Oxaliplatin nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt Dr. Dr. R. von Anfang an auf 65% (66 %) bzw. 75 % reduziert worden sei, ohne dass zuvor Nebenwirkungen wie Polyneuropathie aufgetreten wären. Darunter sei nach Auffassung des Dr. Dr. R. unter Hyperthermie ein optimales Therapieansprechen evaluiert worden. Bei der Literaturrecherche hätten sich indessen keine Hinweise auf Studien ergeben, in denen dies (auch bei Vorliegen eines Magenkarzinoms bzw. eines AEG-Karzinoms) habe belegt werden können bzw. untersucht worden sei.
26 
Insgesamt stünden zur Behandlung der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten leitliniengerechte vertragsärztliche Behandlungsmethoden für die palliative Therapiesituation zur Verfügung. Belastbare Hinweise für eine Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf mit den hier durchgeführten Modalitäten der Hyperthermie sowie der Thymustherapie gebe es nicht. Die vom Versicherten im Rahmen privatärztlicher Behandlung gewählte experimentelle Therapie habe bislang keinen Wirksamkeitsnachweis anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken erbracht. Eine Überlegenheit, ein medizinischer Nutzen oder die Wirtschaftlichkeit gegenüber anderen Standardverfahren seien nicht nachgewiesen.
27 
Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 30.08.2012 führte Dr. B.-N. (zur Infusionstherapie) aus, bei Vitamin-C-Injektionslösungen handele es sich um apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Diese seien zugelassen zur Prophylaxe eines Vitamin-C-Mangels bei längerer parenteraler Ernährung sowie bei Methämoglobinämie im Kindesalter. Die Dauer der Anwendung richte sich laut Fachinformation nach dem klinischen Bild und nach den labordiagnostischen Parametern. In den Behandlungsunterlagen befänden sich keine Angaben zu Präparat, Dosierung, Häufigkeit der Anwendung sowie zu den Laborwerten. Der verordnete Wirkstoff sei in den AMR als Therapiestandard bei schwerwiegenden Erkrankungen wie folgt anerkannt: Wasserlösliche Vitamine, Benfotiamin und Folsäure als Monopräparate nur bei nachgewiesenem, schwerwiegendem Vitaminmangel, der durch eine entsprechende Ernährung nicht behoben werden kann. Diese Fallgestaltung liege hier bei Anwendung in Kombination mit Hyperthermie, Thymustherapie und Selen-Infusionen jedoch nicht vor. Verschreibungspflichtige Selenpräparate zu Infusionszwecken seien in Deutschland zugelassen zur Behandlung von Patienten mit nachgewiesenem Selenmangel, der ernährungsgemäß nicht behoben werden könne. Zur Therapiekontrolle sei laut Fachinformation die Selenbestimmung im Vollblut bzw. im Serum sinnvoll. In den Behandlungsunterlagen fänden sich (auch insoweit) keine Angaben zu Präparat, Dosierung und Häufigkeit der Anwendung sowie zu den Laborwerten. Bei der Anwendung in Kombination mit Hyperthermie, Thymustherapie und Vitamin-C-Infusionen zur Behandlung der beim Versicherten vorliegenden Krebserkrankung handele es sich um einen indikationsüberschreitenden Off-Label-Use. Eine dafür in § 30 Abschnitt K AMR notwendige Empfehlung der Expertengruppe mit Zustimmung des pharmazeutischen Unternehmens bzw. die Übernahme der Empfehlung durch den GBA in die AMR liege nicht vor. Wie bereits im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 dargelegt, stünden für das Behandlungsziel vertragliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. AEG-Karzinome würden wie Magenkarzinome behandelt. Diese seien chemosensibel. Wirksam seien Taxane, 5-FU, Doxorubicin, Mitomycin C, Methotrexat, Cisplatin, Irinotecan und Nitrose-Harnstoffe. Aus den Unterlagen gehe nicht hervor, dass ein wissenschaftlicher Konsens in Fachkreisen über den Einsatz von Selen-Infusionen zur Behandlung der Krebserkrankung des Versicherten bestehe. Ebenso wenig könne aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht bestätigt werden, dass mit dem in Rede stehenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden könne. Für die Zielindikation des Arzneimittels sei auch ein Zulassungsantrag in Deutschland bzw. Europa nicht gestellt; entsprechende Phase-III-Studien seien nicht publiziert. Die Anwendung von Vitamin-C-Infusionen und Selen-Infusionen im Fall des Versicherten sei nicht als Standard etabliert bzw. von nationalen oder internationalen Fachkreisen empfohlen, auch nicht als Begleittherapie zur Hyperthermie und Thymustherapie. Dr. St. habe die genannten Infusionen in seinen Arztbriefen auch nicht erwähnt. Entsprechendes gelte für die Arztberichte der Krankenhäuser, in denen der Versicherte untersucht bzw. behandelt worden sei. Im Hinblick auf die Regelung in § 2 Abs. 1a SGB V seien beim Versicherten die dem allgemein anerkannten Standard der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden palliativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Begehrt werde daher eine Leistung, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre.
28 
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2012 (dem Versicherten am 06.11.2012 zugestellt) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Behandlung des Versicherten mit Hyperthermie, Thymus- und Infusionstherapie stelle keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Die Kosten hierfür könnten daher nicht übernommen werden.
29 
Am 06.12.2012 erhob der Versicherte Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Nach dem Tod des Versicherten am 30.01.2013 führte die Klägerin (gemeinsam mit ihrer Tochter) das Klageverfahren fort. Zur Begründung wurde vorgetragen, die neben der Chemotherapie durchgeführte Hyperthermie-Behandlung habe eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gehabt. Aus den vorliegenden Arztberichten gehe hervor, dass der Tumormarker CEA rückläufig gewesen und dass es zu einer größeren Rückbildung des Primärtumors und der regionären Lymphknotenmetastasen sowie zu einer zunehmenden Einschmelzung der Leberherde (Tumornekrosen) gekommen sei. Außerdem habe man die Chemotherapie unter verringerter Dosis und damit nebenwirkungsärmer durchführen können. Insgesamt habe durch Kombination der Chemotherapie mit Hyperthermie ein Behandlungserfolg erzielt werden können; schließlich sei der Primärtumor nicht mehr nachweisbar gewesen. Die Beklagte gewähre die in Rede stehende Behandlung vollumfänglich im stationären Bereich, lehne aber die Kostenübernahme für die ambulante Durchführung ab; das sei sachlich nicht gerechtfertigt. Aus Statistiken gehe hervor, dass die Hyperthermie-Behandlung in Fällen der vorliegenden Art eine lebensverlängernde Wirkung habe, die mit Chemotherapie allein nicht erreichbar sei. Die Kombinationsbehandlung mit Chemotherapie, Hyperthermie, Thymus- und Infusionstherapie verringere die Nebenwirkungen einer Behandlung allein mit Chemotherapie.
30 
Die Klägerin trug ergänzend vor, der Versicherte habe ab Diagnosestellung dank der zusätzlichen Behandlung mit Hyperthermie, Thymus- und Infusionstherapie im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts 14,5 Monate überlebt; die durchschnittliche Überlebenszeit (bei männlichen Patienten) liege bei 9,2 Monaten. Im ersten Jahr würden 42,4 % der Erkrankten versterben. Außerdem hätten die Nebenwirkungen der Chemotherapie durch Dosisreduktion um die Hälfte deutlich vermindert werden können.
31 
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Das SG zog weitere Arztunterlagen bei und befragte behandelnde Ärzte.
32 
Prof. Dr. H. (H.-B.-Klinik) führte im Bericht vom 15.08.2013 aus, beim Versicherten sei eine Chemotherapie mit 5-FU-Oxaliplatin und Taxotere angewandt worden. Da das Krebsleiden bereits primär metastasiert gewesen sei (Lebermetastasen) habe von vornherein kein kuratives Therapiekonzept bestanden.
33 
Dr. H. (F.) gab im Bericht vom 20.08.2013 an, der Versicherte habe sich erstmals am 03.04.2012 vorgestellt; der letzte Kontakt habe am 28.06.2012 stattgefunden. An diesem Tag sei auch die letzte Hyperthermie-Behandlung vorgenommen worden. Der Versicherte habe sich in einer palliativen Situation befunden. Leitliniengerecht sei eine palliative Chemotherapie durchgeführt worden. Ergänzend habe man schon von Beginn an in der Praxis des Dr. Dr. R. eine begleitende Hyperthermie-Behandlung angewandt. Bei der ersten Zwischenuntersuchung habe sich ein überdurchschnittlich gutes Ansprechen der Therapie gezeigt. Insofern sei evident, dass bei dem Versicherten die Kombination zwischen Chemotherapie und Hyperthermie ein Optimum in der Behandlung dargestellt habe. Dementsprechend habe man auch die Fortsetzung der Therapie geplant. Auf Wunsch des Versicherten habe man den Hyperthermie-Teil der Behandlung in der Zeit von April bis Juni 2012 durchgeführt. Prinzipiell habe zwar eine palliative Situation vorgelegen, da der Tumor metastasiert gewesen sei. Im Hinblick auf das junge Alter und den guten Allgemeinzustand des Versicherten sei aber auch daran gedacht worden, ob nicht durch intensiviertes Ansprechen auf die Therapie eine eventuelle sekundäre Resektion des Primärtumors und der Metastasen möglich werden würde. Unter diesem Gesichtspunkt habe der Versicherte eine maximal effektive Chemotherapie erhalten. Ergänzend habe man Hyperthermie angewandt. Es gebe gute Daten, die sowohl eine Intensivierung der Wirksamkeit der Chemotherapie und der Hyperthermie, aber auch einen direkt immunstimulierenden Effekt der Hyperthermie belegten. Insofern sei das Konzept der Kombination einer potenten Chemotherapie in Verbindung mit Hyperthermie im Fall des Versicherten sicher eine medizinisch sehr sinnvolle Entscheidung gewesen. Durch ein maximales Ansprechen habe zumindest theoretisch die Option bestanden, die primär palliative Situation eventuell dann doch in eine kurative Option durch Operation und nachfolgende adjuvante Therapie überzuführen. Die schulmedizinische Standardtherapie sei federführend von der H.-B.-Klinik durchgeführt worden. Man habe sich dort für eine Chemotherapie nach dem FLOT-Schema entschieden. Diese Kombinationstherapie sei sicher nach aktueller Datenlage eine der potentesten Kombinationstherapien bei der in Rede stehenden Tumorentität, weshalb man die Entscheidung der Klinik als sehr vernünftig einstufen könne. Es gebe Daten, wonach die Wirksamkeit (der schulmedizinischen Behandlung) durch die Hyperthermie noch gesteigert werden könne. Insofern mache auch die Hinzunahme der Hyperthermie durchaus Sinn. Das gewählte Behandlungskonzept scheine ein durchaus sinnvolles Behandlungskonzept in der gegebenen Situation gewesen zu sein.
34 
Dr. Dr. R. teilte unter dem 28.08.2013 mit, er habe den Versicherten vom 18.03.2011 bis 02.12.2012 hausärztlich behandelt. Nach der Diagnose der Krebserkrankung sei der Versicherte über die infauste Prognose bei allein schulmedizinischer Behandlung informiert worden. Deshalb sei in Absprache mit den Ärzten der H.-B.-Klinik ein Konzept für die onkologische komplementäre Begleitung entwickelt worden. Dieses habe eine vorsichtige Reduktion der schulmedizinischen Standardtherapie und die Ergänzung der Therapie durch parallele Hyperthermie und begleitende Infusionen mit Selen und Vitamin C sowie eine Thymustherapie umfasst. Diese Therapie habe einen kurativen Anspruch; er habe sie in jüngster Vergangenheit mehrfach erfolgreich durchgeführt. Nach der ersten Serie der Chemotherapie und der komplementären Begleittherapie habe sich der Versicherte im Stadium der partiellen Remission bei einem erstaunlich guten Allgemeinzustand befunden. Leider habe sodann über einen längeren Zeitraum eine weitere Behandlung nicht stattgefunden, da sich die Option der lokalen Operation oder der Embolisation der Lebermetastasen ergeben habe. Die partielle Remission habe bis Juli 2012 angehalten; sodann sei eine Progression der Lebermetastasen festgestellt worden. Trotz verschlechterter Ansprechbarkeit (der Chemotherapie) sei die Begleittherapie weitergeführt worden. Leider sei es zu einer deutlichen hepatischen und ossären Metastasierung gekommen, weshalb man auf ein weiteres Protokoll (der Chemotherapie) umgestellt habe. Auch dies habe nicht den gewünschten Erfolg erbracht. Die komplementäre Begleittherapie habe Anfang Dezember 2012 nicht mehr zufriedenstellend angesprochen und sei abgebrochen worden. Zur Thymustherapie existiere eine Fülle von Studien mit positivem Erfolg. Er wende diese Behandlung seit 25 Jahren erfolgreich bei Krebserkrankungen und bei schweren chronischen Erkrankungen an.
35 
Die Beklagte legte das MDK-Gutachten des Dr. T. vom 09.12.2013 (Fachreferat Onkologie) vor. Darin ist ausgeführt, im Hinblick auf das von Dr. H. erwähnte überdurchschnittlich gute Ansprechen des Versicherten auf die Therapie bleibe unklar, ob dies Folge der komplementären Hyperthermie-Behandlung gewesen sei. Auch bei Einsatz der Chemotherapie gebe es Patienten, die überdurchschnittlich bzw. unterdurchschnittlich auf die Behandlung reagierten. Insofern habe das überdurchschnittliche Therapieansprechen nicht die Bedeutung eines Wirksamkeitsnachweises für die Hyperthermie-Behandlung. Die Ansicht des Dr. H., der das (überdurchschnittliche) Therapieansprechen des Versicherten auf die Kombination von Chemotherapie und Hyperthermie zurückführe, sei aus wissenschaftlich-methodischer Sicht nicht gerechtfertigt. Nur eine vergleichende Studie könne einen entsprechenden symbiotischen Effekt belegen. Auch die Aussage, es gebe gute Daten, die sowohl die Intensivierung der Wirksamkeit der Chemotherapie durch Hyperthermie wie einen direkt immunstimulierenden Effekt der Hyperthermie belegten, könne aus sozialmedizinischer Sicht nicht nachvollzogen werden. Wie bereits in vorausgegangenen MDK-Gutachten dargelegt, gebe es hinsichtlich der Hyperthermie in Deutschland zwei verschiedene medizinische Strömungen. Die wissenschaftliche Hyperthermie organisiere sich in einer Interdisziplinären Arbeitsgruppe Hyperthermie der Deutschen Krebsgesellschaft (Atzelsberger Kreis) und in der Arbeitsgruppe Hyperthermie der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie. Der Atzelsberger Kreis habe im Jahr 2012 erstmals eine Leitlinie zum Qualitätsmanagement bei der regionalen Tiefenhyperthermie herausgegeben. Die zweite Strömung stelle die Deutsche Gesellschaft für Hyperthermie dar. Diese sei Mitglied im Dachverband der Ärztegesellschaft für Naturheilkunde und Komplementärmedizin. Dort würden für die Hyperthermie typischerweise andere Geräte als bei der wissenschaftlichen Hyperthermie eingesetzt. Die komplementäre Form der Hyperthermie werde auch als Elektro-Hyperthermie bezeichnet. Neben unterschiedlichen Leistungsmerkmalen der Geräte unterscheide sich die auf diese Weise betriebene Form der Hyperthermie vor allem in wichtigen Aspekten des Qualitätsmanagements. So erfolge in der komplementären Hyperthermie im Gegensatz zur wissenschaftlichen Hyperthermie z.B. keine Temperaturdosisplanung und keine Bestimmung der tatsächlich erreichten Temperatur im Zielgewebe. Insoweit gebe es zwischen den Hyperthermie-Konzepten der Schulmedizin und des komplementären Ansatzes Unterschiede, auch substantieller Art, nachdem in der komplementären Hyperthermie auch und sogar überwiegend (zu 80%) auf den Aufbau elektrischer Felder und deren Wirkung abgestellt werde. Aus den Unterlagen gehe nicht hervor, mit welchen Geräten die Hyperthermie-Behandlung beim Versicherten durchgeführt worden sei. Indizien sprächen allerdings für die Anwendung der komplementären Elektro-Hyperthermie; davon sei auszugehen. Zum Wirkungsnachweis der in der komplementären Hyperthermie angewandten Methode seien bei der Literaturrecherche keine klinischen Studien gefunden worden. Für die Angaben des Dr. H. gebe es aus sozialmedizinischer Sicht keine objektivierbaren wissenschaftlichen Belege. Für die Methode der Elektro-Hyperthermie liege derzeit indikationsunabhängig keinerlei Evidenz für einen Wirksamkeitsnachweis vor. Insbesondere bleibe unklar, ob die Elektro-Hyperthermie zusätzlich zur durchgeführten Chemotherapie mit einer spezifischen Wirksamkeit verbunden sei. Hinsichtlich des Berichtes des Dr. Dr. R. könne nicht nachvollzogen werden, wie für ein nicht evidenz-basiertes Therapiekonzept eine kurative Wirkung bei einem an einem metastasierenden AEG-Karzinom erkrankten Patienten postuliert werden könne. Die nicht weiter belegten Angaben des Dr. Dr. R. hinsichtlich des Erfolges der Thymustherapie könnten die Anforderungen der evidenz-basierten Medizin nicht ersetzen.
36 
Die Klägerin trug hierzu vor, Dr. T. habe nicht hinreichend bedacht, dass unkonventionelle Behandlungsmethoden auf den Grundsätzen der Erfahrungsmedizin und nicht der Schulmedizin beruhten. Er hätte das diesen Methoden zugrunde liegende therapeutische Konzept bzw. die besondere Therapierichtung und die darauf bezogene Binnenanerkennung der in Rede stehende Behandlungsmethoden in die Beurteilung einbeziehen müssen (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 16.09.1997, - 1 RK 28/95 -; Urteil vom 08.09.1993, - 14a RKa 7/92 -; Urteil vom 11.05.2011, - 6 KA 25/10 R -, alle in juris). Fallbeispiele zeigten, dass die Thymustherapie als Teil der Organotherapie die Reaktion des Immunsystems bei Krebspatienten verbessere. Dem Versicherten seien bei infauster Prognose durch die Dosisreduktion der Chemotherapie belastende Nebenwirkungen (wie Übelkeit, Erbrechen oder Polyneuropathie) erspart geblieben.
37 
Vorgelegt wurde außerdem der Bericht des Dr. St. vom 31.03.2014. Darin ist (u.a.) ausgeführt, bei der Erstlinienchemotherapie habe durch begleitende Hyperthermieanwendungen ein erstaunlicher Verlauf mit Abfall des Tumormarkers CEA von 1.416 auf 5 ng/ml und eine partielle Regression mit Rückbildung sowohl des Primärtumors als auch der Lebermetastasen ohne höhergradige Nebenwirkungen erreicht werden können. Deswegen sei in der Universitätsklinik F. sogar eine erweiterte Hemihepatektomie als Empfehlung diskutiert worden. Wegen eines zwischenzeitlichen Progresses sei indessen die Therapiealternative mit einer Zweitlinienchemotherapie durchgeführt worden, im ersten und zweiten Zyklus mit, im dritten Zyklus ohne Hyperthermie. Hierunter sei es zu einer Progression mit CEA-Anstieg von 43 auf 334 ng/ml und auch zu einer deutlichen Progression der hepatischen Metastasen gekommen. Insgesamt habe unter der Erstlinientherapie in Kombination mit Hyperthermie und dadurch möglicher Reduktion der Oxaliplatindosis auf 65 % bis 75 % ein sehr gutes Therapieansprechen ohne relevante Nebenwirkungen erreicht werden können. Mit der Zweitlinientherapie sei dies allerdings nicht mehr gelungen, weder mit der Chemotherapie allein noch mit zusätzlicher Hyperthermie. Das belege, dass die Kombination von Oxaliplatin in reduzierter Dosierung mit Hyperthermie eine effektive Therapiekombination darstelle.
38 
Dr. Dr. R. teilte im Bericht vom 09.04.2014 mit, der Versicherte habe sowohl lokoregionale Hyperthermie wie (bei ihm) moderate Ganzkörperhyperthermie erhalten. Das neue Behandlungsverfahren sei im Hinblick auf die infauste Prognose des Versicherten (Lebenserwartung unter 1 Jahr) angewandt worden. Das von ihm praktizierte Verfahren - Reduktion der Oxaliplatindosis in Kombination mit Hyperthermie - sei recht neu und er habe es bislang nur bei Patienten mit infauster Prognose in weit fortgeschrittenem Tumorstadium angewandt. Zur Thymustherapie als Teil der Erfahrungsheilkunde gebe es seines Wissens keine neueren Studien, die den wissenschaftlichen Kriterien entsprächen, jedoch eine große Sammlung von positiven Erfahrungsberichten und Fallbeschreibungen.
39 
Die Beklagte legte hierzu abschließend das MDK-Gutachten des Dr. T. vom 19.05.2014 vor. Darin heißt es (u.a.), in den bislang eingeholten MDK-Gutachten sei nicht behauptet worden, dass die Hyperthermie „keinen Erfolg bringe“. Man habe vielmehr darauf hingewiesen, dass der wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweis bislang nicht erbracht sei, was aber zur Begründung der Leistungspflicht der Krankenkassen erforderlich wäre, weil die Hyperthermie vom GBA aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden sei. Für die Anwendung von Hyperthermie allein oder in Kombination mit Chemotherapie bei Patienten mit metastasiertem Magenkarzinom sei bislang kein wissenschaftlich-basierter Wirksamkeitsnachweis erbracht worden. Daran ändere die Einschätzung des Dr. Dr. R. nichts. Auch besondere Therapierichtungen (vgl. § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) müssten sich an den einschlägigen Qualitätsstandards messen lassen (BSG, Urteil vom 21.03.2013, - B 3 KR 2/12 R -, in juris). Aus dem Bericht des Dr. St. vom 31.03.2014 gehe nicht hervor, ob er die in Rede stehende Kombination von Chemotherapie und Hyperthermie generell als effektive Therapiekombination einstufe oder dies nur für den Fall des Versicherten annehmen wolle. Ungeachtet der subjektiven Einschätzung behandelnder Ärzte bleibe unklar, inwieweit der Hyperthermie im vorliegenden Fall ein spezifischer Anteil am Therapieeffekt zugesprochen werden könne. Aus wissenschaftlicher Sicht werde diese Unklarheit auch nicht dadurch ausgeräumt, dass eine dosisreduzierte Chemotherapie durchgeführt worden sei. Der vorliegende Fall belege die Notwendigkeit der Begutachtung ex-ante. Aus sozialmedizinischer Sicht erscheine grundsätzlich problematisch, den Therapieeffekt im Nachhinein über den Verlauf bei einem einzigen Patienten zu definieren, zumal, wenn eine anerkannte Methode (Chemotherapie) gemeinsam mit einer neuen Methode (Hyperthermie) verabreicht werde. Das könne dazu führen, dass die Behandlungskosten bei Versicherten, bei denen im Nachhinein ein Nutzen nicht ausgeschlossen werde, erstattet würden, bei anderen Versicherten, bei denen die jeweilige Behandlungsmethode erfolglos angewandt worden sei, jedoch nicht („pay for performance“).
40 
Mit Urteil vom 17.07.2014 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte müsse die Aufwendungen für die (alternative) Krebsbehandlung des Versicherten gem. § 13 Abs. 3 SGB V nicht erstatten; sie habe die Gewährung dieser Behandlung als Sachleistung nicht zu Unrecht abgelehnt. Die Anwendung von Tiefenhyperthermie als Begleitbehandlung zur (herkömmlichen) Chemotherapie stelle eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V dar, die von den Krankenkassen nur zu gewähren sei, wenn der GBA eine positive Empfehlung zu deren therapeutischem Nutzen abgegeben habe. Dass die Behandlung nach eigener Einschätzung des Versicherten oder seiner behandelnden Ärzte positiv verlaufen sei oder von einzelnen Ärzte befürwortet werde, genüge nicht (BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 6/11 R -, in juris). Der GBA habe aber nicht nur eine positive Empfehlung zur Krebsbehandlung durch Hyperthermie nicht abgegeben, sondern diese Behandlungsmethode (u.a.: Ganzkörperhyperthermie, regionale Tiefenhyperthermie, Oberflächenhyperthermie, Hyperthermie in Kombination mit Radiatio und/oder Chemotherapie) ausdrücklich als nicht anerkannte Behandlungsmethode aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen ausgeschlossen (Anlage II Nr. 42 der Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung - Method-RL -; Beschluss des GBA vom 18.01.2005, BAnz 2005, S. 7485). Ein Systemversagen liege nicht vor, da sich der GBA mit der Krebsbehandlung durch Hyperthermie befasst habe. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch könne auch nicht auf die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris, bzw. seit 01.01.2012 § 2 Abs. 1a SGB V) gestützt werden, wenngleich der Versicherte (unstreitig) an einer regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung gelitten habe. Die Frage, ob die Krankenkasse die Kosten einer alternativen Behandlungsmethode übernehmen müsse, könne nicht losgelöst davon beurteilt werden, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermöge und was die alternative Behandlung zu leisten vorgebe (BVerfG, Beschluss vom 26.02.2013, - 1 BvR 2045/12 -, in juris). Hierfür müsse zunächst das konkrete Behandlungsziel geklärt werden. Biete die Schulmedizin nur palliative Behandlungsmöglichkeiten an, weil sie jede Möglichkeit einer kurativen Behandlung als aussichtslos betrachte, komme ein Anspruch auf eine alternative Behandlungsmethode allerdings nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg bestehe. Die Versicherten dürften nicht auf eine nur auf die Linderung von Krankheitsbeschwerden abzielende Standardtherapie verwiesen werden, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bestehe. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt werden könnten, reichten allerdings nicht aus (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.07.2012, - L 11 KR 2435/14 ER-B -, in juris). Hier könne offen bleiben, ob mit der ausschließlichen Chemotherapie nach dem PLF-Schema, wie vom Klinikum r. der I. empfohlen (Arztbrief vom 24.11.2011), eine Standardtherapie vorhanden gewesen sei, die den Rückgriff auf alternative und nicht anerkannte Behandlungsmethoden ausschließe. Für die Krebsbehandlung durch Hyperthermie fehle es nämlich zumindest an einer auf Indizien gestützten, nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Maßgeblich hierfür sei der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Behandlung (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris), hier also die Zeit von Dezember 2011 bis August 2012. Die ambulante Hyperthermie sei, wie bereits dargelegt, durch Beschluss des GBA vom 18.01.2005 (a.a.O.) aus der vertragsärztlichen Versorgung ausdrücklich ausgeschlossen worden und könne von den Krankenkassen schon deshalb auch nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs nicht gewährt werden (BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2012, - L 4 KR 5054/10 -, beide in juris). Die Beurteilung einer Behandlungsmethode durch den GBA als nicht anerkannt sei nämlich nach der dem zugrunde liegenden gesetzlichen Konzeption auf der Grundlage einer umfassenden Analyse des hierzu vorhandenen Wissenschaftsstandes erfolgt und daher sei die Frage nach hinreichenden Anhaltspunkten für die Wirksamkeit einer Behandlungsmethode vorgreiflich geprüft und verneint worden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2012, - L 4 KR 5054/10 -, in juris). Anhaltspunkte dafür, dass der Beschluss des GBA vom 18.01.2005 (a.a.O.) auf einer fehlerhaften Grundlage beruhen würde oder zwischenzeitlich an Validität eingebüßt hätte, gebe es nicht. Neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Krebsbehandlung durch Hyperthermie seien (bis August 2012) nicht gewonnen worden. Auch die F., in der der Versicherte behandelt worden sei, spreche (nach wie vor) von einer experimentellen Therapie. Dr. Dr. R. bezeichne die von ihm angewandte Form der Hyperthermie als neues Verfahren, das bislang nur bei einigen Patienten mit infausten Prognosen und weit fortgeschrittenem Tumorstadium angewandt worden sei und das nicht mit der Hyperthermiebehandlung, die Gegenstand von Studien gewesen sei, übereinstimme. Wissenschaftliche Studien über die von diesem Arzt angewandte Hyperthermie-Methode, vor allem direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, seien weder ersichtlich noch dargetan. Gleiches gelte für Meinungen anerkannter Experten oder Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen, die eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung durch die in Rede stehende Hyperthermiebehandlung beim Krankheitsbild des Versicherten begründen könnten. Zwar hätten sich Dr. Dr. R. und Dr. St. für die Weiterführung bzw. Wirksamkeit der Therapie ausgesprochen, wissenschaftliche Anknüpfungspunkte für die Wirksamkeit der Behandlung lägen indessen nicht vor und könnten auch aus dem Einzelfall des Versicherten nicht hergeleitet werden. Dessen überdurchschnittlich gutes Ansprechen auf die Behandlung könne auch auf die Chemotherapie für sich allein zurückzuführen sein. Vergleichsstudien fehlten insoweit. Die Beklagte müsse auch die Kosten für die Thymustherapie nicht erstatten. Thymuspräparate seien gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V als nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Arzneimittelversorgung durch die Krankenkassen ausgeschlossen (§ 31 SGB V). Die Präparate seien außerdem nicht in der Richtlinie des GBA aufgeführt, in der festgelegt werde, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gälten, ausnahmsweise verordnet werden könnten (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die genannten Regelungen seien verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 12.12.2012, - 1 BvR 69/09 -; BSG, Urteil vom 06.11.2008, - B 1 KR 6/08 R -, beide in juris). Sollte man die Verabreichung der Thymuspräparate als ärztliche Behandlung einstufen, fehle es für diese (dann) neue Behandlungsmethode an der (positiven) Bewertung durch den GBA. Im Hinblick auf die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs fehle es an wissenschaftlichen Anknüpfungspunkten für die Wirksamkeit der Thymustherapie (als Teil der Erfahrungsheilkunde) zur Behandlung der Erkrankung des Versicherten und damit an der auf Indizien gestützten, nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung bzw. spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Die Übernahme der Kosten für die Infusionsbehandlung (Vitamin-C-Infusionen) scheitere schon daran, dass diese Behandlung am 01.06.2012 und damit vor Ergehen des Ablehnungsbescheids der Beklagten am 21.06.2012 aufgenommen worden sei; es fehle daher am Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung. Eine unaufschiebbare Behandlung stehe nicht in Rede. Der Versicherte habe die Kostenübernahme für die Infusionsbehandlung nämlich am 18.05.2012 beantragt, mit der Behandlung jedoch erst zwei Wochen später (am 01.06.2012) begonnen. Ob die später durchgeführten Vitamin-C-Infusionen Teil eines einheitlichen Behandlungsvorgangs oder selbstständige Behandlungen darstellten, könne offen bleiben, da die in Rede stehenden Behandlungsmaßnahmen ohnehin von den Krankenkassen nicht zu gewähren seien. Bei Vitamin-C-Injektionslösungen handele es sich um apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen seien. Eine Ausnahme für die Anwendung in Kombination mit Hyperthermie, Thymustherapie und Selen-Infusionen bei AEG-Karzinom sei, wie Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 30.08.2012 dargelegt habe, nicht vorgesehen.
41 
Gegen das ihnen am 08.09.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin gemeinsam mit ihrer Tochter am 08.10.2014 Berufung eingelegt. Die Berufung der Tochter der Klägerin ist am 11.03.2016 zurückgenommen worden. Die Klägerin führt das Berufungsverfahren (allein) fort. Sie bekräftigt das bisherige Vorbringen. Ergänzend wird vorgetragen, die Durchführung der (palliativen) Chemotherapie mit Oxaliplatin führe wegen schwerwiegender Nebenwirkungen (regelmäßig Polyneuropathie) zu einer Verschlechterung der Lebensqualität. Beim Versicherten hätten die Neurotoxikation und die dadurch verursachten Schmerzen mit der simultan durchgeführten Hyperthermie verhindert werden können, weil die Dosis des Chemotherapeutikums um bis zu einem Drittel habe reduziert werden können. Außerdem habe man die Chemotherapie dreimal durchführen können, was bei der infausten Prognose des Versicherten üblicherweise nicht möglich sei. Das SG hätte nach Maßgabe des § 2 Abs. 1a SGB V eine Einzelfallbeurteilung an Hand der vom behandelnden Arzt angewandten Behandlungsmethode vornehmen müssen. Im Unterschied zur ambulanten Anwendung würden die Kosten für Hyperthermie, Thymustherapie, Selen und Vitamin C bei stationärer Behandlung regelmäßig übernommen. Das sei sachlich nicht gerechtfertigt. Für die regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung des Versicherten habe es zur Linderung der Symptome keine schulmedizinische Behandlungsmethode gegeben. Bei ausschließlicher Anwendung von Chemotherapie (durch Oxaliplatin) wären stärkere Nebenwirkungen aufgetreten und der Versicherte wäre wesentlich früher verstorben. Außerdem habe die Kombination aus Chemotherapie und Hyperthermie zu einer Verkleinerung des Primärtumors und der Metastasen geführt, weshalb man sogar über eine Operation diskutiert habe. Das wäre bei alleiniger Chemotherapie nicht möglich gewesen. Es liege auch ein Systemversagen vor. Der GBA habe die Parallelbehandlung moribunder Krebspatienten mit Hyperthermie und Chemotherapie bei infauster Prognose nicht bewertet, weil es sich dabei um eine neue Behandlungsmethode handele, für die es derzeit noch keine verwertbaren klinischen Ergebnisse mit wissenschaftlichen Statistiken gebe. Die aus der Erfahrungsmedizin stammenden Erkenntnisse des Dr. Dr. R. seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.
42 
Die Klägerin beantragt,
43 
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.07.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 22.12.2011, 02.02.2012, 12.03.2012 und 21.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2012 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Behandlung des Versicherten mit Hyperthermie, Thymustherapie und Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen in der Zeit von November 2011 bis September 2012 i.H.v. 8.108,89 EUR zu erstatten.
44 
Die Beklagte beantragt,
45 
die Berufung zurückzuweisen.
46 
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
47 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
48 
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens ist die Erstattung der Aufwendungen, die dem Versicherten für die ambulante Behandlung seiner Krebserkrankung durch Hyperthermie, Thymustherapie und Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen entstanden sind. Die Aufwendungen für die begleitende Misteltherapie sind nicht Streitgegenstand; die Beklagte hat die Kosten hierfür übernommen. Die Kosten, die dem Versicherten von Dr. Dr. R. für die streitgegenständliche Behandlung als privatärztliche Leistung in Rechnung gestellt worden sind, belaufen sich, wie im Klage- und Berufungsverfahren (unter Vorlage privatärztlicher Rechnungen) vorgetragen worden ist, auf 4.963,75 EUR (Hyperthermie), 2.925,00 EUR (Thymustherapie) und 220,14 EUR (Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen), insgesamt auf 8.108,89 EUR. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist damit überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen gem. § 151 SGG zulässig. Die Klägerin macht den Erstattungsanspruch zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG). Sie ist hierfür gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten (als mit ihm zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin) prozessführungsbefugt. Da der Erstattungsanspruch über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen zum Gegenstand hat, stellt er (in jedem Fall) einen Anspruch auf laufende Geldleistungen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I dar (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 6/11 R -, in juris). Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 22.12.2011 die Übernahme der Kosten für die Thymus-Therapie abgelehnt; das Schreiben vom 30.03.2012 enthält insoweit nur eine wiederholende Verfügung, nicht jedoch einen erneuten Ablehnungsbescheid. Mit Bescheiden vom 02.02.2012 und (nach erneuter Prüfung) vom 12.03.2012 hat die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Hyperthermie-Behandlung abgelehnt. Die Übernahme der Kosten für die Selen- und Vitamin-C-Infusionen ist mit Bescheid vom 21.06.2012 abgelehnt worden.
II.
49 
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das SG hat in seinem Urteil eingehend und zutreffend dargelegt, welche Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze für das Erstattungsbegehren der Klägerin maßgeblich sind, und dass sie die Erstattung der in Rede stehenden Aufwendungen nicht beanspruchen kann, weil die Beklagte die Gewährung der (zusätzlichen) ambulanten Behandlung der Krebserkrankung des Versicherten mit Hyperthermie, Thymuspräparaten und Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen durch Dr. Dr. R. und in der F. als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu Unrecht abgelehnt hat; die Ablehnungsbescheide der Beklagten entsprechen dem geltenden Recht und sind daher rechtmäßig. Der Senat nimmt auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei angemerkt:
1.)
50 
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 (Fall 1 und 2) SGB V reicht daher nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Die Selbstbeschaffung der Leistung muss außerdem zu einer (zivil-)rechtlich wirksamen Kostenlast des Versicherten geführt haben. Daran kann es insbesondere bei Verstößen gegen das einschlägige öffentlich-rechtliche Preisrecht fehlen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - zur Gebührenordnung für Ärzte und zum Preisrecht für Krankenhausleistungen; auch etwa jurisPK-SGB V Schlegel/Voelzke, § 33 Rdnr. 49).
51 
Der regelmäßig im Vordergrund stehende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und außerdem einen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung der Leistung entstandenen Kostenlast voraus. Dieser Ursachenzusammenhang fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V) oder wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt weder einen „Formalismus“ in dem Sinne dar, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte nicht gehalten ist, die Entscheidung der Krankenkasse in seine eigene Entscheidung inhaltlich einzubeziehen, sondern den Abschluss des Verwaltungsverfahrens nur „formal“ abwarten muss, jedoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (so: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Dem steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 19.03.2009, - 1 BvR 316/09 -, in juris) nicht in der Weise ausgelegt werden darf, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt.
52 
Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V (unaufschiebbare Leistung) setzt voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht (mehr) darauf an, ob es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten; die gegenteilige Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris) aufgegeben. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern (sogar) ein (medizinischer) Notfall i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung, § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V kann daher (gerade) auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (auch dazu: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris).
2.)
53 
Davon ausgehend kann die Klägerin die Erstattung der dem Versicherten für die ambulante Behandlung seiner Krebserkrankung durch Dr. Dr. R. und die F. entstandenen Aufwendungen nicht beanspruchen. Unaufschiebbare Leistungen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V stehen unstreitig nicht in Rede, so dass nur ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V in Betracht kommt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte hat die Gewährung der - im Vordergrund des Leistungs- bzw. Erstattungsbegehrens stehenden - ergänzenden ambulanten Krebsbehandlung durch Hyperthermie (zusätzlich zu der dem Versicherten gewährten schulmedizinischen Chemotherapie) nicht zu Unrecht abgelehnt (unten a). Gleiches gilt für die Gewährung der Behandlung mit Thymuspräparaten bzw. mit Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen (unten b). Der Leistungsanspruch des Versicherten hat diese Behandlungsleistungen nicht umfasst. Sie können von der Krankenkasse nicht als (Sach-)Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden. Für die Kosten ihrer Beschaffung als privatärztliche Behandlungsleistung kann (und darf) die Versichertengemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten nicht aufkommen. Mangels rechtswidriger Leistungsablehnung kommt es auf Fragen des Beschaffungswegs oder der Ursächlichkeit der Leistungsablehnung für die Selbstbeschaffung nicht mehr an.
a)
54 
Die ambulante Krebsbehandlung durch Hyperthermie (hier Elektro-Hyperthermie) als Ergänzung einer (schulmedizinischen) Chemotherapie ist nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der Krankenkassen.
55 
Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat sich mit der Behandlung von Krebserkrankungen durch Hyperthermie (in Kombination mit anderen Behandlungsmethoden) mehrfach befasst und regelmäßig entschieden, dass diese Behandlungsmethode vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfasst ist (vgl. beispielhaft nur etwa: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.11.2015, - L16 KR 677/15 B ER - < Hyperthermie- und Laserbehandlung bei Pankreaskarzinom>; LSG Saarland, Urteil vom 21.10.2015, - L 2 KR 189/14 - ; Bayerisches LSG, Urteil vom 10.03.2015, - L 5 KR 52/12 - ; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014, - L 11 KR 3597/13 - ; Thüringer LSG, Urteil vom 01.10.2013, - L 6 KR 751/11 - ; anders etwa bei einem CUP-Syndrom, einer Krebserkrankung bei unbekanntem Primärtumor, bei dem es innerhalb kürzester Zeit trotz Chemotherapie und experimenteller Antikörpertherapie zu einer fortschreitenden Metastasierung in Leber, Lunge, Milz, Bauchspeicheldrüse, Magen, Magenwand und Lymphknoten gekommen war, LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.12.2014, - L 1 KR 21/13 -; alle in juris). Auch im vorliegenden Fall hat ein Leistungsanspruch des Versicherten auf Gewährung einer Hyperthermie-Behandlung nicht bestanden.
56 
Als Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Krebsbehandlung durch Hyperthermie kommen, wie das SG in seinem Urteil zutreffend dargelegt hat, weder die Vorschriften des § 27 Abs. 1 SGB V noch die Rechtsgrundsätze zum so genannten Systemversagen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern nur die in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Rechtsgrundsätze zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. für die Zeit ab 01.01.2012 die diese Rechtsgrundsätze kodifizierenden und nach deren Maßgaben auszulegenden Regelungen in § 2 Abs. 1a SGB V in Betracht. In seinem grundlegenden Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -, in juris) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig. Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R -, beide in juris - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige GBA diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit (BSG, Urteil vom 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht etwa bei BSG, Urteil vom 5.5.2009, - B 1 KR 15/08 R -, alle in juris) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415713 -, beide in juris), wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -; zu alledem auch Senatsurteil vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 -, in juris).
57 
Einem auf diese Rechtsgrundsätze bzw. auf die Vorschrift in § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Versicherten hat hier schon entgegen gestanden, dass der GBA die Krebsbehandlung durch Hyperthermie (auch in Kombination mit Chemotherapie) durch Richtlinienentscheidung - in Anlage II Nr. 42 Method-RL - ausdrücklich aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen ausgeschlossen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist für eine Anspruchsbegründung aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs aber kein Raum mehr, wenn der GBA zu einer negativen Bewertung gelangt ist (BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 -R -; vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.10.2015, - B 1 KR 69/15 B -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2012, - L 4 KR 5054/10 -; für vorläufige Rechtsschutzverfahren anders etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.02.2007, - L 5 B 8/07 KR ER - oder LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.07.2011, - 5 KR 99/11 B ER -; diese Frage offen lassend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014,- L 11 KR 3597/13 -; alle in juris); stichhaltige Gründe, aus denen der maßgebliche Beschluss des GBA beanstandet werden könnte, sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
58 
Auch wenn man ungeachtet der genannten Richtlinienentscheidung des GBA einen verfassungs- bzw. grundrechtsunmittelbaren Leistungsanspruch (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415713 -, beide in juris) bzw. einen auf § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Versicherten nicht von vornherein ausschließen wollte, wären die Voraussetzungen eines solchen Leistungsanspruchs jedenfalls nicht erfüllt gewesen. Es hat an der auf Indizien gestützten nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gefehlt (dazu näher, insbesondere zur abstrakten und konkret-individuellen Prüfung und Abwägung von Risiken und Nutzen der Behandlungsmethode, BSG, Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R -, in juris Rdnr. 16). Dieses Erfordernis darf einerseits zwar nicht überspannt werden, etwa durch die Forderung eines Wirksamkeits- und Nutzennachweises durch evidenzbasierte Studien (vgl. etwa Senatsurteil vom 19.03.2014, - L 5 KR 1496/13 - , nicht veröffentlicht). Im Unterschied zur Anwendung von Arzneimitteln im Off-Label-Use (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 25/11 R -; Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -, beide in juris) genügen nämlich schon (Wirksamkeits-)Indizien, die sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden können (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 02.09.2014, a.a.O.: wissenschaftliche Verlaufsbeobachtung anhand von 126 operierten Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle). Steht in den Fallgestaltungen des § 2 Abs. 1a SGB V (lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche bzw. wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung) eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode generell nicht zur Verfügung oder scheidet sie im konkreten Einzelfall (nachgewiesenermaßen) aus, sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen „je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise (so BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris Rdnr. 66) auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg. Andererseits darf die in Rede stehende und im Einzelfall vielfach maßgebliche Voraussetzung für die grundrechtsorientierte (erweiternde) Auslegung des Leistungskatalogs auch nicht (gänzlich) aufgelöst werden. Das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, genügt für sich allein genommen nicht (vgl. dazu auch etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, in juris Rdnr 32 f.).
59 
Aus den vorliegenden MDK-Gutachten geht für den Senat überzeugend hervor, dass die vorstehend genannte Voraussetzung für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs nicht erfüllt gewesen ist. Der Senat entnimmt dies insbesondere den fundierten und schlüssigen Darlegungen des Dr. T. (Fachreferat Onkologie des MDK) in dessen Gutachten vom 09.12.2013 und vom 19.05.2014. Danach muss im Ausgangspunkt unterschieden werden zwischen dem Verfahren der wissenschaftlichen Hyperthermie, deren Anwender sich in einer Interdisziplinären Arbeitsgruppe der Deutschen Krebsgesellschaft (Atzelsberger Kreis) und der Arbeitsgruppe Hyperthermie der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie organisiert haben, und dem Verfahren der so genannten Elektro-Hyperthermie, deren Anwender organisiert sind in der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie als Mitglied des Dachverbands der Ärztegesellschaft für Naturheilkunde und Komplementärmedizin. Dr. Dr. R. und die F. haben bei dem Versicherten ersichtlich das Verfahren der Elektro-Hyperthermie angewendet. Bei diesem Verfahren werden andere Geräte eingesetzt als bei den Verfahren der wissenschaftlichen Hyperthermie, von denen sich die Elektro-Hyperthermie nicht zuletzt deswegen hinsichtlich des Qualitätsmanagements substantiell unterscheidet. Bei der Elektro-Hyperthermie fehlt - so Dr. T. - vor allem die Temperaturdosisplanung bzw. die Bestimmung der im Zielgewebe tatsächlich erreichten Temperatur. Dr. T. hat demzufolge überzeugend dargelegt, dass für die Methode der Elektro-Hyperthermie indikationsunabhängig keinerlei Evidenz für einen Wirksamkeitsnachweis vorliegt (dazu auch etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2014, - L 11 KR 3597/13 -, in juris Rdnr. 36). Klinische Studien zum Wirksamkeitsnachweis der in der komplementären Elektro-Hyperthermie angewandten Methode (Elektro-Hyperthermie in Kombination mit schulmedizinischer Chemotherapie) hat Dr. T. nicht auffinden können. Deshalb bleibt namentlich auch unklar, ob die Elektro-Hyperthermie zusätzlich zu der beim Versicherten durchgeführten Chemotherapie mit einer speziellen Wirksamkeit verbunden gewesen ist. Für die abweichenden Annahmen der behandelnden Ärzte des Versicherten, des Dr. H. und des Dr. Dr. R., fehlen daher die evidenzbasierten medizinischen Grundlagen. Diese Ärzte stützen sich auf (auch nicht weiter wissenschaftlich substantiierte und für die sozialmedizinische Beurteilung nachvollziehbar dokumentierte) persönliche Erfahrungen in ihrer Behandlungspraxis. Für die Begründung eines Leistungsanspruchs aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung genügt das nicht. Das gilt auch für die ersichtlich positiven Feststellungen, die im Verlauf der Behandlung des Versicherten getroffen worden sind. Auch wenn daraus möglicherweise im Nachhinein Anhaltspunkte für ein Ansprechen der Behandlung im Einzelfall abzuleiten wären, würde das im Hinblick auf die eingangs dargestellten Anforderungen an die verfassungs- bzw. grundrechtsunmittelbare Begründung krankenversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche nicht genügen können. Die Gutachter des MDK haben außerdem schlüssig dargelegt, dass das von den behandelnden Ärzten beschriebene Ansprechen der Behandlung (etwa durch die Beobachtung des Verlaufs des Tumormarkers oder durch bildgebende Verfahren - Arztbriefe des Dr. St. vom 01.02.2012, 19.03.2012 und Bericht vom 31.03.2014; Berichte des Dr. H. vom 20.08.2013 und des Dr. Dr. R. vom 28.08.2013 und vom 09.04.2014) nicht ohne Weiteres auf die Anwendung der Elektro-Hyperthermie zusätzlich zur schulmäßigen Chemotherapie bzw. auf einen Synergieeffekt beider Behandlungsmethoden zurückgeführt werden kann; die bereits dargestellte Erkenntnislage in der medizinischen Wissenschaft kann diese Annahme nicht stützen. Dr. T. hat im MDK-Gutachten vom 09.12.2013 demzufolge überzeugend dargelegt, dass unklar ist, ob das genannte Therapieansprechen Folge der Kombination von Elektro-Hyperthermie und Chemotherapie gewesen ist oder ob es nur auf der Chemotherapie beruht hat, die auch ohne Elektro-Hyperthermie teils unter- teils aber auch überdurchschnittlich ansprechen kann (so auch Dr. W. im MDK-Gutachten vom 09.03.2012).
60 
Die weiter vorliegenden MDK-Gutachten stützen und bestätigen die Auffassung des Dr. T. zusätzlich. So hat vor allem Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 unter Abgrenzung der wissenschaftlichen Hyperthermie, die in klinischen Studien an speziellen Zentren (Universitätskliniken) durchgeführt wird, von der Elektro-Hyperthermie (weiter präzisierend) dargelegt, dass bei der wissenschaftlichen Hyperthermie anders als bei der Elektro-Hyperthermie technische Geräte eingesetzt werden, die neben der Temperaturdosisplanung eine Verifikation der tatsächlich erzielten Temperatur über Temperaturmessungen ermöglichen. Dies ist mit den bei der Elektro-Hyperthermie genutzten (einfacheren) Geräten nicht möglich, weshalb bei diesem Verfahren eine wissenschaftlich-technische Therapieplanung, die Möglichkeit der Fokussierung der Energieverteilung im Zielgebiet und eine valide Temperaturkontrolle im Zielvolumen nicht möglich ist. Deswegen hat die Arbeitsgemeinschaft Hyperthermie der Deutschen Krebsgesellschaft an der Elektro-Hyperthermie auch wiederholt (- so Dr. B.-N.: scharfe -) Kritik geäußert. Dr. B.-N. hat in Übereinstimmung mit Dr. T. betont, dass es keine Studien gibt, die (insbesondere) einen Nutzen der Elektro-Hyperthermie für die Krebsbehandlung belegen könnten. Es gibt - so Dr. B.-N. - keine Studien, die Hinweise auf eine positive Einwirkung der Hyperthermie (Ganzkörperhyperthermie bzw. lokoregionale Tiefenhyperthermie) allein oder in Verbindung mit Chemotherapie auf den Krankheitsverlauf im vorliegenden Fall erbringen würden. Die für die Behandlung des (wie ein Magenkarzinom zu behandelnden) AEG-Karzinoms einschlägige S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ der zuständigen deutschen Fachgesellschaft und ebenso die entsprechende Leitlinie der zuständigen amerikanischen Fachgesellschaft erwähnen die Hyperthermie als Methode zur Behandlung dieser Krebserkrankung nicht.
61 
Damit kann die - wissenschaftliche - Hyperthermie ggf. in klinischen Studien zur Behandlung schwieriger und fortgeschrittener Krebserkrankungen (worauf Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 ebenfalls hingewiesen hat) in spezialisierten (universitären) Zentren (etwa in D., E., M. und T.) auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, nicht jedoch die (ambulante) Elektro-Hyperthermie, auch nicht in Kombination mit anderen Behandlungsverfahren, wie der Chemotherapie. Angesichts der medizinisch und technisch begründeten Unterschiede beider Behandlungsmethoden kann die Klägerin den geltend gemachten Erstattungsanspruch auf Gründe der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) ebenfalls nicht stützen.
b)
62 
Die Beklagte hat auch die Gewährung der (ergänzenden) Thymustherapie und der Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen zu Recht abgelehnt. Hierfür gilt das Vorstehende weitgehend entsprechend.
63 
Bei der Thymustherapie handelt es sich ersichtlich um eine Pharmakotherapie (zur Abgrenzung der Pharmakotherapie von der ärztlichen Behandlung näher Senatsurteil vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 -, in juris Rdnr. 39 m.w.N.). Das beim Versicherten angewandte Thymus-Präparat ist - so der Arzt E. im MDK-Gutachten vom 28.03.2012 - ein nicht verschreibungspflichtiges (homöopathisches) Arzneimittel. Es kann daher gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. mit den einschlägigen Vorschriften der AMR zu Lasten der Krankenkassen nicht verordnet werden (§ 12 Abs. 1 SGB V i.V.m. Anlage I AMR; zur Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses etwa BSG, Urteil vom 15.12.2015, - B 1 KR 30/15 R -, in juris). Die dargestellten Grundsätze für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung führen auch hier nicht weiter. Wie Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 dargelegt hat (ebenso der Sache nach der Arzt E. im MDK-Gutachten vom 11.05.2012), gibt es keine Studien, die darauf hinweisen könnten, dass im Fall des AEG-Karzinoms durch Thymustherapie eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bewirkt werden kann, und es gibt auch keine Hinweise auf eine positive Einwirkung durch Thymustherapie in Kombination mit Chemotherapie und Hyperthermie. Die Literaturrecherche hat Hinweise auf Studien, die die von Dr. Dr. R. postulierten Therapieerfolge belegen oder dies (auch nur) untersuchen würden, nicht ergeben. Auch in der bereits erwähnten deutschen S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ und in der entsprechenden amerikanischen Leitlinie wird die Thymustherapie als Behandlung von AEG-Tumoren nicht erwähnt (so Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012). Dr. Dr. R. hat im Bericht vom 09.04.2014 ebenfalls eingeräumt, dass es für die in Rede stehende Krebsbehandlung den Kriterien der medizinischen Wissenschaft entsprechende Studien nicht gibt.
64 
Die Behandlung mit Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen stellt ebenfalls eine Pharmakotherapie dar. Die beim Versicherten angewandte Injektionslösung ist wie das verabreichte Thymuspräparat ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel und kann aus den bereits zur Thymustherapie dargestellten Gründen zu Lasten der Krankenkassen nicht verordnet werden; die Ausnahmeindikation des schwerwiegenden, durch eine entsprechende Ernährung nicht behebbaren Vitaminmangels hat beim Versicherten (unstreitig) nicht vorgelegen. Dr. B.-N. hat das im MDK-Gutachten vom 30.08.2012 näher dargelegt. Auch hier führen die Grundsätze zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung nicht weiter. Wie Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 30.08.2012 ausgeführt hat, hat es nach der Datenlage an einer begründeten Aussicht auf die Erzielung eines Behandlungserfolgs bei der Krebserkrankung des Versicherten gefehlt. Dr. B.-N. hat seine Einschätzung unmittelbar zwar auf die Anwendung des in Rede stehenden Arzneimittels im (richterrechtlichen) Off-Label-Use (dazu etwa Senatsurteil vom 08.03.2015, - L 5 KR 3861712 -, in juris Rdnr. 44) bezogen. Seine Ausführungen belegen zugleich aber das Fehlen einer durch Indizien gestützten nicht ganz fernliegenden Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf der Krebserkrankung. Die Anwendung der in Rede stehenden Infusionen (ebenso der Thymus-Präparate) hat außerdem ersichtlich eine Begleitbehandlung der - ganz im Vordergrund stehenden - Hyperthermie-Behandlung des Versicherten (als Hauptbehandlung) dargestellt, die dadurch hat unterstützt werden sollen. Die Infusionsbehandlung kann damit in leistungsrechtlicher Hinsicht (bezogen auf die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs) letztendlich nicht wesentlich anders beurteilt werden als die genannte Hauptbehandlung selbst.
65 
Die Klägerin stützt sich für ihr Kostenerstattungsbegehren insgesamt (nachvollziehbar) im Kern auf die positive Selbsteinschätzung des Versicherten hinsichtlich eines für ihn spürbaren Behandlungserfolgs, auch durch die Möglichkeit, die Dosis der weiterhin angewandten Chemotherapeutika herabzusetzen und deren Nebenwirkungen abzumildern. Wie eingangs dargelegt, genügt das für die Aufnahme der in Rede stehenden Methoden zur Behandlung des AEG-Karzinoms in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung indessen ebenso wenig wie die Einschätzung der behandelnden Ärzte, die die Entscheidung des Versicherten zur Durchführung (vor allem) der Hyperthermie-Behandlung als in seiner Lage medizinisch sinnvoll angesehen haben.
66 
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht nicht auf.
67 
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
68 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Gründe

 
I.
48 
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens ist die Erstattung der Aufwendungen, die dem Versicherten für die ambulante Behandlung seiner Krebserkrankung durch Hyperthermie, Thymustherapie und Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen entstanden sind. Die Aufwendungen für die begleitende Misteltherapie sind nicht Streitgegenstand; die Beklagte hat die Kosten hierfür übernommen. Die Kosten, die dem Versicherten von Dr. Dr. R. für die streitgegenständliche Behandlung als privatärztliche Leistung in Rechnung gestellt worden sind, belaufen sich, wie im Klage- und Berufungsverfahren (unter Vorlage privatärztlicher Rechnungen) vorgetragen worden ist, auf 4.963,75 EUR (Hyperthermie), 2.925,00 EUR (Thymustherapie) und 220,14 EUR (Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen), insgesamt auf 8.108,89 EUR. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist damit überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen gem. § 151 SGG zulässig. Die Klägerin macht den Erstattungsanspruch zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG). Sie ist hierfür gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten (als mit ihm zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin) prozessführungsbefugt. Da der Erstattungsanspruch über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen zum Gegenstand hat, stellt er (in jedem Fall) einen Anspruch auf laufende Geldleistungen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I dar (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 6/11 R -, in juris). Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 22.12.2011 die Übernahme der Kosten für die Thymus-Therapie abgelehnt; das Schreiben vom 30.03.2012 enthält insoweit nur eine wiederholende Verfügung, nicht jedoch einen erneuten Ablehnungsbescheid. Mit Bescheiden vom 02.02.2012 und (nach erneuter Prüfung) vom 12.03.2012 hat die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Hyperthermie-Behandlung abgelehnt. Die Übernahme der Kosten für die Selen- und Vitamin-C-Infusionen ist mit Bescheid vom 21.06.2012 abgelehnt worden.
II.
49 
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das SG hat in seinem Urteil eingehend und zutreffend dargelegt, welche Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze für das Erstattungsbegehren der Klägerin maßgeblich sind, und dass sie die Erstattung der in Rede stehenden Aufwendungen nicht beanspruchen kann, weil die Beklagte die Gewährung der (zusätzlichen) ambulanten Behandlung der Krebserkrankung des Versicherten mit Hyperthermie, Thymuspräparaten und Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen durch Dr. Dr. R. und in der F. als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu Unrecht abgelehnt hat; die Ablehnungsbescheide der Beklagten entsprechen dem geltenden Recht und sind daher rechtmäßig. Der Senat nimmt auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei angemerkt:
1.)
50 
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 (Fall 1 und 2) SGB V reicht daher nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Die Selbstbeschaffung der Leistung muss außerdem zu einer (zivil-)rechtlich wirksamen Kostenlast des Versicherten geführt haben. Daran kann es insbesondere bei Verstößen gegen das einschlägige öffentlich-rechtliche Preisrecht fehlen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - zur Gebührenordnung für Ärzte und zum Preisrecht für Krankenhausleistungen; auch etwa jurisPK-SGB V Schlegel/Voelzke, § 33 Rdnr. 49).
51 
Der regelmäßig im Vordergrund stehende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und außerdem einen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung der Leistung entstandenen Kostenlast voraus. Dieser Ursachenzusammenhang fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V) oder wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt weder einen „Formalismus“ in dem Sinne dar, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte nicht gehalten ist, die Entscheidung der Krankenkasse in seine eigene Entscheidung inhaltlich einzubeziehen, sondern den Abschluss des Verwaltungsverfahrens nur „formal“ abwarten muss, jedoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (so: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Dem steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 19.03.2009, - 1 BvR 316/09 -, in juris) nicht in der Weise ausgelegt werden darf, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt.
52 
Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V (unaufschiebbare Leistung) setzt voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht (mehr) darauf an, ob es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten; die gegenteilige Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris) aufgegeben. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern (sogar) ein (medizinischer) Notfall i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung, § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V kann daher (gerade) auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (auch dazu: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris).
2.)
53 
Davon ausgehend kann die Klägerin die Erstattung der dem Versicherten für die ambulante Behandlung seiner Krebserkrankung durch Dr. Dr. R. und die F. entstandenen Aufwendungen nicht beanspruchen. Unaufschiebbare Leistungen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V stehen unstreitig nicht in Rede, so dass nur ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V in Betracht kommt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte hat die Gewährung der - im Vordergrund des Leistungs- bzw. Erstattungsbegehrens stehenden - ergänzenden ambulanten Krebsbehandlung durch Hyperthermie (zusätzlich zu der dem Versicherten gewährten schulmedizinischen Chemotherapie) nicht zu Unrecht abgelehnt (unten a). Gleiches gilt für die Gewährung der Behandlung mit Thymuspräparaten bzw. mit Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen (unten b). Der Leistungsanspruch des Versicherten hat diese Behandlungsleistungen nicht umfasst. Sie können von der Krankenkasse nicht als (Sach-)Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden. Für die Kosten ihrer Beschaffung als privatärztliche Behandlungsleistung kann (und darf) die Versichertengemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten nicht aufkommen. Mangels rechtswidriger Leistungsablehnung kommt es auf Fragen des Beschaffungswegs oder der Ursächlichkeit der Leistungsablehnung für die Selbstbeschaffung nicht mehr an.
a)
54 
Die ambulante Krebsbehandlung durch Hyperthermie (hier Elektro-Hyperthermie) als Ergänzung einer (schulmedizinischen) Chemotherapie ist nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der Krankenkassen.
55 
Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat sich mit der Behandlung von Krebserkrankungen durch Hyperthermie (in Kombination mit anderen Behandlungsmethoden) mehrfach befasst und regelmäßig entschieden, dass diese Behandlungsmethode vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfasst ist (vgl. beispielhaft nur etwa: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.11.2015, - L16 KR 677/15 B ER - < Hyperthermie- und Laserbehandlung bei Pankreaskarzinom>; LSG Saarland, Urteil vom 21.10.2015, - L 2 KR 189/14 - ; Bayerisches LSG, Urteil vom 10.03.2015, - L 5 KR 52/12 - ; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014, - L 11 KR 3597/13 - ; Thüringer LSG, Urteil vom 01.10.2013, - L 6 KR 751/11 - ; anders etwa bei einem CUP-Syndrom, einer Krebserkrankung bei unbekanntem Primärtumor, bei dem es innerhalb kürzester Zeit trotz Chemotherapie und experimenteller Antikörpertherapie zu einer fortschreitenden Metastasierung in Leber, Lunge, Milz, Bauchspeicheldrüse, Magen, Magenwand und Lymphknoten gekommen war, LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.12.2014, - L 1 KR 21/13 -; alle in juris). Auch im vorliegenden Fall hat ein Leistungsanspruch des Versicherten auf Gewährung einer Hyperthermie-Behandlung nicht bestanden.
56 
Als Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Krebsbehandlung durch Hyperthermie kommen, wie das SG in seinem Urteil zutreffend dargelegt hat, weder die Vorschriften des § 27 Abs. 1 SGB V noch die Rechtsgrundsätze zum so genannten Systemversagen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern nur die in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Rechtsgrundsätze zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. für die Zeit ab 01.01.2012 die diese Rechtsgrundsätze kodifizierenden und nach deren Maßgaben auszulegenden Regelungen in § 2 Abs. 1a SGB V in Betracht. In seinem grundlegenden Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -, in juris) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig. Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R -, beide in juris - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige GBA diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit (BSG, Urteil vom 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht etwa bei BSG, Urteil vom 5.5.2009, - B 1 KR 15/08 R -, alle in juris) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415713 -, beide in juris), wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -; zu alledem auch Senatsurteil vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 -, in juris).
57 
Einem auf diese Rechtsgrundsätze bzw. auf die Vorschrift in § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Versicherten hat hier schon entgegen gestanden, dass der GBA die Krebsbehandlung durch Hyperthermie (auch in Kombination mit Chemotherapie) durch Richtlinienentscheidung - in Anlage II Nr. 42 Method-RL - ausdrücklich aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen ausgeschlossen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist für eine Anspruchsbegründung aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs aber kein Raum mehr, wenn der GBA zu einer negativen Bewertung gelangt ist (BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 -R -; vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.10.2015, - B 1 KR 69/15 B -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2012, - L 4 KR 5054/10 -; für vorläufige Rechtsschutzverfahren anders etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.02.2007, - L 5 B 8/07 KR ER - oder LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.07.2011, - 5 KR 99/11 B ER -; diese Frage offen lassend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014,- L 11 KR 3597/13 -; alle in juris); stichhaltige Gründe, aus denen der maßgebliche Beschluss des GBA beanstandet werden könnte, sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
58 
Auch wenn man ungeachtet der genannten Richtlinienentscheidung des GBA einen verfassungs- bzw. grundrechtsunmittelbaren Leistungsanspruch (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415713 -, beide in juris) bzw. einen auf § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Versicherten nicht von vornherein ausschließen wollte, wären die Voraussetzungen eines solchen Leistungsanspruchs jedenfalls nicht erfüllt gewesen. Es hat an der auf Indizien gestützten nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gefehlt (dazu näher, insbesondere zur abstrakten und konkret-individuellen Prüfung und Abwägung von Risiken und Nutzen der Behandlungsmethode, BSG, Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R -, in juris Rdnr. 16). Dieses Erfordernis darf einerseits zwar nicht überspannt werden, etwa durch die Forderung eines Wirksamkeits- und Nutzennachweises durch evidenzbasierte Studien (vgl. etwa Senatsurteil vom 19.03.2014, - L 5 KR 1496/13 - , nicht veröffentlicht). Im Unterschied zur Anwendung von Arzneimitteln im Off-Label-Use (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 25/11 R -; Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -, beide in juris) genügen nämlich schon (Wirksamkeits-)Indizien, die sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden können (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 02.09.2014, a.a.O.: wissenschaftliche Verlaufsbeobachtung anhand von 126 operierten Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle). Steht in den Fallgestaltungen des § 2 Abs. 1a SGB V (lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche bzw. wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung) eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode generell nicht zur Verfügung oder scheidet sie im konkreten Einzelfall (nachgewiesenermaßen) aus, sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen „je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise (so BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris Rdnr. 66) auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg. Andererseits darf die in Rede stehende und im Einzelfall vielfach maßgebliche Voraussetzung für die grundrechtsorientierte (erweiternde) Auslegung des Leistungskatalogs auch nicht (gänzlich) aufgelöst werden. Das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, genügt für sich allein genommen nicht (vgl. dazu auch etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, in juris Rdnr 32 f.).
59 
Aus den vorliegenden MDK-Gutachten geht für den Senat überzeugend hervor, dass die vorstehend genannte Voraussetzung für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs nicht erfüllt gewesen ist. Der Senat entnimmt dies insbesondere den fundierten und schlüssigen Darlegungen des Dr. T. (Fachreferat Onkologie des MDK) in dessen Gutachten vom 09.12.2013 und vom 19.05.2014. Danach muss im Ausgangspunkt unterschieden werden zwischen dem Verfahren der wissenschaftlichen Hyperthermie, deren Anwender sich in einer Interdisziplinären Arbeitsgruppe der Deutschen Krebsgesellschaft (Atzelsberger Kreis) und der Arbeitsgruppe Hyperthermie der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie organisiert haben, und dem Verfahren der so genannten Elektro-Hyperthermie, deren Anwender organisiert sind in der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie als Mitglied des Dachverbands der Ärztegesellschaft für Naturheilkunde und Komplementärmedizin. Dr. Dr. R. und die F. haben bei dem Versicherten ersichtlich das Verfahren der Elektro-Hyperthermie angewendet. Bei diesem Verfahren werden andere Geräte eingesetzt als bei den Verfahren der wissenschaftlichen Hyperthermie, von denen sich die Elektro-Hyperthermie nicht zuletzt deswegen hinsichtlich des Qualitätsmanagements substantiell unterscheidet. Bei der Elektro-Hyperthermie fehlt - so Dr. T. - vor allem die Temperaturdosisplanung bzw. die Bestimmung der im Zielgewebe tatsächlich erreichten Temperatur. Dr. T. hat demzufolge überzeugend dargelegt, dass für die Methode der Elektro-Hyperthermie indikationsunabhängig keinerlei Evidenz für einen Wirksamkeitsnachweis vorliegt (dazu auch etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2014, - L 11 KR 3597/13 -, in juris Rdnr. 36). Klinische Studien zum Wirksamkeitsnachweis der in der komplementären Elektro-Hyperthermie angewandten Methode (Elektro-Hyperthermie in Kombination mit schulmedizinischer Chemotherapie) hat Dr. T. nicht auffinden können. Deshalb bleibt namentlich auch unklar, ob die Elektro-Hyperthermie zusätzlich zu der beim Versicherten durchgeführten Chemotherapie mit einer speziellen Wirksamkeit verbunden gewesen ist. Für die abweichenden Annahmen der behandelnden Ärzte des Versicherten, des Dr. H. und des Dr. Dr. R., fehlen daher die evidenzbasierten medizinischen Grundlagen. Diese Ärzte stützen sich auf (auch nicht weiter wissenschaftlich substantiierte und für die sozialmedizinische Beurteilung nachvollziehbar dokumentierte) persönliche Erfahrungen in ihrer Behandlungspraxis. Für die Begründung eines Leistungsanspruchs aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung genügt das nicht. Das gilt auch für die ersichtlich positiven Feststellungen, die im Verlauf der Behandlung des Versicherten getroffen worden sind. Auch wenn daraus möglicherweise im Nachhinein Anhaltspunkte für ein Ansprechen der Behandlung im Einzelfall abzuleiten wären, würde das im Hinblick auf die eingangs dargestellten Anforderungen an die verfassungs- bzw. grundrechtsunmittelbare Begründung krankenversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche nicht genügen können. Die Gutachter des MDK haben außerdem schlüssig dargelegt, dass das von den behandelnden Ärzten beschriebene Ansprechen der Behandlung (etwa durch die Beobachtung des Verlaufs des Tumormarkers oder durch bildgebende Verfahren - Arztbriefe des Dr. St. vom 01.02.2012, 19.03.2012 und Bericht vom 31.03.2014; Berichte des Dr. H. vom 20.08.2013 und des Dr. Dr. R. vom 28.08.2013 und vom 09.04.2014) nicht ohne Weiteres auf die Anwendung der Elektro-Hyperthermie zusätzlich zur schulmäßigen Chemotherapie bzw. auf einen Synergieeffekt beider Behandlungsmethoden zurückgeführt werden kann; die bereits dargestellte Erkenntnislage in der medizinischen Wissenschaft kann diese Annahme nicht stützen. Dr. T. hat im MDK-Gutachten vom 09.12.2013 demzufolge überzeugend dargelegt, dass unklar ist, ob das genannte Therapieansprechen Folge der Kombination von Elektro-Hyperthermie und Chemotherapie gewesen ist oder ob es nur auf der Chemotherapie beruht hat, die auch ohne Elektro-Hyperthermie teils unter- teils aber auch überdurchschnittlich ansprechen kann (so auch Dr. W. im MDK-Gutachten vom 09.03.2012).
60 
Die weiter vorliegenden MDK-Gutachten stützen und bestätigen die Auffassung des Dr. T. zusätzlich. So hat vor allem Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 unter Abgrenzung der wissenschaftlichen Hyperthermie, die in klinischen Studien an speziellen Zentren (Universitätskliniken) durchgeführt wird, von der Elektro-Hyperthermie (weiter präzisierend) dargelegt, dass bei der wissenschaftlichen Hyperthermie anders als bei der Elektro-Hyperthermie technische Geräte eingesetzt werden, die neben der Temperaturdosisplanung eine Verifikation der tatsächlich erzielten Temperatur über Temperaturmessungen ermöglichen. Dies ist mit den bei der Elektro-Hyperthermie genutzten (einfacheren) Geräten nicht möglich, weshalb bei diesem Verfahren eine wissenschaftlich-technische Therapieplanung, die Möglichkeit der Fokussierung der Energieverteilung im Zielgebiet und eine valide Temperaturkontrolle im Zielvolumen nicht möglich ist. Deswegen hat die Arbeitsgemeinschaft Hyperthermie der Deutschen Krebsgesellschaft an der Elektro-Hyperthermie auch wiederholt (- so Dr. B.-N.: scharfe -) Kritik geäußert. Dr. B.-N. hat in Übereinstimmung mit Dr. T. betont, dass es keine Studien gibt, die (insbesondere) einen Nutzen der Elektro-Hyperthermie für die Krebsbehandlung belegen könnten. Es gibt - so Dr. B.-N. - keine Studien, die Hinweise auf eine positive Einwirkung der Hyperthermie (Ganzkörperhyperthermie bzw. lokoregionale Tiefenhyperthermie) allein oder in Verbindung mit Chemotherapie auf den Krankheitsverlauf im vorliegenden Fall erbringen würden. Die für die Behandlung des (wie ein Magenkarzinom zu behandelnden) AEG-Karzinoms einschlägige S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ der zuständigen deutschen Fachgesellschaft und ebenso die entsprechende Leitlinie der zuständigen amerikanischen Fachgesellschaft erwähnen die Hyperthermie als Methode zur Behandlung dieser Krebserkrankung nicht.
61 
Damit kann die - wissenschaftliche - Hyperthermie ggf. in klinischen Studien zur Behandlung schwieriger und fortgeschrittener Krebserkrankungen (worauf Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 ebenfalls hingewiesen hat) in spezialisierten (universitären) Zentren (etwa in D., E., M. und T.) auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, nicht jedoch die (ambulante) Elektro-Hyperthermie, auch nicht in Kombination mit anderen Behandlungsverfahren, wie der Chemotherapie. Angesichts der medizinisch und technisch begründeten Unterschiede beider Behandlungsmethoden kann die Klägerin den geltend gemachten Erstattungsanspruch auf Gründe der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) ebenfalls nicht stützen.
b)
62 
Die Beklagte hat auch die Gewährung der (ergänzenden) Thymustherapie und der Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen zu Recht abgelehnt. Hierfür gilt das Vorstehende weitgehend entsprechend.
63 
Bei der Thymustherapie handelt es sich ersichtlich um eine Pharmakotherapie (zur Abgrenzung der Pharmakotherapie von der ärztlichen Behandlung näher Senatsurteil vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 -, in juris Rdnr. 39 m.w.N.). Das beim Versicherten angewandte Thymus-Präparat ist - so der Arzt E. im MDK-Gutachten vom 28.03.2012 - ein nicht verschreibungspflichtiges (homöopathisches) Arzneimittel. Es kann daher gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. mit den einschlägigen Vorschriften der AMR zu Lasten der Krankenkassen nicht verordnet werden (§ 12 Abs. 1 SGB V i.V.m. Anlage I AMR; zur Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses etwa BSG, Urteil vom 15.12.2015, - B 1 KR 30/15 R -, in juris). Die dargestellten Grundsätze für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung führen auch hier nicht weiter. Wie Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012 dargelegt hat (ebenso der Sache nach der Arzt E. im MDK-Gutachten vom 11.05.2012), gibt es keine Studien, die darauf hinweisen könnten, dass im Fall des AEG-Karzinoms durch Thymustherapie eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bewirkt werden kann, und es gibt auch keine Hinweise auf eine positive Einwirkung durch Thymustherapie in Kombination mit Chemotherapie und Hyperthermie. Die Literaturrecherche hat Hinweise auf Studien, die die von Dr. Dr. R. postulierten Therapieerfolge belegen oder dies (auch nur) untersuchen würden, nicht ergeben. Auch in der bereits erwähnten deutschen S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ und in der entsprechenden amerikanischen Leitlinie wird die Thymustherapie als Behandlung von AEG-Tumoren nicht erwähnt (so Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 22.08.2012). Dr. Dr. R. hat im Bericht vom 09.04.2014 ebenfalls eingeräumt, dass es für die in Rede stehende Krebsbehandlung den Kriterien der medizinischen Wissenschaft entsprechende Studien nicht gibt.
64 
Die Behandlung mit Vitamin-C- bzw. Selen-Infusionen stellt ebenfalls eine Pharmakotherapie dar. Die beim Versicherten angewandte Injektionslösung ist wie das verabreichte Thymuspräparat ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel und kann aus den bereits zur Thymustherapie dargestellten Gründen zu Lasten der Krankenkassen nicht verordnet werden; die Ausnahmeindikation des schwerwiegenden, durch eine entsprechende Ernährung nicht behebbaren Vitaminmangels hat beim Versicherten (unstreitig) nicht vorgelegen. Dr. B.-N. hat das im MDK-Gutachten vom 30.08.2012 näher dargelegt. Auch hier führen die Grundsätze zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung nicht weiter. Wie Dr. B.-N. im MDK-Gutachten vom 30.08.2012 ausgeführt hat, hat es nach der Datenlage an einer begründeten Aussicht auf die Erzielung eines Behandlungserfolgs bei der Krebserkrankung des Versicherten gefehlt. Dr. B.-N. hat seine Einschätzung unmittelbar zwar auf die Anwendung des in Rede stehenden Arzneimittels im (richterrechtlichen) Off-Label-Use (dazu etwa Senatsurteil vom 08.03.2015, - L 5 KR 3861712 -, in juris Rdnr. 44) bezogen. Seine Ausführungen belegen zugleich aber das Fehlen einer durch Indizien gestützten nicht ganz fernliegenden Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf der Krebserkrankung. Die Anwendung der in Rede stehenden Infusionen (ebenso der Thymus-Präparate) hat außerdem ersichtlich eine Begleitbehandlung der - ganz im Vordergrund stehenden - Hyperthermie-Behandlung des Versicherten (als Hauptbehandlung) dargestellt, die dadurch hat unterstützt werden sollen. Die Infusionsbehandlung kann damit in leistungsrechtlicher Hinsicht (bezogen auf die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs) letztendlich nicht wesentlich anders beurteilt werden als die genannte Hauptbehandlung selbst.
65 
Die Klägerin stützt sich für ihr Kostenerstattungsbegehren insgesamt (nachvollziehbar) im Kern auf die positive Selbsteinschätzung des Versicherten hinsichtlich eines für ihn spürbaren Behandlungserfolgs, auch durch die Möglichkeit, die Dosis der weiterhin angewandten Chemotherapeutika herabzusetzen und deren Nebenwirkungen abzumildern. Wie eingangs dargelegt, genügt das für die Aufnahme der in Rede stehenden Methoden zur Behandlung des AEG-Karzinoms in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung indessen ebenso wenig wie die Einschätzung der behandelnden Ärzte, die die Entscheidung des Versicherten zur Durchführung (vor allem) der Hyperthermie-Behandlung als in seiner Lage medizinisch sinnvoll angesehen haben.
66 
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht nicht auf.
67 
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
68 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Gründe

A.

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versorgung der Beschwerdeführerin mit einem Medizinprodukt auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die beantragte Versorgung war mit der Begründung abgelehnt worden, das Medizinprodukt sei nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Liste der verordnungsfähigen Medizinprodukte aufgenommen worden, und es gebe keinen Anspruch darauf, dass die Kosten der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung nach den Grundsätzen des Beschlusses des Ersten Senats vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) übernommen würden.

II.

2

1. Die Beschwerdeführerin leidet an einer chronischen Erkrankung der Harnblasenwand. Die Krankheit hat eine erhebliche Verringerung der Blasenkapazität sowie Entleerungsstörungen mit ausgeprägten Schmerzen und imperativem Harndrang zur Folge. Bei chronischem Verlauf kann eine Schrumpfblase entstehen, die bei unglücklicher Entwicklung der Krankheit eventuell operativ entfernt werden muss. Die Beschwerdeführerin beantragte bei ihrer Krankenkasse die Versorgung mit einem Medizinprodukt zur Therapie dieser Krankheit. Sämtliche Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Versorgung blieben ohne Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung der Revision durch das Bundessozialgericht und mittelbar gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB V.

3

2. Die Verfassungsbeschwerde stützt sich im Wesentlichen auf zwei Argumente:

4

a) Zum einen beansprucht die Beschwerdeführerin nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) eine Versorgung mit dem Medizinprodukt unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. In dieser Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Versorgung anerkannt, wenn ein Versicherter an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht existieren, und wenn die gewünschte Behandlung eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (vgl. BVerfGE 115, 25 <49>). Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie erfülle alle Voraussetzungen dieses Anspruchs; die Krankheit sei lebensbedrohlich, weil sie nach bisherigen Erfahrungen auch Anlass für einen Suizid sein könne.

5

Zumindest müsse der Anspruch in Fortführung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 auch in Fällen schwerwiegender Erkrankungen eröffnet sein, die zum Verlust eines Körperorgans führen und die sozialen Kontakte der Erkrankten erheblich beeinträchtigen könnten. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 formuliere, dass der Anspruch "insbesondere" in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung bestehe (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>); dass das Tatbestandsmerkmal nur als Beispiel aufgeführt werde, belege, dass es Krankheiten gleichen Gewichts gebe, die ebenfalls zu einem solchen Anspruch führen könnten.

6

b) Zum anderen rügt die Beschwerdeführerin, der nach § 91 SGB V tätige Gemeinsame Bundesausschuss verweigere die Aufnahme des von ihr gewünschten Medizinprodukts in seine Arzneimittel-Richtlinie, ohne dafür hinreichend demokratisch legitimiert zu sein. Diese Weigerung wirke ihr gegenüber rechtlich wie eine Ablehnung, denn nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei die Aufnahme des Medizinprodukts in eine Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Voraussetzung einer Versorgung.

7

Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erfassten alle an der Krankenversorgung Beteiligten ohne eine hinreichende Steuerung durch parlamentarisches Gesetz oder durch Weisung und Aufsicht der Gesundheitsbehörden. Die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses seien völlig weisungsunabhängig. Zehn Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses würden von den Leistungserbringern und -finanzierern der gesetzlichen Krankenversicherung bestellt, die drei unparteiischen Mitglieder im Einvernehmen dieser beiden Gruppen ernannt. Die vom Demokratieprinzip erforderte personelle Legitimationskette vom Volk über das Parlament zum Gemeinsamen Bundesausschuss fehle gänzlich.

B.

8

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie zeigt nicht entsprechend den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG substantiiert und schlüssig die Möglichkeit der Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin auf. Teilweise genügt sie auch nicht den Anforderungen an die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

I.

9

1. a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 <87> m.w.N.).

10

b) Der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abgeleitete Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 68, 384 <388 f.>). Dem Bundesverfassungsgericht soll vor seiner Entscheidung unter anderem ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und die Fallanschauung der Gerichte, insbesondere der obersten Bundesgerichte, vermittelt werden (vgl. BVerfGE 72, 39 <43>). Deswegen ist dem Subsidiaritätsgrundsatz auch nicht genügt, wenn im Instanzenzug ein Mangel nicht nachgeprüft werden konnte, weil er nicht oder nicht in ordnungsgemäßer Form gerügt worden war (vgl. BVerfGE 16, 124 <127>; 54, 53 <65>; 74, 102 <114>). Zwar resultiert daraus keine allgemeine Pflicht, verfassungsrechtliche Erwägungen und Bedenken schon in das fachgerichtliche Verfahren einzuführen (vgl. BVerfGE 112, 50 <60 ff.>). Dies lässt aber die Obliegenheit der Parteien unberührt, die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen bereits im Ausgangsverfahren vollständig vorzutragen; ein grundsätzlich neuer Tatsachenvortrag ist im Verfahren der Verfassungsbeschwerde ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 112, 50 <62>). Hat der Beschwerdeführer die Tatsachen dort nicht vollständig vorgebracht, hat er nicht alles ihm Zumutbare getan, um eine fachgerichtliche Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen.

11

2. An diesen Substantiierungsanforderungen und am Grundsatz der Subsidiarität scheitert die Verfassungsbeschwerde mit ihren Angriffen gegen das Urteil des Bundessozialgerichts und mittelbar gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V.

12

a) Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 geben die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 GG einen Anspruch auf Krankenversorgung insbesondere in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, wenn für sie schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen und die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht. Dann könnten diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten (vgl. BVerfGE 115, 25 <45 und 49>).

13

b) Nach ihren eigenen Darlegungen ist die Beschwerdeführerin von keiner lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung betroffen. Sie leidet zwar zweifellos an einer schwerwiegenden Erkrankung mit gewichtigen Folgen; diese begründet aber keine zeitlich naheliegende Todesgefahr. Ihr Hinweis auf statistisch erfasste Suizide bei einer Erkrankung dieser Art kann in seiner Allgemeinheit das individuelle Vorliegen dieses Anspruchsmerkmals nicht begründen.

14

c) Auch sind die medizinischen Angaben der Beschwerdeführerin unzureichend, um im Hinblick auf das von ihr begehrte Medizinprodukt eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf prüfen zu können. Zwar gibt die Verfassungsbeschwerde die Indizien für einen individuellen Wirkungszusammenhang aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (vgl. BVerfGE 115, 25 <50>) abstrakt wieder, konkretisiert sie aber nicht für den Einzelfall. Die Beschwerdeführerin hat weder vergleichende Angaben zu ihrem und dem Gesundheitszustand anderer behandelter Versicherter gemacht noch eine fachliche Einschätzung ihrer behandelnden Ärzte zu der beabsichtigten Therapie vorgelegt. Warum beides im Hinblick auf ihre nicht näher dargelegte finanzielle Situation von vornherein unzumutbar sein sollte, erschließt sich nicht. Zudem fehlt es an wesentlichen Informationen zu medizinischen Erkenntnissen über die Wirksamkeit des von ihr begehrten Medizinprodukts. Dessen positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ist zunächst lediglich behauptet und mit pauschalen Verweisen auf Anwendungsuntersuchungen begründet worden. Erst nach Ablauf der maßgeblichen Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für die Begründung der Verfassungsbeschwerde hat die Beschwerde detaillierter vorgetragen, aber auch dann nur vorgebracht, dass ihrer Ansicht nach eine in das Verfahren neu eingebrachte Studie trotz deren höherer Evidenzstufe nicht geeignet sei, einen Wirksamkeitsnachweis auszuschließen.

15

d) Dem Vortrag der Beschwerdeführerin lässt sich auch nicht entnehmen, dass sie im Verfahren vor den Sozialgerichten ausreichende Darlegungen für einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf das begehrte Medizinprodukt nach den Maßstäben des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 vorgebracht und so dem Grundsatz der Subsidiarität genügt hätte.

16

3. Die Beschwerdeführerin trägt vor, es sei verfassungsrechtlich geboten, den grundgesetzlichen Leistungsanspruch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 auf schwerwiegende Krankheiten zu erweitern, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen vergleichbar sind. Sie verweist dazu auf die Formulierung im genannten Beschluss, der Anspruch entstehe "insbesondere" in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>). Er müsse also auch für andere Krankheiten gleichen Gewichts gelten.

17

a) Eine solche Erweiterung ist fachgerichtlich schon anerkannt und mittlerweile auch gesetzlich normiert worden. Schon das Bundessozialgericht hat den verfassungsrechtlichen Leistungsanspruch auf wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungsfälle in notstandsähnlichen Situationen erweitert (vgl. BSGE 96, 153 <160 f. Rn. 31-32>; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R -, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8 Rn. 16 ff.). Dies sei bei einem drohenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gegeben. Der Verlust müsse jedoch in absehbarer Zeit, das heißt in einem kürzeren, überschaubaren Zeitraum, mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (vgl. BSGE 100, 103 <112 Rn. 32>). Der Gesetzgeber ist dem gefolgt und hat mit Wirkung zum 1. Januar 2012 in § 2 Abs. 1a SGB V einen Anspruch bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung gegeben. Es blieb dem Gesetzgeber zwar unbenommen, die vom Bundessozialgericht vorgenommene Anspruchserweiterung in § 2 Abs. 1a SGB V nachzuzeichnen. Diese Änderung des einfachen Gesetzesrechts vermag jedoch den hier im Verfahren der Verfassungsbeschwerde allein maßgeblichen verfassungsunmittelbaren Anspruch für sich genommen nicht zu erweitern. Im Übrigen ist die einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage erst im Jahr 2012 geschaffen worden, erfasst also zeitlich das vorliegende fachgerichtliche Verfahren nicht.

18

b) Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit krankenversicherungsrechtlichen Leistungsansprüchen in Fällen schwerwiegender Erkrankungen befasst, aber in keinem Fall festgestellt, dass es verfassungsrechtlich geboten sei, die Grundsätze des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 auf Erkrankungen zu erstrecken, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar sind. Es würde auch dem Ausnahmecharakter eines aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 GG abgeleiteten Leistungsanspruchs nicht gerecht, in großzügiger Auslegung der Verfassung einen solchen zu erweitern und so die sozialstaatliche Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers außer Acht zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb festgestellt, dass die notwendige Gefährdungslage erst in einer notstandsähnlichen Situation vorliege, in der ein erheblicher Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Anknüpfungspunkt eines derartigen Anspruchs ist deswegen unverändert "das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage" (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. März 2014 - 1 BvR 2415/13 -, juris, Rn. 14). Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch ist so auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr beschränkt. Entscheidend ist es, dass eine Krankheit lebensbedrohlich ist, das heißt in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann, und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen. Dies bedeutet nicht, dass in anderen Krankheitsfällen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung keinen grundrechtlichen Schutz genießen; insoweit kommt nach den Maßstäben des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 jedoch kein verfassungsunmittelbarer Leistungsanspruch auf Versorgung in Betracht.

19

4. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels hinreichender Substantiierung auch insoweit unzulässig, als die Beschwerdeführerin eine fehlende demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses bei der Ausgestaltung der Leistungsansprüche der Versicherten geltend macht.

20

a) Die Schutzwirkungen des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gehen über den im Beschluss vom 6. Dezember 2005 anerkannten, besonderen Extremfall der lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit hinaus und vermitteln einen weitergehenden subjektivrechtlichen Grundrechtsschutz. Die Ausgestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich an der grundrechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen (vgl. BVerfGE 115, 25 <44 f.> m.w.N.). Zugleich schützt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip in einem auf Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht beruhenden Versicherungssystem, bei dem der Einzelne typischerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe seines Beitrags und auf Art und Ausmaß der aus seinem Versicherungsverhältnis geschuldeten Leistung hat, den beitragspflichtigen Versicherten vor einer Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung. Zwar ergibt sich daraus grundsätzlich kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen zur Krankenbehandlung. Gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen sind aber daraufhin zu prüfen, ob sie im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind (vgl. BVerfGE 115, 25 <43>). Den Versicherten steht insoweit ein Anspruch auf eine verfassungsmäßige Ausgestaltung und auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung zu (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>). Gesetzlicher Ausgestaltung bedürfen insbesondere auch die grundsätzlich zulässigen (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>) Verfahren zur Bewertung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens sowie der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Würde eine zur Behandlung einer Krankheit benötigte Leistung in einem Entscheidungsprozess verweigert, der verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, wären Versicherte in ihren Grundrechten verletzt. Auf einen derartigen Anspruch auf Gewährleistung verfassungsmäßiger Ausgestaltung des Verfahrens der Leistungsgewährung könnte sich ein Beschwerdeführer prozessrechtlich nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG jedoch nur dann berufen, wenn er darlegte, die begehrte Behandlungsmethode biete eine zumindest auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

21

Hieran fehlt es jedoch vorliegend. Die Beschwerdeführerin hat - wie bereits festgestellt - im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nicht innerhalb der Begründungsfrist substantiiert dazu vorgetragen, dass die von ihr begehrte Behandlungsmethode eine derartige Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung verspricht.

22

b) Zudem bedürfte eine Verfassungsbeschwerde, die im Ergebnis auf Aufnahme eines Medizinprodukts in eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V zielt und das dem zugrunde liegende Verfahren aufgreift, einer Befassung mit der konkreten Befugnisnorm, auf der die streitige Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses fußt. Vorliegend fehlt jedoch die Darlegung, aus welchen Gründen gerade § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der es dem Gemeinsamen Bundesausschuss gestattet, ausnahmsweise Medizinprodukte in die Reihe der verordnungsfähigen Versorgung aufzunehmen, mit verfassungsrechtlichen Vorgaben, etwa zur demokratischen Legitimation (vgl. BVerfGE 115, 25 <47>), unvereinbar sein könnte. Mit dem Vorbringen - durchaus gewichtiger - genereller und allgemeiner Zweifel an der demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses als Institution kann das nicht gelingen. Vielmehr bedarf es konkreter Ausführungen nicht nur zum Einzelfall, sondern auch zur Ausgestaltung der in Rede stehenden Befugnis, zum Gehalt der Richtlinie und zur Reichweite der Regelung auf an ihrer Entstehung Beteiligte oder auch unbeteiligte Dritte. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss für eine Richtlinie hinreichende Legitimation besitzt, wenn sie zum Beispiel nur an der Regelsetzung Beteiligte mit geringer Intensität trifft, während sie für eine andere seiner Normen fehlen kann, wenn sie zum Beispiel mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht mitwirken konnten. Maßgeblich ist hierfür insbesondere, inwieweit der Ausschuss für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet ist.

23

Dem wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Auf die allein in Frage stehende Befugnisnorm des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V und auf die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses gerade für die darauf gründende Richtliniensetzung geht sie gar nicht ein, sondern begnügt sich mit der Wiedergabe allgemeiner Zweifel an der generellen Legitimation dieser Institution. Auch wäre es erforderlich gewesen, auf die tatsächliche Bedeutung der dem Ausschuss gerade für die Medizinprodukteversorgung übertragenen Befugnisse näher einzugehen und den Gehalt der gesetzlichen Vorgaben und deren Auslegung in der Praxis in Abgrenzung etwa zu denen der Arzneimittelversorgung zu würdigen, um so dem Bundesverfassungsgericht eine Beurteilungsgrundlage dafür zu schaffen, wieweit die Entscheidungen des Ausschusses gesetzlich angeleitet sind und welche Bedeutung ihnen praktisch zukommt.

II.

24

1. Die Verfassungswidrigkeit des Inhalts der die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten regelnden §§ 27 bis 29 Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) rügt die Beschwerdeführerin nicht. Die Verfassungsbeschwerde kritisiert zwar die vom Gemeinsamen Bundesausschuss im 4. Kapitel seiner Verfahrensordnung für alle Richtlinienentscheidungen festgelegten Evidenzanforderungen und Bewertungskriterien sowie die aus ihrer Sicht unzureichenden Ermittlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses im Herstellerzulassungsverfahren und will hieraus ein Systemversagen ableiten. Weder die Verfahrensordnung noch das Genehmigungsverfahren selbst sind aber von der Beschwerdeführerin zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht worden.

25

2. Die zusätzlich und ausdrücklich als verfassungswidrig gerügte Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 3 SGB V war für das angegriffene Urteil des Bundessozialgerichts ohne rechtliche Relevanz. Sie erklärt den in § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V geregelten gesetzlichen Versorgungsausschluss für bestimmte Arzneimittel - wie Erkältungs-, Schmerz- oder Abführmittel und Reisemedizin - für entsprechend anwendbar. Von dieser Vorschrift ist die Beschwerdeführerin, soweit erkennbar, in keiner Weise selbst betroffen. Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, weshalb diese Regelung, die überhaupt keine Normsetzungskompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses begründet, unvereinbar mit dem Grundgesetz sein sollte. Die Beschwerdebegründung geht darauf nicht ein.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten in Höhe von 11 564 Euro für eine auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung.

2

Der 1984 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger leidet an Retinitis pigmentosa, einer Netzhauterkrankung, die zu Tunnelblick und in ihrem Endstadium zur Erblindung führt. Im Jahr 2002 beantragte er - ua auf seine nur noch 3 % bis 5 % betragende Sehfähigkeit hinweisend - die Kostenübernahme für eine sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P in H ; dieser Arzt habe eine Therapie entwickelt, die das weitere Absterben der Netzhaut verhindere und das Sehvermögen verbessern könne. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Behandlungsmethode schulmedizinisch nicht allgemein anerkannt sei (Bescheid vom 19.11.2002; Widerspruchsbescheid vom 5.2.2003). Vom 10.1. bis 31.1.2003 ließ sich der Kläger auf Kuba auf eigene Kosten (nach eigenen Angaben 11 564 Euro) entsprechend behandeln.

3

Die Klage auf Kostenerstattung ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 24.3.2006; Urteil des LSG vom 1.8.2007). Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung für die auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung betroffen gewesen ist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3), weil das LSG dem nach § 109 SGG gestellten Antrag des Klägers, Beweis zur Eignung der durchgeführten Heilbehandlung durch den Sachverständigen Prof. M (Universität Bologna) zu erheben, nicht nachgekommen war. Das LSG hat ein Gutachten nach Aktenlage bei Prof. M
dazu eingeholt, ob die Kuba-Therapie dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, und anschließend die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, es fehle an einem hinreichend objektiven Wirksamkeitsnachweis der sog Kuba-Therapie (Urteil vom 16.11.2011).

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Art 2 Abs 2 S 1 sowie von Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip. Das LSG verkenne mit seiner Forderung nach validen Studien oder aussagekräftige Statistiken die Anforderungen, die an Hinweise für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine zumindest spürbare positive Einwirkung der Behandlung auf den Krankheitsverlauf zu stellen seien.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. März 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2003 zu verurteilen, ihm 11 564 Euro zu zahlen,

6

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das an-gefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung von 11 564 Euro Kosten für die Auslandsbehandlung hat, vermag der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen. Es steht nicht fest, dass die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V erfüllt sind.

10

Das LSG hat zwar in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Erstattungsanspruch aus § 18 Abs 1 S 1 SGB V bei Beachtung des Qualitätsgebots(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) abgelehnt (dazu 1.), aber unzureichende Feststellungen zur grundrechtsorientierten Auslegung getroffen (dazu 2.). Eine grundrechtsorientierte Auslegung scheidet allerdings aus, wenn die Überprüfbarkeit der Methode an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten scheitert (dazu 3.).

11

1. Nach den auch den erkennenden Senat bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) beruht der geltend gemachte Anspruch auf § 18 Abs 1 S 1 SGB V(in der hier noch maßgeblichen bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Danach kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist. Der Anspruch setzt ua nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 29) grundsätzlich voraus, dass die Leistung im Ausland den Anforderungen an das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) entspricht. Das hat das LSG im Ergebnis - unangegriffen und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - verneint, weil nicht die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie kein Konsens besteht.

12

2. Nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) kommen Abmilderungen der Anforderungen des Qualitätsgebots infolge grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts der GKV auch im Anwendungsbereich des § 18 SGB V in Betracht. Ist für Versicherte eine nach Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierter Leistungsbestimmung in der GKV zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich, besteht ein Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs 1 S 1 SGB V.

13

Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), bedarf es hierfür zunächst der Feststellung, dass der Kläger im Zeitpunkt der Behandlung an einer Krankheit litt, die zumindest wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar ist. Diesbezüglich hat das erste Revisionsurteil vorgegeben, dass hierfür eine drohende Erblindung in Betracht kommt, hochgradige Sehstörungen demgegenüber nicht ausreichen (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31). Sodann ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), die Feststellung erforderlich, ob, und wenn ja mit welcher Zielrichtung, bezüglich dieser Krankheit zumindest eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht und für den Kläger anwendbar ist. Des Weiteren ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), festzustellen, mit welcher Zielsetzung die sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P durchgeführt wird und ob bezüglich dieser Behandlungsmethode eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers bestand. Hierzu bedarf es der Feststellungen, die für eine abstrakte Nutzen-Risiko-Analyse und für eine Abwägung der Chancen und Risiken dieser Behandlungsmethode gerade im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse bei dem Kläger erforderlich sind. Maßgeblich sind für diese Feststellungen nach den bindenden Vorgaben (§ 170 Abs 5 SGG) die Regeln der ärztlichen Kunst.

14

Das LSG hat zur konkreten Krankheitssituation des Klägers, zu den regelmäßigen, schulmäßigen Behandlungsmethoden bei seiner Augenkrankheit, zu einer Unverträglichkeit dieser Methoden bei dem Kläger und zu den Chancen und Risiken der Kuba-Therapie im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse des Klägers im Behandlungszeitpunkt keine Feststellungen getroffen. Soweit es eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verneint hat, weil es an einem objektiven Wirksamkeitsnachweis fehle, verkennt es die bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGG).

15

Das LSG hat ausgeführt, die Methode sei nicht ausreichend an Menschen evaluiert und werde von der überwiegenden Mehrheit der einschlägigen Fachleute jedenfalls nicht befürwortet, vom wissenschaftlichen Beirat von Pro Retina Deutschland e.V. nicht empfohlen, vom "Health Council of the Netherlands" in den Niederlanden nicht anerkannt und auch in den USA und überwiegend in Europa nicht akzeptiert. Prof. M gehöre zur Minderheit der Befürworter und zu den wenigen Anwendern, gleichwohl vermöge er nur auf seine eigenen klinischen Erfahrungen an Menschen (und Tieren) hinzuweisen, ohne dass valide Studien oder aussagekräftige Statistiken zur Wirksamkeit der Therapie existierten. Die bisherigen Erkenntnisse würden zwar einen positiven Einfluss nicht ausschließen, genügten aber nicht, um von einer "ausreichend gesicherten" positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auszugehen, weil sich der Sachverständige nur auf die Feststellungen der von ihm operierten 126 Menschen stütze und eine graduelle Verzögerung des Sehschärfeverlustes um 18 bis 24 Monaten nicht ausreichend erscheine.

16

Damit überspannt das LSG die Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts. Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), ist es bei der abstrakten und konkreten Prüfung von Risiken und Nutzen geboten, jeweils das erreichbare Behandlungsziel iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu berücksichtigen. Der bei beiden Analysen von Nutzen und Risiken zu beachtende Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der den Zurechnungszusammenhang zwischen Therapie, Erfolg und Risiken betrifft, unterliegt - ähnlich wie bei der Anwendung von Pharmakotherapien mit Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV - aufgrund von Verfassungsrecht Abstufungen je nach Schwere und Stadium der Erkrankung und Ausmaß sowie Eintrittswahrscheinlichkeit von unerwünschten Nebenwirkungen. Erforderlich ist, dass unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt. Soweit danach eine solche Behandlungsmethode in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob bei Anlegen des gleichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch andere (anerkannte) Methoden diesen Anforderungen genügen. Ist dem so, sind diese Methoden untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen (vgl zum Ganzen zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 25 f mwN - LITT, bezogen in BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30).

17

Die Folge dieser Rechtsprechung ist, dass, wenn eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode für eine wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbare Krankheit (generell) überhaupt nicht zur Verfügung steht oder im konkreten Einzelfall ausscheidet, weil der Versicherte diese nachgewiesenermaßen nicht verträgt, der Nachweis des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit einem der notstandsähnlichen Situation angemessenen geringeren Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterfällt. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und 'hoffnungsloser' die Situation, desto geringere Anforderungen an die 'ernsthaften Hinweise' auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg" (BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40; mit ähnlicher Tendenz schon: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, 179; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl 2002, § 130 RdNr 23).

18

Wissenschaftliche Verlaufsbeobachtungen anhand von operierten 126 Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle sind ihrer Art nach ohne Weiteres geeignet, nach den Regeln der ärztlichen Kunst als Grundlage für "Indizien" im dargelegten Sinne für eine positive Einwirkung zu dienen. Nach den Feststellungen des LSG hat Prof. M 126 Patienten mit der Pelaez-Technik jeweils an einem Auge operiert - das nicht operierte Auge diente der Kontrolle - und stellte dabei fest, dass es zu Verbesserungen kam, die sich schrittweise verringerten, bis sie 18 bis 24 Monate nach Einsetzen des Implantats verschwanden.

19

Es entspricht auch nicht den dargelegten bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGB V), einen Erhalt der Sehfähigkeit durch Verbesserung des Sehvermögens für 18 bis 24 Monate als unerheblich anzusehen. Vielmehr handelt es sich ohne Zweifel um eine offenkundig positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Zu den Behandlungszielen des § 27 Abs 1 S 1 SGB V gehören die Heilung einer Krankheit, die Verhütung ihrer Verschlimmerung sowie die Linderung von Krankheitsbeschwerden. Eine "Verhütung der Verschlimmerung" setzt nicht voraus, dass diese dauerhaft ist, also die Erkrankung zum Stillstand kommt. Bei schicksalhaftem Verlauf der Erkrankung genügt es vielmehr, dass ihr Eintritt - hier die Erblindung - hinausgezögert wird (Steege in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2014, K § 27 RdNr 59).

20

Ob die Kuba-Therapie im Zeitpunkt der Behandlung nach den aufgezeigten Maßstäben geeignet war, beim Kläger eine Verschlimmerung im oben genannten Sinne zu vermeiden, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Nach Angaben von Prof. M soll die Behandlung nur auf Fälle mit hoher Progredienz des Krankheitsverlaufs angewendet werden, bei denen andere Methoden fehlschlugen. Das LSG hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die Frage offen gelassen, ob bei dem Kläger eine derartig schnelle Degeneration vorliegt. Entsprechende und ggf die übrigen, oben umschriebenen Feststellungen wird es nachzuholen haben. Mit Blick auf die gebotene abstrakte Nutzen-Risiko-Bewertung genügt es nicht - wie durch das LSG geschehen - nur allgemein mögliche Risiken zu nennen, ohne deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Die zu beurteilenden Risiken (nicht unerhebliches Operationsrisiko, Doppelsehen, welliges Sehen, schnellerer Verfall der Sehschärfe und des Gesichtsfelds als vor der Operation) wird das LSG deshalb abstrakt sowie bezogen auf den Einzelfall fest umreißen und mit dem möglichen Erfolg der Therapie in Anlehnung an Art 2 Abs 2 GG abzuwägen haben.

21

3. Die Notwendigkeit für das LSG, weitere ergänzende Feststellungen zu treffen, kann sich aus den in neuerer Rechtsprechung des erkennenden Senats entwickelten Anforderungen ergeben. Der erkennende Senat darf diese neueren Anforderungen trotz der grundsätzlichen Bindungswirkung (vgl § 170 Abs 5 SGG) seines ersten Revisionsurteils auch in diesem Verfahren zugrunde legen. Ein oberster Gerichtshof des Bundes ist nämlich, wenn er - wie hier der erkennende Senat - seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und erneut mit derselben Sache befasst wird, an seine zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden (vgl GmSOGB BSGE 35, 293, 296 ff = SozR Nr 15 zu § 170 SGG; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 13 mwN).

22

Nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f) verlangt die aus der grundrechtsorientierten Auslegung (heute: § 2 Abs 1a SGB V) resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zugrunde liegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Scheitert die Überprüfbarkeit der Methode nach Maßgabe der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten - womöglich als Teil eines Marketingkonzepts des Behandlers im Ausland -, sind derartige Erkenntnismängel nicht durch die grundrechtsorientierte Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zu überwinden(BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f). Die auch und gerade dem Patientenschutz dienende, tatsächlich mögliche wissenschaftliche Kontrolle, die innerhalb von EU und EWR die Regelungen über die Zulassung neuer Behandlungsmethoden prägt, steht bei Auslandskrankenbehandlungen nach § 18 SGB V nicht zur Disposition der ausländischen Leistungserbringer. Die grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V darf nicht dazu dienen, ein Anreizsystem dafür zu schaffen, dass in Deutschland versicherte Patienten Behandlungsleistungen außerhalb von EU und EWR nur deshalb erhalten, weil sich ihre Anbieter dauerhaft objektiv der tatsächlich möglichen wissenschaftlichen Kontrolle ihrer Leistungen entziehen, insbesondere keine Daten über die Einzelheiten der Behandlung einschließlich ihrer objektivierbaren Folgen veröffentlichen(BSG aaO mwN zur Sicherung des Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs 1 S 3 SGB V durch § 135 Abs 1 SGB V). Das LSG hat zur Ursache bestehender Erkenntnismängel im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers keine Feststellungen getroffen. Auch dies wird es nachzuholen haben.

23

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für in der Ukraine erfolgte Behandlungsmaßnahmen.

2

Der im Juli 1978 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger leidet an Zerebralparese mit Bewegungsstörungen seit Geburt im Sinne einer spastischen Tetraplegie und einer massiven statomotorischen Retardierung. Er ließ sich seit 1993 regelmäßig in dem von dem Neurologen und Chirotherapeuten Prof. Dr. Kozijavkin geleiteten Institut in der Ukraine behandeln. Dessen Therapiekonzept, das er selbst "System der intensiven neurophysiologischen Rehabilitation (SINR)" nennt (im Folgenden Methode Kozijavkin), besteht in einer sogenannten multimodalen Behandlung. Es hat zum Ziel, innerhalb einer zweiwöchigen Behandlung unter Beteiligung ärztlicher und nichtärztlicher Fachkräfte eine Verbesserung der Bewegungsmöglichkeiten bei Personen mit infantilen Zentralparesen herbeizuführen. Dazu werden ua Akupressur, Akupunktur, Wärmebehandlung mit Bienenwachs, Reflextherapie, Manualtherapie und Krankengymnastik eingesetzt. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Behandlung der Wirbelsäule mit Techniken der Manualtherapie, mit deren Hilfe Wirbelsäulenblockaden gelöst werden sollen. An diese Behandlungsphase schließt sich eine drei- bis zwölfmonatige Stabilisierungsphase an, der wiederum eine zweiwöchige intensive Behandlung in der Ukraine folgt. Die Beklagte lehnte Anträge für die Erteilung von Kostenzusagen für Behandlungen vom 19.9. bis 3.10.2000, 10. bis 24.4.2001, 28.9. bis 12.10.2001, 20.3. bis 3.4.2002 und vom 25.3. bis 8.4.2003 jeweils ab (Bescheid vom 17.8.2000; Widerspruchsbescheid vom 22.8.2001; Bescheid vom 5.3.2001; Widerspruchsbescheid vom 22.8.2001; Bescheid vom 21.8.2001; Widerspruchsbescheid vom 5.12.2001; Bescheide vom 6.3.2002 und 26.2.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.8.2003). Der Kläger ließ sich dennoch in den jeweils beantragten Zeiten in der Ukraine in dem Institut von Prof. Dr. Kozijavkin behandeln und zahlte hierfür insgesamt 20 348,58 Euro.

3

Das SG hat die deshalb erhobenen Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage dazu verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (Urteil vom 3.2.2005). Das BSG hat auf die Sprungrevision der Beklagten das SG-Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen (BSG Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 6/05 R - nv), weil über den vom Kläger erhobenen Anspruch ohne weitere Sachaufklärung zu bestimmten generellen und individuellen Tatsachen nicht entschieden werden kann. Das LSG hat die Klage abgewiesen, ohne weiteren Beweis zu erheben (LSG-Beschluss vom 3.3.2010). Das BSG hat den LSG-Beschluss wegen Missachtung der Bindungswirkung (vgl § 170 Abs 5 SGG)aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des LSG zurückverwiesen (BSG Beschluss vom 28.9.2010 - B 1 KR 46/10 B -). Das LSG hat nunmehr nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen: Die Methode Kozijavkin sei zur Zeit der betroffenen Behandlungen nicht allgemein anerkannt gewesen. Eine grundrechtsorientierte Auslegung komme nicht in Betracht, da die Krankheit des Klägers mit einer regelmäßig tödlichen Erkrankung nicht wertungsmäßig vergleichbar sei (Urteil vom 22.3.2012).

4

Der Kläger rügt sinngemäß die Verletzung der Bindungswirkung des ersten Revisionsurteils (vgl § 170 Abs 5 SGG)und des Rechtsgedankens des § 2 Abs 1a SGB V entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG(BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Das LSG hätte sich aufgrund seines Vorbringens gedrängt sehen müssen, durch Sachverständige festzustellen, dass er durch die Spastik am ganzen Körper infolge der infantilen Zentralparese schmerzintensiv betroffen sei. Dies sei weit unerträglicher als eine Erblindung. Belege für den Nutzen der Methode Kozijavkin bestünden aus jüngerer Zeit und seien zu berücksichtigen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 3. Februar 2005 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG das zur Neubescheidung verurteilende SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger kann keine Neubescheidung verlangen, denn er hat keinen Anspruch aus § 18 Abs 1 S 1 SGB V auf Erstattung der Kosten in Höhe von 20 348,58 Euro, die ihm durch die mehrfachen Behandlungen in der Ukraine nach der Methode Kozijavkin innerhalb der Gesamtzeit vom 19.9.2000 bis 8.4.2003 entstanden sind. Die Methode Kozijavkin entsprach in diesem Zeitraum nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (dazu 1.). Die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V sind nicht erfüllt(dazu 2.).

9

1. Nach den auch den erkennenden Senat bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG)des ersten Revisionsurteils (BSG Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 6/05 R - RdNr 12, nv) beruht der geltend gemachte Anspruch auf § 18 Abs 1 S 1 SGB V(in der hier noch maßgeblichen bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Der Anspruch setzt voraus, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung der Krankheit des Klägers nur im Ausland, im Institut Prof. Dr. Kozijavkins in der Ukraine, in den genannten Zeiträumen möglich war. Daran fehlt es.

10

Gemäß den bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (BSG Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 6/05 R - RdNr 20 ff, nv) ist entscheidend, dass die Leistung im Ausland zur Zeit der Behandlung den Kriterien des in § 2 Abs 1 S 3 SGB V geregelten Qualitätsgebots entsprach. Das wiederum ist der Fall, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (vgl bereits BSGE 84, 90, 96 f = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 18 f - Kozijavkin I; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 23 ff - Kozijavkin II).

11

Nach dem überzeugenden Ergebnis der Beweisaufnahme des LSG war die Methode Kozijavkin noch im Jahr 2005 - und darüber hinaus - nicht allgemein anerkannt. Es fehlten bis zum damaligen Zeitpunkt unabhängige Studien nach anerkannten wissenschaftlichen Standards zur Wirksamkeit der Methode. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das LSG sich nicht allein auf deutsche Quellen beschränkt, sondern etwa über die Datenbank DIMDI internationale Publikationen einbezogen (zB Mijna Hadders-Algra, Tineke Dirks, Cornill Blauw-Hospers, Victorine de Graaf-Peters, The Kozijavkin method: giving parents false hope? The Lancet, Bd 365, Lieferung 9462, S 842, 5.3.2005). Die Methode Kozijavkin wird weder in Deutschland noch in anderen Ländern der EU eingesetzt.

12

2. Der Kläger kann sich im Ergebnis auch nicht auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V zu seinen Gunsten berufen.

13

a) Der erkennende Senat muss trotz der grundsätzlichen Bindungswirkung (vgl § 170 Abs 5 SGG)seines ersten Revisionsurteils (BSG Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 6/05 R - Juris) darüber entscheiden, ob der Kläger aufgrund einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V den zu prüfenden Anspruch hat. Ein oberster Gerichtshof des Bundes ist nämlich, wenn er - wie hier der erkennende Senat - seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und erneut mit derselben Sache befasst wird, an seine zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden (vgl GmSOGB BSGE 35, 293, 296 ff = SozR Nr 15 zu § 170 SGG). Das erste Revisionsurteil enthält keine ausdrücklichen Ausführungen zu einer grundrechtsorientierten Auslegung. Die diese Rechtsfigur entwickelnde Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5),die den Beteiligten des dortigen Verfahrens nach dem 6.12.2005 zugestellt wurde, war dem 1. Senat des BSG bei seiner Entscheidung vom 13.12.2005 noch nicht bekannt. Der erkennende Senat hat seine Rechtsprechung zu § 18 Abs 1 S 1 SGB V später dahingehend fortentwickelt, dass ein Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch nach dieser Rechtsgrundlage auch dann besteht, wenn für Versicherte eine nach den Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierter Leistungsbestimmung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich ist(vgl BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30). Eine verfassungskonforme Auslegung kommt nicht nur bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21, 29 mwN - Tomudex), sondern auch bei wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankungen wie einer drohenden Erblindung in Betracht (vgl BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - D-Ribose).

14

b) Der Kläger kann aus der Regelung des § 2 Abs 1a SGB V nichts für sich herleiten, da sie erst zum 1.1.2012 in Kraft getreten ist (vgl Art 1 Nr 1 und Art 15 Abs 1 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983). In der Sache führt die Regelung allerdings die Rechtsprechung des BVerfG und des erkennenden Senats zur grundrechtsorientierten Auslegung fort. Auf diese Rechtsprechung (vgl BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 30 - D-Ribose)sucht sich der Kläger zu stützen. Sie ist ihrer Art nach anzuwenden, greift aber vorliegend nicht ein.

15

c) Die grundrechtsorientierte Auslegung einer Regelung des SGB V über einen Anspruch auf Übernahme einer Behandlungsmethode zu Lasten der GKV setzt voraus, dass folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: (1.) Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung vor. (2.) Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. (3.) Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 21 mwN). Diese Voraussetzungen sind nicht alle erfüllt.

16

aa) Es ist beim Kläger allerdings nicht völlig ausgeschlossen, dass die Auswirkungen seiner infantilen Zerebralparese mit Bewegungsstörungen, einer spastischen Tetraplegie und einer ausgeprägten statomotorischen Retardierung eine Ausprägung erreichen, welche allgemein für eine grundrechtskonforme erweiternde Auslegung des Leistungsrechts der GKV zu fordern ist. Der erkennende Senat hat zwar entschieden, dass ein Versicherter, der an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine, Sekundärschäden am knöchernen Apparat (Coxarthrose, Pseudoradikulärsyndrom) und sich dadurch verstärkender Spastik bei in Ruhe einschießenden schmerzhaften Spasmen leidet, nicht die Schwelle erreicht, welche allgemein für eine grundrechtskonforme erweiternde Auslegung des Leistungsrechts der GKV zu fordern ist (vgl BSGE 109, 211 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 23). Bei einer spastischen Tetraplegie sind indes nicht lediglich die Beine, sondern alle vier Extremitäten betroffen. Die Körperhaltung ist meist asymmetrisch. Kopf- und Augenkontrolle sowie die Sprachmotorik sind regelmäßig erschwert. Der Kläger beruft sich sinngemäß darauf, ein von ihm beantragtes Sachverständigengutachten hätte eine Spastik des ganzen Körpers ergeben. Ohne genaue Feststellung und Analyse der Funktionsbeeinträchtigungen ist nicht klar, dass der Kläger an einer Erkrankung leidet, die wertungsmäßig einen Schweregrad etwa wie bei einer völligen Erblindung erreicht. Der erkennende Senat unterstellt dies. Denn der Kläger hat die Feststellungen des LSG zur geringfügigeren Erkrankung des Klägers mit durchgreifenden Rügen angegriffen (vgl zu den Anforderungen § 164 Abs 2 S 3 SGG und hierzu BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN). Der Senat kann dennoch abschließend über die Sache entscheiden, da die weiteren Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung nicht erfüllt sind.

17

bb) Bezüglich seiner Krankheit stand dem Kläger im betroffenen Zeitraum eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung in Deutschland zur Verfügung. Die infantile Zerebralparese wird nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse als Symptomenkomplex angesehen, für den es keine pauschale, auf alle Patienten in gleicher Weise ausgerichtete Standardtherapie gibt. Vielmehr erfordert die Erkrankung ein individuelles Behandlungskonzept, das den festgestellten Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen Rechnung trägt. Therapieelemente sind regelmäßig funktionelle Übungsbehandlungen der motorischen Störungen einschließlich verordneter Heilmittel (Maßnahmen der physikalischen Therapie, der Ergo-, Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie), Pharmakotherapien zur Verringerung von Muskelspasmen oder Verhinderung von Krampfanfällen, verordnete Hilfsmittel, operative Behandlungen bei Kontrakturen und Sehnenverkürzungen, Therapien zusätzlicher Störungen sowie medizinische ambulante, erforderlichenfalls stationäre Rehabilitationsleistungen (vgl Zusammenstellung der Therapieelemente im Grundsatzgutachten des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkasse eV vom 8.5.2003, S 22 ff; vgl auch ebenda, Leitlinien der Gesellschaft für Neuropädiatrie zur Diagnose und Therapie der infantilen Cerebralparese, S 52 ff). Es gibt aufgrund des umfassenden ambulanten und stationären Angebots in Deutschland für die keinesfalls seltenen Fälle infantiler Zerebralparesen insoweit keinerlei Hinweis auf quantitative Versorgungslücken. Die bei der Methode Kozijavkin eingesetzten, sich teilweise mit dem Behandlungsangebot in Deutschland überschneidenden Therapieelemente belegen die Verträglichkeit einer individuellen Therapie nach Standard in Deutschland für den Kläger.

18

Das Ziel der Methode Kozijavkin besteht entsprechend den Feststellungen des LSG darin, innerhalb einer zweiwöchigen Behandlung unter Beteiligung ärztlicher und nichtärztlicher Fachkräfte eine Verbesserung der Bewegungsmöglichkeiten von Personen mit infantiler Zerebralparese zu erreichen. Es geht lediglich darum, Symptome der infantilen Zerebralparese zu lindern und ihre Verschlimmerung zu verhüten. Eine Heilung der Krankheit kommt nicht in Betracht. Auch die in Deutschland angewandten anerkannten Behandlungsstrategien zielen auf eine Linderung und Verhütung der Verschlimmerung der Symptome der infantilen Zerebralparese (vgl Grundsatzgutachten des MDS vom 8.5.2003, S 22 ff; vgl auch ebenda, Leitlinien der Gesellschaft für Neuropädiatrie zur Diagnose und Therapie der infantilen Cerebralparese, S 52 ff).

19

cc) Bezüglich der Methode Kozijavkin besteht auch lediglich eine ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Eine grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V darf nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht dazu führen, dass unabhängig von wissenschaftlichen Maßstäben allein die entfernte Hoffnung auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf zu einer Kostenerstattung zwingt. Abmilderungen des Qualitätsgebots kommen zwar infolge grundrechtsorientierter Auslegung der Regelungen des Leistungsrechts der GKV im Anschluss an den Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) und die dazu inzwischen ergangene umfangreiche Folgerechtsprechung des Senats (vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - D-Ribose; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21 und 30 f mwN - Tomudex; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 20 ff mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - Lorenzos Öl; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 mwN - ICL; vgl zu weiteren Anwendungsfällen zB: Kretschmer, MEDSACH 2009, 54 ff) auch im Anwendungsbereich des § 18 Abs 1 S 1 SGB V in Betracht(vgl Hauck in Festschrift 50 Jahre saarländische Sozialgerichtsbarkeit, 2009, S 49, 67). Ist für Versicherte eine nach den Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierter Leistungsbestimmung in der GKV zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich, besteht ein Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs 1 S 1 SGB V.

20

Die Folge der verfassungskonformen Auslegung ist es indes, dass zur Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Schutzpflichten bei neuen Behandlungsmethoden die Einhaltung des Arztvorbehalts (§ 15 SGB V) und die Beachtung der Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich bleiben. Dies gilt auch, wenn es beim Versicherten zu einer notstandsähnlichen behandlungsbedürftigen Situation kommt. Gleichermaßen ist das Bestehen von mehr als bloß ganz entfernt liegenden Aussichten auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch die streitige Therapie nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu beurteilen (vgl näher BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 22 ff mwN - LITT). Dies ändert mithin nichts an der Heranziehung und Maßgeblichkeit allein wissenschaftlicher Maßstäbe zur Beurteilung eines Behandlungserfolgs im Recht der GKV, wie sie sich zB in § 2 Abs 1 S 3 SGB V und auch in § 18 Abs 1 S 1 SGB V niederschlagen und in Sondersituationen evidenzbezogen abgestuft zur Anwendung gelangen können(vgl auch BVerfG Beschluss vom 28.8.2007 - 1 BvR 1617/05 - zur "Kuba-Therapie" bei Retinitis pigmentosa, Verfassungsbeschwerde ua gerichtet gegen den Beschluss des Senats vom 15.6.2005 - B 1 KR 111/04 B - und das Urteil des Bayerischen LSG vom 11.11.2004 - L 4 KR 296/03 -; vgl zum Ganzen BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 29 ff). Ziel der grundrechtsorientierten Auslegung ist es, die Gestaltung des Leistungsrechts der GKV an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art 2 Abs 2 S 1 GG zu stellen.

21

Die aufgezeigte Zielsetzung begrenzt zugleich die Reichweite einer grundrechtsorientierten Auslegung. So reichen rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, hierfür nicht aus (vgl zB BVerfG Beschluss vom 26.2.2013 - 1 BvR 2045/12 - NZS 2013, 500, 501 = NJW 2013, 1664, 1665 = Juris RdNr 15). Es ist auch nicht zulässig, den Rechtsgütern des Art 2 Abs 2 S 1 GG die Schutzmechanismen zu entziehen, die die Rechtsordnung hierfür vorsieht. Das hat der erkennende Senat für Arzneimittel - vom BVerfG bestätigt - entschieden und der Gesetzgeber ist dem ebenfalls gefolgt (vgl zu § 2 Abs 1a SGB V GKV-VStG, BR-Drucks 456/11 S 74; BVerfG Beschluss vom 30.6.2008 - 1 BvR 1665/07 - SozR 4-2500 § 31 Nr 17 im Anschluss an BSG USK 2007-25 - mnesis). In diesem Sinne bleiben für nicht oder nicht in der betreffenden Indikation zugelassene Arzneimittel neben der mit dem neuen § 2 Abs 1a SGB V vorgenommenen leistungsrechtlichen Klarstellung die vom BSG entwickelten Grundsätze zur Leistungspflicht der GKV unberührt, die vom BVerfG nicht beanstandet wurden(vgl ebenda).

22

Eine weitere Begrenzung der sich aus der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V ergebenden Ansprüche auf Methoden, die noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, folgt aus der Mitwirkungsobliegenheit der Behandler. Die aus der grundrechtsorientierten Auslegung und aus § 2 Abs 1a SGB V resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, verlangt unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zugrundeliegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses.

23

Nichts anderes kann gelten für Fälle der Auslandsbehandlung nach einer neuen Methode gemäß § 18 Abs 1 S 1 SGB V, deren grundsätzlicher Anwendbarkeit durch Ärzte im Inland bei hinreichend wissenschaftlicher Fundierung nichts im Wege stünde. Scheitert die Überprüfbarkeit der Methode nach Maßgabe der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten - womöglich als Teil eines Marketingkonzepts des Behandlers im Ausland -, sind derartige Erkenntnismängel nicht durch die grundrechtsorientierte Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zu überwinden. Die auch und gerade dem Patientenschutz dienende, tatsächlich mögliche wissenschaftliche Kontrolle, die innerhalb von EU und EWiR die Regelungen über die Zulassung neuer Behandlungsmethoden prägt, steht bei Auslandskrankenbehandlungen nach § 18 SGB V nicht zur Disposition der ausländischen Leistungserbringer. Die grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V darf nicht dazu dienen, ein Anreizsystem dafür zu schaffen, dass in Deutschland versicherte Patienten Behandlungsleistungen außerhalb von EU und EWiR nur deshalb erhalten, weil sich ihre Anbieter dauerhaft objektiv der tatsächlich möglichen wissenschaftlichen Kontrolle ihrer Leistungen entziehen, insbesondere keine Daten über die Einzelheiten der Behandlung einschließlich ihrer objektivierbaren Folgen veröffentlichen(vgl zur Sicherung des Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs 1 S 3 SGB V durch § 135 Abs 1 SGB V BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 mwN; zu seiner Geltung für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung vgl BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 52; BSG Urteil vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R - RdNr 34 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 137 Nr 2 vorgesehen; zur Geltung des Qualitätsgebots für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen iS von § 107 Abs 2 Nr 2 SGB V vgl BSGE 81, 189, 195 = SozR 3-2500 § 111 Nr 1; BSGE 89, 294, 305 = SozR 3-2500 § 111 Nr 3; Wahl in jurisPK-SGB V, § 111, 2. Aufl, Stand 1.4.2012, RdNr 37 mwN).

24

So liegt es hier. Die Zahl nach der Methode Kozijavkin in der Ukraine behandelter Patienten mit einer Zerebralparese von 10 521 allein im Zeitraum 1991 - 1999, davon 68 % mit Tetraparese (vgl Nachweis im Grundsatzgutachten des MDS vom 8.5.2003, S 43: Kozijavkin/Del Bello, Praktische Paediatrie 2000, Nr 6-8; vgl auch die Zahlen im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. hc von Voß für das Verfahren Sächsisches LSG L 1 KR 1/03, S 12 f) belegt, dass das dortige Patientenvolumen ohne Weiteres geeignet ist, aussagekräftige statistische Daten zu generieren, um den Nutzen der Therapie zu beurteilen. Es ist ebenfalls wissenschaftlich gesichert, dass kontrollierte prospektive klinische Studien mit einem aussagekräftigen Design über die Methode Kozijavkin möglich sind (vgl Grundsatzgutachten des MDS vom 8.5.2003, S 46 bei Fn 6). Zu einer in Aussicht genommenen Wirksamkeitsstudie zur Methode Kozijavkin (vgl Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. hc von Voß für das Verfahren Sächsisches LSG L 1 KR 1/03, S 14) ist es bisher nicht gekommen. Die Behandlungseinrichtungen in Deutschland wären bei wissenschaftlich hinreichend belegter Wirksamkeit und nachgewiesenem Nutzen der Methode nach dem Sinngehalt des Grundsatzgutachtens des MDS ohne Weiteres in der Lage, hiernach zu verfahren. In diesem Falle würde damit aber auch ein wesentlicher Grund für Patienten aus Deutschland entfallen, zwecks Behandlung nach der Methode Kozijavkin in die Ukraine zu reisen.

25

Die Defizite in der wissenschaftlichen Beweisführung für einen Nutzen der Methode Kozijavkin sind seit langem bekannt. Der erkennende Senat stützte schon seine erste Entscheidung zur Methode Kozijavkin darauf, dass diese Methode bisher nicht ausreichend erforscht und eine abschließende Bewertung ihrer Wirksamkeit und ihrer Risiken deshalb nicht möglich ist. Bereits in der ersten Hälfte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts war die Erfolgsrate der umstrittenen Therapie mangels vergleichender Effektivitätsstudien nicht objektivierbar (Prof. Dr. Hanefeld, Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Göttingen, Stellungnahme vom 13.7.1993; Dr. Rosenkötter, Sozialpädiatrisches Zentrum Ludwigsburg). Die Schwierigkeiten bei der Überprüfung und Bewertung wurden damals auch darauf zurückgeführt, dass die Behandlungsmethode eng an die Person von Dr. Kozijavkin gebunden und eine Einweisung ausländischer Ärzte bisher nicht erfolgt sei. Damit fehlte eine unabdingbare Voraussetzung für die Erlangung der wissenschaftlichen Anerkennung, nämlich die Möglichkeit, die Behandlung an anderer Stelle und durch andere Ärzte zu wiederholen und ihre Ergebnisse überprüfbar zu machen (vgl insgesamt BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4).

26

Der kritische wissenschaftliche Umgang ärztlicher Behandler in Deutschland mit der Methode Kozijavkin drückt sich ua auch darin aus, dass sie nicht pauschal alle hierbei aufgeführten Therapieelemente verwenden, sondern lediglich jene Teile, die nach wissenschaftlichen Kriterien für den Patienten einen Nutzen versprechen (vgl die Zusammenstellung der Therapieelemente im Grundsatzgutachten des MDS vom 8.5.2003, S 22 ff). Dementsprechend bejaht etwa die Gesellschaft für Neuropädiatrie in ihrer Stellungnahme zur Methode Kozijavkin den Einsatz therapeutischer Techniken der Manuellen Medizin bei spastischen infantilen Zerebralparesen, allerdings lediglich in nach wissenschaftlichem Standard gesichertem Umfang, welches sie bei der Methode Kozijavkin schon als nicht gewährleistet ansieht. Sie lehnt aber Einzelelemente wie die Apitherapie wegen ihres Risikopotentials ohne gesicherten Nutzen ab (vgl die Wiedergabe im Grundsatzgutachten des MDS vom 8.5.2003, S 58 ff und Stellungnahme des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin Prof. Dr. Straßburg vom 6.4.2011). In Einklang hiermit hat die Methode Kozijavkin in den vergangenen zehn Jahren im Rahmen der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Zerebralparesen in den deutschen Sozialpädiatrischen Zentren keine wesentliche Rolle mehr gespielt (vgl Stellungnahme Prof. Dr. Straßburg vom 6.4.2011).

27

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden.

(2) Versicherte, die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten vor Beginn der Behandlung ihre elektronische Gesundheitskarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Ab dem 1. Januar 2024 kann der Versicherte den Nachweis nach Satz 1 auch durch eine digitale Identität nach § 291 Absatz 8 erbringen.

(3) Für die Inanspruchnahme anderer Leistungen stellt die Krankenkasse den Versicherten Berechtigungsscheine aus, soweit es zweckmäßig ist. Der Berechtigungsschein ist vor der Inanspruchnahme der Leistung dem Leistungserbringer auszuhändigen.

(4) In den Berechtigungsscheinen sind die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 9 und 11, bei befristeter Gültigkeit das Datum des Fristablaufs, aufzunehmen. Weitere Angaben dürfen nicht aufgenommen werden.

(5) In dringenden Fällen kann die elektronische Gesundheitskarte oder der Berechtigungsschein nachgereicht werden.

(6) Jeder Versicherte erhält die elektronische Gesundheitskarte bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei einer Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. Die Krankenkassen haben einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Muß die Karte auf Grund von vom Versicherten verschuldeten Gründen neu ausgestellt werden, kann eine Gebühr von 5 Euro erhoben werden; diese Gebühr ist auch von den nach § 10 Versicherten zu zahlen. Satz 3 gilt entsprechend, wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann und von der Krankenkasse eine zur Überbrückung von Übergangszeiten befristete Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen ausgestellt wird. Die wiederholte Ausstellung einer Bescheinigung nach Satz 4 kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitwirkt; hierauf ist der Versicherte bei der erstmaligen Ausstellung einer Ersatzbescheinigung hinzuweisen. Die Krankenkasse kann die Aushändigung der elektronischen Gesundheitskarte vom Vorliegen der Meldung nach § 10 Abs. 6 abhängig machen.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26.02.2013 und der Bescheid der Beklagten vom 20.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.9.2010 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 06.08.2009 zurückzunehmen und der Klägerin 12.601,79 EUR zu erstatten.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für eine Krebsbehandlung mit autologen dendritischen Zellen.
Die 1958 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, erkrankte im Juni 2009 an einem malignen anorektalen Schleimhautmelanom. Am 05.06.2009 wurde eine operative Exzision des Tumors und am 13.07.2009 durch PD Dr. P. (Gemeinschaftspraxis PD Dr. P. und PD Dr. G. für onkologische, endokrinologische und minimalinvasive Chirurgie, N.-U.) eine transanale Tumornachresektion durchgeführt.
Am 09.07.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten einer Behandlung mit dendritischen Zellen. Sie fügte zudem die Stellungnahme des PD Dr. G. vom 07.07.2009 bei. Darin ist u.a. ausgeführt, die Klägerin leide an einem fortgeschrittenen Melanom des Rektums. Für diese spezielle Melanom-Entität lägen keinerlei Therapieempfehlungen vor. Die Behandlung mit dendritischen Zellen sei als Ultima-Ratio-Therapie indiziert. Bei der Behandlung mit dendritischen Zellen handele es sich um eine individuelle Therapie zur Bekämpfung von Tumorerkrankungen. Aus kompetenten Vorläuferzellen, die aus dem Blut des Patienten gewonnen würden, könnten unter dem Einfluss von Zytokinen und Wachstumsfaktoren dendritische Zellen gezüchtet werden. Nach dem Zurückspritzen der aktivierten dendritischen Zellen in das Unterhautfettgewebe werde das körpereigene Immunsystem des Patienten zur Bildung von spezifischen Immunzellen und Antikörpern gegen den Tumor angeregt. Die Behandlung mit dendritischen Zellen, die in einem Unternehmen in U. (Firma C.) auf höchstem Niveau hergestellt würden, habe sich bereits bei einer nennenswerten Anzahl onkologischer Zentren durchgesetzt und werde von vielen Ärzten zur Behandlung von Tumorerkrankungen angewandt. Sie sei auch (bei moderaten Kosten) vorliegend indiziert, da sie die konventionellen Behandlungsformen ergänze und das körpereigene Immunsystem als weiteren Behandlungspfeiler zur Bekämpfung des Tumors in die Therapie einbeziehe.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg. In der MDK-Stellungnahme vom 24.07.2009 führte Dr. P. aus, die Unterlagen seien nicht ausreichend. Für die Klägerin stehe die leitliniengerechte Melanomtherapie nach den Empfehlungen der wissenschaftlich anerkannten Fachgesellschaften zur Verfügung. Vermutlich seien die vertraglichen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht ausgeschöpft. Durch die Anwendung der beantragten Maßnahme bestehe keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Mit Bescheid vom 06.08.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten einer Behandlung mit dendritischen Zellen ab. Diese Behandlungsmethode gehöre nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs legte die Klägerin (u.a.) eine Stellungnahme PD Dr. P. vom 09.09.2009 vor. Darin ist ausgeführt, alle erfolgversprechenden konventionellen Behandlungsmethoden seien angewendet worden und würden auch weiter angewendet. Die Therapie mit dendritischen Zellen sei aus ärztlicher Sicht zwingend erforderlich. Unter der Kombinationstherapie mit dendritischen Zellen sei es bei vielen Patienten zu einem sehr erfreulichen Verlauf der schweren Krebserkrankung gekommen. Vergleichbare Therapien mit Behandlungserfolgen dieser Art gebe es nicht. Seit einer negativen Empfehlung des MDK aus dem Jahr 2000 sei eine Vielzahl weiterer Studien veröffentlicht worden. Die Annahme, bei der Therapie mit dendritischen Zellen komme es zu weitreichenden Nebenwirkungen und einer Verschlechterung der Lebensqualität, sei danach nicht zutreffend. Die Kosten der Therapie (ca. 4.100 EUR) seien erheblich niedriger als die Kosten einer Chemotherapie.
Vorgelegt wurde weiter der Bericht des Comprehensive Cancer Center des Universitätsklinikums U. vom 20.08.2009, in dem darauf hingewiesen wurde, dass im Tumor der Klägerin eine bisher nicht beschriebene c-kit-Mutation gefunden worden sei, und als Weiterbehandlungsmaßnahme eine adjuvante Therapie mit Interferon alpha in niedriger Dosierung empfohlen wurde.
Die Beklagte befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten vom 05.10.2009 führte der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, internistische Onkologie, medikamentöse Tumortherapie und Palliativmedizin Dr. G. aus, die Klägerin leide an einem kurativ operierten akral-lentiginösen malignen Melanom des anorektalen Übergangs. Hier sei eine den einschlägigen Leitlinien entsprechende Behandlung mit Interferon alpha in niedriger Dosierung vorgeschlagen worden. Eine akut lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung liege nicht vor. Ohne Anwendung der beantragten Behandlung trete in wenigen Wochen keine schwere irreversible Schädigung ein. Für die Klägerin stehe als vertragsärztliche Behandlungsmöglichkeit die Therapie mit Interferon alpha zur Verfügung. Die vertragsärztlichen Behandlungsmöglichkeiten seien vermutlich nicht ausgeschöpft. Ob die vorgeschlagene Interferontherapie durchgeführt worden sei, gehe aus den Unterlagen nicht hervor. Durch die Behandlung mit dendritischen Zellen bestehe keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Nachdem die Klägerin ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten am 06.10.2009 (telefonisch) mitgeteilt haben soll, die Interferon-Behandlung werde seit 2 Wochen durchgeführt und solle noch 18 Monate andauern, bat die Beklagte den MDK erneut um Stellungnahme. Im MDK-Gutachten vom 08.10.2009 führte Dr. G. (ergänzend) aus, bei der Klägerin liege ein lokal begrenztes, kurativ operiertes akral-lentiginöses malignes Melanom des anorektalen Übergangs vor. Ca. 90 % aller malignen Melanome würden derzeit als Primärtumor ohne erkennbare Metastasierung diagnostiziert. Die Anwendung tumor-antigen-präsentierender dendritischer Zellen sei nach der gegenwärtig vorliegenden Literatur zunächst beim malignen Melanom und hellzelligem Nierenkarzinom im Blickpunkt des Interesses. Sie sei allerdings nicht über das experimentelle Stadium hinausgekommen und keineswegs als Standard etabliert. Die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift „Der Onkologe“ (Organ der Deutschen Krebsgesellschaft) von August 2009 behandele als Hauptthema das Melanom. Danach habe die Anwendung von Interferon alpha in niedriger Dosierung über 18 Monate in den Stadien II - III in prospektiv-randomisierten Studien zu einem signifikanten Vorteil für die Patienten geführt. Die Behandlung mit niedrig-dosiertem Interferon alpha über 18 Monate hinaus solle jedoch nicht empfohlen werden.
10 
Bislang habe keine größere kontrollierte Studie beweisen können, dass das rezidivfreie Intervall oder die Gesamtüberlebenszeit durch eine adjuvante Vakzinierung (Einsatz dendritischer Zellen) habe verlängert werden können; die Vakzinierung stelle immer noch eine experimentelle Therapie dar. Der Einsatz dendritischer Zellen als Adjuvanz oder Maßnahme nach Interferon alpha finde in der genannten Veröffentlichung keinen Niederschlag. Auch in der zuletzt im September 2007 überarbeiteten AWMF-Leitlinie „Malignes Melanom der Haut“ fänden sich keine Hinweise auf eine adjuvante Therapie mit dendritischen Zellen im kurativ operierten Stadium. Vielmehr werde ausdrücklich auf die Immuntherapie mit Interferon alpha hingewiesen, das als einzige Substanz in prospektiv-randomisierten Studien zu einem signifikanten Vorteil geführt habe. Eine kombinierte Behandlung mit Interferon alpha und dendritischen Zellen werde nicht erwähnt. Die Deutsche Leitlinie Malignes Melanom vom Februar 2005 beschreibe für das nicht-metastasierte Stadium nur therapeutische und immunologische Ansätze und stelle wiederum klar, dass eine chemotherapeutische Modalität keinen Vorteil biete. Eine explizite Empfehlung zum Einsatz dendritischer Zellen im adjuvanten Setting finde sich in den Leitlinien nicht. Über Phase-I-Studien hinaus gebe es keine belastbaren Daten; das Verfahren habe auch keinen Eingang in die klinische Routine gefunden. Außerdem würden bei der Herstellung dendritischer Zellen äußerst verschiedene Methoden angewandt; ein qualitätsgesichertes standardisiertes Verfahren sei nicht konsentiert. Eine Therapie mit dendritischen Zellen parallel oder sequentiell zu Interferon alpha sei in der Leitlinie nicht erwähnt. Hier habe eine prospektiv randomisierte doppelblind angelegte wissenschaftliche Prüfung mit harten klinischen Eckpunkten nicht stattgefunden. Aufzufinden seien später durchgeführte Arbeiten vor allem bei metastasierten Patienten, bei denen jedoch insgesamt keine schlüssigen konsistenten Ergebnisse hinsichtlich einer weiteren Untersuchung der Anwendung von autologen dendritischen Zellen beim malignen Melanom abgeleitet werden könnten. Auch insoweit handele es sich lediglich um Phase-I-Studien, aus denen zudem hervorgehe, dass die Art und Weise der Präparation dendritischer Zellen weiterhin sehr heterogen sei. Auch in den USA seien offenbar Phase-I/II-Studien anhängig, allerdings existierten keine Publikationen, die eine belastbare Grundlage für eine Anwendung der dendritischen Zellen beim Menschen nahelegten.
11 
Zusammenfassend könne man feststellen, dass auch nach der neuesten Literatur kein hinreichender Wirksamkeitsnachweis für die in Rede stehende Behandlungsmethode insbesondere als adjuvante Therapie vorliege. Es gebe (nur) präliminäre erste klinische Versuche, die eine hinreichende Sicherheit oder gar einen Nutzen hinsichtlich der Anwendung bei der Tumorentität der Klägerin nicht geben könnten. Darüber hinaus bestehe insbesondere keine Evidenz hinsichtlich eines Benefits für den Patienten insoweit, als eine Überlegenheit gegenüber oder gar ein Effekt nach und zusätzlich zur Standardtherapie mit Interferon alpha nachgewiesen wäre. Eine Prüfung habe hier nicht stattgefunden, weil die Entwicklung noch nicht soweit gediehen sei. In der Richtlinie Methoden der vertragsärztlichen Versorgung (MvV-Richtlinie) sei die Behandlung mit dendritischen Zellen ebenfalls nicht erwähnt. Die Übernahme der Kosten für autologe dendritische Zellen komme schließlich auch deshalb nicht in Betracht, weil diese gewerblich, nicht apothekenmäßig hergestellt würden und eine arzneimittelrechtliche Zulassung hierfür nicht vorliege. Eine akut lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung liege bei der Klägerin nicht vor. Die Wirksamkeit der durchgeführten Therapie mit Interferon alpha lasse sich zunächst im definierten Therapieintervall von 18 Monaten feststellen. Danach solle die leitliniengerechte Nachsorge mit regelmäßigen Kontrollen erfolgen. Die medizinische Versorgung der Klägerin sei nach gegenwärtigem Stand der Wissenschaft durch die laufende Therapie mit Interferon alpha ausreichend sichergestellt. Eine Behandlung mit dendritischen Zellen sei keine wissenschaftlich geprüfte Methode zur Behandlung neben der laufenden Interferontherapie.
12 
Die Klägerin soll nach einem Aktenvermerk der Beklagten (vgl. Bl. 67 Verw.-Akten) am 08.10.2009 bei der Beklagten angerufen haben, sie sei mit einer Ablehnung nicht einverstanden, habe wegen ihrer angeschlagenen Gesundheit aber nicht die Kraft, weitere Schritte zu unternehmen; der Vermerk schließt mit der Bemerkung, der Widerspruch habe sich damit erledigt.
13 
Unter dem 12.02.2010 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten für eine Therapie mit dendritischen Zellen. Sie legte die Stellungnahme des PD Dr. G. vom 09.02.2010 vor. Darin ist ausgeführt, die Klägerin werde seit Juni 2009 wegen eines lokal fortgeschrittenen malignen Melanoms behandelt. Nach durchgeführter Operation sei eine Immuntherapie mit autologen dendritischen Zellen vorgenommen worden. Dadurch habe ein Rezidiv verhindert werden können. Wegen des offensichtlichen Erfolges der Therapie könne die Kostenübernahme nicht weiter abgelehnt werden. Insbesondere in den letzten Jahren sei der Einsatz dendritischer Zellen bei verschiedenen malignen Erkrankungen in zahlreichen Studien erprobt worden. Zu diesem Thema gebe es über 6000 wissenschaftliche Publikationen. Die Zulassung der Therapie durch die zuständige Behörde der USA stehe unmittelbar bevor.
14 
Die Beklagte befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten vom 12.05.2010 führte Dr. B. aus, bei der Klägerin stehe für die adjuvante - nicht einmal die kurative - Situation ein zugelassenes und verkehrsfähiges Arzneimittel (Interferon alpha) zur Verfügung. Ob diese Therapie durchgeführt worden sei, könne den vorliegenden Berichten nicht eindeutig entnommen werden. Für die Herstellung von dendritischen Zellen gebe es eine Vielzahl von Verfahren, die sich nicht unerheblich voneinander unterschieden. Außerdem müsse man bei immunologischen Ansätzen in der Onkologie nach den einzelnen Tumoren unterscheiden, wobei hier vor allem das Melanom und das Nierenzellkarzinom von Interesse seien. Nach wie vor lägen keine prospektiven randomisierten kontrollierten Studien mit dendritischen Zellvakzinen vor. Die in Rede stehende Behandlung könne nicht als erprobt angesehen werden. Außerdem liege die notwendige arzneimittelrechtliche Zulassung für die Herstellung dendritischer Zellen nicht vor. Auch sei nicht nachgewiesen, dass es nicht zu gefährlichen Toleranzinduktionen komme.
15 
Derzeit könne man nicht erkennen, ob die dendritischen Zellen auf rechtmäßige Weise hergestellt würden. Nach Auffassung des Regierungspräsidiums T. (Leitstelle Arzneimittelüberwachung) liege hier ein arzneimittelrechtlich nicht mehr zulässiges Inverkehrbringen dendritischer Zellen durch die Firma C. vor, bei der PD Dr. G. die Zellen offenbar herstellen lassen wolle. Die Firma C. verfüge nicht über eine entsprechende Herstellungsgenehmigung und dürfe die Zellen daher nicht an den behandelnden Arzt weitergeben. Die von PD Dr. G. angeführte Zulassung in den USA beziehe sich auf die Herstellung dendritischer Zellen zur Behandlung des Prostatakarzinoms und nicht des Melanoms. Die übliche und ausreichende Therapie für die Klägerin wäre die niedrig dosierte Anwendung von Interferon mit einer engmaschigen Überwachung.
16 
Mit Bescheid vom 20.05.2010 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin unter Hinweis auf das MDK-Gutachten vom 12.05.2010 erneut ab.
17 
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, sie leide unter einer absoluten Sonderform des Melanoms mit äußerst schlechter Prognose. Deshalb sei die Behandlung mit dendritischen Zellen indiziert. Diese Therapie sei vor etwa einem Jahr eingeleitet worden und sie sei seitdem rezidivfrei. Die Behandlung mit Interferon alpha sei nicht ausreichend. Die Krankenkassen hätten die Kosten einer Behandlung mit dendritischen Zellen auch in Einzelfällen übernommen. Hinsichtlich der Herstellung der dendritischen Zellen durch PD Dr. G. seien die Übergangsregelungen in § 144 Abs. 7 Arzneimittelgesetz (AMG) einschlägig
18 
Die Klägerin legte Rechnungen der Firma C. über die Herstellung dendritischer Zellen vom 16.07.2009 und 22.02.2010 (Kosten 4.078,11 EUR bzw. 4.261,84 EUR) vor. Als Herstellungszeitpunkt ist der 07.07.2009 bzw. der 09.02.2010 angegeben.
19 
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Behandlung mit autologischen dendritischen Zellen handele es sich um eine unkonventionelle Methode, für die der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Empfehlung ausgesprochen habe. Die Behandlungskosten könnten daher grundsätzlich nicht übernommen werden. Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) seien nicht erfüllt. Nach Auffassung des MDK liege eine akut lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung nicht vor. Außerdem stehe mit der Interferon-Behandlung im definierten Therapieintervall eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode zur Verfügung.
20 
Am 29.10.2010 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Ulm. Sie trug vor, sie leide an einer fortgeschrittenen Sonderform eines Melanoms mit äußerst schlechter Prognose. Nach Ansicht ihres behandelnden Arztes stünden hierfür konventionelle Behandlungsmethoden nicht ausreichend zur Verfügung, weshalb ihr die Therapie mit autologen dendritischen Zellvakzinen empfohlen worden sei. Diese sei als ultima ratio indiziert gewesen, um das Rezidivrisiko bzw. die Metastasenbildung auszuschließen oder zu verringern. Sie habe sich für die genannte Therapie entschieden und begehre nunmehr die Erstattung der hierfür entstandenen Kosten. Eine echte Behandlungsalternative gebe es für die Sonderform ihrer Krebserkrankung nicht; das gelte auch für die vom MDK angeführte Interferon-Behandlung. Diese sei allenfalls bei einem bereits metastasierenden Melanom als medizinischer Standard etabliert. Mit der seit 2009 durchgeführten Behandlung mit dendritischen Zellen habe bei ihr ein Rezidiv verhindert werden können. Das stelle einen erheblichen Therapieerfolg dar und rechtfertige die Anwendung der in Rede stehenden Behandlungsmethode.
21 
Die Klägerin legte eine Übersicht über die durchgeführte Behandlung mit dendritischen Zellen vor:
22 
Juni 2009
erste und zweite Immunisierung in der Praxis PD Dr. G.
16.02.2010
erste Immunisierung in der Praxis PD Dr. G.
15.03.2010
zweite Immunisierung in der Praxis PD Dr. G.
28.09.2010
erste Immunisierung in der Praxis PD Dr. G.
28.10.2010
zweite Immunisierung in der Praxis PD Dr. G.
23 
Die Rechnung der Firma C. vom 16.12.2010 (4.261,84 EUR; Herstellungszeitpunkt der dendritischen Zellen 21.09.2010), sei noch nicht beglichen.
24 
Das Sozialgericht erhob das Gutachten des Prof. Dr. K. (Hautklinik der Universitätsklinik E.) vom 02.03.2012.
25 
Der Gutachter führte aus, bei der Klägerin liege kein akral-lentiginöses Melanom, sondern ein Schleimhautmelanom vor; insoweit sei es bei den Vorgutachten offenbar zu einer Verwechslung gekommen. Schleimhautmelanome stellten eine seltene Untergruppe des Melanoms dar und träten mit 50- bis 100-mal geringerer Inzidenz auf. Sie hätten im Vergleich zu den häufigeren kutanen Melanomen (der Haut) eine wesentlich schlechtere Prognose mit 5-Jahres-Überlebensraten zwischen 10% und 20%. Die mittlere Überlebenszeit liege bei 10 bis 13 Monaten. Sie werde weder durch den Umfang der lokalen chirurgischen Therapie noch durch eine elektive Lymphknotenausräumung signifikant verbessert, da es rasch zu Fernmetastasen komme.
26 
Eine zugelassene wirksame adjuvante Therapie zur Verhinderung einer Fernmetastasierung beim Schleimhautmelanom gebe es bisher nicht, was auch daran liege, dass Patienten mit Schleimhautmelanomen wegen ihrer besonders schlechten Prognose von Studien, auch von allen Interferon-Studien, ausgeschlossen würden. Mangels Alternativen würden sie in verschiedenen Zentren mit Interferonen oder Chemotherapie adjuvant behandelt. Die Erfahrungen seien aber unbefriedigend und würden nur anekdotenhaft in Übersichtsarbeiten erwähnt. In der Literatur finde sich keine einzige Publikation, die über eine wirksame adjuvante Therapie beim Schleimhautmelanom berichte. Angesichts der Seltenheit der Erkrankung sei auch nicht zu erwarten, dass es je große randomisierte Studien geben werde, die die für die Zulassung eines Medikaments erforderlichen statistisch belastbaren Daten liefern könnten. Die Wirksamkeit der Interferontherapie beim kutanen Melanom sei insgesamt gering; weniger als 10% der Patienten hätten davon einen Nutzen. Bei anstehenden Studien sei das Schleimhautmelanom aber wiederum ausgeschlossen.
27 
Er habe Publikationen zum Einsatz dendritischer Zellen gesichtet. Mehr als 300 Publikationen berichteten über die Anwendung dendritischer Zellen beim Menschen; die Gesamtzahl der Patienten betrage 3.400. Das Spektrum der bisher behandelten Tumorentitäten umfasse neben den dominierenden Melanomen, Hypernephrome und Prostatakarzinome sowie (in 113 Fällen) Mamma-Karzinome. Die Anzahl der Studien werde vom Melanom mit 74 Studien angeführt. In der großen Mehrheit handele es sich um Phase-I/II-Studien mit in der Regel bis zu 30 Patienten. In 2 Studien würden Daten aus randomisierten Phase-III-Studien vorgestellt. Derzeit gebe es keinen allgemeinen Standard zur Generierung und Applizierung dendritischer Zellen. Auch die Beladung der Zellen mit Tumorantigenen und die pro Impfung eingesetzte Menge dendritischer Zellen sei heterogen. Dennoch werde in fast allen Studien und in allen Tumorentitäten von einem klinischen Ansprechen bei einem Teil der Patienten berichtet. Die Patienten hätten mit wenigen Ausnahmen schulmedizinische Therapien absolviert und seien weiter progredient gewesen, so dass das Ansprechen auf dendritische Zellen nicht auf die Auswahl von Patienten mit von sich aus langsamerem Krankheitsverlauf zurückzuführen sei.
28 
Die beiden randomisierten Studien beträfen das Prostatakarzinom. Am 29.04.2010 sei nach Abschluss einer weiteren klinischen Phase-III-Studie das erste dendritische Zellvakzin als Arzneimittel in den USA zugelassen worden. Die (als Übersicht zusammengestellten 46) Studien für die Tumorentität Melanom ergäben Ansprechraten von wenigen % bis 30%. In 14 der 46 Studien werde über komplette Remissionen, die auch andere Tumorentitäten beträfen (Nierenzellkarzinom, Lymphom) berichtet. Die Nebenwirkungen der Behandlung mit dendritischen Zellen seien mild (u.a. Grippesymptome, Übelkeit, Hautreaktionen). Über Todesfälle werde nicht berichtet und es würden nur wenige WHO Grad III-IV Reaktionen festgestellt. Die Sinnhaftigkeit der Aktivierung des Immunsystems zur Behandlung des Melanoms sei kürzlich durch eine randomisierte Studie eindrucksvoll belegt worden, allerdings mit sehr hoher Nebenwirkungsrate (2 bis 3 Todesfälle). Für diese Studie seien auch Patienten mit metastasierendem Schleimhaut- und Aderhautmelanom zugelassen worden. Allerdings fänden sich in der Publikation keine Aussagen zur Wirksamkeit in diesen seltenen Untergruppen.
29 
Nach derzeitigem Kenntnisstand würden über 90% der Patienten mit einem Schleimhautmelanom innerhalb von 5 Jahren versterben, auch beim Einsatz zugelassener Standards einer adjuvanten Therapie. Im Fall der Klägerin wäre sogar eine Hochdosis-Interferontherapie mit Kosten von 30.000 EUR bis 40.000 EUR von der Beklagten finanziert worden, obwohl die seltene Untergruppe (Schleimhautmelanom) in allen Interferonstudien ausgeschlossen gewesen sei. Beim Auftreten von Metastasen wäre sodann auch eine Therapie mit Yervoy mit Kosten um 100.000 EUR gewährt worden, die bei maximal 10% der Patienten einen längeren Nutzen, aber bei 30 % der Patienten schwere und zusätzlich kostenträchtige Nebenwirkungen verursache. Die bei der Klägerin abgelehnte kostengünstige Immuntherapie mit patienteneigenen dendritischen Zellen habe ein viel höheres Potential im Gegensatz zu den unspezifischen Immuntherapien mit Interferon oder letztendlich mit Yervoy, spezifische Immunantworten gegen relevante Antigene, wie gegen die bei der Klägerin festgestellte Mutation im cKIT-Rezeptor hervorzurufen. Nur solche Immunantworten gegen individuelle Mutationen seien stark genug, alle Tumorzellen eines Patienten zu vernichten. Deswegen habe auch der Entdecker der dendritischen Zellen 2011 den Nobelpreis erhalten.
30 
Auch wenn bei der Klägerin wegen des malignen Schleimhautmelanoms keine akute Lebensgefahr bestehe, handele es sich bei der Erkrankung doch um eine regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit mit äußerst schlechter Prognose. Die angewandten Therapien entsprächen den Leitlinien und publizierten Erfahrungen. Die Klägerin habe sodann im Laufe eines Jahres 6 Vakzinierungen mit dendritischen Zellen erhalten, die von der Firma C. aus Vorläuferzellen ihres Blutes gezüchtet worden seien. Gesicherte Standards für die Herstellung und Applikation dendritischer Zellen gebe es noch nicht. Allerdings habe es sich bei der hier angewandten Herstellungsmethode um ein übliches Vorgehen gehandelt. Abgesehen von der Chirurgie, bei der die Exzision des Tumors mit einem Sicherheitsabstand angestrebt werde, gebe es beim Schleimhautmelanom keine weitere konservative Therapie. Hier liege de facto ein Systemmangel vor, weshalb nach der Rechtsprechung des BVerfG zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs die Voraussetzungen für die Finanzierung auch unkonventioneller Behandlungsmethoden erfüllt seien. Bei der Klägerin wäre die Überlebensprognose weder durch eine größere lokale Operation noch durch eine diagnostische oder elektive Lymphknotenexstirpation/-dissektion verbessert worden. Auch für eine Wirksamkeit der im Tumorboard des Comprehensive Cancer Center U. vorgeschlagenen Interferontherapie fehle beim Schleimhautmelanom jeglicher Anhalt. Auf Basis der publizierten Erfahrungen und des Ausschlusses von Schleimhautmelanomen bei allen bisherigen Interferonstudien müsse davon ausgegangen werden, dass eine Interferontherapie der Klägerin keinen Nutzen gebracht hätte.
31 
Die Beklagte legte das Gutachten des MDK N. (Kompetenz Zentrum Onkologie, Dr. W., Prof. Dr. H.) vom 16.07.2012 vor. Darin ist ausgeführt, beim anorektalen Melanom handele es sich um eine seltene Erkrankung. Die operative Entfernung des Melanoms gelte derzeit als Therapie der Wahl. Chemotherapie, Immuntherapie und Strahlentherapie würden bei Patienten mit anorektalen Melanomen in neoadjuvanter, adjuvanter und palliativer Intention eingesetzt. Für die Immuntherapie stünden Zytokine und Interferon alpha 2b oder Interleukin zur Verfügung. Wegen der kleinen Fallzahlen gebe es keine Standardtherapieprotokolle und entsprechend liege keine Evidenz bei der Evaluierung der Ansprechraten vor. Genauso wenig Evidenz bestehe bisher für den Stellenwert der Strahlentherapie. Nach einer Phase-II-Studie in den USA habe man angenommen, dass Chemotherapie als adjuvante Therapie bei Schleimhautmelanomen im Vergleich zu Interferon oder der Beobachtung rezidivfreies Überleben und Gesamtüberleben signifikant verbessere. Die Studie zeige aber auch, dass durch Gabe von Interferon im Vergleich zum Verzicht auf eine adjuvante medikamentöse Tumortherapie eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeit erreicht werde (von 21 auf 41 Monate im Median). Die vermutete Wirksamkeit von Interferon auch beim Schleimhautmelanom habe somit bestätigt werden können.
32 
Wie von Prof. Dr. K. ausgeführt, gebe es keine zugelassene adjuvante Therapie zur Verhinderung von Fernmetastasen beim anorektalen Melanom. Interferon alpha 2a sei zur Therapie des malignen Melanoms des AJCC Stadiums II bei Patienten, die nach einer Tumorresektion krankheitsfrei seien, zugelassen. Interferon alpha 2b sei zur adjuvanten Therapie von Melanompatienten, die nach chirurgischem Eingriff tumorfrei, aber in hohem Maße rezidivgefährdet seien, zugelassen. Eine Unterscheidung zwischen kutanen Melanomen (der Haut) und Melanomen anderer, auch anorektaler Lokalisation sei der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht zu entnehmen. Auf der anderen Seite seien anorektale bzw. allgemein Schleimhautmelanome in großen Phase-III-Studien entweder nicht explizit erwähnt, nicht eingeschlossen oder von diesen Studien sogar ausgeschlossen worden. Obwohl die Daten keinen so deutlichen Überlebensvorteil wie bei anderen Tumorentitäten zeigten, sei gültige Lehrmeinung, dass Patienten mit malignen Melanomen im AJCC-Stadium II B/C und III - C eine adjuvante Interferontherapie unter sorgfältiger Abwägung und Aufklärung angeboten werden sollte. Das bedeute, dass grundsätzlich eine Standardtherapie zur adjuvanten Therapie des malignen Melanoms zur Verfügung stehe; das sei die zugelassene Interferontherapie. Andere Standardtherapien gebe es nicht. Eine adjuvante Vakzinationstherapie (durch dendritische Zellen) werde hingegen nach der - allerdings erst in der Konsultationsfassung vorliegenden - interdisziplinären S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“ der Deutschen Krebsgesellschaft wie auch in allen vorherigen Versionen der Leitlinie nicht empfohlen.
33 
Hinsichtlich der adjuvanten Therapie anorektaler Melanome gebe es nahezu keine gesicherten Erkenntnisse. In der Literatur fänden sich deutliche Hinweise darauf, dass Patienten mit anorektalem Melanom regelhaft in Analogie zum kutanen Melanom behandelt würden, wie es in der Onkologie auch bei anderen seltenen Tumorentitäten gehandhabt werde. Zusammenfassend sei die (der Klägerin erteilte) Therapieempfehlung der Tumorkonferenz der Universitätsklinik U. sachgerecht, wenn diese aufgrund der Seltenheit von Schleimhautmelanomen ein Vorgehen analog der Hautmelanome empfehle. Der abweichenden Auffassung von Prof. Dr. K. müsse entgegengehalten werden, dass für die spezielle Situation der adjuvanten Therapie des anorektalen Melanoms kein anderer Therapieansatz, insbesondere auch nicht der Einsatz dendritischer Zellen, begründet werden könne und kein Anhalt dafür bestehe, dass es sich bei schleimhautassoziierten Melanomen um eine tumorbiologisch grundsätzlich von kutanen Melanomen distinkte Entität handele, so dass die Therapie mit Interferon in Analogie zur Therapie kutaner Melanome der gegenwärtig besten externen wissenschaftlichen Evidenz zur Entscheidungsfindung und damit auch dem Therapiestandard (§ 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) entspreche.
34 
Die Anwendung dendritischer Zellen bei malignen Erkrankungen sei ein interessanter Therapieansatz. Deswegen gebe es hierzu auch viel Literatur, wenngleich ausgesprochen wenige Phase-III-Studien. Die Studienergebnisse zu dendritischen Zellen seien aufgrund der unzähligen verschiedenen Methoden schwer vergleichbar. Die allermeisten Studien hätten keine überzeugenden Ergebnisse liefern können. Die jetzt erforderliche Konsolidierung des Forschungsgebiets durch methodisch hochwertige vergleichende Studien sei aufgrund des erforderlichen Aufwands notwendigerweise mit einer Reduktion der Publikationsfrequenz verbunden; die Ära der kleinen, nicht kontrollierten Phase-I-Studien sei beendet. Der Nachweis klinischen Nutzens im Sinne einer positiven Einwirkung auf patientenorientierte Eckpunkte (wie Verlängerung der Überlebenszeit) sei bisher nicht bzw. nur in hier nicht einschlägigen Konstellationen erbracht worden. Die hierfür, auch von Prof. Dr. K., als Beleg für eine Wirksamkeit dendritischer Zellen angeführte Studie von Schadendorf sei kritisch kommentiert werden. Sie habe 98 Patienten mit malignen Melanomen in dem Stadium IV randomisiert, die mittels Standardchemotherapie oder mit Vakzinierung unter Verwendung von mit autologen Peptiden beladener dendritischer Zellen behandelt worden seien. Die Studie sei statistisch nur darauf ausgelegt gewesen, eine mögliche Überlegenheit der experimentellen Therapie (dendritische Zellen) zu zeigen. Ein Unterschied habe jedoch nicht herausgearbeitet werden können. Das mediane Überleben sei in beiden Gruppen nicht unterschiedlich ausgefallen. Die primären Endpunkte der Studie seien damit verfehlt worden. Es handele sich um eine hinsichtlich des Wirksamkeitsnachweises der Prüf-Intervention negative Studie. Die einzige auf Basis dieser Studie zulässig gesicherte Aussage sei, dass eine gegenüber DTIC bessere Wirkung hinsichtlich des Tumoransprechens und des Überlebens nicht nachgewiesen sei. Außerdem hätten an der Studie Patienten mit manifest metastasierten malignen Melanomen teilgenommen, also mit gegenwärtig makroskopischer Krankheitslast. Das sei von der adjuvanten Situation mit nur mikroskopischer Resterkrankung gerade bei immunologischen Ansätzen fundamental verschieden. Die Studie sei für die Situation der Klägerin daher nicht einschlägig. Eine andere von Prof. Dr. K. angeführte Studie betreffe Patienten mit Prostatakarzinomen. Das eingesetzte Antigen könne nur bei dieser Erkrankung wirksam sein. Eine Aussage für die Krebserkrankung der Klägerin sei daraus nicht zu gewinnen.
35 
Derzeit gebe es (im Hinblick auf den gegenwärtigen Forschungsstand) keinen allgemeinen Standard, wie dendritische Zellen generiert und appliziert würden. Welche Methode in der Praxis des PD Dr. G. angewandt werde, bleibe bewusst vage. Autologes patienteneigenes Tumorantigen könne bei der Klägerin jedenfalls nicht angewandt worden sein, weil der Tumor primär R0-reseziert worden sei und damit also bei der späteren Nachresektion am 13.07.2009 kein patienteneigenes Tumormaterial habe gewonnen werden können, das möglicherweise zur Beladung dendritischer Zellen nutzbar gewesen wäre.
36 
Mit der Herstellung der dendritischen Zellen ohne entsprechende Genehmigung verstoße die Firma C. gegen das Arzneimittelgesetz. Ein rechtswidrig hergestelltes Arzneimittel könne aber nicht Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkasse sein. PD Dr. G. halte 80 % der Kapitalanteile an der Firma C.. Hierüber sei die Klägerin offenbar nicht informiert worden. Insgesamt gebe es sehr vielfältige Möglichkeiten, dendritische Zellen zu veranlassen, immunologische Antworten des Organismus zur Bekämpfung von Tumorzellen in Gang zu setzen. Der Begriff dendritische Zelltherapie habe keinen spezifischen Inhalt; ohne nähere Erläuterung könne über das Therapieverfahren so keinerlei Aussage gemacht werden. Ferner sei eine Einordnung bezüglich belastbarer klinischer Daten aus Phase-III-Studien mit Belegen der Wirksamkeit der Therapie sowie valider Sicherheitsdaten zu fordern. Die vagen Angaben im Antrag der Klägerin seien so nicht prüffähig, insgesamt weit entfernt von einem konkreten Behandlungsplan und entbehrten jeden Hinweises auf vorherige wissenschaftliche Evaluation der konkret durchgeführten Therapie. Auch dem Gutachten des Prof. Dr. K. sei hierzu nichts Näheres zu entnehmen.
37 
Entgegen der Auffassung des Prof. Dr. K. habe man keine belastbaren wissenschaftlichen Studien gefunden, die einen Nutzen einer adjuvanten Therapie mit dendritischen Zellen bei malignen Melanomen belegten. Hier wäre ein Vergleich im Rahmen einer Phase-III-Studie zum zugelassenen und etablierten Standardmedikament Interferon zu fordern. Lediglich drei der von Prof. Dr. K. angeführten 46 Studien hätten die adjuvante Situation beim malignen Melanom betrachtet. Bezüglich dieser seien keine Effektivitätsdaten in der Tabelle berichtet. Auch die Nebenwirkungen seien angesichts des nicht nachgewiesenen Nutzens im Hinblick auf die angegebene Grad-III/IV-Toxizität ethisch nicht vertretbar.
38 
Letztendlich sei rein spekulativ, ob die dendritische Zelltherapie hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei Melanomen gegenüber den in der adjuvanten Situation belegten unspezifischen Immuntherapien, wie Interferon, geeigneter sei. Dafür gebe es, wie eingehend dargelegt, keine Daten. Dass die dendritische Zelltherapie ein geeigneter Einsatz sei, habe bislang nur für Prostatakarzinome, nicht jedoch für andere Tumorerkrankungen belegt werden können. Der Ansatz bei Prostatakarzinomen sei absolut prostataspezifisch und könne auf andere Tumore nicht übertragen werden.
39 
Bei der Klägerin liege eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung vor. Inwieweit die adjuvante Situation nach vollständiger Entfernung allen klinisch erkennbaren Tumors im Zustand der Heilungsbewährung die Definition der lebensbedrohlichen Erkrankung noch erfülle, sei fraglich. Regelmäßig tödlich verlaufend sei die Erkrankung in diesem Stadium nach dieser Behandlung jedenfalls nicht. Die operative Therapie sei leitliniengerecht erfolgt. Die anschließend vorgenommene Vakzinierung mit dendritischen Zellen sei jedoch hoch experimentell und aus den dargelegten Gründen abzulehnen. Die Erkrankung der Klägerin solle in Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin in Analogie zur adjuvanten Behandlung des kutanen malignen Melanoms therapiert werden. Somit sei die Gabe von Interferon leitliniengerecht und arzneimittelrechtlich zugelassen. Dass dies gängige Praxis bei nicht-kutanen Melanomen und dort auch erfolgreich sei, könne der Literatur entnommen werden. Dies sei auch gleichzeitig die allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Das gälte auch dann, wenn die Konferenz der Uniklinik U. der Klägerin empfohlen hätte, eine adjuvante Therapie sei nicht erforderlich. Allgemeinem medizinischem Standard entsprechend könne auch das Unterlassen einer spezifischen Therapie sein. Auch dann müsste die Überlegenheit alternativer Ansätze nachgewiesen werden. Ein Systemmangel liege nur dann vor, wenn es eine etablierte, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Therapie gäbe, die aufgrund vorwerfbarer verzögerter Anerkennung durch die zuständigen Gremien den Versicherten vorenthalten würde; das sei hier nicht der Fall. Bei der Klägerin sei die adjuvante Therapie mit Interferon die geeignete, zumutbare und dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Therapie der ersten Wahl. Der Einwand mangelnden Nutzens sei durch die neuere Literatur entkräftet. Die von der Klägerin nicht gewünschte Entfernung von Wächterlymphknoten wäre nicht nur diagnostisch, sondern auch therapeutisch indiziert gewesen. Es sei nicht erkennbar, dass dies mit nicht vertretbaren Risiken behaftet gewesen wäre. Die Klägerin sei insgesamt nicht austherapiert gewesen. Vielmehr habe eine leitliniengerechte Behandlung zur Verfügung gestanden.
40 
Nachdem die Klägerin abschließend zu den vorliegenden Gutachten Stellung genommen und in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 26.02.2013 erklärt hatte, alle Rechnungen der Firma C. über die Herstellung dendritischer Zellen bezahlt zu haben, wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 26.02.2013 ab.
41 
Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, hinsichtlich der Rechnung der Firma C. vom 07.07.2009 sei ein Überprüfungsantrag gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Streitgegenstand. Der (allein in Betracht kommende) Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V setze voraus, dass der Versicherte vor der Beschaffung der Leistung die Entscheidung der Krankenkasse über sein Leistungsbegehren abwarte. Die Klägerin habe die Gewährung einer Therapie mit dendritischen Zellen erstmals am 10.07.2009 beantragt. Aus der Rechnung der Firma C. vom 16.07.2009 gehe aber hervor, dass die bei der Klägerin applizierten Zellen bereits am 07.07.2009 hergestellt worden seien. An diesem Tag habe die Behandlung daher begonnen. Betrachte man alle Behandlungen mit dendritischen Zellen im Juli 2009, im Februar/März 2010 und im September/Oktober 2010 als Behandlungseinheit, könne die Klägerin schon mangels Einhaltung des Beschaffungswegs Kostenerstattung für die selbst beschaffte Leistung nicht beanspruchen. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, sie habe die Behandlung mit dendritischen Zellen gewählt, weil sie leben wolle, stelle die Ablehnungsentscheidung der Beklagten insoweit keine Zäsur dar. Die Klägerin sei von Anfang an darauf festgelegt gewesen, weitere Behandlungen mit dendritischen Zellen vornehmen zu lassen. Nichts anderes gälte, wenn man jede Zellbehandlung - was vorzugswürdig sei - als neue Behandlungsleistung einstufen würde. Die Kostenübernahme für den zweiten Behandlungszyklus habe die Klägerin am 12.02.2010 beantragt. Nach der Rechnung der Firma C. vom 22.02.2010 seien die dendritischen Zellen hierfür aber bereits am 9.2.2010 hergestellt worden; die Beklagte habe den Antrag erst mit Bescheid vom 20.05.2010 abgelehnt. Für den dritten Behandlungszyklus, auf den sich die Rechnung der Firma C. vom 16.12.2010 beziehe, habe die Klägerin gar keinen Antrag bei der Beklagten mehr gestellt. Eine Notfallsituation, bei der die Entscheidung der Beklagten nicht habe abgewartet werden können, habe nicht vorgelegen.
42 
Der Klägerin stehe ein Leistungsanspruch auch in der Sache nicht zu. Die Therapie mit dendritischen Zellen stelle eine neue Behandlungsmethode dar, für die es eine (positive) Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht gebe. Systemversagen liege nicht vor. Für die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen sei ein (Anerkennungs-)Antrag von den zuständigen Stellen nicht gestellt worden und dies sei offensichtlich auch nicht beabsichtigt. Die Klägerin könne ihr Leistungsbegehren schließlich nicht auf die Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs bzw. auf § 2 Abs. 1a SGB V stützen. Zwar liege (unstreitig) eine lebensbedrohliche Erkrankung vor. Allerdings gebe es für die Anwendung dendritischer Zellen bei Schleimhautmelanomen kein wissenschaftlich ausreichendes Studienmaterial, aus dem auf eine durch Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf geschlossen werden könnte. Insoweit habe Prof. Dr. K. auf 46 Studien zur Behandlung des Melanoms mit dendritischen Zellen verwiesen. Zu den Ergebnissen dieser Studien habe er sich jedoch nicht geäußert, während im MDK-Gutachten des Kompetenz-Zentrums Onkologie vom 16.07.2012 auf diese Studien eingegangen und klargestellt werde, dass diese keinerlei Wirksamkeitsvorteile ergeben hätten, die größere Studie (Schadendorf, 2006) sogar negativ ausgefallen sei. Außerdem könnten die Studien nicht ohne Weiteres auf die bei der Klägerin vorliegende Sonderform des Melanoms übertragen werden. Die Behandlung mit dendritischen Zellen stelle - mit Ausnahme des Prostatakarzinoms - ein Verfahren dar, das sich noch in der wissenschaftlichen Entwicklung befinde. Die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen werde außerhalb klinischer Studien von der Deutschen Krebsgesellschaft nicht als Therapie empfohlen. Empfohlen werde vielmehr die Behandlung mit dendritischen Zellen nur innerhalb klinischer Studien. Die Deutsche Krebsgesellschaft fordere alle Ärzte auf, ihren Patienten von Therapieangeboten außerhalb von Studien auf privater Zahlungsbasis abzuraten und Patienten mit Informationsbedarf an ein entsprechendes Forschungs- und Studienzentrum zu verweisen (vgl. LSG Schleswig Holstein, Urt. v. 12.01.2012, - L 5 KR 49/10 -; LSG Hessen, Beschl. v. 27.08.2012, - L 8 KR 189/12 B ER - ; Stellungnahme der Deutschen Krebsgesellschaft vom 05.04.2011 - Presseinformation). Eine Kostenerstattung käme schließlich ohnehin nur für solche Behandlungen in Betracht, welche die Beklagte selbst rechtmäßig gewähren könnte. Der MDK habe insoweit darauf verwiesen, dass die Firma C. (unstreitig) nicht über eine behördliche Erlaubnis für die Herstellung dendritischer Zellen verfüge. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis sei lediglich beantragt. Ob möglicherweise ein Ausnahmefall nach § 144 AMG in Verbindung mit § 2 und § 4 Abs. 9, Abs. 4b AMG vorliege, sei dahingestellt; es komme entscheidungserheblich darauf nicht an.
43 
Auf das ihr am 06.03.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.04.2013 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, auf Einzelheiten des Beschaffungswegs komme es nicht an, weil eine unaufschiebbare Leistung in Rede stehe. Sie sei unmittelbar auf die Inanspruchnahme einer Behandlung mit dendritischen Zellen angewiesen gewesen. Andernfalls hätte sie bereits binnen weniger Monate mit dem Tod rechnen müssen. Bei Leistungen, die nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs zu gewähren seien, müsse die Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse vor der Selbstbeschaffung nicht abgewartet werden. Auch in seinem Beschluss vom 06.12.2005 (a. a. O.) habe das BVerfG die Einhaltung des Beschaffungswegs jedenfalls offen gelassen. Sie stütze den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht unmittelbar auf § 13 Abs. 3 SGB V, sondern auf das Vorliegen einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung. Die Beklagte lehne die Gewährung dendritischer Zellbehandlungen grundsätzlich ab, weshalb man von ihr - zumal bei einem dringlichen Behandlungsfall - nicht vE. dürfe, eine erfahrungsgemäß langwierige Antragsbearbeitung und die absehbare Antragsablehnung abzuwarten. In Fällen, in denen sich die Krankenkasse losgelöst vom konkreten Behandlungsfall gegen eine neuartige Therapiemethode ausspreche, der Versicherte jedoch nach fachärztlicher Empfehlung auf einen unverzüglichen Therapiebeginn angewiesen sei, müsse die nachträgliche Antragstellung bei der Krankenkasse genügen. Sie habe im Übrigen nicht vor Antragstellung mit der Therapie begonnen. Die Herstellung der dendritischen Zellen sei mit dem Therapiebeginn nicht gleichzusetzen, sondern stelle lediglich die Voraussetzung für die (künftige) ärztliche Behandlung dar. Das Sozialgericht habe aus ihrer Äußerung zu Ende der mündlichen Verhandlung, am Leben bleiben zu wollen, zu Unrecht geschlossen, sie sei von vornherein auf die Behandlung mit dendritischen Zellen festgelegt gewesen. Auf die Möglichkeit, ihre Klage - ungeachtet der Erhebung eines Gutachtens - (schon) mangels Einhaltung des Beschaffungswegs abzuweisen, habe man sie nicht hingewiesen und ihr insoweit nicht rechtliches Gehör gewährt.
44 
Sie habe am 07.07.2009 die Gewährung bzw. Übernahme der Kosten einer dendritischen Zelltherapie beantragt. Diesen Antrag haben sie vorsorglich erneut am 12.02.2010 gestellt. Bei Erbringung der den Rechnungen der Firma C. vom 22.02.2010 und 16.12.2010 zu Grunde liegenden Behandlungen habe der Beklagten daher ein Leistungsantrag vorgelegen. Im Bescheid vom 09.10.2009 habe die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf die fehlende Anerkennung der Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und damit aus formal-rechtlichen Erwägungen abgelehnt. Die Ablehnungsgründe hätten auch für künftige Behandlungszyklen gegolten, weshalb sie einen erneuten Leistungsantrag als sinnlos hätte ansehen dürfen. Das Sozialgericht habe die Behandlung mit dendritischen Zellen auch zu Unrecht in unterschiedliche Behandlungszyklen aufgeteilt, die immer neu beginnen würden. Ihr behandelnder Arzt, PD Dr. G., gehe in aller Regel von einer einheitlichen und durchgehenden Immuntherapie, bestehend aus mehreren zeitlich aufeinanderfolgenden Zyklen, aus. Jeder Zyklus sei als Teil eines einheitlichen Therapieansatzes einzustufen, weshalb eine neue Indikationslage für die weitere Verabreichung dendritischer Zellen nicht erforderlich sei. Deswegen sei ein gesonderter Antrag vor jedem neuen Behandlungsschritt bzw. Zyklus nicht notwendig. Bei wiederkehrenden Behandlungsleistungen der vorliegenden Art setze die Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse eine Zäsur mit der Folge, dass die Kostenerstattung (mangels Einhaltung des Beschaffungswegs) nur für die Zeit davor ausgeschlossen sei (vgl. LSG Schleswig Holstein, Urt. v. 12.01.2012, - L 5 KR 49/10 -; BSG, Urt. v. 25.09.2000, - B 1 KR 5/99 R -). Für seine davon abweichende Auffassung hätte das Sozialgericht wenigstens den behandelnden Arzt nach Inhalt und Ablauf der Immuntherapie befragen müssen.
45 
Ihr stehe auch der Sache nach ein Anspruch auf Gewährung der in Rede stehenden Immuntherapie als neuartige Behandlungsmethode zu. Dass es hierfür eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht gebe, stehe dem nicht entgegen. Für sie gebe es eine anerkannte Behandlungsmethode mit ebenso positiver wie risikofreier Wirkungsweise nicht. Das gehe aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervor. Prof. Dr. K. sei ein renommierter Wissenschaftler auf dem Gebiet der Onkologie, gerade im Bereich der malignen Melanome, und Koordinator des Hautkrebszentrums der Universitätsklinik E.. Die gegenteilige Auffassung des MDK könne nicht überzeugen. Das Fehlen klinischer Studien zur Behandlung ihrer Erkrankungen zeige gerade, dass sie auf die ihr angeratene Therapie mit dendritischen Zellen als ultima ratio angewiesen sei. Zumindest hätte das Sozialgericht ein weiteres (Ober-)Gutachten erheben oder Prof. Dr. K. zu den Einwendungen des MDK anhören müssen.
46 
Die Einschätzung der Deutschen Krebsgesellschaft aus dem Jahr 2011, wonach es der Behandlung mit dendritischen Zellen an einem ausreichenden Wirksamkeitsnachweis fehle, werde in der Wissenschaft nicht ausnahmslos geteilt. Für einen Leistungsanspruch nach Maßgabe einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs genüge es, wenn, außerhalb von klinischen Studien, zuverlässige und wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zu Qualität und Wirksamkeit der Behandlungsmethode vorlägen; um eine dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode könne es in solchen Fällen naturgemäß nicht gehen. Außerdem genügten nach der Rechtsprechung des BVerfG auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussichten auf Heilung oder eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Dabei sei (auch) auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Der MDK habe das im Unterschied zu Prof. Dr. K. unterlassen und sich aus eher grundsätzlichen Erwägungen gegen die Therapie mit dendritischen Zellen ausgesprochen. Für die positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf genüge es, wenn zumindest das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten werde oder Komplikationen verhindert würden. Fehlten dabei theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster, könne im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolges entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen ließen (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.06.2012, - L 11 KR 5856/09 -). Das sei hier der Fall. Relevante Risiken und Nebenwirkungen der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen seien bislang nicht aufgetreten oder bekannt geworden. Ein vom MDK und der Beklagten geforderter Wirksamkeitsnachweis sei nicht notwendig. Je schwerwiegender die Erkrankung, desto geringer müssten auch die Anforderungen an die Indizien für einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg ausfallen. Dabei könnten beim Fehlen evidenzbasierter Studien auch deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte und Meinungen anerkannter Experten oder Berichte von Konsensuskonferenzen in Betracht zu ziehen sein. Aus ihrer Sicht gebe es danach hinreichende Indizien für einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg. Man möge hierzu ggf. den Gutachter Prof. Dr. K. in der mündlichen Verhandlung befragen.
47 
Die Klägerin beantragt,
48 
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26.02.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 06.08.2009 zurückzunehmen und ihr 12.601,79 EUR zu erstatten.
49 
Die Beklagte beantragt,
50 
die Berufung zurückzuweisen.
51 
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, aufgrund der lebensbedrohlichen Grunderkrankung habe eine Notfallsituation nicht vorgelegen. Das folge auch daraus, dass es sich bei der dendritischen Zelltherapie um eine adjuvante (unterstützende) Therapie gehandelt habe. Hypothetisch sei auch das postulierte Versterben innerhalb weniger Monate ohne Durchführung der begehrten Therapie. Aus den vorliegenden Gutachten gehe hervor, dass das klinisch erkennbare, lokal begrenzte Tumorgewebe vollständig operativ entfernt worden sei. Anhaltspunkte für Metastasen hätten nicht vorgelegen. Die weitere Therapie, ob nun durch Interferon oder durch dendritische Zellen, sei (nur) vorsorglich zur Minimierung eines letztendlich noch verbleibenden Restrisikos durchgeführt worden. Eine Ultima-Ratio-Therapie habe nicht vorgelegen, weil es Behandlungsalternativen gegeben habe. Die Klägerin habe den Leistungsantrag auch erst gestellt, als sie sich zur Behandlung mit dendritischen Zellen entschlossen gehabt habe. Andernfalls sei kaum erklärbar, dass der behandelnde Arzt bereits vor dem 07.07.2009 einen Herstellungsauftrag an das Labor (der Firma C.) erteilt habe.
52 
Die Firma C. hat unter dem 27.02.2014 mitgeteilt, sie habe die Herstellung autologer dendritischer Zellen im April 2012 eingestellt. Die Herstellungstätigkeit sei bis dahin unter der Verantwortlichkeit des PD Dr. G. gem. § 4b AMG ausgeübt worden. Die Herstellung dendritischer Zellen werde nunmehr von dem Labor PD Dr. G. (auf der Grundlage einer Anzeige nach § 67 AMG) vorgenommen. Die abschließende Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG stehe noch aus.
53 
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit Schreiben vom 13.03.2014 (Bl. 51 LSG-Akte) dem Senat mitgeteilt, die Anwendung dendritischer Zellen zur Behandlung eines Schleimhautmelanoms oder anderer Erkrankungen sei bisher im Gemeinsamen Bundesausschuss nicht überprüft worden, auch sei ein entsprechender Antrag noch nicht gestellt worden. Schließlich bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für eine Antragspflicht vorlägen.
54 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
55 
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem geltend gemachten Erstattungsbetrag von über 12.000 EUR überschritten. Die Berufung ist auch sonst zulässig (§ 151 SGG). Sie ist auch begründet. Die Beklagte hat die Erstattung der Aufwendungen der Klägerin für die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht abgelehnt.
56 
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Beklagte der Klägerin 12.601,79 EUR zu erstatten hat, die die Klägerin der Firma C. auf deren Rechnungen vom 16.07.2009, 22.02.2010 und 16.12.2010 gezahlt hat. Die Erstattung des Betrags der Rechnung vom 16.07.2009 war bereits Gegenstand des Bescheids vom 06.08.2010. Ob der Widerspruch gegen diesen Bescheid tatsächlich von der Klägerin am 08.10.2009 fernmündlich zurückgenommen wurde und ob ein nicht weiter bestätigter Telefonvermerk eines Mitarbeiters der Beklagten ausreicht, das Widerspruchsverfahren einzustellen, kann offenbleiben. Da die Klägerin mit dem eingereichten Schreiben vom 09.02.2010 die Übernahme der gesamten Kosten der bisherigen Behandlung mit dendritischen Zellen verlangt hat, bezieht sich der Bescheid vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 nicht nur auf die Rechnungen vom 22.02.2010 und 16.12.2010, sondern auch auf die Rechnung vom 16.07.2010. Jedenfalls der Widerspruchsbescheid vom 28.09.2010 enthält eine abschließende Stellungnahme der Beklagten zum gesamten Behandlungskomplex mit dendritischen Zellen als Folge des im Juni 2009 operativ entfernten Schleimhautmelanoms der Klägerin. Das SG hat deshalb zu Recht in diesen Bescheiden eine inzidente Ablehnung eines Antrags nach § 44 SGB X in Bezug auf den Bescheid vom 06.08.2009 gesehen. Die Beklagte hat die erneute Überprüfung des Bescheids nach § 44 SGB X durch den Senat im Berufungsverfahren auch nicht in Frage gestellt.
I.
57 
Rechtsgrundlage des mit Klage und Berufung verfolgten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift sieht in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urt. v. 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -).
58 
Der hier allein in Betracht kommende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und grundsätzlich auch einen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten voraus. Die rechtswidrige Ablehnung der Leistung scheidet für solche (selbst beschaffte) Leistungen von vornherein aus, die von den Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung nicht zu erbringen sind. Der Kostenerstattungsanspruch gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB V reicht nämlich nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Der Ursachenzusammenhang zwischen rechtswidriger Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urt. v. 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V).
59 
§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V darf nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 19.03.2009 - 1 BvR 316/09) nicht in der Weise ausgelegt werden, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt. Dies gilt erst recht, wenn - wie nachstehend aufgezeigt - bei grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts des SGB V ein Anspruch auf Behandlung mit dendritischen Zellen besteht, den die Beklagte von Anfang an als Sachleistung hätte gewähren müssen und den sie in der Folge zu Unrecht abgelehnt hat. Bei der Rechtsanwendung im Einzelfall müssen dann die grundrechtlichen Maßgaben insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes berücksichtigt werden, namentlich, wenn erhebliche und nicht wiedergutzumachende Schäden für Leib und Leben drohen (Art. 2 Abs. 2 GG) und der Versicherte deswegen existentielle Leistungen der Krankenversicherung begehrt. Auch insoweit gilt, dass sich das Gericht (genauso wie die Krankenkasse) schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -; auch Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B - zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung). Das verbietet es, im Einzelfall überzogene und damit unverhältnismäßige Verfahrenserfordernisse nicht nur für den Zugang des Versicherten zu den Leistungen der Krankenkasse, sondern auch für die Selbstbeschaffung einer Leistung und die Erstattung der hierfür entstandenen Aufwendungen nach Maßgabe des § 13 Abs. 3 SGB V aufzustellen. Gerade in den Fällen des § 2 Abs. 1a SGB V, also bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen wird es daher vielfach genügen müssen, wenn der Versicherte sich mit seinem Leistungsbegehren unverzüglich an die Krankenkasse wendet und dieser daher jedenfalls eine zeitnahe Prüfung ermöglicht wird. Einzelheiten des Beschaffungswegs werden dann für den Erstattungsanspruch keine ausschlaggebende Rolle spielen können, vielmehr wird die Krankenkasse und im Streitfall das Gericht zu prüfen haben, ob das Erstattungsverlangen in der Sache berechtigt ist.
II.
60 
Rechtsgrundlage des dem Kostenerstattungsanspruch zugrunde liegenden Leistungsanspruchs auf Gewährung ärztlicher Behandlung ist § 27 Abs. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB V) auch die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V). Der Anspruch auf Krankenbehandlung bzw. Arzneimittelversorgung unterliegt den für alle Leistungsansprüche (§ 11 SGB V) geltenden allgemeinen Maßgaben der §§ 2, 12 SGB V. Gem. § 2 Abs. 1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Gem. § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Die Versicherten erhalten die ihnen danach zustehenden Leistungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V als Sach- und Dienstleistungen, soweit das SGB V nichts anderes vorsieht.
1.)
61 
Bei der Versorgung der Versicherten mit ärztlicher Heilbehandlung ist hinsichtlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (BSG, Urt. v. 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -) zu beachten. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch dann nur zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen (vgl. BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -), wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. An die Entscheidungen des Bundesausschusses sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R - m.w.N.). Ohne befürwortende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht (zu alledem auch Senatsurteil vom 30.8.2006, - L 5 KR 281/06 -). Die Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst „Methoden“, also Maßnahmen, die bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandt werden (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -); dazu können ggf. auch über die bloße Verabreichung von Arzneimitteln hinausgehende Pharmakotherapien zählen.
62 
Neu ist eine Behandlungsmethode zunächst dann, wenn sie erst nach Inkrafttreten des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V - also erst in der Zeit seit dem 01.01.1989 - als kassen- bzw vertragsärztliche Behandlungsmethode praktiziert worden ist. Neu ist auch eine Behandlungsmethode, für die eine entsprechende Leistungsposition im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zunächst nicht bestand, diese vielmehr erst später - nach dem 01.01.1989 - in das Leistungsverzeichnis des EBM-Ä aufgenommen wurde (zur Maßgeblichkeit des EBM auch BSG, Urt. v. 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -). Nach diesen Abgrenzungen ist bei Arzneitherapien - bei Arzneimitteln ist kein Raum für die Schaffung einer Leistungsposition im EBM-Ä - darauf abzustellen, ob sie schon vor dem 01.01.1989 oder erst nach dem 01.01.1989 praktiziert wurden. Wurden sie schon vorher praktiziert, so sind sie nicht neu; dann käme nur eine Überprüfung nach Maßgabe des § 135 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V in Betracht, wonach die Verordnungsfähigkeit erst ausgeschlossen wäre, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die Behandlungsmethode ausdrücklich für unvereinbar mit den Erfordernissen des § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V erklärt hatte (BSG; Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 48/09 R -). Eine Behandlungsmethode kann auch dann als „neu“ zu beurteilen und deshalb der besonderen krankenversicherungsrechtlichen Qualitätskontrolle zu unterwerfen sein, wenn sie sich aus einer neuartigen Kombination verschiedener - für sich jeweils anerkannter oder zugelassener - Maßnahmen zusammensetzt (BSG; Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -).
63 
Näheres zur Arzneimittelversorgung der Versicherten ist in § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V geregelt. Danach besteht Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Der (krankenversicherungsrechtliche) Arzneimittelbegriff in §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 31 SGB V knüpft an den (verwaltungsrechtlichen) Arzneimittelbegriff des AMG an. Dieser ist in der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG festgelegt; weitere Begriffsbestimmungen enthält § 4 AMG. Gem. § 2 Abs. 1. AMG sind Arzneimittel (u.a.) Stoffe, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im menschlichen Körper Krankheiten zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen; Stoffe in diesem Sinne sind gem. § 3 Nr. 3 AMG auch menschliche Stoffwechselprodukte in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand, also auch Blut und Blutplasma (Rehmann, AMG § 3 Rdnr. 2). Gem. § 4 Abs. 2 AMG sind Blutzubereitungen Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten. § 4 Abs. 9 AMG (i. d. F. des Gesetzes v. 17.07.2009, BGBl. I, S. 1990, gültig ab 23.07.2009) bestimmt, dass (u.a.) somatische Zelltherapeutika (i. S. d. in dieser Vorschrift genannten EG-Verordnungen) Arzneimittel für neuartige Therapien sind. Das aus dem Blut des Patienten durch Beladung mit Antigenen hergestellte Präparat mit dendritischen Zellen stellt ein (zelluläres) Arzneimittel (Blutzubereitung bzw. somatisches Zelltherapeutikum nach § 4 Abs. 2, 9 AMG) dar (vgl. dazu auch etwa OLG München, Urt. v. 16.11.2005, - 20 U 3950/05 - sowie DÖSGHO-Jahrestagung, veröffentlicht unter www://haematologie-onlologie.universimed.com/artikel). Damit unterliegt die Herstellung dendritischer Zellen und deren Anwendung im Rahmen der Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V den Maßgaben des Arzneimittelrechts.
64 
Hinsichtlich der Herstellung dendritischer Zellen ist gem. § 20b Abs. 1 und 4 AMG (eingeführt durch Gesetz v. 20.07.2007, BGBl. I. S. 1574 zum 01.08.2007) im Grundsatz eine behördliche Erlaubnis notwendig. Hinsichtlich der Arzneimittel für neuartige Therapien nach § 4b AMG (eingeführt durch Gesetz v. 17.07.2009, a. a. O. zum 23.07.2009), also für Arzneimittel, die als individuelle Zubereitung für einen einzelnen Patienten ärztlich verschrieben, nach spezifischen Qualitätsnormen nicht routinemäßig hergestellt und in einer spezialisierten Einrichtung der Krankenversorgung unter der fachlichen Verantwortung eines Arztes angewendet werden (§ 4b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AMG) sind in der (ebenfalls ab 23.07.2009 geltenden) Vorschrift des § 144 AMG Übergangsregelungen getroffen worden. Danach gilt (u.a.): Wer die in § 4b Abs. 1 AMG genannten Arzneimittel für neuartige Therapien am 23.07.2009 befugt herstellt und bis zum 01.012010 eine Herstellungserlaubnis beantragt, darf diese Arzneimittel bis zur Entscheidung über den gestellten Antrag weiter herstellen.
65 
Hinsichtlich des Inverkehrbringens dendritischer Zellen ist die für Fertigarzneimittel, wozu auch außerhalb der Apotheke gewerblich hergestellte Rezepturarzneimittel gehören (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 AMG), gem. § 21 Abs. 1 AMG an sich notwendige arzneimittelrechtliche Zulassung nicht erforderlich. Gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1a AMG bedarf es einer Zulassung nämlich nicht für Arzneimittel, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden; dies trifft auf das in Rede stehende zelluläre Arzneimittel zu. Nach näherer Maßgabe des § 21a Abs. 1 AMG kann demgegenüber ggf. eine Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde erforderlich sein (vgl. § 21a Abs. 1 Satz 3: Blutstammzellzubereitungen zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung).
2.)
66 
Bei der Anwendung von Arzneimitteln können die Maßgaben des Arzneimittelrechts, insbesondere arzneimittelrechtliche Verkehrsverbote mit ihren Folgewirkungen für das Krankenversicherungsrecht (dazu näher etwa Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B -: Botoxinjektion zur Blasenvergrößerung), und der krankenversicherungsrechtliche Erlaubnisvorbehalt für die Anwendung neuer ärztlicher Behandlungsmethoden gem. § 135 Abs. 1 SGB V gleichzeitig anzuwenden sein. Für die Abgrenzung der Pharmakotherapie durch bloße Verabreichung eines Arzneimittels - auch im Wege der Injektion - von der Pharmakotherapie als ärztliche Behandlungsmethode kommt es darauf an, welches Gewicht der ärztlichen Tätigkeit für den Therapieerfolg zukommt (vgl. näher BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -, LSG Baden-Württemberg, Urt. v. Urt. v. 15.5.2012, - L 11 KR 5817/10 -). Ist diese im Rahmen eines Zusammenspiels von ärztlicher Kunst und Arzneimittelgabe ebenso wichtig wie das Wirkprinzip des in den Körper eingebrachten Stoffes, liegt in jedem Fall eine über die schlichte Verabreichung eines Arzneimittels hinausgehende ärztliche Behandlungsmethode vor. Die Anforderungen des Krankenversicherungsrechts sind dann ggf. im Erlaubnisverfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu prüfen. Dessen krankenversicherungsrechtliche Prüfung kommt zur ggf. notwendigen arzneimittelrechtlichen Prüfung durch die hierfür zuständige Verwaltungsbehörde hinzu (vgl. BSG Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -). Für solche Pharmakotherapien besteht eine Leistungspflicht der Krankenkasse daher erst dann, wenn die aus dem Arzneimittelrecht folgenden leistungsrechtlichen Mindestvoraussetzungen und die krankenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine neue Behandlungsmethode kumulativ erfüllt sind, wenn also weder ein arzneimittelrechtliches Verkehrsverbot noch der krankenversicherungsrechtliche Erlaubnisvorbehalt das verwendete Arzneimittel erfasst (BSG Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 -; auch dazu Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B -). Das gilt nach Auffassung des Senats für die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen als Anwendung eines zellulären Arzneimittels für neuartige Therapien i. S. d. § 4 Abs. 9 AMG. Dabei handelt es sich (wovon ersichtlich auch die Beteiligten ausgehen) nicht um die bloße Verabreichung eines Arzneimittels, sondern um eine ärztliche Behandlungsmethode nach § 135 Abs. 1 SGB V.
3.)
67 
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt und des Fehlens einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde und damit ein „Systemversagen“ vorliegt. Dann ist die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien nämlich rechtswidrig unterblieben, weshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (näher BSGE 81, 54 sowie BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -). Auch bei Krankheiten, die wegen ihrer Seltenheit praktisch nicht systematisch erforschbar sind, muss die Behandlung aus dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht schon mangels entsprechender Empfehlung des Bundesausschusses ausscheiden (vgl. dazu BSGE 93,236).
68 
Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG können sich (ansonsten nicht bestehende) Leistungsansprüche darüber hinaus auch aus einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts ergeben. In seinem Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlichen Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig.
69 
Das Bundessozialgericht hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG Urt. v. 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung (oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit - BSG, Urt. v. 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht bei BSG, Urt. v. 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr individuelle Notlage gegeben sein, wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschl. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -).
70 
Diese Grundsätze sind auf die Arzneimittelversorgung übertragen worden. Sie können ggf. einen Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln begründen, die arzneimittelrechtlich noch gar nicht oder nicht für den in Rede stehenden Anwendungsbereich zugelassen sind. Ergänzend hat das BSG - im Hinblick auf die Versorgung mit Arzneimitteln - aber dargelegt, dass an das Krankheits-Kriterium (im Sinne der vorstehend unter 1. genannten Voraussetzung) strengere Anforderungen zu stellen sind als an das Kriterium der schwerwiegenden Erkrankung für die Eröffnung des Off-Label-Use (vgl. BSG, Urt. v. 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -; auch BSG, Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 48/09 R -).
71 
In der seit 01.01.2012 geltenden Vorschrift des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V hat der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG entwickelten Rechtgrundsätze zu grundrechtsfundierten Leistungsansprüchen in das SGB V aufgenommen. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende, insbesondere also eine in Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (noch) nicht entsprechende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung festgestellt. Für Auslegung und Anwendung des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V sind die Maßgaben der genannten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG heranzuziehen (Senatsurteil vom 14.03.2012, - L 5 KR 5406/11 -).
III.
72 
Davon ausgehend steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von PD Dr. G. in den Jahren 2009 und 2010 durchgeführte Behandlung mit dendritischen Zellen zu. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V sind erfüllt. Die Klägerin hat den in dieser Vorschrift vorgesehenen Beschaffungsweg eingehalten (unten 1). Die Beklagte hat die von der Klägerin selbstbeschaffte Leistung auch zu Unrecht abgelehnt (unten 2). Auch die Übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs sind erfüllt (unten 3).
1.)
73 
Die Klägerin hat sich die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen durch PD Dr. G. ohne Missachtung des in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Beschaffungswegs selbst beschafft. Die Frage nach der Einhaltung des Beschaffungswegs kann sich dabei nur auf die Rechnungen beziehen, die vor der grundsätzlichen Ablehnungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 06.08.2009 ergangen sind, das ist hier allein die Rechnung vom 16.07.2009. Die Klägerin hat nämlich mit ihrem Antrag vom 09.07.2009 initial für die gesamte Behandlung mit dendritischen Zellen den Antrag auf Kostenfreistellung bei der Beklagten gestellt; das genügt (BSG Urt. v. 07.05.2013 - B 1 KR 44/12 R - Juris Rn 30). Eine Beschränkung lediglich auf die im Juli 2009 angefallenen Kosten lässt sich diesem Antrag nicht entnehmen. Im Übrigen stellen sich die einzelnen Behandlungszyklen als unselbständige (Teil-)Leistungen der auf die Verhinderung der Metastasenbildung gerichteten adjuvanten Behandlung der Klägerin nach der operativen Entfernung des Tumorgewebes dar, weshalb es mit dem (rechtzeitigen) Herantragen des Leistungsbegehrens an die Beklagte hinsichtlich des ersten Behandlungszyklus sein Bewenden haben muss.
74 
Die Klägerin, die an einem im Juni 2009 diagnostizierten Schleimhautmelanom und damit - wie Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 03.02.2012 dargelegt hat - an einer seltenen Untergruppe des Melanoms mit wesentlich schlechterer Prognose als das Hautmelanom (kutane Melanom) leidet, ist am 05.06.2009 und am 13.07.2009 durch Exzision des Tumors und Nachresektion operativ behandelt worden. Die (weitere) Behandlung mit dendritischen Zellen ist danach im Juli 2009 aufgenommen und in mehreren Behandlungszyklen durchgeführt worden. Die Klägerin hat sich - hinsichtlich des ersten Behandlungszyklus - erstmals am 09.07.2009, also noch vor der operativen Tumornachresektion am 13.07.2009, wegen einer sich an die operative Therapie anschließenden (adjuvanten) Nachbehandlung mit dendritischen Zellen (zur Metastasenprophylaxe) an die Beklagte gewandt und die Gewährung dieser Behandlung als Sachleistung beantragt. Sie hat sich nicht von vornherein außerhalb des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung gestellt, um sich von dort ohne weitere Prüfung durch die Krankenkasse eine vom Leistungskatalog nicht umfasste Behandlungsleistung zu verschaffen, sondern sie hat die Beklagte nach Lage der Dinge unverzüglich mit dem Leistungsbegehren konfrontiert und eine zeitnahe Prüfung ermöglicht. Dass mit der Herstellung der dendritischen Zellen wenige Tage vor Antragstellung - am 07.07.2009 - begonnen worden ist, ist demgegenüber unschädlich, ohne dass es noch darauf ankäme, ob man den Behandlungsbeginn der dendritischen Zelltherapie auf diesen Tag oder den Tag der erstmaligen Verabreichung der dendritischen Zellen festzulegen hätte. Angesichts der Gefahr einer Metastasierung der schweren Krebserkrankung und der damit verbundenen Todesgefahr ist es im Hinblick auf das Grundrecht der Klägerin auf Leben und Gesundheit bzw. die daraus folgenden Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zu vereinbaren, ihr zur Vermeidung einer etwaigen Kostenbelastung vor der Aufnahme der in Rede stehenden Behandlung zur Metastasenprophylaxe auch das Abwarten einer (Ablehnungs-)Entscheidung der Beklagten abzuvE. (ebenso BSG Urt. v. 12.09.2012 - B 3 KR 20/11 R - Juris Rn 12 für den Fall einer verzögerten Entscheidung über eine Hilfsmittelgewährung), zumal angesichts der zu erwartenden Einschaltung des MDK mit einem länger dauernden Verwaltungsverfahren zu rechnen gewesen ist. Bei dieser Sachlage kommt es nicht in Betracht, den geltend gemachten Erstattungsanspruch schon wegen der Einzelheiten des Beschaffungsvorgangs abzulehnen, vielmehr ist eine Sachprüfung erforderlich.
2.)
75 
Die Beklagte hat die Gewährung der beantragten Behandlung mit dendritischen Zellen zu Unrecht abgelehnt. Die Beklagte hätte der Klägerin die in Rede stehende Behandlung nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs als Sachleistung gewähren müssen (unten a). Vorschriften des Arzneimittelrechts stehen dem nicht entgegen (unten b).
a.)
76 
Die Klägerin hatte Anspruch auf die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
77 
Bei der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode i. S. d § 135 Abs. 1 SGB V; für diese ärztliche Leistung ist eine Leistungsposition im EBM nicht vorhanden. Eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses existiert nicht. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist mit der hier streitigen Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen auch nicht befasst, wie er gegenüber dem Senat mit Schreiben vom 13.03.2014 dargelegt hat. Anhaltspunkte für ein so genanntes Systemversagen liegen nicht vor (Senatsbeschluss vom 16.05.2011, - L 5 KR 970/11 ER-B -). Bei dem Schleimhautmelanom, an dem die Klägerin leidet, handelt es sich zwar um eine seltene Untergruppe des Melanoms, jedoch nicht um eine wegen ihrer Seltenheit systematisch gar nicht erforschbare Krankheit. Hierüber herrscht unter den Beteiligten ersichtlich kein Streit. Danach kommt ein Leistungsanspruch nur nach Maßgabe der vom BVerfG (Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) vorgenommenen grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (jetzt: § 2 Abs. 1a SGB V) in Betracht. Die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind erfüllt.
78 
Die Klägerin leidet (unstreitig) an einer lebensbedrohlichen und regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung. Das Schleimhautmelanom, an dem sie erkrankt ist, hat, wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervorgeht, eine äußerst schlechte und (noch) ungünstigere Überlebensprognose als das kutane Melanom (der Haut) mit einer mittleren Überlebenszeit von 10 bis 13 Monaten. Über 90% der Patienten versterben innerhalb von 5 Jahren. Entgegen der Auffassung der Beklagten (und des MDK, etwa Gutachten des Dr. G. vom 05.10.2009) scheitert die Leistungsgewährung auch nicht am Erfordernis einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage. Das BVerfG hat hierfür ersichtlich stets auf den Einzelfall abgestellt und eine rein zeitliche Betrachtung nicht vorgenommen, etwa auch ausreichen lassen, dass in Sonderfällen der Tod voraussichtlich erst in einigen Jahren eintreten wird (Beschl. v. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -). Auch die Unterscheidung zwischen einer adjuvanten und einer kurativen Behandlungssituation, auf die sich der MDK stützen will, ist für die hier maßgebliche grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die Behandlung mit dendritischen Zellen hat nach der operativen Entfernung des Tumorgewebes zum Ziel, die Bildung von Metastasen zu verhindern. Nur dann besteht Aussicht auf eine Heilung der Krebserkrankung. Sind demgegenüber Metastasen aufgetreten, bestehen praktisch keine aussichtsreichen Behandlungsmöglichkeiten mehr und es muss mit einem (baldigen, innerhalb von Monaten eintretenden) Tod des Patienten gerechnet werden. Der Senat entnimmt dies dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. K.. Danach liegt die (sehr) schlechte Prognose des Schleimhautmelanoms (u.a.) daran, dass es rasch zu Fernmetastasen kommt. Ist es dazu gekommen, besteht allenfalls noch eine Therapieoption durch Yervoy, was aber nur bei maximal 10% der Patienten einen längeren Nutzen hat (mit schweren Nebenwirkungen bei 30% der Patienten). Bei dieser Sachlage gibt es keine Zwischenzeit zwischen der operativen Entfernung des Tumorgewebes und dem jedenfalls im Stadium der Heilungsbewährung stattfindenden Auftreten von Metastasen, während der die für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs notwendige individuelle Notlage naher Lebensgefahr nicht bestünde und während der zunächst das ohne adjuvante Therapie (erst recht) zu erwartende Auftreten von Metastasen abzuwarten wäre. Die vorliegende Fallgestaltung ist nach Ansicht des Senats mit der Fallgestaltung eines Prostatakarzinoms im Anfangsstadium ohne Hinweis auf metastatische Absiedlungen (vgl. BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -) nicht vergleichbar. Der These, eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs sei auf die Situation der Rezidivprophylaxe nicht anwendbar (vgl. etwa LSG Schleswig- Holstein, Urt. v. 08.09.2011, L 5 KR 97/10 -), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen; sie findet in der Rechtsprechung des BVerfG keine ausreichende Stütze.
79 
Damit ist vorliegend letztendlich ausschlaggebend, ob für die - konkrete - Erkrankung der Klägerin eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht, und, wenn dies nicht festgestellt werden kann, ob für die bei ihr angewandte Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen eine durch Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Da für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs die Grundrechte des jeweiligen Versicherten und die diesem bei Verweigerung der Leistung im Einzelfall drohenden Grundrechtseingriffe bzw. Grundrechtsverletzungen maßgeblich sind, findet eine vom Einzelfall gelöste abstrakte Betrachtung, etwa im Sinne einer abstrakten wissenschaftlich-medizinischen Methodendiskussion, nicht statt.
80 
Für die adjuvante Therapie des Schleimhautmelanoms der Klägerin steht nach Auffassung des Senats eine allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende und die Anwendung der in Rede stehenden Alternativtherapie verdrängende Behandlungsmethode nicht zur Verfügung. Die Beklagte verweist (gestützt auf das MDK-Gutachten des Prof. Dr. H.) auf eine Interferonbehandlung, die man als eine Art „Analogbehandlung“ entsprechend der Behandlung des kutanen Melanoms auch beim (mit dem kutanen Melanom tumorbiologisch jedoch nicht ohne Weiteres gleichzusetzenden) Schleimhautmelanom anwenden könne. Die Wirksamkeit einer solchen Therapie wird aber - wenn auch gestützt durch eine von Prof. Dr. H. angeführte Phase-II-Studie in den USA - nur vermutet. Demgegenüber hat Prof. Dr. K. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt, dass es eine wirksame adjuvante Therapie zur Verhinderung einer Fernmetastasierung beim Schleimhautmelanom nicht gibt und darauf verwiesen, dass Patienten mit Schleimhautmelanomen von den Interferonstudien (gerade) ausgeschlossen werden. Die Erfahrungen mit der mangels Alternativen notgedrungen eingesetzten Interferon- und Chemotherapie hat Prof. Dr. K. als unbefriedigend eingestuft; sie würden nur „anekdotenhaft“ in Übersichtsarbeiten erwähnt. In der Literatur findet sich - so Prof. Dr. K. - keine einzige Publikation, die über eine wirksame adjuvante Therapie beim Schleimhautmelanom berichtet.
81 
Prof. Dr. H. hat im MDK-Gutachten vom 16.07.2012 der Auffassung des Prof. Dr. K. im Kern zugestimmt und ebenfalls dargelegt, dass es eine zugelassene adjuvante Therapie zur Verhinderung von Fernmetastasen beim anorektalen Melanom (dem Schleimhautmelanom der Klägerin) nicht gibt. Hierfür bestehen - so Prof. Dr. H. - nahezu keine gesicherten Erkenntnisse. Es finden sich vielmehr nur - und seien es auch deutliche - Hinweise in der wissenschaftlichen Literatur, dass Patienten mit anorektalem Melanom in Analogie zu Patienten mit kutanem Melanom behandelt werden, wie es in der Onkologie auch bei anderen Tumorentitäten gehandhabt wird. Der Erfolg der letztendlich auf die Vermutung einer (tumorbiologischen) Vergleichbarkeit des Schleimhautmelanoms mit dem kutanen Melanom gestützten Interferonbehandlung ist im Übrigen schon beim kutanen Melanom sehr gering; weniger als 10% der Patienten haben davon einen Nutzen. Insgesamt besteht daher nach der überzeugenden Auffassung des Prof. Dr. K. für die Wirksamkeit der der Klägerin im Tumorboard des Comprehensive Cancer Center U. vorgeschlagenen Interferontherapie beim Schleimhautmelanom jeglicher Anhalt und es muss auf der Grundlage der publizierten Erfahrungen davon ausgegangen werden, dass ihr eine Interferontherapie keinen Nutzen gebracht hätte. Sie kann damit nicht auf diese Therapie als Standardtherapie verwiesen werden. Dem ist im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H. nichts wirklich Überzeugendes entgegengesetzt. Prof. Dr. H. hat sich der Sache nach mit einer eher vom Erkrankungsfall der Klägerin abstrahierenden Methodendiskussion befasst, etwa indem er es als gültige Lehrmeinung bezeichnet, Patienten mit malignen Melanomen (in einem bestimmten Stadium) eine adjuvante Interferontherapie unter sorgfältiger Abwägung und Aufklärung anzubieten; damit wird nicht ausreichend klar auf den Behandlungsfall der Klägerin eingegangen. Die Schlussfolgerung des Prof. Dr. H., für diese stehe mit der Interferontherapie - und das auch nur grundsätzlich - eine Standardtherapie zur adjuvanten Behandlung des malignen Melanoms zur Verfügung, ist im Kern zu allgemein gehalten. Der Senat kann ihr angesichts der überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. K., denen sich Prof. Dr. H. in wesentlichen Teilen auch angeschlossen hat, nicht folgen. Die Klägerin ist auch nicht auf eine weitere Operation, etwa die Entfernung von Wächterlymphnoten (MDK-Gutachten des Prof. Dr. H.) zu verweisen. Prof. Dr. K. hat in seinem Gutachten insoweit schlüssig dargelegt, dass die Überlebensprognose der Klägerin weder durch eine größere lokale Operation noch durch eine diagnostische oder elektive Lymphknotenexstirpation/-dissektion zu verbessern wäre. Außerdem ist Gegenstand des vorliegenden Streits keine (weitere) operative Heilbehandlung, sondern eine adjuvante Heilbehandlung durch Anwendung eines zellulären Arzneimittels zur Metastasenprophylaxe.
82 
Hinsichtlich der bei der Klägerin durch PD Dr. G. (ärztlich) angewandten Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen besteht eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
83 
Der Anspruch des Versicherten auf Gewährung ärztlicher Behandlung (§§ 27, 28 SGB V) als Sachleistung im Wege der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (bzw. jetzt nach Maßgabe des § 2 Abs. 1a SGB V) erfordert nach der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG nicht, dass die begehrte Behandlungsmethode bereits als Standard etabliert ist und dass ihre Wirksamkeit durch größere kontrollierte oder belastbare Studien (bereits) bewiesen ist oder dass sie Eingang in die klinische Routine gefunden hat; die entsprechenden Postulate im MDK-Gutachten des Dr. G. vom 08.10.2009 und auch im MDK-Gutachten des Dr. B. vom 12.05.2010 sowie im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H. sind zu eng und so mit den verfassungsgerichtlichen Maßgaben der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs nicht vereinbar. Ein grundrechtsfundierter (bzw. in § 2 Abs. 1a SGB V verankerter) Leitungsanspruch ist auch nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die zuständige medizinische Fachgesellschaft - hier die Deutsche Krebsgesellschaft - die in Rede stehende Behandlungsmethode nicht als Therapie empfiehlt. Empfehlungen dieser Art haben tatsächliches Gewicht, jedoch keine den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nahekommende Ausschlusswirkung. Davon abgesehen hat die Deutsche Krebsgesellschaft die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen in ihrer Stellungnahme vom 03.11.2011 zur Therapie von Tumorpatienten mit onkologischen Viren auch nicht allgemein abgelehnt, sondern darauf verwiesen, dass hinsichtlich der onkologischen Virentherapie - die der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen entspricht - bei in der Regel sehr guter Verträglichkeit in einzelnen Fällen eine gute Wirksamkeit dokumentiert worden ist. Bedenken werden vor allem in Hinblick auf (derzeit nicht) auszuschließende negative Auswirkungen geäußert. Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt die in Rede stehende Behandlung - immerhin - im Rahmen klinischer Studien. Ungeachtet des negativen Tenors sind der genannten Empfehlung damit - worauf alleine es für die Gewährung eines grundrechtsfundierten Leistungsanspruchs ankommt - (sogar) Indizien für eine nicht ganz fern liegende positive Wirkung der dendritischen Zellbehandlung zu entnehmen. Hinzukommt als weiteres stützendes Indiz, dass - so Prof. Dr. K. in seinem Gutachten - in fast allen von ihm gesichteten Studien zur Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen von einem klinischen Ansprechen bei einem Teil der Patienten berichtet wird mit Ansprechraten bei der Tumorentität Melanom von wenigen Prozent bis (immerhin) 30 %; in 14 von 46 Studien wird sogar über komplette Remissionen, die auch andere Tumorentitäten (wie Nierenzellkarzinom oder Lymphom) betreffen, berichtet. Dass es sich bei diesen Studien in der großen Mehrheit um Phase-I/II-Studien mit in der Regel bis zu 30 Patienten handelt, ist unerheblich. Im Rahmen der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs kommt es nicht auf einen - möglichst weitgehenden - Wirksamkeitsnachweis, sondern nur darauf an, ob eine nicht ganz fern liegende Aussicht wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auf (bloße) Indizien gestützt werden kann. Außerdem liegen (immerhin) 2 randomisierte Phase-III-Studien zur Behandlung des Prostatakarzinoms mit dendritischen Zellen vor. Der indiziellen Wirkung der von Prof. Dr. K. angeführten Studienergebnisse wird man nicht ohne Weiteres die Unterschiede der Tumorentitäten entgegenhalten dürfen, nachdem die Beklagte hinsichtlich der etablierten Behandlungsmethoden ebenfalls einen Analogschluss von der Wirksamkeit der Interferontherapie beim kutanen Melanom auf eine entsprechende Wirksamkeit beim Schleimhautmelanom vornimmt und „Analogbehandlungen“ - so Prof. Dr. H. in seinem MDK-Gutachten - in der Onkologie auch bei anderen seltenen Tumorarten praktiziert werden.
84 
Bei dieser Sachlage kann der an einer schweren Krebserkrankung leidenden Klägerin die Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen ohne Grundrechtsverstoß nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung versagt werden, zumal - wie Prof. Dr. K. in Einklang mit der Deutschen Krebsgesellschaft dargelegt hat - (nur) mit eher milden Nebenwirkungen gerechnet werden muss. Die begehrte Behandlungsmethode enthält als Krebsbehandlung mit zellulären Arzneimitteln im Rahmen neuartiger Therapien (vgl. §§ 4 Abs. 9, 4b AMG) keine „unseriösen“ Heilungsversprechen, für deren Kosten die Versichertengemeinschaft nicht aufzukommen braucht, stellt vielmehr eine (seriöse) ärztliche Behandlungsmethode dar, der Prof. Dr. K. als Koordinator des Hautkrebszentrums der Universitätsklinik E. bei der Krebserkrankung der Klägerin in der Summe ein viel höheres Potenzial als den unspezifischen Immuntherapien mit Interferon oder Yervoy beimisst. Die Beklagte und ersichtlich auch der MDK werden mit ihrer (zu engen) Auffassung den besonderen Leistungsanforderungen, die den gesetzlichen Krankenkassen nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung aus den Grundrechten der Versicherten erwachsen, im vorliegenden Fall nicht ausreichend gerecht (anders etwa LSG Hessen, Beschl. v. 28.03.2013, - L 8 KR 68/13 ZVW - ; LSG, Urt. v. 12.01.2012, - L 5 KR 49/10 -; zum Recht der beamtenrechtlichen Beihilfe etwa VGH Baden-Württemberg Urt. v. 14.07.2010, - 11 S 2730/09 -). Der Senat sieht sich mit dieser Rechtsprechung im Wesentlichen in Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 26.2.2013, - 1 BvR 2045/12 -; zum Recht der privaten Krankenversicherung etwa BGH, Urt. v. 30.10.2013, - IV ZR 307/12 -).
b).
85 
Die auch im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachtenden Maßgaben des Arzneimittelrechts stehen der Leistungsgewährung nicht entgegen.
86 
Hinsichtlich der Herstellung der bei der Klägerin durch PD Dr. G. im mehreren Behandlungszyklen applizierten dendritischen Zellen als zelluläres Arzneimittel für neuartige Therapien (§§ 4 Abs. 9, 4b AMG) ist, wie der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. K. entnimmt, ein übliches Verfahren angewendet worden. Dass es keinen allgemein Herstellungsstandard gibt, ist nicht maßgeblich. Die Einwendungen im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H., der offenbar die angewandte Herstellungsmethode in ihrer Eigenart nicht hat nachvollziehen können, sind daher nicht berechtigt. Dass die Firma C. die dendritischen Zellen unter Verletzung des Arzneimittelrechts hergestellt und in Verkehr gebracht hätte, ist von der Beklagten letztendlich nur behauptet worden; stichhaltige Anhaltspunkte hierfür bestehen - auch im Hinblick auf das eingangs dargestellte - Übergangsrecht für Arzneimittel für neuartige Therapien nicht. Wie die Firma C. unter dem 27.02. 2014 mitgeteilt hat, hat sie die Herstellung dendritischer Zellen im April 2012 eingestellt. Die Herstellung dendritischer Zellen wird nunmehr von dem Labor Dr. G. vorgenommen. Die abschließende Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde über die von der Firma C. seinerzeit beantragte Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG ist offenbar nicht ergangen, so dass es für die streitige Zeit (2009, 2010) bei der Anwendung des Übergangsrechts (insbesondere § 144 Abs. 1 AMG) bleibt. Die Beklagte kann den grundrechtsfundierten Leistungsanspruch der Klägerin nicht unter Hinweis auf (verfahrensrechtliche) arzneimittelrechtliche Anforderungen an die Herstellung und Anwendung der bei der Klägerin applizierten dendritischen Zellen abwehren, nachdem insoweit sachliche Bedenken, wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervorgeht, nicht bestehen und auch weder von der Beklagten noch vom MDK (substantiiert) geltend gemacht werden.
3.)
87 
Die übrigen Voraussetzungen des von der Klägerin verfolgten Erstattungsbegehrens sind erfüllt. Die Klägerin hat die Behandlungskosten nach Maßgabe der Rechnungen des PD Dr. G. gezahlt und dessen Zahlungsanspruch erfüllt. Bedenken hinsichtlich der Höhe der Kosten sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
88 
Insgesamt erweisen sich damit der Bescheid der Beklagten vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 sowie der Bescheid vom 06.08.2009 als rechtswidrig. Diese Bescheide können damit ebenso wenig Bestand haben wie das Urteil des SG. Der Berufung der Klägerin war in vollem Umfang stattzugeben.
IV.
89 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
90 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Gründe

 
55 
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem geltend gemachten Erstattungsbetrag von über 12.000 EUR überschritten. Die Berufung ist auch sonst zulässig (§ 151 SGG). Sie ist auch begründet. Die Beklagte hat die Erstattung der Aufwendungen der Klägerin für die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht abgelehnt.
56 
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Beklagte der Klägerin 12.601,79 EUR zu erstatten hat, die die Klägerin der Firma C. auf deren Rechnungen vom 16.07.2009, 22.02.2010 und 16.12.2010 gezahlt hat. Die Erstattung des Betrags der Rechnung vom 16.07.2009 war bereits Gegenstand des Bescheids vom 06.08.2010. Ob der Widerspruch gegen diesen Bescheid tatsächlich von der Klägerin am 08.10.2009 fernmündlich zurückgenommen wurde und ob ein nicht weiter bestätigter Telefonvermerk eines Mitarbeiters der Beklagten ausreicht, das Widerspruchsverfahren einzustellen, kann offenbleiben. Da die Klägerin mit dem eingereichten Schreiben vom 09.02.2010 die Übernahme der gesamten Kosten der bisherigen Behandlung mit dendritischen Zellen verlangt hat, bezieht sich der Bescheid vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 nicht nur auf die Rechnungen vom 22.02.2010 und 16.12.2010, sondern auch auf die Rechnung vom 16.07.2010. Jedenfalls der Widerspruchsbescheid vom 28.09.2010 enthält eine abschließende Stellungnahme der Beklagten zum gesamten Behandlungskomplex mit dendritischen Zellen als Folge des im Juni 2009 operativ entfernten Schleimhautmelanoms der Klägerin. Das SG hat deshalb zu Recht in diesen Bescheiden eine inzidente Ablehnung eines Antrags nach § 44 SGB X in Bezug auf den Bescheid vom 06.08.2009 gesehen. Die Beklagte hat die erneute Überprüfung des Bescheids nach § 44 SGB X durch den Senat im Berufungsverfahren auch nicht in Frage gestellt.
I.
57 
Rechtsgrundlage des mit Klage und Berufung verfolgten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift sieht in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urt. v. 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -).
58 
Der hier allein in Betracht kommende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und grundsätzlich auch einen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten voraus. Die rechtswidrige Ablehnung der Leistung scheidet für solche (selbst beschaffte) Leistungen von vornherein aus, die von den Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung nicht zu erbringen sind. Der Kostenerstattungsanspruch gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB V reicht nämlich nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Der Ursachenzusammenhang zwischen rechtswidriger Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urt. v. 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V).
59 
§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V darf nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 19.03.2009 - 1 BvR 316/09) nicht in der Weise ausgelegt werden, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt. Dies gilt erst recht, wenn - wie nachstehend aufgezeigt - bei grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts des SGB V ein Anspruch auf Behandlung mit dendritischen Zellen besteht, den die Beklagte von Anfang an als Sachleistung hätte gewähren müssen und den sie in der Folge zu Unrecht abgelehnt hat. Bei der Rechtsanwendung im Einzelfall müssen dann die grundrechtlichen Maßgaben insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes berücksichtigt werden, namentlich, wenn erhebliche und nicht wiedergutzumachende Schäden für Leib und Leben drohen (Art. 2 Abs. 2 GG) und der Versicherte deswegen existentielle Leistungen der Krankenversicherung begehrt. Auch insoweit gilt, dass sich das Gericht (genauso wie die Krankenkasse) schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -; auch Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B - zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung). Das verbietet es, im Einzelfall überzogene und damit unverhältnismäßige Verfahrenserfordernisse nicht nur für den Zugang des Versicherten zu den Leistungen der Krankenkasse, sondern auch für die Selbstbeschaffung einer Leistung und die Erstattung der hierfür entstandenen Aufwendungen nach Maßgabe des § 13 Abs. 3 SGB V aufzustellen. Gerade in den Fällen des § 2 Abs. 1a SGB V, also bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen wird es daher vielfach genügen müssen, wenn der Versicherte sich mit seinem Leistungsbegehren unverzüglich an die Krankenkasse wendet und dieser daher jedenfalls eine zeitnahe Prüfung ermöglicht wird. Einzelheiten des Beschaffungswegs werden dann für den Erstattungsanspruch keine ausschlaggebende Rolle spielen können, vielmehr wird die Krankenkasse und im Streitfall das Gericht zu prüfen haben, ob das Erstattungsverlangen in der Sache berechtigt ist.
II.
60 
Rechtsgrundlage des dem Kostenerstattungsanspruch zugrunde liegenden Leistungsanspruchs auf Gewährung ärztlicher Behandlung ist § 27 Abs. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB V) auch die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V). Der Anspruch auf Krankenbehandlung bzw. Arzneimittelversorgung unterliegt den für alle Leistungsansprüche (§ 11 SGB V) geltenden allgemeinen Maßgaben der §§ 2, 12 SGB V. Gem. § 2 Abs. 1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Gem. § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Die Versicherten erhalten die ihnen danach zustehenden Leistungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V als Sach- und Dienstleistungen, soweit das SGB V nichts anderes vorsieht.
1.)
61 
Bei der Versorgung der Versicherten mit ärztlicher Heilbehandlung ist hinsichtlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (BSG, Urt. v. 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -) zu beachten. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch dann nur zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen (vgl. BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -), wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. An die Entscheidungen des Bundesausschusses sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R - m.w.N.). Ohne befürwortende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht (zu alledem auch Senatsurteil vom 30.8.2006, - L 5 KR 281/06 -). Die Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst „Methoden“, also Maßnahmen, die bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandt werden (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -); dazu können ggf. auch über die bloße Verabreichung von Arzneimitteln hinausgehende Pharmakotherapien zählen.
62 
Neu ist eine Behandlungsmethode zunächst dann, wenn sie erst nach Inkrafttreten des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V - also erst in der Zeit seit dem 01.01.1989 - als kassen- bzw vertragsärztliche Behandlungsmethode praktiziert worden ist. Neu ist auch eine Behandlungsmethode, für die eine entsprechende Leistungsposition im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zunächst nicht bestand, diese vielmehr erst später - nach dem 01.01.1989 - in das Leistungsverzeichnis des EBM-Ä aufgenommen wurde (zur Maßgeblichkeit des EBM auch BSG, Urt. v. 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -). Nach diesen Abgrenzungen ist bei Arzneitherapien - bei Arzneimitteln ist kein Raum für die Schaffung einer Leistungsposition im EBM-Ä - darauf abzustellen, ob sie schon vor dem 01.01.1989 oder erst nach dem 01.01.1989 praktiziert wurden. Wurden sie schon vorher praktiziert, so sind sie nicht neu; dann käme nur eine Überprüfung nach Maßgabe des § 135 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V in Betracht, wonach die Verordnungsfähigkeit erst ausgeschlossen wäre, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die Behandlungsmethode ausdrücklich für unvereinbar mit den Erfordernissen des § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V erklärt hatte (BSG; Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 48/09 R -). Eine Behandlungsmethode kann auch dann als „neu“ zu beurteilen und deshalb der besonderen krankenversicherungsrechtlichen Qualitätskontrolle zu unterwerfen sein, wenn sie sich aus einer neuartigen Kombination verschiedener - für sich jeweils anerkannter oder zugelassener - Maßnahmen zusammensetzt (BSG; Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -).
63 
Näheres zur Arzneimittelversorgung der Versicherten ist in § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V geregelt. Danach besteht Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Der (krankenversicherungsrechtliche) Arzneimittelbegriff in §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 31 SGB V knüpft an den (verwaltungsrechtlichen) Arzneimittelbegriff des AMG an. Dieser ist in der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG festgelegt; weitere Begriffsbestimmungen enthält § 4 AMG. Gem. § 2 Abs. 1. AMG sind Arzneimittel (u.a.) Stoffe, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im menschlichen Körper Krankheiten zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen; Stoffe in diesem Sinne sind gem. § 3 Nr. 3 AMG auch menschliche Stoffwechselprodukte in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand, also auch Blut und Blutplasma (Rehmann, AMG § 3 Rdnr. 2). Gem. § 4 Abs. 2 AMG sind Blutzubereitungen Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten. § 4 Abs. 9 AMG (i. d. F. des Gesetzes v. 17.07.2009, BGBl. I, S. 1990, gültig ab 23.07.2009) bestimmt, dass (u.a.) somatische Zelltherapeutika (i. S. d. in dieser Vorschrift genannten EG-Verordnungen) Arzneimittel für neuartige Therapien sind. Das aus dem Blut des Patienten durch Beladung mit Antigenen hergestellte Präparat mit dendritischen Zellen stellt ein (zelluläres) Arzneimittel (Blutzubereitung bzw. somatisches Zelltherapeutikum nach § 4 Abs. 2, 9 AMG) dar (vgl. dazu auch etwa OLG München, Urt. v. 16.11.2005, - 20 U 3950/05 - sowie DÖSGHO-Jahrestagung, veröffentlicht unter www://haematologie-onlologie.universimed.com/artikel). Damit unterliegt die Herstellung dendritischer Zellen und deren Anwendung im Rahmen der Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V den Maßgaben des Arzneimittelrechts.
64 
Hinsichtlich der Herstellung dendritischer Zellen ist gem. § 20b Abs. 1 und 4 AMG (eingeführt durch Gesetz v. 20.07.2007, BGBl. I. S. 1574 zum 01.08.2007) im Grundsatz eine behördliche Erlaubnis notwendig. Hinsichtlich der Arzneimittel für neuartige Therapien nach § 4b AMG (eingeführt durch Gesetz v. 17.07.2009, a. a. O. zum 23.07.2009), also für Arzneimittel, die als individuelle Zubereitung für einen einzelnen Patienten ärztlich verschrieben, nach spezifischen Qualitätsnormen nicht routinemäßig hergestellt und in einer spezialisierten Einrichtung der Krankenversorgung unter der fachlichen Verantwortung eines Arztes angewendet werden (§ 4b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AMG) sind in der (ebenfalls ab 23.07.2009 geltenden) Vorschrift des § 144 AMG Übergangsregelungen getroffen worden. Danach gilt (u.a.): Wer die in § 4b Abs. 1 AMG genannten Arzneimittel für neuartige Therapien am 23.07.2009 befugt herstellt und bis zum 01.012010 eine Herstellungserlaubnis beantragt, darf diese Arzneimittel bis zur Entscheidung über den gestellten Antrag weiter herstellen.
65 
Hinsichtlich des Inverkehrbringens dendritischer Zellen ist die für Fertigarzneimittel, wozu auch außerhalb der Apotheke gewerblich hergestellte Rezepturarzneimittel gehören (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 AMG), gem. § 21 Abs. 1 AMG an sich notwendige arzneimittelrechtliche Zulassung nicht erforderlich. Gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1a AMG bedarf es einer Zulassung nämlich nicht für Arzneimittel, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden; dies trifft auf das in Rede stehende zelluläre Arzneimittel zu. Nach näherer Maßgabe des § 21a Abs. 1 AMG kann demgegenüber ggf. eine Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde erforderlich sein (vgl. § 21a Abs. 1 Satz 3: Blutstammzellzubereitungen zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung).
2.)
66 
Bei der Anwendung von Arzneimitteln können die Maßgaben des Arzneimittelrechts, insbesondere arzneimittelrechtliche Verkehrsverbote mit ihren Folgewirkungen für das Krankenversicherungsrecht (dazu näher etwa Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B -: Botoxinjektion zur Blasenvergrößerung), und der krankenversicherungsrechtliche Erlaubnisvorbehalt für die Anwendung neuer ärztlicher Behandlungsmethoden gem. § 135 Abs. 1 SGB V gleichzeitig anzuwenden sein. Für die Abgrenzung der Pharmakotherapie durch bloße Verabreichung eines Arzneimittels - auch im Wege der Injektion - von der Pharmakotherapie als ärztliche Behandlungsmethode kommt es darauf an, welches Gewicht der ärztlichen Tätigkeit für den Therapieerfolg zukommt (vgl. näher BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -, LSG Baden-Württemberg, Urt. v. Urt. v. 15.5.2012, - L 11 KR 5817/10 -). Ist diese im Rahmen eines Zusammenspiels von ärztlicher Kunst und Arzneimittelgabe ebenso wichtig wie das Wirkprinzip des in den Körper eingebrachten Stoffes, liegt in jedem Fall eine über die schlichte Verabreichung eines Arzneimittels hinausgehende ärztliche Behandlungsmethode vor. Die Anforderungen des Krankenversicherungsrechts sind dann ggf. im Erlaubnisverfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu prüfen. Dessen krankenversicherungsrechtliche Prüfung kommt zur ggf. notwendigen arzneimittelrechtlichen Prüfung durch die hierfür zuständige Verwaltungsbehörde hinzu (vgl. BSG Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -). Für solche Pharmakotherapien besteht eine Leistungspflicht der Krankenkasse daher erst dann, wenn die aus dem Arzneimittelrecht folgenden leistungsrechtlichen Mindestvoraussetzungen und die krankenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine neue Behandlungsmethode kumulativ erfüllt sind, wenn also weder ein arzneimittelrechtliches Verkehrsverbot noch der krankenversicherungsrechtliche Erlaubnisvorbehalt das verwendete Arzneimittel erfasst (BSG Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 -; auch dazu Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B -). Das gilt nach Auffassung des Senats für die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen als Anwendung eines zellulären Arzneimittels für neuartige Therapien i. S. d. § 4 Abs. 9 AMG. Dabei handelt es sich (wovon ersichtlich auch die Beteiligten ausgehen) nicht um die bloße Verabreichung eines Arzneimittels, sondern um eine ärztliche Behandlungsmethode nach § 135 Abs. 1 SGB V.
3.)
67 
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt und des Fehlens einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde und damit ein „Systemversagen“ vorliegt. Dann ist die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien nämlich rechtswidrig unterblieben, weshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (näher BSGE 81, 54 sowie BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -). Auch bei Krankheiten, die wegen ihrer Seltenheit praktisch nicht systematisch erforschbar sind, muss die Behandlung aus dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht schon mangels entsprechender Empfehlung des Bundesausschusses ausscheiden (vgl. dazu BSGE 93,236).
68 
Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG können sich (ansonsten nicht bestehende) Leistungsansprüche darüber hinaus auch aus einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts ergeben. In seinem Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlichen Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig.
69 
Das Bundessozialgericht hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG Urt. v. 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung (oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit - BSG, Urt. v. 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht bei BSG, Urt. v. 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr individuelle Notlage gegeben sein, wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschl. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -).
70 
Diese Grundsätze sind auf die Arzneimittelversorgung übertragen worden. Sie können ggf. einen Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln begründen, die arzneimittelrechtlich noch gar nicht oder nicht für den in Rede stehenden Anwendungsbereich zugelassen sind. Ergänzend hat das BSG - im Hinblick auf die Versorgung mit Arzneimitteln - aber dargelegt, dass an das Krankheits-Kriterium (im Sinne der vorstehend unter 1. genannten Voraussetzung) strengere Anforderungen zu stellen sind als an das Kriterium der schwerwiegenden Erkrankung für die Eröffnung des Off-Label-Use (vgl. BSG, Urt. v. 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -; auch BSG, Urt. v. 13.10.2010, - B 6 KA 48/09 R -).
71 
In der seit 01.01.2012 geltenden Vorschrift des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V hat der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG entwickelten Rechtgrundsätze zu grundrechtsfundierten Leistungsansprüchen in das SGB V aufgenommen. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende, insbesondere also eine in Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (noch) nicht entsprechende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung festgestellt. Für Auslegung und Anwendung des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V sind die Maßgaben der genannten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG heranzuziehen (Senatsurteil vom 14.03.2012, - L 5 KR 5406/11 -).
III.
72 
Davon ausgehend steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von PD Dr. G. in den Jahren 2009 und 2010 durchgeführte Behandlung mit dendritischen Zellen zu. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V sind erfüllt. Die Klägerin hat den in dieser Vorschrift vorgesehenen Beschaffungsweg eingehalten (unten 1). Die Beklagte hat die von der Klägerin selbstbeschaffte Leistung auch zu Unrecht abgelehnt (unten 2). Auch die Übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs sind erfüllt (unten 3).
1.)
73 
Die Klägerin hat sich die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen durch PD Dr. G. ohne Missachtung des in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Beschaffungswegs selbst beschafft. Die Frage nach der Einhaltung des Beschaffungswegs kann sich dabei nur auf die Rechnungen beziehen, die vor der grundsätzlichen Ablehnungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 06.08.2009 ergangen sind, das ist hier allein die Rechnung vom 16.07.2009. Die Klägerin hat nämlich mit ihrem Antrag vom 09.07.2009 initial für die gesamte Behandlung mit dendritischen Zellen den Antrag auf Kostenfreistellung bei der Beklagten gestellt; das genügt (BSG Urt. v. 07.05.2013 - B 1 KR 44/12 R - Juris Rn 30). Eine Beschränkung lediglich auf die im Juli 2009 angefallenen Kosten lässt sich diesem Antrag nicht entnehmen. Im Übrigen stellen sich die einzelnen Behandlungszyklen als unselbständige (Teil-)Leistungen der auf die Verhinderung der Metastasenbildung gerichteten adjuvanten Behandlung der Klägerin nach der operativen Entfernung des Tumorgewebes dar, weshalb es mit dem (rechtzeitigen) Herantragen des Leistungsbegehrens an die Beklagte hinsichtlich des ersten Behandlungszyklus sein Bewenden haben muss.
74 
Die Klägerin, die an einem im Juni 2009 diagnostizierten Schleimhautmelanom und damit - wie Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 03.02.2012 dargelegt hat - an einer seltenen Untergruppe des Melanoms mit wesentlich schlechterer Prognose als das Hautmelanom (kutane Melanom) leidet, ist am 05.06.2009 und am 13.07.2009 durch Exzision des Tumors und Nachresektion operativ behandelt worden. Die (weitere) Behandlung mit dendritischen Zellen ist danach im Juli 2009 aufgenommen und in mehreren Behandlungszyklen durchgeführt worden. Die Klägerin hat sich - hinsichtlich des ersten Behandlungszyklus - erstmals am 09.07.2009, also noch vor der operativen Tumornachresektion am 13.07.2009, wegen einer sich an die operative Therapie anschließenden (adjuvanten) Nachbehandlung mit dendritischen Zellen (zur Metastasenprophylaxe) an die Beklagte gewandt und die Gewährung dieser Behandlung als Sachleistung beantragt. Sie hat sich nicht von vornherein außerhalb des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung gestellt, um sich von dort ohne weitere Prüfung durch die Krankenkasse eine vom Leistungskatalog nicht umfasste Behandlungsleistung zu verschaffen, sondern sie hat die Beklagte nach Lage der Dinge unverzüglich mit dem Leistungsbegehren konfrontiert und eine zeitnahe Prüfung ermöglicht. Dass mit der Herstellung der dendritischen Zellen wenige Tage vor Antragstellung - am 07.07.2009 - begonnen worden ist, ist demgegenüber unschädlich, ohne dass es noch darauf ankäme, ob man den Behandlungsbeginn der dendritischen Zelltherapie auf diesen Tag oder den Tag der erstmaligen Verabreichung der dendritischen Zellen festzulegen hätte. Angesichts der Gefahr einer Metastasierung der schweren Krebserkrankung und der damit verbundenen Todesgefahr ist es im Hinblick auf das Grundrecht der Klägerin auf Leben und Gesundheit bzw. die daraus folgenden Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zu vereinbaren, ihr zur Vermeidung einer etwaigen Kostenbelastung vor der Aufnahme der in Rede stehenden Behandlung zur Metastasenprophylaxe auch das Abwarten einer (Ablehnungs-)Entscheidung der Beklagten abzuvE. (ebenso BSG Urt. v. 12.09.2012 - B 3 KR 20/11 R - Juris Rn 12 für den Fall einer verzögerten Entscheidung über eine Hilfsmittelgewährung), zumal angesichts der zu erwartenden Einschaltung des MDK mit einem länger dauernden Verwaltungsverfahren zu rechnen gewesen ist. Bei dieser Sachlage kommt es nicht in Betracht, den geltend gemachten Erstattungsanspruch schon wegen der Einzelheiten des Beschaffungsvorgangs abzulehnen, vielmehr ist eine Sachprüfung erforderlich.
2.)
75 
Die Beklagte hat die Gewährung der beantragten Behandlung mit dendritischen Zellen zu Unrecht abgelehnt. Die Beklagte hätte der Klägerin die in Rede stehende Behandlung nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs als Sachleistung gewähren müssen (unten a). Vorschriften des Arzneimittelrechts stehen dem nicht entgegen (unten b).
a.)
76 
Die Klägerin hatte Anspruch auf die Behandlung ihrer Krebserkrankung mit dendritischen Zellen als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
77 
Bei der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode i. S. d § 135 Abs. 1 SGB V; für diese ärztliche Leistung ist eine Leistungsposition im EBM nicht vorhanden. Eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses existiert nicht. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist mit der hier streitigen Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen auch nicht befasst, wie er gegenüber dem Senat mit Schreiben vom 13.03.2014 dargelegt hat. Anhaltspunkte für ein so genanntes Systemversagen liegen nicht vor (Senatsbeschluss vom 16.05.2011, - L 5 KR 970/11 ER-B -). Bei dem Schleimhautmelanom, an dem die Klägerin leidet, handelt es sich zwar um eine seltene Untergruppe des Melanoms, jedoch nicht um eine wegen ihrer Seltenheit systematisch gar nicht erforschbare Krankheit. Hierüber herrscht unter den Beteiligten ersichtlich kein Streit. Danach kommt ein Leistungsanspruch nur nach Maßgabe der vom BVerfG (Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) vorgenommenen grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (jetzt: § 2 Abs. 1a SGB V) in Betracht. Die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind erfüllt.
78 
Die Klägerin leidet (unstreitig) an einer lebensbedrohlichen und regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung. Das Schleimhautmelanom, an dem sie erkrankt ist, hat, wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervorgeht, eine äußerst schlechte und (noch) ungünstigere Überlebensprognose als das kutane Melanom (der Haut) mit einer mittleren Überlebenszeit von 10 bis 13 Monaten. Über 90% der Patienten versterben innerhalb von 5 Jahren. Entgegen der Auffassung der Beklagten (und des MDK, etwa Gutachten des Dr. G. vom 05.10.2009) scheitert die Leistungsgewährung auch nicht am Erfordernis einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage. Das BVerfG hat hierfür ersichtlich stets auf den Einzelfall abgestellt und eine rein zeitliche Betrachtung nicht vorgenommen, etwa auch ausreichen lassen, dass in Sonderfällen der Tod voraussichtlich erst in einigen Jahren eintreten wird (Beschl. v. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -). Auch die Unterscheidung zwischen einer adjuvanten und einer kurativen Behandlungssituation, auf die sich der MDK stützen will, ist für die hier maßgebliche grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die Behandlung mit dendritischen Zellen hat nach der operativen Entfernung des Tumorgewebes zum Ziel, die Bildung von Metastasen zu verhindern. Nur dann besteht Aussicht auf eine Heilung der Krebserkrankung. Sind demgegenüber Metastasen aufgetreten, bestehen praktisch keine aussichtsreichen Behandlungsmöglichkeiten mehr und es muss mit einem (baldigen, innerhalb von Monaten eintretenden) Tod des Patienten gerechnet werden. Der Senat entnimmt dies dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. K.. Danach liegt die (sehr) schlechte Prognose des Schleimhautmelanoms (u.a.) daran, dass es rasch zu Fernmetastasen kommt. Ist es dazu gekommen, besteht allenfalls noch eine Therapieoption durch Yervoy, was aber nur bei maximal 10% der Patienten einen längeren Nutzen hat (mit schweren Nebenwirkungen bei 30% der Patienten). Bei dieser Sachlage gibt es keine Zwischenzeit zwischen der operativen Entfernung des Tumorgewebes und dem jedenfalls im Stadium der Heilungsbewährung stattfindenden Auftreten von Metastasen, während der die für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs notwendige individuelle Notlage naher Lebensgefahr nicht bestünde und während der zunächst das ohne adjuvante Therapie (erst recht) zu erwartende Auftreten von Metastasen abzuwarten wäre. Die vorliegende Fallgestaltung ist nach Ansicht des Senats mit der Fallgestaltung eines Prostatakarzinoms im Anfangsstadium ohne Hinweis auf metastatische Absiedlungen (vgl. BSG, Urt. v. 04.04.2006, - B 1 KR 12/05 R -) nicht vergleichbar. Der These, eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs sei auf die Situation der Rezidivprophylaxe nicht anwendbar (vgl. etwa LSG Schleswig- Holstein, Urt. v. 08.09.2011, L 5 KR 97/10 -), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen; sie findet in der Rechtsprechung des BVerfG keine ausreichende Stütze.
79 
Damit ist vorliegend letztendlich ausschlaggebend, ob für die - konkrete - Erkrankung der Klägerin eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht, und, wenn dies nicht festgestellt werden kann, ob für die bei ihr angewandte Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen eine durch Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Da für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs die Grundrechte des jeweiligen Versicherten und die diesem bei Verweigerung der Leistung im Einzelfall drohenden Grundrechtseingriffe bzw. Grundrechtsverletzungen maßgeblich sind, findet eine vom Einzelfall gelöste abstrakte Betrachtung, etwa im Sinne einer abstrakten wissenschaftlich-medizinischen Methodendiskussion, nicht statt.
80 
Für die adjuvante Therapie des Schleimhautmelanoms der Klägerin steht nach Auffassung des Senats eine allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende und die Anwendung der in Rede stehenden Alternativtherapie verdrängende Behandlungsmethode nicht zur Verfügung. Die Beklagte verweist (gestützt auf das MDK-Gutachten des Prof. Dr. H.) auf eine Interferonbehandlung, die man als eine Art „Analogbehandlung“ entsprechend der Behandlung des kutanen Melanoms auch beim (mit dem kutanen Melanom tumorbiologisch jedoch nicht ohne Weiteres gleichzusetzenden) Schleimhautmelanom anwenden könne. Die Wirksamkeit einer solchen Therapie wird aber - wenn auch gestützt durch eine von Prof. Dr. H. angeführte Phase-II-Studie in den USA - nur vermutet. Demgegenüber hat Prof. Dr. K. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt, dass es eine wirksame adjuvante Therapie zur Verhinderung einer Fernmetastasierung beim Schleimhautmelanom nicht gibt und darauf verwiesen, dass Patienten mit Schleimhautmelanomen von den Interferonstudien (gerade) ausgeschlossen werden. Die Erfahrungen mit der mangels Alternativen notgedrungen eingesetzten Interferon- und Chemotherapie hat Prof. Dr. K. als unbefriedigend eingestuft; sie würden nur „anekdotenhaft“ in Übersichtsarbeiten erwähnt. In der Literatur findet sich - so Prof. Dr. K. - keine einzige Publikation, die über eine wirksame adjuvante Therapie beim Schleimhautmelanom berichtet.
81 
Prof. Dr. H. hat im MDK-Gutachten vom 16.07.2012 der Auffassung des Prof. Dr. K. im Kern zugestimmt und ebenfalls dargelegt, dass es eine zugelassene adjuvante Therapie zur Verhinderung von Fernmetastasen beim anorektalen Melanom (dem Schleimhautmelanom der Klägerin) nicht gibt. Hierfür bestehen - so Prof. Dr. H. - nahezu keine gesicherten Erkenntnisse. Es finden sich vielmehr nur - und seien es auch deutliche - Hinweise in der wissenschaftlichen Literatur, dass Patienten mit anorektalem Melanom in Analogie zu Patienten mit kutanem Melanom behandelt werden, wie es in der Onkologie auch bei anderen Tumorentitäten gehandhabt wird. Der Erfolg der letztendlich auf die Vermutung einer (tumorbiologischen) Vergleichbarkeit des Schleimhautmelanoms mit dem kutanen Melanom gestützten Interferonbehandlung ist im Übrigen schon beim kutanen Melanom sehr gering; weniger als 10% der Patienten haben davon einen Nutzen. Insgesamt besteht daher nach der überzeugenden Auffassung des Prof. Dr. K. für die Wirksamkeit der der Klägerin im Tumorboard des Comprehensive Cancer Center U. vorgeschlagenen Interferontherapie beim Schleimhautmelanom jeglicher Anhalt und es muss auf der Grundlage der publizierten Erfahrungen davon ausgegangen werden, dass ihr eine Interferontherapie keinen Nutzen gebracht hätte. Sie kann damit nicht auf diese Therapie als Standardtherapie verwiesen werden. Dem ist im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H. nichts wirklich Überzeugendes entgegengesetzt. Prof. Dr. H. hat sich der Sache nach mit einer eher vom Erkrankungsfall der Klägerin abstrahierenden Methodendiskussion befasst, etwa indem er es als gültige Lehrmeinung bezeichnet, Patienten mit malignen Melanomen (in einem bestimmten Stadium) eine adjuvante Interferontherapie unter sorgfältiger Abwägung und Aufklärung anzubieten; damit wird nicht ausreichend klar auf den Behandlungsfall der Klägerin eingegangen. Die Schlussfolgerung des Prof. Dr. H., für diese stehe mit der Interferontherapie - und das auch nur grundsätzlich - eine Standardtherapie zur adjuvanten Behandlung des malignen Melanoms zur Verfügung, ist im Kern zu allgemein gehalten. Der Senat kann ihr angesichts der überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. K., denen sich Prof. Dr. H. in wesentlichen Teilen auch angeschlossen hat, nicht folgen. Die Klägerin ist auch nicht auf eine weitere Operation, etwa die Entfernung von Wächterlymphnoten (MDK-Gutachten des Prof. Dr. H.) zu verweisen. Prof. Dr. K. hat in seinem Gutachten insoweit schlüssig dargelegt, dass die Überlebensprognose der Klägerin weder durch eine größere lokale Operation noch durch eine diagnostische oder elektive Lymphknotenexstirpation/-dissektion zu verbessern wäre. Außerdem ist Gegenstand des vorliegenden Streits keine (weitere) operative Heilbehandlung, sondern eine adjuvante Heilbehandlung durch Anwendung eines zellulären Arzneimittels zur Metastasenprophylaxe.
82 
Hinsichtlich der bei der Klägerin durch PD Dr. G. (ärztlich) angewandten Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen besteht eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
83 
Der Anspruch des Versicherten auf Gewährung ärztlicher Behandlung (§§ 27, 28 SGB V) als Sachleistung im Wege der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (bzw. jetzt nach Maßgabe des § 2 Abs. 1a SGB V) erfordert nach der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG nicht, dass die begehrte Behandlungsmethode bereits als Standard etabliert ist und dass ihre Wirksamkeit durch größere kontrollierte oder belastbare Studien (bereits) bewiesen ist oder dass sie Eingang in die klinische Routine gefunden hat; die entsprechenden Postulate im MDK-Gutachten des Dr. G. vom 08.10.2009 und auch im MDK-Gutachten des Dr. B. vom 12.05.2010 sowie im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H. sind zu eng und so mit den verfassungsgerichtlichen Maßgaben der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs nicht vereinbar. Ein grundrechtsfundierter (bzw. in § 2 Abs. 1a SGB V verankerter) Leitungsanspruch ist auch nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die zuständige medizinische Fachgesellschaft - hier die Deutsche Krebsgesellschaft - die in Rede stehende Behandlungsmethode nicht als Therapie empfiehlt. Empfehlungen dieser Art haben tatsächliches Gewicht, jedoch keine den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nahekommende Ausschlusswirkung. Davon abgesehen hat die Deutsche Krebsgesellschaft die Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen in ihrer Stellungnahme vom 03.11.2011 zur Therapie von Tumorpatienten mit onkologischen Viren auch nicht allgemein abgelehnt, sondern darauf verwiesen, dass hinsichtlich der onkologischen Virentherapie - die der Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen entspricht - bei in der Regel sehr guter Verträglichkeit in einzelnen Fällen eine gute Wirksamkeit dokumentiert worden ist. Bedenken werden vor allem in Hinblick auf (derzeit nicht) auszuschließende negative Auswirkungen geäußert. Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt die in Rede stehende Behandlung - immerhin - im Rahmen klinischer Studien. Ungeachtet des negativen Tenors sind der genannten Empfehlung damit - worauf alleine es für die Gewährung eines grundrechtsfundierten Leistungsanspruchs ankommt - (sogar) Indizien für eine nicht ganz fern liegende positive Wirkung der dendritischen Zellbehandlung zu entnehmen. Hinzukommt als weiteres stützendes Indiz, dass - so Prof. Dr. K. in seinem Gutachten - in fast allen von ihm gesichteten Studien zur Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen von einem klinischen Ansprechen bei einem Teil der Patienten berichtet wird mit Ansprechraten bei der Tumorentität Melanom von wenigen Prozent bis (immerhin) 30 %; in 14 von 46 Studien wird sogar über komplette Remissionen, die auch andere Tumorentitäten (wie Nierenzellkarzinom oder Lymphom) betreffen, berichtet. Dass es sich bei diesen Studien in der großen Mehrheit um Phase-I/II-Studien mit in der Regel bis zu 30 Patienten handelt, ist unerheblich. Im Rahmen der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs kommt es nicht auf einen - möglichst weitgehenden - Wirksamkeitsnachweis, sondern nur darauf an, ob eine nicht ganz fern liegende Aussicht wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auf (bloße) Indizien gestützt werden kann. Außerdem liegen (immerhin) 2 randomisierte Phase-III-Studien zur Behandlung des Prostatakarzinoms mit dendritischen Zellen vor. Der indiziellen Wirkung der von Prof. Dr. K. angeführten Studienergebnisse wird man nicht ohne Weiteres die Unterschiede der Tumorentitäten entgegenhalten dürfen, nachdem die Beklagte hinsichtlich der etablierten Behandlungsmethoden ebenfalls einen Analogschluss von der Wirksamkeit der Interferontherapie beim kutanen Melanom auf eine entsprechende Wirksamkeit beim Schleimhautmelanom vornimmt und „Analogbehandlungen“ - so Prof. Dr. H. in seinem MDK-Gutachten - in der Onkologie auch bei anderen seltenen Tumorarten praktiziert werden.
84 
Bei dieser Sachlage kann der an einer schweren Krebserkrankung leidenden Klägerin die Behandlung des Schleimhautmelanoms mit dendritischen Zellen ohne Grundrechtsverstoß nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung versagt werden, zumal - wie Prof. Dr. K. in Einklang mit der Deutschen Krebsgesellschaft dargelegt hat - (nur) mit eher milden Nebenwirkungen gerechnet werden muss. Die begehrte Behandlungsmethode enthält als Krebsbehandlung mit zellulären Arzneimitteln im Rahmen neuartiger Therapien (vgl. §§ 4 Abs. 9, 4b AMG) keine „unseriösen“ Heilungsversprechen, für deren Kosten die Versichertengemeinschaft nicht aufzukommen braucht, stellt vielmehr eine (seriöse) ärztliche Behandlungsmethode dar, der Prof. Dr. K. als Koordinator des Hautkrebszentrums der Universitätsklinik E. bei der Krebserkrankung der Klägerin in der Summe ein viel höheres Potenzial als den unspezifischen Immuntherapien mit Interferon oder Yervoy beimisst. Die Beklagte und ersichtlich auch der MDK werden mit ihrer (zu engen) Auffassung den besonderen Leistungsanforderungen, die den gesetzlichen Krankenkassen nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung aus den Grundrechten der Versicherten erwachsen, im vorliegenden Fall nicht ausreichend gerecht (anders etwa LSG Hessen, Beschl. v. 28.03.2013, - L 8 KR 68/13 ZVW - ; LSG, Urt. v. 12.01.2012, - L 5 KR 49/10 -; zum Recht der beamtenrechtlichen Beihilfe etwa VGH Baden-Württemberg Urt. v. 14.07.2010, - 11 S 2730/09 -). Der Senat sieht sich mit dieser Rechtsprechung im Wesentlichen in Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 26.2.2013, - 1 BvR 2045/12 -; zum Recht der privaten Krankenversicherung etwa BGH, Urt. v. 30.10.2013, - IV ZR 307/12 -).
b).
85 
Die auch im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachtenden Maßgaben des Arzneimittelrechts stehen der Leistungsgewährung nicht entgegen.
86 
Hinsichtlich der Herstellung der bei der Klägerin durch PD Dr. G. im mehreren Behandlungszyklen applizierten dendritischen Zellen als zelluläres Arzneimittel für neuartige Therapien (§§ 4 Abs. 9, 4b AMG) ist, wie der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. K. entnimmt, ein übliches Verfahren angewendet worden. Dass es keinen allgemein Herstellungsstandard gibt, ist nicht maßgeblich. Die Einwendungen im MDK-Gutachten des Prof. Dr. H., der offenbar die angewandte Herstellungsmethode in ihrer Eigenart nicht hat nachvollziehen können, sind daher nicht berechtigt. Dass die Firma C. die dendritischen Zellen unter Verletzung des Arzneimittelrechts hergestellt und in Verkehr gebracht hätte, ist von der Beklagten letztendlich nur behauptet worden; stichhaltige Anhaltspunkte hierfür bestehen - auch im Hinblick auf das eingangs dargestellte - Übergangsrecht für Arzneimittel für neuartige Therapien nicht. Wie die Firma C. unter dem 27.02. 2014 mitgeteilt hat, hat sie die Herstellung dendritischer Zellen im April 2012 eingestellt. Die Herstellung dendritischer Zellen wird nunmehr von dem Labor Dr. G. vorgenommen. Die abschließende Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde über die von der Firma C. seinerzeit beantragte Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG ist offenbar nicht ergangen, so dass es für die streitige Zeit (2009, 2010) bei der Anwendung des Übergangsrechts (insbesondere § 144 Abs. 1 AMG) bleibt. Die Beklagte kann den grundrechtsfundierten Leistungsanspruch der Klägerin nicht unter Hinweis auf (verfahrensrechtliche) arzneimittelrechtliche Anforderungen an die Herstellung und Anwendung der bei der Klägerin applizierten dendritischen Zellen abwehren, nachdem insoweit sachliche Bedenken, wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. hervorgeht, nicht bestehen und auch weder von der Beklagten noch vom MDK (substantiiert) geltend gemacht werden.
3.)
87 
Die übrigen Voraussetzungen des von der Klägerin verfolgten Erstattungsbegehrens sind erfüllt. Die Klägerin hat die Behandlungskosten nach Maßgabe der Rechnungen des PD Dr. G. gezahlt und dessen Zahlungsanspruch erfüllt. Bedenken hinsichtlich der Höhe der Kosten sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
88 
Insgesamt erweisen sich damit der Bescheid der Beklagten vom 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 sowie der Bescheid vom 06.08.2009 als rechtswidrig. Diese Bescheide können damit ebenso wenig Bestand haben wie das Urteil des SG. Der Berufung der Klägerin war in vollem Umfang stattzugeben.
IV.
89 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
90 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten in Höhe von 11 564 Euro für eine auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung.

2

Der 1984 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger leidet an Retinitis pigmentosa, einer Netzhauterkrankung, die zu Tunnelblick und in ihrem Endstadium zur Erblindung führt. Im Jahr 2002 beantragte er - ua auf seine nur noch 3 % bis 5 % betragende Sehfähigkeit hinweisend - die Kostenübernahme für eine sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P in H ; dieser Arzt habe eine Therapie entwickelt, die das weitere Absterben der Netzhaut verhindere und das Sehvermögen verbessern könne. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Behandlungsmethode schulmedizinisch nicht allgemein anerkannt sei (Bescheid vom 19.11.2002; Widerspruchsbescheid vom 5.2.2003). Vom 10.1. bis 31.1.2003 ließ sich der Kläger auf Kuba auf eigene Kosten (nach eigenen Angaben 11 564 Euro) entsprechend behandeln.

3

Die Klage auf Kostenerstattung ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 24.3.2006; Urteil des LSG vom 1.8.2007). Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung für die auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung betroffen gewesen ist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3), weil das LSG dem nach § 109 SGG gestellten Antrag des Klägers, Beweis zur Eignung der durchgeführten Heilbehandlung durch den Sachverständigen Prof. M (Universität Bologna) zu erheben, nicht nachgekommen war. Das LSG hat ein Gutachten nach Aktenlage bei Prof. M
dazu eingeholt, ob die Kuba-Therapie dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, und anschließend die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, es fehle an einem hinreichend objektiven Wirksamkeitsnachweis der sog Kuba-Therapie (Urteil vom 16.11.2011).

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Art 2 Abs 2 S 1 sowie von Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip. Das LSG verkenne mit seiner Forderung nach validen Studien oder aussagekräftige Statistiken die Anforderungen, die an Hinweise für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine zumindest spürbare positive Einwirkung der Behandlung auf den Krankheitsverlauf zu stellen seien.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. März 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2003 zu verurteilen, ihm 11 564 Euro zu zahlen,

6

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das an-gefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung von 11 564 Euro Kosten für die Auslandsbehandlung hat, vermag der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen. Es steht nicht fest, dass die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V erfüllt sind.

10

Das LSG hat zwar in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Erstattungsanspruch aus § 18 Abs 1 S 1 SGB V bei Beachtung des Qualitätsgebots(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) abgelehnt (dazu 1.), aber unzureichende Feststellungen zur grundrechtsorientierten Auslegung getroffen (dazu 2.). Eine grundrechtsorientierte Auslegung scheidet allerdings aus, wenn die Überprüfbarkeit der Methode an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten scheitert (dazu 3.).

11

1. Nach den auch den erkennenden Senat bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) beruht der geltend gemachte Anspruch auf § 18 Abs 1 S 1 SGB V(in der hier noch maßgeblichen bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Danach kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist. Der Anspruch setzt ua nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 29) grundsätzlich voraus, dass die Leistung im Ausland den Anforderungen an das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) entspricht. Das hat das LSG im Ergebnis - unangegriffen und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - verneint, weil nicht die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie kein Konsens besteht.

12

2. Nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) kommen Abmilderungen der Anforderungen des Qualitätsgebots infolge grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts der GKV auch im Anwendungsbereich des § 18 SGB V in Betracht. Ist für Versicherte eine nach Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierter Leistungsbestimmung in der GKV zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich, besteht ein Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs 1 S 1 SGB V.

13

Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), bedarf es hierfür zunächst der Feststellung, dass der Kläger im Zeitpunkt der Behandlung an einer Krankheit litt, die zumindest wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar ist. Diesbezüglich hat das erste Revisionsurteil vorgegeben, dass hierfür eine drohende Erblindung in Betracht kommt, hochgradige Sehstörungen demgegenüber nicht ausreichen (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31). Sodann ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), die Feststellung erforderlich, ob, und wenn ja mit welcher Zielrichtung, bezüglich dieser Krankheit zumindest eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht und für den Kläger anwendbar ist. Des Weiteren ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), festzustellen, mit welcher Zielsetzung die sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P durchgeführt wird und ob bezüglich dieser Behandlungsmethode eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers bestand. Hierzu bedarf es der Feststellungen, die für eine abstrakte Nutzen-Risiko-Analyse und für eine Abwägung der Chancen und Risiken dieser Behandlungsmethode gerade im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse bei dem Kläger erforderlich sind. Maßgeblich sind für diese Feststellungen nach den bindenden Vorgaben (§ 170 Abs 5 SGG) die Regeln der ärztlichen Kunst.

14

Das LSG hat zur konkreten Krankheitssituation des Klägers, zu den regelmäßigen, schulmäßigen Behandlungsmethoden bei seiner Augenkrankheit, zu einer Unverträglichkeit dieser Methoden bei dem Kläger und zu den Chancen und Risiken der Kuba-Therapie im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse des Klägers im Behandlungszeitpunkt keine Feststellungen getroffen. Soweit es eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verneint hat, weil es an einem objektiven Wirksamkeitsnachweis fehle, verkennt es die bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGG).

15

Das LSG hat ausgeführt, die Methode sei nicht ausreichend an Menschen evaluiert und werde von der überwiegenden Mehrheit der einschlägigen Fachleute jedenfalls nicht befürwortet, vom wissenschaftlichen Beirat von Pro Retina Deutschland e.V. nicht empfohlen, vom "Health Council of the Netherlands" in den Niederlanden nicht anerkannt und auch in den USA und überwiegend in Europa nicht akzeptiert. Prof. M gehöre zur Minderheit der Befürworter und zu den wenigen Anwendern, gleichwohl vermöge er nur auf seine eigenen klinischen Erfahrungen an Menschen (und Tieren) hinzuweisen, ohne dass valide Studien oder aussagekräftige Statistiken zur Wirksamkeit der Therapie existierten. Die bisherigen Erkenntnisse würden zwar einen positiven Einfluss nicht ausschließen, genügten aber nicht, um von einer "ausreichend gesicherten" positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auszugehen, weil sich der Sachverständige nur auf die Feststellungen der von ihm operierten 126 Menschen stütze und eine graduelle Verzögerung des Sehschärfeverlustes um 18 bis 24 Monaten nicht ausreichend erscheine.

16

Damit überspannt das LSG die Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts. Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), ist es bei der abstrakten und konkreten Prüfung von Risiken und Nutzen geboten, jeweils das erreichbare Behandlungsziel iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu berücksichtigen. Der bei beiden Analysen von Nutzen und Risiken zu beachtende Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der den Zurechnungszusammenhang zwischen Therapie, Erfolg und Risiken betrifft, unterliegt - ähnlich wie bei der Anwendung von Pharmakotherapien mit Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV - aufgrund von Verfassungsrecht Abstufungen je nach Schwere und Stadium der Erkrankung und Ausmaß sowie Eintrittswahrscheinlichkeit von unerwünschten Nebenwirkungen. Erforderlich ist, dass unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt. Soweit danach eine solche Behandlungsmethode in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob bei Anlegen des gleichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch andere (anerkannte) Methoden diesen Anforderungen genügen. Ist dem so, sind diese Methoden untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen (vgl zum Ganzen zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 25 f mwN - LITT, bezogen in BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30).

17

Die Folge dieser Rechtsprechung ist, dass, wenn eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode für eine wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbare Krankheit (generell) überhaupt nicht zur Verfügung steht oder im konkreten Einzelfall ausscheidet, weil der Versicherte diese nachgewiesenermaßen nicht verträgt, der Nachweis des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit einem der notstandsähnlichen Situation angemessenen geringeren Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterfällt. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und 'hoffnungsloser' die Situation, desto geringere Anforderungen an die 'ernsthaften Hinweise' auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg" (BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40; mit ähnlicher Tendenz schon: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, 179; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl 2002, § 130 RdNr 23).

18

Wissenschaftliche Verlaufsbeobachtungen anhand von operierten 126 Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle sind ihrer Art nach ohne Weiteres geeignet, nach den Regeln der ärztlichen Kunst als Grundlage für "Indizien" im dargelegten Sinne für eine positive Einwirkung zu dienen. Nach den Feststellungen des LSG hat Prof. M 126 Patienten mit der Pelaez-Technik jeweils an einem Auge operiert - das nicht operierte Auge diente der Kontrolle - und stellte dabei fest, dass es zu Verbesserungen kam, die sich schrittweise verringerten, bis sie 18 bis 24 Monate nach Einsetzen des Implantats verschwanden.

19

Es entspricht auch nicht den dargelegten bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGB V), einen Erhalt der Sehfähigkeit durch Verbesserung des Sehvermögens für 18 bis 24 Monate als unerheblich anzusehen. Vielmehr handelt es sich ohne Zweifel um eine offenkundig positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Zu den Behandlungszielen des § 27 Abs 1 S 1 SGB V gehören die Heilung einer Krankheit, die Verhütung ihrer Verschlimmerung sowie die Linderung von Krankheitsbeschwerden. Eine "Verhütung der Verschlimmerung" setzt nicht voraus, dass diese dauerhaft ist, also die Erkrankung zum Stillstand kommt. Bei schicksalhaftem Verlauf der Erkrankung genügt es vielmehr, dass ihr Eintritt - hier die Erblindung - hinausgezögert wird (Steege in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2014, K § 27 RdNr 59).

20

Ob die Kuba-Therapie im Zeitpunkt der Behandlung nach den aufgezeigten Maßstäben geeignet war, beim Kläger eine Verschlimmerung im oben genannten Sinne zu vermeiden, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Nach Angaben von Prof. M soll die Behandlung nur auf Fälle mit hoher Progredienz des Krankheitsverlaufs angewendet werden, bei denen andere Methoden fehlschlugen. Das LSG hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die Frage offen gelassen, ob bei dem Kläger eine derartig schnelle Degeneration vorliegt. Entsprechende und ggf die übrigen, oben umschriebenen Feststellungen wird es nachzuholen haben. Mit Blick auf die gebotene abstrakte Nutzen-Risiko-Bewertung genügt es nicht - wie durch das LSG geschehen - nur allgemein mögliche Risiken zu nennen, ohne deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Die zu beurteilenden Risiken (nicht unerhebliches Operationsrisiko, Doppelsehen, welliges Sehen, schnellerer Verfall der Sehschärfe und des Gesichtsfelds als vor der Operation) wird das LSG deshalb abstrakt sowie bezogen auf den Einzelfall fest umreißen und mit dem möglichen Erfolg der Therapie in Anlehnung an Art 2 Abs 2 GG abzuwägen haben.

21

3. Die Notwendigkeit für das LSG, weitere ergänzende Feststellungen zu treffen, kann sich aus den in neuerer Rechtsprechung des erkennenden Senats entwickelten Anforderungen ergeben. Der erkennende Senat darf diese neueren Anforderungen trotz der grundsätzlichen Bindungswirkung (vgl § 170 Abs 5 SGG) seines ersten Revisionsurteils auch in diesem Verfahren zugrunde legen. Ein oberster Gerichtshof des Bundes ist nämlich, wenn er - wie hier der erkennende Senat - seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und erneut mit derselben Sache befasst wird, an seine zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden (vgl GmSOGB BSGE 35, 293, 296 ff = SozR Nr 15 zu § 170 SGG; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 13 mwN).

22

Nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f) verlangt die aus der grundrechtsorientierten Auslegung (heute: § 2 Abs 1a SGB V) resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zugrunde liegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Scheitert die Überprüfbarkeit der Methode nach Maßgabe der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten - womöglich als Teil eines Marketingkonzepts des Behandlers im Ausland -, sind derartige Erkenntnismängel nicht durch die grundrechtsorientierte Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zu überwinden(BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f). Die auch und gerade dem Patientenschutz dienende, tatsächlich mögliche wissenschaftliche Kontrolle, die innerhalb von EU und EWR die Regelungen über die Zulassung neuer Behandlungsmethoden prägt, steht bei Auslandskrankenbehandlungen nach § 18 SGB V nicht zur Disposition der ausländischen Leistungserbringer. Die grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V darf nicht dazu dienen, ein Anreizsystem dafür zu schaffen, dass in Deutschland versicherte Patienten Behandlungsleistungen außerhalb von EU und EWR nur deshalb erhalten, weil sich ihre Anbieter dauerhaft objektiv der tatsächlich möglichen wissenschaftlichen Kontrolle ihrer Leistungen entziehen, insbesondere keine Daten über die Einzelheiten der Behandlung einschließlich ihrer objektivierbaren Folgen veröffentlichen(BSG aaO mwN zur Sicherung des Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs 1 S 3 SGB V durch § 135 Abs 1 SGB V). Das LSG hat zur Ursache bestehender Erkenntnismängel im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers keine Feststellungen getroffen. Auch dies wird es nachzuholen haben.

23

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine selbst beschaffte augenärztliche Behandlung mit dem Arzneimittel Avastin (Wirkstoff Bevacizumab).

2

Die 1938 geborene Klägerin war bei der beklagten Krankenkasse (KK) bis zum 31.8.2008 versichert. Sie leidet an einer erheblichen Visuseinschränkung auf dem rechten Auge wegen rezidivierender Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem bei im Zeitraum 2006/2007 nahezu unbeeinträchtigtem Sehen auf dem linken Auge. Sie beantragte (14.9.2006), die Kosten für die intravitreale Injektion von Avastin zu übernehmen. Entsprechend einer Beurteilung von Prof. Dr. H. seien die Voraussetzungen eines Off-Label-Use von Avastin aufgrund eines diabetischen Makulaödems (zystoid persistierend) erfüllt. Avastin ist in Deutschland nur zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen zugelassen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 5.10.2006). Im November 2006, im Januar 2007 und im März 2007 ließ sich die Klägerin ärztlich intravitreal Avastin injizieren und wendete hierfür insgesamt 982,28 Euro auf. Ihr Überprüfungsantrag (12./15.10.2007) blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 18.10.2007; Widerspruchsbescheid vom 10.1.2008). Das SG hat ihre Klage auf Kostenerstattung abgewiesen (Urteil vom 18.9.2008), das LSG ihre Berufung zurückgewiesen. Es fehle für einen Off-Label-Use an dem hierfür erforderlichen Wirksamkeitsnachweis. Es bestehe keine notstandsähnliche Situation und kein Seltenheitsfall (entsprechend BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 - Visudyne). Das Makulaödem trete eher häufig auf und sei deshalb erforschbar bzw sogar erforscht. Das Krankheitsbild der Klägerin könne von entsprechenden Studien "mit umfasst sein" (Urteil vom 25.5.2011).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und mangelhafte Sachverhaltsaufklärung. Zu Unrecht habe das LSG das Vorliegen des Kostenerstattungsanspruchs verneint. Es handele sich bei der rezidivierenden Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem um einen die Therapie mit Avastin rechtfertigenden Seltenheitsfall. Dies sei bei einer Inzidenz von 5 auf 10 000 Personen anzunehmen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Mai 2011, das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 18. September 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 5. Oktober 2006 zurückzunehmen und ihr 982,28 Euro zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Denn die Klägerin hat gegen die beklagte KK keinen Anspruch auf Zahlung von 982,28 Euro Kosten dreier intravitrealer Injektionen von Avastin aus der hier allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage § 44 Abs 1 SGB X iVm § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(idF durch Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046; vgl dazu 1.). Der Klägerin steht kein Anspruch zu, weil die Avastin-Injektionen nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehören (vgl dazu 2.-5.).

8

1. Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches - hier: § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20) - längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs 4 S 1 SGB X).

9

a) Es bedarf einer Einzelüberprüfung der Anspruchsvoraussetzungen trotz des zwischenzeitlich erfolgten Kassenwechsels der Klägerin. Zwar erlischt nach § 19 Abs 1 SGB V der Anspruch auf Leistungen grundsätzlich mit dem Ende der Mitgliedschaft. Die Vorschrift findet auch bei einem Kassenwechsel Anwendung (vgl BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4 RdNr 12 mwN). Sie führt nach ihrem Sinn und Zweck aber nur zum Erlöschen der Naturalleistungspflicht der früheren Kasse (vgl BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34 RdNr 9 ff unter Aufgabe von BSGE 99, 220 = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 bzgl der Naturalleistungspflicht), nicht jedoch zum Erlöschen bereits entstandener Geldleistungsansprüche wie dem Anspruch auf Kostenerstattung für eine durch die bisherige KK zu Unrecht abgelehnte Leistung (vgl - dies stillschweigend voraussetzend - zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5; entsprechend zu höheren Krg-Ansprüchen zB BSG Urteil vom 10.5.2012 - B 1 KR 26/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; ausdrücklich für einen speziellen Fall BSGE 76, 45 = SozR 3-2500 § 29 Nr 2; vgl allgemein auch E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand November 2011, § 13 SGB V RdNr 82 ff mwN; Helbig in JurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 13 SGB V RdNr 87).

10

b) Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 SGB X sind indes nicht erfüllt. Die Beklagte wandte weder das Recht unrichtig an noch ging sie von einem Sachverhalt aus, der sich als unrichtig erweist, als sie eine Kostenübernahme der Avastin-Injektionen für die Klägerin ablehnte (Bescheid vom 5.10.2006). Der Anspruch auf Kostenerstattung reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl nur BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 mwN - "Lorenzos Öl"). Es fehlt bereits an einem Naturalleistungsanspruch der Klägerin auf intravitreale Avastin-Injektionen.

11

Die Klägerin kann zwar nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Krankenbehandlung verlangen, wenn sie notwendig ist, um ihre rezidivierende Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem des rechten Auges zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung ua auch die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V). Das Arzneimittel Avastin ist aber mangels Arzneimittelzulassung für die Erkrankung der Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig (dazu 2.). Es besteht auch kein Anspruch auf eine Versorgung nach den Grundsätzen des Off-Label-Use (dazu 3.), der grundrechtsorientierten Leistungsausweitung (dazu 4.) oder des Seltenheitsfalles (dazu 5.). Da die Klägerin schon das Arzneimittel Avastin nicht als Naturalleistung beanspruchen kann, kommt es auf die weiteren Fragen nicht an, ob intravitreale Injektionen wegen ihrer Besonderheiten (etwa: Eigenarten der Applikation unter Beachtung der Spezifika des Zielgebiets; erforderlicher Hygienestandard; erforderliche Sicherungen für den Fall von Komplikationen) grundsätzlich einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) bedürfen oder - als der Art nach bekannte Anwendungsform einer Pharmakotherapie - gerade nicht (vgl § 135 SGB V),und ob das Fehlen einer ausdrücklichen EBM-Position einem Leistungsanspruch entgegensteht, oder etwa nach dem Rechtsgedanken eines Systemversagens überspielt werden kann (vgl dazu zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 17 RdNr 13 f mwN; Hauck, NZS 2007, 461).

12

2. Die Klägerin konnte von der Beklagten Versorgung mit Avastin nach den allgemeinen Grundsätzen nicht verlangen. Versicherte können Versorgung mit vertragsärztlich verordneten Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV grundsätzlich ungeachtet weiterer Einschränkungen (vgl §§ 31, 34 SGB V) nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem sie angewendet werden sollen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 S 3, § 12 Abs 1 SGB V) dagegen nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 S 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche(§ 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 22 mwN - D-Ribose; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 15 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 9 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 21 ADHS/Methylphenidat).

13

So liegt es hier. Das begehrte Fertigarzneimittel Avastin ist zulassungspflichtig. Es ist weder in Deutschland noch EU-weit als Arzneimittel für die Indikation Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem oder ein übergeordnetes Indikationsgebiet zugelassen, das die genannte Erkrankung mit umfasst. Das steht nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG fest (§ 163 SGG).

14

3. Die Klägerin konnte eine Versorgung mit Avastin auch im Rahmen eines Off-Label-Use zur Behandlung ihres Makulaödems auf Kosten der GKV weder nach § 35c SGB V noch nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung beanspruchen. Für einen Anspruch aus § 35c SGB V liegt - schon mit Blick auf seinen zeitlichen Anwendungsbereich - nichts vor. Entsprechend dem Rechtsgedanken der heute geltenden Anmerkung zu Abschnitt K Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) (AM-RL vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009, Nr 49a , zuletzt geändert am 19.1.2012, BAnz AT 30.4.2012 B 3, in Kraft getreten am 1.5.2012) bleiben die allgemeinen, vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV unberührt, wenn - wie hier - ein nicht in der AM-RL geregelter Off-Label-Use betroffen ist (vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - juris RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

15

Die nach diesen Grundsätzen erforderlichen Voraussetzungen sind ebenfalls nicht erfüllt. Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27 mwN - Wobe-Mugos E; im Falle des Systemversagens s BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 24 mwN - Neuropsychologische Therapie).

16

An einer aufgrund der Datenlage begründeten Erfolgsaussicht fehlt es. Von hinreichenden Erfolgsaussichten im dargelegten Sinne ist nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Es müssen also Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sein und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist es zu einer abgeschlossenen, veröffentlichten Studie in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III mit Relevanz für die Erkrankung der Klägerin bisher nicht gekommen.

17

4. Die Klägerin konnte Avastin nach den Grundsätzen einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung zu Lasten der Beklagten ebenfalls nicht verlangen. Der erkennende Senat wendet diese Rechtsfigur für Arzneimittel nur einschränkend unter Beachtung der verfassungskonformen Wertungen des AMG an (vgl zB BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - USK 2007 - 25 RdNr 18 ff; BVerfG SozR 4-2500 § 31 Nr 10 RdNr 9 ff; BVerfG SozR 4-2500 § 31 Nr 17 RdNr 9 ff; dementsprechend Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der GKV - GKV-Versorgungsstrukturgesetz - BR-Drucks 456/11 S 74). Eine grundrechtsorientierte Leistungsauslegung setzt ua zumindest voraus, dass Versicherte an einer Krankheit leiden, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung wertungsmäßig vergleichbar ist (vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - D-Ribose; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 mwN; vgl nunmehr auch § 2 Abs 1a SGB V idF durch Art 1 Nr 1 des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Hierzu zählt etwa der Fall einer drohenden Erblindung (vgl BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31 mwN),nicht aber eine Krankheit unterhalb dieser Schwelle. So kann selbst zB eine hochgradige Beeinträchtigung der Sehfähigkeit nicht mit einer Erblindung auf eine Stufe gestellt werden (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 13 - ICL). An einer so weitgehenden Betroffenheit der Klägerin fehlt es. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)besteht bei ihr eine erhebliche Visuseinschränkung alleine auf dem rechten Auge, während sie mit dem linken Auge nahezu unbeeinträchtigt sehen kann.

18

5. Die Klägerin konnte Avastin auch nach den Grundsätzen eines Seltenheitsfalles nicht beanspruchen. Der erkennende Senat hält im Kern an seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Anforderungen an einen Seltenheitsfall (dazu a) entgegen den Einwendungen der Klägerin (dazu b) fest. Die Behandlung der Klägerin erfüllte die danach maßgeblichen Anforderungen für einen Leistungsanspruch nicht (dazu c).

19

a) Die Rechtsprechung des erkennenden Senats hat zu den Grundsätzen eines Seltenheitsfalles entschieden, dass ein Einzelimport eines Arzneimittels nach § 73 Abs 3 AMG ausnahmsweise zur Leistungspflicht der GKV führen kann, wenn das Mittel zur Behandlung einer einzigartigen Krankheit in einer außergewöhnlichen medizinischen Situation auf diesem Wege legal zu beschaffen ist(BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 23 ff - Visudyne). Hierzu darf das festgestellte Krankheitsbild aufgrund seiner Singularität medizinisch nicht erforschbar sein (vgl auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 14 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - Leucinose). Allein geringe Patientenzahlen stehen einer wissenschaftlichen Erforschung nicht entgegen, wenn etwa die Ähnlichkeit zu weit verbreiteten Erkrankungen eine wissenschaftliche Erforschung ermöglicht (BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 31 - Visudyne). Das gilt erst recht, wenn - trotz der Seltenheit der Erkrankung - die Krankheitsursache oder Wirkmechanismen der bei ihr auftretenden Symptomatik wissenschaftlich klärungsfähig sind, deren Kenntnis der Verwirklichung eines der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Ziele der Krankenbehandlung dienen kann. Die Art möglicher wissenschaftlicher Studien über den Nutzen eines Arzneimittels spiegelt sich ua wider - geordnet nach den Stufen erreichbarer Evidenz im Rahmen der heute gesetzlich gebotenen Bewertung des therapeutischen Nutzens - im 4. Kapitel in § 7 Verfahrensordnung des GBA(VerfO vom 18.12.2008, BAnz Nr 84a vom 10.06.2009, zuletzt geändert am 19.1.2012, BAnz Nr 36 S 915 vom 2.3.2012, in Kraft getreten am 1.2.2012).

20

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es demgegenüber ausgeschlossen, für die genannten Seltenheitsfälle allein auf die Häufigkeit einer Erkrankung abzustellen (vgl zum Unterschied zwischen einem Seltenheitsfall nach der Rechtsprechung des Senats und "seltenen Erkrankungen" iS des Unionsrechts bzw der Zuerkennung eines "orphan-drug"-Status bereits BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 2, 17 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 5, 14 - Idebenone; kritisch gegenüber der Senatsrechtsprechung Lelgemann/Francke, Bundesgesundheitsbl 2008, 509, 513 ff; vgl auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 14 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - Leucinose: Ursachen, Wirkungen und Therapiemöglichkeiten bekannt trotz einer Inzidenz von 1 auf 200 000 Geburten). Die Besonderheiten seltener Erkrankungen rechtfertigen es grds nicht, die Evidenzanforderungen an Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln für ihre Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV abzusenken. Es bestünde andernfalls die Gefahr, dass das für die Besonderheiten seltener Erkrankungen geschaffene differenzierte Zulassungssystem umgangen wird. Arzneimittelverwendung außerhalb der zugelassenen Indikationen bedeutet, Arzneimittel ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualität einzusetzen. Diese Kontrolle soll in erster Linie Patienten vor inakzeptablen unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit schützen. Ausnahmen kommen nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung in Betracht, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernisse entgegenwirkt (vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 18 mwN - Idebenone; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 33 - Venimmun; BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - USK 2007-25 = juris RdNr 21; BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 23 - Visudyne).

21

Eine Absenkung der genannten Evidenzanforderungen erschiene auch deshalb problematisch, weil sich das nationale GKV-Leistungsrecht in Widerspruch zu Wertungen des europäischen Zulassungsrechts für Arzneimittel setzen würde, insbesondere bei einer Ausdehnung der "Seltenheitsfälle" dem Zulassungsrecht für Arzneimittel seine praktische Wirksamkeit nehmen könnte (vgl im Hinblick auf die Unvereinbarkeit nationaler Regelungen mit dem - den notwendigen Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dienenden - unionsrechtlichen Arzneimittelzulassungsrecht zuletzt EuGH Urteil vom 29.3.2012 C-185/10 Kommission/Polen - juris). Es widerspräche der Zielsetzung sowohl der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl L 311 vom 28.11.2001, S 67, zuletzt geändert durch Richtlinie 2011/62/EU vom 8.6.2011) als auch des deutschen Zulassungsrechts für Arzneimittel. Im Rahmen der Marktzulassung unterliegen Arzneimittel für seltene Leiden grundsätzlich dem "normalen Bewertungsverfahren" (vgl Erwägungsgrund 7 VO [EG] Nr 141/2000 vom 16.12.1999, ABl L 18 vom 22.1.2000, S 1). Denn an seltenen Erkrankungen leidende Patienten haben denselben Anspruch auf Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln wie andere Patienten (kritisch zu den in der Zulassungspraxis angelegten Evidenzanforderungen aber Joppi/Bertele/Garattini, British Journal of Clinical Pharmacology 2009, Bd 67, 494 ff; ferner Dupont/Van Wilder, British Journal of Clinical Pharmacology 2011, Bd 71, 488 ff).

22

Allein der anerkannte Status als Arzneimittel für seltene Leiden rechtfertigt nicht bereits für sich Einschränkungen der grundsätzlich bestehenden Notwendigkeit, umfassende Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels vorzulegen (vgl im Einzelnen EMA, Guideline on procedures for the granting of a marketing authorisation under exceptional circumstances, pursuant to Article 14 (8) of Regulation (EC) No 726/2004 vom 15.12.2005, Dokumentennummer EMEA/357981/2005, S 4). Denn hierfür ist die Prävalenzrate, die über die Anerkennung als seltene Erkrankung insbesondere entscheidet (vgl Art 3 Abs 1 VO [EG] Nr 141/2000 iVm Art 2 der VO [EG] Nr 847/2000 der Kommission vom 27.4.2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe "ähnliches Arzneimittel" und "klinische Überlegenheit", ABl L 103 vom 28.4.2000, S 5), wenig aussagekräftig.

23

Im europäischen Sekundärrecht wird ein Arzneimittel als Arzneimittel für seltene Leiden ua ausgewiesen, wenn der Investor nachweisen kann, dass a) das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines Leidens bestimmt ist, das lebensbedrohend ist oder eine chronische Invalidität nach sich zieht und von dem zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinschaft nicht mehr als fünf von zehntausend Personen betroffen sind, und b) in der Gemeinschaft noch keine zufriedenstellende Methode für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung des betreffenden Leidens zugelassen wurde oder dass das betreffende Arzneimittel - sofern eine solche Methode besteht - für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichem Nutzen sein wird (vgl Art 3 Abs 1 VO [EG] Nr 141/2000 iVm Art 2 der VO [EG] Nr 847/2000 der Kommission vom 27.4.2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe "ähnliches Arzneimittel" und "klinische Überlegenheit", ABl L 103 vom 28.4.2000, S 5; vgl hierzu auch Dear/Lilitkarntakul/Webb, British Journal of Clinical Pharmacology 2006, Bd 62, 264, 266 ua auch zu der Einführung der Begrifflichkeit sog "ultra-orphan diseases" für Erkrankungen mit einer deutlich geringeren Prävalenzrate als vom europäischen Sekundärrecht gefordert; vgl zu Herkunft und Entwicklung von Begriff und Definition der "seltenen Erkrankungen", insbesondere auch zu dem Versuch, das eigentliche Problem aus Herstellersicht nicht ausreichender Gewinnerwartungen mit Hilfe der Prävalenzrate einer Krankheit abzubilden, Huyard, Sociology of Health & Illness 2009, 463 ff).

24

Dementsprechend gilt das "normale" Verfahren zur Bewertung von Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit grundsätzlich auch für Arzneimittel für seltene Leiden. Die Regelung schließt es nur nicht aus, die besondere Situation seltener Erkrankungen zu berücksichtigen. Das unionsrechtliche Zulassungssystem ist vielmehr im Grundsatz offen für eine Berücksichtigung der beim Nachweis von Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit bei seltenen Erkrankungen bestehenden strukturellen Schwierigkeiten. Nach Nr 4 des Anhangs der VO [EG] Nr 726/2004 vom 31.3.2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl L 136 vom 30.4.2004, S 1, zuletzt geändert durch VO [EG] Nr 470/2009 vom 6.5.2009) sind Arzneimittel, die als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der VO [EG] Nr 141/2000 ausgewiesen sind, von der Union im zentralen Zulassungsverfahren zu genehmigen, um verkehrsfähig zu sein (vgl Art 3 Abs 1 und - für den fakultativen Anwendungsbereich des zentralisierten Zulassungsverfahrens - Abs 2 und 3 VO [EG] Nr 726/2004). Im Hinblick auf die für die Genehmigung vorzulegenden Nachweise verweist Art 6 Abs 1 S 1 VO [EG] Nr 726/2004 ua auf Anhang I der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl L 311 vom 28.11.2001, S 67, zuletzt geändert durch Richtlinie 2011/62/EU vom 8.6.2011).

25

Nach dem sich mit sog orphan drugs befassenden Teil III Nr 5 des Anhangs I des Gemeinschaftskodexes idF der Richtlinie 2003/63/EG vom 25.6.2003 können für entsprechend der VO [EG] Nr 141/2000 als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesene Arzneimittel die allgemeinen Bestimmungen von Teil II Nr 6 ("Unterlagen bei Anträgen unter außergewöhnlichen Umständen") gelten, wenn der Antragsteller in den präklinischen und klinischen Zusammenfassungen begründet, warum er keine vollständigen Angaben vorlegen kann und er das Nutzen/Risiko-Verhältnis des betreffenden Arzneimittels für seltene Leiden begründet. Nach Teil II Nr 6 kann unter bestimmten spezifischen Auflagen (zB Durchführung eines Versuchsprogramms mit anschließender Neubeurteilung des Nutzen/Risikoprofils, besonderen Anforderungen an die Abgabe des Arzneimittels oder an die Packungsbeilage und die Fachinformation) eine Zulassung erteilt werden, wenn der Antragsteller nachweisen kann, dass er keine vollständigen Auskünfte über die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei bestimmungsgemäßen Gebrauch erteilen kann, weil die Indikationen, für die das betreffende Arzneimittel bestimmt ist, so selten vorkommen, dass dem Antragsteller billigerweise nicht zugemutet werden kann, die vollständigen Angaben vorzulegen (vgl hierzu näher die entsprechenden Leitlinien der EMA, insbesondere den "Guideline on procedures for the granting of a marketing authorisation under exceptional circumstances, pursuant to Article 14 (8) of Regulation (EC) No 726/2004" vom 15.12.2005, Dokumentennummer EMEA/357981/2005). Damit korrespondiert Art 14 Abs 8 S 2 VO [EG] Nr 726/2004. Hiernach kann der Antragsteller im Rahmen einer solchen Genehmigung aufgrund außergewöhnlicher Umstände verpflichtet werden, besondere Verfahren zu schaffen, die insbesondere die Sicherheit des Arzneimittels, die Information der zuständigen Behörden über alle Zwischenfälle im Zusammenhang mit seiner Verwendung und die zu ergreifenden Maßnahmen betreffen. Nach S 3 ist die Aufrechterhaltung einer solchen im Ausnahmefall erteilten Genehmigung von der jährlichen Neubeurteilung ihrer Erteilungsvoraussetzungen abhängig.

26

Aus dem nationalen Zulassungsrecht ergibt sich für einen Antrag auf Zulassung im dezentralen Verfahren nichts Anderes. Die für die Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel (§ 1 AMG)vorzulegenden Zulassungsunterlagen bestimmt insbesondere § 22 AMG. Die dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechenden Anforderungen an diese Unterlagen lassen sich den auf der Grundlage des § 26 AMG erlassenen und zurzeit noch in der Form von Verwaltungsvorschriften geltenden Arzneimittelprüfrichtlinien entnehmen. Art 2 Nr 2 der Zweiten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der Arzneimittelprüfrichtlinien vom 11.10.2004 (BAnz 2004, Nr 197 S 22037) verweist vollständig auf Überschrift und Wortlaut des Anhangs I zur Richtlinie 2001/83/EG ("Gemeinschaftskodex") idF der Richtlinie 2003/63/EG. Auch insoweit besteht - ausgehend von den allgemeinen Anforderungen - lediglich die Möglichkeit einer erleichterten Zulassung unter Auflagen bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände wie dem seltenen Auftreten einer Erkrankung.

27

c) Das LSG hat die danach rechtlich maßgebliche Feststellung, dass die Erkrankung der Klägerin aufgrund ihrer Einzigartigkeit im dargelegten Sinne medizinisch nicht erforschbar ist, im angegriffenen Urteil verneint. Es hat festgestellt, dass das Krankheitsbild der Klägerin erforschbar sei, weil es von Studien zum eher häufig auftretenden Makulaödem "mit umfasst sein" könne. Der Senat ist an diese getroffene Feststellung gebunden, denn die Klägerin hat diesbezüglich keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht (vgl § 163 SGG). Soweit sie mit der Revision rügt, das LSG habe es unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) unterlassen, diese Annahme zu überprüfen, hat sie iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben sollen(vgl § 164 Abs 2 S 3 SGG; näher BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 68 ff mwN).

28

Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, muss der Revisionskläger deshalb die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 69 mwN; BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 S 50; BSG SozR Nr 40 zu § 103 SGG; BSG SozR Nr 7 zu § 103 SGG). Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem LSG hätte aufdrängen müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2010, § 164 RdNr 12a). Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten (vgl BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 30).

29

Die Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Sie legt mit ihrer Rüge nicht dar, aufgrund welcher Tatsachen sich das LSG zu einer weiteren Tatsachenermittlung hätte gedrängt fühlen müssen. Sie geht nicht darauf ein, dass bereits das SG unter Berufung auf den Zusammenfassenden Bericht des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 22.1.2001 über die Beratungen gemäß § 135 Abs 1 SGB V zur Photodynamischen Therapie (PDT) mit Verteporfin bei altersabhängiger feuchter Makuladegeneration mit subfoveolären klassischen choriodalen Neovaskularisationen die Möglichkeit bejaht hat, das Krankheitsbild der Klägerin zu erforschen. Sie legt nicht dar, mit Blick auf welches Vorbringen sich das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Im Übrigen bezeichnet die Klägerin auch die zu erhebenden Beweismittel nicht konkret.

30

Die Klägerin versäumt es ferner, das Ergebnis der für erforderlich gehaltenen Ermittlungen darzulegen und auszuführen, ob und inwieweit dieses nach dem sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG zu einer anderen Berufungsentscheidung geführt hätte. Diese Ausführungen wären erforderlich gewesen, denn nur so ist für das Revisionsgericht allein aus der Revisionsbegründung ersichtlich, ob das angegriffene Urteil auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann.

31

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten über die ambulante Versorgung des Klägers mit Fertigarzneimitteln, die das bakterielle Nervengift Clostridium botulinum Toxin Typ A (Botulinumtoxin A ) enthalten.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1954 geborene Kläger leidet an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine. Wegen zunehmender, die Gangstörung weiter verschlechternder Beinspastik mit Betonung der Oberschenkelinnenseiten (Adduktorenspastik) behandelte ihn die Universitätsklinik für Neurologie des Universitätsklinikums M. ab Mai 2001 bis April 2005 im Rahmen mehrerer, jeweils mehrtägiger stationärer Aufenthalte auf Kosten der Beklagten mit einem BTX/A-Präparat. Die Beklagte lehnte den bereits im August 2001 gestellten Antrag ab, die Kosten für eine ambulante BTX/A-Therapie zu übernehmen (Bescheid vom 7.9.2001, Widerspruchsbescheid vom 17.1.2002). BTX/A sei nämlich nicht für die Behandlung einer Adduktorenspastik zugelassen. Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine ambulante BTX/A-Therapie als zulassungsüberschreitende Anwendung (Off-Label-Use) zu gewähren (Urteil vom 28.2.2006). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die nunmehr auf Fortsetzungsfeststellung gerichtete Klage abgewiesen: Zwar sei derzeit keine BTX/A-Therapie der fortbestehenden Adduktorenspastik des Klägers erforderlich. Doch bestehe ein Feststellungsinteresse, weil die BTX/A-Therapie der Adduktorenspastik jederzeit wieder notwendig werden könne. Der Kläger habe nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, § 31 Abs 1 SGB V keinen Anspruch auf Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff BTX/A, da ihnen eine Zulassung für die Indikation "Adduktorenspastik" fehle. Sie erfüllten auch nicht die Voraussetzungen eines Off-Label-Use, da keine abgeschlossene einschlägige Phase III-Studie veröffentlicht sei. Eine notstandsähnliche Situation, die eine grundrechtsorientierte Erweiterung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) rechtfertige, bestehe ebenfalls nicht. Das den Kläger behandelnde Krankenhaus sei nicht nach § 116b SGB V berechtigt, die begehrten ambulanten Behandlungen der Adduktorenspastik zu erbringen. Ein Behandlungsanspruch nach § 117 SGB V scheitere daran, dass auch die Hochschulambulanzen nur innerhalb der von § 135 SGB V vorgegebenen Grenzen Leistungen erbringen dürften(Urteil vom 17.6.2010).

3

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des Art 2 Abs 2 GG und des § 117 SGB V. Er habe wegen seiner schweren Erkrankung auch ohne Phase III-Studien Anspruch auf die ambulante BTX/A-Therapie seiner Adduktorenspastik. Außerdem rügt er, das LSG habe eine im Jahr 2004 vorgestellte multizentrische doppelblinde, plazebokontrollierte Studie nicht berücksichtigt.

4

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 28. Februar 2006 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte durch den Bescheid vom 7. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2002 rechtswidrig dem Kläger bei vertragsärztlicher Verordnung die Versorgung mit Fertigarzneimitteln, die den Wirkstoff Botulinumtoxin A enthalten, zur ambulanten Behandlung seiner Adduktorenspastik verweigert hat.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

7

II. Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG auf die Berufung der beklagten KK das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klage ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.-6.). Der Kläger hat gegen die Beklagte nämlich keinen Anspruch auf ambulante Behandlung seiner Adduktorenspastik mit einer BTX/A-Therapie, auch nicht in einer Hochschulambulanz.

8

1. Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässig mit der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG). Diese Regelung des SGG gilt ausdrücklich für Anfechtungsklagen, ist aber entsprechend auf kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen anzuwenden (stRspr, vgl zB BSGE 92, 46 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1; Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 131 RdNr 59 mwN). Das ursprüngliche Leistungsbegehren des Klägers hat sich während des Rechtsstreits erledigt, weil eine BTX/A-Therapie der Adduktorenspastik des Klägers im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 1 RdNr 5 mit Blick auf die Zukunftsausrichtung des Naturalleistungsbegehrens; s dazu etwa BSGE 88, 166, 167 = SozR 3-2500 § 28 Nr 5 S 26 mwN; BSGE 91, 32 = SozR 4-2500 § 28 Nr 1, RdNr 7)nach dessen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) medizinisch nicht erforderlich war.

9

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte sein Begehren rechtswidrig abgelehnt hat, da nach den Feststellungen des LSG Wiederholungsgefahr besteht (vgl zu den Fallgruppen des berechtigten Interesses Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 131 RdNr 75 ff mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 131 RdNr 10b mwN). Eine Wiederholungsgefahr setzt die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage beim Kläger voraus (vgl BSG SozR 4-2500 § 17 Nr 3 RdNr 13 mwN). So liegt es etwa, wenn sich konkret abzeichnet, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten kann. Nach den Feststellungen des LSG kann bei der fortbestehenden Krankheit jederzeit wieder ein BTX/A-Therapiebedarf im Adduktorenbereich auftreten.

10

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einem den Wirkstoff BTX/A enthaltenden Fertigarzneimittel im Rahmen ambulanter Behandlung seiner Adduktorenspastik. Die begehrten Fertigarzneimittel besitzen weder die erforderliche Zulassung zur Behandlung der beim Kläger bestehenden Krankheit (dazu 3.) noch besteht Anspruch auf eine Versorgung nach den Grundsätzen des Off-Label-Use (dazu 4.). Der Kläger kann auch keinen Einzelimport von BTX/A enthaltenden Fertigarzneimitteln verlangen, weil weder ein sog Seltenheitsfall noch ein Fall grundrechtsorientierter Leistungsausweitung gegeben ist. Auf ein sog Systemversagen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (dazu 5.). Schließlich ergibt sich auch nichts anderes daraus, dass die BTX/A-Therapie durch die Universitätsklinik für Neurologie des Universitätsklinikums M. nach § 117 SGB V als ambulante Therapie durchgeführt worden ist und weiterhin durchgeführt werden kann(dazu 6.).

11

3. Versicherte können Versorgung mit vertragsärztlich verordneten Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV - hier mit dem Wirkstoff BTX/A - grundsätzlich ungeachtet weiterer Einschränkungen (vgl §§ 31, 34 SGB V)nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem sie angewendet werden sollen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche(§ 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 22 mwN - D-Ribose; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 15 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 9 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 21 ADHS/Methylphenidat). So liegt es hier. Die begehrten Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff BTX/A sind zulassungspflichtig. Weder in Deutschland noch EU-weit liegt die erforderliche Arzneimittelzulassung für die Indikation Adduktorenspastik oder ein übergeordnetes Indikationsgebiet vor, das die Adduktorenspastik mit umfasst. Das steht nach den unangegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG fest (§ 163 SGG).

12

Keine Zulassung für Deutschland liegt darin, dass angeblich in Italien eine Zulassung BTX/A enthaltender Arzneimittel für Beinspastik ohne Bedeutung der Ursache, damit uU auch für eine Adduktorenspastik besteht. Insoweit eröffnet zwar § 25b Abs 2 AMG die Möglichkeit eines erleichterten Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung mit der Folge, dass das bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassene Arzneimittel grundsätzlich auch im Inland zuzulassen ist(näher dazu Friese in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 5 RdNr 5 f und 156 ff; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand Januar 2011, § 25b AMG RdNr 13 ff). Die bloße Möglichkeit, dass es einem pharmazeutischen Unternehmen offensteht, im Verfahren nach § 25b Abs 2 AMG die Zulassung eines bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassenen Arzneimittels herbeizuführen, ersetzt aber nicht die Zulassungsentscheidung.

13

4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit BTX/A-haltigen Fertigarzneimitteln im Rahmen eines Off-Label-Use zur Behandlung der Adduktorenspastik auf Kosten der GKV, weder nach § 35c SGB V(dazu a) noch nach allgemeinen Grundsätzen (dazu b).

14

a) Bei der streitigen BTX/A-Therapie handelt es sich um keinen durch § 35c Abs 1 SGB V und untergesetzliche Regelungen gedeckten Off-Label-Use. Nach § 92 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 6 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln. Nach § 91 Abs 6 SGB V sind die Beschlüsse des GBA mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 137b SGB V und zu Empfehlungen nach § 137f SGB V für die Träger iS des § 91 Abs 1 Satz 1 SGB V, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich. Abschnitt K und Anlage VI der Richtlinie des GBA über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009, Nr 49a , zuletzt geändert am 18.8.2011, BAnz Nr 156 S 3609 vom 14.10.2011) enthalten Einzelheiten über die "Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten" und führen Wirkstoffe als verordnungsfähig (Anlage VI Teil A) bzw als nicht verordnungsfähig (Anlage VI Teil B) auf. Die AM-RL benennt hierbei BTX/A nicht. Es fehlt damit an der erforderlichen expliziten Regelung der Verordnungsfähigkeit für die von der Zulassung nicht abgedeckte Indikation. Auf die Frage einer verzögerten Bearbeitung kommt es insoweit nicht an (vgl § 35c Abs 1 SGB V gegenüber § 135 Abs 1 Satz 4 SGB V). Eine Verzögerung in der Bearbeitung könnte nur zur Anwendung der allgemeinen Regeln des Off-Label-Use führen (vgl dazu unten, b), nicht aber zu einer Zulassungsfiktion (vgl ähnlich bereits BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 44).

15

Auch die Voraussetzungen des § 35c Abs 2 SGB V sind nicht erfüllt. Danach haben Versicherte außerhalb des Anwendungsbereichs des Absatzes 1 Anspruch auf Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln in klinischen Studien, sofern hierdurch eine therapierelevante Verbesserung der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung im Vergleich zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten zu erwarten ist, damit verbundene Mehrkosten in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten medizinischen Zusatznutzen stehen, die Behandlung durch einen Arzt erfolgt, der an der vertragsärztlichen Versorgung oder an der ambulanten Versorgung nach den §§ 116b und 117 SGB V teilnimmt, und der GBA der Arzneimittelverordnung nicht widerspricht. Der Kläger beansprucht die Versorgung indes nicht im Rahmen einer klinischen Studie.

16

b) Entsprechend der Anmerkung zu Abschnitt K AM-RL bleiben die allgemeinen, vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV unberührt, wenn - wie hier - ein nicht in der AM-RL geregelter Off-Label-Use betroffen ist. Die nach diesen Grundsätzen erforderlichen Voraussetzungen sind ebenfalls nicht erfüllt. Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin). Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27 mwN - Wobe-Mugos E; im Falle des Systemversagens s BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 24 mwN - Neuropsychologische Therapie).

17

Von hinreichenden Erfolgsaussichten ist nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das (konkrete) Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann nur angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sind. Soweit man aus der früheren Rspr des Senats (BSGE 89, 184, 192 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36)ein unterschiedliches Schutzniveau vor und während laufender Zulassungsverfahren ableiten kann, gibt der Senat diese Rspr klarstellend auf. Außerhalb und während eines Zulassungsverfahrens muss die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich entsprechen. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zugrunde liegt und in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (vgl BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 24 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 16 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 34 ADHS/Methylphenidat). Dies bedeutet, dass der während und außerhalb eines Zulassungsverfahrens zu erbringende wissenschaftliche Nachweis durch Studien erbracht werden muss, die die an eine Phase III-Studie zu stellenden qualitativen Anforderungen erfüllen. Daran fehlt es. Nach den Feststellungen des LSG, welche nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffen und damit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), ist es zu einer abgeschlossenen, veröffentlichten Studie der Phase III mit Relevanz für den Kläger bisher nicht gekommen.

18

Die sinngemäß erhobene Rüge des Klägers, das LSG habe seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG)verletzt, greift nicht durch. Eine Verletzung des § 103 SGG liegt lediglich vor, wenn das Tatsachengericht Ermittlungen unterlässt, obwohl es sich ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen(stRspr vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 5; Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 103 RdNr 86 ff mwN). Daran fehlt es. Das LSG hat die Anforderungen des BSG zugrunde gelegt, wonach für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV - wie dargelegt - einschlägige Studien der Phase III veröffentlicht sein müssen. Bei diesem Ausgangspunkt drängt es sich nicht auf, für den 1954 geborenen Kläger eine Studie zu würdigen, die im Jahre 2004 anlässlich der Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie in Bern vorgestellt wurde und der Frage des Effektes von BTX/A bei der Behandlung der Adduktorenspastik bei Kindern mit Zerebralparese im Alter von zwei bis zu zehn Jahren nachging. Dies gilt erst recht unter Beachtung der Wertungen der Rspr, wonach in der GKV versicherte Erwachsene grundsätzlich keinen Anspruch auf zulassungsüberschreitende Anwendung eines nur zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen zugelassenen Arzneimittels unter erleichterten Voraussetzungen haben, selbst wenn eine gleiche Wirksamkeit des Mittels unterstellt wird (vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15).

19

Es ist für den krankenversicherungsrechtlichen Anspruch des Klägers auch ohne Belang, dass eine Stellungnahme des Arbeitskreises Botulinumtoxin eV vom 4.5.2006 die Anwendung von BTX/A unabhängig von der Ursache befürwortet und nationale sowie europäische Konsensusgruppen explizit BTX/A bei Adduktorenspastik empfehlen (vgl Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Therapie des spastischen Syndroms, Stand 2008, S 8). Grundsätzlich bestimmen nicht Leitlinien und Konsensempfehlungen medizinischer Fachgesellschaften den Umfang der Leistungsansprüche der Versicherten der GKV. Das Leistungsrecht ist vielmehr insbesondere von den Vorgaben des § 2 Abs 1 Satz 1 und 3, § 12 SGB V geprägt, wonach Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen müssen. Für Fertigarzneimittel werden diese Anforderungen in der oben dargelegten Weise konkretisiert.

20

5. Der Kläger kann auch keinen Einzelimport nach § 73 Abs 3 AMG von BTX/A enthaltenden Fertigarzneimitteln zu Lasten der Beklagten verlangen. Weder ist ein sog Seltenheitsfall (dazu a) noch ein Fall grundrechtsorientierter Leistungsausweitung gegeben (dazu b). Auf ein sog Systemversagen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (dazu c).

21

a) Der erkennende Senat zieht im Rahmen des § 73 Abs 3 AMG ausnahmsweise die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der GKV selbst ohne Inlandszulassung in Erwägung, wenn es sich um einen Fall der Seltenheit handelt(vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 43 mwN). Die Voraussetzungen eines sog Seltenheitsfalls sind indes nicht erfüllt. Die Inzidenz der spastischen Beinparese ist, wie schon die Zulassung von BTX/A für den spastischen Spitzfuß belegt, für eine systematische wissenschaftliche Erforschung ausreichend hoch, um auch die Behandlung der Adduktorenspastik mittels BTX/A auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen. Das zieht auch der Kläger letztlich nicht in Zweifel.

22

b) Auch ein Anspruch auf BTX/A enthaltende Fertigarzneimittel zu Lasten der Beklagten im Rahmen eines Einzelimports nach § 73 Abs 3 AMG aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung besteht nicht(vgl zu den Voraussetzungen BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31/32 - D-Ribose; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 23 - Tomudex; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 16 mwN - Mnesis/Idebenone; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - "Lorenzos Öl"; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 45 f mwN - ADHS/Methylphenidat).

23

Die verfassungskonforme Auslegung setzt ua voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt. Um eine solche Erkrankung geht es bei dem Leiden des Klägers nicht. Nach den unangegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) leidet der Kläger an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine, Sekundärschäden am knöchernen Apparat (Coxarthrose, Pseudoradikulärsyndrom) und sich dadurch verstärkender Spastik bei in Ruhe einschießenden schmerzhaften Spasmen. Mit diesen Auswirkungen seiner Krankheit wird nicht die Schwelle erreicht, welche allgemein für eine grundrechtskonforme erweiternde Auslegung des Leistungsrechts der GKV zu fordern ist. Das Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, umschreibt nämlich eine strengere Voraussetzung, als sie mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des Off-Label-Use formuliert ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 34 - Neuropsychologische Therapie; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 17 - Mnesis/Idebenone). Das BSG hat dementsprechend das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit und eine Gleichstellung mit den in diesem Bereich zu verlangenden notstandsähnlichen Extremsituationen auch schon in ähnlichen Fällen mit durchaus gravierenden Beeinträchtigungen verneint (vgl die Übersicht in BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 15 - ICL).

24

c) Ein sog Systemversagen aufgrund zögerlicher oder willkürlicher Bearbeitung spielt weder im Rahmen des Einzelimports noch - über das oben Ausgeführte hinaus - für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV eine Rolle, soweit allein die Versorgung mit einem Fertigarzneimittel betroffen ist. Anders liegt es lediglich, wenn zugleich und parallel hierzu eine neue vertragsärztliche Behandlungsmethode betroffen ist (vgl dazu BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 22 ff - Visudyne).

25

6. Die Begrenzung des Anspruchs des Klägers auf die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln wird abgesehen von den dargestellten und hier verneinten Ausnahmen nicht dadurch aufgehoben oder geändert, dass eine Hochschulambulanz nach § 117 SGB V behandelt oder zur Behandlung in Betracht kommt.

26

§ 117 SGB V eröffnet den Hochschulambulanzen den Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung, um die universitäre Forschung und Lehre zu unterstützen(vgl BSGE 82, 216, 221 = SozR 3-5520 § 31 Nr 9 S 37 f; zu § 117 Abs 2 SGB V: BSG SozR 4-2500 § 117 Nr 1 RdNr 35). Die von Ärzten in Hochschulambulanzen in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang erbrachten ambulanten Leistungen sind weiterhin Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Der Zulassungsausschuss (§ 96 SGB V) ist nach § 117 Abs 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378) verpflichtet, auf Verlangen von Hochschulen oder Hochschulkliniken die Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken (Hochschulambulanzen) zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten und der in § 75 Abs 3 SGB V genannten Personen zu ermächtigen. § 95 Abs 1 Satz 1, Abs 4 Satz 1 SGB V(ab 1.7.2008 idF von Art 6 Nr 16 des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008, BGBl I 874) beschreiben näher die Rechtsfolge einer solchen Ermächtigung: Die ermächtigte Einrichtung ist zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet.

27

Hiernach vermag die Behandlung durch Ärzte einer Hochschulambulanz zugunsten des Klägers keinen anderen Versorgungsanspruch zu begründen als den, der ihm zusteht, wenn er sich in die Behandlung eines Vertragsarztes begibt. Auch die Ärzte einer Hochschulambulanz dürfen dem Kläger nur für die jeweilige Indikation zugelassene Fertigarzneimittel verordnen, es sei denn, dass eine gesetzliche oder richterrechtliche Ausnahme eingreift. Das ist indes - wie oben dargestellt - hier nicht der Fall.

28

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe

A.

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versorgung der Beschwerdeführerin mit einem Medizinprodukt auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die beantragte Versorgung war mit der Begründung abgelehnt worden, das Medizinprodukt sei nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Liste der verordnungsfähigen Medizinprodukte aufgenommen worden, und es gebe keinen Anspruch darauf, dass die Kosten der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung nach den Grundsätzen des Beschlusses des Ersten Senats vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) übernommen würden.

II.

2

1. Die Beschwerdeführerin leidet an einer chronischen Erkrankung der Harnblasenwand. Die Krankheit hat eine erhebliche Verringerung der Blasenkapazität sowie Entleerungsstörungen mit ausgeprägten Schmerzen und imperativem Harndrang zur Folge. Bei chronischem Verlauf kann eine Schrumpfblase entstehen, die bei unglücklicher Entwicklung der Krankheit eventuell operativ entfernt werden muss. Die Beschwerdeführerin beantragte bei ihrer Krankenkasse die Versorgung mit einem Medizinprodukt zur Therapie dieser Krankheit. Sämtliche Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Versorgung blieben ohne Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung der Revision durch das Bundessozialgericht und mittelbar gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB V.

3

2. Die Verfassungsbeschwerde stützt sich im Wesentlichen auf zwei Argumente:

4

a) Zum einen beansprucht die Beschwerdeführerin nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) eine Versorgung mit dem Medizinprodukt unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. In dieser Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Versorgung anerkannt, wenn ein Versicherter an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht existieren, und wenn die gewünschte Behandlung eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (vgl. BVerfGE 115, 25 <49>). Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie erfülle alle Voraussetzungen dieses Anspruchs; die Krankheit sei lebensbedrohlich, weil sie nach bisherigen Erfahrungen auch Anlass für einen Suizid sein könne.

5

Zumindest müsse der Anspruch in Fortführung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 auch in Fällen schwerwiegender Erkrankungen eröffnet sein, die zum Verlust eines Körperorgans führen und die sozialen Kontakte der Erkrankten erheblich beeinträchtigen könnten. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 formuliere, dass der Anspruch "insbesondere" in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung bestehe (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>); dass das Tatbestandsmerkmal nur als Beispiel aufgeführt werde, belege, dass es Krankheiten gleichen Gewichts gebe, die ebenfalls zu einem solchen Anspruch führen könnten.

6

b) Zum anderen rügt die Beschwerdeführerin, der nach § 91 SGB V tätige Gemeinsame Bundesausschuss verweigere die Aufnahme des von ihr gewünschten Medizinprodukts in seine Arzneimittel-Richtlinie, ohne dafür hinreichend demokratisch legitimiert zu sein. Diese Weigerung wirke ihr gegenüber rechtlich wie eine Ablehnung, denn nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei die Aufnahme des Medizinprodukts in eine Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Voraussetzung einer Versorgung.

7

Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erfassten alle an der Krankenversorgung Beteiligten ohne eine hinreichende Steuerung durch parlamentarisches Gesetz oder durch Weisung und Aufsicht der Gesundheitsbehörden. Die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses seien völlig weisungsunabhängig. Zehn Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses würden von den Leistungserbringern und -finanzierern der gesetzlichen Krankenversicherung bestellt, die drei unparteiischen Mitglieder im Einvernehmen dieser beiden Gruppen ernannt. Die vom Demokratieprinzip erforderte personelle Legitimationskette vom Volk über das Parlament zum Gemeinsamen Bundesausschuss fehle gänzlich.

B.

8

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie zeigt nicht entsprechend den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG substantiiert und schlüssig die Möglichkeit der Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin auf. Teilweise genügt sie auch nicht den Anforderungen an die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

I.

9

1. a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 <87> m.w.N.).

10

b) Der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abgeleitete Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 68, 384 <388 f.>). Dem Bundesverfassungsgericht soll vor seiner Entscheidung unter anderem ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und die Fallanschauung der Gerichte, insbesondere der obersten Bundesgerichte, vermittelt werden (vgl. BVerfGE 72, 39 <43>). Deswegen ist dem Subsidiaritätsgrundsatz auch nicht genügt, wenn im Instanzenzug ein Mangel nicht nachgeprüft werden konnte, weil er nicht oder nicht in ordnungsgemäßer Form gerügt worden war (vgl. BVerfGE 16, 124 <127>; 54, 53 <65>; 74, 102 <114>). Zwar resultiert daraus keine allgemeine Pflicht, verfassungsrechtliche Erwägungen und Bedenken schon in das fachgerichtliche Verfahren einzuführen (vgl. BVerfGE 112, 50 <60 ff.>). Dies lässt aber die Obliegenheit der Parteien unberührt, die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen bereits im Ausgangsverfahren vollständig vorzutragen; ein grundsätzlich neuer Tatsachenvortrag ist im Verfahren der Verfassungsbeschwerde ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 112, 50 <62>). Hat der Beschwerdeführer die Tatsachen dort nicht vollständig vorgebracht, hat er nicht alles ihm Zumutbare getan, um eine fachgerichtliche Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen.

11

2. An diesen Substantiierungsanforderungen und am Grundsatz der Subsidiarität scheitert die Verfassungsbeschwerde mit ihren Angriffen gegen das Urteil des Bundessozialgerichts und mittelbar gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V.

12

a) Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 geben die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 GG einen Anspruch auf Krankenversorgung insbesondere in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, wenn für sie schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen und die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht. Dann könnten diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten (vgl. BVerfGE 115, 25 <45 und 49>).

13

b) Nach ihren eigenen Darlegungen ist die Beschwerdeführerin von keiner lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung betroffen. Sie leidet zwar zweifellos an einer schwerwiegenden Erkrankung mit gewichtigen Folgen; diese begründet aber keine zeitlich naheliegende Todesgefahr. Ihr Hinweis auf statistisch erfasste Suizide bei einer Erkrankung dieser Art kann in seiner Allgemeinheit das individuelle Vorliegen dieses Anspruchsmerkmals nicht begründen.

14

c) Auch sind die medizinischen Angaben der Beschwerdeführerin unzureichend, um im Hinblick auf das von ihr begehrte Medizinprodukt eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf prüfen zu können. Zwar gibt die Verfassungsbeschwerde die Indizien für einen individuellen Wirkungszusammenhang aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (vgl. BVerfGE 115, 25 <50>) abstrakt wieder, konkretisiert sie aber nicht für den Einzelfall. Die Beschwerdeführerin hat weder vergleichende Angaben zu ihrem und dem Gesundheitszustand anderer behandelter Versicherter gemacht noch eine fachliche Einschätzung ihrer behandelnden Ärzte zu der beabsichtigten Therapie vorgelegt. Warum beides im Hinblick auf ihre nicht näher dargelegte finanzielle Situation von vornherein unzumutbar sein sollte, erschließt sich nicht. Zudem fehlt es an wesentlichen Informationen zu medizinischen Erkenntnissen über die Wirksamkeit des von ihr begehrten Medizinprodukts. Dessen positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ist zunächst lediglich behauptet und mit pauschalen Verweisen auf Anwendungsuntersuchungen begründet worden. Erst nach Ablauf der maßgeblichen Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für die Begründung der Verfassungsbeschwerde hat die Beschwerde detaillierter vorgetragen, aber auch dann nur vorgebracht, dass ihrer Ansicht nach eine in das Verfahren neu eingebrachte Studie trotz deren höherer Evidenzstufe nicht geeignet sei, einen Wirksamkeitsnachweis auszuschließen.

15

d) Dem Vortrag der Beschwerdeführerin lässt sich auch nicht entnehmen, dass sie im Verfahren vor den Sozialgerichten ausreichende Darlegungen für einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf das begehrte Medizinprodukt nach den Maßstäben des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 vorgebracht und so dem Grundsatz der Subsidiarität genügt hätte.

16

3. Die Beschwerdeführerin trägt vor, es sei verfassungsrechtlich geboten, den grundgesetzlichen Leistungsanspruch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 auf schwerwiegende Krankheiten zu erweitern, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen vergleichbar sind. Sie verweist dazu auf die Formulierung im genannten Beschluss, der Anspruch entstehe "insbesondere" in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>). Er müsse also auch für andere Krankheiten gleichen Gewichts gelten.

17

a) Eine solche Erweiterung ist fachgerichtlich schon anerkannt und mittlerweile auch gesetzlich normiert worden. Schon das Bundessozialgericht hat den verfassungsrechtlichen Leistungsanspruch auf wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungsfälle in notstandsähnlichen Situationen erweitert (vgl. BSGE 96, 153 <160 f. Rn. 31-32>; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R -, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8 Rn. 16 ff.). Dies sei bei einem drohenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gegeben. Der Verlust müsse jedoch in absehbarer Zeit, das heißt in einem kürzeren, überschaubaren Zeitraum, mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (vgl. BSGE 100, 103 <112 Rn. 32>). Der Gesetzgeber ist dem gefolgt und hat mit Wirkung zum 1. Januar 2012 in § 2 Abs. 1a SGB V einen Anspruch bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung gegeben. Es blieb dem Gesetzgeber zwar unbenommen, die vom Bundessozialgericht vorgenommene Anspruchserweiterung in § 2 Abs. 1a SGB V nachzuzeichnen. Diese Änderung des einfachen Gesetzesrechts vermag jedoch den hier im Verfahren der Verfassungsbeschwerde allein maßgeblichen verfassungsunmittelbaren Anspruch für sich genommen nicht zu erweitern. Im Übrigen ist die einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage erst im Jahr 2012 geschaffen worden, erfasst also zeitlich das vorliegende fachgerichtliche Verfahren nicht.

18

b) Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit krankenversicherungsrechtlichen Leistungsansprüchen in Fällen schwerwiegender Erkrankungen befasst, aber in keinem Fall festgestellt, dass es verfassungsrechtlich geboten sei, die Grundsätze des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 auf Erkrankungen zu erstrecken, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar sind. Es würde auch dem Ausnahmecharakter eines aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 GG abgeleiteten Leistungsanspruchs nicht gerecht, in großzügiger Auslegung der Verfassung einen solchen zu erweitern und so die sozialstaatliche Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers außer Acht zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb festgestellt, dass die notwendige Gefährdungslage erst in einer notstandsähnlichen Situation vorliege, in der ein erheblicher Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Anknüpfungspunkt eines derartigen Anspruchs ist deswegen unverändert "das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage" (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. März 2014 - 1 BvR 2415/13 -, juris, Rn. 14). Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch ist so auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr beschränkt. Entscheidend ist es, dass eine Krankheit lebensbedrohlich ist, das heißt in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann, und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen. Dies bedeutet nicht, dass in anderen Krankheitsfällen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung keinen grundrechtlichen Schutz genießen; insoweit kommt nach den Maßstäben des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 jedoch kein verfassungsunmittelbarer Leistungsanspruch auf Versorgung in Betracht.

19

4. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels hinreichender Substantiierung auch insoweit unzulässig, als die Beschwerdeführerin eine fehlende demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses bei der Ausgestaltung der Leistungsansprüche der Versicherten geltend macht.

20

a) Die Schutzwirkungen des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gehen über den im Beschluss vom 6. Dezember 2005 anerkannten, besonderen Extremfall der lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit hinaus und vermitteln einen weitergehenden subjektivrechtlichen Grundrechtsschutz. Die Ausgestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich an der grundrechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen (vgl. BVerfGE 115, 25 <44 f.> m.w.N.). Zugleich schützt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip in einem auf Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht beruhenden Versicherungssystem, bei dem der Einzelne typischerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe seines Beitrags und auf Art und Ausmaß der aus seinem Versicherungsverhältnis geschuldeten Leistung hat, den beitragspflichtigen Versicherten vor einer Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung. Zwar ergibt sich daraus grundsätzlich kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen zur Krankenbehandlung. Gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen sind aber daraufhin zu prüfen, ob sie im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind (vgl. BVerfGE 115, 25 <43>). Den Versicherten steht insoweit ein Anspruch auf eine verfassungsmäßige Ausgestaltung und auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung zu (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>). Gesetzlicher Ausgestaltung bedürfen insbesondere auch die grundsätzlich zulässigen (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>) Verfahren zur Bewertung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens sowie der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Würde eine zur Behandlung einer Krankheit benötigte Leistung in einem Entscheidungsprozess verweigert, der verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, wären Versicherte in ihren Grundrechten verletzt. Auf einen derartigen Anspruch auf Gewährleistung verfassungsmäßiger Ausgestaltung des Verfahrens der Leistungsgewährung könnte sich ein Beschwerdeführer prozessrechtlich nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG jedoch nur dann berufen, wenn er darlegte, die begehrte Behandlungsmethode biete eine zumindest auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

21

Hieran fehlt es jedoch vorliegend. Die Beschwerdeführerin hat - wie bereits festgestellt - im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nicht innerhalb der Begründungsfrist substantiiert dazu vorgetragen, dass die von ihr begehrte Behandlungsmethode eine derartige Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung verspricht.

22

b) Zudem bedürfte eine Verfassungsbeschwerde, die im Ergebnis auf Aufnahme eines Medizinprodukts in eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V zielt und das dem zugrunde liegende Verfahren aufgreift, einer Befassung mit der konkreten Befugnisnorm, auf der die streitige Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses fußt. Vorliegend fehlt jedoch die Darlegung, aus welchen Gründen gerade § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der es dem Gemeinsamen Bundesausschuss gestattet, ausnahmsweise Medizinprodukte in die Reihe der verordnungsfähigen Versorgung aufzunehmen, mit verfassungsrechtlichen Vorgaben, etwa zur demokratischen Legitimation (vgl. BVerfGE 115, 25 <47>), unvereinbar sein könnte. Mit dem Vorbringen - durchaus gewichtiger - genereller und allgemeiner Zweifel an der demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses als Institution kann das nicht gelingen. Vielmehr bedarf es konkreter Ausführungen nicht nur zum Einzelfall, sondern auch zur Ausgestaltung der in Rede stehenden Befugnis, zum Gehalt der Richtlinie und zur Reichweite der Regelung auf an ihrer Entstehung Beteiligte oder auch unbeteiligte Dritte. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss für eine Richtlinie hinreichende Legitimation besitzt, wenn sie zum Beispiel nur an der Regelsetzung Beteiligte mit geringer Intensität trifft, während sie für eine andere seiner Normen fehlen kann, wenn sie zum Beispiel mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht mitwirken konnten. Maßgeblich ist hierfür insbesondere, inwieweit der Ausschuss für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet ist.

23

Dem wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Auf die allein in Frage stehende Befugnisnorm des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V und auf die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses gerade für die darauf gründende Richtliniensetzung geht sie gar nicht ein, sondern begnügt sich mit der Wiedergabe allgemeiner Zweifel an der generellen Legitimation dieser Institution. Auch wäre es erforderlich gewesen, auf die tatsächliche Bedeutung der dem Ausschuss gerade für die Medizinprodukteversorgung übertragenen Befugnisse näher einzugehen und den Gehalt der gesetzlichen Vorgaben und deren Auslegung in der Praxis in Abgrenzung etwa zu denen der Arzneimittelversorgung zu würdigen, um so dem Bundesverfassungsgericht eine Beurteilungsgrundlage dafür zu schaffen, wieweit die Entscheidungen des Ausschusses gesetzlich angeleitet sind und welche Bedeutung ihnen praktisch zukommt.

II.

24

1. Die Verfassungswidrigkeit des Inhalts der die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten regelnden §§ 27 bis 29 Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) rügt die Beschwerdeführerin nicht. Die Verfassungsbeschwerde kritisiert zwar die vom Gemeinsamen Bundesausschuss im 4. Kapitel seiner Verfahrensordnung für alle Richtlinienentscheidungen festgelegten Evidenzanforderungen und Bewertungskriterien sowie die aus ihrer Sicht unzureichenden Ermittlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses im Herstellerzulassungsverfahren und will hieraus ein Systemversagen ableiten. Weder die Verfahrensordnung noch das Genehmigungsverfahren selbst sind aber von der Beschwerdeführerin zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht worden.

25

2. Die zusätzlich und ausdrücklich als verfassungswidrig gerügte Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 3 SGB V war für das angegriffene Urteil des Bundessozialgerichts ohne rechtliche Relevanz. Sie erklärt den in § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V geregelten gesetzlichen Versorgungsausschluss für bestimmte Arzneimittel - wie Erkältungs-, Schmerz- oder Abführmittel und Reisemedizin - für entsprechend anwendbar. Von dieser Vorschrift ist die Beschwerdeführerin, soweit erkennbar, in keiner Weise selbst betroffen. Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, weshalb diese Regelung, die überhaupt keine Normsetzungskompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses begründet, unvereinbar mit dem Grundgesetz sein sollte. Die Beschwerdebegründung geht darauf nicht ein.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten in Höhe von 11 564 Euro für eine auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung.

2

Der 1984 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger leidet an Retinitis pigmentosa, einer Netzhauterkrankung, die zu Tunnelblick und in ihrem Endstadium zur Erblindung führt. Im Jahr 2002 beantragte er - ua auf seine nur noch 3 % bis 5 % betragende Sehfähigkeit hinweisend - die Kostenübernahme für eine sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P in H ; dieser Arzt habe eine Therapie entwickelt, die das weitere Absterben der Netzhaut verhindere und das Sehvermögen verbessern könne. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Behandlungsmethode schulmedizinisch nicht allgemein anerkannt sei (Bescheid vom 19.11.2002; Widerspruchsbescheid vom 5.2.2003). Vom 10.1. bis 31.1.2003 ließ sich der Kläger auf Kuba auf eigene Kosten (nach eigenen Angaben 11 564 Euro) entsprechend behandeln.

3

Die Klage auf Kostenerstattung ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 24.3.2006; Urteil des LSG vom 1.8.2007). Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung für die auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung betroffen gewesen ist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3), weil das LSG dem nach § 109 SGG gestellten Antrag des Klägers, Beweis zur Eignung der durchgeführten Heilbehandlung durch den Sachverständigen Prof. M (Universität Bologna) zu erheben, nicht nachgekommen war. Das LSG hat ein Gutachten nach Aktenlage bei Prof. M
dazu eingeholt, ob die Kuba-Therapie dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, und anschließend die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, es fehle an einem hinreichend objektiven Wirksamkeitsnachweis der sog Kuba-Therapie (Urteil vom 16.11.2011).

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Art 2 Abs 2 S 1 sowie von Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip. Das LSG verkenne mit seiner Forderung nach validen Studien oder aussagekräftige Statistiken die Anforderungen, die an Hinweise für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine zumindest spürbare positive Einwirkung der Behandlung auf den Krankheitsverlauf zu stellen seien.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. März 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2003 zu verurteilen, ihm 11 564 Euro zu zahlen,

6

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das an-gefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung von 11 564 Euro Kosten für die Auslandsbehandlung hat, vermag der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen. Es steht nicht fest, dass die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V erfüllt sind.

10

Das LSG hat zwar in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Erstattungsanspruch aus § 18 Abs 1 S 1 SGB V bei Beachtung des Qualitätsgebots(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) abgelehnt (dazu 1.), aber unzureichende Feststellungen zur grundrechtsorientierten Auslegung getroffen (dazu 2.). Eine grundrechtsorientierte Auslegung scheidet allerdings aus, wenn die Überprüfbarkeit der Methode an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten scheitert (dazu 3.).

11

1. Nach den auch den erkennenden Senat bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) beruht der geltend gemachte Anspruch auf § 18 Abs 1 S 1 SGB V(in der hier noch maßgeblichen bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Danach kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist. Der Anspruch setzt ua nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 29) grundsätzlich voraus, dass die Leistung im Ausland den Anforderungen an das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) entspricht. Das hat das LSG im Ergebnis - unangegriffen und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - verneint, weil nicht die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie kein Konsens besteht.

12

2. Nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) kommen Abmilderungen der Anforderungen des Qualitätsgebots infolge grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts der GKV auch im Anwendungsbereich des § 18 SGB V in Betracht. Ist für Versicherte eine nach Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierter Leistungsbestimmung in der GKV zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich, besteht ein Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs 1 S 1 SGB V.

13

Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), bedarf es hierfür zunächst der Feststellung, dass der Kläger im Zeitpunkt der Behandlung an einer Krankheit litt, die zumindest wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar ist. Diesbezüglich hat das erste Revisionsurteil vorgegeben, dass hierfür eine drohende Erblindung in Betracht kommt, hochgradige Sehstörungen demgegenüber nicht ausreichen (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31). Sodann ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), die Feststellung erforderlich, ob, und wenn ja mit welcher Zielrichtung, bezüglich dieser Krankheit zumindest eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht und für den Kläger anwendbar ist. Des Weiteren ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), festzustellen, mit welcher Zielsetzung die sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P durchgeführt wird und ob bezüglich dieser Behandlungsmethode eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers bestand. Hierzu bedarf es der Feststellungen, die für eine abstrakte Nutzen-Risiko-Analyse und für eine Abwägung der Chancen und Risiken dieser Behandlungsmethode gerade im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse bei dem Kläger erforderlich sind. Maßgeblich sind für diese Feststellungen nach den bindenden Vorgaben (§ 170 Abs 5 SGG) die Regeln der ärztlichen Kunst.

14

Das LSG hat zur konkreten Krankheitssituation des Klägers, zu den regelmäßigen, schulmäßigen Behandlungsmethoden bei seiner Augenkrankheit, zu einer Unverträglichkeit dieser Methoden bei dem Kläger und zu den Chancen und Risiken der Kuba-Therapie im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse des Klägers im Behandlungszeitpunkt keine Feststellungen getroffen. Soweit es eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verneint hat, weil es an einem objektiven Wirksamkeitsnachweis fehle, verkennt es die bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGG).

15

Das LSG hat ausgeführt, die Methode sei nicht ausreichend an Menschen evaluiert und werde von der überwiegenden Mehrheit der einschlägigen Fachleute jedenfalls nicht befürwortet, vom wissenschaftlichen Beirat von Pro Retina Deutschland e.V. nicht empfohlen, vom "Health Council of the Netherlands" in den Niederlanden nicht anerkannt und auch in den USA und überwiegend in Europa nicht akzeptiert. Prof. M gehöre zur Minderheit der Befürworter und zu den wenigen Anwendern, gleichwohl vermöge er nur auf seine eigenen klinischen Erfahrungen an Menschen (und Tieren) hinzuweisen, ohne dass valide Studien oder aussagekräftige Statistiken zur Wirksamkeit der Therapie existierten. Die bisherigen Erkenntnisse würden zwar einen positiven Einfluss nicht ausschließen, genügten aber nicht, um von einer "ausreichend gesicherten" positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auszugehen, weil sich der Sachverständige nur auf die Feststellungen der von ihm operierten 126 Menschen stütze und eine graduelle Verzögerung des Sehschärfeverlustes um 18 bis 24 Monaten nicht ausreichend erscheine.

16

Damit überspannt das LSG die Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts. Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), ist es bei der abstrakten und konkreten Prüfung von Risiken und Nutzen geboten, jeweils das erreichbare Behandlungsziel iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu berücksichtigen. Der bei beiden Analysen von Nutzen und Risiken zu beachtende Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der den Zurechnungszusammenhang zwischen Therapie, Erfolg und Risiken betrifft, unterliegt - ähnlich wie bei der Anwendung von Pharmakotherapien mit Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV - aufgrund von Verfassungsrecht Abstufungen je nach Schwere und Stadium der Erkrankung und Ausmaß sowie Eintrittswahrscheinlichkeit von unerwünschten Nebenwirkungen. Erforderlich ist, dass unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt. Soweit danach eine solche Behandlungsmethode in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob bei Anlegen des gleichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch andere (anerkannte) Methoden diesen Anforderungen genügen. Ist dem so, sind diese Methoden untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen (vgl zum Ganzen zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 25 f mwN - LITT, bezogen in BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30).

17

Die Folge dieser Rechtsprechung ist, dass, wenn eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode für eine wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbare Krankheit (generell) überhaupt nicht zur Verfügung steht oder im konkreten Einzelfall ausscheidet, weil der Versicherte diese nachgewiesenermaßen nicht verträgt, der Nachweis des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit einem der notstandsähnlichen Situation angemessenen geringeren Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterfällt. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und 'hoffnungsloser' die Situation, desto geringere Anforderungen an die 'ernsthaften Hinweise' auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg" (BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40; mit ähnlicher Tendenz schon: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, 179; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl 2002, § 130 RdNr 23).

18

Wissenschaftliche Verlaufsbeobachtungen anhand von operierten 126 Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle sind ihrer Art nach ohne Weiteres geeignet, nach den Regeln der ärztlichen Kunst als Grundlage für "Indizien" im dargelegten Sinne für eine positive Einwirkung zu dienen. Nach den Feststellungen des LSG hat Prof. M 126 Patienten mit der Pelaez-Technik jeweils an einem Auge operiert - das nicht operierte Auge diente der Kontrolle - und stellte dabei fest, dass es zu Verbesserungen kam, die sich schrittweise verringerten, bis sie 18 bis 24 Monate nach Einsetzen des Implantats verschwanden.

19

Es entspricht auch nicht den dargelegten bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGB V), einen Erhalt der Sehfähigkeit durch Verbesserung des Sehvermögens für 18 bis 24 Monate als unerheblich anzusehen. Vielmehr handelt es sich ohne Zweifel um eine offenkundig positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Zu den Behandlungszielen des § 27 Abs 1 S 1 SGB V gehören die Heilung einer Krankheit, die Verhütung ihrer Verschlimmerung sowie die Linderung von Krankheitsbeschwerden. Eine "Verhütung der Verschlimmerung" setzt nicht voraus, dass diese dauerhaft ist, also die Erkrankung zum Stillstand kommt. Bei schicksalhaftem Verlauf der Erkrankung genügt es vielmehr, dass ihr Eintritt - hier die Erblindung - hinausgezögert wird (Steege in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2014, K § 27 RdNr 59).

20

Ob die Kuba-Therapie im Zeitpunkt der Behandlung nach den aufgezeigten Maßstäben geeignet war, beim Kläger eine Verschlimmerung im oben genannten Sinne zu vermeiden, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Nach Angaben von Prof. M soll die Behandlung nur auf Fälle mit hoher Progredienz des Krankheitsverlaufs angewendet werden, bei denen andere Methoden fehlschlugen. Das LSG hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die Frage offen gelassen, ob bei dem Kläger eine derartig schnelle Degeneration vorliegt. Entsprechende und ggf die übrigen, oben umschriebenen Feststellungen wird es nachzuholen haben. Mit Blick auf die gebotene abstrakte Nutzen-Risiko-Bewertung genügt es nicht - wie durch das LSG geschehen - nur allgemein mögliche Risiken zu nennen, ohne deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Die zu beurteilenden Risiken (nicht unerhebliches Operationsrisiko, Doppelsehen, welliges Sehen, schnellerer Verfall der Sehschärfe und des Gesichtsfelds als vor der Operation) wird das LSG deshalb abstrakt sowie bezogen auf den Einzelfall fest umreißen und mit dem möglichen Erfolg der Therapie in Anlehnung an Art 2 Abs 2 GG abzuwägen haben.

21

3. Die Notwendigkeit für das LSG, weitere ergänzende Feststellungen zu treffen, kann sich aus den in neuerer Rechtsprechung des erkennenden Senats entwickelten Anforderungen ergeben. Der erkennende Senat darf diese neueren Anforderungen trotz der grundsätzlichen Bindungswirkung (vgl § 170 Abs 5 SGG) seines ersten Revisionsurteils auch in diesem Verfahren zugrunde legen. Ein oberster Gerichtshof des Bundes ist nämlich, wenn er - wie hier der erkennende Senat - seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und erneut mit derselben Sache befasst wird, an seine zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden (vgl GmSOGB BSGE 35, 293, 296 ff = SozR Nr 15 zu § 170 SGG; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 13 mwN).

22

Nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f) verlangt die aus der grundrechtsorientierten Auslegung (heute: § 2 Abs 1a SGB V) resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zugrunde liegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Scheitert die Überprüfbarkeit der Methode nach Maßgabe der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten - womöglich als Teil eines Marketingkonzepts des Behandlers im Ausland -, sind derartige Erkenntnismängel nicht durch die grundrechtsorientierte Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zu überwinden(BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f). Die auch und gerade dem Patientenschutz dienende, tatsächlich mögliche wissenschaftliche Kontrolle, die innerhalb von EU und EWR die Regelungen über die Zulassung neuer Behandlungsmethoden prägt, steht bei Auslandskrankenbehandlungen nach § 18 SGB V nicht zur Disposition der ausländischen Leistungserbringer. Die grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V darf nicht dazu dienen, ein Anreizsystem dafür zu schaffen, dass in Deutschland versicherte Patienten Behandlungsleistungen außerhalb von EU und EWR nur deshalb erhalten, weil sich ihre Anbieter dauerhaft objektiv der tatsächlich möglichen wissenschaftlichen Kontrolle ihrer Leistungen entziehen, insbesondere keine Daten über die Einzelheiten der Behandlung einschließlich ihrer objektivierbaren Folgen veröffentlichen(BSG aaO mwN zur Sicherung des Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs 1 S 3 SGB V durch § 135 Abs 1 SGB V). Das LSG hat zur Ursache bestehender Erkenntnismängel im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers keine Feststellungen getroffen. Auch dies wird es nachzuholen haben.

23

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden des Beschlussgremiums gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

(2) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft und fünf von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern. Für die Berufung des unparteiischen Vorsitzenden und der weiteren unparteiischen Mitglieder sowie jeweils zweier Stellvertreter einigen sich die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 jeweils auf einen Vorschlag und legen diese Vorschläge dem Bundesministerium für Gesundheit spätestens zwölf Monate vor Ablauf der Amtszeit vor. Als unparteiische Mitglieder und deren Stellvertreter können nur Personen benannt werden, die im vorangegangenen Jahr nicht bei den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1, bei deren Mitgliedern, bei Verbänden von deren Mitgliedern oder in einem Krankenhaus beschäftigt oder selbst als Vertragsarzt, Vertragszahnarzt oder Vertragspsychotherapeut tätig waren. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt die Vorschläge an den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages. Der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages kann einem Vorschlag nach nichtöffentlicher Anhörung der jeweils vorgeschlagenen Person innerhalb von sechs Wochen mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder durch Beschluss widersprechen, sofern er die Unabhängigkeit oder die Unparteilichkeit der vorgeschlagenen Person als nicht gewährleistet ansieht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 legen innerhalb von sechs Wochen, nachdem das Bundesministerium für Gesundheit den Gemeinsamen Bundesausschuss über einen erfolgten Widerspruch unterrichtet hat, einen neuen Vorschlag vor. Widerspricht der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages nach Satz 5 auch dem neuen Vorschlag innerhalb von sechs Wochen oder haben die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 keinen neuen Vorschlag vorgelegt, erfolgt die Berufung durch das Bundesministerium für Gesundheit. Die Unparteiischen üben ihre Tätigkeit in der Regel hauptamtlich aus; eine ehrenamtliche Ausübung ist zulässig, soweit die Unparteiischen von ihren Arbeitgebern in dem für die Tätigkeit erforderlichen Umfang freigestellt werden. Die Stellvertreter der Unparteiischen sind ehrenamtlich tätig. Hauptamtliche Unparteiische stehen während ihrer Amtszeit in einem Dienstverhältnis zum Gemeinsamen Bundesausschuss. Zusätzlich zu ihren Aufgaben im Beschlussgremium übernehmen die einzelnen Unparteiischen den Vorsitz der Unterausschüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses. Der Vorsitzende nach Absatz 1 Satz 3 stellt übergreifend die Einhaltung aller dem Gemeinsamen Bundesausschuss auferlegten gesetzlichen Fristen sicher. Zur Erfüllung dieser Aufgabe nimmt er eine zeitliche Steuerungsverantwortung wahr und hat ein Antragsrecht an das Beschlussgremium nach Satz 1, er erstattet auch den nach Absatz 11 jährlich vorzulegenden Bericht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 schließen die Dienstvereinbarungen mit den hauptamtlichen Unparteiischen; § 35a Absatz 6 Satz 2 und Absatz 6a Satz 1 und 2 des Vierten Buches gilt entsprechend. Vergütungserhöhungen sind während der Dauer der Amtszeit der Unparteiischen unzulässig. Zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen kann eine über die zuletzt nach § 35a Absatz 6a Satz 1 des Vierten Buches gebilligte Vergütung der letzten Amtsperiode oder des Vorgängers im Amt hinausgehende höhere Vergütung nur durch einen Zuschlag auf die Grundvergütung nach Maßgabe der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes vereinbart werden. Die Aufsichtsbehörde kann zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen eine niedrigere Vergütung anordnen. Die Art und die Höhe finanzieller Zuwendungen, die den Unparteiischen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Unparteiische von Dritten gewährt werden, sind den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 mitzuteilen und auf die Vergütung der Unparteiischen anzurechnen oder an den Gemeinsamen Bundesausschuss abzuführen. Vereinbarungen der Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 für die Zukunftssicherung der Unparteiischen sind nur auf der Grundlage von beitragsorientierten Zusagen zulässig. Die von den Organisationen benannten sonstigen Mitglieder des Beschlussgremiums üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus; sie sind bei den Entscheidungen im Beschlussgremium an Weisungen nicht gebunden. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benennen für jedes von ihnen benannte Mitglied bis zu drei Stellvertreter. Die Amtszeit im Beschlussgremium beträgt ab der am 1. Juli 2012 beginnenden Amtszeit sechs Jahre.

(2a) Bei Beschlüssen, die allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 alle fünf Stimmen der Leistungserbringerseite anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von der betroffenen Leistungserbringerorganisation nach Absatz 1 Satz 1 benannt worden sind. Bei Beschlüssen, die allein zwei der drei Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 die Stimmen der von der nicht betroffenen Leistungserbringerorganisation benannten Mitglieder anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von den betroffenen Leistungserbringerorganisationen benannt worden sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seiner Geschäftsordnung erstmals bis zum 31. Januar 2012 fest, welche Richtlinien und Entscheidungen allein einen oder allein zwei der Leistungssektoren wesentlich betreffen. Bei Beschlüssen zur Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wird die Stimme des von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung benannten Mitglieds ab dem 1. Januar 2012 anteilig auf die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft benannten Mitglieder übertragen.

(3) Für die Tragung der Kosten des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Kosten der von den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benannten Mitglieder gilt § 139c entsprechend. Im Übrigen gilt § 90 Abs. 3 Satz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass vor Erlass der Rechtsverordnung außerdem die Deutsche Krankenhausgesellschaft anzuhören ist.

(3a) Verletzen Mitglieder oder deren Stellvertreter, die von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen benannt oder berufen werden, in der ihnen insoweit übertragenen Amtsführung die ihnen einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, gilt § 42 Absatz 1 bis 3 des Vierten Buches mit der Maßgabe entsprechend, dass die Verantwortlichkeit den Gemeinsamen Bundesausschuss, nicht aber die in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen, trifft. Dies gilt auch im Falle einer Berufung der unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch das Bundesministerium für Gesundheit nach Absatz 2 Satz 7. Soweit von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen für die Vorbereitung von Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses Personen für die nach seiner Geschäftsordnung bestehenden Gremien benannt werden und diese Personen zur Wahrung der Vertraulichkeit der für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtigen, ihnen zugänglichen Unterlagen und Informationen verpflichtet werden, gilt Satz 1 entsprechend. Das Gleiche gilt für nach § 140f Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz benannte sachkundige Personen, denen zur Ausübung ihres Mitberatungsrechts für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtige Unterlagen und Informationen zugänglich gemacht werden, wenn sie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zur Wahrung der Vertraulichkeit dieser Unterlagen verpflichtet worden sind. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Geschäftsordnung.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt

1.
eine Verfahrensordnung, in der er insbesondere methodische Anforderungen an die wissenschaftliche sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens, einschließlich Bewertungen nach den §§ 35a und 35b, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse sowie die Anforderungen an den Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit von Sachverständigen und das Verfahren der Anhörung zu den jeweiligen Richtlinien, insbesondere die Feststellung der anzuhörenden Stellen, die Art und Weise der Anhörung und deren Auswertung, regelt,
2.
eine Geschäftsordnung, in der er Regelungen zur Arbeitsweise des Gemeinsamen Bundesausschusses insbesondere zur Geschäftsführung, zur Vorbereitung der Richtlinienbeschlüsse durch Einsetzung von in der Regel sektorenübergreifend gestalteten Unterausschüssen, zum Vorsitz der Unterausschüsse durch die Unparteiischen des Beschlussgremiums sowie zur Zusammenarbeit der Gremien und der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses trifft; in der Geschäftsordnung sind Regelungen zu treffen zur Gewährleistung des Mitberatungsrechts der von den Organisationen nach § 140f Abs. 2 entsandten sachkundigen Personen.
Die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Vorlage des Beschlusses und der tragenden Gründe ganz oder teilweise versagt. Das Bundesministerium für Gesundheit kann im Rahmen der Genehmigungsprüfung vom Gemeinsamen Bundesausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Wird die Genehmigung ganz oder teilweise versagt, so kann das Bundesministerium für Gesundheit insbesondere zur Sicherstellung einer sach- und funktionsgerechten Ausgestaltung der Arbeitsweise und des Bewertungsverfahrens des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderliche Änderungen bestimmen und anordnen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb einer bestimmten Frist die erforderlichen Änderungen vornimmt. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss der Anordnung innerhalb der Frist nicht nach, so kann das Bundesministerium für Gesundheit die erforderlichen Änderungen selbst vornehmen. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend, wenn sich die Erforderlichkeit der Änderung einer bereits genehmigten Regelung der Verfahrensordnung oder der Geschäftsordnung erst nachträglich ergibt. Klagen gegen Anordnungen und Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit nach den Sätzen 3 bis 7 haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) Bei Beschlüssen, deren Gegenstand die Berufsausübung der Ärzte, Psychotherapeuten oder Zahnärzte berührt, ist der jeweiligen Arbeitsgemeinschaft der Kammern dieser Berufe auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 136 Absatz 3 und § 136b Absatz 1 Satz 3 bleiben unberührt.

(5a) Bei Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses, die die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln oder voraussetzen, ist dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(6) Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 136d sind für die Träger nach Absatz 1 Satz 1, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich.

(7) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 Satz 1 fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit seiner Mitglieder, sofern die Geschäftsordnung nichts anderes bestimmt. Beschlüsse zur Arzneimittelversorgung und zur Qualitätssicherung sind in der Regel sektorenübergreifend zu fassen. Beschlüsse, die nicht allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen und die zur Folge haben, dass eine bisher zulasten der Krankenkassen erbringbare Leistung zukünftig nicht mehr zu deren Lasten erbracht werden darf, bedürfen einer Mehrheit von neun Stimmen. Der unparteiische Vorsitzende und die weiteren unparteiischen Mitglieder können dem Beschlussgremium gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag zur Entscheidung vorlegen. Mit der Vorbereitung eines Beschlussvorschlags oder eines Antrags eines Unparteiischen nach § 135 Absatz 1 Satz 1 oder § 137c Absatz 1 Satz 1 können die Unparteiischen oder kann der Unparteiische die Geschäftsführung beauftragen. Die Sitzungen des Beschlussgremiums sind in der Regel öffentlich und werden zeitgleich als Live-Video-Übertragung im Internet angeboten sowie in einer Mediathek zum späteren Abruf verfügbar gehalten. Die nichtöffentlichen Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, insbesondere auch die Beratungen in den vorbereitenden Gremien, sind einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften vertraulich.

(8) (weggefallen)

(9) Jedem, der berechtigt ist, zu einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses Stellung zu nehmen und eine schriftliche oder elektronische Stellungnahme abgegeben hat, ist in der Regel auch Gelegenheit zu einer mündlichen Stellungnahme zu geben. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Verfahrensordnung vorzusehen, dass die Teilnahme jeweils eines Vertreters einer zu einem Beschlussgegenstand stellungnahmeberechtigten Organisation an den Beratungen zu diesem Gegenstand in dem zuständigen Unterausschuss zugelassen werden kann.

(10) Der Gemeinsame Bundesausschuss ermittelt spätestens ab dem 1. September 2012 die infolge seiner Beschlüsse zu erwartenden Bürokratiekosten im Sinne des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates und stellt diese Kosten in der Begründung des jeweiligen Beschlusses nachvollziehbar dar. Bei der Ermittlung der Bürokratiekosten ist die Methodik nach § 2 Absatz 3 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates anzuwenden. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 30. Juni 2012 in seiner Verfahrensordnung.

(11) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages einmal jährlich zum 31. März über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über die Einhaltung der Fristen nach § 135 Absatz 1 Satz 4 und 5, § 136b Absatz 3 Satz 1, § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 vorzulegen, in dem im Falle von Überschreitungen der Fristen nach § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 auch die zur Straffung des Verfahrens unternommenen Maßnahmen und die besonderen Schwierigkeiten einer Bewertung, die zu einer Fristüberschreitung geführt haben können, im Einzelnen dargelegt werden müssen. Zudem sind in dem Bericht auch alle anderen Beratungsverfahren über Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses darzustellen, die seit förmlicher Einleitung des Beratungsverfahrens länger als drei Jahre andauern und in denen noch keine abschließende Beschlussfassung erfolgt ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.