Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 14. Okt. 2016 - L 4 R 2840/16 B

bei uns veröffentlicht am14.10.2016

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein erstinstanzliches Verfahren wegen Erwerbsminderungsrente.
Die Klägerin ist am 1975 geboren und bei der Beklagten rentenversichert. Vom 11. September bis 15. Oktober 2013 absolvierte die Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der M.-B.-Klinik in K.. Im Entlassungsbericht vom 22. Oktober 2013 berichtet Dr. C. über die Diagnosen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome sowie psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak (Abhängigkeitssyndrom). Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichteten.
Am 14. Februar 2014 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Im Auftrag der Beklagten erstellte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. aufgrund einer Untersuchung der Klägerin vom 1. April 2014 unter dem 12. April 2014 ein ärztliches Gutachten. Er diagnostizierte eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelschwere bis schwere Episode. Die Klägerin könne Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auch bei Beachtung qualitativer Einschränkungen nur unter drei Stunden täglich verrichten. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 30. April 2015.
Am 18. Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung. Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. S. aufgrund einer Untersuchung der Klägerin vom 4. März 2015 unter dem 7. März 2015 erneut ein ärztliches Gutachten. Er diagnostizierte nun eine rezidivierende depressive Störung (gegenwärtig leicht). Die Klägerin könne seit März 2015 leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bei Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Weitergewährung der Rente daraufhin mit Bescheid vom 25. März 2015 ab. Die Klägerin könne wieder mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein.
Hiergegen erhob die Klägerin am 13. April 2015 Widerspruch. Sie sehe sich aufgrund ihrer psychischen Instabilität zur Zeit nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2015 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 17. Juli 2015 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) und beantragte zugleich die Gewährung von PKH unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten. Es seien nach wie vor schwerste Depressionen vorhanden. Neben den psychischen Erkrankungen (Angstzuständen, komplette Antriebslosigkeit, keinerlei Konzentrationsfähigkeit usw.) leide sie mehr und mehr unter weiteren Schmerzen. Es seien unspezifische Schmerzsymptome am ganzen Körper. Ausgelöst würden diese Schmerzen, welche durchgehend seit April 2015 bestünden, ebenfalls aus neurologischen Gründen. Zum PKH-Antrag trug sie vor, von „spärlichen Alg II-Bezügen“ zu leben und die Kosten der Rechtsverfolgung nicht finanzieren zu können. Sie legte zusammen mit der im Original am 20. Juli 2015 eingegangenen Klageschrift den Vordruck „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenshilfe“ vor. Die Abschnitte D, E, F bis J dieses Vordrucks waren weitgehend durchgestrichen und enthielten auch ansonsten keine Einträge. Beigefügt war ein Bescheid des Landratsamt L. vom 22. Mai 2015 über die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) für Mai bis Oktober 2015.
Mit Schreiben vom 8. Februar 2016 wies das SG den Bevollmächtigten der Klägerin darauf hin, dass die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unvollständig sei, insbesondere alle Angaben in den Feldern E und G fehlten.
10 
Die Klägerin ließ am mit Schriftsatz vom 27. April 2016, beim SG eingegangen am 29. April 2016, vortragen, dass den formellen Formularen zur PKH zu entnehmen sei, dass für den Fall, dass Arbeitslosengeld II (Alg-II) bezogen werde, weitere Belege nicht notwendig seien. Sie lebe nur von den Sozialleistungen, besitze keinerlei Vermögen. Sie legte den Bescheid des Landratsamts L. über die Änderung von laufenden Leistungen nach den Bestimmungen des SGB II vom 5. Dezember 2015 über die Bewilligung von Leistungen für Januar bis April 2016 vor.
11 
Das SG wies den Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 3. Mai 2016 darauf hin, dass es bei dem gerichtlichen Hinweis vom 8. Februar 2016 bleibe.
12 
Die Klägerin legte am 7. Juni 2016 ein weiteres Exemplar des Vordrucks „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse über Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe“ vor, in dem sie Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von EUR 484,94 sowie Kindergeld in Höhe von EUR 190,00 angab.
13 
Das SG holte eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage bei Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 21. September 2015 ein (Diagnose: rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode; keine ausreichende Belastbarkeit für eine sechsstündige berufliche Tätigkeit). Sodann bestellte es Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. Br. von Amts wegen zur gerichtlichen Sachverständigen. Dr. Br. erstattete aufgrund einer Untersuchung der Klägerin vom 1. April 2016 unter dem selben Datum ein ärztliches Gutachten. Das Gutachten ging am 11. April 2016 beim SG ein. Die Klägerin leide an rezidivierenden depressiven Episoden unterschiedlicher Ausprägung. Zudem bestehe eine Tabakabhängigkeit. Gegenwärtig bestehe eine leichte depressive Episode bei rezidivierenden depressiven Episoden. Die Klägerin könne aus nervenärztlicher Sicht eine leichte körperliche Tätigkeit im Umfang von sechs Stunden pro Tag leisten. Ausgeschlossen sei Nachtarbeit sowie die Übernahme von Verantwortung für Menschen.
14 
Das SG lehnte den Antrag auf Gewährung von PKH mit Beschluss vom 22. Juni 2016 ab. Die Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin die Erklärung des Bevollmächtigten vom 27. April 2016, eingegangen beim SG am 29. April 2016, dass sie nur von den Sozialleistungen lebe und keinerlei Vermögen besitze, als Ergänzung der zuvor vorgelegten unvollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenshilfe für ausreichend erachten würde, sei Entscheidungsreife jedenfalls nicht vor dem 29. April 2016 eingetreten. Dies bedeute, dass bei der Prüfung des geltend gemachten Anspruchs auf Weitergewährung von Rente auch das bereits vorliegende Gutachten von Dr. Br. bei der Erfolgsprognose zu berücksichtigen sei. Aus dem Gutachten der Dr. Br. ergebe sich jedoch, dass die Klägerin nicht erwerbsgemindert sei.
15 
Gegen den ihr am 28. Juni 2016 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 26. Juli 2016 beim SG Beschwerde eingelegt. Die PKH sei zusammen mit der Klageerhebung beantragt worden. Bereits in der Klageschrift sei mitgeteilt worden, dass sie nur von Alg II-Bezügen lebe und sonst kein Einkommen habe. Der Alg II-Bescheid sei beigefügt gewesen. Damit habe bereits bei Erhebung der Klage festgestanden, dass sie bedürftig sei und die Kosten der Rechtsstreits nicht finanzieren könne. Es sei gerichtsbekannt, dass Alg II-Empfänger keinerlei Vermögen oder Einkommen über diese Einkünfte hinaus zur Verfügung hätten, sonst würde kein Anspruch auf Alg II bestehen. Dies ergebe sich auch aus dem Alg II-Bescheid, auf welchen bereits in der Klage und in dem PKH-Formular verwiesen worden sei. Damit habe für das SG bereits am 17. Juli 2015 festgestanden, dass sie über keinerlei Einkünfte verfüge, außer jenen, die im Alg II-Bescheid aufgenommen seien. Dort seien die konkreten Alg II-Einkünfte jederzeit zu erkennen gewesen. Damit seien das Einkommen und die Vermögensverhältnisse hinreichend belegt gewesen. Erst mit Schreiben vom 8. Februar 2016 sei eine kurze Verfügung des SG erlassen worden. Konkret habe das SG auf die Angaben im Feld E und G Bezug genommen. Hierbei handle es sich um Fragen zum Einkommen und Vermögen. Diese Fragen seien jedoch schon geklärt. Das Einkommen sei nachgewiesen gewesen. Der Alg II-Bescheid haben von Anfang an vorgelegen. Damit sei Einkommen belegt. Weiter seien alle Felder durchgestrichen worden beim Abschnitt G. Dies bedeute, dass keinerlei Vermögen vorhanden sei. Dies sei jedem Sozialrichter bekannt, weil jeder Alg II-Empfänger bedürftig sei und gegebenenfalls außer einem kleinen Schonvermögen niemals weiteres einsetzbares Vermögen haben könne. Bereits mit Zustellung der Klage sei das Einkommen bekannt gewesen. Das SG hätte die PKH bereits lange vor Erhalt des Gutachtens bescheiden müssen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juni 2016 aufzuheben und ihr Prozesskostenhilfe für den Rechtsstreit beim Sozialgericht Heilbronn mit dem Aktenzeichen S 5 R 2331/15 zu gewähren.
18 
Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
19 
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge sowie auf die beigezogenen Akte der Beklagte Bezug genommen.
II.
20 
1. Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (§ 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1 SGG) eingelegt worden und auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der seit dem 25. Oktober 2013 geltenden Fassung ausgeschlossen, denn der Beschwerdeausschluss gilt danach nur, wenn – was hier nicht der Fall ist – das Gericht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist.
21 
2. Die Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Gewährung von PKH für das Verfahren S 5 R 2331/15 zu Recht abgelehnt.
22 
a) Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
23 
Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden, jedoch darf PKH unter diesem Gesichtspunkt bereits dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 – juris, Rn. 26; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2012 – 1 BvR 2869/11 – juris, Rn. 13; Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschluss vom 5. Januar 1994 – 1 A 14/92 – juris, Rn. 3; Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2007 – L 10 B 1195/06 AS PKH – juris, Rn. 4; Verwaltungsgerichtshof [VGH] Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Juli 2007 – 10 S 961/07 – juris, Rn. 3).
24 
Bei der Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Vorschriften über die Gewährung von PKH haben die Fachgerichte nach der Rechtsprechung des BVerfG die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Anforderungen zu beachten. Dabei ist keine vollständige Gleichheit Unbemittelter, sondern nur eine weitgehende Angleichung geboten (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 22. Januar 1959 – 1 BvR 154/55 – juris, Rn. 22 f.;BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 – juris, Rn. 23, 25; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 – juris, Rn. 35). Vergleichsperson ist derjenige Bemittelte, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/98 – juris, Rn. 25; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 – juris, Rn. 35). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG auch einer Besserstellung der Unbemittelten gegenüber Bemittelten entgegensteht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. November 2009 – 1 BvR 2455/08 – juris, Rn. 9; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. September 2010 – 1 BvR 1974/08 – juris, Rn. 13; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2011 – 1 BvR 2735/11 – juris, Rn. 7; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2012 – 1 BvR 2869/11 – juris, Rn. 13). Im Verfahren über die Bewilligung von PKH ist bezüglich der Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine summarische Prüfung geboten (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2006 – 1 BvR 2236/06 – juris, Rn. 13; Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 14. Dezember 2006 – IX ZR 164/05 – juris, Rn. 1; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. März 2006 – L 7 SO 96/06 PKH-B – juris, Rn. 5;LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2007 – L 10 B 1195/06 AS PKH – juris, Rn. 4).
25 
In zeitlicher Hinsicht kommt es für die Erfolgsaussichten auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Antrages an. Diese Bewilligungsreife liegt erst bei einem vollständigen Antrag vor. Dazu gehört neben der schlüssigen Begründung der Klage die Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. April 2010 – 1 BvR 362/10 – juris, Rn. 15; BGH, Beschluss vom 18. November 2009 – XII ZB 152/09 – juris, Rn. 10; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Februar 2014 – L 11 R 4217/13 B – juris, Rn. 21). Auch muss dem Prozessgegner Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sein.
26 
b) Nach diesen Maßstäben hat die Klage der Klägerin jedenfalls seit der Entscheidungsreife des PKH-Antrages keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, sondern erweist sich als unbegründet.
27 
aa) Bewilligungsreife lag frühestens am 29. April 2016 vor, als beim SG die Mitteilung ihres Bevollmächtigten einging, dass die Klägerin über keinerlei Vermögen verfügt.
28 
Durch die mit der Klageerhebung am 17. Juli 2015 erfolgte Vorlage des Formulars „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe“ konnte keine Bewilligungsreife herbeigeführt werden. Denn die Klägerin hat in dem Formular zu Einnahmen (Abschnitt E) und Vermögen (Abschnitt G) keinerlei Angaben gemacht. Diese Abschnitte waren teilweise durchgestrichen und im Übrigen nicht ausgefüllt. Dass die Klägerin keinerlei Einkommen hat, ist aber nicht glaubhaft, weil es nicht plausibel ist, von „nichts“ zu leben. Die Nichtangabe von Einkommen wurde im Übrigen durch die Klägerin selbst durch die gleichzeitige Vorlage des Bescheides des Landratsamtes L. vom 22. Mai 2015 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II dementiert. Angesichts dieser Lücken, Implausibilitäten und Widersprüche lag ein vollständiger Antrag auf PKH nicht vor. Hierauf wies das SG mit Schreiben vom 8. Februar 2016 die Klägerin zu Recht hin. Erst am 7. Juni 2016 legte die Klägerin dann die „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe“ ausgefüllt vor und offenbarte neben den Leistungen nach dem SGB II Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von EUR 484,49 und Kindergeld in Höhe von EUR 190,00 – wobei zu diesen Einnahmen keine Belege beigefügt waren – sowie Vermögen in Form eines Girokontoguthabens von EUR 810,00 und eines Personenkraftwagens mit einem Verkehrswert von EUR 1.800,00.
29 
Auch aus dem bereits mit Klagerhebung mitgeteilten Umstand, dass die Klägerin Leistungen nach dem SGB II bezieht, ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass sie über kein Vermögen verfügt. Rückschlüsse zwischen dem Leistungsbezug nach dem SGB II und der Bedürftigkeit im Sinne des PKH-Rechts sind nicht zulässig, denn Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II kann auch bestehen, wenn Vermögen vorliegt, das aufgrund seiner Höhe oder seiner Art bei der Bedürftigkeitsprüfung außen vor zu bleiben hat (§ 12 Abs. 2 und 3 SGB II). Für den Anspruch auf PKH gelten hingegen andere, niedrigere Vermögensfreibeträge (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch [SGB XII]; zu den Einzelheiten etwa Mecke, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 90 Rn. 83 ff.). Dem entspricht auch, dass das Formular inzwischen – und auch in der von der Klägerin verwendeten Fassung – Angaben zu den Abschnitten E bis J vorbehaltlich anderer gerichtlicher Anordnung (§ 2 Abs 3 Prozesskostenhilfevordruckverordnung [PKHVV]) nur dann für entbehrlich erklärt, wenn Leistungen nach dem SGB XII bezogen werden, nicht aber bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Die Argumentation der Klägerin und ihr Hinweis auf den SGB II-Bewilligungsbescheid gehen daher auch insofern ins Leere.
30 
bb) Bei der Klägerin liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes nicht vor.
31 
(1)Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
32 
(2) Diese Voraussetzungen liegen bei der im PKH-Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht vor. Die Klägerin leidet zwar unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet, nämlich unter rezidivierenden depressiven Episoden unterschiedlicher Ausprägung. Zuletzt hat die gerichtliche Sachverständige Dr. Br. bei einer Untersuchung der Klägerin am 1. April 2016 eine leichte depressive Episode festgestellt. Das Gleiche gilt für die Untersuchung der Klägerin am 4. März 2015 durch Dr. S.. Eine mittelschwere bis schwere Ausprägung stellte Dr. S. am 1. April 2014, eine schwere depressive Episode Dr. C. während der stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 11. September bis 15. Oktober 2013 – also jeweils vor Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums – fest. Während leichte Episoden nach Einschätzung Dr. S. und Dr. Br. und zur Überzeugung des Senats die berufliche Leistungsfähigkeit nicht in quantitativer Hinsicht mindern, lässt sich nicht feststellen, dass die mittelschweren und schweren Episoden im streitgegenständlichen Zeitraum so anhaltend und zumal zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des PKH-Antrages vorhanden waren, dass die Erwerbsfähigkeit zumindest für sechs Monate ununterbrochen in rentenberechtigendem Grad gemindert gewesen wäre. Ausgeschlossen sind lediglich Nachtarbeit sowie Tätigkeiten, die mit der Übernahme von Verantwortung für Menschen einhergehen.
33 
(3) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.
34 
(4) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.
35 
Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.
36 
(5) Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus den ärztlichen Äußerungen ergeben sich keine Befunde, die für eine unter den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit der Klägerin sprechen.
37 
cc) PKH war auch nicht deswegen zu gewähren, weil das SG Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt hat. Abgesehen davon, dass zu diesem Zeitpunkt nach dem oben Dargelegten der PKH-Antrag noch gar nicht bewilligungsreif war, rechtfertigt die Einholung eines Berichtes des behandelnden Arztes noch nicht die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten. Bei der Anforderung von Befundberichten der behandelnden Ärzte handelt es sich noch nicht um eine Beweisaufnahme im engeren Sinne, sondern die Einholung von Äußerungen der behandelnden Ärzte dient allein dazu, den klägerischen Vortrag zu substantiieren und schlüssig zu machen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2012 – 1 BvR 2869/11 – juris, Rn. 20; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Mai 2014 – L 11 R 2360/14 B – juris, Rn. 21).
38 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
39 
4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

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Gesetz über den Lastenausgleich


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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

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(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 14. Okt. 2016 - L 4 R 2840/16 B zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 14. Okt. 2016 - L 4 R 2840/16 B zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2009 - XII ZB 152/09

bei uns veröffentlicht am 18.11.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 152/09 vom 18. November 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 114 Satz 1, 115 Dem Beklagten ist Prozesskostenhilfe auch nach Klagerücknahme zu bewilligen , wenn Re

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 21. Nov. 2014 - L 4 R 4797/13

bei uns veröffentlicht am 21.11.2014

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Tatbestand   1 Die Beteiligten s

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 27. Mai 2014 - L 11 R 2360/14 B

bei uns veröffentlicht am 27.05.2014

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 16.04.2014 wird zurückgewiesen.Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Gründe  I.1 Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnun

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 21. Feb. 2014 - L 11 R 4217/13 B

bei uns veröffentlicht am 21.02.2014

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 18.08.2013 wird zurückgewiesen. Gründe   I.

Bundessozialgericht Urteil, 09. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R

bei uns veröffentlicht am 09.05.2012

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detm

Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2011 - B 13 R 21/10 R

bei uns veröffentlicht am 12.12.2011

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. März 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozi

Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2011 - B 13 R 79/11 R

bei uns veröffentlicht am 12.12.2011

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2011 wird zurückgewiesen.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 06. März 2006 - L 7 SO 96/06 PKH-B

bei uns veröffentlicht am 06.03.2006

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Gründe   1  Die gemäß § 173 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht einge

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Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Belehrung über das Beschwerderecht ist auch mündlich möglich; sie ist dann aktenkundig zu machen.

(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Gründe

 
Die gemäß § 173 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen statthafte Beschwerde (§ 172 SGG), der das Sozialgericht Reutlingen (SG) nicht abgeholfen hat, ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat für das Klageverfahren S 3 SO 1068/05 keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Klageverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102, 2103; Bundesgerichtshof NJW 1998, 1154; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. November 1998 - VI B 120/98 ) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG NJW-RR 2002, 1069; NJW 2003, 2976, 2977).
Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet bei der hier gebotenen zusammenfassenden Würdigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Deshalb war auf seine Bedürftigkeit (§ 115 ZPO) und die Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung (§ 121 Abs. 2 ZPO) nicht weiter einzugehen.
Dabei kann im vorliegenden summarischen Verfahren dahinstehen, ob der Auffassung des Beklagten - für die allerdings manches spricht - zu folgen wäre, dass die nach Ergehen des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2005 erst mit Schriftsatz vom 15. Juli 2005 (eingegangen beim SG am 18. Juli 2005) im Wege der Klageänderung umgestellte Klage bereits wegen Versäumung der Frist des § 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG unzulässig wäre (so Krasney-Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Auflage, IV Rdnr. 59; ebenso wohl Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 88 Rdnrn. 10b, 12a); der gegenteiligen Meinung, die eine Fristgebundenheit bei Umstellung einer Untätigkeitsklage (§ 88 Abs. 1 und 2 SGG) in eine Klage nach § 54 SGG verneint (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 26. August 1998 - IV KOBf 4/96 - ; Binder in Lüdtke u.a., SGG, 2. Auflage, § 88 Rdnr. 16), dürfte entgegenzuhalten sein, dass für die Zulässigkeit einer in einem neuen Klageverfahren erhobenen Gestaltungsklage - nach Erledigterklärung der Untätigkeitsklage aufgrund des zwischenzeitlich erlassenen Widerspruchsbescheides - zweifelsfrei die Voraussetzungen des § 87 SGG gegeben sein müssen.
Bei der im hiesigen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung bietet die im Verfahren des SG - S 3 SO 1068/05 - in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) umgestellte Klage nach dem gegenwärtigen Sachstand indessen selbst dann keine Aussicht auf Erfolg, wenn sie an keine Frist gebunden gewesen wäre. Denn diese Klage richtet sich im Ergebnis gegen die Ablehnung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 11 f., 21 ff. des Bundessozialhilfegesetzes ) wegen Nichterweislichkeit der Anspruchsvoraussetzungen ab 1. Dezember 2003. Zwar war für die Leistungsversagung ursprünglich im Bescheid vom 7. April 2004 die Bestimmung des § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) wegen fehlender Mitwirkung herangezogen worden (vgl. hierzu etwa Bundessozialgericht SozR 1200 § 66 Nr. 13; SozR 4-1200 § 66 Nr. 1). Die Verweigerung von Sozialhilfe ist jedoch nunmehr im Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2005 - nach vorheriger Anhörung des Klägers (§ 24 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch; vgl. hierzu BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 20) - wohl vorrangig auf den Gesichtspunkt der Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts (vgl. hierzu §§ 20, 21 Abs. 2 SGB X) gestützt worden (vgl. dazu zuletzt BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 7a/7 AL 102/04 R - m.w.N. ). Eine derartige Verfahrensweise des Beklagten erscheint vorliegend rechtmäßig (vgl. zur Umdeutung eines Bescheides nach § 66 SGB I in einen solchen nach § 48 SGB X BSG SozR 3-2600 § 20 Nr. 1), zumal die materielle Beweislast für das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG der Hilfesuchende trägt (vgl. Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 67, 163, 171 f. ) und zudem die bei Nachholung der Mitwirkungshandlung vorgesehene Rechtsfolge (§ 67 SGB I) ungünstiger sein dürfte als diejenige bei der Leistungsablehnung mangels Nichterweislichkeit der Anspruchsvoraussetzungen, wenn wider Erwarten im Gerichtsverfahren doch noch die Sachaufklärung gelingt (vgl. im Übrigen zum Verhältnis beider Versagungsgründe BSG, Urteil vom 17. April 1986 - 7 RAr 91/84 ; ferner Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 28. März 1990 - 6 S 121.89 - FEVS 41, 57 ff.; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. Juni 2004 - 12 S 2654/03 - FEVS 56, 44 ff.).
Die Voraussetzungen für die Hilfebedürftigkeit des Klägers in der im Klageverfahren S 5 SO 1068/05 streitbefangenen Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2004 dürften - bei nach gegenwärtigem Kenntnisstand erschöpfter Sachaufklärung - nicht feststellbar sein. Diesbezüglich verweist der Senat auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (VG) vom 24. Februar 2005 - 7 K 2216/04 -, welcher auf die im Dezember 2004 vom Kläger beantragte einstweilige Anordnung zwischen den auch vorliegend Beteiligten ergangen ist. Ergänzend ist auszuführen, dass der Kläger schon im November 2002 erstmals Sozialhilfe beantragt hatte, jedoch bis einschließlich Dezember 2004 (also mehr als zwei Jahre) ohne jegliche Unterstützung seitens des Beklagten gelebt hat. Insoweit vermochte der Kläger während sämtlicher zwischenzeitlich eingeleiteter Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht nachvollziehbar darzutun, wie ihm dies - bei der behaupteten Hilfebedürftigkeit - gelungen ist; auch sein letztes Schreiben an das SG vom 21. Februar 2006 (Klageverfahren S 3 SO 316/06) trägt insoweit zur Erhellung nichts bei. Statt dessen war es dem Kläger schon nach seinem eigenen Vortrag (vgl. nur die Schreiben vom 8. Dezember 2003 und 12. Juni 2004 an den Beklagten sowie die im Verfahren 7 K 2216/04 vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 9. November 2004) im hier umstrittenen Zeitraum möglich, wiederholt in Urlaub zu fahren, wobei offenbar während des Urlaubs vom 9. bis 23. April 2004 Taxi- und Benzinrechnungen in S. (vgl. Beschluss des VG vom 24. Februar 2005 a.a.O.) angefallen sind, die in die im dortigen PKH-Verfahren vorgelegte „Gewinn- und Verlustrechnung 01-11/2004“ eingestellt worden sind. Eingeräumt hat der Kläger freilich in seinem Schreiben vom 15. Dezember 2003 an den Beklagten, dass er seinen Lebensunterhalt in den vorausgegangenen Wochen von der im Oktober 2003 erhaltenen Steuerrückerstattung für 2001 in Höhe von 3.017,33 EUR bestritten habe (anders allerdings die Darstellung im Schriftsatz vom 10. März 2005 an das VG - 7 K 2216/04 -); ausweislich der „Gewinn- und Verlustrechnung 2003“ verfügte er ferner allein im Dezember 2003 über Einnahmen aus Gewerbebetrieb von 4.813,59 EUR. Soweit im Schriftsatz vom 10. März 2005 behauptet ist, der Kläger habe diese Einnahmen „zum Ausgleich bestehender Verbindlichkeiten“ verwendet, ist dem - so auch bereits das VG im Beschluss vom 24. Februar 2005 - entgegenzuhalten, dass die Tilgung von Schulden grundsätzlich nicht Aufgabe der Sozialhilfe ist (vgl. BVerwGE 66, 342, 346; BVerwGE 96, 152, 155 ff.). Noch in seinem Schreiben vom 12. Juli 2004 an das VG im Verfahren 7 K 1587/04 hat der Kläger im Übrigen von „treuen Stammkunden“ gesprochen, welche ihn - da andernfalls „Schwarzarbeit und illegaler Handel“ - daran hinderten, sein (laut Auskunft des Bürgermeisteramts So. vom 16. Dezember 2004 bereits am 1. April 1994 angemeldetes und erst am 13. Dezember 2004 abgemeldetes) Gewerbe abzumelden.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
10
Für die gemäß § 114 Satz 1 ZPO vorzunehmende Erfolgsprognose ist der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung Entscheidungsgrundlage , wenn alsbald nach Entscheidungsreife entschieden wird. Zur Entscheidung reif ist das Prozesskostenhilfebegehren, wenn die Partei es schlüs- sig begründet, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt und wenn der Gegner Gelegenheit gehabt hat, sich innerhalb angemessener Frist zum Prozesskostenhilfegesuch zu äußern (Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 119 Rdn. 44 m.w.N.).

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 18.08.2013 wird zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. für das Klageverfahren S 15 R 1986/12.
Die im Jahr 1965 geborene Klägerin leidet an einer Polytoxikomanie, rezidivierenden depressiven Störungen und einer chronischen Hepatitis. Die Klägerin begann nach dem Realschulabschluss verschiedene Ausbildungen als Assistentin für Umweltschutz, Tischlerin und Solartechnikassistentin, brach diese jedoch jeweils ab. Die Klägerin ist seit dem Jahr 2000 arbeitslos und bezieht seit dem 01.05.2005 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Seit dem Jahr 2004 durchläuft die Klägerin eine Drogen - Substitutionstherapie.
Die Beklagte gewährte der Klägerin in der Vergangenheit mehrere Rehabilitationsleistungen (eine allgemein medizinische Leistung vom 29.05.2006 bis 19.06.2005 in der W.-Klinik D. in D., eine Leistung für Abhängigkeitskranke vom 14.06.2007 bis 31.10.2007 in der Klinik H. in W. - M., eine Leistung für Abhängigkeitskranke vom 17.02.2010 bis zum 26.10.2010 in der Reha - Klinik L. in S. und eine durch disziplinarische Entlassung vorzeitig beendete Nachsorgeleistung für abhängigkeitskranke Menschen vom 26.10.2010 bis zum 17.02.2011 in der Beratungsstelle E.). Mit Bescheid vom 22.02.2011 stellte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Erlangung eines Arbeitsplatzes in Form eines Eingliederungszuschusses in Aussicht.
Am 15.08.2011 beantragte die Klägerin anlässlich eines Beratungsgesprächs die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Umschulung zur Sounddesignerin und legte hierzu einen noch nicht unterschriebenen Weiterbildungsvertrag vom 22.07.2011 mit der Schule für Musik und audiovisuelle Technik „Datenklang“ vor (vgl Blatt 837 bis 841 der Verwaltungsakte).
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22.08.2011 ab. Im hiergegen erhobenen Widerspruch teilte die Klägerin mit, dass sie alternativ eine Umschulung zur Zahntechnikerin begehre und legte eine Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. M. vor, in der dieser eine berufliche Rehabilitation befürwortet (Blatt 899 der Verwaltungsakte). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2012 zurück und führte zur Begründung an, dass qualifizierende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aus gesundheitlichen Gründen nicht erfolgversprechend seien. Aufgrund fehlender Abstinenz bestehe zudem für andere Maßnahmen im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben keine Rehabilitationsfähigkeit.
Die Klägerin hat am 20.04.2012 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass die Tatsache, dass sie sich in einer Substitutionsbehandlung befinde, nicht von vorneherein die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ausschließe. Nach der Stellungnahme von Dr. M. liege kein Beikonsum vor. Zudem habe sie im Zeitraum vom 20.09.2011 bis zum 19.03.2012 erfolgreich im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 SGB II in einem Schülerhort gearbeitet. Die Klägerin hat ein Zeugnis vom 02.04.2012 über die Tätigkeit im Schülerhort vorgelegt (Blatt 32 der SG - Akte).
Am 04.07.2012 hat die Klägerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. beantragt.
Das SG hat Dr. M. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat am 14.06.2013 mitgeteilt, dass seit September 2011 kein Beikonsum bestehe. Die Substitutionsbehandlung werde mit Subutex fortgeführt. Der Gesundheitszustand habe sich gebessert, aber die Klägerin sei zunehmend mit ihrer sozialen Situation unzufrieden. Es sei von zureichenden Erfolgsaussichten für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme auszugehen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.08.2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte nach dem ihr zustehenden Prognose- und Beurteilungsspielraum ermessensfehlerfrei davon ausgegangen sei, dass berechtigte Zweifel an den Erfolgsaussichten qualifizierter Leistungen zur Teilhabe bestünden. Insbesondere die fortgesetzte Substitutionsbehandlung und der nicht tatsächlich belegte fehlende Beikonsum, aber auch die lange Suchtanamnese und der aktenkundige äußerst instabile Verlauf der Rehabilitation stünden einer positiven Prognose entgegen. Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid keine Rechtsmittel eingelegt.
10 
Mit Beschluss vom 18.08.2013 hat das SG den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichenden Erfolgsaussichten habe. Zur Begründung hat das SG auf die Gründe des zeitgleich ergangenen Gerichtsbescheides verwiesen.
11 
Die Klägerin hat gegen den am 22.08.2013 zugestellten Beschluss am 19.09.2013 Beschwerde beim SG eingelegt (Eingang beim Landessozialgericht am 27.09.2013) und zur Begründung ausgeführt, dass das SG die Erfolgsaussichten im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu Unrecht verneint habe. Das SG selbst habe nach dem Vortrag der Klägerin Beweis durch Vernehmung von Dr. M. erhoben. Dies mache deutlich, dass das SG die Erfolgsaussichten in diesem Zeitpunkt als gegeben angesehen habe. Zudem habe das SG den Sachverhalt auch in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend gewürdigt, da es den fehlenden Beikonsum fälschlicherweise als nicht nachgewiesen angesehen habe.
12 
Die Klägerin beantragt,
13 
den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 18.08.2013 aufzuheben und ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. zu gewähren.
14 
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und dem weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die SG - Akte, die Beschwerdeakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
II.
15 
Die Beschwerde der Klägerin ist nicht gemäß § 172 Abs 3 Nr 2 SGG in der ab 01.04.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 29 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl I 2008, 444) ausgeschlossen und daher statthaft. Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe (PKH) verneint, sondern die Bewilligung von PKH wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt. Die am 19.09.2013 beim SG eingegangene Beschwerde gegen den Beschluss des SG, der der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22.08.2013 zugestellt wurde, ist fristgerecht (§ 173 SGG) und insgesamt auch zulässig.
16 
Die Beschwerde ist allerdings unbegründet.
17 
Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält gemäß § 73a SGG iVm § 114 ZPO auf Antrag Prozesskostenhilfe (PKH), wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Außerdem wird dem Beteiligten auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs 2 ZPO). Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf BVerfG 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Rechtsschutzverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl BVerfG 04.02.1997, 1 BvR 391/93, NJW 1997, 2102, 2103; BGH 10.12.1997, IV ZR 238/97, NJW 1998, 1154; BFH 27.11.1998, VI B 120/98, zit nach juris) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl BVerfG 20.02.2002, 1 BvR 1450/00, NJW-RR 2002, 1069, und 14.04.2003, 1 BvR 1998/02, NJW 2003, 2976, 2977). Darüber hinaus soll die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren zu verlagern. Dieses Verfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG 02.03.2000, 1 BvR 2224/98, NJW 2000, 2098).
18 
Bei der Entscheidung des Beschwerdegerichts ist im Hinblick auf die Erfolgsaussicht die - zwischenzeitlich eingetretene - Rechtskraft der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung grundsätzlich zu beachten (BGH 07.03.2012, XII ZB 391/10). Zwar wirkt die Rechtskraft nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits und nur insoweit, als über denselben Streitgegenstand entschieden worden ist. Gegenstand des Prozesskostenhilfeverfahrens ist demgegenüber das von der Hauptsache unabhängige Verhältnis zwischen dem rechtsuchenden Antragsteller und der Staatskasse, welches den Anspruch auf Prozesskostenhilfe als staatliche Sozialleistung betrifft. Die Rechtskraft bezweckt aber nicht nur den Schutz der Parteien vor erneuter gerichtlicher Inanspruchnahme, sondern dient der Sicherung des Rechtsfriedens im Allgemeinen, indem abweichende Entscheidungen zur selben Streitfrage vermieden werden sollen, und auch der Funktionsfähigkeit der Gerichte (vgl. MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. § 322 Rn. 2 ff. mwN). Aus der materiellen Rechtskraft folgt daher über das Verbot der wiederholten Entscheidung über denselben Streitgegenstand hinaus auch eine Bindungswirkung der Entscheidung, soweit diese für eine weitere Entscheidung vorgreiflich ist (vgl. BGH 06.03.1985, IVb ZR 76/83, FamRZ 1985, 580; MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. § 322 Rn. 11 mwN).
19 
Die Entscheidung in der Hauptsache hat demnach Bindungswirkung, soweit es für den Anspruch auf Prozesskostenhilfe auf die Erfolgsaussicht der Klage oder Rechtsverteidigung ankommt. Insoweit stimmen die zu beurteilenden Fragen überein und ist die Hauptsacheentscheidung für die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe vorgreiflich. Durch die Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung wird vermieden, dass das Rechtsmittelgericht in einem Nebenverfahren zu einem der rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung widersprechenden Ergebnis gelangt.
20 
Nur im Ausnahmefall kann eine nachträgliche Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch das Rechtsmittelgericht auch aufgrund einer abweichenden Beurteilung der Erfolgsaussicht geboten sein. So kommt eine nachträgliche Bewilligung ausnahmsweise in Betracht, wenn in der Hauptsache eine zweifelhafte Rechtsfrage zu klären war. In diesem Fall darf nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Klärung der Frage nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren verlagert werden. Die in Art. 3Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit gebietet im Fall zweifelhafter Rechtsfragen, die Erfolgsaussicht zu bejahen und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren, denn das Hauptverfahren eröffnet erheblich bessere Möglichkeiten der Entwicklung und Darstellung des eigenen Rechtsstandpunktes (BVerfGE 81, 347). Das nur einer summarischen Prüfung unterliegende Prozesskostenhilfeverfahren hat demgegenüber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden (BVerfG FamRZ 2002, 665; Senatsbeschlüsse vom 4. Mai 2011 - XII ZB 69/11 - FamRZ 2011, 1137 Rn. 8 und vom 17. März 2004 - XII ZB 192/02 - NJW 2004, 2022 juris Rn. 7 mwN). Bei zweifelhaften Rechtsfragen hat das Gericht demnach Prozesskostenhilfe zu bewilligen, auch wenn es der Auffassung ist, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Antragstellers zu entscheiden ist.
21 
Eine weitere Ausnahme ist angezeigt, wenn die Entscheidung über das bewilligungsreife Prozesskostenhilfegesuch vom Gericht verzögert worden ist und sich infolge der Verzögerung die Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussicht zum Nachteil der antragstellenden Partei verändert hat. Für die gemäß § 114 Satz 1 ZPO vorzunehmende Erfolgsprognose ist der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung Entscheidungsgrundlage, wenn alsbald nach Entscheidungsreife entschieden wird. Zur Entscheidung reif ist das Prozesskostenhilfebegehren, wenn die Partei es schlüssig begründet, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt und wenn der Gegner Gelegenheit gehabt hat, sich innerhalb angemessener Frist zum Prozesskostenhilfegesuch zu äußern (BGH 18.11.2009 - XII ZB 152/09 - FamRZ 2010, 197 Rn. 10 mwN; OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 1123).
22 
Im vorliegenden Fall war keine zweifelhafte Rechtsfrage zu klären. Eine Durchbrechung der Bindungswirkung kommt daher nur in Betracht, wenn die Entscheidung über das bewilligungsreife Prozesskostenhilfegesuch vom Gericht verzögert worden ist und sich infolge der Verzögerung die Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussicht zum Nachteil der antragstellenden Partei verändert hat. Zutreffend hat die Vertreterin der Klägerin darauf hingewiesen, dass bereits am 01.10.2012 Prozesskostenhilfe beantragt und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt worden war. Selbst wenn man im vorliegenden Fall durch die Verbescheidung des Antrags am 18.08.2013 eine Verzögerung der Bearbeitung annehmen würde, so haben sich in diesem Zeitraum die Erfolgsaussichten nicht zum Nachteil des Klägers verändert. Vielmehr hat das Gericht in dem Zeitraum zwischen Antragstellung und der Verbescheidung des Prozesskostenhilfegesuchs entsprechend der Anregung der Klägerin Dr. M. als behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat sich für eine weitere Rehamaßnahme ausgesprochen und das Klagebegehren der Klägerin gestützt. Die durchgeführte Ermittlung hat damit aber die Erfolgsaussichten nicht zum Nachteil der Partei verändert. Dementsprechend hat sich das SG in seiner ablehnenden Entscheidung auch mit der Stellungnahme von Dr. M. auseinandergesetzt und ausgeführt, warum es dieser Einschätzung nicht folgt. Nach der vom SG vertretenen Auffassung bestand schon zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife keine hinreichende Erfolgsaussicht.
23 
Haben sich damit aber die Erfolgsaussicht nicht zum Nachteil der antragstellenden Partei verändert, hat die Entscheidung der Hauptsache Bindungswirkung.
24 
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO).
25 
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind

1.
angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bürgergeld maßgebend,
2.
ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person; die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt,
3.
für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge; zudem andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden,
4.
weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden; hierbei ist für jedes angefangene Jahr einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit, in dem keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, an eine öffentlich-rechtliche Versicherungseinrichtung oder an eine Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe entrichtet wurden, höchstens der Betrag nicht zu berücksichtigen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung nach § 158 des Sechsten Buches mit dem zuletzt festgestellten endgültigen Durchschnittsentgelt gemäß Anlage 1 des Sechsten Buches multipliziert und anschließend auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet wird,
5.
ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde,
6.
Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde sowie
7.
Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.

(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind.

(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Liegt erhebliches Vermögen vor, sind während der Karenzzeit Beträge nach Satz 1 an Stelle der Freibeträge nach Absatz 2 abzusetzen. Der Erklärung ist eine Selbstauskunft beizufügen; Nachweise zum vorhandenen Vermögen sind nur auf Aufforderung des Jobcenters vorzulegen.

(5) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.

(6) Ist Bürgergeld unter Berücksichtigung des Einkommens nur für einen Monat zu erbringen, gilt keine Karenzzeit. Es wird vermutet, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Absatz 4 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1960 geborene Klägerin, die am 30. April 1978 aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland zuzog, absolvierte keine Berufsausbildung. Vom 25. Mai 1987 bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 17. Januar 2011 war sie als Maschinenarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Beendigung der Lohnfortzahlung bezog sie vom 28. Februar 2011 bis 17. Juli 2012 Krankengeld und sodann bis 2. November 2013 Arbeitslosengeld.
Vom 27. Juli bis 17. August 2011 absolvierte die Klägerin eine ambulante medizinische Rehabilitationsmaßnahme im Psychosomatisch-Psychotherapeutischen Rehabilitationszentrum (PPRZ) S.. Leitender Arzt Dr. H. diagnostizierte in seinem Entlassungsbericht vom 25. August 2011 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine schwere Innenohrschwerhörigkeit links stärker als rechts, einen hochgradigen Tinnitus beidseits und eine arterielle Hypertonie. Er führte aus, die therapeutische Zugänglichkeit der Klägerin in der Einzeltherapie sei auch aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse äußerst eingeschränkt gewesen. Die Klägerin sei sehr auf ein somatisches Krankheitskonzept fokussiert gewesen. Aufgrund ihrer Schwerhörigkeit habe sie keine Chance gehabt von der Atemtherapie zu profitieren. Die Klägerin wurde mit einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinenarbeiterin und auch für leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne besondere Anforderungen an Gang- und Standsicherheit, Zwangshaltung und Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Hörfähigkeit sowie erhöhte Gefährdungs- und Belastungsfaktoren entlassen.
Am 25. November 2011 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung führte sie aus, sie halte sich wegen Depression, eines starken Tinnitus, seit fünf Jahren bestehenden Schlafstörungen, Schwindel, Vergesslichkeit, Schmerzen am Beckenboden und Senkwehen seit 17. Januar 2011 für erwerbsgemindert. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 21. Februar 2012 u.a. unter Berücksichtigung der im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit der Klägerin auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft (L 6 SB 5571/10) angefallenen Unterlagen, insbesondere des auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstatteten orthopädischen Gutachtens des Orthopäden Dr. Sc. vom 30. Oktober 2011 (Diagnosen u.a. Anpassungsstörung, Tinnitus mit Schwerhörigkeit links mehr als rechts mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit), sowie Arztbriefen und Bescheinigungen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. La. aus den Jahren 2005 bis 2011, eine nach heutiger Einschätzung depressive Entwicklung, leichtgradige depressive Symptomatik, überwiegend dysthyme Unterlagerung, eine Innenohrschwerhörigkeit linksbetont, einen Tinnitus aurium linksseitig und eine geringgradig ausgeprägte, undifferenzierte Somatisierungsstörung mit auch Angabe von somatoformen Beschwerden. Hinweise für eine höhergradige depressive Symptomatik hätten nicht erhoben werden können. Das Medikament Duloxetin, mit dem die psychische Symptomatik behandelt werde, sei im Blut nicht nachweisbar gewesen. Insgesamt sei die ambulante psychiatrische Behandlung mit nur sehr weitmaschigen Kontakten zum Nervenarzt, offensichtlich fehlender suffizienter psychopharmakologischer Behandlung und nicht durchgeführter Regelpsychotherapie als nicht intensiv zu bezeichnen. Insofern könne auf eine Intensivierung verwiesen werden. Die Klägerin könne ihre bisherige Tätigkeit als Arbeiterin mit Lärmbelästigung nur noch unter drei Stunden täglich verrichten. Mittelschwere Wechseltätigkeiten ohne Nachtschicht und Akkord sowie ohne Tätigkeiten mit vermehrter Lärmbelastung seien der Klägerin noch sechs Stunden und mehr täglich möglich. Mit Bescheid vom 2. März 2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Die Klägerin erhob am 26. März 2012 Widerspruch. Sie trug vor, der medizinische Sachverhalt spreche dafür, dass eine Erwerbsminderung vorliege. Dr. La. führte in seinem am 30. März 2012 bei der Beklagten eingegangenen „Widerspruch“ vom 8. März 2012 aus, dass die Einschätzung bzw. Beurteilung, wonach die Klägerin an einer leichtgradigen depressiven Symptomatik leide, absolut nicht der Realität entspreche. Die depressive Symptomatik sei ohne Zweifel mittelgradig bis schwer ausgeprägt. Die Klägerin sei auch nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bewältigen. Auch von Seiten des PPRZ sei ausgeführt worden, dass ihre Leistungsfähigkeit aufgehoben sei. Die Beklagte hörte hierzu Arzt B., der bei der Beurteilung des bisherigen Leistungsvermögens verblieb (Stellungnahme vom 21. Juni 2012). Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2012 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Nach Auffassung des Sozialmedizinischen Dienstes seien unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen der Klägerin für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Ihr seien noch mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht, Akkord und Tätigkeiten mit vermehrter Lärmbelastung sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Er, der Widerspruchsausschuss, habe sich mit allen vorgetragenen medizinischen und rechtlichen Sachverhalten auseinandergesetzt und keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als sechs Stunden (somit keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung) oder weniger als drei Stunden (somit keine Rente wegen voller Erwerbsminderung) täglich arbeiten könne. Da das sozialmedizinische Ergebnis schlüssig und nachvollziehbar sei, schließe er, der Widerspruchsausschuss, sich der Beurteilung des Sozialmedizinischen Dienstes an. Auch den rechtlichen Schlussfolgerungen, die sich daraus ergäben, stimme er zu.
Am 3. August 2012 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie trug vor, sie erfülle die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die maßgebliche Gesundheitsstörung liege bei ihr auf psychiatrischem Fachgebiet. Der sie behandelnde Arzt Dr. La. habe bei ihr eine mittelgradig ausgeprägte depressive Störung diagnostiziert. Dr. La. und Dr. H. hätten ihr Leistungsvermögen auf unter drei Stunden eingeschätzt. Die Feststellungen des Gutachters B. könnten vor diesem Hintergrund nicht überzeugen. Durch ihre Schwerhörigkeit komme es darüber hinaus zu einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung. Vor dem Hintergrund, dass nach Aussage des Sachverständigen Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. He. (hierzu im Folgenden) sich die somatoforme Schmerzstörung in andauernden, schweren und quälenden Schmerzen äußere, sei dessen Einschätzung ihres Leistungsvermögens nicht nachvollziehbar. Sowohl eine im Grenzbereich zu einer mittelgradigen Depression liegende Erkrankung als auch die somatoforme Schmerzstörung führten zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie legte die ärztliche Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E.-D. vom 16. April 2013 vor, die die Auffassung vertrat, dass bei Würdigung aller Gutachten, sachverständigen Zeugenauskünfte und Befundberichte nichts gegen die von der Beklagten vertretene Leistungseinschätzung spreche.
Das SG hörte die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Dr. La. teilte unter dem 17. Dezember 2012 mit, dass sich die Klägerin seit 2. Juli 2003 in seiner ambulanten Behandlung befinde. Die Termine seien in den ersten Jahren engmaschiger, in den letzten Jahren ein- bis zweimal pro Quartal erfolgt. Bei den Gesprächsterminen sei meist ein Familienmitglied als Dolmetscher mit dabei gewesen. Aktuell werde die Medikation mit Citalopram 20 mg fortgesetzt. Diagnostisch sei von einer rezidivierenden depressiven Störung mit mittelgradig ausgeprägten depressiven Phasen auszugehen. In Übereinstimmung mit der Beurteilung des Dr. H. halte er die Klägerin für weniger als drei Stunden täglich für leichte Arbeiten belastbar. Orthopäde Dr. Gr. führte unter dem 22. Dezember 2012 aus, dass die Klägerin an einem chronisch rezidivierenden Lendenwirbelsäulensyndrom mit Lumboischialgie links bei Blockierung des Sacroiliakalgelenks (SIG) links stärker als rechts, einer Brust- und Halswirbelsäulenblockierung, einem Fersensporn und Haglund-Exostosen beidseits und einer Bursitis trochanterica links leide. Die übrigen Störungen wie somatoforme Schmerzstörung und Verdacht auf Polymyalgia rheumatica und auf Fibromyalgie seien eher dem neurologischem Fachgebiet zuzuordnen. Durch die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet sei eine Einschränkung insoweit zu sehen, als eine schwere körperliche Belastung mit Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm in Zwangshaltungen der Wirbelsäule nicht mehr durchgeführt werden sollte. Von der Beurteilung der Leistungseinschätzung im Gutachten des Arztes B. weiche er nicht ab. Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. A. reichte am 4. März 2013 einen Befundschein zur Vorlage beim Versorgungsamt vom 27. Februar 2013 mit den Diagnosen idiopatischer Tinnitus auris beidseits, Taubheit links und mittel- bis hochgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts ein.
Sodann erstattete Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. He. das Gutachten vom 5. Juli 2013. Der Sachverständige, der die Klägerin unter Heranziehung einer Dolmetscherin befragte, führte aus, eine Verständigung sei mit der Klägerin, die sich mit dem rechten Ohr der Dolmetscherin zugewandt habe, ohne Schwierigkeiten möglich gewesen. Teilweise habe die Klägerin auch direkt auf die von ihm gestellten Fragen geantwortet. Die Klägerin habe ihm gegenüber angegeben, dass sie Citalopram 20, Amineurin 10 und Dominal einnehme, wobei sie letzteres weglassen solle, weil es ihr Magenprobleme bereite. Sie stehe zwischen 5.00 und 7.00 Uhr auf, frühstücke dann in der Regel und nehme im Anschluss daran zum Teil Arzttermine wahr oder erledige insbesondere die leichteren Sachen der Hausarbeit, sehe fern oder lese ein wenig. Wenn es ihr gut gehe, koche sie ein Mittagessen, wenn es ihr schlecht gehe, esse sie etwas Kaltes. Abends schaue sie mit dem Ehemann fern, zu Bett gehe sie zwischen 22.00 und 23.00 Uhr. Kontakt habe sie zu ihren Kindern und deren Familien, ab und zu kämen Freundinnen oder befreundete Ehepaare. Zum Nervenarzt gehe sie alle drei Monate. Dr. He. diagnostizierte eine depressive Erkrankung, derzeit leichte depressive Episode im Grenzbereich zu einer mittelgradigen depressiven Episode, und anhaltende somatoforme Störungen. Die vorherrschenden Beschwerden der somatoformen Störung seien andauernde, schwere und quälende Schmerzen, die durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden könnten. Die Erkrankungen würden gewisse qualitative Leistungseinschränkungen bedingen. Eine Überforderung durch Akkord-, Nachtarbeit oder durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck müsse vermieden werden. Dies gelte gleichermaßen für besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie für eine besonders hohe Verantwortung und eine besonders hohe geistige Beanspruchung. Bei Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen seien der Klägerin Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich möglich.
10 
Mit Gerichtsbescheid vom 15. Oktober 2013 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Dies stehe nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen, insbesondere auf Grund des von dem Gutachter B. erstatteten Gutachtens, der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Gr. und den Ausführungen des Sachverständigen Dr. He. fest. Aus den von Dr. A. mitgeteilten Diagnosen lasse sich eine rentenrelevante Leistungsminderung nicht ableiten. Nicht zu folgen vermöge die Kammer im Ergebnis der Einschätzung des Dr. La. und des Dr. H.. Aus der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. La. lasse sich nicht entnehmen, auf Grund welcher konkreter Krankheitssymptome er von einer eingeschränkten körperlichen und psychischen Belastbarkeit wie geminderten Leistungsfähigkeit ausgehe. Überdies habe die Klägerin die Arzttermine bei Dr. La. alleine oder in Begleitung von Familienangehörigen, die teilweise als Dolmetscher fungierten, wahrgenommen, während bei der Begutachtung bei Dr. He. eine allgemein beeidigte Dolmetscherin anwesend gewesen sei. Insofern vermöge auch die Stellungnahme des Dr. H. hinsichtlich der beschriebenen eingeschränkten Leistungsfähigkeit nicht zu überzeugen, zumal die dort behandelnden Ärzte eingeräumt hätten, dass auf Grund der Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten die therapeutische Zugänglichkeit der Klägerin äußerst eingeschränkt gewesen sei. Die Beschreibung, dass die Klägerin beispielsweise im Rahmen der Atemtherapie auf Grund ihrer Schwerhörigkeit keine Chancen gehabt habe, hiervon zu profitieren, stehe in diametralem Widerspruch zu der in der Begutachtungssituation beschriebenen problemlosen Verständigung unter Zuhilfenahme der Dolmetscherin und unter Nutzung der vorhandenen Hörgeräte. Die Kammer vermöge sich auch nicht der gutachterlichen Einschätzung des Orthopäden Dr. Sc. hinsichtlich der Schwere der psychischen Erkrankung anzuschließen. Auf seinem Fachgebiet habe Dr. Sc. maßgebende rentenrelevanten Leistungseinschränkungen nicht bestätigen können. Der von Dr. Sc. behauptete soziale Rückzug und ein geändertes Freizeitverhalten habe sich in der Untersuchungssituation bei Dr. He. gerade nicht verifizieren lassen. Auch die Inanspruchnahme nervenärztlicher Hilfe und die Einnahme von Psychopharmaka rechtfertige allein noch nicht die Annahme einer Erwerbsminderung, zumal die Klägerin nach den Aussagen von Dr. La. zwischenzeitlich nur noch einmal täglich Citalopram 20 mg zu sich nehme im Gegensatz zu der höheren Medikation im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. Sc.. Darüber hinaus liege auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und keine schwere spezifische Leistungseinschränkung vor. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der bei der Klägerin vorliegenden Ohrenerkrankung. Die Klägerin sei mit einem Hörgerät versorgt und habe bei der Begutachtung durch Dr. He. keine hörbedingten Verständigkeitsschwierigkeiten gezeigt. Die Klägerin habe darüber hinaus auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Bei der zuletzt von ihr ausgeübten Tätigkeit als Maschinenarbeiterin handele es sich um eine ungelernte Tätigkeit, sodass die Klägerin auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne.
11 
Dagegen hat die Klägerin am 7. November 2013 Berufung eingelegt. Sie ist weiter der Ansicht, dass das von Dr. He. erstellte Gutachten in sich widersprüchlich sei und sich mit den Befunden von Dr. La. inhaltlich nicht auseinandersetze. Vor dem Hintergrund der Medikation mit Citalopram, Amineurin und Dominal könne nicht nachvollzogen werden, warum bei ihr lediglich eine leichte depressive Episode im Grenzbereich zu einer mittelgradigen depressiven Episode vorliegen solle. Die Anamnese beruhe ausschließlich auf dem momentanen Eindruck. Darüber hinaus bejahe Dr. He. zwar das Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Störung. In der Anamnese fänden sich insoweit aber keine Ausführungen. Unterstellt, die Diagnose sei zutreffend, dann sei die Schlussfolgerung des Dr. He., dass keine wesentlichen quantitativen oder qualitativen Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit erkennbar seien, nicht nachvollziehbar. Der medizinische Sachverhalt sei weiter aufklärungsbedürftig. Die Klägerin hat ein weiteres Attest des Dr. La. vom 15. November 2013 beigefügt, in dem dieser bei seinen bisherigen Ausführungen verbleibt und einen eigenen unabhängigen Gutachter empfiehlt.
12 
Die Klägerin beantragt,
13 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Oktober 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 2. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 25. November 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen, weiter hilfsweise ein Gutachten nach § 109 SGG bei Dr. Ab. einzuholen.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag und die Ausführungen im Gerichtsbescheid und hat ergänzend eine sozialmedizinische Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Grimm vom 29. April 2014 vorgelegt, wonach die Tatsache, dass Dr. La. am 7. April 2014 für die Klägerin einen - beigefügten - Rehabilitationsantrag gestellt habe, in großem Widerspruch zu seinen bisher gemachten Aussagen stehe.
17 
Für einen Antrag nach § 109 SGG hat der Senat der Klägerin unter dem 19. Februar 2014 eine Frist gesetzt bis zum 28. März 2014, worauf die Klägerin am 28. März 2014 Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. benannt, innerhalb der vom Senat gesetzten weiteren Frist zur Zahlung eines Vorschusses bis 9. Mai 2014 den Vorschuss eingezahlt und die Kostenverpflichtungserklärung eingereicht hat. Den ihm am 14. Mai 2014 erteilten Gutachtensauftrag hat Dr. Sch. am 20. Mai 2014 zurückgesandt, weil er aus gesundheitlichen Gründen im nächsten halben Jahr keine Gutachten erstellen könne. Der Senat hat die Klägerin hierauf unter dem 21. Mai 2014 aufgefordert, bis spätestens 20. Juni 2014 mitzuteilen, wer anstelle von Dr. Sch. das Gutachten erstatten soll, worauf die Klägerin am 27. Mai 2014 Prof. Dr. E. benannt hat. Prof. Dr. E. hat den an ihn gerichteten Gutachtensauftrag vom 27. Mai 2014 am 16. Juni 2014 wegen Arbeitsüberlastung zurückgereicht. Auf die Aufforderung des Senats vom 23. Juni 2013 bis spätestens 14. Juli 2014 mitzuteilen, wer anstelle von Prof. Dr. E. das Gutachten erstatten soll und gleichzeitig eine Bestätigung des Arztes beizufügen, wonach er in der Lage und bereit sei, das Gutachten binnen drei Monaten zu erstatten, hat die Klägerin am 14. Juli 2014 Dr. Ra. benannt. Der Senat hat die Klägerin hierauf aufgefordert, bis spätestens 31. Juli 2014 eine Bestätigung von Dr. Ra. vorzulegen, wonach sie in der Lage und bereit sei, das Gutachten binnen drei Monaten zu erstatten. Darauf hat die Klägerin unter dem 18. Juli 2014 mitgeteilt, dass Dr. Ra. keine Gutachten mehr anfertige. Gleichzeitig hat sie darum gebeten, die Frist zur Benennung eines Gutachters um einen Monat zu verlängern. Der Senat hat hierauf unter dem 23. Juli 2014 die Frist zur Benennung eines weiteren Gutachters und Vorlage einer Bestätigung, dass er in der Lage sei, das Gutachten binnen drei Monaten zu erstatten, bis längstens 15. August 2014 verlängert und darauf hingewiesen, dass eine weitere Verlängerung nicht in Betracht komme. Am 8. August 2014 hat die Klägerin daraufhin den Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. Ab. benannt. Der Senat hat der Klägerin mit Fax vom 12. August 2014 mitgeteilt, dass ein Gutachtensauftrag an Dr. Ab. nur erteilt werde, wenn bis 15. August 2014 auch eine Bestätigung vorgelegt werde, dass er in der Lage sei, das Gutachten binnen drei Monaten zu erstatten. Am 13. August 2014 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sich Dr. Ab. bis 25. August 2014 im Urlaub befinde. Nachdem eine Bestätigung des Dr. Ab. bis 31. August 2014 nicht eingegangen ist, hat der Senat der Klägerin unter dem 1. September 2014 mitgeteilt, dass der Rechtsstreit nach derzeitiger Auffassung der Berichterstatterin entscheidungsreif sei und die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Mit Schreiben vom 5. September 2014 hat die Klägerin mitgeteilt, dass die Bestätigung noch vorgelegt werde. Es werde um Nachsicht gebeten, ihr Klägerbevollmächtigter sei zum Ende des Monats August 2014 in neue Kanzleiräume umgezogen. Nachdem unter dem 25. September 2014 die Terminierung der Senatssitzung auf den 21. November 2014 mit dem Büro des Bevollmächtigten der Klägerin abgesprochen worden ist, hat der Senat den Rechtsstreit unter dem 1. Oktober 2014 auf den 21. November 2014 terminiert. Die Ladung ist dem Bevollmächtigen am 7. Oktober 2014 zugegangen. Am 20. Oktober 2014 hat die Klägerin ein an Dr. Ab. gerichtetes Schreiben vom 29. September 2014 vorgelegt, auf dem Dr. Ab. unter dem 30. September 2014 handschriftlich bestätigt hat, dass er ein Gutachten nach § 109 SGG erstatten werde.
18 
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
19 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
1.
20 
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis beider Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig. Die Berufung bedurfte nicht nach § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung. Denn die Klägerin begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2.
21 
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat ab 25. November 2011 keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
22 
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
23 
Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin seit 25. November 2011 weder voll- noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der im Verwaltungs- und Klageverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest.
a)
24 
Als rentenrelevante Gesundheitsstörung besteht bei der Klägerin auf nervenärztlichem Fachgebiet eine depressive Erkrankung mit Schwankungen zwischen leichten und mittelgradigen depressiven Episoden und eine somatoforme Schmerzstörung. Dies stützt der Senat auf die Gutachten des Arztes B. vom 21. Februar 2012 und des Dr. He. vom 5. Juli 2013 und den Entlassungsbericht des Dr. H. vom 25. August 2011. Hieraus ergibt sich für den Senat überzeugend, dass die Klägerin nicht durchgängig unter einer mittelgradigen depressiven Störung leidet, die depressive Symptomatik bei der Klägerin vielmehr Schwankungen unterliegt. Bestätigt wird dies durch die sachverständige Zeugenauskunft des die Klägerin behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. La. vom 17. Dezember 2012, wonach von einer rezidivierenden depressiven Störung mit mittelgradig ausgeprägten depressiven Phasen auszugehen sei. Auch hieraus ist zu folgern, dass die mittelgradig ausgeprägte depressive Störung nicht durchgängig vorhanden ist, sondern nur phasenweise auftritt. Dass die depressive Erkrankung nicht durchgängig mit mittelgradigen oder gar schweren Episoden verbunden ist, zeigt sich auch in der Tatsache, dass sich die Klägerin nur einmal im Quartal in nervenärztlicher Behandlung bei Dr. La. befindet und in der von der Klägerin zuletzt Dr. He. gegenüber angegebenen Medikation mit Citalopram AL 20 und Amineurin 10. Hierbei handelt es sich um eine Medikation allenfalls im mittleren Bereich, nachdem Citalopram in Wirkdosen von 10 mg, 20 mg, 30 mg und 40 mg und Amineurin in Wirkdosen von 10 mg, 25 mg, 50 mg und 100 mg auf dem Markt ist, wobei bei der Untersuchung durch den Arzt B. darüber hinaus auch festgestellt werden konnte, dass der Wirkstoff Duloxetin, mit dem die Klägerin damals behandelt wurde, im Blut nicht nachweisbar war. Auch die Notwendigkeit einer stationären, psychiatrischen Behandlung bestand bisher nicht. Eine psychotherapeutische Behandlung fand und findet ebenfalls nicht statt. Auch hat die Klägerin einen für nicht erwerbstätige Menschen weitgehend normalen Tagesablauf. Sie steht ausweislich ihrer Angaben gegenüber Dr. He. zwischen 5.00 Uhr und 7.00 Uhr auf, frühstückt, nimmt im Anschluss daran zum Teil Arzttermine war oder erledigt die leichteren Sachen der Hausarbeit, sieht fern oder liest ein wenig. Wenn es ihr gut geht, kocht sie ein Mittagsessen, wenn es ihr schlecht geht, isst sie etwas Kaltes. Abends schaut sie mit ihrem Ehemann fern und geht zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr ins Bett. Kontakt hat sie zu ihren Kindern und deren Familien und ab und zu zu Freundinnen oder befreundeten Ehepaaren. Wegen der somatoformen Schmerzstörung befindet sich die Klägerin nicht in schmerztherapeutischer Behandlung. Die von Arzt B., Dr. Sc., Dr. H. und Dr. Gr. beschriebenen Bewegungseinschränkungen sind allenfalls leichtgradig. Der Verrichtung leichterer Tätigkeiten im Haushalt stehen sie nicht entgegen.
25 
Bei der mit Hörgeräten versorgten Klägerin besteht ferner eine schwere Innenohrschwerhörigkeit links stärker als rechts und ein hochgradiger Tinnitus beidseits. Dies ergibt sich aus dem Entlassungsbericht des Dr. H. und den Gutachten des Arztes B. und Dr. He. sowie der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. A. vom 4. März 2013. Eine Verständigung mit der Klägerin war bei der Begutachtung durch Dr. He. jedoch mit Hilfe der Dolmetscherin ohne Schwierigkeiten möglich. Teilweise antwortete die Klägerin auch direkt auf die vom Gutachter gestellten Fragen.
26 
Außerdem leidet die Klägerin dem Entlassungsbericht des Dr. H. folgend unter einer arteriellen Hypertonie, die medikamentös behandelt wird. Anlässlich der Eingangsuntersuchung bei der Rehabilitationsmaßnahme wurde der Blutdruck mit 140/100 mmHg gemessen.
27 
Darüber hinaus besteht bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet ein chronisch rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit Lumboischialgie, eine Brust- und Halswirbelsäulenblockierung, ein Fersensporn und Haglund-Exostosen beidseits sowie eine Bursitis troub Hubchanterica links. Dies stützt der Senat auf die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Gr. vom 22. Dezember 2012.
28 
Vom Vorliegen einer Polymyalgia rheumatica und eines Fibromyalgiesyndroms ist der Senat nicht überzeugt. Mit Ausnahme des Dr. Gr. wurden diese Diagnosen von den übrigen Ärzten nicht genannt und auch Dr. Gr. äußerte insoweit jeweils nur einen Verdacht. Ebenso verhält es sich mit Blick auf die von Dr. Sc. diagnostizierte Anpassungsstörung, die von ihm fachfremd diagnostiziert wurde.
b)
29 
Wegen dieser Erkrankungen kann die Klägerin noch leichte Tätigkeiten im Bewegungswechsel ohne Nachtschicht und Akkord, besondere Anforderungen an Gang- und Standsicherheit, Zwangshaltungen, Heben und Tragen von Lasten über zehn kg und Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Hörfähigkeit oder mit vermehrter Lärmbelastung verrichten. Ausgeschlossen sind auch Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck und solche an die besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie für eine besonders hohe Verantwortung und eine besonders hohe geistige Beanspruchung zu stellen sind. Diese qualitativen Leistungseinschränkungen haben der Gutachter B. und der Sachverständige Dr. He. aber auch Dr. H. und Dr. Gr. genannt. Soweit der Gutachter B. noch mittelschwere Tätigkeit für möglich erachtet, schließt sich der Senat dem mit Blick auf die orthopädischen Erkrankungen der Klägerin und auch die somatoforme Schmerzstörung nicht an. Nicht anzuschließen vermag sich der Senat auch der qualitativen Einschränkung, wonach die Klägerin Dr. H. folgend nur noch Tätigkeiten überwiegend im Sitzen verrichten kann, denn dies lässt sich auf die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen nicht stützen.
c)
30 
Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen führen die rentenrelevanten Erkrankungen seit 25. November 2011 jedoch nicht zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts auf weniger als sechs Stunden täglich. Die Klägerin ist noch in der Lage, leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Leistungseinschränkungen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat stützt dies auf die übereinstimmende Beurteilung des Arztes B. und des Dr. He. und auch die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Gr., der von der Beurteilung der Leistungseinschätzung im Gutachten des Arztes B. nicht abwich. Der Senat vermag demgegenüber nicht der Beurteilung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht durch Dr. H. und Dr. La., die davon ausgehen, dass die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich Tätigkeiten verrichten könne, zu folgen. Diese gegenteiligen Einschätzungen sieht der Senat durch die Gutachten und die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Gr. als widerlegt an. Die Einschätzung durch Dr. H. ist für den Senat wie für das SG insbesondere auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil die die Klägerin anlässlich der Rehabilitationsmaßnahme behandelnden Ärzte eingeräumt haben, dass auf Grund der Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten die therapeutische Zugänglichkeit der Klägerin äußerst eingeschränkt gewesen sei. Demgegenüber hat Dr. He. die Klägerin mit Hilfe einer Dolmetscherin begutachtet. Abgesehen davon ist aber auch die von den Ärzten der Rehabilitationsmaßnahme geschilderte Sprach- und Verständigungsschwierigkeit nicht in diesem Maße nachvollziehbar, nachdem die Klägerin durchaus auch teilweise deutsch versteht, was daraus deutlich wird, dass sie auf Fragen des Dr. He. teilweise direkt antwortete und auch die sie behandelnden Ärzte zumindest ab und an auch alleine aufsucht, und somit durchaus in der Lage ist, sich zu verständigen. Gewisse Verständigungsmöglichkeiten der Klägerin lassen sich auch daraus ableiten, dass sie bereits 1978 als 18-jährige aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland zuzog, in der Bundesrepublik Deutschland zwei Kinder aufzog und darüber hinaus zwischen 1987 und 2011 auch als Maschinenarbeiterin beschäftigt war. Im Übrigen sind die rezidivierende depressive Störung und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung, wie sich aus dem von Dr. He. erhobenen Tagesablauf ergibt, nicht mit gravierenden Einschränkungen im täglichen Leben verbunden. Auch die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. La. vermag diese Leistungseinschätzung nicht zu begründen. Er teilte in seiner sachverständigen Zeugenauskunft zwar den von ihm bei den Gesprächsterminen erhobenen psychischen Befund mit, ging jedoch nicht weiter der Frage nach, ob daraus auch eine Einschränkung im Tagesablauf der Klägerin resultiert. Darüber hinaus sah er nicht die Notwendigkeit das Behandlungsintervall zu verkürzen. Er behandelt die Klägerin in der Regel nur einmal im Quartal. Gegen seine Einschätzung spricht auch der von ihm unter dem 7. April 2014 für die Klägerin gestellte neuerliche Rehabilitationsantrag. Dies belegt, dass er nicht (mehr) die Auffassung vertritt, dass die Klägerin auf Dauer erwerbsgemindert ist und ihr Gesundheitszustand nicht mehr gebessert werden kann.
d)
31 
Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Bei der Klägerin liegen zwar - wie dargelegt - einige qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -, in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.
e)
32 
Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist seit 25. November 2011 gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 m zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1991- 13/5 RJ 73/90 - sowie 12. Dezember 2011 - B 13 R 21/10 R und B 13 R 79/11 R -, alle in juris). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 m viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der Gutachter und der Sachverständige haben keine Befunde erhoben, die für eine den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit der Klägerin sprechen. Auch der von Dr. Gr. mitgeteilte Fersensporn und die Haglund-Exostosen beidseits führen nicht zu einer derartigen Einschränkung der Gehfähigkeit.
3.
a)
33 
Eine Beweiserhebung durch weitere Sachverständigengutachten war nicht erforderlich. Der Senat sieht den Sachverhalt durch die eingeholten Gutachten als geklärt an. Eine Verschlechterung ist insbesondere auch nicht im Hinblick auf die nervenärztliche Problematik bei der Klägerin ersichtlich, nachdem die medikamentöse Behandlung gleichbleibend ist, die Behandlung bei Dr. La. weiterhin nur etwa alle drei Monate stattfindet und Dr. La. auch in seinem letzten Attest nicht über eine Verschlechterung berichtet hat, so dass die Gutachten des Arztes B. und des Dr. He. weiterhin den aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin abbilden.
b)
34 
Der Senat war an einer Entscheidung auch nicht durch den Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG bei Dr. Ab. gehindert. Dieser Antrag ist nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen. Das Gericht kann nach § 109 Abs. 2 SGG einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreit verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Davon ist hier auszugehen.
35 
Das Einholen eines Gutachtens bei Dr. Ab. aufgrund des Antrags im am 8. August 2014 beim Senat eingegangenen Schriftsatzes vom 6. August 2014 verzögert die Erledigung des Rechtsstreits, denn der Senat könnte zum jetzigen Zeitpunkt nicht über die Berufung entscheiden. Dies beruht auf grober Nachlässigkeit der Klägerin. Eine solche grobe Nachlässigkeit ist anzunehmen, wenn die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und nicht getan wird, was jedem einleuchten muss (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Kellerer/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109 Rdnr. 11). Bei einem Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG muss gewährleistet sein, dass der benannte Sachverständige innerhalb angemessener Zeit das Gutachten erstellen wird. Nur dann kann das Gericht seiner Verpflichtung nachkommen, innerhalb angemessener Frist eine Sachentscheidung zu treffen (Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention; § 198 Gerichtsverfassungsgesetz; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109 Rdziff. 5b, 19). Insoweit haben die Gerichte auch bei einem Gutachten nach § 109 SGG die Pflicht, solche Gutachten zügig und effizient einzuholen (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 25. März 2010 - 901/05 -, in juris). Die Klägerin hat diese für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt im Zusammenhang mit dem Antrag nach § 109 SGG außer Acht gelassen. Der Klägerin war seit der Verfügung der Berichterstatterin vom 23. Juni 2014 bekannt, dass für das beantragte Gutachten nach § 109 SGG die Bestätigung des benannten Sachverständigen erforderlich ist, er werde das Gutachten binnen drei Monaten erstellen. Eine solche Bestätigung des nach § 109 SGG benannten Sachverständigen ist im Hinblick auf die zuvor genannte Pflicht der Gerichte erforderlich. Sie war im Falle der Klägerin zudem erforderlich, weil die beiden zuvor von der Klägerin benannten Ärzte den jeweils an sie gerichteten Gutachtensauftrag wegen Arbeitsüberlastung zurückgegeben hatten. Nur mit dieser geforderten Bestätigung war sicherzustellen, dass nicht erneut ein Gutachtensauftrag von dem von der Klägerin als Sachverständigen benannten Arzt zurückgegeben wird und damit weitere Verzögerungen des Rechtsstreits dadurch eintreten werden, weil der Klägerin erneut die Gelegenheit eingeräumt werden musste, einen Arzt als Sachverständigen zu benennen. Demgemäß war für die Klägerin erkennbar, dass sie vor Benennung des Dr. Ab. als Sachverständigen, die mit dem am 8. August 2014 beim Senat eingegangenem Schriftsatz vom 6. August 2014 erfolgte, mit diesem abklären musste, ob er das Gutachten innerhalb von drei Monaten erstellen wird. Auch wenn Dr. Ab. bis 25. August 2014 in Urlaub gewesen sein sollte, hätte die Klägerin unmittelbar nach Ende des Urlaubs die verlangte Bestätigung einholen und dem Senat vorgelegen müssen. Dies tat sie nicht. Erst nach Terminsabsprache des Senats mit ihrem Prozessbevollmächtigten am 25. September 2014 wandte sich die Klägerin an Dr. Ab. mit der Bitte, die vom Senat verlangte Bestätigung zu erteilen (Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29. September 2014).
4.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
37 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
1.
20 
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis beider Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig. Die Berufung bedurfte nicht nach § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung. Denn die Klägerin begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2.
21 
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat ab 25. November 2011 keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
22 
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
23 
Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin seit 25. November 2011 weder voll- noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der im Verwaltungs- und Klageverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest.
a)
24 
Als rentenrelevante Gesundheitsstörung besteht bei der Klägerin auf nervenärztlichem Fachgebiet eine depressive Erkrankung mit Schwankungen zwischen leichten und mittelgradigen depressiven Episoden und eine somatoforme Schmerzstörung. Dies stützt der Senat auf die Gutachten des Arztes B. vom 21. Februar 2012 und des Dr. He. vom 5. Juli 2013 und den Entlassungsbericht des Dr. H. vom 25. August 2011. Hieraus ergibt sich für den Senat überzeugend, dass die Klägerin nicht durchgängig unter einer mittelgradigen depressiven Störung leidet, die depressive Symptomatik bei der Klägerin vielmehr Schwankungen unterliegt. Bestätigt wird dies durch die sachverständige Zeugenauskunft des die Klägerin behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. La. vom 17. Dezember 2012, wonach von einer rezidivierenden depressiven Störung mit mittelgradig ausgeprägten depressiven Phasen auszugehen sei. Auch hieraus ist zu folgern, dass die mittelgradig ausgeprägte depressive Störung nicht durchgängig vorhanden ist, sondern nur phasenweise auftritt. Dass die depressive Erkrankung nicht durchgängig mit mittelgradigen oder gar schweren Episoden verbunden ist, zeigt sich auch in der Tatsache, dass sich die Klägerin nur einmal im Quartal in nervenärztlicher Behandlung bei Dr. La. befindet und in der von der Klägerin zuletzt Dr. He. gegenüber angegebenen Medikation mit Citalopram AL 20 und Amineurin 10. Hierbei handelt es sich um eine Medikation allenfalls im mittleren Bereich, nachdem Citalopram in Wirkdosen von 10 mg, 20 mg, 30 mg und 40 mg und Amineurin in Wirkdosen von 10 mg, 25 mg, 50 mg und 100 mg auf dem Markt ist, wobei bei der Untersuchung durch den Arzt B. darüber hinaus auch festgestellt werden konnte, dass der Wirkstoff Duloxetin, mit dem die Klägerin damals behandelt wurde, im Blut nicht nachweisbar war. Auch die Notwendigkeit einer stationären, psychiatrischen Behandlung bestand bisher nicht. Eine psychotherapeutische Behandlung fand und findet ebenfalls nicht statt. Auch hat die Klägerin einen für nicht erwerbstätige Menschen weitgehend normalen Tagesablauf. Sie steht ausweislich ihrer Angaben gegenüber Dr. He. zwischen 5.00 Uhr und 7.00 Uhr auf, frühstückt, nimmt im Anschluss daran zum Teil Arzttermine war oder erledigt die leichteren Sachen der Hausarbeit, sieht fern oder liest ein wenig. Wenn es ihr gut geht, kocht sie ein Mittagsessen, wenn es ihr schlecht geht, isst sie etwas Kaltes. Abends schaut sie mit ihrem Ehemann fern und geht zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr ins Bett. Kontakt hat sie zu ihren Kindern und deren Familien und ab und zu zu Freundinnen oder befreundeten Ehepaaren. Wegen der somatoformen Schmerzstörung befindet sich die Klägerin nicht in schmerztherapeutischer Behandlung. Die von Arzt B., Dr. Sc., Dr. H. und Dr. Gr. beschriebenen Bewegungseinschränkungen sind allenfalls leichtgradig. Der Verrichtung leichterer Tätigkeiten im Haushalt stehen sie nicht entgegen.
25 
Bei der mit Hörgeräten versorgten Klägerin besteht ferner eine schwere Innenohrschwerhörigkeit links stärker als rechts und ein hochgradiger Tinnitus beidseits. Dies ergibt sich aus dem Entlassungsbericht des Dr. H. und den Gutachten des Arztes B. und Dr. He. sowie der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. A. vom 4. März 2013. Eine Verständigung mit der Klägerin war bei der Begutachtung durch Dr. He. jedoch mit Hilfe der Dolmetscherin ohne Schwierigkeiten möglich. Teilweise antwortete die Klägerin auch direkt auf die vom Gutachter gestellten Fragen.
26 
Außerdem leidet die Klägerin dem Entlassungsbericht des Dr. H. folgend unter einer arteriellen Hypertonie, die medikamentös behandelt wird. Anlässlich der Eingangsuntersuchung bei der Rehabilitationsmaßnahme wurde der Blutdruck mit 140/100 mmHg gemessen.
27 
Darüber hinaus besteht bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet ein chronisch rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit Lumboischialgie, eine Brust- und Halswirbelsäulenblockierung, ein Fersensporn und Haglund-Exostosen beidseits sowie eine Bursitis troub Hubchanterica links. Dies stützt der Senat auf die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Gr. vom 22. Dezember 2012.
28 
Vom Vorliegen einer Polymyalgia rheumatica und eines Fibromyalgiesyndroms ist der Senat nicht überzeugt. Mit Ausnahme des Dr. Gr. wurden diese Diagnosen von den übrigen Ärzten nicht genannt und auch Dr. Gr. äußerte insoweit jeweils nur einen Verdacht. Ebenso verhält es sich mit Blick auf die von Dr. Sc. diagnostizierte Anpassungsstörung, die von ihm fachfremd diagnostiziert wurde.
b)
29 
Wegen dieser Erkrankungen kann die Klägerin noch leichte Tätigkeiten im Bewegungswechsel ohne Nachtschicht und Akkord, besondere Anforderungen an Gang- und Standsicherheit, Zwangshaltungen, Heben und Tragen von Lasten über zehn kg und Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Hörfähigkeit oder mit vermehrter Lärmbelastung verrichten. Ausgeschlossen sind auch Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck und solche an die besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie für eine besonders hohe Verantwortung und eine besonders hohe geistige Beanspruchung zu stellen sind. Diese qualitativen Leistungseinschränkungen haben der Gutachter B. und der Sachverständige Dr. He. aber auch Dr. H. und Dr. Gr. genannt. Soweit der Gutachter B. noch mittelschwere Tätigkeit für möglich erachtet, schließt sich der Senat dem mit Blick auf die orthopädischen Erkrankungen der Klägerin und auch die somatoforme Schmerzstörung nicht an. Nicht anzuschließen vermag sich der Senat auch der qualitativen Einschränkung, wonach die Klägerin Dr. H. folgend nur noch Tätigkeiten überwiegend im Sitzen verrichten kann, denn dies lässt sich auf die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen nicht stützen.
c)
30 
Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen führen die rentenrelevanten Erkrankungen seit 25. November 2011 jedoch nicht zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts auf weniger als sechs Stunden täglich. Die Klägerin ist noch in der Lage, leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Leistungseinschränkungen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat stützt dies auf die übereinstimmende Beurteilung des Arztes B. und des Dr. He. und auch die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Gr., der von der Beurteilung der Leistungseinschätzung im Gutachten des Arztes B. nicht abwich. Der Senat vermag demgegenüber nicht der Beurteilung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht durch Dr. H. und Dr. La., die davon ausgehen, dass die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich Tätigkeiten verrichten könne, zu folgen. Diese gegenteiligen Einschätzungen sieht der Senat durch die Gutachten und die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Gr. als widerlegt an. Die Einschätzung durch Dr. H. ist für den Senat wie für das SG insbesondere auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil die die Klägerin anlässlich der Rehabilitationsmaßnahme behandelnden Ärzte eingeräumt haben, dass auf Grund der Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten die therapeutische Zugänglichkeit der Klägerin äußerst eingeschränkt gewesen sei. Demgegenüber hat Dr. He. die Klägerin mit Hilfe einer Dolmetscherin begutachtet. Abgesehen davon ist aber auch die von den Ärzten der Rehabilitationsmaßnahme geschilderte Sprach- und Verständigungsschwierigkeit nicht in diesem Maße nachvollziehbar, nachdem die Klägerin durchaus auch teilweise deutsch versteht, was daraus deutlich wird, dass sie auf Fragen des Dr. He. teilweise direkt antwortete und auch die sie behandelnden Ärzte zumindest ab und an auch alleine aufsucht, und somit durchaus in der Lage ist, sich zu verständigen. Gewisse Verständigungsmöglichkeiten der Klägerin lassen sich auch daraus ableiten, dass sie bereits 1978 als 18-jährige aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland zuzog, in der Bundesrepublik Deutschland zwei Kinder aufzog und darüber hinaus zwischen 1987 und 2011 auch als Maschinenarbeiterin beschäftigt war. Im Übrigen sind die rezidivierende depressive Störung und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung, wie sich aus dem von Dr. He. erhobenen Tagesablauf ergibt, nicht mit gravierenden Einschränkungen im täglichen Leben verbunden. Auch die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. La. vermag diese Leistungseinschätzung nicht zu begründen. Er teilte in seiner sachverständigen Zeugenauskunft zwar den von ihm bei den Gesprächsterminen erhobenen psychischen Befund mit, ging jedoch nicht weiter der Frage nach, ob daraus auch eine Einschränkung im Tagesablauf der Klägerin resultiert. Darüber hinaus sah er nicht die Notwendigkeit das Behandlungsintervall zu verkürzen. Er behandelt die Klägerin in der Regel nur einmal im Quartal. Gegen seine Einschätzung spricht auch der von ihm unter dem 7. April 2014 für die Klägerin gestellte neuerliche Rehabilitationsantrag. Dies belegt, dass er nicht (mehr) die Auffassung vertritt, dass die Klägerin auf Dauer erwerbsgemindert ist und ihr Gesundheitszustand nicht mehr gebessert werden kann.
d)
31 
Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Bei der Klägerin liegen zwar - wie dargelegt - einige qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -, in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.
e)
32 
Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist seit 25. November 2011 gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 m zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1991- 13/5 RJ 73/90 - sowie 12. Dezember 2011 - B 13 R 21/10 R und B 13 R 79/11 R -, alle in juris). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 m viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der Gutachter und der Sachverständige haben keine Befunde erhoben, die für eine den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit der Klägerin sprechen. Auch der von Dr. Gr. mitgeteilte Fersensporn und die Haglund-Exostosen beidseits führen nicht zu einer derartigen Einschränkung der Gehfähigkeit.
3.
a)
33 
Eine Beweiserhebung durch weitere Sachverständigengutachten war nicht erforderlich. Der Senat sieht den Sachverhalt durch die eingeholten Gutachten als geklärt an. Eine Verschlechterung ist insbesondere auch nicht im Hinblick auf die nervenärztliche Problematik bei der Klägerin ersichtlich, nachdem die medikamentöse Behandlung gleichbleibend ist, die Behandlung bei Dr. La. weiterhin nur etwa alle drei Monate stattfindet und Dr. La. auch in seinem letzten Attest nicht über eine Verschlechterung berichtet hat, so dass die Gutachten des Arztes B. und des Dr. He. weiterhin den aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin abbilden.
b)
34 
Der Senat war an einer Entscheidung auch nicht durch den Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG bei Dr. Ab. gehindert. Dieser Antrag ist nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen. Das Gericht kann nach § 109 Abs. 2 SGG einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreit verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Davon ist hier auszugehen.
35 
Das Einholen eines Gutachtens bei Dr. Ab. aufgrund des Antrags im am 8. August 2014 beim Senat eingegangenen Schriftsatzes vom 6. August 2014 verzögert die Erledigung des Rechtsstreits, denn der Senat könnte zum jetzigen Zeitpunkt nicht über die Berufung entscheiden. Dies beruht auf grober Nachlässigkeit der Klägerin. Eine solche grobe Nachlässigkeit ist anzunehmen, wenn die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und nicht getan wird, was jedem einleuchten muss (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Kellerer/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109 Rdnr. 11). Bei einem Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG muss gewährleistet sein, dass der benannte Sachverständige innerhalb angemessener Zeit das Gutachten erstellen wird. Nur dann kann das Gericht seiner Verpflichtung nachkommen, innerhalb angemessener Frist eine Sachentscheidung zu treffen (Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention; § 198 Gerichtsverfassungsgesetz; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109 Rdziff. 5b, 19). Insoweit haben die Gerichte auch bei einem Gutachten nach § 109 SGG die Pflicht, solche Gutachten zügig und effizient einzuholen (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 25. März 2010 - 901/05 -, in juris). Die Klägerin hat diese für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt im Zusammenhang mit dem Antrag nach § 109 SGG außer Acht gelassen. Der Klägerin war seit der Verfügung der Berichterstatterin vom 23. Juni 2014 bekannt, dass für das beantragte Gutachten nach § 109 SGG die Bestätigung des benannten Sachverständigen erforderlich ist, er werde das Gutachten binnen drei Monaten erstellen. Eine solche Bestätigung des nach § 109 SGG benannten Sachverständigen ist im Hinblick auf die zuvor genannte Pflicht der Gerichte erforderlich. Sie war im Falle der Klägerin zudem erforderlich, weil die beiden zuvor von der Klägerin benannten Ärzte den jeweils an sie gerichteten Gutachtensauftrag wegen Arbeitsüberlastung zurückgegeben hatten. Nur mit dieser geforderten Bestätigung war sicherzustellen, dass nicht erneut ein Gutachtensauftrag von dem von der Klägerin als Sachverständigen benannten Arzt zurückgegeben wird und damit weitere Verzögerungen des Rechtsstreits dadurch eintreten werden, weil der Klägerin erneut die Gelegenheit eingeräumt werden musste, einen Arzt als Sachverständigen zu benennen. Demgemäß war für die Klägerin erkennbar, dass sie vor Benennung des Dr. Ab. als Sachverständigen, die mit dem am 8. August 2014 beim Senat eingegangenem Schriftsatz vom 6. August 2014 erfolgte, mit diesem abklären musste, ob er das Gutachten innerhalb von drei Monaten erstellen wird. Auch wenn Dr. Ab. bis 25. August 2014 in Urlaub gewesen sein sollte, hätte die Klägerin unmittelbar nach Ende des Urlaubs die verlangte Bestätigung einholen und dem Senat vorgelegen müssen. Dies tat sie nicht. Erst nach Terminsabsprache des Senats mit ihrem Prozessbevollmächtigten am 25. September 2014 wandte sich die Klägerin an Dr. Ab. mit der Bitte, die vom Senat verlangte Bestätigung zu erteilen (Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29. September 2014).
4.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
37 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit gewähren muss.

2

Die 1954 geborene Klägerin hat keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt. Sie ist auch in ihrer türkischen Muttersprache (primäre) Analphabetin, weil sie keine Zahlen kennt, nur minimale Buchstabenkenntnisse besitzt und deshalb selbst mit fremder Hilfe weder lesen noch schreiben kann. In Deutschland arbeitete sie ab November 1987 bis zum Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit im September 2004 durchgehend als Reinigungskraft bei der Stadt B.

3

Sie leidet an einer Wirbelsäulenerkrankung ohne neurologische Ausfallerscheinungen, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven Erkrankung. Trotz dieser Krankheiten kann sie noch körperlich leichte Tätigkeiten sechs (und mehr) Stunden an fünf Tagen in der Woche regelmäßig verrichten. Auszuschließen sind Arbeiten mit Knien, Hocken, häufigem Bücken, über Kopf, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, unter Umwelteinflüssen (wie Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Nässe, Staub, Gas, Dampf, Rauch, Lärm, Schmutzeinwirkung), in Wechsel- und Nachtschicht, unter zeitlichem Druck, wie bei Akkord- oder Fließbandarbeit, sowie mit häufigem Publikumsverkehr. Der Analphabetismus der Klägerin beruht nicht auf einer gesundheitlichen Störung.

4

Ihren Antrag vom 21.6.2005 auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte ab, weil sie noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne (Bescheid vom 22.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 6.1.2006). Die Klage blieb erfolglos (Urteil des SG Detmold vom 10.12.2007).

5

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem am 21.6.2005 eingetretenen Leistungsfall befristet bis zum 31.1.2014 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen (Urteil vom 21.2.2011): Die Klägerin habe die allgemeine Wartezeit zurückgelegt, erfülle die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und sei voll erwerbsgemindert. Denn ihr sei der Arbeitsmarkt unter dem Gesichtspunkt einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen praktisch verschlossen. Zwar seien die qualitativen Leistungseinschränkungen nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließe, nicht ungewöhnlich und ließen für sich allein noch keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass die Klägerin in einem Betrieb einsetzbar sei. Gleichwohl seien keine beruflichen Tätigkeiten ersichtlich, die sie auf der Grundlage ihres Restleistungsvermögens und ihres muttersprachlichen Analphabetismus noch verrichten könne. Der Analphabetismus sei bei der Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, zu berücksichtigen, wenn das weite Feld der Tätigkeiten, die die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erforderten, aufgrund weiterer Leistungseinschränkungen und der Beschränkung des Restleistungsvermögens auf nur leichte Arbeiten nicht mehr zweifelsfrei offenstehe. Eine realistische Verwertung des Restleistungsvermögens im Erwerbsleben setze voraus, dass eine Verweisungstätigkeit den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entspreche, wodurch sichergestellt werde, dass keine vom tatsächlichen Leistungsvermögen losgelöste, also fiktive Verweisung erfolge. Eine konkrete Verweisungstätigkeit, die die Klägerin mit den verbliebenen Fähigkeiten noch verrichten könne, sei indes nicht ersichtlich. Die Tätigkeiten als Museumswärterin/Aufseherin, Küchenhilfe, Büglerin, Mitarbeiterin in einer Mangel, Warensortiererin in der Kunststoff- und Metallindustrie oder in der Papier- und Elektroindustrie, die die Beklagte benannt habe, könne die Klägerin teils aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen, teils aufgrund des Analphabetismus nicht mehr ausüben.

6

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt die Beklagte eine Verletzung von § 43 SGB VI: Nach der Rechtsprechung des BSG sei in der Regel davon auszugehen, dass Versicherte, die noch körperlich leichte Tätigkeiten- wenngleich mit qualitativen Einschränkungen - täglich mindestens sechs Stunden verrichten könnten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen erwerbstätig sein könnten. Eine konkrete Verweisungstätigkeit sei in dieser Situation nur zu benennen, wenn ausnahmsweise eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege. Das LSG führe jedoch selbst nachvollziehbar aus, dass sämtliche Leistungseinschränkungen der Klägerin nicht ungewöhnlich seien und für sich allein keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen ließen, dass sie in einem Betrieb einsetzbar sei. Bei der Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, müsse ihr Analphabetismus außer Acht bleiben. Denn er beruhe nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder auf intellektuellen Defiziten, sondern darauf, dass sie keine Schule besucht und deshalb weder Lesen noch Schreiben erlernt habe. Ein solcher Analphabetismus sei als Bildungsdefizit und nicht als Erwerbsminderung auslösende Krankheit oder Behinderung zu werten. Soweit sich das Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht auf das Senatsurteil vom 10.12.2003 (B 5 RJ 64/02 R - SozR 4-2600 § 44 Nr 1) stütze, stehe diese Entscheidung nicht mit dem Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 (GS 2/95 - BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) in Einklang. Danach sei es ausgeschlossen, "einen arbeitslosen Versicherten, der noch vollschichtig arbeiten" könne, "deshalb als erwerbsunfähig anzusehen, weil neben den gesundheitlichen Einschränkungen Risikofaktoren wie Langzeitarbeitslosigkeit und vorgerücktes Alter oder mangelhafte Ausbildung die Vermittlungschancen zusätzlich" erschwerten. Analphabetismus sei jedoch nichts anderes als "mangelnde Ausbildung". Für die Überwindung des Analphabetismus seien nicht die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern die Bundesagentur für Arbeit, die Grundsicherungsträger sowie die Kommunen und Länder zuständig; das daraus resultierende Arbeitsmarktrisiko dürfe nicht auf die Rentenversicherungsträger verlagert werden. Soweit die Rechtsprechung schließlich zwischen Analphabetismus und mangelnden Deutschkenntnissen unterscheide, sei diese Differenzierung inkonsequent. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl Senatsurteil vom 15.5.1991 - 5 RJ 92/89 - BSGE 68, 288 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 11) müssten unzureichende Deutschkenntnisse bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit außer Acht bleiben, weil dem Rentenversicherungsträger sonst ein von der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfasstes Risiko aufgebürdet werde. Nichts anderes müsse für Analphabetismus gelten. Dass der Klägerin der Zugang zum Arbeitsmarkt wegen ihres Analphabetismus erschwert sei, könne ebenso wenig wie der Umstand berücksichtigt werden, dass sie aufgrund mangelhafter deutscher Sprachkenntnisse nicht ausreichend kommunizieren könne.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2011 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. Dezember 2007 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie trägt vor: Aufgrund einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erfülle sie die Voraussetzungen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, wobei ihr Analphabetismus zu berücksichtigen sei. Als primäre Analphabetin sei sie auf dem Arbeitsmarkt, unter Hinzutreten weiterer ungewöhnlicher Erschwernisse, schlichtweg nicht (mehr) vermittelbar und könne auch auf Alternativtätigkeiten nicht (mehr) verwiesen werden. Selbst wenn man den primären Analphabetismus außer Acht ließe, seien zumutbare Verweisungstätigkeiten weder ersichtlich noch von der Beklagten benannt worden. Vor dem Hintergrund bestehender Fürsorgepflicht hätte die Beklagte durch Rehabilitations- bzw Förderungsmaßnahmen dem Analphabetismus entgegenwirken und hierdurch eine Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt wiederherstellen müssen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht (§ 162 SGG). Der Klägerin steht kein Recht auf Rente wegen Erwerbsminderung zu.

11

1. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 43 Abs 2 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2002 (BGBl I 754) in Betracht (§ 300 Abs 1 SGB VI). Danach haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs 2 S 1 Nr 2 und 3) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Abs 2 S 1 Nr 1). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 2 S 2). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs 3). Nach § 102 Abs 2 S 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, zu denen auch die Rente wegen voller Erwerbsminderung zählt(§ 33 Abs 3 Nr 2 SGB VI), auf Zeit geleistet. Die Befristung (§ 32 Abs 2 Nr 1 SGB X) erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs 2 S 2 iVm § 101 Abs 1 SGB VI) und kann wiederholt werden (§ 102 Abs 2 S 3 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754).

12

2. Nach den Feststellungen des LSG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angefochten und deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), kann die Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden (arbeits)täglich, dh an fünf Tagen in der Woche, verrichten. Dieses zeitliche (quantitative) Leistungsvermögen schließt die Annahme einer "vollen Erwerbsminderung" gemäß § 43 Abs 3 Halbs 1 SGB VI aber noch nicht aus. Vielmehr kommt es nach dieser Vorschrift iVm § 43 Abs 2 S 2 SGB VI entscheidend darauf an, ob die Klägerin "wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande" ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts … erwerbstätig zu sein". Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

13

Die Rentenversicherungsträger und im Streitfall die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben von Amts wegen (§ 20 Abs 1 S 1 SGB X, § 103 SGG) mit Hilfe (medizinischer) Sachverständiger (§ 21 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB X, § 106 Abs 3 Nr 5 SGG) zu ermitteln und festzustellen,

        

a)    

Art, Ausprägung und voraussichtliche Dauer der Krankheit(en) oder Behinderung(en), an denen der Versicherte leidet,

        

b)    

Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen (Minderbelastbarkeiten, Funktionsstörungen und -einbußen) sowie den

        

c)    

Ursachenzusammenhang ("wegen") zwischen a) und b).

14

a) Das LSG hat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, dass die Klägerin "an einer Wirbelsäulenerkrankung ohne neurologische Ausfallerscheinungen, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und an einer depressiven Erkrankung leidet". Dabei handelt es sich - auch soweit psychische Leiden vorliegen (s dazu BSGE 21, 189 = SozR Nr 39 zu § 1246 RVO; SozR Nr 15 zu § 1254 aF RVO) - um Krankheiten iS von § 43 Abs 2 S 2 SGB VI, dh um regelwidrige Körper- bzw Geisteszustände(BSGE 14, 207 = SozR Nr 5 zu § 45 RKG), die geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit herabzusetzen (BSGE 13, 255 = SozR Nr 11 zu § 1246 RVO). Den Analphabetismus oder dessen Ursachen hat das Berufungsgericht dagegen nicht als Krankheit bezeichnet, sondern ausdrücklich ausgeführt, dass die komplette Lese- und Schreibinkompetenz "nicht auf einer gesundheitlichen Störung" beruht. Sie ist auch keine "Behinderung", weil dazu rentenversicherungsrechtlich nur (weiter die Begriffsbestimmung in § 2 Abs 1 SGB IX) krankheitsbedingte Störungen zählen (Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 98; Kunze, DRV 2001, 192), deren Entwicklung - anders als bei einer Krankheit (vgl dazu BSGE 28, 114 = SozR Nr 28 zu § 182 RVO) - irreversibel abgeschlossen ist. Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" kann aber durch Erlernen der Schriftsprache überwunden werden.

15

b) Das LSG hat weiter bindend festgestellt, dass die Klägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten sechs (und mehr) Stunden an fünf Tagen in der Woche regelmäßig verrichten kann. Auszuschließen sind Arbeiten mit Knien, Hocken, häufigem Bücken, über Kopf, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, unter Umwelteinflüssen (wie Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Nässe, Staub, Gas, Dampf, Rauch, Lärm, Schmutzeinwirkung), in Wechsel- und Nachtschicht, unter zeitlichem Druck, wie bei Akkord- oder Fließbandarbeit, sowie mit häufigem Publikumsverkehr.

16

c) Zwischen diesen Leistungseinschränkungen (Erwerbsminderung) und den Krankheit(en) bzw Behinderung(en) muss ein Ursachenzusammenhang bestehen ("wegen"). Die Leistungsminderung muss wesentlich (Theorie der wesentlichen Bedingung, vgl BSGE 96, 291, 293 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7 RdNr 15)auf einer Krankheit oder Behinderung (den versicherten Risiken) beruhen und nicht auf sonstigen Umständen wie Lebensalter, fehlenden Sprachkenntnissen (Senatsurteil vom 15.5.1991 - 5 RJ 92/89 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 11 S 38 f; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 9 S 34 f; SozR 2200 § 1246 Nr 61) oder Arbeitsentwöhnung (BSGE 7, 66). Aus den Darlegungen des LSG zum Ursachenzusammenhang geht hinreichend deutlich hervor, dass die beschriebenen Leistungseinschränkungen und Minderbelastbarkeiten aus den zuvor festgestellten Gesundheitsstörungen "resultieren". Außerdem hält das Berufungsgericht ausdrücklich fest, dass der Analphabetismus der Klägerin "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruht", also gerade kein Ursachenzusammenhang zwischen ihm und einer der festgestellten Erkrankungen vorliegt.

17

3. Steht das krankheits- bzw behinderungsbedingte (Rest-)Leistungsvermögen fest, ist im nächsten Prüfungsschritt die Rechtsfrage zu klären, ob der Versicherte damit außerstande ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" tätig zu sein. Diese Frage ist hier zu verneinen. Die zitierte Formulierung verwendete der Gesetzgeber ursprünglich im Arbeitsförderungsrecht (§ 103 AFG, § 119 SGB III, seit dem 1.4.2012: § 138 Abs 5 SGB III) und übertrug sie später auf das Recht der Renten wegen Erwerbsminderung. Mit dieser Übernahme griff er gleichzeitig die Rechtsprechung des BSG auf, wonach dem Betroffenen der Zugang zum Arbeitsmarkt trotz vollschichtigem Leistungsvermögen praktisch verschlossen war, wenn er krankheitsbedingt keine "Erwerbstätigkeit unter den in Betrieben üblichen Bedingungen" mehr ausüben konnte (sog 1. Katalog- und Seltenheitsfall, vgl dazu nur Senatsurteil vom 27.5.1977 - 5 RJ 28/76 - SozR 2200 § 1246 Nr 19 und die Zusammenstellung der Katalog- und Seltenheitsfälle in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Die hierzu und zum Arbeitsförderungsrecht entwickelte Rechtsprechung ist auf die gesetzliche Neuformulierung übertragbar.

18

a) "Bedingungen" sind dabei alle Faktoren, die wesentliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind (BSGE 11, 16, 20). Hierzu gehört vor allem der rechtliche Normrahmen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche Bestimmungen und tarifvertragliche Vereinbarungen (BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - RdNr 29, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 43 Nr 16 vorgesehen; zum Arbeitsförderungsrecht: BSGE 11, 16, 20; 44, 164, 172 = SozR 4100 § 134 Nr 3; BSGE 46, 257, 259 = SozR 4100 § 103 Nr 17; BSG SozR 4100 § 103 Nr 23 S 55; BSG Urteil vom 21.4.1993 - 11 RAr 79/92 - Die Beiträge 1994, 431). Die Bedingungen sind "üblich", wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl (BSG Urteil vom 19.10.2011, aaO, RdNr 29; BSGE 46, 257, 262, 264 = SozR 4100 § 103 Nr 17 S 40, 42; SozR 2200 § 1247 Nr 43 S 86 f; BSG Urteil vom 21.4.1993, aaO, Die Beiträge 1994, 431). Der Arbeitsmarktbegriff erfasst alle denkbaren Tätigkeiten (vgl BT-Drucks 14/4230, S 25), für die es faktisch "Angebot" und "Nachfrage" gibt. Das Adjektiv "allgemein" grenzt den ersten vom zweiten - öffentlich geförderten - Arbeitsmarkt, zu dem regelmäßig nur Leistungsempfänger nach dem SGB II und III Zugang haben, sowie von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für behinderte Menschen und andere geschützte Einrichtungen (BSG Urteil vom 19.10.2011, aaO RdNr 27). Die Klägerin kann nach den Feststellungen des LSG an fünf Tagen in der Woche mindestens sechs Stunden arbeiten. Sieht man davon ab, dass ihr Nacht- und Wechselschichten krankheitsbedingt nicht mehr zugemutet werden dürfen, benötigt sie im Hinblick auf Dauer und Verteilung der Arbeitszeit keine Sonderbehandlung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich wäre. Sie hat auch keinen erhöhten, betriebsunüblichen Pausen- oder Urlaubsbedarf und ist in einem Betrieb, also außerhalb geschützter Einrichtungen, einsetzbar. Wer aber in einem Betrieb unter den dort üblicherweise herrschenden Bedingungen arbeiten kann, ist auch imstande, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" tätig zu sein.

19

b) Soweit unter den Begriff der üblichen Bedingungen "auch tatsächliche Umstände" gefasst werden (BSG Urteil vom 19.10.2011, aaO, RdNr 29), "wie zB die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz", handelt es sich ausschließlich um kognitive Grundfähigkeiten, die krankheitsbedingt herabgesetzt sein können. Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" gehört nicht dazu. Wie der berufliche Werdegang der Klägerin exemplarisch und stellvertretend für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen zeigt, zählen Lese- und Schreibkompetenzen keinesfalls zu den üblichen Grundbedingungen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Andernfalls könnten primäre Analphabeten nie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig werden, wären schon vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (voll) erwerbsgemindert und könnten Rente wegen voller Erwerbsminderung erst erhalten, nachdem sie die Wartezeit von 20 Jahren zurückgelegt haben (§ 43 Abs 6 iVm § 50 Abs 2 SGB VI).

20

4. Folglich kommt es entscheidend darauf an, ob die Klägerin trotz ihrer qualitativen Leistungseinschränkungen noch imstande ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen. Diese Frage ist zu bejahen.

21

a) Um nachprüfbar zu machen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hat das BSG bereits zum Parallelproblem im Recht der Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (§§ 1246, 1247 RVO bzw §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Altfassung - aF) die Pflicht der Rentenversicherungsträger entwickelt, dem Versicherten zumindest eine zumutbare Tätigkeit (sog Verweisungstätigkeit) konkret zu benennen, die er mit seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch ausüben kann (sog Benennungsgebot), wenn eine Rente wegen fehlender Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abgelehnt werden sollte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 229; SozR 2200 § 1246 Nr 72, 74, 98 und 104). Zu benennen war eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 72 S 229 und Nr 74 S 234; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 229). Die Angabe einzelner Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale genügte nicht (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 34 S 130 f mwN; BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 13 R 63/06 R - Juris RdNr 30). Andererseits musste kein konkreter Arbeitsplatz bezeichnet werden (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324). Die zu benennende Tätigkeit musste auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich in ausreichendem Umfang vorkommen (BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28), dh es mussten grundsätzlich mehr als 300 Stellen (besetzt oder offen) vorhanden sein (BSGE 78, 207, 222 f = SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 34 f; BSG Urteile vom 29.7.2004 - B 4 RA 5/04 R - Juris RdNr 24, 33 und vom 26.4.2007 - B 4 R 5/06 R - Juris RdNr 18).

22

b) Abweichend von diesem Grundsatz war die Benennung einer Verweisungstätigkeit entbehrlich, sofern der Versicherte - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - noch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durfte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 mwN). Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durften bei der Prüfung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich alle Versicherten (BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 7 S 12 f; SozR 5850 § 2 Nr 12 S 25; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 18), bei der Prüfung der Rente wegen Berufsunfähigkeit hingegen nur ungelernte Arbeiter bzw sog Angelernte im unteren Bereich (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 72 f mwN). In diesen Fällen war regelmäßig davon auszugehen, dass das Restleistungsvermögen dem Versicherten noch körperliche Verrichtungen erlaubte, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Dem lag die Überlegung zugrunde, dass sich die nicht oder nur ganz wenig qualifizierten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ("Hilfsarbeiten") einerseits einer knappen Benennung, die aussagekräftig Art und Anforderungen der Tätigkeiten beschreiben würde, entzogen, das Arbeitsfeld andererseits aber so heterogen war, dass mit einem Restleistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten jedenfalls noch von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten ausgegangen werden konnte (BSGE 80, 24, 31 ff = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 ff).

23

c) Trotz der praktischen Schwierigkeiten war - im Sinne einer Rückausnahme - die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag: In diesen Fällen einer überdurchschnittlich starken Leistungsminderung bestanden - entgegen der oben skizzierten tatsächlichen Vermutung bzw Annahme - ernsthafte Zweifel, dass der allgemeine Arbeitsmarkt für die dem Versicherten an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen bereithielt oder dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar war (BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 27; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324 und Nr 136 S 434). Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts durch die sog Katalog- und Seltenheitsfälle ist in diesem Zusammenhang bedeutsam (vgl die Zusammenstellung der Katalog- und Seltenheitsfälle in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Diese Maßstäbe haben auch für die seit dem 1.1.2001 geltende Rechtslage weiterhin Gültigkeit (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 5 RdNr 18 und BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - RdNr 19).

24

5. Für den Regelfall darf damit auch für die Renten wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI nF (iS einer widerlegbaren tatsächlichen Vermutung) davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der zumindest körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann, noch in der Lage ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen(s auch § 43 Abs 3 SGB VI nF). Es ist mehrschrittig zu prüfen (vgl dazu BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 und Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - RdNr 35):

25

a) Im ersten Schritt ist festzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw ), die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden. Es genügt die Benennung von "Arbeitsfeldern", von "Tätigkeiten der Art nach" oder von "geeigneten Tätigkeitsfeldern", die der Versicherte ausfüllen könnte (vgl BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; Senatsurteile vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 43; vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 f; vom 10.12.2003 - SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 23; BSG vom 19.8.1997 - 13 RJ 29/95 - SozSich 1998, 111 - Juris RdNr 30; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f; vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 R - Juris RdNr 24; vom 14.7.1999 - B 13 RJ 65/97 R - Juris RdNr 32; sog "kleines Benennungsgebot": vgl Köbl in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskommentar zum SGB VI, § 43 RdNr 168, Stand Oktober 2006; Gürtner in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 47, Stand April 2010; Spiolek, SGb 1999, 509, 510; kritisch Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 43 RdNr 42, Stand März 2012; aA wohl Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 108). Damit können "ernste Zweifel" an der beschriebenen Einsatzfähigkeit des Versicherten als Folge von qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt werden.

26

b) Lassen sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben und kommen deshalb "ernste Zweifel" an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen auf, stellt sich im zweiten Schritt die Rechtsfrage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl Senatsurteil vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 44 sowie BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f und Nr 21 S 73 f sowie Beschluss vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 - Juris RdNr 24). Hierbei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die schwierig zu konkretisieren (BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 69 sowie SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 f) und vernünftig zu handhaben sind (BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33 ). Da es für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, keinen konkreten Beurteilungsmaßstab gibt, können auch für die tatrichterliche Begründung und die dazu nötigen Tatsachenfeststellungen keine allgemeingültigen Anforderungen aufgestellt werden (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 23). Auch der jeweilige Begründungsaufwand richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere hängt er von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss das Tatsachengericht seine Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 23; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61). Wie sich der Richter die jeweils erforderliche Tatsachenkenntnis verschafft, liegt in seinem Ermittlungsermessen (vgl § 103 SGG). Angesichts des unzulänglichen Gesamtüberblicks über typische Anforderungen ungelernter Verrichtungen ist ihm dabei ein weiter Freiraum für Einschätzungen zuzugestehen. Gleichwohl muss aber aus rechtsstaatlichen Gründen ein Mindestmaß an Berechenbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Entscheidung gesichert bleiben (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 ff und BSG Urteil vom 19.8.1997 - 13 RJ 25/95 - SozSich 1998, 113 - Juris RdNr 25).

27

c) Erst wenn nach diesen Maßstäben eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" oder "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vorliegt, ist dem Versicherten im dritten Schritt mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zu benennen, um seinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen (vgl BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33). Hierbei sind dann nicht nur das körperliche, geistige und kognitive Leistungsvermögen einerseits und das berufliche Anforderungsprofil andererseits miteinander zu vergleichen und in Deckung zu bringen, sondern es muss auch individuell geprüft werden, ob der Versicherte die notwendigen fachlichen Qualifikationen und überfachlichen Schlüsselkompetenzen besitzt oder zumindest innerhalb von drei Monaten erlernen kann. Außerdem ist dann zu beachten, dass auf Tätigkeiten nicht verwiesen werden darf, die auf dem Arbeitsmarkt nur in ganz geringer Zahl vorkommen (Katalogfall Nr 3), die an Berufsfremde nicht vergeben werden (Katalogfall Nr 4) oder für Betriebsfremde unzugänglich sind, weil es sich um reine Schonarbeitsplätze (Katalogfall Nr 5) oder Aufstiegspositionen (Katalogfall Nr 6) handelt (vgl die Zusammenstellung der Katalog- und Seltenheitsfälle in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Kann der Versicherte die Verweisungstätigkeit krankheits- oder behinderungsbedingt nicht mehr ausüben, oder kann er sich die fehlenden fachlichen oder überfachlichen Kompetenzen nicht innerhalb von drei Monaten aneignen, so ist er auch dann (voll) erwerbsgemindert, wenn sein zeitliches (quantitatives) Leistungsvermögen uneingeschränkt erhalten ist.

28

6. Zu Recht hat das LSG eine schwere spezifische Leistungsbehinderung verneint. Sie liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60; Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 108; Spiolek, NZS 1997, 415, 416 f). Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände (vgl BSG SozR 3- 2600 § 43 Nr 17 S 61 ; BSG SozR 3- 2600 § 43 Nr 19 S 68 ; BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 69 ) - beispielsweise Einäugigkeit (Senatsurteile vom 12.5.1982 - 5b/5 RJ 170/80 - Juris RdNr 8 und vom 14.9.1995 - 5 RJ 50/94 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 230; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 30, 90), Einarmigkeit (Senatsurteil vom 14.9.1995 - 5 RJ 50/94 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 230; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 30) und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 19) sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104, 117; weitere Beispiele bei BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26 und bei Spiolek, NZS 1997, 415, 416 f). Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" gehört nicht dazu, weil er keine "Behinderung" ist (s Gliederungspunkt 2 a) und damit auch keine "Leistungsbehinderung" sein kann.

29

7. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt auch keine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vor, die es ausnahmsweise notwendig machen könnte, den Ausschluss eines Rechts auf Rente nicht lediglich abstrakt mit der Einsetzbarkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu begründen, sondern hierfür die konkrete Benennung einer noch in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit zu fordern. Insofern kann vorliegend offen bleiben, ob es sich bei dem muttersprachlichen Analphabetismus der Klägerin für sich um eine ungewöhnliche Leistungseinschränkung in diesem Sinne handelt (vgl dazu Senatsurteile vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R - SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 17 ff und vom 20.10.2004 - B 5 RJ 48/03 R - Juris RdNr 19 sowie BSG Urteil vom 4.11.1998 - B 13 RJ 13/98 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr 62 S 288). Nach der unverändert einschlägigen Verweisungsrechtsprechung des Großen Senats des BSG (BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) begründet nämlich bei zeitlich uneingeschränkt leistungsfähigen Versicherten allein die "Summierung" - notwendig also eine Mehrheit von wenigstens zwei ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen als tauglichen Summanden - die Benennungspflicht, nicht aber, wie das Berufungsgericht meint, bereits das Zusammentreffen einer - potenziell - ungewöhnlichen und einer oder mehrerer "gewöhnlicher" Leistungseinschränkungen. Durch die genannte Rechtsprechung des Großen Senats und den ausdrücklichen Ausschluss einer Berücksichtigung der "jeweiligen Arbeitsmarktlage" in § 43 Abs 3 Halbs 2 SGB VI ist auch bereits entschieden, dass weitere Fälle einer Benennungspflicht nicht in Betracht kommen. Im Hinblick auf die qualitativen Einschränkungen, die bei der Klägerin zu beachten sind, hat das LSG jedoch unangefochten festgestellt, dass diese sämtlich nicht ungewöhnlich sind. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die "vernünftige Handhabung" des unbestimmten Rechtsbegriffs der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gewährleistet nach der Rechtsprechung des Großen und des erkennenden Senats, dass abweichend vom Regelfall der abstrakten Betrachtungsweise die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit als unselbstständiger Zwischenschritt, nur aber auch immer dann erfolgen muss, wenn ernsthafte Zweifel unter anderem an der betrieblichen Einsetzbarkeit bestehen. Ob und ggf in welcher Intensität Zweifel aufkommen und ob in der Gesamtschau eine "Summierung" ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu bejahen ist, lässt sich nur anhand des konkreten Einzelfalls entscheiden, weil die denkbaren Kombinationsmöglichkeiten der qualitativen Leistungseinschränkungen unüberschaubar sind und die Summanden je nach Schweregrad, Anzahl und Wechselwirkungen unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Feste Grenzlinien lassen sich nicht festlegen, zumal auch der Begriff "leichte Arbeiten", auf den sich die genannten Merkmale als Ausnahmen beziehen, erhebliche Unschärfen enthält, die es erforderlich machen, die im Einzelfall vorliegenden Leistungseinschränkungen insgesamt in ihrer konkreten Bedeutung für die Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem Arbeitsmarkt zu bewerten (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61). Nur so erscheint eine "vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe" gewährleistet, wie sie der Große Senat des BSG (BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33) vorausgesetzt hat. Im Hinblick auf diese Gegebenheiten sind die bisherigen Entscheidungen des BSG zum Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung nur als Einzelfallentscheidungen zu werten, die den Besonderheiten der jeweiligen Sachlage Rechnung zu tragen suchen. Auch wenn die Leistungseinschränkungen dort gleich oder vergleichbar formuliert sind, handelt es sich keinesfalls um identische Sachverhalte. Vielmehr liefern die jeweiligen Beurteilungen allenfalls Anhaltspunkte für weitere Entscheidungen; ihnen lassen sich jedoch keine generellen Abgrenzungskriterien entnehmen (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61). Deshalb steht dem Tatrichter bei der Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse ein weiter Freiraum für Einschätzungen zu (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 f und BSG Urteil vom 19.8.1997 - 13 RJ 25/95 - SozSich 1998, 113 - Juris RdNr 25). Denn die Begriffe der "Ungewöhnlichkeit" von Leistungseinschränkungen und ihre "Summierung" lassen sich nicht mit einem abschließenden Katalog unabdingbarer Merkmale und Untermerkmale im Voraus definieren (Klassen- oder Allgemeinbegriff), sondern nur einzelfallbezogen durch eine größere und unbestimmte Zahl von (charakteristischen) Merkmalen umschreiben (offener Typus- oder Ordnungsbegriff), wobei das eine oder andere Merkmal gänzlich fehlen oder je nach Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam sein kann. Ob an der Einsetzbarkeit eines individuellen Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Zweifel bestehen und sich ggf überwinden lassen, ob Leistungseinschränkungen "ungewöhnlich" sind und wie sie sich nach Art, Umfang und Ausprägung wechselseitig beeinflussen ("summieren"), beurteilt sich anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durch einen wertenden Ähnlichkeitsvergleich. Eine solche Würdigung des Einzelfalls nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vollzieht sich auf tatsächlichem Gebiet und obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter; seine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ist revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar. Bei derartigen richterlichen Wertungsakten gibt es keine logisch ableitbare einzig richtige Entscheidung, sondern einen Bereich, der sich letztlich der logischen Nachprüfbarkeit entzieht. Rational argumentativ ist dieser (originäre) Wertungsakt nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich darauf, ob er auf einer zutreffenden und rechtlich verwertbaren Tatsachengrundlage beruht, ob die richtigen Wertungsmaßstäbe erkannt und angewandt wurden und ob er sich innerhalb eines gewissen Spielraums der Angemessenheit bzw des Vertretbaren bewegt ("vernünftige Handhabung"). Bei derartigen genuinen Wertungsakten sind mehrere Entscheidungen gleichermaßen richtig, weil sich nach rein logischen Maßstäben nicht mehr entscheiden lässt, welche innerhalb eines Spielraums nach zutreffenden Maßstäben getroffene Entscheidung richtiger als die andere ist.

30

Das LSG hat vorliegend Inhalt und Grenzen des unbestimmten Rechtsbegriffs der ungewöhnlichen Leistungseinschränkung, wie sie sich hiernach ergeben, berücksichtigt und im Rahmen der ihm vorbehaltenen tatrichterlichen Bewertung die von ihm festgestellten Leistungseinschränkungen - mit Ausnahme des Analphabetismus der Klägerin - als "gewöhnlich", also keine Benennungspflicht auslösend, eingestuft. Dabei hat es sich im Wesentlichen an der vom Großen Senat rezipierten beispielhaften Auflistung derartiger Einschränkungen orientiert. Insofern bedarf es auf der Ebene der Feststellung tatsächlicher Umstände jeweils der Bewertung, ob mit einer festgestellten Leistungseinschränkung für sich und im Zusammenwirken mit gleichwertigen anderen gerade im konkreten Einzelfall die Gefahr verbunden ist, dass der Versicherte auf in Wahrheit nicht existierende Arbeitsmöglichkeiten verwiesen wird, deren Feststellung wiederum Aufgabe des Tatsachengerichts ist. Solange daher der Tatrichter - wie hier das LSG - von einem rechtlich zutreffenden Verständnis der Benennungspflicht und ihrer Voraussetzungen ausgeht, handelt es sich um die Feststellung von Individualtatsachen, an die das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG und in dessen Grenzen gebunden ist. Vorliegend ist daher rechtlich ohne konkreten Vergleich der Leistungsfähigkeit mit dem Anforderungsprofil einer bestimmten Tätigkeit im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon auszugehen, dass die Klägerin ihr Restleistungsvermögen noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwerten kann, also noch imstande ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine (unbenannte) Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen. Damit scheidet auch ein Recht auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aus (§ 43 Abs 1, § 240 Abs 1 SGB VI).

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. März 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung infolge eingeschränkter Wegefähigkeit im Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 18.6.2010.

2

Die Klägerin führt den Rechtsstreit als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I) ihres im Jahre 1956 geborenen und während des Revisionsverfahrens (am 18.6.2010) verstorbenen Ehegatten (im Folgenden: Versicherter) fort. Der Versicherte erlitt am 20.6.2005 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine beidseitige Fersenbeinfraktur zuzog.

3

Der im Februar 2006 bei der Beklagten gestellte Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung blieb erfolglos (Bescheid vom 11.7.2006; Widerspruchsbescheid vom 21.3.2007). Im Klageverfahren vor dem SG Darmstadt berief sich der Versicherte insbesondere auf die durch die Berufsgenossenschaft anerkannte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 vH als Folge des erlittenen Arbeitsunfalls (Bewilligungsbescheid vom 4.5.2007) und auf den festgestellten Grad seiner Behinderung (GdB) von 70 sowie die Gewährung des Merkzeichens "G" durch das Versorgungsamt Darmstadt (Bewilligungsbescheid vom 22.5.2007). Seine eingeschränkte Wegefähigkeit erlaube es ihm nicht, einen Arbeitsplatz mit zumutbarem Aufwand zu erreichen. Infolge von Medikamenteneinnahme könne er keinen Pkw führen. Nach Einholung medizinischer Gutachten (Dr. Hohneck vom 11.11.2007; Dr. Koch vom 2.5.2008) räumte die Beklagte ein, dass der Versicherte nicht mehr in der Lage sei, Fußwege von mindestens 500 m ohne Unterbrechung zurückzulegen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach der Verordnung für Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (vom 28.9.1987, BGBl I 2251 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2003, BGBl I 2848) seien erfüllt. Hierzu erging der Bescheid vom 23.6.2008, in dem es im Übrigen wie folgt heißt:

"Wir bewilligen Ihnen deshalb Beförderungskosten im Rahmen der KfzHV. Diese werden übernommen, um den Arbeitsplatz zu erreichen. Beförderungskosten werden auch gezahlt, wenn Sie Wege zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses (Vorstellungsgespräch) zurücklegen müssen. Hierunter sind die Übernahme des Fahrpreises eines Taxis oder die erstattungsfähigen Kosten nach dem Bundesreisekostengesetz für die Fahrt mit einem Pkw durch Dritte zu verstehen.

Darüber hinaus bewilligen wir Ihnen noch folgende Leistungen nach der KfzHV:

- Zuschüsse zur Beschaffung eines Kfz

- falls erforderlich, Zuschüsse zur Erlangung einer Fahrerlaubnis

- Übernahme der Kosten für die behinderungsbedingte Zusatzausstattung

Die vorstehenden Leistungen werden an Stelle der Beförderungskosten dann gewährt, wenn ein Arbeitsverhältnis dauerhaft begründet wurde (z.B. Ablauf der Probezeit).

Sofern die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses ansteht, bitten wir Sie, sich umgehend mit uns wegen der Leistungsgewährung in Verbindung zu setzen."

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG Darmstadt am 17.12.2008 gab die Terminsbevollmächtigte der Beklagten folgende Erklärung ab:

"Unser Bescheid vom 23.06.2008 ist dahingehend zu verstehen, dass wir in jedem Fall verbindlich auch die Kosten für Taxifahrten zum Arbeitsplatz und wieder zurück übernehmen, sofern es angesichts des Gesundheitszustandes des Klägers keine billigere Möglichkeit im Hinblick auf die Beschaffung bzw. Ausrüstung eines Kfz gibt."

4

Daraufhin hat das SG Darmstadt die Klage mit Urteil vom 17.12.2008 abgewiesen: Der Versicherte sei nicht erwerbsgemindert; seine eingeschränkte Wegefähigkeit werde durch die zugesagten Leistungen zur Teilhabe ausreichend kompensiert.

5

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte den Eintritt der vollen Erwerbsminderung ab 20.6.2005 (Tag des Arbeitsunfalls) bis zum 17.12.2008 (Tag der mündlichen Verhandlung vor dem SG) anerkannt und sich verpflichtet, dem Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI)vom 1.2.2006 bis zum 31.12.2008 zu gewähren (angenommenes Teilanerkenntnis vom 18.5.2009; Ausführungsbescheid vom 30.4.2010).

6

Die weitergehende Berufung, gerichtet auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 1.1.2009, hat das LSG mit Urteil vom 19.3.2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Versicherten - nach Erledigung des Rechtsstreits bis zum 31.12.2008 gemäß § 101 Abs 2 SGG - ein Anspruch auf Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung über dieses Datum hinaus nicht zustehe. Er könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch leichte körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen für mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Es liege weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine bedeutsame schwere spezifische Leistungsbehinderung vor.

7

Das Leistungsvermögen sei vor allen Dingen durch die Folgen der am 20.6.2005 erlittenen Sturzverletzung beeinträchtigt, was die fachärztlichen Gutachten im Wesentlichen übereinstimmend bestätigt hätten. Eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes sei aber nicht aufgrund eingeschränkter Wegefähigkeit des Versicherten anzunehmen (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nr 13 und BSG vom 27.2.1980 - 1 RJ 32/79). Zwar stehe fest, dass der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen keine Wegstrecken von 500 m Länge mehr in angemessener Zeit zurücklegen könne und dass auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar sei. Zudem sei er auch nicht mehr in der Lage, einen Pkw ohne behindertengerechte Zusatzausstattung zu führen und auf diese Weise den Weg von und zur Arbeitsstätte zurückzulegen, sodass er über kein geeignetes Fahrzeug verfüge. Gleichwohl habe die Beklagte mit Bescheid vom 23.6.2008 und klarstellender Erklärung vom 17.12.2008 ein konkretes Angebot zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe abgegeben, das die eingeschränkte Wegefähigkeit des Versicherten ausreichend kompensiert habe. Dies genüge der Rechtsprechung des BSG, um ausreichende Mobilität des Versicherten herzustellen (Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 44 Nr 10; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R).

8

Offengeblieben sei in der Rechtsprechung des BSG jedoch, wann im Einzelfall ein Mobilitätsdefizit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben behoben sei. Bislang sei nur entschieden, wann dies nicht der Fall sei. Für die hier infrage kommenden Mobilitätshilfen reichten bloße Hinweise auf gesetzlich vorgesehene Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wie auch auf Förderungsmöglichkeiten nach der KfzHV nicht aus. Erforderlich sei, dass die Beklagte eine fallbezogene Konkretisierung der im Rehabilitationsrecht normierten Leistungen vorgenommen habe. Es sei eine Ermessensentscheidung über die nach der KfzHV möglichen Mobilitätshilfen durch den Rentenversicherungsträger erforderlich. Das im Vorfeld eines noch nicht bestehenden bzw noch nicht in Aussicht gestellten Arbeitsverhältnisses abgegebene Angebot könne allerdings nicht alle zur Konkretisierung erforderlichen Einzelheiten enthalten, sondern dürfe noch Vorbehalte, Bedingungen und weitere Punkte zur Konkretisierung des zukünftigen Sachverhalts aufweisen. Zu fordern sei jedoch, dass - im Sinne einer vorweggenommenen Ermessensausübung - eine über die allgemeine Bindung an Gesetz und Recht hinausreichende Selbstbindung des Rentenversicherungsträgers zu erkennen sei, aufgrund derer der Versicherte auf die bestimmte Handhabung des konkreten Sachverhalts vertrauen könne.

9

Unter Anlegung dieses Maßstabes sei das von der Beklagten abgegebene Leistungsangebot als noch ausreichend anzusehen. Sie habe das "Ob" der Gewährung von Mobilitätshilfen bedingungslos anerkannt. Hinsichtlich der Ausgestaltung ihres Ermessens (das "Wie") habe die Beklagte ebenfalls eine hinreichend konkrete Festlegung getroffen. Sie habe dem Versicherten gemäß § 9 KfzHV vorbehaltlos und in voller Höhe die Übernahme des Fahrpreises eines Taxis oder der erstattungsfähigen Kosten nach dem Bundesreisekostengesetz für die Fahrt mit einem Pkw durch Dritte in Aussicht gestellt für den Fall, dass wegen Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses oder für die Beförderung an den Arbeitsplatz ein entsprechender Beförderungsbedarf bestehe, weil der Versicherte noch nicht über ein eigenes Kfz verfüge oder angesichts des Gesundheitszustandes außer Stande sei, ein im Rahmen der KfzHV förderungsfähiges Kfz mit behindertengerechter Zusatzausstattung zu führen. Ob die Beklagte mit dieser verbindlichen Kostenzusage möglicherweise Leistungen versprochen habe, die mit dem Gesetzes- bzw Verordnungsrecht schlechthin nicht zu vereinbaren seien, könne dahingestellt bleiben, weil die Bescheide der Beklagten bindend geworden seien. Die eingeschränkte Wegefähigkeit des Versicherten stehe somit der Erzielung von Erwerbseinkünften auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr entgegen. Wenn der Versicherte gleichwohl keinen Arbeitsplatz finde, realisiere sich das Risiko der Arbeitslosigkeit, das die Arbeitslosenversicherung bzw der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu tragen habe.

10

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung von § 43 Abs 2 SGB VI. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte dem Versicherten unbestimmte Kosten für Taxifahrten zu einem fiktiven Arbeitsplatz und zurück zugesichert habe, was nicht im Einklang mit dem Gesetzes- bzw Verordnungsrecht stehe. Dadurch werde deutlich, dass es der Beklagten nicht darum gehe, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren, die dem besonderen Bedarf und den besonderen Umständen des Versicherten gerecht würden, sondern darum, die gebotene Einzelfallentscheidung über das beim Versicherten bestehende Mobilitätsdefizit durch geeignete Leistungen zur Teilhabe leerlaufen zu lassen. Entgegen der Entscheidung des BSG vom 21.3.2006 (SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 22)könne im Fall des arbeitslosen Versicherten eine Leistungsbewilligung zur Teilhabe die Wegeunfähigkeit des Versicherten nicht ausschließen. Sollte es - wie hier - keinen konkreten Arbeitsplatz geben, könnten einzelne Umstände, wie die Wirtschaftlichkeit (Taxikosten), die zeitliche und gesundheitliche Zumutbarkeit (im Hinblick auf die Entfernung des Arbeitsplatzes), die zumutbare Laufentfernung zwischen Wohnung und Einstieg ins Taxi oder die Entfernung am Arbeitsplatz zwischen Taxihalt und Arbeitsplatz nicht geprüft werden. Dem Leistungsangebot der Beklagten fehle mithin die konkrete Prüfung des Sachverhalts in Bezug auf einen konkreten Arbeitsplatz. Dass diese Verfahrensweise lediglich dazu führe, einen bestehenden Rentenanspruch auszuhöhlen, folge aus der Entscheidung des SG Berlin vom 8.1.2008 (S 6 R 1224/06 - Juris RdNr 21). Der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 17.12.2009 (L 10 R 270/08 - Juris RdNr 21) sei zu entnehmen, dass der Besitz und die Benutzung eines Kfz der Annahme einer die volle Erwerbsminderung begründenden Wegeunfähigkeit nicht entgegenstehe.

11

           

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. Dezember 2008 und des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. März 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 11. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2007 zu verurteilen, für den Versicherten ab 1. Januar 2009 bis zum 18. Juni 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

12

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist zulässig.

15

Das Zulässigkeitserfordernis gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - erfüllt. Danach muss die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten und erkennen lassen, welche Norm des Bundesrechts der Revisionsführer als verletzt ansieht, wobei diese nicht ausdrücklich genannt werden muss (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 10). Diesen Anforderungen trägt die Revisionsbegründung ausreichend Rechnung. Sie enthält einen bestimmten Antrag und lässt die als verletzt gerügte Rechtsnorm erkennen, indem sie ausführt, das angefochtene Berufungsurteil habe den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs 2 SGB VI zu Unrecht verneint.

16

Die Revision hat im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG Erfolg (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Es kann nicht entschieden werden, ob die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Januar 2009 hat (1.). Die Feststellungen des LSG zu den von der Beklagten zugesagten Teilhabeleistungen reichen hierfür nicht aus (2.).

17

Nicht mehr streitgegenständlich ist der Zeitraum vor Januar 2009, da die Beklagte den Rechtsanspruch der Klägerin anerkannt und der Rechtsstreit insofern seine Erledigung gefunden hat (§ 101 Abs 2 SGG).

18

1. Der Rentenanspruch richtet sich gemäß § 43 SGB VI(idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754).

19

Auf der Grundlage der nicht mit Revisionsrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob der Versicherte voll erwerbsgemindert gewesen ist (§ 43 Abs 2 SGB VI).

20

a) Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen.

21

Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (Großer Senat in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Diese Kriterien hat das BSG zum Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit entwickelt, wie ihn § 1247 RVO und § 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (aF) umschrieben hatten (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 mwN; SozR 3-2600 § 44 Nr 10). Auch der erkennende Senat hat das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität als Teil des von §§ 43, 44 SGB VI aF versicherten Risikos erachtet(BSG vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 20 mwN). Diese Maßstäbe gelten für den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI) unverändert fort (vgl BSG vom 28.8.2002 - B 5 RJ 12/02 R - Juris RdNr 12; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 15; Senatsurteil vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

22

Konkret gilt: Hat wie hier der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein müssen - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 S 30; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 53 S 106, Nr 56 S 111; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 21). Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege absolvieren muss. Eine (volle) Erwerbsminderung setzt danach grundsätzlich voraus, dass der Versicherte nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (zB Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 S 30 f). Dazu gehört zB auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (vgl BSGE 24, 142, 145 = SozR Nr 56 zu § 1246 RVO Bl Aa 44 Rückseite; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 21).

23

b) Auf dieser Grundlage tragen die tatsächlichen Feststellungen des LSG seine Annahme, dass der Versicherte nicht mehr über die erforderliche Mobilität verfügt hat, um eine Arbeitsstelle des allgemeinen Arbeitsmarktes aus eigener Kraft aufzusuchen. Er konnte weder Wegstrecken von 500 m Länge in angemessener Zeit zurücklegen, noch war ihm die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel mehr zumutbar. Er war auch nicht in der Lage, einen Pkw ohne behindertengerechte Zusatzausstattung zu führen.

24

Diese Feststellungen sind für den Senat bindend (§ 163 SGG), da sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Auch die Beklagte geht davon aus, dass dem Versicherten kein geeignetes Fahrzeug zur Bewältigung des Weges von und zur Arbeitsstätte zur Verfügung gestanden hat.

25

2. Es kann nicht entschieden werden, ob die rentenrechtliche Wegefähigkeit nach der Rechtsprechung des BSG wiederhergestellt worden ist (a). Es fehlt an ausreichenden Feststellungen des LSG, ob das Mobilitätsdefizit durch die von der Beklagten im Bescheid vom 23.6.2008 und in ihrer Erklärung vom 17.12.2008 zugesagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beseitigt worden ist (b).

26

a) Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Beseitigung der rentenrechtlichen Wegeunfähigkeit möglich, wenn der Rentenversicherungsträger durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine ausreichende Mobilität des Versicherten wiederherstellt (vgl BSG SozR 3-2600 § 44 Nr 10 S 38; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 23).

27

Rehabilitationsleistungen des Rentenversicherungsträgers richten sich nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 und Abs 2 SGB VI, wonach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur möglichst dauerhaften Wiedereingliederung in das Erwerbsleben erbracht werden können, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen(§§ 10, 11 SGB VI) erfüllt sind und kein gesetzlicher Leistungsausschluss (§ 12 SGB VI) vorliegt. Die Entscheidung der Frage, "ob" einem Versicherten Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind, ist anhand der og Vorschriften zu beurteilen. Erst die Entscheidung, "wie" die Rehabilitationsleistungen, etwa nach Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung (§ 13 S 1 SGB VI) zu erbringen sind, dh welche Leistungen in Betracht kommen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Rentenversicherungsträgers (stRspr, vgl BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; Nr 3 S 15; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11). Der Rentenversicherungsträger erbringt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den bereichsübergreifenden Vorschriften der §§ 33 bis 38 SGB IX(§ 16 SGB VI). Die Leistungen nach § 33 Abs 3 Nr 1 und Nr 6 SGB IX (Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes; sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um eine angemessene Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen oder zu erhalten), umfassen ua die Kraftfahrzeughilfe nach der KfzHV (§ 33 Abs 8 S 1 Nr 1 SGB IX). Die KfzHV enthält eigene Leistungsvoraussetzungen (zu §§ 3, 4 KfzHV, vgl Senatsurteil vom 9.12.2010 - BSGE 107, 157 = SozR 4-5765 § 4 Nr 1, RdNr 16 ff)und besondere Ermessensregelungen (§ 9 KfzHV, vgl BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11 mwN).

28

Hierzu hat der 5. Senat des BSG klarstellend ausgeführt, dass nicht bereits das Angebot von Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation genüge, um den Eintritt des Versicherungsfalls abzuwenden, sondern erst mit deren erfolgreicher Durchführung die den Versicherungsfall begründende fehlende Mobilität effektiv wiederhergestellt sei. Offengelassen hat der 5. Senat, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise Fälle denkbar seien, in denen nicht erst die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme, sondern bereits eine geeignete Leistungsbewilligung die Wegeunfähigkeit eines arbeitslosen Versicherten beseitige. Eine Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung könne daher nur in Betracht kommen, wenn die bewilligte Leistung den Versicherten in eine Lage versetze, die derjenigen eines Versicherten gleiche, der einen Führerschein und ein privates Kfz besitze und dem die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses sowie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch an einem über 500 m entfernt liegenden Arbeitsplatz zuzumuten sei, weil er mit einigermaßen verlässlich einzuschätzendem Aufwand an Zeit und Kosten dorthin gelangen könne. Nur wenn der gehbehinderte Versicherte jederzeit ein Kfz tatsächlich nutzen könne, sei es ihm möglich, trotz der Beschränkung seiner Wegefähigkeit ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen, sodass bei vollschichtigem Leistungsvermögen der Arbeitsmarkt trotz Wegeunfähigkeit nicht als verschlossen angesehen werden könne (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 16, 22).

29

Diesen aufgezeigten Maßstäben schließt sich der erkennende Senat an.

30

b) Ob demnach hier die Ausnahme - von dem Grundsatz, dass die zum Rentenanspruch führende Wegeunfähigkeit erst durch die erfolgreiche Durchführung einer vom Leistungsträger bewilligten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben behoben ist - vorliegt, dass die rentenrechtliche Wegefähigkeit bereits durch eine geeignete Bewilligung von Teilhabeleistungen wiederhergestellt ist, kann mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht entschieden werden.

31

Dem LSG kann insoweit noch gefolgt werden, als es dem Bescheid vom 23.6.2008 eine konkrete Bewilligung der Übernahme von Beförderungskosten (einschließlich Taxikosten) in voller Höhe zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses (Vorstellungsgespräche) entnimmt. Ob allerdings die Übernahme der Beförderungskosten (einschließlich Taxikosten) in voller Höhe auch für den Fall der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses im Bescheid vom 23.6.2008 geregelt worden ist, bleibt zweifelhaft.

32

Offensichtlich hat diese Unklarheit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG zu dem Teilanerkenntnis und zu der Erklärung vom 17.12.2008 veranlasst, wonach "wir in jedem Fall verbindlich auch die Kosten für Taxifahrten zum Arbeitsplatz und wieder zurück übernehmen". Der dieser Erklärung unmittelbar angefügte Zusatz, "sofern es angesichts des Gesundheitszustandes des Klägers keine billigere Möglichkeit im Hinblick auf die Beschaffung bzw. Ausrüstung eines KFZ gibt", zieht die vorangegangene, eindeutige Aussage des ersten Halbsatzes aber erneut in Zweifel. Denn die wortgetreue Auslegung ("sofern") deutet auf einen Vorbehalt hin, unter den die Beklagte die Kostenzusage für Fahrten zum Arbeitsplatz gestellt hat. Dann aber läge - unabhängig von der Frage der Rechtsnatur der Erklärung - eine Ungewissheit über die finanziellen Hilfen bzw den eigenen Kostenaufwand des Versicherten bei Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses vor, solange die Beklagte noch nicht über denkbare "billigere" Möglichkeiten entschieden hätte. Bereits diese Unsicherheit hätte den Versicherten daran gehindert, eine vergleichbare Lage mit der eines Versicherten einzunehmen, der einen Führerschein und ein privates Kfz besitzt und dem die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses sowie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch an einem über 500 m entfernt liegenden Arbeitsplatz zuzumuten ist, weil er mit einigermaßen einzuschätzendem Aufwand an Zeit und Kosten dorthin gelangen kann (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 16, 22). Soweit das LSG davon ausgegangen ist, dass die Beklagte dem Versicherten "vorbehaltlos" die Übernahme von Taxikosten in voller Höhe zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses und zum Arbeitsplatz zugesagt habe (S 19 Entscheidungsgründe LSG), ist der Senat hieran nicht gebunden. Denn hierin liegt keine tatsächliche Feststellung iS des § 163 SGG. Vielmehr hat das LSG als Tatsachengericht den von ihm (S 6 des Berufungsurteils) festgestellten Wortlaut der Erklärung vom 17.12.2008 ohne Sachverhaltsermittlungen und ohne weitere Begründung in einer mit ihrem Wortlaut in Widerspruch stehenden Weise ausgelegt. Dies ist keine Tatsachenfeststellung, sondern eine (fehlerhafte) Rechtsanwendung, weil das LSG die von ihm selbst festgestellten Umstände nicht vollständig verwertet hat (s hierzu BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 S 47).

33

Andererseits kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Erklärung in der konkreten Situation der mündlichen Verhandlung vor dem SG - nach dem "wirklichen Willen" (§ 133 BGB) der Beklagten, soweit aus dem Empfängerhorizont erkennbar (vgl BSG vom 26.1.1983 - 1 RA 11/82 - Juris RdNr 15, insoweit nicht in SozR 1300 § 31 Nr 3 abgedruckt) - anders zu verstehen war, als es ihr Wortlaut nahelegt. Denn möglich ist auch, dass die Übernahme von Taxikosten ohne Eigenbeteiligung für den Hin- und Rückweg zum Arbeitsplatz so lange zugesichert werden sollte, bis die Beklagte nach Begründung einer dauerhaften Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der dann gegebenen individuellen, wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten über Leistungen nach der KfzHV (§ 2 Abs 1)unter Festlegung eines ggf zu tragenden Eigenanteils (vgl dazu BSG SozR 3-5765 § 9 Nr 2)oder über Zuschüsse zu den Beförderungskosten nach der Härtefallregelung (§ 9 KfzHV; vgl BSG SozR 4-5765 § 9 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 56 Nr 10)endgültig entscheiden würde. Bescheide solchen Inhalts hätten im Übrigen der Arbeitsanweisung der Deutschen Rentenversicherung (R9.8 zu § 9 KfzHV, Stand Dezember 2011) entsprochen. Für den Versicherten hätte dann Gewissheit bestanden, welche konkreten Mobilitätshilfen ihm bis zur Begründung eines dauerhaften Arbeitsverhältnisses (nach Ablauf der Probezeit) zur Verfügung gestanden hätten. Dann hätte nach der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 16, 22)hinreichende Verlässlichkeit bestanden, mit welchem Aufwand an Zeit und Kosten er zum Arbeitsplatz hätte gelangen können. Das LSG wird daher Feststellungen zu treffen haben, wie die Erklärung der Beklagten vom 17.12.2008 in der mündlichen Verhandlung vor dem SG zu verstehen war.

34

Bei der Prüfung, ob die Beklagte die Mobilität des Versicherten wiederhergestellt hat (zu den Anforderungen vgl Senatsurteil vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf an, ob ein Arbeitsverhältnis bereits besteht oder zumindest konkret in Aussicht gestellt ist (so aber Sächsisches LSG vom 21.1.2003 - L 5 RJ 190/01; dem folgend SG Berlin vom 8.1.2008 - S 6 R 1224/06, beide in Juris). Ein solches Erfordernis widerspräche bereits dem Wortlaut von § 33 Abs 3 Nr 1 SGB IX, wonach Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben ua als Hilfen zur "Erlangung eines Arbeitsplatzes" erfolgen können. Auch die Härtefallregelung von § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 KfzHV sieht Hilfen zur "Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit" vor. Dem Rehabilitationsrecht lassen sich keine rechtlichen Anhaltspunkte für die Sichtweise entnehmen, mit der Prüfung von Teilhabeleistungen müsse so lange zugewartet werden, bis der Versicherte zumindest eine konkrete Aussicht auf eine Erwerbstätigkeit hat. Dem stünde im Übrigen der aus § 9 Abs 1 S 2 SGB VI abgeleitete Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" entgegen(vgl Senatsurteil vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen - mwN).

35

Weiter kann dahingestellt bleiben, ob der Bescheid vom 23.6.2008 mit Gesetzes- und Verordnungsrecht im Einklang steht. Denn der Versicherte hat diesen Bescheid nicht angefochten, er ist mithin bindend geworden (§ 77 SGG). Aus diesem Grund können auch die weiteren Einwände der Klägerin offenbleiben. Wenn sie der Meinung ist, die Teilhabeleistungen seien ungeeignet oder dem Versicherten aus gesundheitlichen oder zeitlichen Gründen nicht zuzumuten gewesen, um die ausreichende Mobilität von der Wohnung bis an den Arbeitsplatz zu gewährleisten, hätte sie den Teilhabebescheid anfechten müssen. Das ist jedoch nicht geschehen.

36

Sollte das LSG nach Durchführung der nachzuholenden Ermittlungen zu dem Ergebnis kommen, dass die Beklagte die rentenrechtliche Wegefähigkeit des Versicherten nicht wiederhergestellt hat, so wird es weiter zu prüfen haben, ob der Unfallversicherungsträger als zuständiger Träger für gleichartige Leistungen (vgl Hirsch in LPK-SGB VI, 2. Aufl 2010, § 12 RdNr 3)einen entsprechenden Bescheid entweder über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 35 Abs 1 SGB VII iVm § 33 Abs 3 Nr 1 und 6, Abs 8 Nr 1 SGB IX) oder über ergänzende Leistungen zur Teilhabe (§ 39 Abs 1 Nr 1 SGB VII iVm § 40 SGB VII) erteilt hat, mit dem das Mobilitätsdefizit des Versicherten ab 1.1.2009 wirksam beseitigt worden sein könnte. Da nach den bindenden Feststellungen des LSG die volle Erwerbsminderung ab dem Tag des Arbeitsunfalls (20.6.2005) aufgrund eingeschränkter Wegeunfähigkeit eingetreten ist, wäre die - an sich vorrangige - Leistungszuständigkeit des Unfallversicherungsträgers für Teilhabeleistungen zu prüfen (§ 12 Abs 1 Nr 1 SGB VI).

37

Das LSG wird abschließend über die gesamten Kosten des Rechtsstreits nach § 193 SGG zu befinden haben(BSG SozR 5870 § 2 Nr 62 S 201 f).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ab 1.9.2008 infolge eingeschränkter Wegefähigkeit.

2

Die im Jahre 1963 geborene Klägerin bezieht seit April 2007 Leistungen der Grundsicherung (SGB II). Sie ist schwerbehindert und in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt (Bescheid des Versorgungsamts Berlin vom 26.11.2007: GdB von 60 und Merkzeichen "G"). Dem liegen im Wesentlichen ein fortgeschrittenes arteriosklerotisches Gefäßleiden mit Ausbildung einer arteriellen Verschlusskrankheit der Beine und eine Herzerkrankung zugrunde. Im Rahmen einer sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wurde festgestellt, dass es der Klägerin nicht mehr zumutbar war, viermal täglich Wegstrecken von 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen (Gutachten Dr. W. vom 24.1.2007).

3

Der im Juni 2007 gestellte Rentenantrag blieb erfolglos (Bescheid vom 24.10.2007, Widerspruchsbescheid vom 26.11.2008). Die Klägerin könne noch körperlich mittelschwere Arbeiten ständig im Sitzen für mindestens sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen verrichten. Die bei ihr bestehende Wegeunfähigkeit sei durch den im Widerspruchsverfahren ergangenen Bescheid der Beklagten vom 1.8.2008 entfallen; hiermit hat die Beklagte für den Zeitraum vom 11.8.2008 bis zum 31.8.2009 die Übernahme der notwendigen Kosten für Fahrten mit dem Taxi zur Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen bewilligt und sich bereit erklärt, "im Falle der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses (im genannten Zeitraum) ab dem Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme Leistungen zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes" in Form der "tatsächlich anfallenden Beförderungskosten" zu übernehmen.

4

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 22.10.2009 der Klägerin über den 31.8.2009 hinaus zunächst bis zum 31.8.2010 dieselben Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wie im Bescheid vom 1.8.2008 gewährt. Das SG Berlin hat nach weiteren Ermittlungen (internistisches Gutachten Dr. K. vom 2.6.2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 7.8.2009) die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.6.2007 zu gewähren (Urteil vom 29.4.2010). Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Wegeunfähigkeit der Klägerin nicht durch die Bescheide über Teilhabeleistungen (vom 1.8.2008 und 22.10.2009) entfallen sei, weil sich die Leistungen nicht auf ein bestehendes oder konkret in Aussicht gestelltes Arbeitsverhältnis bezogen hätten.

5

Im Verfahren über die Berufung der Beklagten hat diese - entsprechend der Zusage der Beförderungskosten vor dem SG am 29.4.2010 - mit weiterem Bescheid vom 17.9.2010 über den 31.8.2010 hinaus zunächst bis zum 31.8.2011 die Übernahme der notwendigen Kosten für Taxifahrten zu Vorstellungsgesprächen bewilligt und die Kostenzusage für die tatsächlich anfallenden Beförderungskosten im Falle der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses im Bewilligungszeitraum erneuert. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat die Beklagte die Berufung hinsichtlich des Zeitraums vom 1.6.2007 bis zum 31.8.2008 zurückgenommen.

6

Im Übrigen hat das LSG Berlin-Brandenburg das Urteil des SG Berlin aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.4.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, sodass ihr kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI)zustehe. Sie sei noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten. Dies folge aus dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Klageverfahren. Einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung könne sie nicht aus ihrer mangelnden Wegefähigkeit herleiten. Zwar sei sie nicht mehr in der Lage, Wegstrecken von 500 m Länge in angemessener Zeit zurückzulegen, und auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihr nicht mehr zumutbar, sodass ein Minimum an Mobilität zum Aufsuchen der Arbeitsstelle als Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos nicht mehr vorliege(Hinweis auf BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10). Gleichwohl sei ihre Wegeunfähigkeit ab dem 1.9.2008 durch die konkret bewilligten Leistungen zur Rehabilitation (Bescheide der Beklagten vom 1.8.2008, 22.10.2009 und 17.9.2010 gemäß § 16 SGB VI, § 33 SGB IX) als behoben anzusehen (Hinweis auf BSG SozR Nr 101 zu § 1246 RVO; SozR 2200 § 1247 Nr 47 und Nr 53). Zur Beseitigung der rentenrechtlichen Wegeunfähigkeit reiche es aus, wenn der Leistungsträger geeignete Mobilitätshilfen anbiete (Hinweis auf BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; SozR 3-2600 § 44 Nr 10; BSG vom 30.1.2002 - B 5 RJ 36/01 R und Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R). Nicht erforderlich sei, dass das Mobilitätsdefizit dadurch behoben werde und der Versicherte tatsächlich am Arbeitsleben teilnehme. Es müssten aber rechtlich verbindliche Erklärungen des Versicherungsträgers - regelmäßig in Form eines Verwaltungsakts (§ 31 SGB X) -ergehen, auf die der Versicherte vertrauen dürfe; die Regelung letzter Detailfragen sei nicht erforderlich. Entgegen der Ansicht des SG (und des Sächsischen LSG, Urteil vom 21.1.2003 - L 5 RJ 190/01) müsse kein konkretes Arbeitsverhältnis bestehen oder dies in Aussicht gestellt worden sein, um das Mobilitätsdefizit zu beheben. Denn dies würde eine große Anzahl arbeitsuchender oder arbeitsunwilliger Versicherter von vornherein ausschließen. Im Übrigen würde diese Sichtweise dem Grundsatz "Reha vor Rente" widersprechen (§ 9 Abs 1 S 2 SGB VI, § 8 Abs 2 SGB IX).

7

Den aufgezeigten Anforderungen genügten die Bescheide der Beklagten über die Teilhabeleistungen. Die in Form eines Verwaltungsakts (§§ 31, 33 SGB X) erteilte Erklärung, Kosten für Fahrten mit dem Taxi zur Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen und im Fall der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses die tatsächlich anfallenden Beförderungskosten zu übernehmen, stellten eine hinreichend konkrete Festlegung der Art und Ausgestaltung der Rehabilitationsleistung dar. Die zeitliche Einschränkung der jeweiligen Bewilligungszeiträume auf ein Jahr stehe der Bestimmtheit des Leistungsangebots nicht entgegen. Die Beklagte habe auch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie Rehabilitationsleistungen in Form einer Mobilitätshilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV - vom 28.9.1987, BGBl I 2251, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2003, BGBl I 2848) dem Grunde nach gewähre und dass sie ihrem Ermessen entsprechend von der Härtefallregelung (§ 9 Abs 1 KfzHV) Gebrauch mache. Sie habe die Klägerin so behandelt, als stehe ihr für das Zurücklegen des Weges von und zur Arbeitsstätte kein eigenes Fahrzeug zur Verfügung. Zudem habe sie ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass die Kosten eines Beförderungsdienstes nicht nur bezuschusst, sondern unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Klägerin voll übernommen würden (§ 9 Abs 1 S 2 KfzHV). Unerheblich sei, dass die Klägerin die Teilhabeleistungen tatsächlich nicht in Anspruch genommen habe. Auch wenn dem Versicherten Teilhabeleistungen nicht gegen seinen Willen aufgedrängt werden könnten (§ 115 Abs 1 S 1 und Abs 4 SGB VI), dürfe der Versicherte seinem Rentenbegehren nicht durch die Ablehnung der angebotenen Teilhabeleistungen zum Erfolg verhelfen. Auch dies widerspreche dem Grundsatz "Reha vor Rente".

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Entgegen der Ansicht des LSG habe die Beklagte die rentenrechtliche Wegefähigkeit nicht durch die Bescheide über Teilhabeleistungen am Arbeitsleben wiederherstellen können. Es mangele an der Bezugnahme auf ein bestehendes oder konkret in Aussicht gestelltes Arbeitsverhältnis. Auch fehlten Bestimmungen über die Höhe der Beförderungskosten bzw den Umfang der Beförderungsdienste. Die im Vorfeld eines Arbeitsverhältnisses abgegebenen Erklärungen seien notwendigerweise abstrakt und daher unverbindlich. Gemäß § 13 Abs 2 SGB VI seien Teilhabeleistungen aber in Form eines Verwaltungsakts gemäß § 31 SGB X zu bestimmen. Die von der Beklagten abgegebenen Erklärungen stellten noch nicht einmal Zusicherungen iS von § 34 SGB X dar. Auch reiche der bloße Hinweis auf eine nach der KfzHV mögliche Bewilligung von Teilhabeleistungen nicht aus. Es widerspreche dem Grundgedanken des Rehabilitationsrechts, dass die tatsächliche Aufhebung des Mobilitätsdefizits zur Beseitigung der Wegeunfähigkeit nicht erforderlich sei. Die vom LSG vertretene Ansicht führe dazu, dass ein bestehender Rentenanspruch mit Hilfe des Rehabilitationsrechts ausgehöhlt werde.

9

           

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2010 auch für den Zeitraum ab dem 1. September 2008 zurückzuweisen.

10

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Berufungsurteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des LSG hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

13

Zu Recht hat das LSG entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab 1.9.2008 hat.

14

Die rentenrechtliche Wegeunfähigkeit der Klägerin (1.) ist nach den Maßstäben der Rechtsprechung des BSG (2.) durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beseitigt worden. Es liegt eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass die zum Rentenanspruch führende Wegeunfähigkeit erst durch die erfolgreiche Durchführung einer bewilligten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben behoben ist (3.).

15

1. Der Rentenanspruch richtet sich nach § 43 SGB VI(idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754).

16

Auf der Grundlage der nicht mit Revisionsrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen ist die Klägerin weder teilweise (§ 43 Abs 1 SGB VI) noch voll (Abs 2 aaO) erwerbsgemindert. Ihr Leistungsvermögen ist zwar in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht eingeschränkt (körperlich leichte Tätigkeiten, täglich mindestens sechs Stunden).

17

Auch wegen ihrer eingeschränkten Wegefähigkeit steht ihr keine Rente wegen Erwerbsminderung zu.

18

a) Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen.

19

Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (Großer Senat in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Diese Kriterien hat das BSG zum Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit entwickelt, wie ihn § 1247 RVO und § 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (aF) umschrieben hatten (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 mwN; SozR 3-2600 § 44 Nr 10). Auch der erkennende Senat hat das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität als Teil des von §§ 43, 44 SGB VI aF versicherten Risikos erachtet(BSG vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 20 mwN). Diese Maßstäbe gelten für den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI) unverändert fort (vgl BSG vom 28.8.2002 - B 5 RJ 12/02 R - Juris RdNr 12; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 15; Senatsurteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - Juris).

20

Konkret gilt: Hat wie hier der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein müssen, - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 S 30; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 53 S 106, Nr 56 S 111; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 21). Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege absolvieren muss. Eine (volle) Erwerbsminderung setzt danach grundsätzlich voraus, dass der Versicherte nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (zB Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 S 30 f). Dazu gehört zB auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (vgl BSGE 24, 142, 145 = SozR Nr 56 zu § 1246 RVO Bl Aa 44 Rückseite; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 21).

21

b) Auf dieser Grundlage tragen die tatsächlichen Feststellungen des LSG seine Annahme, dass die Klägerin nicht mehr über die erforderliche Mobilität verfügt, um eine Arbeitsstelle des allgemeinen Arbeitsmarktes aus eigener Kraft aufzusuchen. Sie kann weder Wegstrecken von 500 m Länge in angemessener Zeit zurücklegen, noch ist ihr die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Zwar ist sie im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis und verfügt über langjährige Fahrpraxis. Das Kfz des Ehemannes steht ihr jedoch nicht jederzeit zur Verfügung, sodass sie nicht auf dessen ansonsten zumutbare Benutzung verwiesen werden kann.

22

Diese Feststellungen sind für den Senat bindend (§ 163 SGG), da sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Auch die Beklagte geht davon aus, dass der Klägerin kein geeignetes Fahrzeug zur Bewältigung des Weges von und zur Arbeitsstätte zur Verfügung steht.

23

Die Beklagte hat jedoch die rentenrechtliche Wegeunfähigkeit der Klägerin für die streitige Zeit wieder beseitigt.

24

2. Dies ist nach der Rechtsprechung des BSG möglich, wenn der Rentenversicherungsträger durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine ausreichende Mobilität des Versicherten wiederherstellt (vgl BSG SozR 3-2600 § 44 Nr 10 S 38; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 23).

25

Rehabilitationsleistungen des Rentenversicherungsträgers richten sich nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 und Abs 2 SGB VI, wonach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur möglichst dauerhaften Wiedereingliederung in das Erwerbsleben erbracht werden können, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen(§§ 10, 11 SGB VI) erfüllt sind und kein gesetzlicher Leistungsausschluss (§ 12 SGB VI) vorliegt. Die Entscheidung der Frage, "ob" einem Versicherten Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind, ist anhand der og Vorschriften zu beurteilen. Erst die Entscheidung, "wie" die Rehabilitationsleistungen, etwa nach Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung (§ 13 S 1 SGB VI) zu erbringen sind, dh welche Leistungen in Betracht kommen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Rentenversicherungsträgers (stRspr, vgl BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; Nr 3 S 15; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11). Der Rentenversicherungsträger erbringt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den bereichsübergreifenden Vorschriften der §§ 33 bis 38 SGB IX(§ 16 SGB VI). Die Leistungen nach § 33 Abs 3 Nr 1 und Nr 6 SGB IX(Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes; sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um eine angemessene Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen oder zu erhalten), umfassen ua die Kraftfahrzeughilfe nach der KfzHV (§ 33 Abs 8 S 1 Nr 1 SGB IX). Die KfzHV enthält eigene Leistungsvoraussetzungen (zu §§ 3, 4 KfzHV vgl Senatsurteil vom 9.12.2010 - BSGE 107, 157 = SozR 4-5765 § 4 Nr 1, RdNr 16 ff)und besondere Ermessensregelungen (§ 9 KfzHV, vgl BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11 mwN).

26

Hierzu hat der 5. Senat des BSG klarstellend ausgeführt, dass nicht bereits das Angebot von Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation genüge, um den Eintritt des Versicherungsfalls abzuwenden, sondern erst mit deren erfolgreicher Durchführung die den Versicherungsfall begründende fehlende Mobilität effektiv wiederhergestellt sei. Offengelassen hat der 5. Senat, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise Fälle denkbar seien, in denen nicht erst die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme, sondern bereits eine geeignete Leistungsbewilligung die Wegeunfähigkeit eines arbeitslosen Versicherten beseitige. Eine Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung könne daher nur in Betracht kommen, wenn die bewilligte Leistung den Versicherten in eine Lage versetze, die derjenigen eines Versicherten gleiche, der einen Führerschein und ein privates Kfz besitze und dem die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses sowie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch an einem über 500 m entfernt liegenden Arbeitsplatz zuzumuten sei, weil er mit einigermaßen verlässlich einzuschätzendem Aufwand an Zeit und Kosten dorthin gelangen könne. Nur wenn der gehbehinderte Versicherte jederzeit ein Kfz tatsächlich nutzen könne, sei es ihm möglich, trotz der Beschränkung der Wegefähigkeit ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen, sodass bei vollschichtigem Leistungsvermögen der Arbeitsmarkt trotz Wegeunfähigkeit nicht als verschlossen anzusehen sei (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 16, 22).

27

Diesen aufgezeigten Maßstäben schließt sich der erkennende Senat an.

28

3. Die von der Beklagten bewilligten bzw zugesicherten Teilhabeleistungen haben das Mobilitätsdefizit der arbeitsuchenden Klägerin im streitigen Zeitraum beseitigt. Es liegt eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, wonach die zum Rentenanspruch führende Wegeunfähigkeit erst durch die erfolgreiche Durchführung einer vom Versicherungsträger bewilligten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben behoben ist.

29

a) Nach zutreffender Auslegung des LSG erfüllen die Bescheide der Beklagten vom 1.8.2008, 22.10.2009 und vom 17.9.2010 die oben genannten Anforderungen.

30

Der erste Regelungskomplex der Bescheide betrifft die jeweils auf ein Jahr befristete Bewilligung der Übernahme der notwendigen Kosten für Taxifahrten zur Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen in voller Höhe. Hierbei handelt es sich um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 S 1 SGB X, der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 9, 13, 16 SGB VI iVm § 33 Abs 1 und Abs 3 Nr 1 SGB IX konkret bewilligt.

31

Der zweite Regelungskomplex der Bescheide enthält die jeweils auf ein Jahr befristete Zusage, die tatsächlich entstehenden Beförderungskosten ohne finanzielle Eigenbeteiligung der Klägerin im Fall der Arbeitsaufnahme zur Erhaltung des Arbeitsplatzes zu übernehmen. Hierbei handelt es sich um eine Zusicherung gemäß § 34 Abs 1 S 1 SGB X, die als solche ebenfalls die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts hat(stRspr, vgl BSG SozR 3-1300 § 34 Nr 2 S 4; BSGE 56, 249, 251 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 13 S 43; SozR 2200 § 1237 Nr 10 S 10). Die Zusicherung hat die Aufgabe, dem Adressaten als verbindliche Zusage über das zukünftige Verhalten der Verwaltungsbehörde bei Erlass des Verwaltungsakts Gewissheit zu verschaffen (vgl BSG SozR 3-1300 § 34 Nr 2 S 4 mwN). Die Beklagte hat sich zu der Behandlung eines in der Zukunft liegenden, konkreten Sachverhalts verpflichtet. Der Regelungswille der Behörde ist in den Bescheiden deutlich erkennbar geworden. Damit folgt aus der wirksamen Zusicherung ein Rechtsanspruch auf die zugesagte Regelung (BSG SozR 4-1500 § 55 Nr 9 RdNr 15).

32

Ob die erteilten Bescheide über die Teilhabeleistungen eine zutreffende Rechtsgrundlage haben, kann hier dahinstehen. Die Klägerin hat die Bescheide nicht angegriffen (§ 77 SGG).

33

Durch die bestandskräftigen Bescheide war für die Klägerin ab 1.9.2008 aber hinreichend klar bestimmt, mit welchen konkreten finanziellen Mobilitätshilfen sie im Fall der Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen und bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit rechnen konnte. Ihnen war deutlich zu entnehmen, dass die Klägerin die volle Kostenerstattung ihrer tatsächlichen Beförderungskosten (einschließlich Taxikosten) jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt erhalten sollte, wie die Beklagte bei Begründung einer dauerhaften Erwerbstätigkeit abschließend über Leistungen der Kraftfahrzeughilfe (§ 2 Abs 1 KfzHV)unter Festlegung eines ggf zu tragenden Eigenanteils (vgl dazu BSG SozR 3-5765 § 9 Nr 2)bzw über Zuschüsse zu Beförderungskosten gemäß der Härtefallregelung des § 9 KfzHV(BSG SozR 4-5765 § 9 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 56 Nr 10)nach den dann gegebenen individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin neu entscheiden würde. Dass eine solche Prüfung und Ermessensentscheidung erst nach Aufnahme einer dauerhaften Erwerbstätigkeit möglich war, steht der Wiederherstellung der fehlenden Mobilität durch geeignete Teilhabeleistungen bis dahin nicht entgegen.

34

b) Zutreffend hat das LSG ausgeführt, dass entgegen der Ansicht der Klägerin die ihre Wegeunfähigkeit beseitigende Bewilligung von Teilhabeleistungen nicht erst ab dem Zeitpunkt eines bestehenden oder konkret in Aussicht gestellten Arbeitsverhältnisses erfolgen durfte (so aber Sächsisches LSG, vom 21.1.2003 - L 5 RJ 190/01; dem folgend SG Berlin vom 8.1.2008 - S 6 R 1224/06, beide in Juris). Zum einen hat die Beklagte entsprechende Leistungen bindend bewilligt. Zum anderen widerspräche ein solches Erfordernis bereits dem Wortlaut von § 33 Abs 3 Nr 1 SGB IX, wonach Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben ua als Hilfen zur "Erlangung eines Arbeitsplatzes" erfolgen können. Auch die Härtefallregelung von § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 KfzHV sieht Hilfen zur "Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit" vor. Dem Rehabilitationsrecht lassen sich keine rechtlichen Anhaltspunkte für die von der Klägerin vertretene Sichtweise entnehmen, mit der Prüfung von Teilhabeleistungen müsse so lange zugewartet werden, bis der Versicherte zumindest eine konkrete Aussicht auf eine Erwerbstätigkeit hat. Im Gegenteil, aus den bereichsübergreifenden Vorschriften des Rehabilitationsrechts (SGB IX) ergibt sich, dass Leistungen zur Teilhabe bezwecken, Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden oder zu überwinden (§ 4 Abs 1 Nr 2 SGB IX). § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI normiert zudem als Aufgabe rentenrechtlicher Teilhabeleistungen die Verhinderung von Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Leistungen zur Teilhabe haben daher Vorrang vor Rentenleistungen, die im Falle des Erfolgs der Teilhabeleistungen nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind (§ 9 Abs 1 S 2 SGB VI). Der hieraus abgeleitete Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" war schon unter Geltung des Rehabilitationsangleichungsgesetzes (§ 7 Abs 1 RehaAnglG) anerkannt (vgl BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr 13). Er war dann verletzt, wenn der Rentenversicherungsträger berufsfördernde Leistungen der Rehabilitation erst nach einem Arbeitsangebot oder einer Arbeitsaufnahme zu prüfen begann (BSG SozR 3-2600 § 44 Nr 10 S 39). Nach Inkrafttreten des SGB IX ist dieser Grundsatz für alle Rehabilitationsträger im Vorrang von Leistungen zur Teilhabe vor Rentenleistungen fortgeschrieben worden (§ 8 Abs 2 SGB IX). Hieran zeigt sich, dass das frühe Eingreifen von Rehabilitationsleistungen zur Vermeidung von Einschränkungen in der Erwerbsfähigkeit gesetzlich bezweckt ist (vgl Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti, HandKomm zum SGB IX, 3. Aufl 2010, § 8 RdNr 26; ders in jurisPR-SozR 2/2007 Anm 4).

35

c) Auch dies übersieht die Klägerin, wenn sie meint, die Beklagte habe lediglich abstrakte Erklärungen über zukünftige Sachverhalte abgegeben. Vielmehr haben sich die konkret bewilligten oder zugesicherten Teilhabeleistungen auf die aktuelle Situation der Arbeitsuche bezogen, die mit Hilfe konkreter Teilhabeleistungen ermöglicht werden soll. Zu diesem Zeitpunkt können aber noch keine konkreten Teilhabeleistungen bewilligt oder zugesichert werden, die erst im Fall einer dauerhaften Erwerbstätigkeit (nach Ablauf der Probezeit) unter veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen in Betracht kommen. Denn diese Leistungen setzen eine erneute Prüfung und Ermessensentscheidung der Beklagten schon im Hinblick auf eine Eigenbeteiligung des Versicherten voraus (§ 2 Abs 1, § 9 KfzHV).

36

Hier haben die bewilligten bzw zugesicherten Teilhabeleistungen der Beklagten die Klägerin während des jeweils bewilligten Leistungszeitraums in jene Lage versetzt, die derjenigen eines Versicherten gleicht, der einen Führerschein und ein privates Kraftfahrzeug besitzt. Die Klägerin konnte jederzeit Beförderungsdienste (einschließlich Taxis) für Fahrten zu Vorstellungsgesprächen bzw zum Arbeitsplatz und zurück zur Wohnung in Anspruch nehmen. Sie durfte, wie ihr in der Begründung der Bescheide erläutert, darauf vertrauen, dass die Beklagte gegen Vorlage von Quittungen bzw entsprechenden Nachweisen die notwendigen tatsächlich entstandenen Beförderungskosten umgehend in voller Höhe erstatten würde. Der der Klägerin entstehende Zeit- und Kostenaufwand, auch an einen von ihr nicht zu Fuß erreichbaren Ort zu gelangen, war damit vorhersehbar und zumutbar geworden.

37

d) Dem steht schließlich nicht entgegen, dass die Beklagte die Teilhabeleistungen im Rahmen ihres Ermessens auf jeweils ein Jahr befristet hat. Der Senat hält die Dauer dieses Bewilligungszeitraums für noch ausreichend, wenngleich eine Bewilligung bis zur Begründung einer dauerhaften Erwerbstätigkeit das Problem der "Nahtlosigkeit" der Teilhabebescheide vermieden hätte. Auch wenn der Teilhabebescheid vom 22.10.2009 die Leistungen erst rückwirkend (über den 31.8.2009 hinaus) bewilligt hat, kann die Klägerin aus der insoweit fehlenden "Nahtlosigkeit" zum vorangegangenen Teilhabebescheid, der den Zeitraum bis 31.8.2009 abgedeckt hat, keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung herleiten. Denn nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG hat die Klägerin erklärt, die Beförderungsdienste weder wahrgenommen zu haben noch diese in Anspruch nehmen zu wollen. Aus der verzögerten Bescheiderteilung ergibt sich daher kein Umstand, der die Wegefähigkeit der Klägerin ab 1.9.2009 hätte in Frage stellen können.

38

Auch wenn Teilhabeleistungen von Amts wegen nur mit Zustimmung des Versicherten erbracht werden können (§ 115 Abs 4 S 2 SGB VI, § 9 Abs 4 SGB IX), darf das unberechtigte Ablehnen von Teilhabeleistungen oder die verweigerte Zustimmung nicht dem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zum Erfolg verhelfen. Nach den bindenden Feststellungen des LSG hat die Klägerin keine plausiblen, nachvollziehbaren Gründe oder berechtigten Wünsche (§ 9 Abs 1 SGB IX) geltend gemacht, weshalb sie die tatsächliche Inanspruchnahme der bewilligten Teilhabeleistungen hätte ablehnen dürfen. Sie hat die Teilhabebescheide vielmehr in Bestandskraft (§ 77 SGG) erwachsen lassen.

39

Nach alledem war es ihr trotz beschränkter Wegefähigkeit möglich, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen; damit war bei vollem quantitativem Leistungsvermögen der Arbeitsmarkt nicht verschlossen.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 16.04.2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH). In der Hauptsache begehrt er Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1962 geborene Kläger ist gelernter Tischler, hat in diesem Beruf jedoch nie gearbeitet. Zuletzt war er bei der Firma M. (Mittelbadische Entsorgungs- und Recycling-Betriebe) von 1989 bis Juni 2007 längerfristig angestellt. Danach erfolgten nur kurzzeitige Beschäftigungen, teils Ein-Euro-Jobs über den SGB II-Träger.
Vom 20.04.2011 bis 11.05.2011 befand sich der Kläger im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik Ü. Hinsichtlich des Leistungsbilds ging der Reha-Entlassungsbericht von einer Leistungsfähigkeit bezüglich leichter Tätigkeiten aus.
Am 20.12.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Begutachtung des Klägers. In seinem Gutachten vom 05.02.2013 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 04.02.2013 stellte Dr. Z. folgende Diagnosen:
1.allergisches Asthma bronchiale mit wechselnd stark ausgeprägter Belastungsdyspnoe, derzeit beschwerdearm,
2.belastungsabhängige Lumbalgien bei Fehlhaltung, adipositasbedingter Überlastung, ohne neurologisches Defizit und
3.Schlafapnoe-Syndrom, mit BIPAP-Therapie kompensiert.
Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr auszuüben.
Mit Bescheid vom 13.02.2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers daraufhin ab. Den hiergegen am 27.02.2013 eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2013 zurück. Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass der Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, nur zeitweise im Stehen und Gehen, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 bis 15 kg, nicht mit den Armen über Schulter- und Kopfhöhe, ohne häufiges Bücken sowie ohne Arbeiten in belastender Umgebungsluft sechs Stunden und mehr täglich zumutbar leisten könne.
10 
Mit der am 04.10.2013 erhobenen Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) hat der Kläger sein Begehren auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt. Am 15.10.2013 hat der Kläger darüber hinaus PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt V. R. beantragt. Zur Begründung des Klagebegehrens wird darauf hingewiesen, dass der Kläger an einem Asthma bronchiale COPD, Partialinsuffizienz und einem metabolischem Syndrom sowie Diabetes mellitus mit Übergewicht leide. Aufgrund des gleichzeitig bestehenden Schlafapnoe-Syndroms, der CPAP-Therapie und der persistierenden Tagesmüdigkeit sei eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden täglich gegeben.
11 
Das SG hat daraufhin die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der behandelnde Facharzt für Innere Medizin, Dr. K., teilte in seinem Schreiben vom 10.02.2014 mit, dass der Kläger an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, Asthma bronchiale, Schlafapnoe-Syndrom, Restless Legs-Syndrom und einer Adipositas leide. Zusätzlich seien orthopädischerseits im Februar 2013 bei akuter Lumboischialgie eine Osteochondrose und Spondylarthrose festgestellt worden. Unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen sei der Kläger in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden pro Tag auszuüben. Dr. Za. teilte als behandelnder Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Allergologie in seinem Schreiben vom 10.02.2014 als Diagnosen Asthma bronchiale, Schlafapnoe-Syndrom mit CPAP eingestellt, Diabetes mellitus und polyvalente Allergie mit. Der Kläger sei auch nach seiner Einschätzung noch in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit mindestens sechs Stunden pro Tag auszuüben. Der Facharzt für Orthopädie Dr. B gab in seinem Schreiben vom 19.02.2014 an, dass er den Kläger lediglich im Dezember 2012 und Januar 2013 behandelt habe. Am 17.01.2013 sei eine Besserung der zuletzt festgestellten Lumbalgien mit Ausstrahlung ins Gesäß festgestellt worden. Das Leistungsvermögen sei aktuell nicht beurteilbar. Als Facharzt für Innere Medizin und Diabetologie teilte Herr H. in seinem Schreiben vom 15.03.2014 mit, dass eine Vorstellung in der Praxis lediglich aufgrund des Diabetes mellitus Typ II erfolgt sei. Aus rein diabetologischer Sicht könne der Kläger regelmäßig leichte körperliche Arbeiten von mindestens sechs Stunden ausüben.
12 
Mit Beschluss vom 16.04.2014 hat das SG den Antrag auf Gewährung von PKH wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt. Nach Auswertung der sachverständigen Zeugenauskünften habe keiner der behandelnden Ärzten von Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Klägers berichtet, sondern im Gegenteil eine leichte körperliche Erwerbstätigkeit von sechs Stunden pro Tag für möglich erachtet. Eine Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI lasse sich daher nicht begründen. Erfolgsaussichten in einem für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichendem Maß bestünden nicht. Hinreichende Erfolgsaussichten ließen sich auch nicht durch die erfolgte Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen begründen. Die Anforderung von Befundberichten der behandelnden Ärzte diene vielmehr dazu, den klägerischen Vortrag zu substantiieren und schlüssig zu machen, so dass das Gericht damit noch nicht in die Prüfung des Klagebegehrens eintrete, sondern lediglich Vorbereitungen treffe, um über die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage und damit über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden zu können.
13 
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 12.05.2014 beim SG Freiburg eingelegte Beschwerde, die am 27.05.2014 dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) vorgelegt wurde. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Erwägungen des Beschlusses auf einer unzulässigen Antizipation der Klägerseits benannten Beweismittel beruhen würden. Es laufe dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn der unbemittelten Partei wegen Fehlens der Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe verweigert würde, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht komme und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde. Eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren sei nur in eng begrenztem Rahmen zulässig. Andernfalls würden die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannt und würden so den Zweck der Prozesskostenhilfe verfehlen.
14 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
15 
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerde ist gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 172 SGG), sie ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat für das Klageverfahren vor dem SG keinen Anspruch auf PKH.
16 
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl Bundesverfassungsgericht 04.02.1997, 1 BvR 391/93 NJW 1997, 2102, 2103).
17 
Unter Beachtung der oben genannten Grundsätze hat die Rechtsverfolgung des Klägers vor dem SG keine hinreichende Erfolgsaussicht. Nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Artikel 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554) haben Versicherte nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünftagewoche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
18 
Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass nach den vorliegenden Unterlagen beim Kläger von einem Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden auszugehen ist, weshalb eine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit für das Klagebegehren nicht gegeben ist.
19 
Nach dem Gutachten von Dr. Z. aus dem Verwaltungsverfahren leidet der Kläger an einem allergischen Asthma bronchiale mit wechselnd stark ausgeprägter Belastungsdyspnoe, belastungsabhängigen Lumbalgien bei Fehlhaltung, adipositasbedingter Überlastung, ohne neurologisches Defizit sowie einem Schlafapnoe-Syndrom, welches kompensiert ist. Der Gutachter kommt insoweit zu dem sozialmedizinisch nachvollziehbaren und schlüssigen Ergebnis, dass der Kläger unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen weiterhin in der Lage ist, leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Diese Leistungseinschätzung wird auch durch die Aussagen der behandelnden Fachärzte bestätigt. Sowohl Dr. K. als auch Herr H. und Dr. Za. gingen in ihren sachverständigen Zeugenaussagen davon aus, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Soweit der behandelnde Facharzt für Orthopädie Dr. B keine Bewertung abgeben konnte, beruht dies auf der Tatsache, dass sich der Kläger letztmalig im Januar 2013 beim Facharzt in Behandlung befand. Nachdem der Facharzt jedoch im Januar 2013 eine Besserung des Gesundheitszustandes angab, sieht das Gericht nicht, dass der Einschätzung auch auf orthopädischem Fachgebiet durch Dr. Z. nicht zu folgen wäre.
20 
Auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB V hat keine hinreichende Erfolgsaussicht. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass der Kläger vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1962 und damit nach dem Stichtag geboren, weshalb eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit schon deshalb ausscheidet.
21 
Entgegen der Ansicht des Klägers liegt in der vorgenommenen Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten auch keine unzulässig vorweggenommene Beweiswürdigung. Es genügt für eine hinreichende Erfolgsaussicht noch nicht, wenn das Gericht im Rahmen seiner Prüfung, ob überhaupt Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben werden muss, zunächst schriftliche sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte einholt. Von einer im Rahmen der Amtsermittlung eingeleiteten Beweisaufnahme, die idR auch nach Ansicht des Senats hinreichende Erfolgsaussichten indiziert, ist die Phase des Verfahrens zu unterscheiden, in der das Gericht noch nicht die Begründetheit des mit der Klage geltend gemachten Begehrens selbst, sondern lediglich im Rahmen der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch die Schlüssigkeit der Klage prüft (BVerfG 25.04.2012, 1 BvR 2869/11, NZS 2012, 739). Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen, weil das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten, das im Wege des Urkundenbeweises auch im Gerichtsverfahren verwertet werden kann, eine Abweisung der Klage rechtfertigen würde. Auch die Regelung in § 118 Abs 2 ZPO zeigt, dass nicht jede Ermittlungstätigkeit des Gerichts die für die Prozesskostenhilfebewilligung erforderliche Erfolgsaussicht begründet (LSG Baden-Württemberg, 27.04.2010, L 11 R 6027/09 B, juris; LSG Baden-Württemberg, 01.12.2005, L 10 R 4283/05 PKH-B, juris, mwN). Insoweit hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anforderung von Befundberichten der behandelnden Ärzte im vorliegenden Fall dazu diente, dem klägerischen Vortrag zu substantiieren und schlüssig zu machen, so dass das Gericht damit noch nicht in die Prüfung des Klagebegehrens eintrat, sondern lediglich Vorbereitungen traf, um über die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage und damit über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden zu können. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG aaO). Da hiernach jedoch keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen, ist die Ablehnung der PKH durch das SG nicht zu beanstanden, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen war.
22 
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht zu erstatten.
23 
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.