Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 27. Mai 2014 - L 2 SF 3228/13 EK

bei uns veröffentlicht am27.05.2014

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Klägerin macht einen Entschädigungsanspruch wegen unangemessen langer Verfahrensdauer nach dem Gesetz zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) bezüglich der Dauer eines Eilverfahrens geltend.
I.
In dem dem hier maßgeblichen Eilverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG), das in der Zeit vom 16. Januar 2012 bis zum 26. Februar 2013 anhängig war, war zwischen den Beteiligten des Verfahrens, der Klägerin und dem beklagten Landkreis Böblingen (beigeladen war das Altenpflegeheim „H P.“) über die Kostenübernahme für eine 1:1-Betreuung der Klägerin nachts (19.00 Uhr abends bis 07.00 Uhr morgens) gestritten worden; die Hauptsache ist derzeit noch in der Berufung anhängig.
In einem ersten Eilverfahren (Beschluss vom 15. Dezember 2011 - S 9 SO 5771/11 ER -) hatte das SG den Landkreis Böblingen verpflichtet, die Kosten für eine nächtliche 1:1-Betreuung darlehensweise bis zum 30. Juni 2012 zu übernehmen. Die Beschwerde des Landkreises wurde mit Beschluss des LSG vom 19. März 2012 (L 2 SO 72/12 ER-B) zurückgewiesen. Der 2. Senat des LSG hatte in den Gründen u.a. ausgeführt, dass das Vorbringen des Landkreises, dass die Klägerin in einem ungeeigneten Heim untergebracht sei, zutreffend und ein zeitnaher Wechsel in ein geeignetes Heim erforderlich sei, jedoch habe die Klägerin glaubhaft gemacht, dass ein solcher Wechsel derzeit mangels Kapazitäten bzw. Geeignetheit nicht möglich sei.
Im Rahmen eines zweiten Eilverfahrens (S 4 SO 3134/12 ER) hatte das SG mit Beschluss vom 30. Juli 2012 den Landkreis verpflichtet, die Kosten für eine nächtliche 1:1-Betreuung der Klägerin darlehensweise weiterhin bis zum 30. September 2012 zu übernehmen. Der 7. Senat des LSG hat mit Beschluss vom 26. September 2012 (L 7 SO 3498/12 ER-B) den Zeitraum der vorläufigen Kostenübernahme bis auf den 31. Dezember 2012 erstreckt, den weitergehenden Antrag der Klägerseite auf Erstreckung des Zeitraumes bis zum 30. Juni 2013 jedoch als nicht sachdienlich zurückgewiesen. Der 7. Senat hatte ausgeführt, die für die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz maßgebliche Interessen- und Folgenabwägung könne sich aufgrund zu erwartender Änderungen (Klärung der gesundheitlichen Zumutbarkeit eines Umzuges sowie des tatsächlichen Bedarfs) sowie zumindest möglicher Änderungen (Freiwerden eines angemessenen Platzes in einer anderen Einrichtung) im Zeitraum ab dem 1. Januar 2013 gänzlich anders darstellen als zum Zeitpunkt der jetzigen Entscheidung.
Im Hauptsacheverfahren S 4 SO 245/12 war zwischenzeitlich am 30. Oktober 2012 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 26. November 2012 bestimmt worden. In der mündlichen Verhandlung kam es jedoch zu keiner Endentscheidung, nachdem der Inhalt des Versorgungsvertrages zwischen dem Landkreis Böblingen und der Betreiberin des „H. P.“ nicht habe geklärt werden können und deshalb die Verhandlung vertagt worden war. In der sodann am 17. Januar 2013 für den 26. Februar 2013 terminierten mündlichen Verhandlung wurde die Hauptsache durch klagabweisendes Urteil entschieden (Berufung anhängig unter Az. L 2 SO 1431/13).
II.
Am 10. Dezember 2012 hatte die Klägerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, beim SG erneut den jetzt hier interessierenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht (S 4 SO 6098/12 ER). Beantragt worden war, die einstweilige Anordnung des LSG vom 26. September 2012 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verlängern. Mit Verfügung vom 11. Dezember 2012 hat das SG den Bevollmächtigten der Klägerin aufgefordert darzulegen, warum die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen einer Nachtwache nicht gegenüber dem Pflegeheim geltend gemacht habe. Ferner war der Bevollmächtigte aufgefordert worden, den Pflege-/Heimvertrag vorzulegen. Das SG hat parallel den Landkreis Böblingen aufgefordert, mit der Erwiderung den Versorgungsvertrag und sonstige Vertragsabreden mit dem Pflegeheim sowie die Verwaltungsakten vorzulegen. Den Beteiligten war jeweils eine Wochenfrist gesetzt worden.
Der Klägerbevollmächtigte übersandte am 17. Dezember 2012 eine Mehrfertigung des Schriftsatzes vom gleichen Tag samt Unterlagen aus dem Hauptsacheverfahren. Die Antragserwiderung des Landkreises ging vorab per Fax am 18. Dezember 2012 beim SG ein, das Original samt Verwaltungsakten am 21. Dezember 2012. Mit Beschluss vom 20. Dezember 2012 hat das SG die Betreiberin des „H. P.“ zum Verfahren beigeladen.
Mit Telefax vom 2. Januar 2013 hat der Bevollmächtigte der Klägerin dem SG mitgeteilt, dass die Pflegekräfte der Klägerin zum 31. Dezember 2012 entlassen worden seien. Am 31. Dezember 2012 sei die Klägerin in das Zentrum für Psychiatrie in E. (ZfP) eingewiesen worden. Sie halte sich seither dort auf. Eine kurzfristige Wiederbeschäftigung der Pflegekräfte sei möglich. Es sei damit zu rechnen, dass das ZfP die Klägerin kurzfristig wieder entlassen werde, da voraussichtlich therapeutische Möglichkeiten als nicht gegeben angesehen würden. Die Klägerin habe, nachdem ihr durch das LSG bereits zweimal einstweiliger Rechtsschutz zugesprochen worden sei, damit rechnen dürfen, dass über den Antrag vom 10. Dezember 2012 kurzfristig entschieden werden würde. Die nun eingetretene Verzögerung habe zu der Krankenhauseinweisung geführt. Das Verfahren habe bereits jetzt unangemessen lange gedauert, weshalb Verzögerungsrüge erhoben werde.
Am 4. Januar 2013 (zwei Werktage später) hat das SG über den Eilantrag abschlägig entschieden. Der Beschluss ist am 4. Januar 2013 zur Post gelangt und am 7. Januar 2013 mit Empfangsbekenntnis dem Klägerbevollmächtigten zugestellt worden. Der Klägerbevollmächtigte hat am 4. Februar 2013 Beschwerde gegen den Beschluss beim LSG eingelegt (L 2 SO 498/13 ER-B). Die Beschwerdebegründung wurde eine Woche später am 11. Februar 2013 (vorab per Fax) vorgelegt.
10 
Aus einer für die Kanzlei des Bevollmächtigten der Klägerin erstatteten Stellungnahme des ZfP (Schreiben von Dr. N. vom 18. Januar 2013 - Bl. 31/33 der Senatsakte L 2 SO 498/13 ER-B) geht hervor, dass im ZfP als Facheinrichtung trotz höherem Personalschlüssel als im Pflegeheim eine kontinuierliche 1:1-Betreuung der Klägerin habe nicht gewährleistet werden können, weshalb eine zeitweise Fixierung der Klägerin mittels eines Tischbretts zur Abwendung von Gefahren unumgänglich gewesen sei. Dr. N. hatte mit Schreiben vom 23. Januar 2013 den Betreuer der Klägerin zur Einleitung eines Verfahrens beim Betreuungsgericht über eine solche freiheitsentziehende Maßregel aufgefordert. Der entsprechende Antrag wurde am 28. Januar 2013 vom Betreuer gestellt und noch am selben Tag genehmigt (Bl. 35/36 der Senatsakte L 2 SO 498/13 ER-B). Der Betreuer der Klägerin hat mit Telefax vom 13. Februar 2013 dem LSG mitgeteilt, die Behandlung der Klägerin sei gemäß Rücksprache vom selben Tag mit Dr. N. abgeschlossen worden. Sofern die Versorgung der Klägerin sichergestellt sei, könne sie jederzeit entlassen werden. Eine Rücksprache mit dem „H. P.“ habe ergeben, dass die Personalkapazitäten für eine Betreuung im bisherigen Umfang zum 18. Februar 2013 geschaffen werden könnte.
11 
Mit Beschluss vom 18. Februar 2013 hat das LSG dem Eilantrag bis zum 30. Juni 2013 stattgegeben. Am 20. Februar 2013 ist die Klägerin aus der Klinik zurück ins „H. P.“ entlassen worden.
III.
12 
Am 7. August 2013 hat die Klägerin vertreten durch ihren Betreuer und ihren Bevollmächtigten Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung macht die Klägerseite geltend, das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beim SG hätte innerhalb einer Woche zum Abschluss gebracht werden können und auch müssen. Der Klägerin sei durch die verzögerte Bearbeitung des SG ein immaterieller Schaden entstanden. Sie sei nämlich am 31. Dezember 2012 in das Zentrum für Psychiatrie eingewiesen und dort stationär behandelt worden. Dort sei es zu freiheitsentziehenden Maßnahmen gekommen, die durch das zuständige Betreuungsgericht hätte genehmigt werden müssen und auch genehmigt worden seien. In der Psychiatrischen Klinik sei ein Behandlungsversuch unternommen worden, der sich jedoch als fruchtlos erwiesen habe. Die Klägerin habe sich damit in der Zeit vom 31. Dezember 2012 bis 20. Februar 2013 in einer psychiatrischen Klinik aufhalten müssen, ohne dass dies notwendig gewesen wäre. Dies sei nur notwendig gewesen, weil das erstinstanzliche Gericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz verzögert bearbeitet habe. Zwar müsse das erstinstanzliche Gericht nicht dem LSG folgen. Der 4. Kammer des SG sei aber der Fall aus dem vorangegangenen Verfahren im Detail bekannt gewesen. An der Situation habe sich innerhalb des halben Jahres zwischen den beiden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nichts geändert. Es wäre deshalb ohne Weiteres möglich gewesen, innerhalb kürzester Zeit zu entscheiden. Dies gelte erst recht, da die 4. Kammer mit der Sache auch in der Hauptsache befasst gewesen sei, sodass keinerlei Einarbeitung mehr nötig gewesen sei, vielmehr der Sachverhalt ermittelt gewesen sei. Wenn das SG von der Entscheidung des LSG im Verfahren L 7 SO 3498/12 ER-B habe abweichen wollen, dann hätte es dafür nicht des Zuwartens bis zum 4. Januar 2013 bedurft. Es bestehe vielmehr der Eindruck, dass das SG nicht zuletzt deshalb zugewartet habe, um einen Zustand ohne die streitgegenständliche Leistung eintreten zu lassen. Über den Antrag vom 10. Dezember 2012, eingegangen beim SG am 10. Dezember 2012, hätte damit spätestens am 17. Dezember 2012 entschieden werden können und müssen. Die Verzögerung bis zum 4. Januar 2013 bedeute eine unangemessene Dauer des Verfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).
13 
Die Klägerin habe auch einen Nachteil aus der unangemessenen Dauer erlitten, nämlich eine an und für sich nicht erforderliche Aufnahme in einer psychiatrischen Klinik für den Zeitraum vom 31. Dezember 2012 bis 20. Februar 2013. Dieser Nachteil wiege im Falle der Klägerin besonders schwer, weil sie infolge der Klinikaufnahme eine Dekompensation ihrer psychischen Erkrankung erlitten habe.
14 
Da die Klägerin immaterielle Nachteile geltend mache, sei ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig.
15 
Die Frist aus § 198 Abs. 5 Satz2 GVG zur Erhebung der Klage (sechs Monate) sei auch gewahrt, denn diese habe am 20. Februar 2013 (Zugang des Beschlusses des LSG Baden-Württemberg vom 18. Februar 2013) begonnen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Entschädigung nach § 198 Abs. 2 GVG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, für die Verzögerung im erstinstanzlichen Verfahren S 4 SO 6098/12 ER zu zahlen.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nicht vorliegen. Zwar seien nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) grundsätzlich die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens im Lichte der Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles, des Verhaltens der Beteiligten und der Auswirkungen der Verfahrensdauer auf den Betroffenen zu berücksichtigen. Der Komplexität des Falles dürfte allerdings im Eilverfahren nicht dasselbe Gewicht beizumessen sein wie im Hauptsacheverfahren. Hier sei vielmehr auch die Befugnis des Gerichts zu berücksichtigen, auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu entscheiden.
21 
Einem Entschädigungsanspruch stehe nach Auffassung des Beklagten zum einen schon entgegen, dass bereits nach der Vertagung der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren vor dem SG am 26. November 2012 der im gesamten Verfahren mitwirkende Bevollmächtigte der Klägerin gewusst habe, dass mit einer Hauptsacheentscheidung vor dem 31. Dezember 2012 nicht mehr zu rechnen gewesen sei. Gleichwohl habe er noch zwei Wochen zugewartet, bis er beim SG einen erneuten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt habe.
22 
Weder aus der Antragsschrift vom 10. Dezember noch aus dem Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 17. Dezember 2012 gehe explizit hervor, dass, falls bis zum 31. Dezember 2012 keine weitere Verpflichtung des Beklagten zur Kostenübernahme der 1:1-Betreuung ausgesprochen werde, diese zum Jahresende eingestellt werde. Erst nach dem Jahreswechsel - gleichzeitig mit der Erhebung der Verzögerungsrüge am 2. Januar 2013 - sei dieser Hinweis erfolgt; allerdings erst, nachdem die Entlassung der Pflegekräfte zum 31. Dezember 2012 vollzogen gewesen sei.
23 
Zwar seien auch vor dem erneuten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 10. Dezember 2012 bereits zwei für die Klägerin günstige Entscheidungen ergangen. Jedoch hätten diese ihr keinerlei „gesicherte Rechtsposition“ der Gestalt vermittelt, dass sie kurzfristig mit einer weiteren für sie günstigen Entscheidung hätte rechnen können. Dies habe auch der Bevollmächtigte der Klägerin in seinem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 als Begründung für die Erhebung der Verzögerungsrüge (und sinngemäß auch in der Klageschrift) ausdrücklich vorgetragen. Die zwei vorbefassten Senate des LSG hätten in ihren Beschlüssen explizit darauf hingewiesen, dass sich die den Entscheidungen zugrunde liegende Situation ändern könne. Der 7. Senat des LSG habe eine Änderung der Situation sogar als wahrscheinlich erachtet und mit dieser Begründung die im Sommer 2012 beantragte Erstreckung der Verpflichtung des Landkreises Böblingen zu vorläufigen Leistungen über den 31. Dezember 2012 hinaus abgelehnt. Das SG ist aufgrund dessen gehalten gewesen, vor einer erneuten Entscheidung den Sachverhalt neu zu ermitteln.
24 
Bereits zwei Werktage nach Erhalt des Telefaxschreibens vom 2. Januar 2013 und der darin erhobenen Verzögerungsrüge habe das SG über den Eilantrag entschieden.
25 
Die Einweisung der Klägerin zur vom 31. Dezember 2012 bis 20. Februar 2013 andauernden Akutbehandlung im ZfP sei auch nicht auf das Ausbleiben der beim SG beantragten einstweiligen Anordnung zurückzuführen. Vielmehr sei die Klägerin wegen der Verschlechterung ihres allgemeinen Gesundheitszustandes in das ZfP eingewiesen worden (lebensbedrohliche Schluckstörungen sowie erhöhte Sturzgefahr). Diese Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin habe bei ihr eine akute Behandlungsbedürftigkeit ausgelöst. Hierauf habe der Betreuer der Klägerin selbst schriftlich gegenüber dem Betreuungsgericht mit Schreiben vom 28. Januar 2013 (Bl. 35 Rückseite der Senatsakte L 2 SO 498/13 ER-B) und nochmals persönlich gegenüber dem SG im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2013 im Hauptsacheverfahren S 4 SO 245/12 hingewiesen. Bei dieser Sachlage sei aus Sicht des Beklagten nicht nachzuvollziehen, dass die Klägerin sich im ZfP aufgehalten habe, „ohne dass dies notwendig gewesen wäre“. Dies sei vom Bevollmächtigten der Klägerin in der Klageschrift hier zur vorliegenden Entschädigungsklage aber behauptet worden. Entgegen der Behauptung des Bevollmächtigten der Klägerin wäre deren Einweisung in eine Klinik aber aus gesundheitlichen Gründen auch dann erfolgt, wenn der klägerische Eilrechtsschutzantrag vom SG bereits vor dem 31. Dezember 2012 abgelehnt worden wäre.
26 
Im ZfP habe mit dem dort vorhandenen Fachpersonal eine kontinuierliche 1:1-Betreuung der Klägerin nicht gewährleistet werden können (vgl. Schreiben von Dr. N. vom 18. Januar 2013). Für die Dauer des dortigen Aufenthalts zur Behandlung akuter Gesundheitsstörungen (lebensbedrohliche Schluckstörungen und erhöhte Sturzgefahr) habe die Klägerin keinen Nachteil erlitten. Auch bei einer früheren Entscheidung über den Antrag der Klägerin durch das SG hätte diese während ihres Aufenthalts im ZfP dieselben Bedingungen vorgefunden, wie dies tatsächlich der Fall gewesen sei.
27 
Die in der Klageschrift behauptete „Dekompensation“ der Klägerin „infolge der Klinikaufnahme“ lasse sich aus den im Verfahren L 2 SO 498/13 ER-B zu den Akten gereichten medizinischen Bericht nicht ableiten. Im ärztlichen Attest von Dr. N. vom 23. Januar 2013 zur Vorlage beim Betreuungsgericht heiße es vielmehr:
28 
„Bei ihr bestehen seit Jahren unverändert schwere Verhaltensauffälligkeiten mit Kleptomanie, Bewegungs- und Beschäftigungsdrang, nächtliche Unruhe. ...“
29 
Irgendwelche Anhaltspunkte, die entgegen dieser Einschätzung auf dem behaupteten Eintritt einer Exazerbation des Gesundheitszustands der Klägerin während ihres Aufenthalts im ZfP hindeuten würden, seien vom Bevollmächtigten der Klägerin auch nicht dargelegt worden.
30 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die SG-Akten betreffend das hier maßgebliche Eilverfahren sowie die Vorverfahren und die Senatsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
31 
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg ist für die hier erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 SGG in Verbindung mit den §§ 198 ff. GVG), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.
32 
Die Klage ist auch form- und fristgerecht (gem. § 198 Abs. 5 GVG) innerhalb von sechs Monaten nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens durch den Beschluss des LSG vom 18. Februar 2013 über die Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erhoben worden. Es war auch zuvor eine Verzögerungsrüge gem. § 198 Abs. 3 GVG erhoben worden.
33 
Die hier gegebene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG – vergleiche hierzu BSG Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL – in juris Rn. 15) ist auch im Übrigen zulässig.
II.
34 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer besteht nicht.
35 
Nach § 198 Abs. 1 GVG in der seit 3. Dezember 2011 geltenden Fassung gem. Art. 23 des Gesetzes vom 24. November 2011 (BGBl. I, 2302) wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
36 
Gem. § 198 Abs. 2 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
37 
Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gem. § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
38 
Nach § 198 Abs. 4 GVG ist Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
39 
Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar (§ 198 Abs. 5 GVG).
40 
Gem. § 198 Abs. 6 GVG ist im Sinne dieser Vorschrift
41 
1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
42 
2. ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
43 
Eine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren, und zwar unabhängig davon, ob Hauptsache- oder Eilverfahren, höchstens dauern darf, um nicht als unangemessen lang zu gelten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch sonst ist die generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren unangemessen lange dauert – insbesondere als feste Jahresgrenze – angesichts der Unterschiedlichkeit der Verfahren nicht möglich (BVerfG stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00 –, NJW 2001, 214; Scholz, Sozialgerichtsbarkeit 2012 Seite 19, 21; Roller DRiZ 2012 Heft 6 Beilage Seite 7; so auch u.a. BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – in juris Rn. 25, 26, 27)
44 
Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist vielmehr im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15). Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. insoweit auch EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010, Beschwerde Nr. 21423/07, Rdnr. 32; Urteil vom 8. Juni 2006 Nr.75529/01 Rdnr. 128; Urteil vom 21. April 2011 Nr. 41599/09 Rdnr. 42; BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 - Rdnr. 16 in juris; BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – Rdnr. 25 in juris; BFH Urteil vom 7. November 2013 – X K 13/12 – Rdnr. 56 und 69 in juris; Roller aaO S. 9; Scholz aaO S. 22; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts und Ermittlungsverfahren, Handkommentar, 2012, § 198 GVG Rdnr. 5, 8 ff.).
1.
45 
Im Rahmen der Prüfung der Schwierigkeit des Falles (vom EGMR als „complexity of the case“ bezeichnet) sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Erschwernisse zu berücksichtigen, mithin etwa die Wichtigkeit und Sensibilität der zu beantwortenden rechtlichen Fragen und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sorgfalt der gerichtlichen Prüfung und Untersuchung. Von Bedeutung sind auch der Umfang der gebotenen Anhörungen, das Ausmaß an erforderlicher Tatsachenaufklärung sowie das Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten (EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172). Der EGMR unterscheidet hinsichtlich der Komplexität eines Falles 5 Kategorien in entsprechender Abstufung (siehe hierzu auch OVG Magdeburg Urteil vom 25. Juli 2012 - 7 KE 1/11 - juris Rdnr. 39ff).
46 
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in Eilverfahren bei schwierigen und komplexen Sach- und Rechtsfragen das Gericht gegebenenfalls im Wege einer Güter- und Folgenabwägung eine vorläufige Entscheidung zu treffen hat (vergl. BVerfG Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05-), wie hier in den vorangegangenen Eilverfahren auch bereits geschehen.
47 
Damit aber erhalten die Fragen nach der Bedeutung (dazu hier unter 2.) und dem Verhalten der Beteiligten und Dritter (dazu unter 3.) maßgebliches Gewicht.
2.
48 
Hinsichtlich der Bedeutung des Verfahrens ist hier vor allem auf das Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer baldigen Entscheidung abzustellen (siehe hierzu u.a. EGMR Urteil vom 8. Juni 2006 Nr. 75529/01 Rdnr. 133; Roller aaO S.9 unter Hinweis u.a., wenn die wirtschaftliche Existenz betroffen ist, auf BVerfG Beschluss vom 2. September 2009 – 1 BvR 3171/08, EuGRZ 2009; 695; BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00, NJW 2001, 214, 215; EGMR Urteil vom 21. Oktober 2010 Nr. 43155/08, juris und Urteil vom 13. Januar 2011, Nr. 34236/06, juris; wenn um den Lebensunterhalt sichernde sozialrechtliche Ansprüche gestritten wird siehe BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11, info also 2012, 28 ; EGMR Beschluss vom 25. März 2010 Nr. 901/05, juris ; anders EGMR Beschluss vom10. Februar 2009 Nr. 30209/05, juris ; s.a. Roderfeld aaO Rdnr. 11 mwN). Von einem solchen Interesse ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich bei einer Verzögerung der Entscheidung für einen Beteiligten schwere und nicht oder nur begrenzt reparable Nachteile ergeben.
49 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist durchaus von einem entsprechenden Interesse der Klägerin an einer baldigen Entscheidung und damit weiteren Sicherstellung der 1:1-Betreuung auszugehen. Hier macht die Klägerseite konkret geltend, dass aufgrund des Wegfalles der 1:1-Betreuung der Klägerin eine Verlegung ins ZfP für die Zeit vom 31. Dezember 2012 bis 20. Februar 2013 notwendig geworden sei - mit der Folge einer Dekompensation bzw. freiheitsentziehenden Maßnahmen bei der Klägerin - und damit schwere Nachteile für sie eingetreten seien.
50 
Es bestehen aber auch aus Sicht des Senates Zweifel, ob die Einweisung ins ZfP tatsächlich ihre Ursache im Wegfall der 1:1-Betreuung hat oder nicht vielmehr andere unabhängig davon eingetretene Umstände maßgeblich waren. So führt Dr. N. vom ZfP in ihrem Schreiben vom 18. Januar 2013 unter „Aufnahmeanlass“ aus: „Unverändert bestehen seit Jahren schwere Verhaltensauffälligkeiten mit Kleptomanie, Bewegungs- und Beschäftigungsdrang, nächtliche Unruhe. Mehrere medikamentöse Therapieversuche im stationären sowie ambulanten Rahmen waren ohne positives Ergebnis.“ Im Weiteren verweist sie noch auch darauf, dass die aus den Verhaltensauffälligkeiten resultierende Eigen- und Fremdgefährdung im H. P. in L., in dem die Klägerin bis zur Aufnahme gelebt habe, nur durch eine 1:1-Betreung habe abgewendet werden können. Diese werde jedoch ab dem 1. Januar 2013 nicht mehr finanziert. Die Klägerin sei auf diese Weise im Heimatpflegeheim nicht mehr führbar. Weiter teilt Dr. N. mit, dass es sich seit 2008 um den dritten Aufenthalt der Klägerin im ZfP handele und zur Aufnahme die oben genannten Verhaltensauffälligkeiten geführt hätten. Darüber hinaus ist der ärztlichen Stellungnahme von Dr. N. vom 18. Januar 2013 nicht zu entnehmen, dass es im Zusammenhang mit der Einweisung der Klägerin zum 31. Dezember 2012 ins ZfP zu einer Dekompensation der Klägerin gekommen ist.
51 
Der Betreuer hat des Weiteren vor dem Betreuungsgericht einerseits darauf verwiesen, dass im Hinblick auf die Erkrankung der Klägerin eine ständige 1:1-Betreung erforderlich sei, diese aber seit dem 31. Dezember 2012 nicht mehr sichergestellt sei. Darüber hinaus führte der Betreuer allerdings auch aus, weiterhin habe sich Ende Dezember der allgemeine Gesundheitszustand der Klägerin in Form von erheblichen Schluckstörungen sowie erhöhter Sturzgefahr verschlechtert. Damit habe nur die Möglichkeit bestanden die Klägerin im ZfP unterzubringen, wozu sie auch freiwillig bereit gewesen sei. In gleicher Weise äußerte er sich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26. Februar 2013, wo er angab, die Klägerin sei ins ZfP gekommen, weil sie unter Schluckstörungen gelitten habe, die zu behandeln gewesen seien. Außerdem sei die nächtliche Betreuung nicht mehr sichergestellt gewesen.
52 
Damit aber kann der Senat schon nicht feststellen, dass die hier geltend gemachte Verzögerung ursächlich für den behaupteten schweren Nachteil geworden ist, nämlich die Aufnahme ins ZfP mit einer damit einhergehenden Dekompensation bei der Klägerin.
3.
53 
Des Weiteren ist Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch, dass die unangemessene Verfahrensdauer durch staatliches Fehlverhalten verursacht wurde, etwa organisatorisches Verschulden bei der ausreichenden personellen Ausstattung der Gerichte. D.h. auf der anderen Seite, Entschädigungsansprüche scheiden schon dann grundsätzlich aus, wenn und soweit die Verzögerung des Verfahrens ausschließlich durch die Verfahrensbeteiligten selbst oder durch Dritte verursacht worden ist und das Gericht keine Möglichkeit hatte, dem wirksam entgegen zu steuern (siehe Roller aaO S. 10/11 mit verschiedenen Beispielen und Fundstellen; Roderfeld aaO Rdnr. 12).
54 
Hier ist nun hinsichtlich des Verfahrensablaufes folgendes zu berücksichtigen:
55 
Der die Klägerin im gesamten Verfahren vertretende Bevollmächtigte wusste bereits nach der Vertagung der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren vor dem SG am 26. November 2012 (Montag), dass mit einer Entscheidung in der Hauptsache vor dem 31. Dezember 2012 (Ablauf der vom LSG getroffenen vorläufigen Bewilligung der 1:1-Betreuung) nicht mehr zu rechnen war. Dennoch hat der Klägerbevollmächtigte erst zwei Wochen später, nämlich am 10. Dezember 2012 (Montag) den Eilantrag auf Verlängerung der vorläufigen Weitergewährung der 1:1-Betreuung gestellt. Weder aus dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 10. Dezember 2012 noch aus dem weiteren Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 geht ausdrücklich hervor, dass, sofern nicht bis zum 31. Dezember 2012 eine weitere Verpflichtung des Landkreises Böblingen zur Kostenübernahme der 1:1-Betreuung ausgesprochen werde, diese zum Jahresende eingestellt werde. Dieser Hinweis erfolgte erst nach dem Jahreswechsel nämlich mit dem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 (Mittwoch), mit dem gleichzeitig die Verzögerungsrüge erhoben worden war. Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings die Pflegekräfte bereits entlassen.
56 
Soweit die Klägerseite geltend macht, man habe im Hinblick auf die vorangegangenen Eilverfahren und dort ergangenen Beschlüsse des SG bzw. des LSG davon ausgehen können, dass auch in diesem Verfahren vom SG eine weitere Verlängerung der vorläufigen 1:1-Betreuung ausgesprochen werde, greift dies nicht durch. Keinesfalls ist den vorangegangenen Eilverfahren eine "gesicherte Rechtsposition" zu entnehmen. Vielmehr ist sogar den Beschlüssen des LSG, und zwar beider Senate, ausdrücklich zu entnehmen, dass diese jeweils davon ausgegangen sind, dass sich die Situation der Klägerin durchaus ändern könne. Der 7. Senat des LSG hat eine solche Änderung der Situation sogar als wahrscheinlich erachtet und gerade im Hinblick darauf die im Sommer 2012 beantragte Erstreckung der Verpflichtung des Landkreises Böblingen zu vorläufigen Leistungen über den 31. Dezember 2012 hinaus abgelehnt. D.h. mit anderen Worten, schon im Hinblick darauf hätte der Klägerbevollmächtigte gewarnt sein müssen, dass das SG vor einer erneuten "Verlängerung" der 1:1-Betreuung den Sachverhalt neu zu ermitteln und zu überprüfen habe, was naturgemäß zumindest eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Auch vor diesem Hintergrund wäre vom Klägerbevollmächtigten daher zu erwarten gewesen, dass er nach der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2012 nicht noch 14 Tage zuwartet bevor er einen Eilantrag auf "Verlängerung" der vorläufigen 1:1-Betreuung stellt. Dies umso weniger vor dem Hintergrund, dass der Klägerbevollmächtigte auch gerade im Hinblick auf die vom SG in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2012 geäußerten rechtlichen Überlegungen (nämlich dahingehend, dass möglicherweise ein Anspruch der Klägerin unmittelbar aus dem Heimvertrag gegen das H. "P." auf 1:1-Betreuung besteht) nicht mehr davon ausgehen konnte, dass das SG dem Eilantrag der Klägerin auch problemlos stattgeben werde.
57 
Darüber hinaus hat das SG unverzüglich nach dem per Fax eingegangenem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 (Mittwoch) und der darin erhobenen Verzögerungsrüge am 4. Januar 2013 (Freitag) bereits über den Eilantrag entschieden.
58 
Damit ist zwar zu diesem Zeitpunkt (4. Januar 2013) das hier allein interessierende Eilverfahren vor dem SG abgeschlossen. Da als schwerer Nachteil der Aufenthalt der Klägerin im ZfP in der Zeit vom 31. Dezember 2012 bis zum 20. Februar 2013 (insgesamt 51 Tage) geltend gemacht wird, ist durchaus zu berücksichtigen, dass der Klägerbevollmächtigte die gegen den ablehnenden Beschluss des SG vom 4. Januar 2013 (dem Klägerbevollmächtigten am 7. Januar 2013 mit Empfangsbekenntnis zugegangen) gesetzlich bestehende Beschwerdefrist von einem Monat fast vollständig ausschöpfte und erst am 4. Februar 2013 (Montag) Beschwerde beim LSG einlegte und nochmals erst eine Woche später am 11. Februar 2013 (Montag) die Beschwerdebegründung vorlegte. Hier hätte es vor dem Hintergrund der von Klägerseite geltend gemachten schweren Nachteile für die Klägerin im Hinblick auf den Aufenthalt im ZfP eigentlich nahe gelegen, auf die fast vollständige Ausschöpfung der Beschwerdefrist und eine nochmalige zusätzliche Frist für die Vorlage der Beschwerdebegründung zu verzichten und vielmehr im Interesse der Klägerin möglichst umgehend die Beschwerde samt Begründung beim LSG zu erheben, umso eine zeitnahe Entscheidung, wie sie dann binnen einer Woche nach Vorlage der Beschwerdebegründung durch den erkennenden Senat am Montag, den 18. Februar 2013 auch erfolgte, herbeizuführen.
59 
Das Verfahren vor dem SG hat insgesamt 26 Tage gedauert, wobei elf Tage auf gesetzliche Feiertage, Sonntage und sonstige dienstfreie Tage entfielen (also 15 Werk-/Arbeitstage). Das LSG hat anschließend über die Beschwerde nach Vorlage der Beschwerdebegründung binnen sechs Werktagen entschieden, das gesamte gerichtliche Verfahren in zwei Rechtszügen dauerte nur 26 Werktage (SG: 15 Werktage, LSG: 11 Werktage), wobei hier noch sechs Werktage vom Bevollmächtigten der Klägerin für die Vorlage der Beschwerdebegründung zu verantworten sind. D.h. mit anderen Worten, hätte der Klägerbevollmächtigte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung am 26. November 2012 gestellt, sofort bei Antragstellung bzw. zumindest noch vor dem 31. Dezember 2012 auf die besondere Dringlichkeit (Wegfall der 1:1-Betreuung, sofern nicht vorher Finanzierung sichergestellt) hingewiesen, auf die Ausschöpfung der Beschwerdefrist plus zusätzlicher Frist für die Vorlage der Beschwerdebegründung verzichtet und vielmehr der von ihm selbst aufgestellten Anforderung an das SG mit einer unverzüglichen Bearbeitungszeit binnen einer Woche zunächst in eigener Sache selbst genügt, hätte aller Voraussicht nach spätestens Anfang Januar die abschließende Entscheidung des LSG vorliegen können. Das heißt aber, sofern nicht andere Gründe eine Verlegung der Klägerin ins ZfP ohnehin notwendig gemacht hatten, hätte dies möglicherweise zur Folge gehabt, dass die 1:1-Betreuung der Klägerin noch - gegebenenfalls durch einen „Hängebeschluss“ des LSG (siehe Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 10. Aufl. § 86b Rn. 14), nämlich die vorläufige Weitergewährung bis zur endgültigen Entscheidung über die Beschwerde - kurzfristig überbrückt und letztlich durchgehend hätte gewährt werden können.
60 
In der Gesamtschau ist damit festzuhalten, dass das hier von der Klägerseite beanstandete Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG in keiner Weise unangemessen lange gedauert hat, vielmehr alleine die hier geltend gemachten Verzögerungen und damit geltend gemachten Nachteile ihre Ursache in den von Seiten des Bevollmächtigten trotz der behaupteten besonderen Eilbedürftigkeit selbst verursachten Verzögerungen haben.
61 
Aus diesen Gründen ist die Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer abzuweisen.
III.
62 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a i.Vm. 183 Satz 6 SGG.
63 
Der Streitwert war in Höhe des Auffangstreitwertes von 5.000 EUR festzusetzen, nachdem die Klägerin keinen bezifferten Leistungsantrag gestellt hat (§ 52 Abs. 2 GKG).
64 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
I.
31 
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg ist für die hier erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 SGG in Verbindung mit den §§ 198 ff. GVG), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.
32 
Die Klage ist auch form- und fristgerecht (gem. § 198 Abs. 5 GVG) innerhalb von sechs Monaten nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens durch den Beschluss des LSG vom 18. Februar 2013 über die Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erhoben worden. Es war auch zuvor eine Verzögerungsrüge gem. § 198 Abs. 3 GVG erhoben worden.
33 
Die hier gegebene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG – vergleiche hierzu BSG Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL – in juris Rn. 15) ist auch im Übrigen zulässig.
II.
34 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer besteht nicht.
35 
Nach § 198 Abs. 1 GVG in der seit 3. Dezember 2011 geltenden Fassung gem. Art. 23 des Gesetzes vom 24. November 2011 (BGBl. I, 2302) wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
36 
Gem. § 198 Abs. 2 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
37 
Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gem. § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
38 
Nach § 198 Abs. 4 GVG ist Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
39 
Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar (§ 198 Abs. 5 GVG).
40 
Gem. § 198 Abs. 6 GVG ist im Sinne dieser Vorschrift
41 
1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
42 
2. ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
43 
Eine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren, und zwar unabhängig davon, ob Hauptsache- oder Eilverfahren, höchstens dauern darf, um nicht als unangemessen lang zu gelten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch sonst ist die generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren unangemessen lange dauert – insbesondere als feste Jahresgrenze – angesichts der Unterschiedlichkeit der Verfahren nicht möglich (BVerfG stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00 –, NJW 2001, 214; Scholz, Sozialgerichtsbarkeit 2012 Seite 19, 21; Roller DRiZ 2012 Heft 6 Beilage Seite 7; so auch u.a. BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – in juris Rn. 25, 26, 27)
44 
Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist vielmehr im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15). Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. insoweit auch EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010, Beschwerde Nr. 21423/07, Rdnr. 32; Urteil vom 8. Juni 2006 Nr.75529/01 Rdnr. 128; Urteil vom 21. April 2011 Nr. 41599/09 Rdnr. 42; BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 - Rdnr. 16 in juris; BGH Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 – Rdnr. 25 in juris; BFH Urteil vom 7. November 2013 – X K 13/12 – Rdnr. 56 und 69 in juris; Roller aaO S. 9; Scholz aaO S. 22; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts und Ermittlungsverfahren, Handkommentar, 2012, § 198 GVG Rdnr. 5, 8 ff.).
1.
45 
Im Rahmen der Prüfung der Schwierigkeit des Falles (vom EGMR als „complexity of the case“ bezeichnet) sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Erschwernisse zu berücksichtigen, mithin etwa die Wichtigkeit und Sensibilität der zu beantwortenden rechtlichen Fragen und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sorgfalt der gerichtlichen Prüfung und Untersuchung. Von Bedeutung sind auch der Umfang der gebotenen Anhörungen, das Ausmaß an erforderlicher Tatsachenaufklärung sowie das Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten (EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172). Der EGMR unterscheidet hinsichtlich der Komplexität eines Falles 5 Kategorien in entsprechender Abstufung (siehe hierzu auch OVG Magdeburg Urteil vom 25. Juli 2012 - 7 KE 1/11 - juris Rdnr. 39ff).
46 
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in Eilverfahren bei schwierigen und komplexen Sach- und Rechtsfragen das Gericht gegebenenfalls im Wege einer Güter- und Folgenabwägung eine vorläufige Entscheidung zu treffen hat (vergl. BVerfG Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05-), wie hier in den vorangegangenen Eilverfahren auch bereits geschehen.
47 
Damit aber erhalten die Fragen nach der Bedeutung (dazu hier unter 2.) und dem Verhalten der Beteiligten und Dritter (dazu unter 3.) maßgebliches Gewicht.
2.
48 
Hinsichtlich der Bedeutung des Verfahrens ist hier vor allem auf das Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer baldigen Entscheidung abzustellen (siehe hierzu u.a. EGMR Urteil vom 8. Juni 2006 Nr. 75529/01 Rdnr. 133; Roller aaO S.9 unter Hinweis u.a., wenn die wirtschaftliche Existenz betroffen ist, auf BVerfG Beschluss vom 2. September 2009 – 1 BvR 3171/08, EuGRZ 2009; 695; BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00, NJW 2001, 214, 215; EGMR Urteil vom 21. Oktober 2010 Nr. 43155/08, juris und Urteil vom 13. Januar 2011, Nr. 34236/06, juris; wenn um den Lebensunterhalt sichernde sozialrechtliche Ansprüche gestritten wird siehe BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11, info also 2012, 28 ; EGMR Beschluss vom 25. März 2010 Nr. 901/05, juris ; anders EGMR Beschluss vom10. Februar 2009 Nr. 30209/05, juris ; s.a. Roderfeld aaO Rdnr. 11 mwN). Von einem solchen Interesse ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich bei einer Verzögerung der Entscheidung für einen Beteiligten schwere und nicht oder nur begrenzt reparable Nachteile ergeben.
49 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist durchaus von einem entsprechenden Interesse der Klägerin an einer baldigen Entscheidung und damit weiteren Sicherstellung der 1:1-Betreuung auszugehen. Hier macht die Klägerseite konkret geltend, dass aufgrund des Wegfalles der 1:1-Betreuung der Klägerin eine Verlegung ins ZfP für die Zeit vom 31. Dezember 2012 bis 20. Februar 2013 notwendig geworden sei - mit der Folge einer Dekompensation bzw. freiheitsentziehenden Maßnahmen bei der Klägerin - und damit schwere Nachteile für sie eingetreten seien.
50 
Es bestehen aber auch aus Sicht des Senates Zweifel, ob die Einweisung ins ZfP tatsächlich ihre Ursache im Wegfall der 1:1-Betreuung hat oder nicht vielmehr andere unabhängig davon eingetretene Umstände maßgeblich waren. So führt Dr. N. vom ZfP in ihrem Schreiben vom 18. Januar 2013 unter „Aufnahmeanlass“ aus: „Unverändert bestehen seit Jahren schwere Verhaltensauffälligkeiten mit Kleptomanie, Bewegungs- und Beschäftigungsdrang, nächtliche Unruhe. Mehrere medikamentöse Therapieversuche im stationären sowie ambulanten Rahmen waren ohne positives Ergebnis.“ Im Weiteren verweist sie noch auch darauf, dass die aus den Verhaltensauffälligkeiten resultierende Eigen- und Fremdgefährdung im H. P. in L., in dem die Klägerin bis zur Aufnahme gelebt habe, nur durch eine 1:1-Betreung habe abgewendet werden können. Diese werde jedoch ab dem 1. Januar 2013 nicht mehr finanziert. Die Klägerin sei auf diese Weise im Heimatpflegeheim nicht mehr führbar. Weiter teilt Dr. N. mit, dass es sich seit 2008 um den dritten Aufenthalt der Klägerin im ZfP handele und zur Aufnahme die oben genannten Verhaltensauffälligkeiten geführt hätten. Darüber hinaus ist der ärztlichen Stellungnahme von Dr. N. vom 18. Januar 2013 nicht zu entnehmen, dass es im Zusammenhang mit der Einweisung der Klägerin zum 31. Dezember 2012 ins ZfP zu einer Dekompensation der Klägerin gekommen ist.
51 
Der Betreuer hat des Weiteren vor dem Betreuungsgericht einerseits darauf verwiesen, dass im Hinblick auf die Erkrankung der Klägerin eine ständige 1:1-Betreung erforderlich sei, diese aber seit dem 31. Dezember 2012 nicht mehr sichergestellt sei. Darüber hinaus führte der Betreuer allerdings auch aus, weiterhin habe sich Ende Dezember der allgemeine Gesundheitszustand der Klägerin in Form von erheblichen Schluckstörungen sowie erhöhter Sturzgefahr verschlechtert. Damit habe nur die Möglichkeit bestanden die Klägerin im ZfP unterzubringen, wozu sie auch freiwillig bereit gewesen sei. In gleicher Weise äußerte er sich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26. Februar 2013, wo er angab, die Klägerin sei ins ZfP gekommen, weil sie unter Schluckstörungen gelitten habe, die zu behandeln gewesen seien. Außerdem sei die nächtliche Betreuung nicht mehr sichergestellt gewesen.
52 
Damit aber kann der Senat schon nicht feststellen, dass die hier geltend gemachte Verzögerung ursächlich für den behaupteten schweren Nachteil geworden ist, nämlich die Aufnahme ins ZfP mit einer damit einhergehenden Dekompensation bei der Klägerin.
3.
53 
Des Weiteren ist Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch, dass die unangemessene Verfahrensdauer durch staatliches Fehlverhalten verursacht wurde, etwa organisatorisches Verschulden bei der ausreichenden personellen Ausstattung der Gerichte. D.h. auf der anderen Seite, Entschädigungsansprüche scheiden schon dann grundsätzlich aus, wenn und soweit die Verzögerung des Verfahrens ausschließlich durch die Verfahrensbeteiligten selbst oder durch Dritte verursacht worden ist und das Gericht keine Möglichkeit hatte, dem wirksam entgegen zu steuern (siehe Roller aaO S. 10/11 mit verschiedenen Beispielen und Fundstellen; Roderfeld aaO Rdnr. 12).
54 
Hier ist nun hinsichtlich des Verfahrensablaufes folgendes zu berücksichtigen:
55 
Der die Klägerin im gesamten Verfahren vertretende Bevollmächtigte wusste bereits nach der Vertagung der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren vor dem SG am 26. November 2012 (Montag), dass mit einer Entscheidung in der Hauptsache vor dem 31. Dezember 2012 (Ablauf der vom LSG getroffenen vorläufigen Bewilligung der 1:1-Betreuung) nicht mehr zu rechnen war. Dennoch hat der Klägerbevollmächtigte erst zwei Wochen später, nämlich am 10. Dezember 2012 (Montag) den Eilantrag auf Verlängerung der vorläufigen Weitergewährung der 1:1-Betreuung gestellt. Weder aus dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 10. Dezember 2012 noch aus dem weiteren Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 geht ausdrücklich hervor, dass, sofern nicht bis zum 31. Dezember 2012 eine weitere Verpflichtung des Landkreises Böblingen zur Kostenübernahme der 1:1-Betreuung ausgesprochen werde, diese zum Jahresende eingestellt werde. Dieser Hinweis erfolgte erst nach dem Jahreswechsel nämlich mit dem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 (Mittwoch), mit dem gleichzeitig die Verzögerungsrüge erhoben worden war. Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings die Pflegekräfte bereits entlassen.
56 
Soweit die Klägerseite geltend macht, man habe im Hinblick auf die vorangegangenen Eilverfahren und dort ergangenen Beschlüsse des SG bzw. des LSG davon ausgehen können, dass auch in diesem Verfahren vom SG eine weitere Verlängerung der vorläufigen 1:1-Betreuung ausgesprochen werde, greift dies nicht durch. Keinesfalls ist den vorangegangenen Eilverfahren eine "gesicherte Rechtsposition" zu entnehmen. Vielmehr ist sogar den Beschlüssen des LSG, und zwar beider Senate, ausdrücklich zu entnehmen, dass diese jeweils davon ausgegangen sind, dass sich die Situation der Klägerin durchaus ändern könne. Der 7. Senat des LSG hat eine solche Änderung der Situation sogar als wahrscheinlich erachtet und gerade im Hinblick darauf die im Sommer 2012 beantragte Erstreckung der Verpflichtung des Landkreises Böblingen zu vorläufigen Leistungen über den 31. Dezember 2012 hinaus abgelehnt. D.h. mit anderen Worten, schon im Hinblick darauf hätte der Klägerbevollmächtigte gewarnt sein müssen, dass das SG vor einer erneuten "Verlängerung" der 1:1-Betreuung den Sachverhalt neu zu ermitteln und zu überprüfen habe, was naturgemäß zumindest eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Auch vor diesem Hintergrund wäre vom Klägerbevollmächtigten daher zu erwarten gewesen, dass er nach der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2012 nicht noch 14 Tage zuwartet bevor er einen Eilantrag auf "Verlängerung" der vorläufigen 1:1-Betreuung stellt. Dies umso weniger vor dem Hintergrund, dass der Klägerbevollmächtigte auch gerade im Hinblick auf die vom SG in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2012 geäußerten rechtlichen Überlegungen (nämlich dahingehend, dass möglicherweise ein Anspruch der Klägerin unmittelbar aus dem Heimvertrag gegen das H. "P." auf 1:1-Betreuung besteht) nicht mehr davon ausgehen konnte, dass das SG dem Eilantrag der Klägerin auch problemlos stattgeben werde.
57 
Darüber hinaus hat das SG unverzüglich nach dem per Fax eingegangenem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 (Mittwoch) und der darin erhobenen Verzögerungsrüge am 4. Januar 2013 (Freitag) bereits über den Eilantrag entschieden.
58 
Damit ist zwar zu diesem Zeitpunkt (4. Januar 2013) das hier allein interessierende Eilverfahren vor dem SG abgeschlossen. Da als schwerer Nachteil der Aufenthalt der Klägerin im ZfP in der Zeit vom 31. Dezember 2012 bis zum 20. Februar 2013 (insgesamt 51 Tage) geltend gemacht wird, ist durchaus zu berücksichtigen, dass der Klägerbevollmächtigte die gegen den ablehnenden Beschluss des SG vom 4. Januar 2013 (dem Klägerbevollmächtigten am 7. Januar 2013 mit Empfangsbekenntnis zugegangen) gesetzlich bestehende Beschwerdefrist von einem Monat fast vollständig ausschöpfte und erst am 4. Februar 2013 (Montag) Beschwerde beim LSG einlegte und nochmals erst eine Woche später am 11. Februar 2013 (Montag) die Beschwerdebegründung vorlegte. Hier hätte es vor dem Hintergrund der von Klägerseite geltend gemachten schweren Nachteile für die Klägerin im Hinblick auf den Aufenthalt im ZfP eigentlich nahe gelegen, auf die fast vollständige Ausschöpfung der Beschwerdefrist und eine nochmalige zusätzliche Frist für die Vorlage der Beschwerdebegründung zu verzichten und vielmehr im Interesse der Klägerin möglichst umgehend die Beschwerde samt Begründung beim LSG zu erheben, umso eine zeitnahe Entscheidung, wie sie dann binnen einer Woche nach Vorlage der Beschwerdebegründung durch den erkennenden Senat am Montag, den 18. Februar 2013 auch erfolgte, herbeizuführen.
59 
Das Verfahren vor dem SG hat insgesamt 26 Tage gedauert, wobei elf Tage auf gesetzliche Feiertage, Sonntage und sonstige dienstfreie Tage entfielen (also 15 Werk-/Arbeitstage). Das LSG hat anschließend über die Beschwerde nach Vorlage der Beschwerdebegründung binnen sechs Werktagen entschieden, das gesamte gerichtliche Verfahren in zwei Rechtszügen dauerte nur 26 Werktage (SG: 15 Werktage, LSG: 11 Werktage), wobei hier noch sechs Werktage vom Bevollmächtigten der Klägerin für die Vorlage der Beschwerdebegründung zu verantworten sind. D.h. mit anderen Worten, hätte der Klägerbevollmächtigte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung am 26. November 2012 gestellt, sofort bei Antragstellung bzw. zumindest noch vor dem 31. Dezember 2012 auf die besondere Dringlichkeit (Wegfall der 1:1-Betreuung, sofern nicht vorher Finanzierung sichergestellt) hingewiesen, auf die Ausschöpfung der Beschwerdefrist plus zusätzlicher Frist für die Vorlage der Beschwerdebegründung verzichtet und vielmehr der von ihm selbst aufgestellten Anforderung an das SG mit einer unverzüglichen Bearbeitungszeit binnen einer Woche zunächst in eigener Sache selbst genügt, hätte aller Voraussicht nach spätestens Anfang Januar die abschließende Entscheidung des LSG vorliegen können. Das heißt aber, sofern nicht andere Gründe eine Verlegung der Klägerin ins ZfP ohnehin notwendig gemacht hatten, hätte dies möglicherweise zur Folge gehabt, dass die 1:1-Betreuung der Klägerin noch - gegebenenfalls durch einen „Hängebeschluss“ des LSG (siehe Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 10. Aufl. § 86b Rn. 14), nämlich die vorläufige Weitergewährung bis zur endgültigen Entscheidung über die Beschwerde - kurzfristig überbrückt und letztlich durchgehend hätte gewährt werden können.
60 
In der Gesamtschau ist damit festzuhalten, dass das hier von der Klägerseite beanstandete Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG in keiner Weise unangemessen lange gedauert hat, vielmehr alleine die hier geltend gemachten Verzögerungen und damit geltend gemachten Nachteile ihre Ursache in den von Seiten des Bevollmächtigten trotz der behaupteten besonderen Eilbedürftigkeit selbst verursachten Verzögerungen haben.
61 
Aus diesen Gründen ist die Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer abzuweisen.
III.
62 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a i.Vm. 183 Satz 6 SGG.
63 
Der Streitwert war in Höhe des Auffangstreitwertes von 5.000 EUR festzusetzen, nachdem die Klägerin keinen bezifferten Leistungsantrag gestellt hat (§ 52 Abs. 2 GKG).
64 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 27. Mai 2014 - L 2 SF 3228/13 EK

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

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(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach d

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(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten 1. in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,2. in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 27. Mai 2014 - L 2 SF 3228/13 EK zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2013 - III ZR 376/12

bei uns veröffentlicht am 14.11.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 376/12 Verkündet am: 14. November 2013 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja Unangemessene.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 08. Juli 2015 - L 2 SO 1431/13

bei uns veröffentlicht am 08.07.2015

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 aufgehoben und der Beklagte verurteilt, a

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 25. Juli 2012 - 7 KE 1/11

bei uns veröffentlicht am 25.07.2012

Tatbestand 1 Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in ihrem erstinstanzlichen Gerichtsverfahren gegen die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) vor dem Verwaltungsgericht Halle (5 A 221/09 HAL) in Ansp

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 19. März 2012 - L 2 SO 72/12 ER-B

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Tenor Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.Der Antragsgegner hat auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu erstatten.Der An
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Landessozialgericht NRW Beschluss, 04. März 2016 - L 11 SF 554/15 EK SB

bei uns veröffentlicht am 04.03.2016

Tenor Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. 1Gründe: 2I. 3Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine auf Entschädigung gerichtete Klage nach §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Er macht die unangemessene

Landessozialgericht NRW Beschluss, 13. Mai 2015 - L 11 SF 563/13 EK AS

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Tenor Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. 1Gründe: 2I. 3Die Antragsteller begehren Prozesskostenhilfe für eine auf Entschädigung gerichtete Klage nach §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Sie machen eine unangemes

Landessozialgericht NRW Urteil, 22. Apr. 2015 - L 11 SF 667/14 EK R

bei uns veröffentlicht am 22.04.2015

Tenor Das beklagte Land wird verurteilt, der Klägerin Entschädigung in Höhe von 500,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 5/6, das beklagte Land zu 1/6. Die Revision wird nicht zug

Landessozialgericht NRW Urteil, 15. Apr. 2015 - L 11 SF 546/14 EK KR

bei uns veröffentlicht am 15.04.2015

Tenor Auf das Teil-Anerkenntnis der Beklagten wird diese verurteilt, wegen unangemessener Dauer der Verfahren S 16 KR 486/10 (SG Münster) unter Einbeziehung des Berufungsverfahrens L 1 KR 821/12 (LSG NRW) und der verbundenen Verfahren S 11 KR 103/07

Referenzen

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt F., F., beigeordnet.

Gründe

 
Die Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.
Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegte (§ 173 SGG) Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Beschlüsse des Landessozialgericht Baden-Württemberg v. 1.8.2005 – L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und v. 17.8.2005 – L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlangt eine besondere Ausgestaltung, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Will sich das entscheidende Gericht in einem solchen Fall an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, dann muss es die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) gilt (BVerfG v. 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 = Breith 2005, 803). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Güter- und Folgenabwägung zu entscheiden (LSG Baden-Württemberg v. 27.3.2006 - L 8 AS 1171/06 ER-B und v. 6.9.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B). Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG v. 22.11.2002 – 1 BvR 1586/02 = NJW 2003, 1236). Diejenigen Folgen sind gegeneinander abzuwägen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht eine einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Verfahren der Hauptsache herausstellte, dass der Anspruch doch bestanden hätte, und auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die beantragte einstweilige Anordnung erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch nicht bestanden habe.
Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (LSG Baden-Württemberg v. 4.4.2008 – L 7 AS 5626/07 ER-B und v. 11.6.2008 – L 7 AS 2309/08 ER-B ). Sind nach Überzeugung des Gerichts Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Anordnungszwecks erforderlich sind (§ 938 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das SG aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht statt gegeben, da ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurden. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird gem. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen und die Beschwerde gegen die Entscheidung aus denselben Gründen zurückgewiesen.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er weder die Auslegung des § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII durch den Antragsgegner, noch seine Auffassung, aufgrund des Alters der Antragstellerin würde Eingliederungshilfe von vorneherein nicht in Frage kommen, teilt.
Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, ergibt sich vorliegend der Anordnungsanspruch aus § 61 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 SGB XII (Hilfe zur Pflege) bzw. aus den § 53 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB XII, § 55 SGB XII, § 55 Abs. 1 SGB IX (Eingliederungshilfe), ohne dass vorliegend im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Einzelnen eine Abgrenzung der beiden Leistungen vorgenommen zu werden braucht, denn Leistungen der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis sondern können, abhängig von den Umständen Einzelfalles, auch nebeneinander erbracht werden (vgl. BVerwG v. 27.10.1977 – V C 15/77 – BVerwGE 55, 31 = juris RdNr 18 f.; Meßling in: jurisPK-SGB XII, 2011, RdNr. 18; Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 53 RdNr 32). Die Maßnahmen, um die vorliegend gestritten wird, enthalten sowohl Elemente der Eingliederungshilfe (Milderung der Folgen der Behinderung), als auch der Pflege (Kompensation eines bestehenden Defizits durch regelmäßig wiederkehrende notwendige Hilfen; vgl. zur Abgrenzung je nach Ziel und Schwerpunkt der Maßnahme VGH Baden-Württemberg v. 31.1.1996 – 6 S 494/93 = NVwZ-RR 1997, 362 = juris RdNr. 34).
Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 SGB XII ist Hilfe zur Pflege auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten, die u.a. der Hilfe für andere Verrichtungen als die sog. Katalogverrichtungen nach § 61 Abs. 5 SGB XII bedürfen. Zu diesen sonstigen Verrichtungen zählt auch die vorliegend glaubhaft gemachte Erforderlichkeit einer Nachtwache zur Verhinderung selbstgefährdenden Verhaltens (vgl. Klie in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 61 RdNr 5; H. Schellhorn in: ders./W. Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 61 RdNr. 35; Meßling in: jurisPK-SGB XII, 2011, § 61 RdNr. 89). Mit der Inbezugnahme auch „anderer Verrichtungen“ hat der Gesetzgeber bewusst eine Öffnungsklausel normiert, die es dem zuständigen Sozialhilfeträger einerseits ermöglichen soll, auf unterschiedliche Bedarfssituationen flexibel zu reagieren (vgl. zu § 68 Abs. 5 BSHG: VG Leipzig v. 14.7.2004 – 2 K 1028/03 = juris RdNr. 20), andererseits aber auch verpflichtenden Charakter für den zuständigen Träger hat, indem die individuelle Bedarfsdeckung sichergestellt werden muss (vgl. BT-Drucks 13/4521, S. 3).
10 
Soweit im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten wird, es bestehe ein Anspruch auf Bedarfsdeckung für die „anderen Verrichtungen“ in Form von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 ff. SGB XII (Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010, § 61 RdNr. 32), da die Eingliederungshilfe den umfassenderen Ansatz habe, braucht dies nach dem vorstehend Ausgeführten zwar nicht vertieft zu werden, jedoch weist der Senat darauf hin, dass es dem Normzweck und dem Regelungsgehalt der §§ 53 ff. SGB XII nicht gerecht werden dürfte, wenn man grundsätzlich darauf abstellen würde, dass die 1931 geborene Klägerin schon auf Grund ihres Alters nicht mehr eingegliedert werden könne. Eingliederungshilfe zielt u.a. darauf ab, Folgen einer Behinderung abzumildern um auf diese Weise die Teilhabefähigkeit zu verbessern (§ 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII), weshalb grundsätzlich keine Altersgrenze bestehen dürfte (vgl. BVerwG v. 21.12.2005 – 5 C 26/04 – juris RdNr. 13; Voelzke in: Hauck/Noftz, K § 53a RdNr 26a; Wehrhahn in: jurisPK-SGB XII, § 53 RdNr, 41).
11 
Soweit die Antragsgegnerin mit der Beschwerde vorbringt, die Antragstellerin sei derzeit bezüglich ihrer Erkrankungen und der erforderlichen Pflege in einem ungeeigneten Heim untergebracht, dürfte dies zwar zutreffen und ein zeitnaher Wechsel in ein geeignetes Heim erforderlich sein. Die Antragstellerin hat aber im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemacht, dass ein Wechsel in die von der Antragsgegnerin im Beschwerdeschriftsatz vom 4.1.2012 vorgeschlagenen Heime derzeit mangels Kapazitäten bzw. Geeignetheit nicht möglich ist. Der Senat hat diesbezüglich im Beschwerdeverfahren bei der Bruderhaus Diakonie D. eine ergänzende Auskunft über die mögliche Aufnahme der Antragstellerin eingeholt. Der Haus- und Pflegedienstleister S. hat mit Telefaxschreiben vom 17.3.2012 mitgeteilt, eine Aufnahme sei derzeit nicht möglich und es sei auch nicht absehbar, wann ein Zimmer frei werde. Seine gegenüber der Antragsgegnerin gemachte Aussage, wonach eine Aufnahme binnen 14 Tagen möglich sei, habe sich auf eine erste allgemeine Anfrage bezogen. Nach Kenntnis der Einzelheiten komme aber nur ein spezieller Bereich der Einrichtung in Frage. Insoweit bestehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund fort; es ist aber beiden Beteiligten anzuraten, den im beiderseitigen Interesse liegenden Heimwechsel möglichst zeitnah und möglichst kooperativ durchzuführen. Auch unter diesem Aspekt erscheint die vom SG vorgenommene Begrenzung bis längstens 30.6.2012 sachgerecht.
12 
Aus diesen Gründen war der Klägerin auch unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten PKH ohne Ratenzahlung zu bewilligen.
13 
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
14 
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 aufgehoben und der Beklagte verurteilt, ab dem 1. Januar 2012 die Kosten für weitere Leistungen der Hilfe zur Pflege in Höhe von monatlich 6.166,- EUR für eine Nachtwache von 19.00 Uhr abends bis 07.00 Uhr morgens während des Aufenthalts im „Haus P.“ zu tragen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten steht die Übernahme von Kosten für eine nächtliche 1:1-Betreuung der Klägerin im Pflegeheim im Streit.
Die Klägerin leidet unter multiplen psychiatrischen, neurologischen und internistischen Erkrankungen. Sie steht in erheblichem Umfang (u.a. bezüglich Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Heilbehandlung) unter rechtlicher Betreuung, sie ist pflegebedürftig (Pflegestufe III) und lebt in dem von der Beigeladenen betriebenen Altenpflegeheim „Haus P.“ in L.. Der Heimvertrag wurde zwischen der Klägerin und der Beigeladenen am 13. März 2009 geschlossen. Die Klägerin bezieht vom Beklagten laufend Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) soweit die Heimkosten nicht durch das Pflegegeld nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) und die Altersrente und weitere Einnahmen der Klägerin gedeckt sind.
Aufgrund der psychischen Erkrankung treten bei der Klägerin Verhaltensauffälligkeiten auf (u.a. unkontrolliertes Urinieren/Verkoten des eigenen Körpers und des ganzen Zimmers, fehlende Risikoeinschätzung im Bereich der Mobilität, unkontrolliertes Verschlucken mit Erstickungsgefahr), die nach Angaben der Beigeladenen bei grundsätzlich guter Lenkbarkeit der Klägerin tagsüber durch das Personal des Pflegeheims einigermaßen aufgefangen werden können, nachts jedoch nur durch eine 1:1-Betreuung mit dauernder Anwesenheit einer Pflegeperson im Zimmer der Klägerin vermieden bzw. kontrolliert werden können.
Im Hinblick darauf beantragte die Klägerin, vertreten durch ihren Betreuer, am 28. Mai 2011 beim Beklagten die Erweiterung der Hilfeleistung durch Finanzierung einer nächtlichen 1:1-Betreuung in der Zeit von 19.00 Uhr bis 07.00 Uhr, alternativ durch das Pflegeheim oder externes Pflegepersonal (i.H.v. über 6.000 EUR monatlich).
Zugleich erwirkte der Betreuer beim Amtsgericht T.als Betreuungsgericht die Erlaubnis, freiheitsentziehende Maßnahmen in Form eines Bettgurtes bzw. eines Stuhlgurtes tagsüber zu gestatten (Beschluss vom 9. Juni 2011 - Geschäftsnummer XVII 103/04). Die Klägerin wurde in der Folge jede Nacht mittels Bettgurt fixiert.
Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für eine nächtliche 1:1-Betreuung mit Bescheid vom 3. Juni 2011 mit der Begründung ab, Kosten für eine zusätzliche Betreuung seien bei der Hilfe zur Pflege nicht vorgesehen. Als Leistung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen könne die beantragte Leistung nicht erbracht werden, da es sich bei dem Pflegeheim nicht um eine Einrichtung der Eingliederungshilfe handele.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 zurückgewiesen wurde.
Im Rahmen mehrerer parallel durchgeführter Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war die Beklagte jeweils verpflichtet worden, ab 1. Januar 2012 vorläufig die laufenden zusätzlichen Kosten für die nächtliche 1:1-Betreuung zu bezahlen (Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Dezember 2011 – S 9 SO 5771/11 ER – und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg < LSG > vom 19. März 2012 – L 2 SO 72/12 ER-B –, Beschluss des SG vom 30. Juli 2012 – S 4 SO 3134/12 ER – und des LSG vom 26. September 2012 – L 7 SO 3498/12 ER-B –, zuletzt Beschluss des SG vom 4. Januar 2013 – S 4 SO 6098/12 ER und Beschluss des erkennenden Senats vom 18. Februar 2013 – L 2 SO 498/13 ER-B – mit Befristung bis 30. Juni 2013). Der Beklagte hat sich im Folgenden bereit erklärt auch über den 30. Juni 2013 hinaus bis zum Abschluss des Verfahrens die Kosten vorläufig weiter zu übernehmen. Die Kosten für die nächtliche 1:1-Betreuung der Klägerin wurden mit Ausnahme einer Unterbrechung im Januar/Februar 2013 übernommen, sie wurde durch zusätzlich eingestelltes Pflegepersonal erbracht (die entsprechenden Arbeitsverträge wurden von der Beigeladenen vorgelegt).
Am 16. Januar 2012 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten daneben Klage vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben. Sie hat u.a. vorgetragen, sie sei auf die Unterbringung im Pflegeheim der Beigeladenen unter Gewährung der nächtlichen 1:1-Betreuung angewiesen, da ein Platz in einem anderen Pflegeheim nicht verfügbar sei. Außerdem sei ihr der Wechsel in ein anderes Pflegeheim nicht zumutbar.
10 
Der Klägerbevollmächtigte hat hierzu ein ärztliches Attest des Facharztes für Neurologie, Sucht- und Psychotherapie Dr. St. vom 30. Juli 2012 vorgelegt, in dem unter anderem ausgeführt wird, dass bei der Klägerin nach Auskunft des Zentrums für Psychiatrie E. (ZfP) eine chronische schizophrene Psychose bestehe und es daher immer wieder zu Verfolgungs- und Beeinträchtigungsideen, Fluchtimpulsen, massivem Kotschmieren in der gesamten Umgebung und anderen ungewöhnlichen unberechenbaren affektiven Reaktionen komme. Dieses Grundproblem werde überlagert durch ein hirnorganisches Psychosyndrom mit deliranten Episoden mit psychomotorischer Unruhe, Aggressionen und Zuständen der Verwirrtheit. Hier könne die Klägerin aufgrund einer Verletzungsgefahr, Sturzgefahr oder anderer Eigengefährdung nicht alleingelassen werden.
11 
Im Falle eines Umzuges in eine fremde Umgebung mit dann fehlenden Bezugs- und Vertrauenspersonen wäre eine erneute Dekompensation mit Delir, Unruhe oder psychotischem Erleben zu befürchten mit der Folge, dass dann erneut ein erhöhter Betreuungsaufwand oder Komplikationen bei der Sedierung auftreten könnten, wie dies bereits mehrfach geschehen sei.
12 
Es sei auch schon mehrfach versucht worden, die Klägerin unter stationären Bedingungen, insbesondere im ZfP – einem renommierten und erfahrenen Fachkrankenhaus für Gerontopsychiatrie – besser medikamentös einzustellen, was leider jedoch nicht gelungen sei. Es bleibe zwar die Option, dies in einer anderen Fachklinik zu versuchen, es bestehe aber auch in dem Zusammenhang die Gefahr einer erneuten Verschlechterung, wie dies schon öfters vorgekommen sein, so dass der mühselig erarbeitete Erfolg unter Dauerbetreuung in gewohnter Umgebung wieder verloren ginge.
13 
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes L 2 SO 498/13 ER-B hat Dr. N., Klinik für Geronto- und Neuropsychiatrie, ZfP E., in einer ärztlichen Stellungnahme vom 18. Januar 2013 (Bl. 31 ff. LSG-Akte) unter „Aufnahmeanlass“ ausgeführt: „Unverändert bestehen seit Jahren schwere Verhaltensauffälligkeiten mit Kleptomanie, Bewegungs- und Beschäftigungsdrang, nächtliche Unruhe. Mehrere medikamentöse Therapieversuche im stationären sowie ambulanten Rahmen waren ohne positives Ergebnis.“ Im Weiteren verweist sie auch noch darauf, dass die aus den Verhaltensauffälligkeiten resultierende Eigen- und Fremdgefährdung im Haus P. in L., in dem die Klägerin bis zur Aufnahme gelebt habe, nur durch eine 1:1-Betreung habe abgewendet werden können. Diese werde jedoch ab dem 1. Januar 2013 nicht mehr finanziert. Die Klägerin sei auf diese Weise im Heimatpflegeheim nicht mehr führbar. Weiter teilt Dr. N. mit, dass es sich seit 2008 um den dritten Aufenthalt der Klägerin im ZfP handele und zur Aufnahme die oben genannten Verhaltensauffälligkeiten geführt hätten. Darüber hinaus ist der ärztlichen Stellungnahme von Dr. N. vom 18. Januar 2013 nicht zu entnehmen, dass es im Zusammenhang mit der Einweisung der Klägerin zum 31. Dezember 2012 ins ZfP zu einer Dekompensation der Klägerin gekommen ist.
14 
Das SG hat mit Beschluss vom 4. Januar 2013 die Inhaberin des Altenpflegeheimes „Haus P.“, W. R., beigeladen.
15 
Das SG hat des Weiteren noch den Heimvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vom 13. März 2009 (Bl. 89 ff. SG-Akte), den Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg vom 12. Dezember 1996 (Bl. 100 ff. SG-Akte) sowie den Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI (vollstationäre Pflege) zwischen der Beigeladenen und den Krankenkassen vom 26. Juni 2002 (Bl. 124 ff. SG-Akte) beigezogen.
16 
Mit Urteil vom 26. Februar 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei ausgeführt, es könne dahinstehen, ob überhaupt eine Kostenübernahme für eine solche Nachtwache im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII vom Sozialhilfeträger verlangt werden könne. Es könne auch die Frage, ob eine Nachtwache bei der Klägerin medizinisch und pflegerisch geboten sei, oder ob andere Möglichkeiten der nächtlichen Sicherung bestünden, letztlich offenbleiben. Denn selbst wenn die Nachtwache erforderlich wäre, stünde einem entsprechenden Anspruch gegen den Beklagten entgegen, dass bei der Klägerin ein auf eine nächtliche Betreuung gerichteter Bedarf nicht offen sei. Ein solcher Bedarf werde vielmehr bereits durch die vom Beklagten gewährte Hilfe zur Pflege gedeckt. Die Klägerin habe gemäß § 61 SGB XII einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege, der dabei die häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege umfasse. Sie erhalte auch diese Leistungen der Hilfe zur Pflege gemäß den §§ 19 Abs. 3, 61 Abs. 1 SGB XII vom Beklagten. Ihr stehe auch ein Anspruch auf stationäre Heimunterbringung und die Bezahlung eines Barbetrags gemäß § 17 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu. Die in einer Einrichtung erbrachten Leistungen seien dem Sozialhilfeträger als Sachleistung in der Form der Sachleistungsverschaffung zuzurechnen. Entsprechende Leistungen würden der Klägerin von der Beigeladenen als Inhaberin einer Einrichtung im Sinne des § 71 SGB XI erbracht. Der Beklagte habe mit der Beigeladenen eine Vereinbarung im Sinne des § 72 SGB XI (Versorgungsvertrag) abgeschlossen. Der Beklagte sei daher gegenüber den Beigeladenen zur Übernahme der Vergütung verpflichtet. Im Gegenzug habe sich die Beigeladene mit dem Versorgungsvertrag gemäß § 72 SGB XI gegenüber der Klägerin verpflichtet, Leistungen zur Verfügung zu stellen, die aus besonderen medizinischen oder pflegerischen Gründen erforderlich seien. Im Versorgungsvertrag würden Art, Inhalt und Umfang der Pflegeleistungen festgelegt. Die von der Beigeladenen zu erbringenden Leistungen würden weiterhin im Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg geregelt.
17 
Hieraus ergäbe sich, dass die begehrte Nachtwache von der Beigeladenen zu leisten sei. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 des Versorgungsvertrages nach § 72 SGB XI sei die Beigeladene verpflichtet, alle für die Versorgung Pflegebedürftiger erforderlichen Leistungen im Sinne des Rahmenvertrages nach § 75 SGB XI zu erbringen. Gemäß § 1 Abs. 1 des Rahmenvertrages zum Inhalt der Pflegeleistungen sei u.a. der besondere Pflege- und Betreuungsbedarf Pflegebedürftiger mit geistigen Behinderungen, psychischen Erkrankungen, demenzbedingten Fähigkeitsstörungen und anderen Leiden des Nervensystems zu beachten. Nach § 4 Abs. 3 Satz 3 des Rahmenvertrages habe die Beigeladene Beaufsichtigung und Anleitung insbesondere bei psychisch Kranken und geistig und seelisch Behinderten zu leisten. Hieraus folge, dass die Beigeladene der unter psychiatrischen, neurologischen und internistischen Einschränkungen leidenden Klägerin eine medizinisch und pflegerisch gebotene Nachtwache zu leisten habe.
18 
Eine entsprechende Verpflichtung der Beigeladenen bestehe auch im zivilrechtlichen Rechtsverhältnis zu der Klägerin. In § 6 des zwischen der Beigeladenen und der Klägerin vereinbarten Heimvertrages (in der vorgelegten Fassung vom 13. März 2009) habe sich die Beigeladene gegenüber der Klägerin verpflichtet, die im Einzelfall der Klägerin erforderlichen Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens mit dem Ziel einer selbstständigen Lebensführung anzubieten. Unter Abschnitt II des Heimvertrages werde schließlich das Pflege- und Betreuungskonzept der Beigeladenen beschrieben, das eine wertschätzende Beziehungspflege und Fachkompetenz über 24 Stunden am Tag beinhalte. Sofern bei der Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine nächtliche 1:1-Betreuung medizinisch und pflegerisch angezeigt sei, sei die Beigeladene vertraglich verpflichtet, eine entsprechende Leistung zu erbringen. Die Beigeladene könne sich ihrer vertraglichen Verpflichtungen nicht mit dem pauschalen Einwand entledigen, dass ihr mit der gegenwärtigen Personalausstattung die nächtliche Betreuung nicht möglich sei. Sie müsse vielmehr die zur Erbringung der geschuldeten Leistungen erforderlichen sächlichen und personellen Mittel bereithalten oder sich verschaffen. Eine weitergehende Leistungspflicht des Beklagten bestehe dagegen nicht.
19 
Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten am 11. März 2013 zugestellte Urteil am 28. März 2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, zum ersten sei bereits festzustellen, dass die Klägerin in einer reinen Pflegeeinrichtung, die mit Mitteln der Pflegeversicherung grundpflegerische Bedarfe nach dem SGB XI zu decken beauftragt sei, nicht richtig untergebracht sei. Es gebe in ganz Baden-Württemberg keine geeigneten Einrichtungen der Eingliederungshilfe für psychisch kranke Personen, die aufgrund einer schwerwiegenden chronischen Psychose nicht in einer eigenen Wohnung wohnen könnten.
20 
Bei der streitgegenständlichen Leistung gehe es nicht um einen grundpflegerischen Bedarf (§ 14 Abs. 4 SGB XI) und daher auch keine Leistung der Hilfe zur Pflege. Die Klägerin bedürfe vielmehr einer Leistung zum Ausgleich der Folgen ihrer seelischen Erkrankung, eine Teilhabeleistung, die im Rahmen der Eingliederungshilfe zu erbringen sei. Das Pflegeheim habe allerdings keine Verträge über Leistungen der Eingliederungshilfe geschlossen. Es sei aus den einschlägigen Verträgen auch nicht zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe verpflichtet. Es bestehe lediglich ein Versorgungsvertrag für Pflegeleistungen, der über § 75 Abs. 5 SGB XII auch für Pflegeleistungen nach dem SGB XII anzuwenden sei. Dieser Vertrag umfasse aber nächtliche Assistenz oder andere Leistungen zur Teilhabe nicht. Selbst dann, wenn die Einrichtung eine Einrichtung der Eingliederungshilfe sei, habe das LSG Nordrhein-Westfalen am 20. Dezember 2012 (L 9 SO 607/10) jedoch entschieden, dass solche Leistungen nicht von den vertraglichen Verpflichtungen umfasst seien.
21 
In den vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei dahingestellt geblieben, wie die Abgrenzung zwischen Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe vorzunehmen sei. Selbst dann jedoch, wenn man die streitgegenständliche Leistung als Hilfe zur Pflege verstehen wolle, obgleich sie nicht unter die Katalogverrichtungen des § 14 SGB XI, 61 Abs. 5 SGB XII subsummiert werden könne, ändere das nichts daran, dass nicht der Beigeladene, sondern der Beklagte zur Leistungserbringung verpflichtet sei. Denn § 75 Abs. 5 Satz 1 SGB XII regele, dass „andere Verrichtungen“ im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, die eben nicht unter die §§ 61 Abs. 5 SGB XII und 14 SGB XI fielen, auch nicht von den vertraglichen Verpflichtungen aus dem Versorgungsvertrag erfasst seien („... soweit nicht nach § 61 weitergehende Leistungen zu erbringen sind.“).
22 
Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege seien Leistungen, die ohne Weiteres nebeneinander erbracht werden könnten. Wie bereits ausgeführt, seien Einrichtungen, deren Konzeption darauf gerichtet wäre, den psychosebedingten Bedarf der Klägerin zu decken, in Baden-Württemberg nicht bekannt. Die Einrichtung, in der die Klägerin lebe, verfolge eine andere Konzeption, nämlich die eines typischen Pflegeheimes.
23 
Zusammenfassend sei festzustellen, dass die streitgegenständliche Leistung von den vertraglichen Verpflichtungen des Beigeladenen gegenüber der Klägerin nicht erfasst sei. Damit aber müsse sie zusätzlich zum Heimentgelt vergütet werden.
24 
Die Klägerin beantragt,
25 
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Januar 2012 Leistungen der Eingliederungshilfe - hilfsweise ergänzende Leistungen der Hilfe zur Pflege - in Form der Kostenübernahme für nächtliche Assistenz von 19.00 Uhr abends bis 07.00 Uhr morgens in Höhe von monatlich 6.166 EUR zu gewähren.
26 
Der Beklagte beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Der Beklagte macht geltend, es werde nicht bestritten, dass neben Leistungen zur Deckung des grundpflegerischen Bedarfs auch Leistungen der Eingliederungshilfe bei der Klägerin in Betracht kommen könnten. Dies bedeute aber nicht automatisch, dass die hier streitgegenständliche Nachtwache eine Leistung der Eingliederungshilfe darstelle. Die im Einzelfall schwierige Zuordnung einer konkreten Maßnahme zu einer der genannten Hilfearten habe nämlich danach zu erfolgen, welchem Ziel die konkrete Hilfe diene. Nur dann, wenn vornehmlich oder ausschließlich die Förderung der Teilnahme des Behinderten am Leben in der Gemeinschaft im Vordergrund stehe, kämen Hilfen in Form der Eingliederungshilfe in Betracht. Diene die Maßnahme - wie hier - hingegen vornehmlich dem Zweck der Sicherung der Existenz durch regelmäßig wiederkehrende notwendige Hilfen, handele es sich um Leistungen in Form der Hilfe zur Pflege. Während die Eingliederungshilfe auf eine Minimierung der Auswirkungen der Behinderung gerichtet sei, habe die Hilfe zur Pflege mehr einen bewahrenden Charakter im Sinne von Hilfestellungen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens.
29 
Vorliegend solle mit der Nachtwache in erster Linie der Abbau und Verlust von weiteren Fähigkeiten sowie eigen- und fremdgefährdendes Verhalten der Klägerin verhindert werden. Die Maßnahme diene nicht der sozialen Integration der Klägerin. Seien wie hier die Ziele der Eingliederungshilfe nicht mehr erreichbar, würden Leistungen der Eingliederungshilfe von vornherein ausscheiden. Nach § 4 Abs. 3 Satz 3 des Rahmenvertrages nach § 75 SGB XI habe die Beigeladene die Beaufsichtigung und Anleitung insbesondere bei psychisch Kranken und geistig und seelisch Behinderten zu leisten. Hieraus folge, dass die Beigeladene der unter psychiatrischen, neurologischen und internistischen Einschränkungen leidenden Klägerin eine medizinisch und pflegerisch gebotene nächtliche Betreuung zu gewährleisten habe.
30 
Gegen die von der Klägerin im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgebrachten Argumente spreche bereits der Umstand, dass der Betreuungsbedarf der Klägerin in einem für die Pflege von schwerstpflegebedürftigen Bewohnern speziell ausgestatteten Heim ohne die nun beanspruchte Nachtwache gedeckt werden könne.
31 
Die Beigeladene trägt vor, sie schließe sich der Auffassung der Klägerin an und entgegen der Ansicht des SG sei die Beigeladene keineswegs verpflichtet, die zusätzlich von der Klägerin benötigten Leistungen für die Nachtbereitschaft zu erbringen. Entgegen dem SG sei die Beigeladene weder aufgrund des Rahmenvertrages noch aufgrund der Leistungsvereinbarung bzw. der Leistungs- und Qualitätsvereinbarung noch aufgrund des Heimvertrages mit der Klägerin verpflichtet, Eingliederungshilfeleistungen zu erbringen. Dass in vollstationären Pflegeeinrichtungen nicht sämtliche Bedarfe, unabhängig von ihrem Ursprung und ihrer sozialleistungsrechtlichen Zuordnung, zu decken seien, zeige sich beispielsweise auch über den Anspruch gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V auf Behandlungspflege für Versicherte in vollstationären Pflegeeinrichtungen, sofern ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege bestehe. Auch aus der Systematik des SGB XI und des SGB XII ergebe sich eindeutig, dass zwischen den gemäß § 82 SGB XI in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu erbringenden Leistungen und gegebenenfalls zusätzlich zu erbringenden Leistungen der Eingliederungshilfe zu differenzieren sei, vgl. §§ 43, 43a SGB XI; § 55 SGB XII (im Umkehrschluss), §§ 53 f. und 61 f. SGB XII.
32 
Im Einzelnen ergebe sich aus dem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI lediglich eine Nachtwachenbesetzung für die gesamte Bewohnerschaft. In der Einrichtung der Beigeladenen stünden Plätze für maximal 25 Bewohner zur Verfügung. Der Nachtwachenschlüssel belaufe sich aktuell auch auf 1:25. Mit dieser Nachtwachenbesetzung könne die für das gesamte Haus und die gesamte Bewohnerschaft sicherzustellende Nachtbereitschaft inklusive Rundgängen und Erfüllung der individuellen Pflegeplanung sichergestellt werden, nicht aber die ständige Präsenz bei der Klägerin.
33 
Auch aus dem Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI ergebe sich keine Verpflichtung zur Vorhaltung einer Nachtwache und einer 1:1-Betreuung für die Klägerin. Auch wenn es rechtlich möglich wäre, eine solche Betreuung im Vorsorgevertrag niederzulegen, sei dies nicht geschehen.
34 
Eine Fixierung der Klägerin scheide aus der fachlichen und rechtlichen Einschätzung der Beigeladenen aus. Eine Fixierung sei nur zum Wohl der Betroffenen zulässig. Das Amtsgericht Frankfurt habe unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wiederholt entschieden, dass eine Fixierung unter Kostengesichtspunkten unzulässig sei. Die Einrichtung würde sich strafbar machen, die Genehmigung einer Fixierung über den rechtlichen Betreuer zu veranlassen, die fachlich und rechtlich nicht geboten sei, wenn andere Möglichkeiten einer angemessenen Betreuung zu Gebote stünden. Dies sei vorliegend der Fall. Die Klägerin könne durch eine entsprechende nächtliche Assistenz in einer Weise begleitet werden, dass auf Fixierung verzichtet werden könne.
35 
Die Beigeladene legt in dem Zusammenhang noch eine Übersicht über schon in der Vergangenheit versuchsweise genützte Hilfsmittel und Maßnahmen zur Verminderung des Assistenzaufwandes bei der Klägerin vor, die allerdings allesamt scheiterten (Bl. 80/82 Senatsakte).
36 
Der Senat hat bei der Hochschule E., Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege Prof. Dr. Annette R. das Gutachten vom 10. April 2014 zur Frage des Pflegebedarfs bzw. Betreuungsbedarfs der Klägerin im „Haus P.“ eingeholt. Die Gutachterin Prof. Dr. R. hat u.a. darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin ein hoher - vielfach nicht zielgerichteter - Bewegungs- und Beschäftigungsdrang besteht, die Gefahr und Selbstgefährdung, wovon sie sich selbst während des Frühstücks der Klägerin einen Eindruck verschaffen konnte, nämlich im Zusammenhang mit einer hohen Aspirations- und Erstickungsgefahr, da die Klägerin ohne Beaufsichtigung z.B. Brot einfach herunterschlingt ohne zu kauen, ferner bestehe eine Kleptomanie bzw. der Wunsch, fremde Dinge sich zu eigen zu machen, sowie auf der anderen Seite eine durchaus zielgerichtete Interaktion der Klägerin mit den anwesenden Bewohnern im Speisesaal und eine angemessene Kommunikation sowohl mit dem Pflegepersonal wie auch mit der Gutachterin selbst. Im Weiteren hat die Gutachterin darauf verwiesen, dass bei der Klägerin paradoxe, diametrale Reaktionen und ein herausforderndes Verhalten vielfach daraus resultierten, dass sich die Klägerin den Anweisungen/der erfolgten Anleitung direkt widersetze oder diesen etwas entgegensetzen wolle. Das bedeute, dass trotz der vorhandenen Ressourcen nach Anleitung Maßnahmen eigenständig durchzuführen, die Klägerin bei allen einstufungsrelevanten Verrichtungen der Anleitung, auf alle Fälle aber der Beobachtung bedarf. Dies um nämlich im Bedarfsfall rechtzeitig intervenieren zu können und demzufolge Gefahren für die Klägerin abwenden zu können. Die Pflegestufe III sei bei der Klägerin demzufolge angemessen und adäquat.
37 
Ergänzend zu den einstufungsrelevanten Verrichtungen habe die Klägerin auch einen Bedarf in Bezug auf ihre tagesstrukturierende (Aus-)Gestaltung. Sie benötige Anregung, Unterhaltung und Aufmerksamkeit, um zu verhindern, dass sie aus eigener Initiative heraus beginne, eigene oder fremde Gegenstände zu zerlegen, zu zerstören. Auch sei die Beaufsichtigung in der Begegnung und Interaktion mit Bewohnern im Speisesaal erforderlich. Obgleich die Bewohner die Eigenheiten und Reaktionsformen der Klägerin kennen würden, komme es immer wieder zu Konflikten, die einer Intervention bedürften. Da die Klägerin auch sehr flink sei, genau beobachte und stets auf der Suche nach Objekten und Essbarem sei, bedürfe es der direkten Beobachtung, der Nachverfolgung, wo sich die Klägerin aktuell im Haus befinde bzw. auf welchem Stock und in welchem Zimmer sie sich aufhalte. Letztlich sollte die Klägerin rund um die Uhr im Blick behalten werden, möglichst kontinuierlich für Beschäftigungsimpulse und beschäftigende Ablenkung gesorgt werden, um Gefahrensituationen und Konfliktpotentiale zu reduzieren.Hinzu komme die nächtliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Hier habe sich die 1:1-Betreuung bewährt. Dies manifestiere sich insbesondere in dem erlangten Tag-Nacht-Rhythmus der Klägerin sowie in der Reduktion der Stürze und der Selbstgefährdung (wie sie der aktuellen Dokumentation der Pflegenden zu entnehmen sei). Besonders beachtlich sei die aktuell stabile Situation der Klägerin vor dem Hintergrund, dass Dr. N. in ihrem Gutachten vom 18. Januar 2013 eine zeitweise Fixierung der Klägerin mit Tischbrett zur Abwendung der Gefahren als unumgänglich angesehen hatte und aus ihrer Sicht eine Betreuung der Klägerin auch in einem psychiatrischen Pflegeheim ohne eine 1:1-Betreuung nicht ohne die Anwendung von Zwangsmaßnahmen erfolgen könne.
38 
Hinsichtlich der vom Beklagten vorgeschlagenen Unterbringung im Haus K. verweist die Gutachterin darauf, dass ihres Erachtens die Verhaltensformen und Reaktionen der Klägerin weniger dem Milieu geschuldet seien und auch nicht der fehlenden Angebote an Teilhabe, Betreuung und Tagesstruktur, als den jeweiligen (Alltags-)Situationen, die die herausfordernden Verhaltensformen provozierten (z.B. konfliktreiche Interaktionen, für die Klägerin situativ unangemessene Forderungen, die zum Urinieren an inadäquaten Plätzen führten) oder eröffneten (unbewachter Kuchen, der sofort verschlungen werde). Diese zwischenmenschlichen Provokationen und Alltagssituationen ließen sich nach Auffassung der Gutachterin auch in einer anderen Einrichtung nicht gänzlich vermeiden. Da die Selbstgefährdung vornehmlich in der Nacht bestehe, müsse auch eine andere Einrichtung in der Nacht die 1:1-Betreuung bei der Klägerin letztlich sicherstellen.
39 
Mögliche Alternativmaßnahmen, wie spezifische Kleidung, Sensormatte, Niedrigbett oder Hüftprotektoren erscheinen aus Sicht der Gutachterin vor dem Hintergrund auch der Persönlichkeit der Klägerin nicht geeignet als Alternativen zu einer 1:1-Betreuung.
40 
In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 20. August 2040 hat Prof. Dr. R. im Hinblick auf Einwendungen des Beklagten ihre Einschätzung nochmals bekräftigt und darauf verwiesen, dass der von ihr anlässlich des Besuches gewonnene Eindruck von der Klägerin sich im Zusammenspiel mit den Angaben der Pflegekräfte bestätigt hat und sie nach wie vor der Auffassung ist, dass die hier gewährte nächtliche 1:1-Betreuung das notwendige und richtige Mittel darstellt.
41 
Der Senat hat im Weiteren den Leiter Altenhilfe des gerontopsychiatrischen Pflegeheims K., T. St. schriftlich als Zeugen zur Frage einer möglichen Unterbringung im Pflegeheim K. und speziell zum notwendigen Umfang der Betreuung angehört.
42 
Der Zeuge hat in seiner schriftlichen Zeugenauskunft vom 31. März 2015 hierbei angegeben, dass grundsätzlich eine Aufnahme und fachgerechte Versorgung der Klägerin in ihrem Haus möglich sei. Allerdings bedürften die bei der Klägerin bestehenden Verhaltensauffälligkeiten besonderer Rahmenbedingungen, wie Einzelzimmer, angepasste Milieugestaltung, gezielte Pflege- und Betreuungsplanung und deren Sicherstellung. Hinsichtlich der besonderen Auffälligkeiten der Klägerin bei Nacht stelle sich die Frage nach der Personalpräsenz im Nachtdienst. Man habe mit den Pflegekassen weder einen speziellen Pflegesatz noch einen höheren Personalschlüssel vereinbaren können, so dass im Nachtdienst nur der Schlüssel 1:50 gegenfinanziert sei. Das bedeute, dass keine nächtliche Betreuungs- oder zusätzliche pflegerische Angebote möglich seien.
43 
Eine Fixierung – die von der bisher versorgenden Einrichtung als notwendig erachtet worden sei – könne man daher nicht ausschließen, und erscheine auch eher wahrscheinlich, wenn die bisherige 1:1-Betreuung wegfalle. Dies werde allerdings vom gesetzlichen Betreuer abgelehnt. Somit würde ein Wechsel in das Haus K. hinsichtlich Sachlage und Kosten der Unterbringung nichts ändern, wohl aber der Umzug und die Rahmenbedingungen für die Klägerin mit nicht abschätzbaren Folgen für die psychische Stabilität (Bl. 224/225 Senatsakte).
44 
Ferner hat der Senat noch eine Auskunft der Fachärztin für Neurologie Dr. N. vom 19. März 2015 eingeholt. Sie hat mitgeteilt, dass eine Beurteilung der unmittelbaren Veränderungen durch die Aufnahme ins ZfP sie nicht liefern könne, allerdings ließen sich im Verlauf des Aufenthaltes der Klägerin vom 31. Dezember 2015 (gemeint 2013) bis 20. Februar 2015 (gemeint 2014) eine deutliche Reduktion der psychomotorische Unruhe und der Verhaltensauffälligkeiten verzeichnen. Eine 1:1-Betreuung sei trotz der Schweregradreduktion der Zielsymptome bis zuletzt erforderlich gewesen (Bl. 208 Senatsakte).
45 
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 1. Juni und 5. Juni 2015 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
46 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die Akten des SG (S 4 SO 245/12), die Senatsakten sowie die Akten der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (L 2 SO 498/13 ER-B, L 7 SO 3498/12 ER-B, L 2 SO 72/12 ER-B) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
47 
Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
48 
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.
49 
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012, mit denen der Beklagte die Übernahme von zusätzlichen Kosten für eine Nachtwache von 19.00 Uhr abends bis 07.00 Uhr morgens für die Zeit ab 1. Januar 2012 während des Aufenthaltes im „Haus P.“ abgelehnt hat.
II.
50 
Die Berufung der Klägerin ist auch im Sinne des Hilfsantrages begründet. Entgegen der Auffassung des SG hat die Klägerin zusätzlich zu den ihr bereits vom Beklagten gewährten Leistungen der Hilfe zur Pflege einen Anspruch auf Übernahme auch der Kosten in Höhe von zuletzt 6.166,-EUR monatlich für die nächtliche 1:1-Betreuung im Pflegeheim der Beigeladenen.
1.
a.)
51 
Ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten für die nächtliche 1:1-Betreuung besteht allerdings nicht aufgrund der Regelungen zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53, 54 SGB XII.
52 
Gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Für die Leistungen zur Teilhabe gelten gemäß § 53 Abs. 4 S. 1 SGB XII die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus diesem Buch und den aufgrund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt.
53 
Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe zählen gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 zunächst die Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX, als das wären, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen und Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sind gemäß § 55 Abs. 2 insbesondere Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (Nr. 3), Hilfen zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt (Nr. 4), Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (Nr. 6) wie auch Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (Nr. 7).
54 
Ebenso wie der Beklagte meint, fällt auch nach Überzeugung des Senates die hier streitige nächtliche 1:1-Betreuung nicht unter die Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII. Denn die hier notwendige nächtliche 1:1-Betreuung dient erkennbar nicht der Ermöglichung einer Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, sie dient auch nicht der Förderung der Verständigung mit der Umwelt oder einem selbstbestimmten Leben im betreuten Wohnmöglichkeiten, noch generell zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Zweck dieser Maßnahme ist es allein, die Klägerin durch Beaufsichtigung ihrer besonderen Verhaltensweisen letztlich vor der Gefährdung anderer und auch ihrer selbst zu schützen.
b.)
55 
Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung dieser Kosten ergibt sich auch nicht aus den Regelungen zur häuslichen Krankenpflege gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V).
56 
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach Satz 2 unter anderem häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe (Nr. 4). Häusliche Krankenpflege erhalten nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V Versicherte in ihrem Haushalt, Ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen…, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. Der Anspruch besteht gemäß Satz 4 bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der medizinische Dienst festgestellt hat, dass dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist (Satz 5).
57 
Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V kann häusliche Krankenpflege auch als Behandlungspflege gewährt werden, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
58 
Ganz abgesehen davon, dass häusliche Krankenpflege bzw. Behandlungspflege ohnehin nur zeitlich begrenzt zu gewähren sind, scheitert ein Anspruch auf dieser Rechtsgrundlage jedoch schon daran, dass die hier streitige 1:1-Betreuung in keiner Weise dazu dient eine ärztliche Behandlung zu ermöglichen bzw. zu sichern, sondern wie bereits oben unter Buchstabe a ausgeführt nur dazu dient, letztlich die Klägerin in erster Linie vor sich selbst, Selbstgefährdung, zu bewahren.
2.
59 
Ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten ergibt sich vielmehr aus § 61 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 SGB XII.
60 
Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Hilfe zur Pflege ist auch kranken und behinderten Menschen zu leisten, die voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen oder einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 haben oder die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Abs. 5 bedürfen; für Leistungen für eine stationäre oder teilstationäre Einrichtung gilt dies nur, wenn es nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, insbesondere ambulante oder teilstationäre Leistungen nicht zumutbar sind oder nicht ausreichen (Satz 2).
61 
Die Hilfe zur Pflege umfasst gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege. Der Inhalt der Leistungen nach Satz 1 bestimmt sich nach den Regelungen der Pflegeversicherung in § 28 Abs. 1 Nr. 1, 5 bis 8 des Elften Buches aufgeführten Leistungen; § 28 Abs. 4 des Elften Buches gilt entsprechend (Satz 2).
a.)
62 
Die Klägerin gehört unstreitig zum Kreis der Leistungsberechtigten für Leistungen der Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Pflege gemäß den §§ 19 Abs. 3, 61 Abs. 1 SGB XII und erhält diese Leistungen auch insoweit vom Beklagten. Der Klägerin steht auch aufgrund ihrer Erkrankung und der durch die Pflegeversicherung anerkannten Pflegestufe III ein Anspruch auf stationäre Heimunterbringung einschließlich der Bezahlung eines Barbetrags gemäß § 17 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu. Der insoweit gegen den Beklagten bestehende Anspruch betrifft die durch eigenes Einkommen (hier Rente) und die Leistungen der Pflegeversicherung, die den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach dem Zwölften Buch gemäß § 2 SGB XII i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 SGB XI vorgehen, nicht gedeckten Kosten im Sinne einer Sachleistungsverschaffung (vgl. BSG, Urteil vom 2. Februar 2012 - B 8 SO 20/08 R -).
b.)
63 
Die in einer Einrichtung erbrachten Leistungen sind dem Sozialhilfeträger als Sachleistung in der Form der Sachleistungsverschaffung zuzurechnen. Die entsprechenden Leistungen werden der Klägerin von der Beigeladenen als Inhaberin einer Einrichtung im Sinne des § 71 SGB XI auch erbracht. Der Beklagte hat mit der Beigeladenen des Weiteren eine Vereinbarung im Sinne des § 72 SGB XI, nämlich einen Versorgungsvertrag, abgeschlossen. Aufgrund dessen ist der Beklagte auch gegenüber der Beigeladenen zur Übernahme der danach fälligen Vergütung verpflichtet. Im Gegenzug verpflichtete sich die Beigeladene mit dem Versorgungsvertrag gemäß § 72 SGB XI gegenüber der Klägerin, Leistungen zur Verfügung zu stellen, die aus besonderen medizinischen oder pflegerischen Gründen erforderlich sind. Im Versorgungsvertrag werden Art, Inhalt und Umfang der Pflegeleistungen festgelegt. Die von der Beigeladenen zu erbringenden Leistungen werden darüber hinaus im Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg geregelt.
64 
Entgegen der Auffassung des SG ergibt sich allerdings auf der Grundlage dieser Regelungen (Versorgungsvertrag und Rahmenvertrag) keineswegs, dass die begehrte Nachtwache vom Beigeladenen ohne zusätzliche Kostenerstattung zu leisten ist. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 des Versorgungsvertrages und § 72 SGB XI ist zwar die Beigeladene verpflichtet, alle für die Versorgung Pflegebedürftiger erforderlichen Leistungen im Sinne des Rahmenvertrages nach § 75 SGB XI zu erbringen. Nach § 1 Abs. 1 des Rahmenvertrages sind Inhalt der Pflegeleistungen die im Einzelfall erforderliche Hilfe zur Unterstützung, zur teilweisen oder zur vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder zur Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen. Die Hilfen sollen auch die Maßnahmen enthalten, die Pflegebedürftigkeit mindern sowie einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit und der Entstehung von Sekundärerkrankungen vorbeugen. Dabei ist der besondere Pflege- und Betreuungsbedarf Pflegebedürftiger mit geistigen Behinderungen, psychischen Erkrankungen, demenzbedingten Fähigkeitsstörungen und anderen Leiden des Nervensystems zu beachten. Nach § 4 Abs. 3 Satz 3 des Rahmenvertrages hat die Beigeladene Beaufsichtigung und Anleitung insbesondere bei psychisch Kranken und geistig und seelisch Behinderten zu leisten. Hieraus folgt jedoch entgegen der Auffassung des SG zur Überzeugung des Senates keineswegs, dass damit die Beigeladene auch hinsichtlich der hier notwendigen 1:1-Nachtwache diese aufgrund des Versorgungsvertrages i.V.m. dem Rahmenvertrag und der bereits geleisteten Vergütung zu erbringen hat. Denn diese über das normale übliche Maß deutlich hinausgehenden ergänzenden notwendigen Maßnahmen sind von dieser Regelung nicht mitumfasst. Denn die in § 4 Abs. 3 Satz 3 des Rahmenvertrages geforderte Beaufsichtigung und Anleitung insbesondere bei psychisch Kranken und geistig und seelisch Behinderten erfasst nach Überzeugung des Senates die hier notwendige aber völlig außerhalb des Normalen stehende 1:1-Betreuung während der Nacht in keiner Weise. Vielmehr ist mit dieser Formulierung ganz offensichtlich die der Klägerin im Übrigen auch tagsüber durch das Pflegepersonal angedeihte Beaufsichtigung und Anleitung gemeint, wie sie auch im Gutachten von Prof. Dr. R. beschrieben ist. Denn die Vertragsparteien sind ganz offensichtlich bei diesen Regelungen im Rahmenvertrag bzw. Versorgungsvertrag von den üblichen Anforderungen und Bedürfnissen ausgegangen, nicht aber von einer so außergewöhnlichen Konstellation und so besonders aufwendig zu betreuenden Pflegebedürftigen, wie dies bei der Klägerin der Fall ist.
65 
Außerdem ergibt sich aus dem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI lediglich eine Nachtwa-chenbesetzung für die gesamte Bewohnerschaft. In der Einrichtung der Beigeladenen stehen Plätze für maximal 25 Bewohner zur Verfügung. Der Nachtwachenschlüssel beläuft sich aktuell auch auf 1:25. Mit dieser Nachtwachenbesetzung kann die für das gesamte Haus und die ge-samte Bewohnerschaft sicherzustellende Nachtbereitschaft inklusive Rundgängen und Erfüllung der individuellen Pflegeplanung sichergestellt werden, nicht aber die ständige Präsenz bei der Klägerin.
66 
Dass in vollstationären Pflegeeinrichtungen nicht sämtliche Bedarfe, unabhängig von ihrem Ursprung und ihrer sozialleistungsrechtlichen Zuordnung, zu decken sind, zeigt sich beispielsweise auch über den Anspruch gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V auf Behandlungspflege für Versicherte in vollstationären Pflegeeinrichtungen, sofern ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege besteht (siehe hierzu auch die Ausführungen unter 1 b).
3.
67 
Entgegen der Auffassung des SG ergibt sich auch nichts anderes aus dem Heimvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen. In § 6 Abs. 1 ist lediglich die Rede davon, dass dem Bewohner des Heimes die im Einzelfall erforderlichen Hilfen bei den Verrichtungendes täglichen Lebens mit dem Ziel einer selbstständigen Lebensführung angeboten werden (Satz 1). Diese Hilfen können Anleitung, Unterstützung, Beaufsichtigung und teilweise oder vollständige Übernahme der Verrichtungen sein (Satz 2). Zu den Leistungen der Pflege gehören Hilfen bei der Körperpflege, Hilfe bei der Ernährung und Hilfen bei der Mobilität (Satz 3). Im Übrigen verweist der Heimvertrag in § 6 Abs. 2 hinsichtlich Art und Inhalt der Leistung auf die leistungsbezogenen Regelungen des jeweils gültigen Landesrahmenvertrages gemäß § 75 SGB XI. Wie der Senat bereits oben unter Ziff. 2 ausgeführt hat, kann entgegen der Auffassung des SG § 4 Abs. 3 Satz 3 des Rahmenvertrages keineswegs eine Verpflichtung zu einer nächtlichen 1:1-Betreuung entnommen werden und damit auch nicht aus dem Heimvertrag unter Bezugnahme auf diese Verweisung in § 6 Abs. 2. Den in § 6 Abs. 1 des Heimvertrages beschriebenen Leistungen kann ebenso wenig entnommen werden, dass dort die gerade nicht das Übliche darstellende nächtliche 1:1-Betreuung mit erfasst ist. Auch hier ist offensichtlich der übliche Pflegebedarf beschrieben, was sich im Übrigen gerade auch wiederum aus dem Verweis auf den Landesrahmenvertrag nach § 75 SGB XI ergibt, zugrunde gelegt.
68 
Hierbei ist auch noch festzuhalten, dass ausdrücklich in der Anlage Nr. 4 zu § 13 Abs. 1 des Heimvertrages vom 10. November 2009 (Bl. 159/160 SG-Akte) eine Vereinbarung über den Ausschluss einer Anpassungsverpflichtung bei veränderten Pflege- oder Betreuungsbedarf mit dem Inhalt geschlossen wurde, dass sich (Abs. 1) sofern der Pflege- oder Betreuungsbedarf des Bewohners sich ändern sollte, die Einrichtung entsprechend an diesen veränderten Bedarf angepasste Leistungen anbietet. Allerdings könne die Einrichtung in den folgenden Fällen die notwendigen Leistungen nicht anbieten, weshalb eine Anpassung ausgeschlossen werde, so unter anderem (Buchstabe a) bei der Versorgung von Wachkomapatienten, Patienten mit apallischem Syndrom und von beatmungspflichtigen Patienten sowie von Patienten mit Krankheiten oder Behinderungen, die eine ununterbrochene Beaufsichtigung und die Möglichkeit der jederzeitigen Intervention erforderlich machen. Die Einrichtung sei ihrer Konzeption nach für eine intensivmedizinische Versorgung personell, baulich und apparativ nicht ausgestattet.
69 
D.h. mit anderen Worten, dass – wenngleich hier offenkundig in erster Linie an eine intensivmedizinische Versorgung gedacht ist – auch eine Verpflichtung der Beigeladenen, die hier notwendige nächtliche 1:1-Betreuung, die durchaus der dort beschriebenen Versorgung jedenfalls vom personellen Bedarf her entspricht, aufgrund des Heimvertrages zu erbringen (unabhängig von der Frage der Kostendeckung) gerade nicht besteht.
4.
70 
Vielmehr handelt es sich zur Überzeugung des Senates bei der hier streitigen nächtlichen 1:1-Betreuung um „andere Verrichtungen“ im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Danach ist nämlich - wie bereits oben zitiert - Hilfe zur Pflege auch kranken und behinderten Menschen zu leisten, die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Abs. 5 bedürfen. In § 61 Abs. 5 sind als gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1 aufgeführt:
71 
1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- und Blasenentleerung,
72 
2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung,
73 
3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung,
74 
4. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen.
75 
Mit dieser Regelung in § 61 Abs. 1 Satz 2 3. Alternative werden die Sozialhilfeträger im Wege der Ausweitung des sozialhilferechtlichen Pflegebegriffs verpflichtet, auch diejenigen Leistungen bereitzustellen, die von der Pflegeversicherung infolge deren Einschränkung des Pflegebegriffs auf körperbezogene und hauswirtschaftliche Verrichtungshilfen (§ 14 Abs. 4 SGB XI) nicht gedeckt werden. Zum erweiterten Pflegebegriff gehören z.B. allgemeine Anleitung und Beaufsichtigung, die Orientierung im häuslichen wie außerhäuslichen Bereich, die Strukturierung des Tagesablaufs mit seinen unterschiedlichen körperlichen, geistigen und seelischen Bedürfnissen, der Schutz vor Selbst- und Fremdgefährdung sowie die Herstellung von Beziehungen zur Umwelt, schließlich auch der Zeitaufwand, der zur Beruhigung eines Pflegebedürftigen gebraucht wird (so Krahmer/Sommer in LPK SGB XII § 61 Rdnr. 7 mit Hinweis auf Klie in Hauck/Nofz § 61 Rdnr. 5). Auch die Tages- oder Nachtbereitschaft bei nicht planbarem Pflegebedarf ist als Teil der „anderen Verrichtungen“ anzuerkennen (so Krahmer/Sommer a.a.O.; siehe auch H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm § 61 Rdnr. 35).
76 
Diesen weitergehenden Pflegebedarf hat Prof. Dr. R. in ihrem Gutachten auch nochmals ausdrücklich beschrieben und bestätigt. So den hohen Bewegungs- und Beschäftigungsdrang, die Gefahr der Selbstgefährdung, insbesondere auch die paradoxen und diametralen Reaktionen der Klägerin bei Anweisung und erfolgter Anleitung, sodass die Klägerin bei allen einstufungsrelevanten Verrichtungen der Anleitung, auf alle Fälle aber der Beobachtung bedarf, um im Bedarfsfall rechtzeitig intervenieren zu können und Gefahren für sie abwenden zu können.
77 
Dieser pflegerische (weitergehende) Bedarf kann auch nachts nur durch eine 1:1-Betreuung gewährleistet werden. Insbesondere scheiden die in der Vergangenheit bereits angesprochenen und auch vom Beigeladenen ausprobierten Alternativen (wie eine entsprechende spezifische Kleidung, eine Sensormatte, Niedrigbett oder Hüftprotektoren) aus. So hat Prof. Dr. R. auch darauf hingewiesen - wie im Übrigen auch die Beigeladene bereits in ihrer Stellungnahme -, dass aufgrund der Mobilitätsressourcen und der kognitiven Ressourcen der Klägerin diese sehr schnell einen Weg findet, auch eine solche Kleidung in einem unbeobachteten Moment zu öffnen, zu zerstören und zu entfernen. Da das Urinieren auf die Treppe vornehmlich dann erfolgt, wenn die Klägerin ihren Willen nicht durchsetzen kann - weniger aufgrund ihrer kognitiven Situation oder Inkontinenz - wären auch entsprechende Inkontinenzmaterialien nach Auffassung von Prof. Dr. R. nicht hilfreich bzw. könnten die Verhaltensformen nicht verhindern. Bei der Sensormatte ist zu berücksichtigen, dass diese zwar anzeigt, wenn die Bewohnerin aufsteht. Wenn aber das nächtliche Aufstehen die beschriebene Sturzgefahr bzw. Selbstgefährdung birgt, müsste an sich gleichzeitig permanent sichergestellt werden, dass sich im Moment des Alarms auch sofort jemand zur Klägerin begibt. Dies kann allerdings von einer normalen Nachtwache, wie sie auch etwa bei der Beigeladenen ausgerichtet ist, nämlich eine Person für 25 Bewohner, nicht geleistet werden. Nicht anders stellt sich die Situation bei einem Niedrigbett dar oder auch bei den Hüftprotektoren.
78 
Das heißt weiter, dass auch bei einer Unterbringung der Klägerin in einer anderen Einrichtung (hier das zuletzt vom Beklagten vorgeschlagene Haus K.) eine nächtliche 1:1-Betreuung ebenfalls notwendig wäre. Auch das Haus K. kann dies ohne zusätzliche Personal für die Klägerin nicht leisten, weil auch dort, selbst wenn bei der Gerontopsychiatrischen Abteilung ein höherer Personalschlüssel besteht, jedenfalls eine nächtliche 1:1-Betreuung für die Klägerin ohne zusätzliches Personal ebenfalls nicht möglich wäre.
79 
Darüber hinaus besteht auch die bereits von Dr. N., Dr. St. und auch nochmals von Prof. Dr. R. angesprochenen erheblichen Probleme bei einem Wechsel der vertrauten Umgebung. Während im „Haus P.“ das Personal zwischenzeitlich offensichtlich nach den Feststellungen der behandelnden Ärztin Dr. N. in E. als auch den von Prof. Dr. R. zur Klägerin ein vertrauensvolles Verhältnis hat aufbauen können, was gerade die Grundlage dafür ist, dass die Klägerin einigermaßen geführt werden kann. Dies alles müsste bei einem Wechsel in eine andere Einrichtung wieder neu aufgebaut werden. Dieser Prozess aber würde neue Herausforderungen provozieren und auch neue Gefahren für die Klägerin verursachen. Die Klägerin würde zunächst wiederum versuchen, ihre Grenzen auszuloten, ihren Platz zu finden und intensiv abwägen, bei welchem Mitarbeiter/welcher Mitarbeiterin sie welche Forderungen in welcher Form und mit welcher Verhaltensweise durchsetzen kann. Diesen Prozess der Annäherung und des Vertrauensaufbaus zu den Pflegenden, den in der Einrichtung lebenden Bewohnern und auch zum behandelnden Arzt, würde eine erhebliche Anstrengung seitens aller Beteiligten einfordern und für die Klägerin zunächst wiederum Raum für Selbst-und Fremdgefährdung eröffnen.
80 
Soweit der Beklagte gegen die gutachterliche Einschätzung von Prof. Dr. R. eingewandt hat, die Gutachterin habe die Klägerin nur tagsüber im "Haus P." erlebt, sich jedoch nicht selbst einen Eindruck von dem nächtlichen Betreuungsbedarf gemacht, greift dies nicht durch. Die Gutachterin hat vielmehr überzeugend darauf verwiesen, dass die Beobachtung an während einer einzelnen willkürlich herausgegriffenen Nacht keine abschließende Beurteilung zulässt, sondern auch in diesem Falle sie – wie von ihr ohnehin vorgenommen – darauf angewiesen wäre, die Dokumentationen einerseits und die Angaben der Betreuungspersonen bzw. Pflegefachkräfte andererseits auszuwerten und abschließend zu beurteilen.
III.
81 
Entgegen der Auffassung des Beklagten findet sich auch keine alternative Einrichtung, in der die Klägerin mit einem geringeren personellen und damit finanziellen Aufwand nachts betreut werden kann, ohne dass es zu Selbst- oder Fremdgefährdungen durch die Klägerin kommt. So hat der Zeuge S, Leiter Altenhilfe, Gerontopsychiatrisches Pflegeheim K. in seiner schriftlichen Auskunft vom 31. März 2015 ausdrücklich darauf verwiesen, dass im Nachtdienst nur ein Personalschlüssel 1:50 gegenfinanziert sei. Das bedeute, dass keine nächtliche Betreuungs- oder zusätzliche pflegerische Angebote möglich seien.
82 
Eine Fixierung – die von der bisher versorgenden Einrichtung als notwendig erachtet worden sei – könne man daher nicht ausschließen, und erscheine auch eher wahrscheinlich, wenn die bishe-rige 1:1-Betreuung wegfalle. Dies werde allerdings vom gesetzlichen Betreuer abgelehnt. Somit würde ein Wechsel in das Haus K. hinsichtlich Sachlage und Kosten der Unterbringung nichts ändern, wohl aber der Umzug und die Rahmenbedingungen für die Klägerin mit nicht abschätzbaren Folgen für die psychische Stabilität (Bl. 224/225 Senatsakte).
83 
Aus diesen Gründen war auch der Anregung des Beklagten anhand der noch vorgelegten Liste (Aktenvermerk) vom 25. März 2015 (Bl. 211 ff. Senatsakte) mit verschiedenen Einrichtungen (unter anderem ZfP R. Gerontopsychiatrisches Pflegeheim; R., psychiatrischer Pflegebereich für chronisch psychisch kranke Menschen;) bei diesen Einrichtungen noch Anfragen zu den Möglichkeiten einer Betreuung zu veranlassen, nicht mehr nachzugehen. Abgesehen davon, dass ausweislich des vom Beklagten selbst vorgelegten Aktenvermerkes all die dort benannten Häuser eine Aufnahme der Klägerin ablehnten, sofern eine 1:1-Betreuung erbracht werden müsse, kommt hinzu, dass diese Häuser in der Regel noch mehr Bewohner haben, als die Beigeladene mit der Folge, dass dort sogar der Betreuungsschlüssel nachts nicht nur 1:25 wie bei der Beigeladenen sondern 1:50 beträgt, damit aber die Notwendigkeit einer 1:1-Betreuung bei der Klägerin im Hinblick auf ihre besonderen Verhaltensauffälligkeiten noch offenkundiger ist.
84 
Aus diesen Gründen ist das Urteil des SG aufzuheben und der Beklagte gem. dem Hilfsantrag zu verurteilen, über die bereits gewährten Leistungen der Hilfe zur Pflege hinaus auch die weiteren zusätzlichen Kosten für die nächtliche 1:1-Betreuung der Klägerin im „Haus P.“ in Höhe von 6.166,-EUR zu übernehmen. Soweit die Klägerin im Hauptantrag die streitigen (zusätzlichen) Leistungen als Leistung der Eingliederungshilfe geltend gemacht hat, war insoweit die Berufung zurückzuweisen.
IV.
85 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
86 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
I.
47 
Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
48 
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.
49 
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012, mit denen der Beklagte die Übernahme von zusätzlichen Kosten für eine Nachtwache von 19.00 Uhr abends bis 07.00 Uhr morgens für die Zeit ab 1. Januar 2012 während des Aufenthaltes im „Haus P.“ abgelehnt hat.
II.
50 
Die Berufung der Klägerin ist auch im Sinne des Hilfsantrages begründet. Entgegen der Auffassung des SG hat die Klägerin zusätzlich zu den ihr bereits vom Beklagten gewährten Leistungen der Hilfe zur Pflege einen Anspruch auf Übernahme auch der Kosten in Höhe von zuletzt 6.166,-EUR monatlich für die nächtliche 1:1-Betreuung im Pflegeheim der Beigeladenen.
1.
a.)
51 
Ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten für die nächtliche 1:1-Betreuung besteht allerdings nicht aufgrund der Regelungen zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53, 54 SGB XII.
52 
Gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Für die Leistungen zur Teilhabe gelten gemäß § 53 Abs. 4 S. 1 SGB XII die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus diesem Buch und den aufgrund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt.
53 
Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe zählen gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 zunächst die Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX, als das wären, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen und Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sind gemäß § 55 Abs. 2 insbesondere Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (Nr. 3), Hilfen zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt (Nr. 4), Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (Nr. 6) wie auch Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (Nr. 7).
54 
Ebenso wie der Beklagte meint, fällt auch nach Überzeugung des Senates die hier streitige nächtliche 1:1-Betreuung nicht unter die Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII. Denn die hier notwendige nächtliche 1:1-Betreuung dient erkennbar nicht der Ermöglichung einer Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, sie dient auch nicht der Förderung der Verständigung mit der Umwelt oder einem selbstbestimmten Leben im betreuten Wohnmöglichkeiten, noch generell zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Zweck dieser Maßnahme ist es allein, die Klägerin durch Beaufsichtigung ihrer besonderen Verhaltensweisen letztlich vor der Gefährdung anderer und auch ihrer selbst zu schützen.
b.)
55 
Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung dieser Kosten ergibt sich auch nicht aus den Regelungen zur häuslichen Krankenpflege gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V).
56 
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach Satz 2 unter anderem häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe (Nr. 4). Häusliche Krankenpflege erhalten nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V Versicherte in ihrem Haushalt, Ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen…, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. Der Anspruch besteht gemäß Satz 4 bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der medizinische Dienst festgestellt hat, dass dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist (Satz 5).
57 
Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V kann häusliche Krankenpflege auch als Behandlungspflege gewährt werden, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
58 
Ganz abgesehen davon, dass häusliche Krankenpflege bzw. Behandlungspflege ohnehin nur zeitlich begrenzt zu gewähren sind, scheitert ein Anspruch auf dieser Rechtsgrundlage jedoch schon daran, dass die hier streitige 1:1-Betreuung in keiner Weise dazu dient eine ärztliche Behandlung zu ermöglichen bzw. zu sichern, sondern wie bereits oben unter Buchstabe a ausgeführt nur dazu dient, letztlich die Klägerin in erster Linie vor sich selbst, Selbstgefährdung, zu bewahren.
2.
59 
Ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten ergibt sich vielmehr aus § 61 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 SGB XII.
60 
Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Hilfe zur Pflege ist auch kranken und behinderten Menschen zu leisten, die voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen oder einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 haben oder die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Abs. 5 bedürfen; für Leistungen für eine stationäre oder teilstationäre Einrichtung gilt dies nur, wenn es nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, insbesondere ambulante oder teilstationäre Leistungen nicht zumutbar sind oder nicht ausreichen (Satz 2).
61 
Die Hilfe zur Pflege umfasst gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege. Der Inhalt der Leistungen nach Satz 1 bestimmt sich nach den Regelungen der Pflegeversicherung in § 28 Abs. 1 Nr. 1, 5 bis 8 des Elften Buches aufgeführten Leistungen; § 28 Abs. 4 des Elften Buches gilt entsprechend (Satz 2).
a.)
62 
Die Klägerin gehört unstreitig zum Kreis der Leistungsberechtigten für Leistungen der Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Pflege gemäß den §§ 19 Abs. 3, 61 Abs. 1 SGB XII und erhält diese Leistungen auch insoweit vom Beklagten. Der Klägerin steht auch aufgrund ihrer Erkrankung und der durch die Pflegeversicherung anerkannten Pflegestufe III ein Anspruch auf stationäre Heimunterbringung einschließlich der Bezahlung eines Barbetrags gemäß § 17 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu. Der insoweit gegen den Beklagten bestehende Anspruch betrifft die durch eigenes Einkommen (hier Rente) und die Leistungen der Pflegeversicherung, die den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach dem Zwölften Buch gemäß § 2 SGB XII i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 SGB XI vorgehen, nicht gedeckten Kosten im Sinne einer Sachleistungsverschaffung (vgl. BSG, Urteil vom 2. Februar 2012 - B 8 SO 20/08 R -).
b.)
63 
Die in einer Einrichtung erbrachten Leistungen sind dem Sozialhilfeträger als Sachleistung in der Form der Sachleistungsverschaffung zuzurechnen. Die entsprechenden Leistungen werden der Klägerin von der Beigeladenen als Inhaberin einer Einrichtung im Sinne des § 71 SGB XI auch erbracht. Der Beklagte hat mit der Beigeladenen des Weiteren eine Vereinbarung im Sinne des § 72 SGB XI, nämlich einen Versorgungsvertrag, abgeschlossen. Aufgrund dessen ist der Beklagte auch gegenüber der Beigeladenen zur Übernahme der danach fälligen Vergütung verpflichtet. Im Gegenzug verpflichtete sich die Beigeladene mit dem Versorgungsvertrag gemäß § 72 SGB XI gegenüber der Klägerin, Leistungen zur Verfügung zu stellen, die aus besonderen medizinischen oder pflegerischen Gründen erforderlich sind. Im Versorgungsvertrag werden Art, Inhalt und Umfang der Pflegeleistungen festgelegt. Die von der Beigeladenen zu erbringenden Leistungen werden darüber hinaus im Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg geregelt.
64 
Entgegen der Auffassung des SG ergibt sich allerdings auf der Grundlage dieser Regelungen (Versorgungsvertrag und Rahmenvertrag) keineswegs, dass die begehrte Nachtwache vom Beigeladenen ohne zusätzliche Kostenerstattung zu leisten ist. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 des Versorgungsvertrages und § 72 SGB XI ist zwar die Beigeladene verpflichtet, alle für die Versorgung Pflegebedürftiger erforderlichen Leistungen im Sinne des Rahmenvertrages nach § 75 SGB XI zu erbringen. Nach § 1 Abs. 1 des Rahmenvertrages sind Inhalt der Pflegeleistungen die im Einzelfall erforderliche Hilfe zur Unterstützung, zur teilweisen oder zur vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder zur Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen. Die Hilfen sollen auch die Maßnahmen enthalten, die Pflegebedürftigkeit mindern sowie einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit und der Entstehung von Sekundärerkrankungen vorbeugen. Dabei ist der besondere Pflege- und Betreuungsbedarf Pflegebedürftiger mit geistigen Behinderungen, psychischen Erkrankungen, demenzbedingten Fähigkeitsstörungen und anderen Leiden des Nervensystems zu beachten. Nach § 4 Abs. 3 Satz 3 des Rahmenvertrages hat die Beigeladene Beaufsichtigung und Anleitung insbesondere bei psychisch Kranken und geistig und seelisch Behinderten zu leisten. Hieraus folgt jedoch entgegen der Auffassung des SG zur Überzeugung des Senates keineswegs, dass damit die Beigeladene auch hinsichtlich der hier notwendigen 1:1-Nachtwache diese aufgrund des Versorgungsvertrages i.V.m. dem Rahmenvertrag und der bereits geleisteten Vergütung zu erbringen hat. Denn diese über das normale übliche Maß deutlich hinausgehenden ergänzenden notwendigen Maßnahmen sind von dieser Regelung nicht mitumfasst. Denn die in § 4 Abs. 3 Satz 3 des Rahmenvertrages geforderte Beaufsichtigung und Anleitung insbesondere bei psychisch Kranken und geistig und seelisch Behinderten erfasst nach Überzeugung des Senates die hier notwendige aber völlig außerhalb des Normalen stehende 1:1-Betreuung während der Nacht in keiner Weise. Vielmehr ist mit dieser Formulierung ganz offensichtlich die der Klägerin im Übrigen auch tagsüber durch das Pflegepersonal angedeihte Beaufsichtigung und Anleitung gemeint, wie sie auch im Gutachten von Prof. Dr. R. beschrieben ist. Denn die Vertragsparteien sind ganz offensichtlich bei diesen Regelungen im Rahmenvertrag bzw. Versorgungsvertrag von den üblichen Anforderungen und Bedürfnissen ausgegangen, nicht aber von einer so außergewöhnlichen Konstellation und so besonders aufwendig zu betreuenden Pflegebedürftigen, wie dies bei der Klägerin der Fall ist.
65 
Außerdem ergibt sich aus dem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI lediglich eine Nachtwa-chenbesetzung für die gesamte Bewohnerschaft. In der Einrichtung der Beigeladenen stehen Plätze für maximal 25 Bewohner zur Verfügung. Der Nachtwachenschlüssel beläuft sich aktuell auch auf 1:25. Mit dieser Nachtwachenbesetzung kann die für das gesamte Haus und die ge-samte Bewohnerschaft sicherzustellende Nachtbereitschaft inklusive Rundgängen und Erfüllung der individuellen Pflegeplanung sichergestellt werden, nicht aber die ständige Präsenz bei der Klägerin.
66 
Dass in vollstationären Pflegeeinrichtungen nicht sämtliche Bedarfe, unabhängig von ihrem Ursprung und ihrer sozialleistungsrechtlichen Zuordnung, zu decken sind, zeigt sich beispielsweise auch über den Anspruch gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V auf Behandlungspflege für Versicherte in vollstationären Pflegeeinrichtungen, sofern ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege besteht (siehe hierzu auch die Ausführungen unter 1 b).
3.
67 
Entgegen der Auffassung des SG ergibt sich auch nichts anderes aus dem Heimvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen. In § 6 Abs. 1 ist lediglich die Rede davon, dass dem Bewohner des Heimes die im Einzelfall erforderlichen Hilfen bei den Verrichtungendes täglichen Lebens mit dem Ziel einer selbstständigen Lebensführung angeboten werden (Satz 1). Diese Hilfen können Anleitung, Unterstützung, Beaufsichtigung und teilweise oder vollständige Übernahme der Verrichtungen sein (Satz 2). Zu den Leistungen der Pflege gehören Hilfen bei der Körperpflege, Hilfe bei der Ernährung und Hilfen bei der Mobilität (Satz 3). Im Übrigen verweist der Heimvertrag in § 6 Abs. 2 hinsichtlich Art und Inhalt der Leistung auf die leistungsbezogenen Regelungen des jeweils gültigen Landesrahmenvertrages gemäß § 75 SGB XI. Wie der Senat bereits oben unter Ziff. 2 ausgeführt hat, kann entgegen der Auffassung des SG § 4 Abs. 3 Satz 3 des Rahmenvertrages keineswegs eine Verpflichtung zu einer nächtlichen 1:1-Betreuung entnommen werden und damit auch nicht aus dem Heimvertrag unter Bezugnahme auf diese Verweisung in § 6 Abs. 2. Den in § 6 Abs. 1 des Heimvertrages beschriebenen Leistungen kann ebenso wenig entnommen werden, dass dort die gerade nicht das Übliche darstellende nächtliche 1:1-Betreuung mit erfasst ist. Auch hier ist offensichtlich der übliche Pflegebedarf beschrieben, was sich im Übrigen gerade auch wiederum aus dem Verweis auf den Landesrahmenvertrag nach § 75 SGB XI ergibt, zugrunde gelegt.
68 
Hierbei ist auch noch festzuhalten, dass ausdrücklich in der Anlage Nr. 4 zu § 13 Abs. 1 des Heimvertrages vom 10. November 2009 (Bl. 159/160 SG-Akte) eine Vereinbarung über den Ausschluss einer Anpassungsverpflichtung bei veränderten Pflege- oder Betreuungsbedarf mit dem Inhalt geschlossen wurde, dass sich (Abs. 1) sofern der Pflege- oder Betreuungsbedarf des Bewohners sich ändern sollte, die Einrichtung entsprechend an diesen veränderten Bedarf angepasste Leistungen anbietet. Allerdings könne die Einrichtung in den folgenden Fällen die notwendigen Leistungen nicht anbieten, weshalb eine Anpassung ausgeschlossen werde, so unter anderem (Buchstabe a) bei der Versorgung von Wachkomapatienten, Patienten mit apallischem Syndrom und von beatmungspflichtigen Patienten sowie von Patienten mit Krankheiten oder Behinderungen, die eine ununterbrochene Beaufsichtigung und die Möglichkeit der jederzeitigen Intervention erforderlich machen. Die Einrichtung sei ihrer Konzeption nach für eine intensivmedizinische Versorgung personell, baulich und apparativ nicht ausgestattet.
69 
D.h. mit anderen Worten, dass – wenngleich hier offenkundig in erster Linie an eine intensivmedizinische Versorgung gedacht ist – auch eine Verpflichtung der Beigeladenen, die hier notwendige nächtliche 1:1-Betreuung, die durchaus der dort beschriebenen Versorgung jedenfalls vom personellen Bedarf her entspricht, aufgrund des Heimvertrages zu erbringen (unabhängig von der Frage der Kostendeckung) gerade nicht besteht.
4.
70 
Vielmehr handelt es sich zur Überzeugung des Senates bei der hier streitigen nächtlichen 1:1-Betreuung um „andere Verrichtungen“ im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Danach ist nämlich - wie bereits oben zitiert - Hilfe zur Pflege auch kranken und behinderten Menschen zu leisten, die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Abs. 5 bedürfen. In § 61 Abs. 5 sind als gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1 aufgeführt:
71 
1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- und Blasenentleerung,
72 
2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung,
73 
3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung,
74 
4. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen.
75 
Mit dieser Regelung in § 61 Abs. 1 Satz 2 3. Alternative werden die Sozialhilfeträger im Wege der Ausweitung des sozialhilferechtlichen Pflegebegriffs verpflichtet, auch diejenigen Leistungen bereitzustellen, die von der Pflegeversicherung infolge deren Einschränkung des Pflegebegriffs auf körperbezogene und hauswirtschaftliche Verrichtungshilfen (§ 14 Abs. 4 SGB XI) nicht gedeckt werden. Zum erweiterten Pflegebegriff gehören z.B. allgemeine Anleitung und Beaufsichtigung, die Orientierung im häuslichen wie außerhäuslichen Bereich, die Strukturierung des Tagesablaufs mit seinen unterschiedlichen körperlichen, geistigen und seelischen Bedürfnissen, der Schutz vor Selbst- und Fremdgefährdung sowie die Herstellung von Beziehungen zur Umwelt, schließlich auch der Zeitaufwand, der zur Beruhigung eines Pflegebedürftigen gebraucht wird (so Krahmer/Sommer in LPK SGB XII § 61 Rdnr. 7 mit Hinweis auf Klie in Hauck/Nofz § 61 Rdnr. 5). Auch die Tages- oder Nachtbereitschaft bei nicht planbarem Pflegebedarf ist als Teil der „anderen Verrichtungen“ anzuerkennen (so Krahmer/Sommer a.a.O.; siehe auch H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm § 61 Rdnr. 35).
76 
Diesen weitergehenden Pflegebedarf hat Prof. Dr. R. in ihrem Gutachten auch nochmals ausdrücklich beschrieben und bestätigt. So den hohen Bewegungs- und Beschäftigungsdrang, die Gefahr der Selbstgefährdung, insbesondere auch die paradoxen und diametralen Reaktionen der Klägerin bei Anweisung und erfolgter Anleitung, sodass die Klägerin bei allen einstufungsrelevanten Verrichtungen der Anleitung, auf alle Fälle aber der Beobachtung bedarf, um im Bedarfsfall rechtzeitig intervenieren zu können und Gefahren für sie abwenden zu können.
77 
Dieser pflegerische (weitergehende) Bedarf kann auch nachts nur durch eine 1:1-Betreuung gewährleistet werden. Insbesondere scheiden die in der Vergangenheit bereits angesprochenen und auch vom Beigeladenen ausprobierten Alternativen (wie eine entsprechende spezifische Kleidung, eine Sensormatte, Niedrigbett oder Hüftprotektoren) aus. So hat Prof. Dr. R. auch darauf hingewiesen - wie im Übrigen auch die Beigeladene bereits in ihrer Stellungnahme -, dass aufgrund der Mobilitätsressourcen und der kognitiven Ressourcen der Klägerin diese sehr schnell einen Weg findet, auch eine solche Kleidung in einem unbeobachteten Moment zu öffnen, zu zerstören und zu entfernen. Da das Urinieren auf die Treppe vornehmlich dann erfolgt, wenn die Klägerin ihren Willen nicht durchsetzen kann - weniger aufgrund ihrer kognitiven Situation oder Inkontinenz - wären auch entsprechende Inkontinenzmaterialien nach Auffassung von Prof. Dr. R. nicht hilfreich bzw. könnten die Verhaltensformen nicht verhindern. Bei der Sensormatte ist zu berücksichtigen, dass diese zwar anzeigt, wenn die Bewohnerin aufsteht. Wenn aber das nächtliche Aufstehen die beschriebene Sturzgefahr bzw. Selbstgefährdung birgt, müsste an sich gleichzeitig permanent sichergestellt werden, dass sich im Moment des Alarms auch sofort jemand zur Klägerin begibt. Dies kann allerdings von einer normalen Nachtwache, wie sie auch etwa bei der Beigeladenen ausgerichtet ist, nämlich eine Person für 25 Bewohner, nicht geleistet werden. Nicht anders stellt sich die Situation bei einem Niedrigbett dar oder auch bei den Hüftprotektoren.
78 
Das heißt weiter, dass auch bei einer Unterbringung der Klägerin in einer anderen Einrichtung (hier das zuletzt vom Beklagten vorgeschlagene Haus K.) eine nächtliche 1:1-Betreuung ebenfalls notwendig wäre. Auch das Haus K. kann dies ohne zusätzliche Personal für die Klägerin nicht leisten, weil auch dort, selbst wenn bei der Gerontopsychiatrischen Abteilung ein höherer Personalschlüssel besteht, jedenfalls eine nächtliche 1:1-Betreuung für die Klägerin ohne zusätzliches Personal ebenfalls nicht möglich wäre.
79 
Darüber hinaus besteht auch die bereits von Dr. N., Dr. St. und auch nochmals von Prof. Dr. R. angesprochenen erheblichen Probleme bei einem Wechsel der vertrauten Umgebung. Während im „Haus P.“ das Personal zwischenzeitlich offensichtlich nach den Feststellungen der behandelnden Ärztin Dr. N. in E. als auch den von Prof. Dr. R. zur Klägerin ein vertrauensvolles Verhältnis hat aufbauen können, was gerade die Grundlage dafür ist, dass die Klägerin einigermaßen geführt werden kann. Dies alles müsste bei einem Wechsel in eine andere Einrichtung wieder neu aufgebaut werden. Dieser Prozess aber würde neue Herausforderungen provozieren und auch neue Gefahren für die Klägerin verursachen. Die Klägerin würde zunächst wiederum versuchen, ihre Grenzen auszuloten, ihren Platz zu finden und intensiv abwägen, bei welchem Mitarbeiter/welcher Mitarbeiterin sie welche Forderungen in welcher Form und mit welcher Verhaltensweise durchsetzen kann. Diesen Prozess der Annäherung und des Vertrauensaufbaus zu den Pflegenden, den in der Einrichtung lebenden Bewohnern und auch zum behandelnden Arzt, würde eine erhebliche Anstrengung seitens aller Beteiligten einfordern und für die Klägerin zunächst wiederum Raum für Selbst-und Fremdgefährdung eröffnen.
80 
Soweit der Beklagte gegen die gutachterliche Einschätzung von Prof. Dr. R. eingewandt hat, die Gutachterin habe die Klägerin nur tagsüber im "Haus P." erlebt, sich jedoch nicht selbst einen Eindruck von dem nächtlichen Betreuungsbedarf gemacht, greift dies nicht durch. Die Gutachterin hat vielmehr überzeugend darauf verwiesen, dass die Beobachtung an während einer einzelnen willkürlich herausgegriffenen Nacht keine abschließende Beurteilung zulässt, sondern auch in diesem Falle sie – wie von ihr ohnehin vorgenommen – darauf angewiesen wäre, die Dokumentationen einerseits und die Angaben der Betreuungspersonen bzw. Pflegefachkräfte andererseits auszuwerten und abschließend zu beurteilen.
III.
81 
Entgegen der Auffassung des Beklagten findet sich auch keine alternative Einrichtung, in der die Klägerin mit einem geringeren personellen und damit finanziellen Aufwand nachts betreut werden kann, ohne dass es zu Selbst- oder Fremdgefährdungen durch die Klägerin kommt. So hat der Zeuge S, Leiter Altenhilfe, Gerontopsychiatrisches Pflegeheim K. in seiner schriftlichen Auskunft vom 31. März 2015 ausdrücklich darauf verwiesen, dass im Nachtdienst nur ein Personalschlüssel 1:50 gegenfinanziert sei. Das bedeute, dass keine nächtliche Betreuungs- oder zusätzliche pflegerische Angebote möglich seien.
82 
Eine Fixierung – die von der bisher versorgenden Einrichtung als notwendig erachtet worden sei – könne man daher nicht ausschließen, und erscheine auch eher wahrscheinlich, wenn die bishe-rige 1:1-Betreuung wegfalle. Dies werde allerdings vom gesetzlichen Betreuer abgelehnt. Somit würde ein Wechsel in das Haus K. hinsichtlich Sachlage und Kosten der Unterbringung nichts ändern, wohl aber der Umzug und die Rahmenbedingungen für die Klägerin mit nicht abschätzbaren Folgen für die psychische Stabilität (Bl. 224/225 Senatsakte).
83 
Aus diesen Gründen war auch der Anregung des Beklagten anhand der noch vorgelegten Liste (Aktenvermerk) vom 25. März 2015 (Bl. 211 ff. Senatsakte) mit verschiedenen Einrichtungen (unter anderem ZfP R. Gerontopsychiatrisches Pflegeheim; R., psychiatrischer Pflegebereich für chronisch psychisch kranke Menschen;) bei diesen Einrichtungen noch Anfragen zu den Möglichkeiten einer Betreuung zu veranlassen, nicht mehr nachzugehen. Abgesehen davon, dass ausweislich des vom Beklagten selbst vorgelegten Aktenvermerkes all die dort benannten Häuser eine Aufnahme der Klägerin ablehnten, sofern eine 1:1-Betreuung erbracht werden müsse, kommt hinzu, dass diese Häuser in der Regel noch mehr Bewohner haben, als die Beigeladene mit der Folge, dass dort sogar der Betreuungsschlüssel nachts nicht nur 1:25 wie bei der Beigeladenen sondern 1:50 beträgt, damit aber die Notwendigkeit einer 1:1-Betreuung bei der Klägerin im Hinblick auf ihre besonderen Verhaltensauffälligkeiten noch offenkundiger ist.
84 
Aus diesen Gründen ist das Urteil des SG aufzuheben und der Beklagte gem. dem Hilfsantrag zu verurteilen, über die bereits gewährten Leistungen der Hilfe zur Pflege hinaus auch die weiteren zusätzlichen Kosten für die nächtliche 1:1-Betreuung der Klägerin im „Haus P.“ in Höhe von 6.166,-EUR zu übernehmen. Soweit die Klägerin im Hauptantrag die streitigen (zusätzlichen) Leistungen als Leistung der Eingliederungshilfe geltend gemacht hat, war insoweit die Berufung zurückzuweisen.
IV.
85 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
86 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

25
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3702 S. 18). Ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die unter Berücksichtigung des den Gerichten zukommenden Gestaltungsspielraums zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen ist (vgl. BVerwG, Urteile jeweils vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D, BeckRS 2013, 55758 Rn. 40 f und 5 C 27.12 D, BeckRS 2013, 56027 Rn. 32 f; Ott aaO § 198 GVG Rn. 128).

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

25
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3702 S. 18). Ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die unter Berücksichtigung des den Gerichten zukommenden Gestaltungsspielraums zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen ist (vgl. BVerwG, Urteile jeweils vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D, BeckRS 2013, 55758 Rn. 40 f und 5 C 27.12 D, BeckRS 2013, 56027 Rn. 32 f; Ott aaO § 198 GVG Rn. 128).

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in ihrem erstinstanzlichen Gerichtsverfahren gegen die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) vor dem Verwaltungsgericht Halle (5 A 221/09 HAL) in Anspruch.

2

Gegenstand des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Halle war folgender:

3

Die Klägerin steht als Polizeiobermeisterin im Polizeidienst des Landes Sachsen-Anhalt. Bis zum (…) März 2007 wurde sie in der Revierstation A. des Polizeireviers W. verwendet. Mit Verfügung vom 21. März 2007 setzte die zuständige Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) die Klägerin mit Wirkung vom (..) März 2007 zum Revierkommissariat G. um. Hintergrund dieser Entscheidung war ein angeblich gestörtes Vertrauensverhältnis aufgrund von der Klägerin im Dienst vermeintlich geführter Privattelefonate.

4

Der von der Klägerin gegen die Umsetzungsverfügung vom 21. März 2007 zunächst vor dem Verwaltungsgericht Dessau-Rosslau (1 A 158/07 DE) geführte Rechtsstreit wurde nach beidseitiger Erledigungserklärung aufgrund einer Zusage der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) durch Einstellungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2008 (1 L 165/07) beendet. Darin wurden die Kosten des gesamten Verfahrens der Polizeidirektion mit der Begründung auferlegt, ein sachlicher Grund für deren Umsetzungsverfügung dürfte nicht vorgelegen haben. Denn allein der Vorwurf, die Klägerin habe private Telefongespräche unrichtig abgerechnet, dürfte die Annahme einer erheblichen Störung des Dienstbetriebes nicht rechtfertigen. Bereits mit Schreiben vom 22. Juli 2008 teilte die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) der Klägerin mit, dass ihr Einsatz im Revierkommissariat G. nunmehr bis zum 31. Dezember 2008 befristet und sie zum 01. Januar 2009 wieder in der Revierstation A. eingesetzt werde. Demgegenüber beschied die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 18. Dezember 2008, dass sie „entgegen meines Schreibens vom 22.07.2008 aus dienstlichen Gründen“ ab dem 1. Januar 2009 weiter im Revierkommissariat G. eingesetzt werde. Der dagegen gerichtete Widerspruch vom 13. Februar 2009 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2009 zurückgewiesen.

5

Mit ihrer bei dem Verwaltungsgericht Halle am 8. Juni 2009 eingegangenen Klage (5 A 221/09 HAL) begehrte die Klägerin die Verpflichtung der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...), sie wieder in den Dienstposten einer Sachbearbeiterin Einsatz in der Revierstation A. einzuweisen. Bereits in der Klageschrift erklärte sich die Klägerin mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter „im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens“ einverstanden. Am 9. Juni 2009 verfügte der Vorsitzende der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Halle die Zustellung der Klage an die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...); zugleich hörte er die Polizeidirektion wegen einer evtl. Übertragung auf den Einzelrichter gem. § 6 VwGO an. Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2009 erwiderte die Polizeidirektion auf die Klage und beantragte Klageabweisung; Bedenken gegen eine Einzelrichter-Übertragung wurden nicht erhoben. Mit Schriftsatz vom 12. August 2009 nahm die Klägerin zur Klageerwiderung Stellung; auf jenen Schriftsatz replizierte die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) mit Schriftsatz vom 24. August 2009. Dem folgte der - abschließende - Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2009, welcher dem Vorsitzenden am 25. September 2009 vorgelegt wurde. Dieser verfügte (lediglich) die Weiterleitung des Schriftsatzes an die Gegenseite.

6

Bereits am 10. September 2009 hatte der Vorsitzende verfügt: „Wiedervorlage 3 Monate“; bei dieser Verfügung blieb es, so dass ihm die Gerichtsakte am 10. Dezember 2009 wieder vorgelegt wurde. Am 11. Dezember 2009 verfügte der Vorsitzende sodann: „Wiedervorlage auf Abruf“. Aus den Gerichtsakten ergibt sich nicht, wann diese dem Vorsitzenden wieder vorgelegt worden sind; jedenfalls verfügte er am 16. September 2010 die Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den 24. November 2010.

7

Am 12. November 2010 hob die stellvertretende Kammervorsitzende den Verhandlungstermin „wegen Erkrankung des Berichterstatters“ auf und bestimmte einen neuen Termin von Amts wegen. Als ihr die Gerichtsakten am 13. Dezember 2010 wieder vorgelegt wurden, verfügte sie am 13. Dezember 2010 sowie erneut am 12. Januar 2011 jeweils: „Wiedervorlage 1 Monat“. Am 14. Februar 2011 wurde die Gerichtsakte dem Vorsitzenden vorgelegt, der am 16. Februar 2011 verfügte: „Wiedervorlage auf Abruf“. Am 12. April 2011 schließlich veranlasste der Vorsitzende die (erneute) Ladung des Verfahrens zur mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2011.

8

In der mündlichen Verhandlung vor der 5. Kammer am 22. Juni 2011 gab das Gericht zu verstehen, dass sich die angefochtenen Bescheide voraussichtlich als rechtswidrig erwiesen, denn es fehle an dem für eine Um-/Versetzung erforderlichen Vorliegen von Tatsachen zu etwaigen dienstlichen Spannungen. Auf diesen Hinweis des Gerichts hob die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) sogleich die streitgegenständlichen Bescheide auf. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten wurde das Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss eingestellt; die Kosten des Verfahrens wurden in dem Beschluss der Polizeidirektion auferlegt.

9

Mit ihrer am 22. Dezember 2011 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Bewilligung einer Entschädigung gemäß §§ 198 ff. GVG wegen der ihrer Ansicht nach unangemessenen Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Halle, und zwar sowohl für den von ihr geltend gemachten materiellen Schaden als auch unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für den von ihr zugleich geltend gemachten Nichtvermögensnachteil. Zur Begründung der Entschädigungsklage trägt die Klägerin - zusammengefasst - wie folgt vor:

10

Die Verfahrensdauer in dem Hauptsacheverfahren 5 A 221/09 HAL sei unangemessen lang gewesen. Hinsichtlich einer Definition der angemessenen Verfahrensdauer sei dabei nicht von der für das Jahr 2010 maßgeblichen durchschnittlichen Verfahrensdauer eines Hauptsacheverfahrens vor den Verwaltungsgerichten mit 11,1 Monaten auszugehen, wie sich diese aus den Veröffentlichungen des statistischen Bundesamtes ergebe. Es erscheine vielmehr gerechtfertigt, die Verfahrensdauer „offenbar hinlänglich ausgestatteter Zivilgerichte“ zum Maßstab zu nehmen und die durchschnittliche Verfahrensdauer vor den Amtsgerichten zugrunde zu legen, welche im Jahr 2010 5,9 Monate betragen habe.

11

Die fachliche Spezialisierung der Verwaltungsrichter auf bestimmte Rechtsgebiete, die Prüfung eines „regelmäßig feststehenden und weitgehend unstreitigen Sachverhalts“ sowie der sich aus § 86 VwGO ergebende Untersuchungsgrundsatz mit dem Verbot der „ungefragten Fehlersuche“ spreche dafür, dass die Verwaltungsgerichte einen deutlich geringeren rechtlichen Prüfungsrahmen zu absolvieren hätten als die Zivilgerichte. Es scheine daher angemessen, die regelmäßige Dauer eines Verwaltungsverfahrens, entsprechende personelle und sachliche Ausstattung unterstellt, mit 5 bis 6 Monaten zu veranschlagen. Bei einer Verfahrensdauer von 12 Monaten liege demzufolge angesichts einer gebotenen Regelbearbeitungszeit von 6 Monaten bereits eine Verdoppelung der Verfahrensdauer vor, ab deren Überschreitung eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens angenommen werden könne. Die Klägerin gehe danach von einer unangemessenen Verfahrensdauer ab einem Jahr seit Klageerhebung, mithin seit dem 9. Juni 2010 aus.

12

Zur Begründung des geltend gemachten Vermögensschadens macht die Klägerin den durch die „Fahrtmehraufwendung“ entstandenen Abnutzungsschaden an ihrem privaten Pkw sowie die Aufwendungen für die zurückgelegte Wegstrecke von ihrem Wohnort A-Stadt und dem Dienstort in G. geltend. Für die Klägerin ergibt sich danach folgende Rechnung:

13

Der einfache Fahrtweg zwischen ihrer Wohnung und dem Dienstort A. betrage 6 km, derjenige zwischen ihrer Wohnung und dem Dienstort G. 36 km; demzufolge ergebe sich pro Arbeitstag ein Fahrtmehraufwand von 60 km. Auf der Basis der Rechtsprechung des OLG Celle sei für ihren Privat-Pkw Peugeot „Bipper“ ein Wertminderungsschaden von 0,15 € je gefahrenen Mehrkilometer anzusetzen. Ausgehend von dem Zeitraum einer Verfahrensverzögerung vom 9. Juni 2010 bis zur Zustellung des Einstellungsbeschlusses am 28. Juni 2011 ergebe sich eine - durch Monatsnachweise belegte - Summe von 178 Arbeitstagen in G., welche zu einem Kilometermehraufwand von insgesamt 10.680 km und demzufolge zu einem Wertminderungsschaden von 1.602,00 € geführt hätten.

14

Daneben macht die Klägerin für den vorgenannten Zeitraum für jeden der von ihr geltend gemachten Mehrkilometer einen pauschalierten Betrag von 0,21 €/km für anteilig aufgewendete Kosten für Versicherung, Dieselverbrauch, Kfz-Steuer und Wartung in einer Gesamthöhe von 2.242,80 € geltend. Insoweit bringt sie indes - aufgrund des Hinweises des Senats - einen Betrag in Höhe von 403,13 € in Abzug, welcher ihr im Wege der Steuerrückerstattung unter dem Gesichtspunkt der Werbungskosten zufließe.

15

Zudem erhebt die Klägerin wegen eines Nachteils, welcher nicht Vermögensnachteil sei, einen zusätzlichen Entschädigungsanspruch, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts stellt. Zur Begründung führt sie aus, sie habe an jedem Arbeitstag 60 km mehr Wegstrecke zurücklegen müssen, was nicht nur zu einem Verschleiß an ihrem Pkw, sondern auch zu einer erheblichen Freizeiteinbuße geführt habe, die für die einfache Wegstrecke zwischen 30 und 45 Minuten in Ansatz zu bringen sein dürfte. Diese Freizeiteinbuße stelle einen Nachteil dar, welcher nicht als Vermögensnachteil zu klassifizieren sei.

16

Nachdem die Klägerin die Klage in Höhe eines Betrages von 403,13 € zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr:

17

1.Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 3.441,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

18

2.Der Beklagte wird zudem verurteilt, an die Klägerin eine angemessene Entschädigung - deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welche jedoch 1.200,00 € nicht unterschreiten sollte - zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

19

3.Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, auf die von der klägerischen Partei gezahlten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Einzahlung der Gerichtskosten bei der Gerichtskasse bis zum Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrages bei Gericht nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Klage insgesamt abzuweisen.

22

Er ist der Auffassung, die von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsansprüche seien von vornherein nicht gegeben, denn das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Halle - 5 A 221/09 HAL - habe nicht ungemessen lang i. S. d. §§ 173 VwGO, 198 Abs. 1 GVG gedauert. Jedenfalls rechtfertige die angeblich unangemessene Verfahrensdauer keinen Ausgleich der behaupteten materiellen und immateriellen Nachteile.

23

Die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens sei zentrale Tatbestandsvoraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gemäß § 198 GVG. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richte sich gemäß §§ 173 VwGO, 198 Abs. 1 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten sowie Dritter. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff sei inhaltlich mit der Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. derjenigen des Art. 6 Abs. 1 EMRK auszufüllen. Dementsprechend knüpfe der Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG an die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR an.

24

Die formelhafte Feststellung durch die Klägerin, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer überschritten worden sei, könne nicht überzeugen. Die insgesamt zweijährige Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht Halle sei nicht erkennbar zu lang und deshalb hinnehmbar. Der Prozess sei nicht verzögert worden; aus der Verfahrensakte ergebe sich ein normaler Geschäftsgang. Die Absage der ersten mündlichen Verhandlung aufgrund der Erkrankung des Berichterstatters habe zu einer kurzfristigen, unvorhersehbaren Verzögerung geführt, welche nicht zu Lasten des Staates gehen könne, da eine solch kurzfristige, unvorhersehbare Erkrankung nicht auf strukturelle Fehler und Mängel innerhalb organisatorischer Einheiten zurückzuführen sei. Dem Rechtsschutzanspruch des Art. 19 Abs. 4 GG sei dadurch Rechnung getragen worden, dass eine Vertreterin tätig geworden sei. Krankheit sei im Übrigen durch den EGMR (Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 -) als „force majeur“ anerkannt worden, wenn der Fall nicht zu lange liegen bleibe; so sei es hier.

25

Dem Gericht müsse ein angemessener Zeitraum eingeräumt werden, um sich über die Sach- und Rechtslage ein Bild machen zu können, Literatur und Rechtsprechung zu studieren und sich eine Meinung darüber zu bilden, ob weitere Anordnungen erforderlich seien. Zudem sei zu bedenken, dass Richter eine Vielzahl von Verfahren zu bearbeiten hätten; im Übrigen gebe es in der Regel ältere Verfahren, die schon aus diesem Grund vorrangig zu terminieren seien. Es sei kein Grund vorgetragen worden, warum das Verfahren der Klägerin hätte vorgezogen werden müssen. Aus der Verfahrensakte ergebe sich auch nicht, dass sie sich um eine Beschleunigung des Verfahrens bemüht oder sich nach dem Sachstand erkundigt hätte.

26

Die Erkrankung eines Richters stelle einen sachlichen Grund dar, welcher eine Verzögerung rechtfertige. Es handele sich um einen Umstand des Einzelfalls i. S. d. § 198 Abs. 1 GVG. Zwar folge aus Art. 19 Abs. 4 GG, dass organisatorische Maßnahmen ergriffen werden müssten, um im Krankheitsfall eines Richters den Rechtschutzanspruch des Bürgers sicher zu stellen. Dies bedeute aber nicht, dass ein Richter zur Verfügung stehen müsste, um den Ausfall von Kollegen vollständig, vor allem ohne Zeitverlust kompensieren zu können. Erkrankungen könnten also nicht ausnahmslos ohne Verzögerung der Verfahrensdauer aufgefangen werden. Dies sei hinzunehmen und begründe noch keine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz.

27

Dem zuständigen Richter habe die Verfahrensakte nach seiner Rückkehr am 14. Februar 2011 wieder vorgelegen; er habe einen neuen freien Termin für die mündliche Verhandlung am 22. Juni 2011 finden müssen. Eine unangemessene Verzögerung begründe dies nicht.

28

Weil das Verfahren danach nicht unangemessen lang gedauert habe, bestehe schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Entschädigung nach § 198 Abs. 1 GVG. Lediglich hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Klägerin keinen materiellen oder immateriellen Nachteil vorgetragen habe, für welchen ihr ein Ausgleich gemäß § 198 Abs. 1 GVG gezahlt werden müsse.

29

Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 198 Abs. 1 GVG sei nicht auf eine vollständige Kompensation aller materiellen Nachteile nach der Differenzhypothese des allgemeinen verschuldensabhängigen Schadenersatzrechtes gerichtet. Der Gesetzgeber habe es als ausreichend erachtet, für immaterielle und materielle Nachteile lediglich einen angemessenen Ausgleich zu gewähren; damit werde dieser Anspruch im Vergleich zum Ersatzumfang bei Amtspflichtverletzungen sachgerecht abgestuft. Der Ausgleichsanspruch sei in der Regel niedriger als ein Schadenersatzanspruch und als Billigkeitsentschädigung grundsätzlich nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen. Ein eingetretener Substanzverlust könne nur ausgeglichen, aber nicht vollständig ersetzt werden; ein entgangener Gewinn sei überhaupt nicht ausgleichsfähig. Bei der Bemessung einer Entschädigung müsse daher - ähnlich wie in den Fällen des enteignungsgleichen Eingriffs und der Aufopferung - neben der Höhe des entstandenen Schadens berücksichtigt werden, wie schwerwiegend die Verzögerung war und ob die Schäden unmittelbar oder lediglich mittelbar durch die Verzögerung verursacht worden sind.

30

Hiernach könne der von der Klägerin geltend gemachte Schaden nicht im Rahmen des begehrten angemessenen Ausgleichs berücksichtigt werden. Die Wertminderung am Fahrzeug sowie die anteiligen Aufwendungen für Versicherung, Kraftstoff usw. seien schon nicht unmittelbar durch die vermeintliche Verzögerung des Rechtsstreits verursacht. Überdies müsse sich die Klägerin zurechnen lassen, dass sie sowohl nach dem letzten Parteivortrag als auch nach der Aufhebung der ersten Terminierung nichts für eine Beschleunigung des Verfahrens unternommen habe. Diese Untätigkeit deute zumindest darauf hin, dass die scheinbare Verzögerung für die Klägerin nicht sehr schwerwiegend gewesen sei; dies sei bei der Bemessung der Ausgleichshöhe zu berücksichtigen.

31

Im Übrigen begegneten die als materielle Nachteile dargestellten Aufwendungen der Klägerin erheblichen Zweifeln. Die Annahme einer pauschalen Wertminderung von 15 Cent/km ohne Rücksicht auf Fahrzeugart, Alter des Kfz, bereits vorhandene Abnutzung, Wiederverkaufswert und ähnliche Aspekte sei nicht nachvollziehbar. Einen ausgleichsfähigen Substanzverlust habe die Klägerin damit nicht dargelegt. Auch die weiteren 21 Cent/km wegen anteiliger Aufwendungen für Versicherung, Kraftstoff, Kfz-Steuer und Wartung seien nicht nachvollziehbar dargestellt. Die von der Klägerin vorgelegte Berechnung lasse nicht erkennen, auf welchem Berechnungsmodus und auf welcher Datenbasis sie die Unterhaltskosten eines Fahrzeugs berechne. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Aufwendungen für Kfz-Steuer, Versicherung und Wartung ohnehin anfielen; es handele sich also nicht um einen Substanzverlust aufgrund der vorgeblich unangemessenen Verfahrensdauer.

32

Ein immaterieller Ersatzanspruch bestehe schon von vornherein nicht. Zwar werde ein immaterieller Schaden gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG grundsätzlich vermutet; diese Vermutung könne hier aber als widerlegt angesehen werden. Eine etwaige psychische Belastung der Klägerin aufgrund der überlangen Verfahrensdauer sei nicht erkennbar.

33

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

Die gemäß Art. 23 Satz 1 2. Alt. i. V. m. Satz 5 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. S. 2302 ff.) auch ohne vorherige Erhebung einer Verzögerungsrüge statthafte Entschädigungsklage, über welche der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist auch hinsichtlich der Klageerweiterung sowie der Klageänderung zulässig, indes nur teilweise begründet:

35

1. Zunächst ist unproblematisch, dass es sich bei dem hier zugrunde liegenden Ausgangsrechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Halle (5 A 221/09) um ein Gerichtsverfahren gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG handelt und die Klägerin als Verfahrensbeteiligte anzusehen ist.

36

2. Es ist davon auszugehen, dass das Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Halle insgesamt unangemessen lang angedauert hat i. S. d. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG.

37

Nach der Legaldefinition des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG, welche wiederum auf den Vorgaben der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts beruht (vgl. hierzu etwa die Darstellungen von Althammer/Schäuble, NJW 2012, S. 1 ff., von Schenke, NVwZ 2012, S. S. 257 ff. sowie von Guckelberger, DÖV 2012, S. 279 ff.), gibt es keine gesetzlich definierte Grenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer; vielmehr hat der Gesetzgeber insoweit ausdrücklich von einer „Fristenlösung“ abgesehen, weil sie der Vielfältigkeit prozessualer Situationen nicht gerecht würde (vgl. Steinbeiß-Winkelmann, ZRP 2010, S. 205 ff.).

38

Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG „nach den Umständen des Einzelfalls“ (so auch der wörtlich oder sinngemäß immer wieder verwendete Einführungssatz des EGMR, etwa in seiner für den deutschen Gesetzgeber maßgeblichen Pilotentscheidung vom 2. September 2010 in dem Verfahren Rumpf/Bundesrepublik Deutschland, Nr. 46344/06). Dabei ist insbesondere auf die Schwierigkeit und die Bedeutung des Verfahrens sowie auf das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter abzustellen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens“ ist inhaltlich mit dem Justizgewährungsanspruch des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. dem Anspruch auf Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK auszufüllen. Die Verfahrensdauer ist als unangemessen anzusehen, wenn eine Abwägung aller Umstände ergibt, dass die aus den genannten Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, verletzt ist (vgl. hierzu etwa Althammer/Schäuble, a. a. O., S. 2).

39

Im Rahmen der Prüfung der Schwierigkeit des Falles (vom EGMR als „complexity of the case“ bezeichnet) sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Erschwernisse zu berücksichtigen, mithin etwa die Wichtigkeit und Sensibilität der zu beantwortenden rechtlichen Fragen und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sorgfalt der gerichtlichen Prüfung und Untersuchung. Von Bedeutung sind der Umfang der gebotenen Anhörungen, das Ausmaß an erforderlicher Tatsachenaufklärung sowie das Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten (EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172). Der EGMR unterscheidet hinsichtlich der Komplexität eines Falles 5 Kategorien in folgender Abstufung:

40

1. nicht sonderlich bzw. besonders komplex („not particularly complex“)

41

(EGMR, Entscheidung vom 30. Juni 2011, Nr. 11811/10, Rdnr. 28; Entscheidung vom 26. März 2009, Nr. 7369/04, Rdnr. 31)

42

2. gewisse sachliche und/oder rechtliche Komplexität („certain … complexity“)

43

(EGMR, Entscheidung vom 10. Februar 2011, Nr. 1521/06, Rdnr. 65)

44

3. ziemlich komplexe Sach- und Rechtsfragen bzw. erhebliche Komplexität („considerable complexity“)

45

(EGMR, Entscheidung vom 29. Juni 2010, Nr. 29035/06, Rdnr. 56; Entscheidung vom 11. Januar 2007, Nr. 20027/02, Rdnr. 76; Entscheidung vom 26. März 2009, Nr. 20271/05, Rdnr. 64)

46

4. sehr komplex („very complex“)

47

(EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172:

48

Sorgerechtsverfahren)

49

5. sehr große Komplexität der Sache („great complexity of the case“)

50

(EGMR, Entscheidung vom 2. März 2005, Nr. 71916/01 u. a., Rdnr. 131: Bodenreformgesetz).

51

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Abstufung ist der hier maßgebliche Ausgangsrechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Halle ohne weiteres der erstgenannten Kategorie „nicht sonderlich bzw. nicht besonders komplex“ zuzuordnen. Es ging ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die beklagte Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) verpflichtet war, der Klägerin wieder einen Dienstposten in der Revierstation A. zuzuweisen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die zunächst streitige Ausgangsfrage, ob die Polizeidirektion die Klägerin überhaupt zum Revierkommissariat G. hatte umsetzen dürfen, bereits in dem Einstellungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2008 (1 L 165/07) in dem Sinne beantwortet worden war, dass sich die Umsetzung der Klägerin - jedenfalls mit der hierfür gegebenen Begründung der Annahme einer erheblichen Störung des Betriebsfriedens - als rechtswidrig erweisen dürfte.

52

Der Streitgegenstand des hier zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens bezog sich (ausschließlich) darauf, ob die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) - entgegen ihrer ausdrücklichen Zusage, die Klägerin ab dem 01. Januar 2009 wieder in der Revierstation A. zu beschäftigen - diese weiterhin dem Revierkommissariat G. zuweisen durfte. Offensichtlich hat der Vorsitzende der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Halle bei Klageeingang den Rechtsstreit seinerseits nicht als besonders schwierig angesehen, denn er hat bereits mit seiner Eingangsverfügung das Einverständnis der Polizeidirektion mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter gemäß § 6 VwGO erfragt und dieses für den Fall einer Nichtäußerung unterstellt. Die Polizeidirektion hat sich zur Frage der Einzelrichter-Übertragung nicht geäußert; gleichwohl ist eine solche nicht erfolgt.

53

Dass sich die Schwierigkeit bzw. Komplexität des Verfahrens im unteren Bereich der oben genannten Skala bewegte, zeigt schließlich auch der Gang der mündlichen Verhandlung in der - einzigen und abschließenden - Sitzung vom 22. Juni 2011. Der Sach- und Streitgegenstand ergab sich unschwer aus den Gerichtsakten; die Sache war seit dem letzten Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2010 „ausgeschrieben“, die Positionen der Beteiligten klar und unverändert. Auf den Hinweis des Vorsitzenden, die angefochtenen Bescheide erwiesen sich voraussichtlich deswegen als rechtswidrig, weil sich das von der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) über die Umsetzung der Klägerin herangezogene Spannungsverhältnis nicht durch Tatsachen belegen lasse, hob die Polizeidirektion sogleich in der mündlichen Verhandlung die streitgegenständlichen Bescheide auf. Der Rechtsstreit fand sodann durch die unmittelbar abgegebenen Erledigungserklärungen beider Beteiligten und den noch in der mündlichen Verhandlung verkündeten Einstellungsbeschluss mit Kostenentscheidung zum Nachteil der Polizeidirektion seinen Abschluss.

54

Hinsichtlich des Kriteriums der Bedeutung des Verfahrens ist vor allem darauf abzustellen, welche Bedeutung der Rechtsstreit für den Beschwerdeführer bzw. Kläger hat, mithin darauf, ob aus seiner Sicht ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens besteht bzw. bestanden hat. Nach der auch insoweit zugrunde zu legenden Rechtsprechung des EGMR (etwa Entscheidung vom 23. April 2009, Nr. 1479/08, Rdnr. 65) ist besondere Eile „naturgemäß geboten“ bei sog. Arbeitsstreitigkeiten („employment disputes“). Zu diesen Streitigkeiten gehören nicht nur Arbeitssachen im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern dazu zählen auch Rechtsstreitigkeiten aus dem öffentlichen Dienstrecht bzw. dem Beamtenrecht, welche die Verwendung von Beamtinnen und Beamten betreffen, sich mithin sich auf deren persönliche Arbeits- und Lebensumstände auswirken.

55

Ist unter Zugrundelegung dieses Kriteriums schon grundsätzlich davon auszugehen, dass ein erhebliches Interesse der Klägerin an einem schnellen Abschluss des Verfahrens bestand, so war dieses für das Verwaltungsgericht auch deswegen ohne weiteres erkennbar, weil sich die Klägerin schon in ihrer Klageschrift ausdrücklich „im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens“ mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter einverstanden erklärt hatte.

56

Es besteht auch kein Anlass zu der Annahme, dass die Klägerin durch ein ihr zurechenbares Verhalten die Erledigung des Rechtsstreits in irgendeiner Weise verzögert hat. Die Klägerin war - entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten - auch nicht gehalten, ihrerseits (nochmals) ausdrücklich auf die Eilbedürftigkeit des Verfahrens hinzuweisen oder sonst aktiv auf eine zügige Erledigung hinzuwirken. Erst recht war die Klägerin nicht gehalten, zu dem hier maßgeblichen Sachverhalt ein (gesondertes) gerichtliches Eilverfahren nur zu dem Zweck zu betreiben, auf eine schnellere Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinzuwirken oder sonst - etwa im Wege von Sachstandsanfragen - dem Verwaltungsgericht eine baldige Entscheidung des Verfahrens nahezulegen. Die Verpflichtung des Gerichts dazu, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, ergibt sich unmittelbar aus der dem Staat gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 EMRK obliegenden Justizgewährleistungspflicht (vgl. etwa Guckelberger, a. a. O., S. 290 m .w. N.).

57

Hinsichtlich der Prüfung, ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens dem Erfordernis der gerichtlichen Entscheidung innerhalb einer „angemessenen Frist“ im Sinne Art. 6 Abs. 1 EMRK entsprochen hat, gibt es zwar keine konkreten zeitlichen Vorgaben, und zwar weder durch den deutschen Gesetzgeber (§ 198 Abs. 1 GVG) noch durch die Rechtsprechung des EGMR. Als grober Anhaltspunkt kann die Rechtsprechung des EGMR insoweit gelten, als dort in mehreren Entscheidungen eine Verfahrenslaufzeit von etwa einem Jahr pro Instanz als angemessen angesehen worden ist („one year per instance may be a rough rule of thumb in Article 6 § 1 cases“ - so etwa EGMR, Entscheidung vom 26. November 2009, Nr. 13591/05, Rdnr. 126).

58

Dementsprechend vermag sich der Senat - jedenfalls hinsichtlich einfach gelagerter Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegenden - nicht der vom OVG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 27. März 2012 (3 A 1.12. - juris) vertretenen - pauschalen - Auffassung dahingehend anzuschließen, eine Verfahrensdauer von zwei Jahren verstoße „noch nicht gegen die vom EGMR zu Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK entwickelten Maßstäbe“.

59

Soweit der Beklagte aus dem Urteil des EGMR vom 16. Juli 2009 (Nr. 8453/04) die Bestätigung seiner Rechtsauffassung herzuleiten sucht, die Krankheit eines Richters sei quasi als „force majeur“ anzusehen und führe nicht zu Entschädigungsansprüchen, wenn „der Fall nicht zu lange liegen bleibe“, vermag der Senat dem - jedenfalls in dieser Verallgemeinerung - nicht zu folgen: abgesehen davon, dass der EGMR die v. g. Formulierung selbst nicht verwendet hat und die vom Beklagten in Bezug genommene Textstelle des Urteils (Nr. 53) das Verhalten der Staatsanwaltschaft, nicht des Gerichts oder einzelner Richter betrifft, hat der EGMR lediglich ausgeführt, er „akzeptiere, dass eine Verzögerung der Erstellung der Anschuldigungsschrift durch die Krankheit des Vertreters der Einleitungsbehörde verursacht wurde ..“, andererseits aber zugleich bemerkt, dass die damit verbundene Verzögerung von fast zwei Jahren zu lang war. Wenn der Beklagte hieraus - lediglich abstellend auf die dreimonatige Erkrankung des Kammervorsitzenden - den Schluss zieht, dass danach die (auch nach der Genesung des Richters) weiter verzögerte Erledigung des Verfahrens hingenommen werden müsse, so liegt dieser Auffassung ein Fehlverständnis der Rechtsprechung des EGMR zugrunde.

60

Nicht zu folgen ist allerdings auch dem von der Klägerin gewählten Ansatz dahingehend, hier sei die statistisch erhobene durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Zivilrechtsstreits vor den Amtsgerichten (etwa 5 bis 6 Monate) zugrunde zu legen und ab einer nach Verdoppelung dieses Durchschnittswertes liegenden Bearbeitungsdauer eines Verwaltungsrechtsstreits ohne weiteres eine überlange, d. h. „unangemessene“ Dauer des Gerichtsverfahrens zu unterstellen. Eine solche pauschalierte Betrachtungsweise ist schon per se unzulässig und verkennt im Übrigen den grundlegend unterschiedlichen Bearbeitungsaufwand eines durchschnittlichen Zivilrechtsstreits vor dem Einzelrichter eines Amtsgerichts und einer Verwaltungsrechtssache vor der Kammer eines Verwaltungsgerichts.

61

Ebenso wenig vermag der Senat pauschal die durchschnittliche Bearbeitungsdauer eines Verwaltungsrechtsstreits in Sachsen-Anhalt (ca. 12 Monate) zugrunde zu legen und allein hierauf abzustellen. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgegebenen Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer „nach den Umständen des Einzelfalls“ widersprechen. Vielmehr ist in jedem Fall eine konkrete Betrachtung der Aktivitäten des Gerichts zur Förderung bzw. Erledigung des konkreten Rechtsstreits geboten, wobei eine Verzögerung in gewissen Verfahrensstadien vertretbar ist, sofern die Gesamtverfahrensdauer nicht als überlang erachtet werden kann (vgl. EGMR, Entscheidung vom 2. Juni 2009, Nr. 36853/05, Rdnr. 45).

62

Allerdings setzt der Anspruch gemäß § 198 Abs. 1 GVG keine Pflichtwidrigkeit bzw. Verschulden des für das Verfahren zuständigen Gerichts oder des einzelnen Richters voraus. So können auch ein häufiger bzw. kurzfristiger Richterwechsel, eine ungleichmäßige Geschäftsverteilung oder eine mangelhafte Personalausstattung des Gerichts zu Entschädigungsansprüchen führen (vgl. die Nachweise bei Schenke, a. a. O., S. 4). Dementsprechend trifft die Entscheidung über das Bestehen etwaiger Ansprüche gem. §§ 198 ff. GVG auch von vornherein keine Aussage darüber, ob einzelnen Richterinnern oder Richtern ein Verschuldensvorwurf zu machen ist.

63

3. Die vorgenannten Kriterien zugrunde legend, stellt sich sowohl die Gesamtbearbeitungsdauer des Ausgangsrechtsstreits mit über zwei Jahren als auch dessen Bearbeitung in einzelnen Verfahrensstadien als unangemessen lang i. S. d. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG dar:

64

Angemessen lang und demzufolge nicht zu beanstanden ist die richterliche Bearbeitung des Verfahrens vom Zeitraum des Klageeingangs am 9. Juni 2009 bis zum 25. Oktober 2009. Zwar war dem Vorsitzenden durchaus erkennbar, dass das Verfahren bereits mit Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2009 „ausgeschrieben“ war, mithin weitere Schriftsätze - vor allem neuer Sachvortrag - nicht zu erwarten waren. Gleichwohl billigt der Senat dem Verwaltungsgericht zu, dass der Vorsitzende im Zusammenhang mit seiner Übersendungsverfügung vom 25. September 2009 noch eine (abschließende) Frist von einem Monat hätte verfügen können, um - vor einer prozessleitenden Verfügung - noch eine evtl. abschließende Stellungnahme der beklagten Polizeidirektion abzuwarten.

65

Ausgehend von der Verpflichtung des Gerichts, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, hätte daher bereits am 25. Oktober 2009 Veranlassung bestanden, das Verfahren weiter mit dem Ziel einer Erledigung konkret zu fördern, mithin entweder die von der Klägerin angeregte und vom Vorsitzenden selbst in Aussicht gestellte Übertragung auf den Einzelrichter gemäß § 6 VwGO vorzunehmen bzw. das Verfahren zu einer der nächsten Kammersitzungen zu laden oder das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 101 Abs. 2 VwGO zu erfragen. Auch hätte es nahegelegen, die Beteiligten über die - später in der mündlichen Verhandlung sogleich zum Ausdruck gebrachte - Rechtsauffassung zu unterrichten und so auf eine evtl. unstreitige Erledigung hinzuwirken.

66

Der Umstand, dass der Vorsitzende - offensichtlich ohne weitere rechtliche Prüfung - das Verfahren lediglich zur „Wiedervorlage auf Abruf“ verfügt hat und sich der nächste Bearbeitungsgang erst aus der am 16. September 2010, mithin mehr als neun Monate später verfügten Terminierung ergibt, stellt - auch unter Zugrundelegung der erkennbar geringen Komplexität des Verfahrens und angesichts des dokumentierten Interesse der Klägerin an einem zügigen Fortgang des Rechtsstreits - eine Nichtbearbeitung des Verfahrens dar, die für den vorgenannten Zeitraum, mithin für eine Dauer von mehr als zehn Monaten als unangemessene Verzögerung des Verfahrens anzusehen ist.

67

Der Umstand, dass sodann der Verhandlungstermin vom 24. November 2010 wegen Erkrankung des Berichterstatters (und Vorsitzenden) aufgehoben worden ist, bietet als solcher keinen (weiteren) Grund zur Annahme einer unangemessen langen Bearbeitungsdauer. Die Verzögerung infolge einer kurzfristigen Erkrankung des zuständigen Richters ist hinzunehmen; allerdings bleibt es bei der Verpflichtung des Rechtsstaates, für eine möglichst baldige weitere Terminierung zu sorgen.

68

Danach waren die mehrfachen Verfristungen durch die stellvertretende Kammervorsitzende am 13. Dezember 2010 sowie am 12. Januar 2011 sowie vor allem die erneute Verfügung des Vorsitzenden vom 16. Februar 2011: „Wiedervorlage auf Abruf“ nicht geeignet, das Verfahren in angemessener Weise weiter zu fördern. Vielmehr führten die mehrfachen Verfristungen dazu, dass erst am 12. April 2011 die abschließende Ladung des Verfahrens zum 22. Juni 2011 erfolgt ist, wodurch sich die Erledigung des Rechtsstreits schließlich weiter verzögert hat. Der Senat geht davon aus, dass eine erneute Terminierung des Verfahrens, wenn nicht schon durch die stellvertretende Kammervorsitzende, so aber spätestens nach Rückkehr des Vorsitzenden am 16. Februar 2011, mithin etwa 3 Monate nach der veranlassten Terminsaufhebung hätte erfolgen können und auch müssen.

69

Dazu ist zu bemerken, dass es hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens gemäß § 198 ff. GVG nicht darauf ankommt, ob der einzelne Richter pflichtwidrig gehandelt hat oder ob ihn persönlich ein Verschulden trifft; auch die chronische Überlastung des Gerichts oder des mit der Sache befassten Spruchkörpers, länger bestehende Rückstände oder eine allgemein angespannte Personalsituation sind unerheblich (vgl. dazu auch die amtliche Begründung zu § 198 GVG, BT-Drs. 17/3802 S. 19, Schenke, a. a. O., S. 3 m. w. N.).

70

Es ist danach davon auszugehen, dass das Ausgangsverfahren auch in dem Zeitraum vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 nicht hinreichend gefördert worden ist, obwohl sich das besondere Beschleunigungsgebot ohne weiteres aus dem Streitgegenstand ergeben hat.

71

Insgesamt hat sowohl für den Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis 16. September 2010 als auch für denjenigen vom 16. Februar 2011 bis 12. April 2011 eine Phase der nach den Umständen nicht gerechtfertigten mangelnden Förderung des Verfahrens vorgelegen, mithin für eine Gesamtdauer von etwas mehr als 12 Monaten.

72

4. Danach steht der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf „angemessene Entschädigung“ für den infolge der eingetretenen Verzögerung der Erledigung des Gerichtsverfahrens von 12 Monaten eingetretenen Vermögensnachteil gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zu. Dieser Anspruch ist allerdings - worauf der Beklagte mit Recht hinweist - nicht einem Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 249 BGB gleichzustellen. Vielmehr kann - in Anlehnung an die sich aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ergebenden Grundsätze - lediglich eine Ausgleichszahlung zur Ersetzung des eingetretenen Substanzverlustes beansprucht werden (vgl. hierzu die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Dr 17/3802 S. 34 und diejenige des BT-Rechtsausschusses, BT-Dr 17/7217).

73

Grundsätzlich ist der von der Klägerin für den Zeitraum der Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits geltend gemachte Fahrtmehraufwand von 60 km je Arbeitstag für die Zurücklegung der Strecke zwischen ihrem Wohnort und dem Dienstort G. (an unstreitig 178 Tagen) berücksichtigungsfähig, denn insoweit sind der Klägerin tatsächlich - kausal bedingt durch die Verzögerung in der Erledigung des Gerichtsverfahrens - Mehrkosten entstanden, die sie ansonsten nicht zu tragen gehabt hätte. In Ansatz zu bringen sind dabei indes nicht die ohnehin anfallenden Kosten für Versicherung und Kfz-Steuer (Sowieso-Kosten) sowie hinsichtlich der ohnehin eintretenden Wertminderung, sondern lediglich die Ausgaben für den konkret zu berechnenden Mehrverbrauch an Diesel-Kraftstoff. Der geltend gemachte Entschädigungsanspruch für die Wertminderung des Fahrzeugs besteht nur insoweit, als er unmittelbar auf die zusätzlich gefahrenen Kilometer zurückzuführen ist.

74

Unter Zugrundelegung eines verzögerungsbedingten Kilometermehraufwandes für den gesamten Zeitraum über eine zusätzliche Strecke von 10.680 km und einem - durchaus realistischen - Verbrauch von 6,2 l Diesel pro 100 km ergibt sich danach ein Mehrverbrauch von 700 l, mithin bei einem durchschnittlichen Dieselpreis von 1,50 € je Liter ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.050,00 €. Die anteiligen Wartungskosten schätzt der Senat gemäß §§ 173 S. 2 VwGO, 287 Abs. 1 ZPO auf 150,00 €, so dass der Klägerin insoweit unter dem Gesichtspunkt tatsächlich entstandener Zusatzaufwendungen ein Entschädigungsanspruch von 1.200,00 € zusteht. Die Wertminderung bemisst der Senat im Hinblick darauf, dass der Neupreis des Fahrzeugs nach den von der Klägerin selbst vorgelegten Unterlagen (Anlage K 2) bei lediglich etwa 9.000,00 € liegt, und unter weiterer Berücksichtigung, dass die Klägerin dieses nicht als Neufahrzeug erworben hatte, ebenfalls im Wege der Schätzung gemäß §§ 173 S. 2 VwGO, 287 Abs. 1 ZPO auf 0,10 € je km, mithin auf 1.068,00 €.

75

Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der verzögerungsbedingten Mehrkosten bedurfte es ebenso wenig wie der ausdrücklichen Bescheidung des von der Klägerin mit Schriftsatz vom 29. Juni 2012 gestellten Beweisantrags. Die Klägerin hat insoweit selbst angeregt, der Senat möge „gegebenenfalls unter Verwendung der vorgelegten Daten“ im Wege der Schadensschätzung vorgehen und für diesen Fall offensichtlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht für geboten angesehen.

76

Von den sich danach errechnenden 2.268,00 € ist indes der Betrag in Abzug zu bringen, welcher der Klägerin im Wege der Steuerrückerstattung für die ihre entstandenen Fahrtkosten (Werbungskosten) für den hier maßgeblichen Zeitraum erstattet wird und den die Klägerin selbst ihrer teilweisen Klagerücknahme zugrunde gelegt hat. Mithin bleibt ein Entschädigungsbetrag von 1.864,87 € für den entstandenen Vermögensnachteil.

77

5. Neben der Entschädigung für den eingetretenen Vermögensnachteil kann auch eine Entschädigung für einen Nachteil bewilligt werden, welcher nicht Vermögensnachteil ist. Da der Nachweis einen immateriellen Nachteils schwierig ist, wird ein solcher vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lang gedauert hat (vgl. dazu Schenke, a. a. O.; IV. Nr. 3). Zwar kann die gesetzliche Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG widerlegt werden. Für eine solche Widerlegung genügt die pauschale Einlassung des Beklagten, es fehle an „nachprüfbaren Hinweisen“, allerdings nicht. Der Beklagte räumt selbst ein, dass eine überlange Verfahrensdauer eine psychische Belastung zur Folge haben könne. Eine derartige Belastung hat die Klägerin mit ihrem Hinweis auf den mehrmonatigen zusätzlichen Zeitaufwand für die Fahrten nach G. nachvollziehbar dargelegt, ohne dass der Beklagte dem weiter entgegengetreten ist.

78

Allerdings kann eine Entschädigung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG, insbesondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ausreichend ist. Eine derartige Feststellung ohne Zuerkennung eines materiellen Entschädigungsanspruches kommt nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. Entscheidung vom 11. Januar 2007, Nr. 20027/02, Rdnr. 90; Entscheidung vom 7. Januar 2010, Nr. 40009/04, Rdnr. 177; Entscheidung vom 13. Juli 2006, Nr. 38033/02, Rdnr. 51) vor allem dann in Betracht, wenn die Feststellung einer Verletzung allein eine hinreichend gerechte Entschädigung von erlittenem Schaden darstellt. Dies gilt etwa in den Fällen, in welchen das Verfahren keine besondere Bedeutung für die Beteiligten hat oder dann, wenn ein Beteiligter keinen weitergehenden immateriellen Schaden erlitten hat und die Überlänge des Verfahrens den einzigen für ihn entstandenen Nachteil darstellt (vgl. hierzu Althammer/Schäuble, a. a. O., S. 3 ff.).

79

Der Senat vermag nach den Umständen des Einzelfalles nicht davon auszugehen, dass die bloße Feststellung der unangemessen langen Verfahrensdauer eine angemessene Entschädigung der Klägerin darstellt. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin auf die gerichtliche Klärung einer Situation wartete, welche sie persönlich beeinträchtigte und deren Rechtmäßigkeit sich durch einen zügig angesetzten Verhandlungstermin ohne weiteres hätte klären lassen können. Zudem hatte die Klägerin - wie sich schon aus den Ausführungen des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung zeigt - offensichtlich selbst keine Veranlassung für ihre von der Beklagten mit Nachdruck betriebene Umsetzung von ihrem bisherigen Dienstort nach G. gegeben und auch das gerichtliche Verfahren in keiner Weise verzögert. Angesichts dieser Umstände des Einzelfalls hält es der Senat für angemessen, der gesetzlichen Regelvorgabe des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zu entsprechen und der Klägerin somit einen Betrag von 1.200,00 € für das Jahr der insgesamt eingetretenen Verzögerung der Erledigung des Rechtstreits zuzusprechen.

80

6. Der Zinsanspruch - soweit der Senat diesen im Tenor festgestellt hat - beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Demgegenüber ist der mit dem Klageantrag zu Ziff. 3 geltend gemachte Anspruch auf Verzinsung eingezahlter Gerichtskosten nicht begründet. Mit Recht weist der Beklagte darauf hin, dass ein derartiger Zinsanspruch einen verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruch voraussetzt, an welchem es hier hingegen fehlt. Wie bereits ausgeführt, regelt § 198 Abs. 1 GVG einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch, welcher allerdings nicht auf einen vollständigen Schadenausgleich gerichtet ist; jener umfasst weder einen entgangenen Gewinn noch einen entgangenen Zinsvorteil.

81

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1, 2 VwGO; unter Berücksichtigung der teilweisen Klagerücknahme und des beiderseitigen Obsiegens/Unterliegens waren die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis 40: 60 zu teilen.

82

8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 173 S. 2 VwGO, 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 711 ZPO.

83

9. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit der mit den Grundlagen und dem Umfang von Entschädigungsansprüchen gemäß §§ 198 ff. GVG verbundenen Fragen gemäß §§ 173 Satz 2 VwGO, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

25
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3702 S. 18). Ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die unter Berücksichtigung des den Gerichten zukommenden Gestaltungsspielraums zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen ist (vgl. BVerwG, Urteile jeweils vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D, BeckRS 2013, 55758 Rn. 40 f und 5 C 27.12 D, BeckRS 2013, 56027 Rn. 32 f; Ott aaO § 198 GVG Rn. 128).

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

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a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3702 S. 18). Ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die unter Berücksichtigung des den Gerichten zukommenden Gestaltungsspielraums zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen ist (vgl. BVerwG, Urteile jeweils vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D, BeckRS 2013, 55758 Rn. 40 f und 5 C 27.12 D, BeckRS 2013, 56027 Rn. 32 f; Ott aaO § 198 GVG Rn. 128).

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in ihrem erstinstanzlichen Gerichtsverfahren gegen die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) vor dem Verwaltungsgericht Halle (5 A 221/09 HAL) in Anspruch.

2

Gegenstand des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Halle war folgender:

3

Die Klägerin steht als Polizeiobermeisterin im Polizeidienst des Landes Sachsen-Anhalt. Bis zum (…) März 2007 wurde sie in der Revierstation A. des Polizeireviers W. verwendet. Mit Verfügung vom 21. März 2007 setzte die zuständige Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) die Klägerin mit Wirkung vom (..) März 2007 zum Revierkommissariat G. um. Hintergrund dieser Entscheidung war ein angeblich gestörtes Vertrauensverhältnis aufgrund von der Klägerin im Dienst vermeintlich geführter Privattelefonate.

4

Der von der Klägerin gegen die Umsetzungsverfügung vom 21. März 2007 zunächst vor dem Verwaltungsgericht Dessau-Rosslau (1 A 158/07 DE) geführte Rechtsstreit wurde nach beidseitiger Erledigungserklärung aufgrund einer Zusage der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) durch Einstellungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2008 (1 L 165/07) beendet. Darin wurden die Kosten des gesamten Verfahrens der Polizeidirektion mit der Begründung auferlegt, ein sachlicher Grund für deren Umsetzungsverfügung dürfte nicht vorgelegen haben. Denn allein der Vorwurf, die Klägerin habe private Telefongespräche unrichtig abgerechnet, dürfte die Annahme einer erheblichen Störung des Dienstbetriebes nicht rechtfertigen. Bereits mit Schreiben vom 22. Juli 2008 teilte die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) der Klägerin mit, dass ihr Einsatz im Revierkommissariat G. nunmehr bis zum 31. Dezember 2008 befristet und sie zum 01. Januar 2009 wieder in der Revierstation A. eingesetzt werde. Demgegenüber beschied die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 18. Dezember 2008, dass sie „entgegen meines Schreibens vom 22.07.2008 aus dienstlichen Gründen“ ab dem 1. Januar 2009 weiter im Revierkommissariat G. eingesetzt werde. Der dagegen gerichtete Widerspruch vom 13. Februar 2009 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2009 zurückgewiesen.

5

Mit ihrer bei dem Verwaltungsgericht Halle am 8. Juni 2009 eingegangenen Klage (5 A 221/09 HAL) begehrte die Klägerin die Verpflichtung der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...), sie wieder in den Dienstposten einer Sachbearbeiterin Einsatz in der Revierstation A. einzuweisen. Bereits in der Klageschrift erklärte sich die Klägerin mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter „im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens“ einverstanden. Am 9. Juni 2009 verfügte der Vorsitzende der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Halle die Zustellung der Klage an die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...); zugleich hörte er die Polizeidirektion wegen einer evtl. Übertragung auf den Einzelrichter gem. § 6 VwGO an. Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2009 erwiderte die Polizeidirektion auf die Klage und beantragte Klageabweisung; Bedenken gegen eine Einzelrichter-Übertragung wurden nicht erhoben. Mit Schriftsatz vom 12. August 2009 nahm die Klägerin zur Klageerwiderung Stellung; auf jenen Schriftsatz replizierte die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) mit Schriftsatz vom 24. August 2009. Dem folgte der - abschließende - Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2009, welcher dem Vorsitzenden am 25. September 2009 vorgelegt wurde. Dieser verfügte (lediglich) die Weiterleitung des Schriftsatzes an die Gegenseite.

6

Bereits am 10. September 2009 hatte der Vorsitzende verfügt: „Wiedervorlage 3 Monate“; bei dieser Verfügung blieb es, so dass ihm die Gerichtsakte am 10. Dezember 2009 wieder vorgelegt wurde. Am 11. Dezember 2009 verfügte der Vorsitzende sodann: „Wiedervorlage auf Abruf“. Aus den Gerichtsakten ergibt sich nicht, wann diese dem Vorsitzenden wieder vorgelegt worden sind; jedenfalls verfügte er am 16. September 2010 die Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den 24. November 2010.

7

Am 12. November 2010 hob die stellvertretende Kammervorsitzende den Verhandlungstermin „wegen Erkrankung des Berichterstatters“ auf und bestimmte einen neuen Termin von Amts wegen. Als ihr die Gerichtsakten am 13. Dezember 2010 wieder vorgelegt wurden, verfügte sie am 13. Dezember 2010 sowie erneut am 12. Januar 2011 jeweils: „Wiedervorlage 1 Monat“. Am 14. Februar 2011 wurde die Gerichtsakte dem Vorsitzenden vorgelegt, der am 16. Februar 2011 verfügte: „Wiedervorlage auf Abruf“. Am 12. April 2011 schließlich veranlasste der Vorsitzende die (erneute) Ladung des Verfahrens zur mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2011.

8

In der mündlichen Verhandlung vor der 5. Kammer am 22. Juni 2011 gab das Gericht zu verstehen, dass sich die angefochtenen Bescheide voraussichtlich als rechtswidrig erwiesen, denn es fehle an dem für eine Um-/Versetzung erforderlichen Vorliegen von Tatsachen zu etwaigen dienstlichen Spannungen. Auf diesen Hinweis des Gerichts hob die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) sogleich die streitgegenständlichen Bescheide auf. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten wurde das Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss eingestellt; die Kosten des Verfahrens wurden in dem Beschluss der Polizeidirektion auferlegt.

9

Mit ihrer am 22. Dezember 2011 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Bewilligung einer Entschädigung gemäß §§ 198 ff. GVG wegen der ihrer Ansicht nach unangemessenen Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Halle, und zwar sowohl für den von ihr geltend gemachten materiellen Schaden als auch unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für den von ihr zugleich geltend gemachten Nichtvermögensnachteil. Zur Begründung der Entschädigungsklage trägt die Klägerin - zusammengefasst - wie folgt vor:

10

Die Verfahrensdauer in dem Hauptsacheverfahren 5 A 221/09 HAL sei unangemessen lang gewesen. Hinsichtlich einer Definition der angemessenen Verfahrensdauer sei dabei nicht von der für das Jahr 2010 maßgeblichen durchschnittlichen Verfahrensdauer eines Hauptsacheverfahrens vor den Verwaltungsgerichten mit 11,1 Monaten auszugehen, wie sich diese aus den Veröffentlichungen des statistischen Bundesamtes ergebe. Es erscheine vielmehr gerechtfertigt, die Verfahrensdauer „offenbar hinlänglich ausgestatteter Zivilgerichte“ zum Maßstab zu nehmen und die durchschnittliche Verfahrensdauer vor den Amtsgerichten zugrunde zu legen, welche im Jahr 2010 5,9 Monate betragen habe.

11

Die fachliche Spezialisierung der Verwaltungsrichter auf bestimmte Rechtsgebiete, die Prüfung eines „regelmäßig feststehenden und weitgehend unstreitigen Sachverhalts“ sowie der sich aus § 86 VwGO ergebende Untersuchungsgrundsatz mit dem Verbot der „ungefragten Fehlersuche“ spreche dafür, dass die Verwaltungsgerichte einen deutlich geringeren rechtlichen Prüfungsrahmen zu absolvieren hätten als die Zivilgerichte. Es scheine daher angemessen, die regelmäßige Dauer eines Verwaltungsverfahrens, entsprechende personelle und sachliche Ausstattung unterstellt, mit 5 bis 6 Monaten zu veranschlagen. Bei einer Verfahrensdauer von 12 Monaten liege demzufolge angesichts einer gebotenen Regelbearbeitungszeit von 6 Monaten bereits eine Verdoppelung der Verfahrensdauer vor, ab deren Überschreitung eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens angenommen werden könne. Die Klägerin gehe danach von einer unangemessenen Verfahrensdauer ab einem Jahr seit Klageerhebung, mithin seit dem 9. Juni 2010 aus.

12

Zur Begründung des geltend gemachten Vermögensschadens macht die Klägerin den durch die „Fahrtmehraufwendung“ entstandenen Abnutzungsschaden an ihrem privaten Pkw sowie die Aufwendungen für die zurückgelegte Wegstrecke von ihrem Wohnort A-Stadt und dem Dienstort in G. geltend. Für die Klägerin ergibt sich danach folgende Rechnung:

13

Der einfache Fahrtweg zwischen ihrer Wohnung und dem Dienstort A. betrage 6 km, derjenige zwischen ihrer Wohnung und dem Dienstort G. 36 km; demzufolge ergebe sich pro Arbeitstag ein Fahrtmehraufwand von 60 km. Auf der Basis der Rechtsprechung des OLG Celle sei für ihren Privat-Pkw Peugeot „Bipper“ ein Wertminderungsschaden von 0,15 € je gefahrenen Mehrkilometer anzusetzen. Ausgehend von dem Zeitraum einer Verfahrensverzögerung vom 9. Juni 2010 bis zur Zustellung des Einstellungsbeschlusses am 28. Juni 2011 ergebe sich eine - durch Monatsnachweise belegte - Summe von 178 Arbeitstagen in G., welche zu einem Kilometermehraufwand von insgesamt 10.680 km und demzufolge zu einem Wertminderungsschaden von 1.602,00 € geführt hätten.

14

Daneben macht die Klägerin für den vorgenannten Zeitraum für jeden der von ihr geltend gemachten Mehrkilometer einen pauschalierten Betrag von 0,21 €/km für anteilig aufgewendete Kosten für Versicherung, Dieselverbrauch, Kfz-Steuer und Wartung in einer Gesamthöhe von 2.242,80 € geltend. Insoweit bringt sie indes - aufgrund des Hinweises des Senats - einen Betrag in Höhe von 403,13 € in Abzug, welcher ihr im Wege der Steuerrückerstattung unter dem Gesichtspunkt der Werbungskosten zufließe.

15

Zudem erhebt die Klägerin wegen eines Nachteils, welcher nicht Vermögensnachteil sei, einen zusätzlichen Entschädigungsanspruch, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts stellt. Zur Begründung führt sie aus, sie habe an jedem Arbeitstag 60 km mehr Wegstrecke zurücklegen müssen, was nicht nur zu einem Verschleiß an ihrem Pkw, sondern auch zu einer erheblichen Freizeiteinbuße geführt habe, die für die einfache Wegstrecke zwischen 30 und 45 Minuten in Ansatz zu bringen sein dürfte. Diese Freizeiteinbuße stelle einen Nachteil dar, welcher nicht als Vermögensnachteil zu klassifizieren sei.

16

Nachdem die Klägerin die Klage in Höhe eines Betrages von 403,13 € zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr:

17

1.Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 3.441,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

18

2.Der Beklagte wird zudem verurteilt, an die Klägerin eine angemessene Entschädigung - deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welche jedoch 1.200,00 € nicht unterschreiten sollte - zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

19

3.Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, auf die von der klägerischen Partei gezahlten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Einzahlung der Gerichtskosten bei der Gerichtskasse bis zum Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrages bei Gericht nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Klage insgesamt abzuweisen.

22

Er ist der Auffassung, die von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsansprüche seien von vornherein nicht gegeben, denn das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Halle - 5 A 221/09 HAL - habe nicht ungemessen lang i. S. d. §§ 173 VwGO, 198 Abs. 1 GVG gedauert. Jedenfalls rechtfertige die angeblich unangemessene Verfahrensdauer keinen Ausgleich der behaupteten materiellen und immateriellen Nachteile.

23

Die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens sei zentrale Tatbestandsvoraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gemäß § 198 GVG. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richte sich gemäß §§ 173 VwGO, 198 Abs. 1 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten sowie Dritter. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff sei inhaltlich mit der Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. derjenigen des Art. 6 Abs. 1 EMRK auszufüllen. Dementsprechend knüpfe der Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG an die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR an.

24

Die formelhafte Feststellung durch die Klägerin, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer überschritten worden sei, könne nicht überzeugen. Die insgesamt zweijährige Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht Halle sei nicht erkennbar zu lang und deshalb hinnehmbar. Der Prozess sei nicht verzögert worden; aus der Verfahrensakte ergebe sich ein normaler Geschäftsgang. Die Absage der ersten mündlichen Verhandlung aufgrund der Erkrankung des Berichterstatters habe zu einer kurzfristigen, unvorhersehbaren Verzögerung geführt, welche nicht zu Lasten des Staates gehen könne, da eine solch kurzfristige, unvorhersehbare Erkrankung nicht auf strukturelle Fehler und Mängel innerhalb organisatorischer Einheiten zurückzuführen sei. Dem Rechtsschutzanspruch des Art. 19 Abs. 4 GG sei dadurch Rechnung getragen worden, dass eine Vertreterin tätig geworden sei. Krankheit sei im Übrigen durch den EGMR (Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 -) als „force majeur“ anerkannt worden, wenn der Fall nicht zu lange liegen bleibe; so sei es hier.

25

Dem Gericht müsse ein angemessener Zeitraum eingeräumt werden, um sich über die Sach- und Rechtslage ein Bild machen zu können, Literatur und Rechtsprechung zu studieren und sich eine Meinung darüber zu bilden, ob weitere Anordnungen erforderlich seien. Zudem sei zu bedenken, dass Richter eine Vielzahl von Verfahren zu bearbeiten hätten; im Übrigen gebe es in der Regel ältere Verfahren, die schon aus diesem Grund vorrangig zu terminieren seien. Es sei kein Grund vorgetragen worden, warum das Verfahren der Klägerin hätte vorgezogen werden müssen. Aus der Verfahrensakte ergebe sich auch nicht, dass sie sich um eine Beschleunigung des Verfahrens bemüht oder sich nach dem Sachstand erkundigt hätte.

26

Die Erkrankung eines Richters stelle einen sachlichen Grund dar, welcher eine Verzögerung rechtfertige. Es handele sich um einen Umstand des Einzelfalls i. S. d. § 198 Abs. 1 GVG. Zwar folge aus Art. 19 Abs. 4 GG, dass organisatorische Maßnahmen ergriffen werden müssten, um im Krankheitsfall eines Richters den Rechtschutzanspruch des Bürgers sicher zu stellen. Dies bedeute aber nicht, dass ein Richter zur Verfügung stehen müsste, um den Ausfall von Kollegen vollständig, vor allem ohne Zeitverlust kompensieren zu können. Erkrankungen könnten also nicht ausnahmslos ohne Verzögerung der Verfahrensdauer aufgefangen werden. Dies sei hinzunehmen und begründe noch keine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz.

27

Dem zuständigen Richter habe die Verfahrensakte nach seiner Rückkehr am 14. Februar 2011 wieder vorgelegen; er habe einen neuen freien Termin für die mündliche Verhandlung am 22. Juni 2011 finden müssen. Eine unangemessene Verzögerung begründe dies nicht.

28

Weil das Verfahren danach nicht unangemessen lang gedauert habe, bestehe schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Entschädigung nach § 198 Abs. 1 GVG. Lediglich hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Klägerin keinen materiellen oder immateriellen Nachteil vorgetragen habe, für welchen ihr ein Ausgleich gemäß § 198 Abs. 1 GVG gezahlt werden müsse.

29

Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 198 Abs. 1 GVG sei nicht auf eine vollständige Kompensation aller materiellen Nachteile nach der Differenzhypothese des allgemeinen verschuldensabhängigen Schadenersatzrechtes gerichtet. Der Gesetzgeber habe es als ausreichend erachtet, für immaterielle und materielle Nachteile lediglich einen angemessenen Ausgleich zu gewähren; damit werde dieser Anspruch im Vergleich zum Ersatzumfang bei Amtspflichtverletzungen sachgerecht abgestuft. Der Ausgleichsanspruch sei in der Regel niedriger als ein Schadenersatzanspruch und als Billigkeitsentschädigung grundsätzlich nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen. Ein eingetretener Substanzverlust könne nur ausgeglichen, aber nicht vollständig ersetzt werden; ein entgangener Gewinn sei überhaupt nicht ausgleichsfähig. Bei der Bemessung einer Entschädigung müsse daher - ähnlich wie in den Fällen des enteignungsgleichen Eingriffs und der Aufopferung - neben der Höhe des entstandenen Schadens berücksichtigt werden, wie schwerwiegend die Verzögerung war und ob die Schäden unmittelbar oder lediglich mittelbar durch die Verzögerung verursacht worden sind.

30

Hiernach könne der von der Klägerin geltend gemachte Schaden nicht im Rahmen des begehrten angemessenen Ausgleichs berücksichtigt werden. Die Wertminderung am Fahrzeug sowie die anteiligen Aufwendungen für Versicherung, Kraftstoff usw. seien schon nicht unmittelbar durch die vermeintliche Verzögerung des Rechtsstreits verursacht. Überdies müsse sich die Klägerin zurechnen lassen, dass sie sowohl nach dem letzten Parteivortrag als auch nach der Aufhebung der ersten Terminierung nichts für eine Beschleunigung des Verfahrens unternommen habe. Diese Untätigkeit deute zumindest darauf hin, dass die scheinbare Verzögerung für die Klägerin nicht sehr schwerwiegend gewesen sei; dies sei bei der Bemessung der Ausgleichshöhe zu berücksichtigen.

31

Im Übrigen begegneten die als materielle Nachteile dargestellten Aufwendungen der Klägerin erheblichen Zweifeln. Die Annahme einer pauschalen Wertminderung von 15 Cent/km ohne Rücksicht auf Fahrzeugart, Alter des Kfz, bereits vorhandene Abnutzung, Wiederverkaufswert und ähnliche Aspekte sei nicht nachvollziehbar. Einen ausgleichsfähigen Substanzverlust habe die Klägerin damit nicht dargelegt. Auch die weiteren 21 Cent/km wegen anteiliger Aufwendungen für Versicherung, Kraftstoff, Kfz-Steuer und Wartung seien nicht nachvollziehbar dargestellt. Die von der Klägerin vorgelegte Berechnung lasse nicht erkennen, auf welchem Berechnungsmodus und auf welcher Datenbasis sie die Unterhaltskosten eines Fahrzeugs berechne. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Aufwendungen für Kfz-Steuer, Versicherung und Wartung ohnehin anfielen; es handele sich also nicht um einen Substanzverlust aufgrund der vorgeblich unangemessenen Verfahrensdauer.

32

Ein immaterieller Ersatzanspruch bestehe schon von vornherein nicht. Zwar werde ein immaterieller Schaden gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG grundsätzlich vermutet; diese Vermutung könne hier aber als widerlegt angesehen werden. Eine etwaige psychische Belastung der Klägerin aufgrund der überlangen Verfahrensdauer sei nicht erkennbar.

33

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

Die gemäß Art. 23 Satz 1 2. Alt. i. V. m. Satz 5 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. S. 2302 ff.) auch ohne vorherige Erhebung einer Verzögerungsrüge statthafte Entschädigungsklage, über welche der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist auch hinsichtlich der Klageerweiterung sowie der Klageänderung zulässig, indes nur teilweise begründet:

35

1. Zunächst ist unproblematisch, dass es sich bei dem hier zugrunde liegenden Ausgangsrechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Halle (5 A 221/09) um ein Gerichtsverfahren gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG handelt und die Klägerin als Verfahrensbeteiligte anzusehen ist.

36

2. Es ist davon auszugehen, dass das Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Halle insgesamt unangemessen lang angedauert hat i. S. d. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG.

37

Nach der Legaldefinition des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG, welche wiederum auf den Vorgaben der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts beruht (vgl. hierzu etwa die Darstellungen von Althammer/Schäuble, NJW 2012, S. 1 ff., von Schenke, NVwZ 2012, S. S. 257 ff. sowie von Guckelberger, DÖV 2012, S. 279 ff.), gibt es keine gesetzlich definierte Grenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer; vielmehr hat der Gesetzgeber insoweit ausdrücklich von einer „Fristenlösung“ abgesehen, weil sie der Vielfältigkeit prozessualer Situationen nicht gerecht würde (vgl. Steinbeiß-Winkelmann, ZRP 2010, S. 205 ff.).

38

Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG „nach den Umständen des Einzelfalls“ (so auch der wörtlich oder sinngemäß immer wieder verwendete Einführungssatz des EGMR, etwa in seiner für den deutschen Gesetzgeber maßgeblichen Pilotentscheidung vom 2. September 2010 in dem Verfahren Rumpf/Bundesrepublik Deutschland, Nr. 46344/06). Dabei ist insbesondere auf die Schwierigkeit und die Bedeutung des Verfahrens sowie auf das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter abzustellen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens“ ist inhaltlich mit dem Justizgewährungsanspruch des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. dem Anspruch auf Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK auszufüllen. Die Verfahrensdauer ist als unangemessen anzusehen, wenn eine Abwägung aller Umstände ergibt, dass die aus den genannten Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, verletzt ist (vgl. hierzu etwa Althammer/Schäuble, a. a. O., S. 2).

39

Im Rahmen der Prüfung der Schwierigkeit des Falles (vom EGMR als „complexity of the case“ bezeichnet) sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Erschwernisse zu berücksichtigen, mithin etwa die Wichtigkeit und Sensibilität der zu beantwortenden rechtlichen Fragen und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sorgfalt der gerichtlichen Prüfung und Untersuchung. Von Bedeutung sind der Umfang der gebotenen Anhörungen, das Ausmaß an erforderlicher Tatsachenaufklärung sowie das Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten (EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172). Der EGMR unterscheidet hinsichtlich der Komplexität eines Falles 5 Kategorien in folgender Abstufung:

40

1. nicht sonderlich bzw. besonders komplex („not particularly complex“)

41

(EGMR, Entscheidung vom 30. Juni 2011, Nr. 11811/10, Rdnr. 28; Entscheidung vom 26. März 2009, Nr. 7369/04, Rdnr. 31)

42

2. gewisse sachliche und/oder rechtliche Komplexität („certain … complexity“)

43

(EGMR, Entscheidung vom 10. Februar 2011, Nr. 1521/06, Rdnr. 65)

44

3. ziemlich komplexe Sach- und Rechtsfragen bzw. erhebliche Komplexität („considerable complexity“)

45

(EGMR, Entscheidung vom 29. Juni 2010, Nr. 29035/06, Rdnr. 56; Entscheidung vom 11. Januar 2007, Nr. 20027/02, Rdnr. 76; Entscheidung vom 26. März 2009, Nr. 20271/05, Rdnr. 64)

46

4. sehr komplex („very complex“)

47

(EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172:

48

Sorgerechtsverfahren)

49

5. sehr große Komplexität der Sache („great complexity of the case“)

50

(EGMR, Entscheidung vom 2. März 2005, Nr. 71916/01 u. a., Rdnr. 131: Bodenreformgesetz).

51

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Abstufung ist der hier maßgebliche Ausgangsrechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Halle ohne weiteres der erstgenannten Kategorie „nicht sonderlich bzw. nicht besonders komplex“ zuzuordnen. Es ging ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die beklagte Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) verpflichtet war, der Klägerin wieder einen Dienstposten in der Revierstation A. zuzuweisen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die zunächst streitige Ausgangsfrage, ob die Polizeidirektion die Klägerin überhaupt zum Revierkommissariat G. hatte umsetzen dürfen, bereits in dem Einstellungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2008 (1 L 165/07) in dem Sinne beantwortet worden war, dass sich die Umsetzung der Klägerin - jedenfalls mit der hierfür gegebenen Begründung der Annahme einer erheblichen Störung des Betriebsfriedens - als rechtswidrig erweisen dürfte.

52

Der Streitgegenstand des hier zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens bezog sich (ausschließlich) darauf, ob die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) - entgegen ihrer ausdrücklichen Zusage, die Klägerin ab dem 01. Januar 2009 wieder in der Revierstation A. zu beschäftigen - diese weiterhin dem Revierkommissariat G. zuweisen durfte. Offensichtlich hat der Vorsitzende der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Halle bei Klageeingang den Rechtsstreit seinerseits nicht als besonders schwierig angesehen, denn er hat bereits mit seiner Eingangsverfügung das Einverständnis der Polizeidirektion mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter gemäß § 6 VwGO erfragt und dieses für den Fall einer Nichtäußerung unterstellt. Die Polizeidirektion hat sich zur Frage der Einzelrichter-Übertragung nicht geäußert; gleichwohl ist eine solche nicht erfolgt.

53

Dass sich die Schwierigkeit bzw. Komplexität des Verfahrens im unteren Bereich der oben genannten Skala bewegte, zeigt schließlich auch der Gang der mündlichen Verhandlung in der - einzigen und abschließenden - Sitzung vom 22. Juni 2011. Der Sach- und Streitgegenstand ergab sich unschwer aus den Gerichtsakten; die Sache war seit dem letzten Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2010 „ausgeschrieben“, die Positionen der Beteiligten klar und unverändert. Auf den Hinweis des Vorsitzenden, die angefochtenen Bescheide erwiesen sich voraussichtlich deswegen als rechtswidrig, weil sich das von der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt (...) über die Umsetzung der Klägerin herangezogene Spannungsverhältnis nicht durch Tatsachen belegen lasse, hob die Polizeidirektion sogleich in der mündlichen Verhandlung die streitgegenständlichen Bescheide auf. Der Rechtsstreit fand sodann durch die unmittelbar abgegebenen Erledigungserklärungen beider Beteiligten und den noch in der mündlichen Verhandlung verkündeten Einstellungsbeschluss mit Kostenentscheidung zum Nachteil der Polizeidirektion seinen Abschluss.

54

Hinsichtlich des Kriteriums der Bedeutung des Verfahrens ist vor allem darauf abzustellen, welche Bedeutung der Rechtsstreit für den Beschwerdeführer bzw. Kläger hat, mithin darauf, ob aus seiner Sicht ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens besteht bzw. bestanden hat. Nach der auch insoweit zugrunde zu legenden Rechtsprechung des EGMR (etwa Entscheidung vom 23. April 2009, Nr. 1479/08, Rdnr. 65) ist besondere Eile „naturgemäß geboten“ bei sog. Arbeitsstreitigkeiten („employment disputes“). Zu diesen Streitigkeiten gehören nicht nur Arbeitssachen im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern dazu zählen auch Rechtsstreitigkeiten aus dem öffentlichen Dienstrecht bzw. dem Beamtenrecht, welche die Verwendung von Beamtinnen und Beamten betreffen, sich mithin sich auf deren persönliche Arbeits- und Lebensumstände auswirken.

55

Ist unter Zugrundelegung dieses Kriteriums schon grundsätzlich davon auszugehen, dass ein erhebliches Interesse der Klägerin an einem schnellen Abschluss des Verfahrens bestand, so war dieses für das Verwaltungsgericht auch deswegen ohne weiteres erkennbar, weil sich die Klägerin schon in ihrer Klageschrift ausdrücklich „im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens“ mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter einverstanden erklärt hatte.

56

Es besteht auch kein Anlass zu der Annahme, dass die Klägerin durch ein ihr zurechenbares Verhalten die Erledigung des Rechtsstreits in irgendeiner Weise verzögert hat. Die Klägerin war - entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten - auch nicht gehalten, ihrerseits (nochmals) ausdrücklich auf die Eilbedürftigkeit des Verfahrens hinzuweisen oder sonst aktiv auf eine zügige Erledigung hinzuwirken. Erst recht war die Klägerin nicht gehalten, zu dem hier maßgeblichen Sachverhalt ein (gesondertes) gerichtliches Eilverfahren nur zu dem Zweck zu betreiben, auf eine schnellere Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinzuwirken oder sonst - etwa im Wege von Sachstandsanfragen - dem Verwaltungsgericht eine baldige Entscheidung des Verfahrens nahezulegen. Die Verpflichtung des Gerichts dazu, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, ergibt sich unmittelbar aus der dem Staat gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 EMRK obliegenden Justizgewährleistungspflicht (vgl. etwa Guckelberger, a. a. O., S. 290 m .w. N.).

57

Hinsichtlich der Prüfung, ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens dem Erfordernis der gerichtlichen Entscheidung innerhalb einer „angemessenen Frist“ im Sinne Art. 6 Abs. 1 EMRK entsprochen hat, gibt es zwar keine konkreten zeitlichen Vorgaben, und zwar weder durch den deutschen Gesetzgeber (§ 198 Abs. 1 GVG) noch durch die Rechtsprechung des EGMR. Als grober Anhaltspunkt kann die Rechtsprechung des EGMR insoweit gelten, als dort in mehreren Entscheidungen eine Verfahrenslaufzeit von etwa einem Jahr pro Instanz als angemessen angesehen worden ist („one year per instance may be a rough rule of thumb in Article 6 § 1 cases“ - so etwa EGMR, Entscheidung vom 26. November 2009, Nr. 13591/05, Rdnr. 126).

58

Dementsprechend vermag sich der Senat - jedenfalls hinsichtlich einfach gelagerter Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegenden - nicht der vom OVG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 27. März 2012 (3 A 1.12. - juris) vertretenen - pauschalen - Auffassung dahingehend anzuschließen, eine Verfahrensdauer von zwei Jahren verstoße „noch nicht gegen die vom EGMR zu Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK entwickelten Maßstäbe“.

59

Soweit der Beklagte aus dem Urteil des EGMR vom 16. Juli 2009 (Nr. 8453/04) die Bestätigung seiner Rechtsauffassung herzuleiten sucht, die Krankheit eines Richters sei quasi als „force majeur“ anzusehen und führe nicht zu Entschädigungsansprüchen, wenn „der Fall nicht zu lange liegen bleibe“, vermag der Senat dem - jedenfalls in dieser Verallgemeinerung - nicht zu folgen: abgesehen davon, dass der EGMR die v. g. Formulierung selbst nicht verwendet hat und die vom Beklagten in Bezug genommene Textstelle des Urteils (Nr. 53) das Verhalten der Staatsanwaltschaft, nicht des Gerichts oder einzelner Richter betrifft, hat der EGMR lediglich ausgeführt, er „akzeptiere, dass eine Verzögerung der Erstellung der Anschuldigungsschrift durch die Krankheit des Vertreters der Einleitungsbehörde verursacht wurde ..“, andererseits aber zugleich bemerkt, dass die damit verbundene Verzögerung von fast zwei Jahren zu lang war. Wenn der Beklagte hieraus - lediglich abstellend auf die dreimonatige Erkrankung des Kammervorsitzenden - den Schluss zieht, dass danach die (auch nach der Genesung des Richters) weiter verzögerte Erledigung des Verfahrens hingenommen werden müsse, so liegt dieser Auffassung ein Fehlverständnis der Rechtsprechung des EGMR zugrunde.

60

Nicht zu folgen ist allerdings auch dem von der Klägerin gewählten Ansatz dahingehend, hier sei die statistisch erhobene durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Zivilrechtsstreits vor den Amtsgerichten (etwa 5 bis 6 Monate) zugrunde zu legen und ab einer nach Verdoppelung dieses Durchschnittswertes liegenden Bearbeitungsdauer eines Verwaltungsrechtsstreits ohne weiteres eine überlange, d. h. „unangemessene“ Dauer des Gerichtsverfahrens zu unterstellen. Eine solche pauschalierte Betrachtungsweise ist schon per se unzulässig und verkennt im Übrigen den grundlegend unterschiedlichen Bearbeitungsaufwand eines durchschnittlichen Zivilrechtsstreits vor dem Einzelrichter eines Amtsgerichts und einer Verwaltungsrechtssache vor der Kammer eines Verwaltungsgerichts.

61

Ebenso wenig vermag der Senat pauschal die durchschnittliche Bearbeitungsdauer eines Verwaltungsrechtsstreits in Sachsen-Anhalt (ca. 12 Monate) zugrunde zu legen und allein hierauf abzustellen. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgegebenen Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer „nach den Umständen des Einzelfalls“ widersprechen. Vielmehr ist in jedem Fall eine konkrete Betrachtung der Aktivitäten des Gerichts zur Förderung bzw. Erledigung des konkreten Rechtsstreits geboten, wobei eine Verzögerung in gewissen Verfahrensstadien vertretbar ist, sofern die Gesamtverfahrensdauer nicht als überlang erachtet werden kann (vgl. EGMR, Entscheidung vom 2. Juni 2009, Nr. 36853/05, Rdnr. 45).

62

Allerdings setzt der Anspruch gemäß § 198 Abs. 1 GVG keine Pflichtwidrigkeit bzw. Verschulden des für das Verfahren zuständigen Gerichts oder des einzelnen Richters voraus. So können auch ein häufiger bzw. kurzfristiger Richterwechsel, eine ungleichmäßige Geschäftsverteilung oder eine mangelhafte Personalausstattung des Gerichts zu Entschädigungsansprüchen führen (vgl. die Nachweise bei Schenke, a. a. O., S. 4). Dementsprechend trifft die Entscheidung über das Bestehen etwaiger Ansprüche gem. §§ 198 ff. GVG auch von vornherein keine Aussage darüber, ob einzelnen Richterinnern oder Richtern ein Verschuldensvorwurf zu machen ist.

63

3. Die vorgenannten Kriterien zugrunde legend, stellt sich sowohl die Gesamtbearbeitungsdauer des Ausgangsrechtsstreits mit über zwei Jahren als auch dessen Bearbeitung in einzelnen Verfahrensstadien als unangemessen lang i. S. d. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG dar:

64

Angemessen lang und demzufolge nicht zu beanstanden ist die richterliche Bearbeitung des Verfahrens vom Zeitraum des Klageeingangs am 9. Juni 2009 bis zum 25. Oktober 2009. Zwar war dem Vorsitzenden durchaus erkennbar, dass das Verfahren bereits mit Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2009 „ausgeschrieben“ war, mithin weitere Schriftsätze - vor allem neuer Sachvortrag - nicht zu erwarten waren. Gleichwohl billigt der Senat dem Verwaltungsgericht zu, dass der Vorsitzende im Zusammenhang mit seiner Übersendungsverfügung vom 25. September 2009 noch eine (abschließende) Frist von einem Monat hätte verfügen können, um - vor einer prozessleitenden Verfügung - noch eine evtl. abschließende Stellungnahme der beklagten Polizeidirektion abzuwarten.

65

Ausgehend von der Verpflichtung des Gerichts, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, hätte daher bereits am 25. Oktober 2009 Veranlassung bestanden, das Verfahren weiter mit dem Ziel einer Erledigung konkret zu fördern, mithin entweder die von der Klägerin angeregte und vom Vorsitzenden selbst in Aussicht gestellte Übertragung auf den Einzelrichter gemäß § 6 VwGO vorzunehmen bzw. das Verfahren zu einer der nächsten Kammersitzungen zu laden oder das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 101 Abs. 2 VwGO zu erfragen. Auch hätte es nahegelegen, die Beteiligten über die - später in der mündlichen Verhandlung sogleich zum Ausdruck gebrachte - Rechtsauffassung zu unterrichten und so auf eine evtl. unstreitige Erledigung hinzuwirken.

66

Der Umstand, dass der Vorsitzende - offensichtlich ohne weitere rechtliche Prüfung - das Verfahren lediglich zur „Wiedervorlage auf Abruf“ verfügt hat und sich der nächste Bearbeitungsgang erst aus der am 16. September 2010, mithin mehr als neun Monate später verfügten Terminierung ergibt, stellt - auch unter Zugrundelegung der erkennbar geringen Komplexität des Verfahrens und angesichts des dokumentierten Interesse der Klägerin an einem zügigen Fortgang des Rechtsstreits - eine Nichtbearbeitung des Verfahrens dar, die für den vorgenannten Zeitraum, mithin für eine Dauer von mehr als zehn Monaten als unangemessene Verzögerung des Verfahrens anzusehen ist.

67

Der Umstand, dass sodann der Verhandlungstermin vom 24. November 2010 wegen Erkrankung des Berichterstatters (und Vorsitzenden) aufgehoben worden ist, bietet als solcher keinen (weiteren) Grund zur Annahme einer unangemessen langen Bearbeitungsdauer. Die Verzögerung infolge einer kurzfristigen Erkrankung des zuständigen Richters ist hinzunehmen; allerdings bleibt es bei der Verpflichtung des Rechtsstaates, für eine möglichst baldige weitere Terminierung zu sorgen.

68

Danach waren die mehrfachen Verfristungen durch die stellvertretende Kammervorsitzende am 13. Dezember 2010 sowie am 12. Januar 2011 sowie vor allem die erneute Verfügung des Vorsitzenden vom 16. Februar 2011: „Wiedervorlage auf Abruf“ nicht geeignet, das Verfahren in angemessener Weise weiter zu fördern. Vielmehr führten die mehrfachen Verfristungen dazu, dass erst am 12. April 2011 die abschließende Ladung des Verfahrens zum 22. Juni 2011 erfolgt ist, wodurch sich die Erledigung des Rechtsstreits schließlich weiter verzögert hat. Der Senat geht davon aus, dass eine erneute Terminierung des Verfahrens, wenn nicht schon durch die stellvertretende Kammervorsitzende, so aber spätestens nach Rückkehr des Vorsitzenden am 16. Februar 2011, mithin etwa 3 Monate nach der veranlassten Terminsaufhebung hätte erfolgen können und auch müssen.

69

Dazu ist zu bemerken, dass es hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens gemäß § 198 ff. GVG nicht darauf ankommt, ob der einzelne Richter pflichtwidrig gehandelt hat oder ob ihn persönlich ein Verschulden trifft; auch die chronische Überlastung des Gerichts oder des mit der Sache befassten Spruchkörpers, länger bestehende Rückstände oder eine allgemein angespannte Personalsituation sind unerheblich (vgl. dazu auch die amtliche Begründung zu § 198 GVG, BT-Drs. 17/3802 S. 19, Schenke, a. a. O., S. 3 m. w. N.).

70

Es ist danach davon auszugehen, dass das Ausgangsverfahren auch in dem Zeitraum vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 nicht hinreichend gefördert worden ist, obwohl sich das besondere Beschleunigungsgebot ohne weiteres aus dem Streitgegenstand ergeben hat.

71

Insgesamt hat sowohl für den Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis 16. September 2010 als auch für denjenigen vom 16. Februar 2011 bis 12. April 2011 eine Phase der nach den Umständen nicht gerechtfertigten mangelnden Förderung des Verfahrens vorgelegen, mithin für eine Gesamtdauer von etwas mehr als 12 Monaten.

72

4. Danach steht der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf „angemessene Entschädigung“ für den infolge der eingetretenen Verzögerung der Erledigung des Gerichtsverfahrens von 12 Monaten eingetretenen Vermögensnachteil gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zu. Dieser Anspruch ist allerdings - worauf der Beklagte mit Recht hinweist - nicht einem Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 249 BGB gleichzustellen. Vielmehr kann - in Anlehnung an die sich aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ergebenden Grundsätze - lediglich eine Ausgleichszahlung zur Ersetzung des eingetretenen Substanzverlustes beansprucht werden (vgl. hierzu die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Dr 17/3802 S. 34 und diejenige des BT-Rechtsausschusses, BT-Dr 17/7217).

73

Grundsätzlich ist der von der Klägerin für den Zeitraum der Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits geltend gemachte Fahrtmehraufwand von 60 km je Arbeitstag für die Zurücklegung der Strecke zwischen ihrem Wohnort und dem Dienstort G. (an unstreitig 178 Tagen) berücksichtigungsfähig, denn insoweit sind der Klägerin tatsächlich - kausal bedingt durch die Verzögerung in der Erledigung des Gerichtsverfahrens - Mehrkosten entstanden, die sie ansonsten nicht zu tragen gehabt hätte. In Ansatz zu bringen sind dabei indes nicht die ohnehin anfallenden Kosten für Versicherung und Kfz-Steuer (Sowieso-Kosten) sowie hinsichtlich der ohnehin eintretenden Wertminderung, sondern lediglich die Ausgaben für den konkret zu berechnenden Mehrverbrauch an Diesel-Kraftstoff. Der geltend gemachte Entschädigungsanspruch für die Wertminderung des Fahrzeugs besteht nur insoweit, als er unmittelbar auf die zusätzlich gefahrenen Kilometer zurückzuführen ist.

74

Unter Zugrundelegung eines verzögerungsbedingten Kilometermehraufwandes für den gesamten Zeitraum über eine zusätzliche Strecke von 10.680 km und einem - durchaus realistischen - Verbrauch von 6,2 l Diesel pro 100 km ergibt sich danach ein Mehrverbrauch von 700 l, mithin bei einem durchschnittlichen Dieselpreis von 1,50 € je Liter ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.050,00 €. Die anteiligen Wartungskosten schätzt der Senat gemäß §§ 173 S. 2 VwGO, 287 Abs. 1 ZPO auf 150,00 €, so dass der Klägerin insoweit unter dem Gesichtspunkt tatsächlich entstandener Zusatzaufwendungen ein Entschädigungsanspruch von 1.200,00 € zusteht. Die Wertminderung bemisst der Senat im Hinblick darauf, dass der Neupreis des Fahrzeugs nach den von der Klägerin selbst vorgelegten Unterlagen (Anlage K 2) bei lediglich etwa 9.000,00 € liegt, und unter weiterer Berücksichtigung, dass die Klägerin dieses nicht als Neufahrzeug erworben hatte, ebenfalls im Wege der Schätzung gemäß §§ 173 S. 2 VwGO, 287 Abs. 1 ZPO auf 0,10 € je km, mithin auf 1.068,00 €.

75

Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der verzögerungsbedingten Mehrkosten bedurfte es ebenso wenig wie der ausdrücklichen Bescheidung des von der Klägerin mit Schriftsatz vom 29. Juni 2012 gestellten Beweisantrags. Die Klägerin hat insoweit selbst angeregt, der Senat möge „gegebenenfalls unter Verwendung der vorgelegten Daten“ im Wege der Schadensschätzung vorgehen und für diesen Fall offensichtlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht für geboten angesehen.

76

Von den sich danach errechnenden 2.268,00 € ist indes der Betrag in Abzug zu bringen, welcher der Klägerin im Wege der Steuerrückerstattung für die ihre entstandenen Fahrtkosten (Werbungskosten) für den hier maßgeblichen Zeitraum erstattet wird und den die Klägerin selbst ihrer teilweisen Klagerücknahme zugrunde gelegt hat. Mithin bleibt ein Entschädigungsbetrag von 1.864,87 € für den entstandenen Vermögensnachteil.

77

5. Neben der Entschädigung für den eingetretenen Vermögensnachteil kann auch eine Entschädigung für einen Nachteil bewilligt werden, welcher nicht Vermögensnachteil ist. Da der Nachweis einen immateriellen Nachteils schwierig ist, wird ein solcher vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lang gedauert hat (vgl. dazu Schenke, a. a. O.; IV. Nr. 3). Zwar kann die gesetzliche Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG widerlegt werden. Für eine solche Widerlegung genügt die pauschale Einlassung des Beklagten, es fehle an „nachprüfbaren Hinweisen“, allerdings nicht. Der Beklagte räumt selbst ein, dass eine überlange Verfahrensdauer eine psychische Belastung zur Folge haben könne. Eine derartige Belastung hat die Klägerin mit ihrem Hinweis auf den mehrmonatigen zusätzlichen Zeitaufwand für die Fahrten nach G. nachvollziehbar dargelegt, ohne dass der Beklagte dem weiter entgegengetreten ist.

78

Allerdings kann eine Entschädigung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG, insbesondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ausreichend ist. Eine derartige Feststellung ohne Zuerkennung eines materiellen Entschädigungsanspruches kommt nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. Entscheidung vom 11. Januar 2007, Nr. 20027/02, Rdnr. 90; Entscheidung vom 7. Januar 2010, Nr. 40009/04, Rdnr. 177; Entscheidung vom 13. Juli 2006, Nr. 38033/02, Rdnr. 51) vor allem dann in Betracht, wenn die Feststellung einer Verletzung allein eine hinreichend gerechte Entschädigung von erlittenem Schaden darstellt. Dies gilt etwa in den Fällen, in welchen das Verfahren keine besondere Bedeutung für die Beteiligten hat oder dann, wenn ein Beteiligter keinen weitergehenden immateriellen Schaden erlitten hat und die Überlänge des Verfahrens den einzigen für ihn entstandenen Nachteil darstellt (vgl. hierzu Althammer/Schäuble, a. a. O., S. 3 ff.).

79

Der Senat vermag nach den Umständen des Einzelfalles nicht davon auszugehen, dass die bloße Feststellung der unangemessen langen Verfahrensdauer eine angemessene Entschädigung der Klägerin darstellt. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin auf die gerichtliche Klärung einer Situation wartete, welche sie persönlich beeinträchtigte und deren Rechtmäßigkeit sich durch einen zügig angesetzten Verhandlungstermin ohne weiteres hätte klären lassen können. Zudem hatte die Klägerin - wie sich schon aus den Ausführungen des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung zeigt - offensichtlich selbst keine Veranlassung für ihre von der Beklagten mit Nachdruck betriebene Umsetzung von ihrem bisherigen Dienstort nach G. gegeben und auch das gerichtliche Verfahren in keiner Weise verzögert. Angesichts dieser Umstände des Einzelfalls hält es der Senat für angemessen, der gesetzlichen Regelvorgabe des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zu entsprechen und der Klägerin somit einen Betrag von 1.200,00 € für das Jahr der insgesamt eingetretenen Verzögerung der Erledigung des Rechtstreits zuzusprechen.

80

6. Der Zinsanspruch - soweit der Senat diesen im Tenor festgestellt hat - beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Demgegenüber ist der mit dem Klageantrag zu Ziff. 3 geltend gemachte Anspruch auf Verzinsung eingezahlter Gerichtskosten nicht begründet. Mit Recht weist der Beklagte darauf hin, dass ein derartiger Zinsanspruch einen verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruch voraussetzt, an welchem es hier hingegen fehlt. Wie bereits ausgeführt, regelt § 198 Abs. 1 GVG einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch, welcher allerdings nicht auf einen vollständigen Schadenausgleich gerichtet ist; jener umfasst weder einen entgangenen Gewinn noch einen entgangenen Zinsvorteil.

81

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1, 2 VwGO; unter Berücksichtigung der teilweisen Klagerücknahme und des beiderseitigen Obsiegens/Unterliegens waren die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis 40: 60 zu teilen.

82

8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 173 S. 2 VwGO, 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 711 ZPO.

83

9. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit der mit den Grundlagen und dem Umfang von Entschädigungsansprüchen gemäß §§ 198 ff. GVG verbundenen Fragen gemäß §§ 173 Satz 2 VwGO, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.