Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 19. März 2012 - L 2 SO 72/12 ER-B

bei uns veröffentlicht am19.03.2012

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt F., F., beigeordnet.

Gründe

 
Die Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.
Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegte (§ 173 SGG) Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Beschlüsse des Landessozialgericht Baden-Württemberg v. 1.8.2005 – L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und v. 17.8.2005 – L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlangt eine besondere Ausgestaltung, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Will sich das entscheidende Gericht in einem solchen Fall an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, dann muss es die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) gilt (BVerfG v. 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 = Breith 2005, 803). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Güter- und Folgenabwägung zu entscheiden (LSG Baden-Württemberg v. 27.3.2006 - L 8 AS 1171/06 ER-B und v. 6.9.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B). Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG v. 22.11.2002 – 1 BvR 1586/02 = NJW 2003, 1236). Diejenigen Folgen sind gegeneinander abzuwägen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht eine einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Verfahren der Hauptsache herausstellte, dass der Anspruch doch bestanden hätte, und auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die beantragte einstweilige Anordnung erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch nicht bestanden habe.
Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (LSG Baden-Württemberg v. 4.4.2008 – L 7 AS 5626/07 ER-B und v. 11.6.2008 – L 7 AS 2309/08 ER-B ). Sind nach Überzeugung des Gerichts Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Anordnungszwecks erforderlich sind (§ 938 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das SG aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht statt gegeben, da ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurden. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird gem. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen und die Beschwerde gegen die Entscheidung aus denselben Gründen zurückgewiesen.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er weder die Auslegung des § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII durch den Antragsgegner, noch seine Auffassung, aufgrund des Alters der Antragstellerin würde Eingliederungshilfe von vorneherein nicht in Frage kommen, teilt.
Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, ergibt sich vorliegend der Anordnungsanspruch aus § 61 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 SGB XII (Hilfe zur Pflege) bzw. aus den § 53 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB XII, § 55 SGB XII, § 55 Abs. 1 SGB IX (Eingliederungshilfe), ohne dass vorliegend im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Einzelnen eine Abgrenzung der beiden Leistungen vorgenommen zu werden braucht, denn Leistungen der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis sondern können, abhängig von den Umständen Einzelfalles, auch nebeneinander erbracht werden (vgl. BVerwG v. 27.10.1977 – V C 15/77 – BVerwGE 55, 31 = juris RdNr 18 f.; Meßling in: jurisPK-SGB XII, 2011, RdNr. 18; Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 53 RdNr 32). Die Maßnahmen, um die vorliegend gestritten wird, enthalten sowohl Elemente der Eingliederungshilfe (Milderung der Folgen der Behinderung), als auch der Pflege (Kompensation eines bestehenden Defizits durch regelmäßig wiederkehrende notwendige Hilfen; vgl. zur Abgrenzung je nach Ziel und Schwerpunkt der Maßnahme VGH Baden-Württemberg v. 31.1.1996 – 6 S 494/93 = NVwZ-RR 1997, 362 = juris RdNr. 34).
Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 SGB XII ist Hilfe zur Pflege auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten, die u.a. der Hilfe für andere Verrichtungen als die sog. Katalogverrichtungen nach § 61 Abs. 5 SGB XII bedürfen. Zu diesen sonstigen Verrichtungen zählt auch die vorliegend glaubhaft gemachte Erforderlichkeit einer Nachtwache zur Verhinderung selbstgefährdenden Verhaltens (vgl. Klie in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 61 RdNr 5; H. Schellhorn in: ders./W. Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 61 RdNr. 35; Meßling in: jurisPK-SGB XII, 2011, § 61 RdNr. 89). Mit der Inbezugnahme auch „anderer Verrichtungen“ hat der Gesetzgeber bewusst eine Öffnungsklausel normiert, die es dem zuständigen Sozialhilfeträger einerseits ermöglichen soll, auf unterschiedliche Bedarfssituationen flexibel zu reagieren (vgl. zu § 68 Abs. 5 BSHG: VG Leipzig v. 14.7.2004 – 2 K 1028/03 = juris RdNr. 20), andererseits aber auch verpflichtenden Charakter für den zuständigen Träger hat, indem die individuelle Bedarfsdeckung sichergestellt werden muss (vgl. BT-Drucks 13/4521, S. 3).
10 
Soweit im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten wird, es bestehe ein Anspruch auf Bedarfsdeckung für die „anderen Verrichtungen“ in Form von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 ff. SGB XII (Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010, § 61 RdNr. 32), da die Eingliederungshilfe den umfassenderen Ansatz habe, braucht dies nach dem vorstehend Ausgeführten zwar nicht vertieft zu werden, jedoch weist der Senat darauf hin, dass es dem Normzweck und dem Regelungsgehalt der §§ 53 ff. SGB XII nicht gerecht werden dürfte, wenn man grundsätzlich darauf abstellen würde, dass die 1931 geborene Klägerin schon auf Grund ihres Alters nicht mehr eingegliedert werden könne. Eingliederungshilfe zielt u.a. darauf ab, Folgen einer Behinderung abzumildern um auf diese Weise die Teilhabefähigkeit zu verbessern (§ 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII), weshalb grundsätzlich keine Altersgrenze bestehen dürfte (vgl. BVerwG v. 21.12.2005 – 5 C 26/04 – juris RdNr. 13; Voelzke in: Hauck/Noftz, K § 53a RdNr 26a; Wehrhahn in: jurisPK-SGB XII, § 53 RdNr, 41).
11 
Soweit die Antragsgegnerin mit der Beschwerde vorbringt, die Antragstellerin sei derzeit bezüglich ihrer Erkrankungen und der erforderlichen Pflege in einem ungeeigneten Heim untergebracht, dürfte dies zwar zutreffen und ein zeitnaher Wechsel in ein geeignetes Heim erforderlich sein. Die Antragstellerin hat aber im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemacht, dass ein Wechsel in die von der Antragsgegnerin im Beschwerdeschriftsatz vom 4.1.2012 vorgeschlagenen Heime derzeit mangels Kapazitäten bzw. Geeignetheit nicht möglich ist. Der Senat hat diesbezüglich im Beschwerdeverfahren bei der Bruderhaus Diakonie D. eine ergänzende Auskunft über die mögliche Aufnahme der Antragstellerin eingeholt. Der Haus- und Pflegedienstleister S. hat mit Telefaxschreiben vom 17.3.2012 mitgeteilt, eine Aufnahme sei derzeit nicht möglich und es sei auch nicht absehbar, wann ein Zimmer frei werde. Seine gegenüber der Antragsgegnerin gemachte Aussage, wonach eine Aufnahme binnen 14 Tagen möglich sei, habe sich auf eine erste allgemeine Anfrage bezogen. Nach Kenntnis der Einzelheiten komme aber nur ein spezieller Bereich der Einrichtung in Frage. Insoweit bestehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund fort; es ist aber beiden Beteiligten anzuraten, den im beiderseitigen Interesse liegenden Heimwechsel möglichst zeitnah und möglichst kooperativ durchzuführen. Auch unter diesem Aspekt erscheint die vom SG vorgenommene Begrenzung bis längstens 30.6.2012 sachgerecht.
12 
Aus diesen Gründen war der Klägerin auch unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten PKH ohne Ratenzahlung zu bewilligen.
13 
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
14 
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

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(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

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Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

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(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungskla

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Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

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(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen

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Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Die Beschwerdefrist i

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Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Belehrung über das Beschwerderecht ist auch mündlich möglich; sie ist dann aktenkundig zu machen.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Januar 2006 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in vollem Umfang abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind im Antrags- und Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Konstanz (SG), mit der dieses die Antragsgegnerin verpflichtet hat, dem Antragsteller ab 20.01.2006 bis längstens 17.05.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von 20 % der monatlichen Regelleistung zu gewähren.
Am 24.10.2005 ging bei der Agentur für Arbeit R. der schriftliche Antrag des Antragstellers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ein. Ergänzend trug der Antragsteller vor, seit 14.12.2004 befinde er sich in Haft, die bis zum 30.11.2005 dauere. Anschließend komme er in die Fachklinik R. zur Entzugsbehandlung. Bei einer gesetzlichen Krankenversicherung sei er weder pflichtversichert noch familienversichert. Zuletzt sei er privat krankenversichert gewesen.
Mit Bescheid vom 16.12.2005 lehnte die Agentur für Arbeit R. den Antrag vom 24.10.2005 ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, da der Antragsteller mit seiner Haft und der stationären Entwöhnung den Sechs-Monats-Zeitraum überschreite. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass in der Zeit, in der der Antragsteller keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehe, er durch den zuständigen Leistungsträger für den Fall der Krankheit nicht versichert sei. Um Nachteile zu vermeiden, werde empfohlen, sich bei der Krankenkasse über die Rechte und Möglichkeiten (z. B. auf freiwillige Weiterversicherung) für die betreffende Zeit zu erkundigen.
Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch und trug zur Begründung vor, da er für die Haftzeit keine Leistungen nach dem SGB II beantragt und auch nicht bezogen habe, sei sein Antrag vom 24.10.2005 als Neuantrag zu bewerten. Die Sechs-Monatsfrist überschreite er nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, § 7 Abs. 4 SGB II bestimme, dass Leistungen nach dem SGB II nicht erhalte, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht sei. Dieser Ablehnungstatbestand sei erfüllt, da auch Zeiten in Einrichtungen zum Vollzug von richterlicher angeordneter Freiheitsentziehung zur stationären Unterbringung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II zählten. Auch seien Zeiten der Unterbringung in unterschiedlichen Einrichtungen zusammenzurechnen, da der Widerspruchsführer während der gesamten Dauer der Unterbringung nicht erwerbstätig sein könne oder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne.
Mit dem am 20.01.2006 beim SG eingegangenen Schreiben vom 19.01.2006 beantragte der Antragsteller, ihm im Wege des einstweiligen Rechtschutzes Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Zur Begründung machte er ergänzend geltend, aufgrund seiner fehlenden Krankenversicherung könnten für ihn nicht die notwendigen ärztlichen Untersuchungen während der Rehabilitation durchgeführt werden. Auch befürchte er, für die bereits erfolgten Behandlungen mit einer Privatrechnung belastet zu werden. Außerdem verfüge er über kein Bargeld mehr und könne sich seinen persönlichen Bedarf an Hygieneartikel, Bekleidung u.a. Ausgaben zur Teilnahme an der alltäglichen Lebensgestaltung in der Fachklinik nicht finanzieren. Das von der Justizvollzugsanstalt erhaltene Entlassgeld von ca. 600 EUR habe er bereits ausgegeben, u. a. für notwendige Bekleidung und zur Schuldenregulierung. Der Antragsteller fügte den Bescheid der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg vom 05.09.2005 bei, wonach ihm eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der Fachklinik R. bewilligt wurde. Die Leistung dauere voraussichtlich 24 Wochen.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen und führte zur Begründung aus, die Voraussetzungen zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II seien nicht erfüllt, da sich der Antragsteller seit dem 14.12.2004 in Haft befinde. Der Ausschlusstatbestand von § 7 Abs. 4 SGB II sei deshalb erfüllt, da die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II längstens für einen Zeitraum von sechs Monaten zu erbringen seien, in dem zu erwarten sei, dass jemand wieder fähig sein werde, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbsfähig zu sein. Dieser Zeitraum von sechs Monaten werde hier überschritten, denn Zeiten in unterschiedlichen Einrichtungen seien zusammenzuzählen, denn der Antragsteller könne während der gesamten Dauer der Unterbringung nicht erwerbstätig sein oder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden.
Mit Beschluss vom 30.01.2006 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Antragsteller ab 20.01.2006 bis längstens 17.05.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von 20 % der monatlichen Regelleistung zu gewähren; im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Zur Begründung ist ausgeführt, eine Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung komme lediglich für die Zeit ab Eingang des Antrags beim SG (20.01.2006) in Betracht, nicht jedoch für die Zeit vor Eingang des Antrages. Ein - eingeschränkter - Anordnungsanspruch bestehe ab 20.01.2006, da der Antragsteller - allerdings nur eingeschränkt - hilfebedürftig sei. Die Ausschlussvorschrift des § 7 Abs. 4 SGB II, wonach Leistungen nach diesem Buch derjenige nicht erhalte, der für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht sei oder Rente wegen Alters beziehe, sei vorliegend entgegen der Auffassung des Antragsgegnerin nicht anwendbar, da die Haft keine Unterbringung in einer stationären Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II darstelle. Somit beginne die Unterbringung des Antragstellers in einer „stationären Einrichtung" erst am 30.11.2005, so dass der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 4 SGB II noch nicht verwirklich sein dürfte. Der Antragsteller dürfte auch nicht als erwerbsunfähig anzusehen sein. Die Suchtmittelerkrankung des Antragstellers bedeute nicht per se Erwerbsunfähigkeit, vielmehr bedürfe es auch in einem solchen Falle einer Feststellung des Leistungsvermögens im Einzelfall, was jedoch zunächst dem Widerspruchs - und so dann erforderlichenfalls einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müsse. Solange Erwerbsunfähigkeit nicht zweifelsfrei feststehe, spreche viel für eine Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin. Der Antragsteller sei allerdings wohl nur eingeschränkt hilfebedürftig. Er habe nur einen stark verminderten Bedarf, da der Rehabilitationsträger seinen Lebensunterhalt in der stationären Einrichtung grundsätzlich decke. Darüber hinaus verbleibe nur Anspruch auf einen Barbetrag zur Befriedigung laufender Bedürfnisse, die nicht von der Einrichtung gedeckt würden („Taschengeld"). Der Höhe nach orientiere sich das SG dabei an § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII, wobei es aufgrund der Vorläufigkeit der Regelung einen Abschlag auf 20 % für geboten halte. Ein höherer Betrag, etwa für Bekleidung, käme nur dann in Betracht, wenn die Notwendigkeit der Beschaffung glaubhaft gemacht würde. Mit dem Bezug von Arbeitslosengeld II werde der Antragsteller automatisch nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung, so dass er ab Antragstellung auch den begehrten Krankenversicherungsschutz erhalte.
Gegen den - der Antragsgegnerin am 03.02.2006 zugestellten - Beschluss hat die Antragsgegnerin am 21.02.2006 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, dem geltend gemachten Anspruch stehe die Regelung des § 7 Abs. 4 SGB II entgegen. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalte daher nicht, wer absehbar für länger als sechs Monate vollstationär in einer Anstalt, einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung untergebracht sei. Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung seien den vollstationären Einrichtungen gleichgestellt. Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 4 SGB II sei dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechend so zu verstehen, dass die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II längstens für einen Zeitraum von sechs Monaten zu erbringen seien, in dem (prognostisch) zu erwarten sei, dass jemand fähig sein werde, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Zeiten in unterschiedlichen Einrichtungen seien deshalb zusammenzurechnen, weil der Betroffene während der gesamten Dauer der Unterbringung nicht erwerbstätig sein könne oder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne. Ausgehend von der Antragstellung am 24.10.2005 sei der Antragsteller länger als sechs Monate vollstationär untergebracht, nämlich vom 24.10.2005 bis 30.11.2005 in der Justizvollzugsanstalt Ravensburg und vom 01.12.2005 bis 17.05.2006 in der Fachklinik R.
10 
Die Beschwerdeführerin beantragt,
11 
den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Januar 2006 abzuändern und den Antrag in vollem Umfang abzulehnen.
12 
Der Beschwerdegegner beantragt,
13 
die Beschwerde zurückzuweisen.
14 
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
15 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beschwerdeführerin, der Akten des SG Konstanz und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die gemäß den §§ 172ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.
17 
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
18 
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).
19 
Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237; BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).
20 
Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).
21 
Dem Antragsteller stehen keine Leistungen nach dem SGB II zu, weil er für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist (§ 7 Abs. 4 SGB II). Zu den stationären Einrichtungen iSd § 7 Abs. 4 SGB II gehört auch eine Justizvollzugs- oder eine Untersuchungshaftanstalt (SG Würzburg Beschluss vom 29.03.2005 - S 10 AS 27/05 ER -; vgl. auch Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II München 2005, § 7 Rdn. 34; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II Loseblattsammlung, § 9 Rdn. 69; wohl auch Brühl in: LPK-SGB II , Baden Baden 2005, § 7 Rdn. 58; aA LSG Schleswig Holstein Beschluss vom 14.11.2005 - L 9 B 260/05 SO ER - ; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 07.03.2006 - L 7 AS 423/05 ER -). Zeiten der Haft und ein sich direkt im Anschluss an die Haft anschließender Aufenthalt in einer Fachklinik zur Drogenentwöhnung sind zusammenzurechnen (aA SG Nürnberg Beschluss vom 09.05.2005 - S 20 SO 106/05 ER -).
22 
Im SGB II findet sich keine Definition, was unter stationären Einrichtungen zu verstehen ist. Bei der Auslegung dieser Bestimmung kann auch nicht auf Vorschriften des SGB XII zurückgegriffen werden, sodass insbesondere unerheblich ist, ob eine Justizvollzugsanstalt eine stationäre Einrichtung iSd § 13 SGB XII ist. Die Regelung in § 7 Abs. 4 SGB II ist vielmehr im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 SGB II und § 21 SGB XII zu interpretieren. Diese Bestimmungen schließen für Personen, die erwerbsfähig sind, Leistungen nach dem SGB XII aus (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Da auch in stationären Einrichtungen Untergebrachte erwerbsfähig sein können, weil es nach der Definition der Erwerbsfähigkeit in § 8 Abs. 1 SGB II lediglich darauf ankommt, ob der Hilfesuchende aus gesundheitlichen Gründen auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (LSG Nordrhein-Westfalen aaO), kämen für sie die Leistungen der Sozialhilfe nach § 35 SGB XII wegen § 5 Abs. 2 SGB II nicht in Betracht. Vor diesem Hintergrund ist § 7 Abs. 4 Hs. 1 SGB II als gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit auszulegen (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II München 2005, § 7 Rdnr. 33). Wer somit länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder voraussichtlich länger als sechs Monate untergebracht sein wird, ist von vornherein nicht nur nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, sondern auch nicht erwerbsfähig iSd § 8 Abs. 1 SGB II; für ihn greift der Ausschluss des Sozialhilfeanspruchs gemäß § 5 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 SGB XII damit nicht durch (Spellbrink aaO). Als Einrichtung iSd § 7 Abs. 4 Hs. 1 SGB II kann jede vollstationäre Einrichtung aufgefasst werden, in der der Einrichtungsträger von der Aufnahme bis zur Entlassung des Hilfebedürftigen die Gesamtverantwortung für dessen tägliche Lebensführung übernimmt und Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sind (Spellbrink aaO Rdnr. 34). Diese Voraussetzungen sind bei einer Justizvollzugsanstalt, in der der Hilfebedürftige eine Strafhaft verbüßt, erfüllt.
23 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
24 
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Gründe

 
16 
Die gemäß den §§ 172ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.
17 
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
18 
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).
19 
Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237; BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).
20 
Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).
21 
Dem Antragsteller stehen keine Leistungen nach dem SGB II zu, weil er für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist (§ 7 Abs. 4 SGB II). Zu den stationären Einrichtungen iSd § 7 Abs. 4 SGB II gehört auch eine Justizvollzugs- oder eine Untersuchungshaftanstalt (SG Würzburg Beschluss vom 29.03.2005 - S 10 AS 27/05 ER -; vgl. auch Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II München 2005, § 7 Rdn. 34; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II Loseblattsammlung, § 9 Rdn. 69; wohl auch Brühl in: LPK-SGB II , Baden Baden 2005, § 7 Rdn. 58; aA LSG Schleswig Holstein Beschluss vom 14.11.2005 - L 9 B 260/05 SO ER - ; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 07.03.2006 - L 7 AS 423/05 ER -). Zeiten der Haft und ein sich direkt im Anschluss an die Haft anschließender Aufenthalt in einer Fachklinik zur Drogenentwöhnung sind zusammenzurechnen (aA SG Nürnberg Beschluss vom 09.05.2005 - S 20 SO 106/05 ER -).
22 
Im SGB II findet sich keine Definition, was unter stationären Einrichtungen zu verstehen ist. Bei der Auslegung dieser Bestimmung kann auch nicht auf Vorschriften des SGB XII zurückgegriffen werden, sodass insbesondere unerheblich ist, ob eine Justizvollzugsanstalt eine stationäre Einrichtung iSd § 13 SGB XII ist. Die Regelung in § 7 Abs. 4 SGB II ist vielmehr im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 SGB II und § 21 SGB XII zu interpretieren. Diese Bestimmungen schließen für Personen, die erwerbsfähig sind, Leistungen nach dem SGB XII aus (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Da auch in stationären Einrichtungen Untergebrachte erwerbsfähig sein können, weil es nach der Definition der Erwerbsfähigkeit in § 8 Abs. 1 SGB II lediglich darauf ankommt, ob der Hilfesuchende aus gesundheitlichen Gründen auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (LSG Nordrhein-Westfalen aaO), kämen für sie die Leistungen der Sozialhilfe nach § 35 SGB XII wegen § 5 Abs. 2 SGB II nicht in Betracht. Vor diesem Hintergrund ist § 7 Abs. 4 Hs. 1 SGB II als gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit auszulegen (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II München 2005, § 7 Rdnr. 33). Wer somit länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder voraussichtlich länger als sechs Monate untergebracht sein wird, ist von vornherein nicht nur nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, sondern auch nicht erwerbsfähig iSd § 8 Abs. 1 SGB II; für ihn greift der Ausschluss des Sozialhilfeanspruchs gemäß § 5 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 SGB XII damit nicht durch (Spellbrink aaO). Als Einrichtung iSd § 7 Abs. 4 Hs. 1 SGB II kann jede vollstationäre Einrichtung aufgefasst werden, in der der Einrichtungsträger von der Aufnahme bis zur Entlassung des Hilfebedürftigen die Gesamtverantwortung für dessen tägliche Lebensführung übernimmt und Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sind (Spellbrink aaO Rdnr. 34). Diese Voraussetzungen sind bei einer Justizvollzugsanstalt, in der der Hilfebedürftige eine Strafhaft verbüßt, erfüllt.
23 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
24 
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2007 geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vom 11. Mai 2007 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis 31. Januar 2008 vorläufig höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung einer monatlichen Kaltmiete von 290,00 Euro zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe

 
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig und in dem aus dem Tenor ergebenden Umfang auch begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da es dem Antragsteller ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 ). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht NVw Z 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller vorzunehmen (vgl. schon Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - unter Hinweis auf BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927; ferner Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung , 2. Auflage, § 123 Rdnrn. 79, 96, 100; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 3. Auflage, Rdnrn. 15, 25). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - a.a.O. und vom 17. August 2005 - a.a.O.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O., Rdnr. 78; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O., Rdnr. 62 ).
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweilige Anordnung, die der Antragsteller erst ab Rechtshängigkeit des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens erstrebt (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B - ), sind vorliegend erfüllt. Zwar erscheint der vom Antragsteller beim SG im Klageverfahren S 14 AS 2040/07 zulässig eingelegte Hauptsacherechtsbehelf gegenwärtig weder offensichtlich begründet noch offensichtlich unbegründet; in Anbetracht der besonderen Dringlichkeit der Sache sowie der Komplexität der Sach- und Rechtslage ist dem Senat eine abschließende Prüfung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes indes nicht möglich. Allerdings ist ein Anordnungsgrund vorliegend gegeben, denn der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er nicht über anrechenbares Einkommen und Vermögen im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 11, 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) verfügt, er vielmehr zur Bedarfsdeckung darauf angewiesen ist, dass der Antragsgegner die Kosten der Unterkunft in voller Höhe übernimmt. Die deshalb unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG bei einem offenen Verfahrensausgang vorzunehmende Güter- und Folgenabwägung fällt hier zugunsten des Antragstellers aus.
Als Rechtsgrundlage für die vom Antragsteller begehrten Leistungen für Unterkunft ist die Vorschrift des § 22 Abs. 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 ) heranzuziehen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Die vorgenannte Frist dürfte in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum bereits abgelaufen sein, nachdem der Antragsgegner den Antragsteller zuletzt im Bescheid vom 8. September 2006 zur Kostensenkung aufgefordert hatte (vgl. hierzu Bundessozialgericht SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 29; BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R - Rdnr. 24 ). Allerdings vermag der Senat im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären, ob die Kosten der Unterkunft für die vom Antragsteller bewohnte Wohnung in S. angemessen oder unangemessen sind.
Der Antragsteller hat ausweislich des zum 1. Juli 2003 abgeschlossenen Mietvertrags für seine möblierte Zwei-Zimmerwohnung (Wohnfläche ca. 45 m²) eine monatliche Kaltmiete von 290,00 Euro zu entrichten; diese Aufwendungen wären vom Antragsgegner nur dann in voller Höhe zu übernehmen, wenn sie angemessen wären. Dies steht derzeit jedoch noch nicht fest. Maßgeblich für die Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen ist die Wohnungsgröße, der Wohnstandard sowie das örtliche Mietniveau (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnrn. 19 ff.; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnrn. 24 ff.). Hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnungsgröße ist typisierend auf die Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften zurückzugreifen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnr. 19; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 24; so auch die ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 27. Dezember 2005 - L 7 SO 5376/05 ER-B -; Urteil vom 21. September 2006 - L 7 SO 380/06 - Breithaupt 2007, 62; Beschluss vom 27. September 2006 - L 7 AS 4739/06 ER-B - ZFSH/SGB 2007, 31). Bezüglich des Wohnungsstandards als weiteren Faktors im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist darauf abzustellen, ob die Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist; die Wohnung muss daher im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen liegen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2007 a.a.O. Rdnr. 20). Den räumlichen Vergleichsmaßstab bildet insoweit regelmäßig der Wohnort des Hilfebedürftigen, der sich jedoch nicht stets mit dem kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der „Gemeinde“ decken muss, sodass im Einzelfall - je nach den örtlichen Verhältnissen - insbesondere bei Kleinst-Gemeinden ohne eigenen Wohnungsmarkt - eine Zusammenfassung in größere Vergleichsgebiete, bei größeren Städten u.U. sogar eine Unterteilung in mehrere kleinere Gebiete geboten sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - a.a.O. Rdnr. 21; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 24). Da sich der Wohnstandard nach dem konkreten Wohnort richtet, kann dem Hilfebedürftigen ein Umzug in eine andere Wohngemeinde mit niedrigerem Mietniveau regelmäßig nicht abverlangt werden, zumal ihm eine Aufgabe seines sozialen Umfeldes grundsätzlich nicht zuzumuten ist (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 26). Bei der Angemessenheitsprüfung abzustellen ist zudem nicht isoliert auf die einzelnen Faktoren Wohnungsgröße, Ausstattungsstandards und Quadratmeterpreis; die angemessene Höhe der Unterkunftskosten bestimmt sich vielmehr aus dem Produkt der - abstrakt zu ermittelnden - personenzahlabhängigen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. Senatsurteil vom 21. September 2006 a.a.O.; Senatsbeschlüsse vom 27. Dezember 2005 und 27. September 2006 a.a.O.; ferner Bundesverwaltungsgericht Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr. 51; unklar BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnr. 20). Da der Hilfebedürftige indessen einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfes hat, hat sich die Angemessenheitsprüfung schließlich auch auf die Frage zu erstrecken, ob dem Hilfeempfänger eine andere kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnr. 22; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 25; ferner schon Senatsbeschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER- B - und vom 27. Dezember 2005 a.a.O.).
Feststehen muss jedoch in jedem Fall vor der Prüfung von Unterkunftsalternativen, dass die Aufwendungen für die vom Hilfebedürftigen angemietete Wohnung unangemessen hoch sind. Als aussagekräftige Erkenntnisquellen kommen insoweit örtliche Mietspiegel oder Mietdatenbanken (§§ 558c ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) in Betracht; fehlen derartige Erkenntnismöglichkeiten, werden die Grundsicherungsträger gehalten sein, für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich eigene auf empirischer Basis tragfähige grundsicherungsrelevante Mietspiegel oder Tabellen zu erstellen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnr. 23; Hess. Landessozialgericht , Urteil vom 12. März 2007 - L 9 AS 260/06 - ; Berlit jurisPR-SozR 5/2007 Anm. 1). Die bloß punktuelle oder sporadische Auswertung von Zeitungsanzeigen oder Internetangeboten reicht als Datenmaterial jedenfalls nicht aus; die Datenerhebung muss vielmehr vollständig und fortlaufend erfolgen, wobei auch Mietlisten kommunaler Wohnungsbauträger und für die Leistungsberechtigten erstellte Mietbescheinigungen einzubeziehen sein dürften (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 12. März 2007 a.a.O.). Die für die Bemessung des Wohngeldes bestimmten tabellarischen pauschalierten Höchstbeträge des § 8 des Wohngeldgesetzes (WoGG) stellen dagegen keine valide Grundlage für die Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft dar; sie können allenfalls als ein gewisser Richtwert Berücksichtigung finden, wenn alle anderen Erkenntnismöglichkeiten erschöpft sind (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O. Rdnr. 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 24). Mögliche Unbilligkeiten der Pauschalierung werden bei einem Rückgriff auf derartige Tabellen freilich in den Blick zu nehmen und ggf. durch Zuschläge zu Gunsten des Hilfebedürftigen auszugleichen sein (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Mai 2006 - L 13 AS 510/06 ER-B - ; Hess. LSG, Urteil vom 12. März 2007 - a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. April 2007 - L 7 AS 494/05 - ).
Unter Beachtung der soeben dargestellten Grundsätze ist eine Erfolgsaussicht für das Begehren des Antragstellers im Hauptsacheverfahren weder offensichtlich zu bejahen noch zu verneinen. Zwar hält die vom Antragsteller seit 1. Juli 2003 angemietete Zwei-Zimmerwohnung die in Baden-Württemberg bei alleinstehenden Personen zu beachtende Wohnraum- und Wohnflächenbegrenzung von bis zu 45 m² ein (vgl. Nr. 5.7.1 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12. Februar 2002 in der Fassung der Verwaltungsvorschrift vom 22. Januar 2004 ). Zweifelhaft könnte allerdings sein, ob die für die Wohnung zu zahlende Kaltmiete je Quadratmeter - dies sind bei einer Kaltmiete von 290,00 Euro und einer Wohnfläche von 45 m² etwa 6,44 EUR - nach den beim Antragsteller zu berücksichtigenden Verhältnissen grundsicherungsrechtlich angemessen ist; dies lässt sich bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht eindeutig klären. Mietspiegel für S. oder den näheren Umkreis, z.B. A., existieren nicht, wobei ohnehin noch weiter aufzuklären wäre, ob die Ortschaften in der Umgebung von S. grundsicherungsrechtlich als Vergleichsmaßstab mit herangezogen werden könnten. Auch die von den Beteiligten im Verlauf des Verfahrens zu den Akten gereichten Wohnungsanzeigen sind nicht hinreichend aussagekräftig. Der Antragsgegner hat für S. mit den Schriftsätzen vom 20. Juni und 6. Juli 2007 überhaupt nur sechs Inserate aus dem Zeitraum August 2006 bis Mai 2007 vorgelegt, wobei bei drei der dort angebotenen Wohnungen die Wohnungsgröße nicht mitgeteilt war und zwei weitere Wohnungen nur Wohnflächen von 30 m² bzw. 27 m² aufwiesen; letztere Wohnungsgrößen begegnen aber nach Auffassung des Senats erheblichen Bedenken hinsichtlich der Untergrenze des dem Antragsteller zumutbaren Wohnraums (vgl. hierzu auch Hess. LSG, Urteil vom 12. März 2007 a.a.O.). Die des Weiteren mit diesen Schriftsätzen allein eingereichte Mietbescheinigung vom 1. September 2004 für eine seit März 2000 vermietete Wohnung in S. dürfte, was das aktuelle Mietniveau in diesem Ort oder etwaigen Vergleichsgebieten betrifft, möglicherweise ohnehin überholt sein. Die mit Schriftsätzen des Antragsgegners vom 30. und 31. August 2007 übersandten insgesamt weiteren acht Anzeigen über für angemessen erachteten Wohnraum aus dem Zeitraum von August 2006 bis Juni 2007 (zwei Unterkünfte dürften zudem jeweils zweimal inseriert worden sein) beziehen sich nur auf A. (drei Wohnungen) und R. (eine Wohnung); bei einem Angebot ist der Wohnort überhaupt nicht ersichtlich. Darüber hinaus dürfte sich - soweit die Wohnungsgröße in den Annoncen überhaupt mitgeteilt ist (was für das Wohnungsangebot in R. fehlt) - lediglich eine Wohnung („A. und B. Bote“ vom 16. Dezember 2006) in dem Antragsteller zumutbaren Wohnflächenbereich bewegen; auch die mit dem Schriftsatz vom 31. August 2007 eingereichte Mietbescheinigung für eine Wohnung in A. vom 29. Mai 2006 betrifft eine Wohnung mit einer wohl nicht berücksichtigungsfähigen Wohnfläche von lediglich 32,66 m², die zuvor mit Schriftsatz vom 30. August 2007 für Kappelrodeck übermittelte Mietbescheinigung vom 29. Mai 2006 dagegen eine Wohnung mit 50 m². Die vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 22. August 2007 vorgelegten insgesamt acht Wohnungsanzeigen sind ebenfalls nicht aufschlussreich; sie beziehen sich auf Wohnungen, die entweder zu groß sind oder in Wohnorten liegen, die als Vergleichsgebiete von vornherein ausscheiden dürften (z.B. B.-B. und B.). Ferner dürfte der IVD-Preisspiegel 2007 für Immobilien in Baden-Württemberg (abrufbar unter www.ivd-sued.net) für die Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten - wie der Antragsteller zu Recht angeführt hat - schon deswegen keine genügenden Anhaltspunkte liefern, weil darin lediglich die Preisspannen für Wohnungen mit einer Fläche von 60 bis 100 m² aufgelistet sind, derartige Wohnungen aber, was gerichtsbekannt ist, in aller Regel geringere Quadratmetermieten aufweisen als die für den Antragsteller allein in Betracht kommenden kleineren Wohnungen. Eigene Internet-Recherchen des Senats (www.immobilienscout24.de; www.my-next-home.de, ivd.immonet.de) am 5. September 2007 sind sowohl für S. als auch für A. mit Bezug auf Mietangebote für Wohnraum mit einer Wohnfläche zwischen 35 und 45 m² ergebnislos geblieben.
Soweit sich der Antragsgegner hinsichtlich des von ihm für S. für angemessen erachteten Quadratmeterpreises von 4,29 Euro für die Kaltmiete auf Umfragen bei der Wohngeldstelle des Landratsamts O. -Kreis beruft und von den dort für S. (offenbar 21 Wohnungen) ermittelten Mietpreisen pro m² noch zusätzlich 0,70 Euro in Abzug bringt, sind diese Angaben nicht zureichend und deshalb für den Senat gleichfalls nicht hilfreich. Bereits das SG hat in seinem unter den Beteiligten des hiesigen Verfahrens ergangenen rechtskräftigen Urteil vom 20. Juni 2006 (S 9 AS 5198/05) - ebenso wie im Übrigen schon das LSG Baden-Württemberg im Beschluss vom 23. Mai 2006 a.a.O. - beanstandet, dass die von dem Antragsgegner angewandte Methode zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten keine verlässlichen Schlüsse auf das aktuelle Niveau der Zugangsmieten zulässt, weil weder zwischen Wohnungen verschiedener Größe unterschieden wird noch der Zeitpunkt der Datenerhebung erkennbar ist und ferner die Schätzungsgrundlagen für den Abschlag von 0,70 Euro nicht nachvollziehbar sind. Auf all das ist der Antragsgegner während des vorliegenden Verfahrens indessen zu keinem Zeitpunkt eingegangen. Wäre andererseits die Angemessenheitsgrenze für die Kosten der Unterkunft mangels valider Erkenntnismöglichkeiten in Anlehnung an die rechte Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG zuzüglich eines Zuschlages von 10% zu bilden (so LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. April 2007 a.a.O.), so läge die Miete für die vom Antragsteller bewohnte Wohnung unter Berücksichtigung der sowohl für den O. -Kreis als auch die Stadt A. maßgeblichen Mietenstufe 2 (vgl. Wohngeldverordnung vom 19. Oktober 2001 ) mit 290,00 Euro gegenüber 308,00 Euro sogar noch unter dieser Grenze.
10 
Nach allem lässt sich beim gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht feststellen, ob der Antragsteller in einer unangemessen teuren Wohnung wohnt. Deshalb bedarf es keines weiteren Eingehens darauf, ob der Vorhalt des Antragsgegners zutrifft, dass der Antragsteller bislang keine ausreichenden Bemühungen um eine Kostensenkung unternommen hat; dies wäre vielmehr erst zu prüfen, wenn die Unangemessenheit der Unterkunftskosten feststünde. Unerörtert bleiben kann derzeit ferner die Frage, wie die Kosten der Unterkunft bei möblierten Wohnungen zu behandeln sind (vgl. hierzu Berlit NDV 2006, 5, 14 f.; Sozialgericht Fulda, Beschluss vom 11. November 2005 - S 7 SO 40/05 ER - ).
11 
Dem vorstehend beschriebenen Aufklärungsbedarf kann der Senat im vorliegenden Eilverfahren nicht nachkommen. Es ist deshalb eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, die hier zu Gunsten des Antragstellers den Ausschlag gibt. Abzuwägen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Hauptsacherechtsbehelf aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Hauptsachebehelf dagegen erfolglos bliebe (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Mai 2006 a.a.O.). Im Rahmen dieser Abwägung vorrangig zu berücksichtigen ist, dass mit den Leistungen für Unterkunft das grundgesetzlich garantierte menschenwürdige Dasein sichergestellt werden soll. Würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, hätte aber der Hauptsacherechtsbehelf Erfolg, so wären dem Antragsteller Aufwendungen für die Unterkunft von monatlich nahezu 100,00 Euro vorenthalten worden; bei dieser Größenordnung kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass eine Rechtsverletzung nur in Randbereichen drohe. Würde die einstweilige Anordnung dagegen erlassen, während der Hauptsacherechtsbehelf erfolglos bliebe, hätte der Antragsteller zwar Leistungen erhalten, die ihm nicht zustünden. Der Nachteil bestünde alsdann für den Antragsgegner ggf. darin, dass der Antragsteller seiner Rückzahlungsverpflichtung nicht nachkommen könnte und die Forderung damit uneinbringlich wäre. Diese etwaig zu befürchtenden Folgen haben indes angesichts der hier tangierten grundrechtlichen Belange des Antragstellers zurückzustehen und fallen deshalb weniger ins Gewicht.
12 
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war deshalb stattzugeben. Allerdings hat der Senat von dem ihm nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 der Zivilprozessordnung zustehenden freien Ermessen dahingehend Gebrauch gemacht, dass er den Zeitraum der einstweiligen Anordnung auf die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis zum 31. Januar 2008 begrenzt hat. Die zeitliche Begrenzung zum Endtermin berücksichtigt, dass die dem Antragsteller mit Bescheid vom 22. Januar 2007 bewilligten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis zum vorgenannten Datum zeitlich befristet sind. Bis dahin dürfte insbesondere auch dem Antragsgegner genügend Zeit verbleiben, ggf. seinen bisherigen Standpunkt mit Blick auf zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse zu überprüfen.
13 
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6); dabei hat der Senat mit Blick auf das ganz überwiegende Obsiegen des Antragstellers eine Kostenquotelung nicht für angemessen erachtet.
14 
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen. Sind die Personen minderjährig und unverheiratet, so sind auch das Einkommen und das Vermögen ihrer Eltern oder eines Elternteils zu berücksichtigen.

(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,
2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie
4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.

Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen. Sind die Personen minderjährig und unverheiratet, so sind auch das Einkommen und das Vermögen ihrer Eltern oder eines Elternteils zu berücksichtigen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.