Landgericht Köln Urteil, 31. Juli 2015 - 32 O 70/14
Tenor
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger erwarb am 28.11.2011, 04.11.2011 und 13.01.212 unter der WKN A0TS58 Staatsanleihen der Beklagten zu einem Nominalwert i.H.v. 10.000,- €. Diese sollte mit einem Zinssatz i.H.v. 4 % p.a. verzinst werden, fällig jeweils am 20.08. eines Jahres, letztendlich gesamtfällig zur Rückzahlung zum 20.08.2013.Eine Umtauschklausel war in den ursprünglichen Anleihebedingungen nicht enthalten. Sie begehren nun die Rückzahlung der zwischenzeitlich durch Zeitablauf bzw. Kündigung fälligen Anleihen. Hilfsweise machen sie Schadensersatzansprüche geltend.
3(*)Aufgrund einer akuten Finanzkrise drohte der Beklagten während der Laufzeit der streitgegenständlichen Anleihe ein Zahlungsausfall.(*) Es wurden zwei „Rettungspakete“ für die Beklagte erstellt, an denen sich die Staaten der euroäischen Währungsuniion, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds beteiligten. Hierüber wurden der Beklagten Finanzhilfen in Milliardenhöhe gewährt. Zur Abwendung eines Zahlungsausfalls der Beklagten sollten darüber hinaus Staatsanleihen der Beklagten i.H.v. insgesamt rd. 14,5 Mrd. €, die am 20.03.2012 fällig wurden, umgeschuldet werden.
4Zu diesem Zweck wurden in der „Vereinbarung zwischen der Europäischen Kommission in Vertretung der Mitgliedsstaaten des Euro-Währungsgebietes und der Hellenischen Republik“ vom 22.02.2012 geregelt, dass die Beklagte allen privaten Gläubigern ein Angebot zum Umtausch der am 20.03.2012 fällig werdenden Staatsanleihen unterbreiten sollte, wobei das Angebot alle weiteren noch ausstehenden Staatsanleihen mit einschließen würde.
5Mit Gesetz 4050/2012 (sog. „Greek Bondholder Act“) schuf das Parlament der Beklagten am 23.02.2012 die Möglichkeit, nachträglich und einseitig in die dem Recht der Beklagten unterliegenden Anleihebedingungen einzugreifen und rückwirkende Umschuldungsklauseln zu schaffen. Am 24.02.2012 wurde den privaten Gläubigern das Umtauschangebot für begebene Staatsanleihen unterbreitet (Invitation Memorandum). Das Angebot sah vor, dass die begebenen Staatsanleihen in mehrere verschiedenartige Anleihen mit insgesamt verlängerter Laufzeit und einem deutlich geringeren Nominalwert umgetauscht würden. Das Umtauschangebot richtete sich ausschließlich an private Gläubiger. Die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken waren ausgenommen und haben den vollen Wert ihrer Anleihen erhalten. Der Kläger nahm das Angebot nicht an.
6Das Umtauschangebot sah weiterhin die Möglichkeit vor, dass – sofern eine nicht ausreichende Anzahl an privaten Gläubigern das Umtauschangebot akzeptierten – in die dem Recht der Beklagten unterliegenden Anleihebedingungen nachträglich „collective action clauses“ eingeführt werden konnten. Aus dieser Grundlage sollten auch die Gläubiger in den Umtausch einbezogen werden, die dem Angebot nicht zugestimmt oder sich nicht beteiligt hatten. Nachdem ein Teil der privaten Gläubiger dem Umtausch im Frühjahr 2012 zugestimmt hatte, führte die Beklagte aufgrund eines Hoheitsaktes die „collective action clauses“ für die ihrem Recht unterliegenden Anleihebedingungen ein.
7Der Kläger ist der Ansicht, das Landgericht Köln sei international, sachlich und örtlich zuständig. Insbesondere könne sich die Beklagte zur Abwendung ihrer Inanspruchnahme nicht auf ihre staatliche Immunität nach § 20 GVG und Art. 25 des Grundgesetzes und einen durch die Finanzierungskrise ausgelösten Staatsnotstand berufen. Die Umschuldung sei ein rechtswidriger Eingriff, welcher zugleich ein Verstoß gegen den ordre public gem. Art. 6 EGBGB begründe, sowie gegen Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes, Art. 17 der Verfassung der Beklagten, gegen Art. 17 Abs. 1 S. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, gegen Art. 63 AUEV, gegen das Zusatzprotokoll vom 20.03.1952 zur EMRK und gegen allgemeine Grundsätze des Völkerrechts. Weiterhin verstoße die Umschuldung gegen den zwischen der Beklagten und der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Vertrag über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 04.04.1963. Dies führe insgesamt dazu, dass gem. Art. 6 EGBGB das Gesetz Greek Bondholder Act nicht angewendet werden dürfe. Schließlich habe die Beklagte bei der Umschuldung mit Schädigungsvorsatz gehandelt, weswegen sie jedenfalls zu einer Schadensersatzleistung verpflichtet sei.
8(**)Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.613,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.11.2014 zu zahlen, Zug um Zug gegen Gestattung der Rückbuchung der am 12.03.2012 umgetauschten und sodann eingebuchten Wertpapiere
10 10 Anleihen der Beklagten:
11EO-Bonds 2012 (23) SER.1
12EO-Bonds 2012 (24) SER.2
13EO-Bonds 2012 (25) SER.3
14EO-Bonds 2012 (26) SER.4
15EO-Bonds 2012 (27) SER.5
16EO-Bonds 2012 (28) SER.6
17EO-Bonds 2012 (29) SER.7
18EO-Bonds 2012 (30) SER.8
19EO-Bonds 2012 (31) SER.9
20EO-Bonds 2012 (32) SER.10
21EO-Bonds 2012 (33) SER.11
22EO-Bonds 2012 (34) SER.12
23EO-Bonds 2012 (35) SER.13
24EO-Bonds 2012 (36) SER.14
25EO-Bonds 2012 (37) SER.15
26EO-Bonds 2012 (38) SER.16
27EO-Bonds 2012 (39) SER.17
28EO-Bonds 2012 (40) SER.18
29EO-Bonds 2012 (41) SER.19
30EO-Bonds 2012 (42) SER.20
31 10 EFSF Anleihe A1G0AG
32Sowie 10 BIP gebundene Wertpapiere A1G1UW und
33Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die gezahlten Gerichtskosten die gesetzlichen Rechtshängigkeitszinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz an ihn zu zahlen.
34Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Sie ist der Ansicht, dass sie mit dem Erlass des Gesetzes 4050/2012 und der Ausführung der darauf gestützten Ministerialbeschlüsse hoheitlich tätig geworden sei; sie genieße deshalb nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts Immunität. Deutschen Gerichten sei es aus diesem Grunde von vorneherein verwehrt, über die Rechtmäßigkeit der Umschuldungsmaßnahmen zu befinden, und zwar unabhängig davon, welche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für die Klage ggf. in Betracht komme. Demnach sei gerade auch die seitens des Klägers behauptete unerlaubte Handlung der Beklagten der gerichtlichen Überprüfbarkeit schlechthin entzogen.
37Die Beklagte ist in diesem Zusammenhang weiter der Ansicht, das Landgericht Köln sei für die Entscheidung des Rechtsstreits auch international nicht zuständig: Nachdem sich der Anwendungsbereich der EuGVVO auf zivil und handelsrechtliche Streitigkeiten beschränke, es sich vorliegend aber – da letztlich die legislativen und administrativen Maßnahmen der griechischen Regierung in Streit stünden – um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit handle, könne ein Gerichtsstand hieraus nicht hergeleitet werden. Es seien aber auch die Tatbestandsvoraussetzungen der angeführten zuständigkeitsbegründenden Vorschriften im Einzelnen nicht erfüllt: Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO scheide aus, weil die entsprechende vertragliche Zahlungsverpflichtung zwischen den Parteien unmittelbar nicht existiere. Der Kläger sei auch zu keinem Zeitpunkt Gläubiger der streitgegenständlichen Anleihe gewesen seien, da dies nur die Teilnehmer am Girosystem der griechischen Zentralbank hätten sein können. Unabhängig hiervon sei Erfüllungsort Athen als Sitz der griechischen Zentralbank. Auch die besonderen Gerichtsstände der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO) und des Verbraucherwohnsitzes (Art. 15, 16 EuGVVO) kämen nicht in Betracht, letzterer u.a. deshalb nicht, weil der Kläger als Zessionar des ursprünglich den Konsortialbanken übertragenen Forderungsrechts nicht als Verbraucher anzusehen sei und weil außerdem der griechische Staat bei der Begebung der Anleihen nicht "in Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit" gehandelt habe. Die Umschuldungsmaßnahme sei schließlich rechtmäßig gewesen.
38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
39E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
40Die Klage ist unzulässig.
41I.
42Die Klage ist bereits im Hinblick auf die Grundsätze der Staatenimmunität unzulässig, auf den sich die Beklagte ausdrücklich beruft. Das Gericht schließt sich insofern den Ausführungen des Landgerichts Konstanz (Urteil vom 19.11.2013, Az. 2 O 132 /13 B), Oberlandesgerichts Frankfurt (Urteil vom 18.09.2014, Az. 16 U 32/14) sowie Oberlandesgerichts Schleswigs (Urteil vom 04.12.2014, Az. 5 U 89/14) vollumfänglich an.
43Das Landgericht Konstanz hat in seiner Entscheidung vom 19.11.2013, Az. 2 O 132 /13 B, diesbezüglich ausgeführt:
44„…gleichgültig an welchem Gerichtsstand, deutschen Gerichten [ist]
45generell verwehrt (ist), über die Rechtmäßigkeit der Umschuldungsmaßnahme der Republik Griechenland zu befinden. Das LG Konstanz (sowie jedes andere inländische Gericht) kann einen Erfüllungsanspruch aus der streitgegenständlichen Anleihe schon deshalb nicht zusprechen, weil diese infolge des hoheitlichen Handelns der Beklagten, nämlich der Verabschiedung des Gesetzes 4050/2012 durch das griechische Parlament sowie dessen Ausführung durch die zuständigen Regierungsorgane, nicht mehr existiert. Ein auf diesen Vorgang gestützter – vertraglicher oder deliktischer – Schadensersatzanspruch würde demgegenüber voraussetzen, dass die Rechtswidrigkeit der zur Umsetzung des Schuldenschnitts getroffenen Maßnahmen im Einzelnen festgestellt werden könnte. Nachdem sich die griechische Regierung und die Zentralbank aber im Rahmen der durch das Gesetz geschaffenen Ermächtigungsgrundlage gehalten haben, würde dies wiederum bedeuten, dass letztlich das Gesetz selbst an höherrangigem Recht zu messen und ggf. für unwirksam zu erklären wäre. Dies aber ist, nachdem sich die Beklagte mit Recht auf den Grundsatz der Staatenimmunität berufen hat, nicht möglich….
46Das Oberlandesgericht Frankfurt führt in seiner Entscheidung vom 18.09.2014, Az. 16 U 32/14, insoweit ebenfalls aus:
47Das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit ist eine allgemeine Prozessvoraussetzung, die von Amts wegen zu prüfen ist, wobei sich die Reichweite der Staatenimmunität bei gerichtlicher Inanspruchnahme aus dem allgemeinen Völkergewohnheitsrecht ergibt, welches nach Artikel 25 Abs. 1 GG in Deutschland Bestandteil des Bundesrechts ist. Nach dieser Regelung genießen souveräne Staaten uneingeschränkte Immunität für den Bereich des hoheitlichen Handelns (acta juris imperii; BGH Urteil v. 26.09.1978 – VI ZR 267/76, Rdnr. 11; BGH Urteil v. 25.06.2014 – VII ZB 24/13 – zitiert nach Juris; BverfG v. 30.04.1963 – BvM 1/62 Rdz. 26 ff; BverfG Beschluss v. 06.12.2006 – 2 BvM 9/03, Rdz. 26; BverfG v. 17.03.2014 – 2 BvM 736/13 – Rdnr. 22). An dieser Rechtslage wurde auch durch den Erlass der EU-Verordnung (EG Nr. 44/2011) nichts geändert. Zwar ist anerkannt, dass EU-Recht als sogenanntes „supranationales Recht“ Anwendungsvorrang vor dem nach Artikel 25 als einfaches Bundesrecht geltendem Völkerrecht hat. Die Regeln der Verordnung – hier Artikel 1 EuGVVO sind aber erst in einer zweiten Stufe zu prüfen, da sie einen anderen Regelungsgegenstand haben und nicht das Bestehen der inländischen Gerichtsgewalt treffen. Sie regeln lediglich die internationale Zuständigkeit, nämlich ob Rechtsprechungsaufgaben an einen Staat als solche zugewiesen sind, wenn die Gerichtsbarkeit über eine Handlung besteht. Zu dieser Frage liegt aber kein sekundäres EUGemeinschaftsrecht
48vor. Die Frage, ob hoheitliches Handeln vorliegt, muss deshalb nach wie vor an Hand der bestehenden Grundsätze des Völkergewohnheitsrechtes geprüft werden und nicht erst im Rahmen des Artikel 1 EuGVVO.
49Ein solches hoheitliches Handeln ist aber entgegen der Auffassung des Klägers gegeben….
50Wie das Landgericht Konstanz mit dem rechtskräftigen Urteil vom 19.11.2013 (Az. 2 O 132 /13 B; zitiert nach Juris) bereits entschieden hat, ist auch der Senat der Auffassung, dass sich die Beklagte auf den Grundsatz der Staatenimmunität berufen kann, da der Streitgegenstand der Klage im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse steht, also sich die von dem Kläger zur Grundlage seines Anspruchs geltend gemachte Handlung als staatlicher Hoheitsakt darstellt (BverfG v. 17.03.2014 – 2 BvR 736/13 Rz 22 –, BGH vom 25.06-2014 – VII ZB 24/13-Rz 13 ; BGHZ 123,268 ). Maßgeblich für die Einordnung einer Handlung als hoheitlich ist nämlich die Rechtsstellung, die der Handlende inne hat, insbesondere ob die tatsächlich ausgeübten Befugnisse von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abweichen (BVerfG v. 06.12.2006 – 2 BvM 9/03 – Argentinienanleihen, Rdz. 34 ff; EuGH v. 15.02.2007 – C 292/05 – Lechouriton, Rdz. 36; BGHZ 155, 279; EuGH v. 15.05.2003 – C 266/01 Nr. 28 – TIARD). Hoheitliche Tätigkeit ist dann gegeben, wenn Rechtsbeziehungen einseitig gegenüber dem Betroffenen festgesetzt werden, ohne dass ein Moment der Freiwilligkeit des Gegenübers besteht und zwar unabhängig davon, in welche rechtliche Handlungsform der Akt gekleidet ist (BverfG v. 14.03.2014 – 2 BvR 736/13 – Rdz. 22; BGHZ 123, 268, EuGH v. 16.12.1980 814/79 Niederlande gegen Rüffer; Rauscher-Mankowski, EuZPR Artikel 1, EuGVVO Rdz. 3). Der Grundsatz der Staatenimmunität als anerkannte Regel des Völkerrechts genießt gemäß Artikel 25 GG auch im Inland Verfassungsrang und hat in der Vorschrift des § 20 Abs. 2 GVG seinen gesetzgeberischen Niederschlag gefunden und ist deshalb für die Entscheidung des Senats verbindlich…“
51Diesen nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen Ausführungen auch für den vorliegenden Fall ausdrücklich Bezug. Gleichsam wird auf die Ausführungen des Landgerichts Osnabrück im Urteil vom 15.05.2015, Az. 7 O 2995/13, Bezug genommen. Die Ansicht des Klägers, das Landgericht Köln hätte eine eigenständige Prüfungskompetenz, wird auf dieser rechtlichen Grundlage nicht geteilt.
52II.
53Es kann bereits deswegen schon dahinstehen, ob die EuGVVO überhaupt anwendbar ist. Aber selbst für den Fall der Anwendbarkeit bestünde ein Gerichtsstand nach EuGVVO nach diesseitiger Auffassung nicht.
54Diesbezüglich führt das Oberlandesgericht Schleswig in seiner Entscheidung vom 04.12.2014, Az. 5 U 89/14, wie folgt aus:
55„…gemäß Art. 1Abs. 1 Satz 1 EuGVVO [ist dies] nur dann der Fall, wenn es sich um eine Zivil – oder Handelssache handelt, nicht, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit handelt.
56Zur Abgrenzung ist darauf abzustellen, ob das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien seinen Ursprung in einem hoheitlichen Handeln findet, bei dem sich die Parteien nicht gleichberechtigt gegenüberstehen, und bei dem der Staat Befugnisse ausübt, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden allgemeinen Regeln abweichen (EuGH in den Urteilen Lechouritou u. a., C-292/05, Slg. 2007, I-1519, Rn. 34 und 41; Préservatrive Foncière Tiard, C-266/01, Slg. 2003, I-4867, Rn. 33). Dagegen liegt kein hoheitliches Handeln vor, wenn der staatliche Träger iure gestionis handelt und zivilrechtliche Rechte und Pflichten aufgrund privatrechtlicher
57Verträge erwirbt (EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012, Mahamdia, C-154/11, veröffentlicht in der digitalen Sammlung (Allgemeine Sammlung), Rn. 56). In Fällen eines Eingriffs in eine zwischen Privatrechtssubjekten geschlossenen Rechtsbeziehung handelt eine öffentliche Stelle nicht mehr zivilrechtlich, sondern hoheitlich (EuGH, Urteil vom 14. November 2002, Baten, C-271/00, Slg. 2002, I-10489, Rn. 36).
58Danach handelte die Beklagte möglicherweise hoheitlich. Eine einseitige Abänderung der Vertragsbedingungen wäre in einer rein zivilrechtlichen Beziehung unter Privatrechtssubjekten nicht möglich. Es könnte allein auf die Inanspruchnahme hoheitlicher Befugnisse durch die Beklagte abzustellen sein…
59…Selbst für den Fall der Anwendbarkeit der Verordnung (EG) 44/2001 bestünde kein Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes,
60an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist dann, wenn der Ort, an dem das für die Auslösung einer Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlungen in Betracht kommende Ereignis stattgefunden hat, nicht auch der Ort ist, an dem aus diesem Ereignis ein Schaden entstanden ist. Der Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, in Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist so zu verstehen, dass er sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch den Ort des ursächlichen Geschehens meint, so dass der Beklagte nach Wahl des Klägers bei dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (EuGH, Urteil vom 30. November 1976, Mines de Potasse d’Alsace, C-21/76,Rn. 24/25; Urteil vom 5. Februar 2004, DFDS Torline, C-18/02, Slg. 2004, I-0000, Rn. 40; EuGH, Urteil vom 10. Juni 2004, Kronhofer, C-168/02, Rn. 16; EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009, Zuid Chemie, C-189/08, Rn. 23).
61Der Ort des ursächlichen Geschehens kann keine Zuständigkeit deutscher Gerichte auslösen, weil das Gesetz 4050/2012, auf dessen Grundlage der Beschluss der Gläubiger zum Umtausch der Anleihen gefasst wurde, im Parlament der Beklagten in Athen erlassen wurde.
62Gleiches würde gelten, wenn man die Umsetzung des Gesetzes oder die Einziehung der Anleihen als ursächliches Geschehen ansehen würde.
63Auch der Ort des Schadenseintritts kann sich nicht in Deutschland befunden haben.
64Die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht so weit ausgelegt werden, dass sie jeden Ort erfasst, an dem die nachteiligen Folgen eines Umstands spürbar werden können, der bereits einen - tatsächlich an einem anderen Ort (sogenannter Ort des Primärschadens, vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, Anh. I zur EuGVVO, Art. 5 Rn. 26 bzw der ersten Interessenverletzung, vgl. Thole, „Klagen geschädigter Privatanleger gegen Griechenland vor deutschen Gerichten?“, WM 2012, 1793, 1796) entstandenen - Schaden verursacht hat (EuGH, Urteil vom 19. September 1995, Marinari, C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Rn. 14; EuGH, Urteil vom 10. Juni 2004, Kronhofer, C-168/02, Rn. 19). Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist vielmehr dahin auszulegen, dass sich die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ nicht schon deshalb auf den Ort des Klägerwohnsitzes - als Ort des Mittelpunkts seines Vermögens - bezieht, weil dem Kläger nach seinem Vorbringen durch Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Vertragsstaat ein finanzieller Schaden entstanden ist (EuGH, Urteil vom 10. Juni 2004, Kronhofer, C-168/02, Rn. 20 f.; BGH, Versäumnisurteil vom 06. November 2007 - VI ZR 34/07, BGH NJW-RR 2008, 516, Rn. 21). Der Ort des reinen Vermögensschadens eröffnet keine internationale Zuständigkeit (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009, Zuid Chemie, C-189/08, Rn. 23; Zöller-Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, Anh. I zur EuGVVO, Art. 5 Rn. 26 m. w. N.). Außerdem würde eine solche Auslegung zumeist die Zuständigkeit der Gerichte des Klägerwohnsitzes begründen können, der, wie der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, das Übereinkommen außer in den von ihm ausdrücklich vorgesehenen Fällen ablehnend gegenübersteht (EuGH, Urteil vom 10. Juni 2004, Kronhofer, C-168/02, Rn. 14, 20).
65Dass die Beklagte (in Deutschland) überhaupt gehandelt hätte, etwa eine Buchung konkret veranlasst hätte, bzw. was genau der angegriffene privatrechtlich zu qualifizierende Akt der Beklagten in Deutschland sein soll und worin der Schaden in Deutschland liegen soll, erklärt die Berufung nicht. Einzige erkennbar angegriffene Handlung des Staates Griechenland ist der Erlass des streitgegenständlichen Gesetzes und ggf. darauf und auf dem Gläubigerbeschluss beruhende Anweisungen an die Griechische Zentralbank, welche jeweils in Griechenland vorgenommen wurden und dort Auswirkungen hatten (s. o.).
66Es gibt auch keine Wertpapiere selbst in den Depots in Deutschland, sondern lediglich Anrechte auf solche, eine treuhänderische Rechtsposition für den Kläger. Die Anleihe selbst wurde im Ausland verwahrt. Der Kläger war nicht Inhaber eines absoluten Rechts an den Staatsanleihen. Er hielt kein Eigentum, auch nicht Miteigentum. Beim Erwerb von Wertpapieren im Ausland erwirbt der Wertpapierkunde - in Abweichung vom gesetzlichen Leitbild für das Inland – regelmäßig kein Eigentum an den im Ausland angeschafften und verwahrten Papieren (Schimansky/Bunte/Lwowski-Klanten, Bankrecht 4. Auflage, § 72 Rn. 140 f.). Für die im Ausland aufbewahrten Wertpapiere erhält der Kunde - wie hier - eine Gutschrift in Wertpapierrechnung (sog. „WR-Gutschrift“, vgl. Anlage K 1, Bl. 10 d. A.: „Verwahrungs-Art: WERTPAPIERRECHNUNG GRIECHENLAND (AKV)“). Eigentümer der im Ausland verwahrten Wertpapiere ist grundsätzlich die inländische Depotbank. Die WR-Gutschrift dokumentiert nur einen auftragsrechtlichen Herausgabeanspruch (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Klanten, Bankrecht 4. Auflage, § 72 Rn. 148; siehe hier Ziff. 12.3 unter I. „Trading“ der „Produktbezogene Geschäftsbedingungen“ der Beklagten, Anlage B 2, Bl. 91 ff. d. A.). Da nach dem griechischen Gesetz 2198/1994 nur die direkten Teilnehmer am Girosystem der Griechischen Zentralbank solche Staatsanleihen erwerben können, konnten dieses vorliegend weder der Kläger noch die Comdirect Bank AG. Auch Letztere kann also nicht direkt Eigentümerin geworden sein (vgl. auch Ziff. 12.3 unter I. „Trading“ der „Produktbezogene Geschäftsbedingungen“ der Beklagten, Anlage B 2, Bl. 91 ff. d. A.: „Eigentum oder Miteigentum an den Wertpapieren oder eine andere im Lagerland übliche, gleichwertige Rechtsstellung“).
67Ein Schaden durch die Ermöglichung des Gläubigerbeschlusses zum Umtausch konnte von vornherein damit zunächst nur in Griechenland verursacht werden. Da von dem Geltungsbereich des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nicht jeder Ort erfasst ist, an dem die nachteiligen Folgen eines Umstands spürbar werden können, der bereits einen - tatsächlich an einem anderen Ort entstandenen - Schaden verursacht hat, liegt ein Gerichtsstand in Deutschland nicht vor (so auch OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 18. September 2014 - 16 U 32/14, Anlage B 12; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 18. September 2014 - 16 U 41/14, Anlage B 13; OLG München, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 8 U 1308/14, Anlage B 14).
68Auch ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass nach dem Normzweck des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO eine Zuständigkeit des Landgerichts Itzehoe für den Rechtsstreit nicht begründet sein kann.
69Die besondere Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens beruht darauf, dass zwischen der Streitigkeit und den Gerichten des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt (EuGH, Urteil vom 30. November 1976, Mines de Potasse d’Alsace, C-21/76, Rn. 8/12; EuGH, Urteil vom 10. Juni 2004, Kronhofer, C-168/02, Rn. 15; EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009, Zuid Chemie, C-189/08, Rn. 24). Das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, ist nämlich besonders wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage, den Rechtsstreit zu entscheiden (EuGH, Urteil vom 01. Oktober 2002, Henkel, C-167/00, Slg. 2008, I-08111, Rn. 46; EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009, Zuid Chemie, C-189/08, Rn. 24).
70Eine besondere Nähe zur Streitigkeit besteht vorliegend nicht. Weder besteht eine besonders enge Beziehung zum Streitgegenstand, noch eine solche zum geltenden Recht. Die Umschuldung selbst fand in Griechenland statt, dort nach der Ermöglichung durch das streitgegenständliche Gesetz nach griechischem Recht. Wollte man eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte annehmen, so könnte jeder Anleger - zumindest im Bereich der Europäischen Union, letztlich möglicherweise sogar weltweit - Ansprüche an seinem Wohnsitz geltend machen. Einer weitgehenden Geltendmachung von Rechten am Klägerwohnsitz steht, wie der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, das Übereinkommen außer in den von ihm ausdrücklich vorgesehenen Fällen aber ablehnend gegenüber (EuGH, Urteil vom 10. Juni 2004, Kronhofer, C-168/02, Rn. 14, 20).
71Auch ein Gerichtsstand nach § 32 ZPO besteht nicht….
72…Im hier - für den Fall der Negierung einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit bzw. hoheitlichen Handelns der Beklagten - eröffneten Anwendungsbereich der EuGVVO geht die Regelung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zum deliktischen Gerichtsstand mithin der Regelung in § 32 ZPO vor.
73Selbst wenn man einen internationalen Gerichtsstand grundsätzlich aus § 32 ZPO herleiten wollte, käme ein solcher vorliegend in Deutschland nicht in Betracht.
74Nach dieser Vorschrift ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Der Begehungsort im Sinne dieser Vorschrift befindet sich nicht in Deutschland, sondern in Griechenland (s. o.).
75Ein (Verbraucher-)Gerichtsstand gemäß Art. 15 EuGVVO besteht ebenfalls nicht in Deutschland…
76…Wenn überhaupt ein nationaler Gerichtsstand eröffnet wäre, dürfte er in einem anderen Land begründet sein.“
77Auch das Oberlandesgericht Frankfurt (a.a.O.) führt diesbezüglich aus:
78Selbst wenn man von dem Vorliegen einer Zivilsache im Sinne des Artikels 1 EuGVVO ausgehen würde, wäre nach den Regelungen der EuGVVO ein Gerichtsstand in Stadt1 nicht gegeben. Der Kläger macht nämlich mit der Klage keine vertraglichen Ansprüche geltend, für die eine Zuständigkeit allenfalls in Griechenland gegeben wäre, da er sich nicht auf eine Begebung des Vertrages mit der Beklagten stützt. Insoweit sind überhaupt keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen und angesichts des Zweiterwerbs der von dem Kläger sogenannten Inhaberschuldverschreibungen auch nicht ersichtlich. Demzufolge scheidet eine Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Artikel 5 Abs. 1 EuGVVO aus, da eine Vertragsverpflichtung, sofern eine solche bestünde, nicht im Geltungsbereich der deutschen Gerichtsbarkeit zu erfüllen wäre, vielmehr nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten sowohl das griechische Recht anwendbar wäre als auch der Erfüllungsort der Leistungen in Griechenland läge. Eine Zuständigkeit nach der EuGVVO wäre deshalb nur dann gegeben, wenn die Voraussetzungen des Artikels 5 Nr. 3 EuGVVO vorliegen würden. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Kläger eine verbotene Eigenmacht oder eine sonstige unerlaubte Handlung der Beklagten in Deutschland schlüssig aufgezeigt hätte.
79Dies hat das Landgericht nach Auffassung des Senates völlig zu Recht nicht angenommen. Unter den Begriff fallen nämlich nur solche Klagen, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag anknüpft. Insoweit trägt der Kläger vor, dass er die Wertpapiere zwei Jahre nach der Emission erworben habe, also direkt ein Begebungsvertrag zwischen ihm und der Beklagten nicht geschlossen wurde. Zudem hat die Beklagte – von dem Kläger nicht substantiiert bestritten – vorgetragen, dass Anleihegläubiger nur die Teilnehmer am Girosystem der griechischen Zentralbank sein konnten und sogenannte Investoren, wie dem Kläger, nur solche Rechtspositionen eingeräumt worden seien, die nicht unmittelbar gegenüber der Beklagten wirkten... Mithin ergibt sich bereits aus diesem Vortrag, dass hier keine Sache im Sinne eines deutschen Gesetzes vorliegt mit der Konsequenz, dass auch besitzrechtliche Ansprüche und eigentumsrechtliche Ansprüche, die eine Sache (§ 90 BGB) voraussetzen, nicht greifen können…“
80Auch diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht vollumfänglich an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf in rechtlicher Hinsicht ausdrücklich Bezug. Sie gelten entsprechend für den vorliegenden Fall, insbesondere für die klägerseitige Geltendmachung vertraglicher und deliktischer Ansprüche. Eine abweichende Beurteilung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht gebietet der streitgegenständliche Sachverhalt nicht.
81Die Klage unterlag daher der Abweisung.
82III.
83Die Nebenentscheidungen folgen aus 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1 ZPO.
84Streitwert: bis 13.000,- €
8586
Am 22.09.2015 erging folgender Berichtigungsbeschluss:
87Gemäß § 320 ZPO wird der Tatbestand des Urteils vom 31.07.2015 dahingehend berichtigt, dass auf Seite 3 in Absatz 2 die Sätze 1 und 2 gestrichen werden.(*)
88Überdies wird der Tatbestand des vorgenannten Urteils gem. § 319 ZPO wegen offensichtlicher Unrichtigkeit hinsichtlich des klägerischen Antrags auf Seite 4 dahingehend korrigiert, dass dieser wie folgt lautet:
89(**)Der Kläger beantragt,
90die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.646,05 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.11.2014 zu zahlen, Zug um Zug gegen Gestattung der Rückbuchung der am 12.03.2012 umgetauschten und sodann eingebuchten Wertpapiere
91 10 Anleihen der Beklagten:
92EO-Bonds 2012 (23) SER.1
93EO-Bonds 2012 (24) SER.2
94EO-Bonds 2012 (25) SER.3
95EO-Bonds 2012 (26) SER.4
96EO-Bonds 2012 (27) SER.5
97EO-Bonds 2012 (28) SER.6
98EO-Bonds 2012 (29) SER.7
99EO-Bonds 2012 (30) SER.8
100EO-Bonds 2012 (31) SER.9
101EO-Bonds 2012 (32) SER.10
102EO-Bonds 2012 (33) SER.11
103EO-Bonds 2012 (34) SER.12
104EO-Bonds 2012 (35) SER.13
105EO-Bonds 2012 (36) SER.14
106EO-Bonds 2012 (37) SER.15
107EO-Bonds 2012 (38) SER.16
108EO-Bonds 2012 (39) SER.17
109EO-Bonds 2012 (40) SER.18
110EO-Bonds 2012 (41) SER.19
111EO-Bonds 2012 (42) SER.20
112 10 EFSF Anleihe A1G0AG
113Sowie 10 BIP gebundene Wertpapiere A1G1UW,
114festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die gezahlten Gerichtskosten die gesetzlichen Rechtshängigkeitszinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz an ihn zu zahlen sowie
115festzustellen, dass sich der Rechtsstreit i.H.v. 126,- € in der Hauptsache erledigt hat.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Köln Urteil, 31. Juli 2015 - 32 O 70/14
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Urteil einreichenLandgericht Köln Urteil, 31. Juli 2015 - 32 O 70/14 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.
(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.
Tenor
-
1. Die Erteilung der Vollstreckungsklausel zum Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts München vom 25. Mai 2011 - 35 Ca 17879/09 - sowie der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.
-
Die Entscheidungen werden aufgehoben.
-
Die Sache wird an das Arbeitsgericht München zurückverwiesen.
-
Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Dezember 2011 - 8 Ta 393/11 - ist gegenstandslos.
-
2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
- 1
-
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte, über die Einbehaltung einer griechischen Quellensteuer durch die Republik Griechenland gegenüber einem bei ihr in Deutschland beschäftigten griechischen Staatsbürger zu entscheiden.
-
I.
- 2
-
1. Die Beschwerdeführerin ist von dem Kläger, der allein die griechische Staatsangehörigkeit besitzt, vor dem Arbeitsgericht München auf "Nachzahlung" einer von der Beschwerdeführerin erhobenen Quellensteuer in Höhe von 5% des Bruttolohnes im Gesamtbetrag von 15.198,22 € "brutto" nebst Zinsen verklagt worden. Der Kläger steht seit 1989 als Lehrkraft für die "Privaten Volksschulen der Republik Griechenland" in München und im Landkreis Dachau im Dienst der Beschwerdeführerin, die als Trägerin dieser Privatschulen am 1. Juli 1994 einen Arbeitsvertrag mit dem Kläger abgeschlossen hat. Er bezieht sein Bruttoeinkommen aus öffentlichen Kassen der Republik Griechenland. Art. 8 Abs. 2 dieses Arbeitsvertrags sieht vor, dass der Kläger infolge des extraterritorialen Status der Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin selbst verpflichtet ist, die volle Höhe der Sozialversicherungsbeiträge sowie auch die Lohn- und Kirchensteuer an die zuständigen deutschen Behörden beziehungsweise Anstalten abzuführen.
- 3
-
Mit Schreiben vom 24. Januar 2002 teilte das Griechische Generalkonsulat München dem Kläger mit, dass ab dem 1. Februar 2002 "im Auftrag und Interesse des griechischen Staates ein Prozentsatz von 5%, bezogen auf Ihr monatliches Bruttoeinkommen, als Steuer einbehalten wird". Dies sollte rückwirkend mit Wirkung vom September 2001 an gelten. Die Erhebung dieser Steuer erfolgte jeweils durch direkten Abzug vom Bruttoeinkommen des Klägers unter Angabe der griechischen Besteuerungsgrundlage.
- 4
-
Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Beschwerdeführerin regelt ein völkerrechtliches Doppelbesteuerungsabkommen (im Folgenden: DBA) die Ausübung der Steuerhoheit über die eigenen Staatsangehörigen im Ausland.
- 5
-
Art. X DBA vom 18. April 1966 (BGBl II 1967 S. 852) lautet:
-
Artikel X [Einkünfte aus öffentlichen Kassen]
-
(1) Vergütungen, die aus öffentlichen Kassen des Königreichs Griechenland oder einer seiner Gebietskörperschaften für gegenwärtig erbrachte Dienste gezahlt werden, können nur in diesem Staate besteuert werden, es sei denn, daß die Zahlung an einen deutschen Staatsangehörigen geleistet wird, der nicht zugleich Staatsangehöriger des Königreichs Griechenland ist.
-
[…]
- 6
-
2. Mit der am 25. November 2009 vor dem Arbeitsgericht München erhobenen Klage begehrte der Kläger die Rückzahlung der seit 2002 bis einschließlich 2008 einbehaltenen "Quellensteuer" sowie die Unterlassung künftiger derartiger Abzüge.
- 7
-
a) Nachdem die Beschwerdeführerin zum Gütetermin nicht erschienen war, erließ das Arbeitsgericht München am 25. Mai 2011 ein Teilversäumnisurteil, mit dem die begehrte Rückzahlung sowie der Unterlassungsanspruch tituliert wurden. Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin Einspruch, über den bislang noch nicht entschieden worden ist.
- 8
-
b) Im Vollstreckungsverfahren, das Gegenstand der vorliegenden Verfassungsbeschwerde ist, erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 28. September 2011 Erinnerung (§ 62 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 732 ZPO) gegen die Erteilung einer Vollstreckungsklausel zum Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts München und beantragte zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung. Zur Begründung führte sie aus, dass die deutsche Gerichtsbarkeit nicht zuständig sei, weil Streitgegenstand im vorliegenden Fall ausschließlich die Besteuerung des Klägers durch die Beschwerdeführerin nach Art. X Abs. 1 DBA sei. Streitgegenstand sei damit, ob und in welchem Umfang die Republik Griechenland ihre Staatsangehörigen auf deutschem Staatsgebiet besteuern dürfe, das heißt die hoheitliche Handlung eines souveränen Staates, für die die deutsche Gerichtsbarkeit nach § 20 Abs. 2 GVG in Verbindung mit Art. 25 GG mit Blick auf den Grundsatz der Staatenimmunität nicht eröffnet sei. Urteile, die gegen einen nicht der deutschen Gerichtsbarkeit Unterworfenen ergingen, seien nichtig, weil § 20 Abs. 2 GVG jeglichem gerichtlichem Tätigwerden entgegenstehe. Da das Teilversäumnisurteil nichtig sei, hätte für dieses auch keine Vollstreckungsklausel erteilt werden dürfen. Die Erinnerung wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 2. November 2011 zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hob das Landesarbeitsgericht München die Entscheidung des Arbeitsgerichts München mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 auf und erklärte die Zwangsvollstreckung für insgesamt unzulässig. Dagegen erhob der Kläger Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht.
- 9
-
c) Mit Beschluss vom 14. Februar 2013 hob das Bundesarbeitsgericht den Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Dezember 2011 auf und wies die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 2. November 2011 zurück. Ob Urteile, die gegen Personen, die der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterliegen, nichtig und damit wirkungslos oder lediglich anfechtbar seien, könne dahingestellt bleiben, weil die Beschwerdeführerin in dem mit dem Kläger geführten Rechtsstreit nicht nach § 20 Abs. 2 GVG von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen sei. Der Rechtsstreit betreffe nicht deren hoheitliche Tätigkeit. Soweit überhaupt eine Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Staatenimmunität in Betracht komme, beziehe sich dies auf den völkerrechtlich anerkannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremder Gerichtsbarkeit unterworfen sei; es gebe aber keine allgemeine Regel des Völkerrechts, dass ein Staat auch für nicht-hoheitliches Handeln Immunität genieße. Folglich seien kraft Bundesrechts im Sinne von Art. 25 GG und den allgemeinen Regeln des Völkergewohnheitsrechts ausländische Staaten der deutschen Gerichtsbarkeit nur insoweit entzogen, als ihre hoheitliche Tätigkeit betroffen sei. Wenn die Tätigkeit zum Kernbereich hoheitlichen Handelns gehöre, könne es ausnahmsweise völkerrechtlich geboten sein, die Betätigung eines ausländischen Staates als hoheitlich zu qualifizieren, obwohl sie nach nationalem Recht als privatrechtliche und nicht als öffentlich-rechtliche Betätigung anzusehen wäre. Das Bundesverfassungsgericht habe jedoch lediglich die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege zum Kernbereich gezählt. Bei einer Streitigkeit aus einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis komme es grundsätzlich darauf an, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Natur nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich seien, wofür der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit entscheidend sei; entsprechend handele ein ausländischer Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt, wenn er einen Arbeitnehmer mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraue. Der Kläger nehme als Lehrer an den Privaten Volksschulen der Republik Griechenland jedoch keine Tätigkeit wahr, die mit der Ausübung der Souveränität der Beschwerdeführerin im Sinne der allgemeinen Regeln des Völkerrechts in Zusammenhang stehe. Ebenso wenig sei die Beschwerdeführerin deshalb von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit, weil die Parteien über die Berechtigung der Beschwerdeführerin stritten, ob sie Steuern vom Einkommen des Klägers einbehalten dürfe. Dahingestellt bleiben könne, ob das innerstaatliche Recht die Tätigkeit eines Lehrers an einer Schule der Beschwerdeführerin als hoheitliche Tätigkeit einstufe, weil für die Feststellung der Immunität allein das deutsche Recht maßgeblich sei; danach sei die Beschwerdeführerin einem privaten Arbeitgeber gleichgestellt. Eine Immunität der Beschwerdeführerin gegenüber der deutschen Gerichtsbarkeit folge schließlich auch nicht daraus, dass die Parteien über die Frage stritten, ob die Beschwerdeführerin nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zum Lohnabzug berechtigt gewesen sei. Der Streit drehe sich nicht um die Berechtigung der Beschwerdeführerin, das Einkommen des Klägers entgegen der Vorgabe des Art. 8 des Arbeitsvertrags selbst zu besteuern, sondern um eine hieraus möglicherweise folgende Doppelbesteuerung, für die nach Art. XX DBA ein Verständigungsverfahren im Inland vorgesehen sei. Damit sei auch die deutsche Gerichtsbarkeit zuständig.
-
II.
- 10
-
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Zur Begründung führt sie aus, dass das Bundesarbeitsgericht den Abzug der Quellensteuer durch den griechischen Staat als hoheitliche Maßnahme der Beschwerdeführerin hätte erkennen müssen; die Rechtsbeschwerde wäre daher zurückzuweisen gewesen. Zu diesen Fragen habe Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wie auch des Bundesverfassungsgerichts vorgelegen. Soweit das Bundesarbeitsgericht hiervon habe abweichen oder einen Fall hoheitlichen Handelns habe verneinen wollen, hätte es die Sache entweder dem Großen Senat nach § 45 Abs. 2 ArbGG oder dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG zur Entscheidung vorlegen müssen. Dies sei willkürlich unterblieben.
-
III.
- 11
-
Die Bundesregierung und der Kläger hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
- 12
-
1. Der Kläger hält die Verfassungsbeschwerde zumindest für unbegründet.
- 13
-
2. Für die Bundesregierung hat das Auswärtige Amt eine Stellungnahme abgegeben, in der es die Verfassungsbeschwerde für begründet hält.
- 14
-
Auf den vorliegenden Lebenssachverhalt seien sowohl arbeitsrechtliche als auch steuerrechtliche Vorschriften anzuwenden. Während sich die Zahlung des Arbeitslohnes als Erfüllung eines privatrechtlichen Vertrags darstelle, handele es sich bei der Einbehaltung der Quellensteuer um hoheitliches Handeln der Beschwerdeführerin, dessen Rechtmäßigkeit sich allein nach griechischem Steuerrecht bemesse und typischerweise auch nur in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren geklärt werden könne. Hinsichtlich ihres hoheitlichen Handelns genieße die Beschwerdeführerin völkerrechtliche Immunität. Der Charakter dieser Beziehung werde auch nicht durch die zusätzliche Eigenschaft der Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin des Klägers verändert. Die steuerrechtliche Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kläger betreffe mit der Steuerhoheit der Republik Griechenland den Kern ihrer staatlichen Betätigung, nämlich die Finanzierung des Staatshaushaltes durch Erhebung von Steuern. Auch nach dem als lex fori maßgeblichen deutschen Recht erfülle ein Arbeitgeber durch den Lohnsteuerabzug eine öffentlich-rechtliche Aufgabe für die Finanzbehörden. Da die Finanzierung des Staatshaushaltes die Ausübung anderer staatlicher Aufgaben überhaupt erst ermögliche, wäre die Steuererhebung aber selbst dann als hoheitlich zu qualifizieren, wenn dies nach dem deutschen Recht anders sein sollte.
-
IV.
- 15
-
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist sie berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
- 16
-
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
- 17
-
Auch als ausländischer Staat kann sich die Beschwerdeführerin auf das als verletzt gerügte grundrechtsgleiche Recht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Da dieses weniger der individuellen Selbstbestimmung als der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege dient, werden sowohl inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts (vgl. BVerfGE 61, 82 <104>; 75, 192 <200>) als auch ausländische juristische Personen des privaten (vgl. BVerfGE 18, 441 <447>; 21, 207 <208>; 23, 229 <236>; 64, 1 <11>) und des öffentlichen Rechts von dessen Schutzbereich erfasst. Das gilt auch für ausländische Staaten (vgl. BVerfGK 1, 32 <37 f.>; 9, 211 <213>).
- 18
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen gegen den Grundsatz der Staatenimmunität (Art. 25 GG) (a) und verletzen damit die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (b).
- 19
-
a) Soweit im Völkerrecht in einem allgemeinen Sinne von Staatenimmunität die Rede ist, bezieht sich dies auf den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichtsbarkeit unterworfen ist. Ausgehend von dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten (sovereign equality of states) gilt im Grundsatz das Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen. Allerdings hat das Recht der allgemeinen Staatenimmunität, nicht zuletzt auch wegen des zunehmenden kommerziellen grenzüberschreitenden Tätigwerdens staatlicher Stellen, einen Wandel von einem absoluten zu einem nur mehr relativen Recht durchlaufen. Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für nicht-hoheitliches Handeln genießt (vgl. zuletzt BVerfGE 117, 141 <152 f.>).
- 20
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aa) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird seit jeher zwischen der völkerrechtlich allgemein anerkannten Immunität von Hoheitsakten ausländischer Staaten einerseits (vgl. BVerfGE 16, 27 <51>; 117, 141 <152 f.>) und nicht-hoheitlichen Akten ausländischer Staaten andererseits unterschieden (vgl. BVerfGE 16, 27 <51>; 117, 141 <153>). Im Einklang mit der allgemeinen völkerrechtlichen Praxis geht das Bundesverfassungsgericht insoweit davon aus, dass Hoheitsakte ausländischer Staaten (sog. acta iure imperii) grundsätzlich immer der Staatenimmunität unterfallen (vgl. BVerfGE 16, 27 <51>; 117, 141 <152 f.>). Dies gilt in vergleichbarer Weise auch für die Zwangsvollstreckung in im Inland belegene Vermögenswerte ausländischer Staaten, die hoheitlichen Zwecken dienen (BVerfGE 46, 342 <392 f.>; 64, 1 <40>; 117, 141 <154>; BVerfGK 19, 122 <128>).
- 21
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bb) Da dem allgemeinen Völkerrecht eine Kategorisierung staatlicher Tätigkeiten als hoheitlich oder nicht-hoheitlich fremd ist, muss diese Abgrenzung grundsätzlich nach nationalem Recht erfolgen (vgl. BVerfGE 16, 27 <62>; 46, 342 <393 f.>; 64, 1 <42>). Die Heranziehung nationaler Regelungen zur Unterscheidung hoheitlichen staatlichen Handelns von nicht-hoheitlichem staatlichem Handeln findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den Staaten allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (vgl. BVerfGE 16, 27 <63>; 46, 342 <394>). Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, eine nach nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeit eines ausländischen Staates gleichwohl als der Staatenimmunität unterfallenden actus iure imperii zu qualifizieren, wenn dieser zum Kernbereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt zu rechnen ist (vgl. BVerfGE 16, 27 <63 f.>; 46, 342 <394>).
- 22
-
cc) Im vorliegenden Fall liegt ein solcher actus iure imperii schon unter Zugrundelegung der Wertungen der deutschen Rechtsordnung vor. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Besteuerung des Klägers mit der griechischen Quellensteuer durch den griechischen Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber geschuldeten (Brutto-)Gehalts. Schon nach nationalem Recht ist die Erhebung von Steuern eine hoheitliche Tätigkeit des Staates, der den Steuerpflichtigen zum Zwecke der Einnahmenerzielung einseitig und gegenleistungsfrei Abgaben auferlegt, deren Fälligkeit allein von der tatbestandlichen Erfüllung eines Gesetzes abhängt, das diese Leistungspflicht regelt (§ 3 Abs. 1 AO; vgl. auch BVerfGE 67, 256 <282>; 93, 319 <346>). Die Einbehaltung sowie die Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber stellt nach deutschem Recht die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe dar (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG; vgl. BVerfGE 19, 226 <240>; 44, 103 <104>). Ob der Arbeitgeber dabei als Beliehener oder in sonstiger Weise tätig wird (vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 135 ff.; Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, 2001, S. 26 ff.; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 44 ff.), bedarf insoweit keiner Entscheidung. Nach der lex fori ist jedenfalls von einer hoheitlichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen, was auch durch einen Blick auf den Kernbereich völkerrechtlich anerkannten staatlichen Handelns bestätigt wird. Die Erhebung öffentlicher Abgaben ist in jedem Staatswesen schon deshalb hoheitlicher Natur, weil erst durch die Erhebung entsprechender Einnahmen die Ausübung staatlicher Tätigkeiten möglich wird (vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 99 Rn. 99; Waldhoff, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 116 Rn. 2, 7).
- 23
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dd) Im vorliegenden Fall kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Beschwerdeführerin der deutschen Gerichtsbarkeit unterwerfen wollte, also auf ihre Staatenimmunität verzichtet hat.
- 24
-
(1) Zwar ist die Möglichkeit eines solchen Verzichts allgemein anerkannt (vgl. BVerfGE 117, 141 <154> m.w.N.). Der Verzicht auf die Staatenimmunität kann von einem ausländischen Staat in einem völkerrechtlichen Vertrag, einem privatrechtlichen Vertrag oder, speziell für ein bestimmtes gerichtliches Verfahren, vor Gericht erklärt werden (vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 469); allenfalls kann auch in rügelosen Einlassungen eines ausländischen Staates zur Sache ein konkludenter Verzicht auf die Staatenimmunität gesehen werden (vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 470; vgl. auch Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972
). Zudem sieht Art. 5 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität vor, dass ein Vertragsstaat vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaates dann keine Immunität beanspruchen kann, wenn das Verfahren einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag betrifft und die Erbringung der Arbeitsleistung auf dem Gebiet des Gerichtsstaates erfolgt.
- 25
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(2) Keine dieser Voraussetzungen ist hier freilich erfüllt.
- 26
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Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität, das bislang nur von acht Mitgliedstaaten des Europarates, nicht jedoch von der Beschwerdeführerin ratifiziert worden ist, entfaltet gegenüber dieser keine Wirkung. Im Übrigen betrifft der hier streitgegenständliche Rechtsstreit auch nicht den mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens geschlossenen Arbeitsvertrag, sondern das Recht der Beschwerdeführerin zur Besteuerung.
- 27
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Ein Verzicht auf die Staatenimmunität ergibt sich aber auch nicht aus anderen Gründen. Im gerichtlichen Verfahren ist ein solcher nicht erklärt worden. Im Gegenteil, die Beschwerdeführerin hat immer wieder auf ihre Staatenimmunität hingewiesen. Im Arbeitsvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kläger fehlt es an einer entsprechenden Verzichtserklärung, wie sie beispielsweise bei der Ausreichung von Staatsanleihen an private Gläubiger üblich ist (vgl. BVerfGE 117, 141 <155>); dass sich der Kläger gegenüber der Beschwerdeführerin arbeitsvertraglich zur Abführung der in Deutschland anfallenden deutschen Steuern und Sozialabgaben verpflichtet hat, kann, entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (Rn. 26 des angegriffenen Beschlusses) nicht als konkludenter Immunitätsverzicht verstanden werden. Selbst wenn man dies anders sähe, bezöge sich ein solcher Immunitätsverzicht nicht über das konkrete Arbeitsverhältnis hinaus auch auf das steuerrechtliche Rechtsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kläger des Ausgangsverfahrens. Im Gegenteil: Der Rückgriff auf das in Art. XX Abs. 1 DBA vorgesehene Verständigungsverfahren, das für Fälle einer nachweislichen unzulässigen Doppelbesteuerung eine Verständigung der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten vorsieht, legt gerade keinen Immunitätsverzicht der Beschwerdeführerin nahe, weil insoweit, entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Rn. 27 des angegriffenen Beschlusses), ein Rechtsweg zu den Gerichten eines Vertragsstaates nicht eröffnet ist.
- 28
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ee) Soweit die Arbeitsgerichte im vorliegenden Fall über die Besteuerung eines griechischen Staatsangehörigen durch die Republik Griechenland entschieden haben, haben sie der Sache nach zugleich über die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Ausübung ausländischer Staatsgewalt im Inland, hier der durch Art. X Abs. 1 DBA seitens der Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich gestatteten Besteuerung eines griechischen Staatsbürgers im Inland durch den Entsendestaat und damit unter Missachtung der Staatenimmunität entschieden. Im Widerspruch zum Grundsatz der Staatenimmunität ergangene Entscheidungen sind nichtig (vgl. BGHZ 182, 10 <16>, Rn. 20, m.w.N.). Dies muss auch für die Erteilung einer Vollstreckungsklausel für ein solches Urteil gelten.
- 29
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b) Der Verstoß gegen den Grundsatz der Staatenimmunität führt im vorliegenden Fall auch zu einer Verletzung des Rechts der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
- 30
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aa) Zwar stellt nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten gezogenen Grenzen auch schon einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGE 126, 286 <315>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 12 BvR 1563/12, 2 BvR 12 BvR 1564/12 -, juris, Rn. 179; stRspr.). Nicht jede fehlerhafte Anwendung oder Nichtbeachtung einer einfachgesetzlichen Verfahrensvorschrift ist zugleich auch eine Verfassungsverletzung, weil die Anwendung des einfachen Rechts andernfalls auf die Ebene des Verfassungsrechts gehoben würde (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>). Vielmehr ist die Grenze zur Verfassungswidrigkeit erst überschritten, wenn die - fehlerhafte - Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts willkürlich ist (grundlegend BVerfGE 3, 359 <364 f.>; 58, 1 <45>; 82, 286 <299>; 87, 282 <284>; 131, 268 <312>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat, kann nur angesichts der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (BVerfGE 131, 268<312>).
- 31
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bb) Im vorliegenden Fall liegt eine solche grundlegende Verkennung von Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs.1 Satz 2 GG vor. Da der Grundsatz der Staatenimmunität die gerichtliche Beurteilung hoheitlichen Handelns ausländischer Staaten von vornherein verbietet, stellt sich eine dem zuwiderlaufende gerichtliche Entscheidung jedenfalls dann als grob fehlerhaft und insofern willkürlich dar, wenn sie Maßnahmen betrifft, die dem Kernbereich des völkerrechtlich anerkannten staatlichen Handelns zuzurechnen sind. Das ist hier, wie angeführt, der Fall.
- 32
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c) Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch wegen einer unterbliebenen Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG rügt, bedarf es im Hinblick auf den anderweitig begründeten Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keiner Entscheidung.
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V.
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Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die angegriffenen Entscheidungen festzustellen. Die angegriffenen Entscheidungen sind aufzuheben; die Sache ist an das Arbeitsgericht München zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Dezember 2011 ist damit gegenstandslos.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.
(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.
Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.
(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.
(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.
(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.
(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.
(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.