Landgericht Düsseldorf Urteil, 15. Okt. 2015 - 4a O 89/14
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland
feuerhemmende Flächenelemente mit mindestens zwei lichtdurchlässigen Brandschutz-Glasplatten, welche an Seitenkanten aneinander stoßen, wobei die übrigen Seitenkanten an einem Bauteil gehalten sind, wobei diese Brandschutz-Glasplatten jeweils aus mindestens zwei parallel und mit Abstand zueinander angeordneten Glasscheiben und einer im Zwischenraum zwischen diesen Glasscheiben angeordneten Brandschutzschicht bestehen und zwischen den aneinander stoßenden Seitenkanten der Glasplatten eine Dichtungsanordnung eingebaut ist, wobei die aneinander stoßenden Seitenkanten der Glasplatten mit einem Abstand von mindestens 1 mm zueinander angeordnet sind und die Dichtungsanordnung in diesem Zwischenraum zwischen den Seitenkanten und über dessen ganze Länge angeordnet ist und aus einem Dichtungselement besteht,
herzustellen und/oder herstellen zu lassen, anzubieten und/oder anbieten zu lassen, in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen oder zu den vorstehend genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen
sich die Brandschutzschicht zwischen den Glasscheiben nicht bis zur Kante der jeweiligen Glasplatte erstreckt und entlang des Kantenbereichs eine Nute ausgebildet ist, und bei denen diese Nute im Randbereich zwischen den Glasscheiben mit einem Sperrmaterial ausgefüllt ist,
insbesondere, wenn
in die Dichtungsanordnung und zwischen die Seitenkanten der Brandschutzglasplatten ein Zwischenelement aus einem feuerhemmenden Material eingelegt ist, wobei dieses Zusatzelement an den beiden gegen die Breitseiten der Brandschutz-Glasplatten gerichteten Seiten je von einem elastischen Dichtungselement abgedeckt ist;
2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die gemäß Z. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 29.11.2003 begangen hat, und zwar unter Angabe
(a) der Herstellungsmengen und -zeiten;
(b) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie die Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der bezahlten Preise unter Vorlage von Kopien von Auftragsbestätigungen, Rechnungen oder etwaigen Gutschriften, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und wobei die Angaben zu den bezahlten Preisen erst für die Zeit seit dem 30.04.2006 verlangt werden;
(c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Lieferungen, Zeiten und Preisen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren, unter Vorlage von Kopien von Auftragsbestätigungen, Rechnungen oder etwaigen Gutschriften, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und wobei die Angaben zu den Verkaufsstellen erst für die Zeit seit dem 30.04.2006 verlangt werden;
(d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
(g) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
(f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer sowie die Namen und Anschriften ihrer Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten und vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung, ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, gemäß Ziffer I.1 bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer, der Beklagten, Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre, der Beklagten, Kosten herauszugeben;
4. die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 30.04.2006 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die ihr durch die gemäß Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 29.11.2003 entstanden sind oder/und noch entstehen werden.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP A (Klagepatent), dessen eingetragene Inhaberin sie ist, auf Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunftserteilung, Rückruf, Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.
3Das Klagepatent wurde in deutscher Sprache unter Inanspruchnahme der Priorität der schweizerischen Patentanmeldung CH B vom 10.07.1999 am 03.07.2000 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 10.04.2002 und die der Erteilung am 29.10.2003. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft.
4Die im Klagepatent unter Schutz gestellte Erfindung betrifft eine Brandschutzverglasung. Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
5„Feuerhemmendes Flächenelement (1) mit mindestens zwei lichtdurchlässigen Brandschutz-Glasplatten (2, 3, 4), welche an Seitenkanten (9,10; 14, 15) aneinander stoßen und dabei die übrigen Seitenkanten (11, 12,13) an einem Bauteil (6) gehalten sind, wobei diese Brandschutz-Glasplatten (2, 3, 4) jeweils aus mindestens zwei parallel und mit Abstand zueinander angeordneten Glasscheiben (16) und einer im Zwischenraum (17) zwischen diesen Glasscheiben (16) angeordneten Brandschutzschicht (18) bestehen und zwischen den aneinander stoßenden Seitenkanten (9, 10; 14, 15) der Glasplatten (2, 3, 4) eine Dichtungsanordnung (7, 8) eingebaut ist, wobei die aneinander stoßenden Seitenkanten (9, 10; 14, 15) der Glasplatten (2, 3, 4) mit einem Abstand von mindestens 1 mm zueinander angeordnet sind und die Dichtungsanordnung (7, 8) in diesem Zwischenraum (26) zwischen den Seitenkanten (9, 10; 14, 15) und über dessen ganze Länge angeordnet ist und aus einem Dichtungselement (23, 24, 25) besteht, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Brandschutzschicht (18) zwischen den Glasscheiben (16) nicht bis zur Kante (9-15) der jeweiligen Glasplatte (2, 3, 4) erstreckt und entlang des Kantenbereiches eine Nute (19) ausgebildet ist, sowie dass diese Nute (19) im Randbereich zwischen den Glasscheiben (16) mit einem Sperrmaterial (20) ausgefüllt ist.“
6Patentanspruch 2 des Klagepatents lautet:
7„Feuerhemmendes Flächenelement (1 ) nach Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass in die Dichtungsanordnung (7, 8) und zwischen die Seitenkanten (9,10; 14,15) der Brandschutz-Glasplatten (2, 3, 4) ein Zusatzelement (22) aus einem feuerhemmendem Material eingelegt ist, wobei dieses Zusatzelement (22) an den beiden gegen die Breitseiten der Brandschutz-Glasplatten (2, 3, 4) gerichteten Seiten je von einem elastischen Dichtungselement (23, 24) abgedeckt ist.“
8Die nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figuren 1 und 2 zeigen nach der Klagepatentbeschreibung Ausführungsbeispiele der Erfindung. Figur 1 zeigt ein feuerhemmendes Flächenelement, bestehend aus drei Brandschutzglasplatten in einem Rahmen:
9Figur 2 zeigt den Querschnitt einer Dichtungsanordnung zwischen zwei aneinander stoßenden Seitenkanten von zwei Brandschutz-Glasplatten:
11Die Klägerin stellt unter anderem Brandschutzsicherheitsgläser her. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Wettbewerberin der Klägerin, die Brandschutzkonstruktionen, insbesondere Konstruktionen mit Brandschutzgläsern, herstellt.
13Die Parteien schlossen unter dem 08.07.2003 eine als Anlage K 7 vorgelegte Abgrenzungsvereinbarung, die unter anderem die folgende Ziffer 2.5 aufweist:
14„Promat verpflichtet sich, im Fall der rechtskräftigen Erteilung eines europäischen Patents auf die europäische Patentanmeldung EP C dieses Patent der VSGI sowie alle Mitglieder dieser Patentfamilie zu beachten und eine entsprechende Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben.“
15Die Beklagte beantragte im Jahr 2013 die als Anlage K 5 vorgelegte bauaufsichtsrechtliche Zulassung betreffend die Brandschutzverglasung „Promat Ganzglaswand F1-30“. Ferner findet sich auf der deutschen Homepage der Beklagten www.promat.de die als Anlage K 6 vorgelegte Broschüre zu dieser Ganzglaswand (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Die obere Figur der Anlage 1 (Anlage K 5) zeigt eine Übersichtsfigur der angegriffenen Ausführungsform:
16Die obere Figur der Anlage 8 (Anlage K 5) zeigt einen Schnitt im Bereich C-C der vorstehenden Zeichnung:
18Die Figur in Anlage 20 (Anlage K 5) zeigt eine weitere Ausschnittvergrößerung der angegriffenen Ausführungsform:
20Die Beklagte hat am 24.02.2015 Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents erhoben.
22Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform mittlerweile in Deutschland vertreibe. In ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 16.09.2015 behauptet sie, dass die Beklagte wenigstens zwei der angegriffenen Ausführungsformen hergestellt habe.
23Nach Auffassung der Klägerin macht die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Es sei unerheblich, wie der Herstellungsprozess der Brandschutzglasplatten ablaufe, da es sich nicht um einen Verfahrensanspruch handele.
24Die Nichtigkeitsklage der Beklagten gegen das Klagepatent sei auf Grund der zwischen den Parteien bestehenden Abgrenzungsvereinbarung bereits unzulässig. Darüber hinaus griffen die Rechtsbestandseinwendungen der Beklagten nicht durch. Insbesondre betreffe der von der Beklagten eingewandte Stand der Technik überwiegend Brandschutzverglasungen, bei welchen die feuerhemmende Wirkung erst dadurch entfaltet werde, dass die Brandschutzschicht in die Fugen quelle, so dass ausgehend von diesen Schriften die klagepatentgemäße Erfindung nicht naheliegend sei.
25Die Klägerin beantragt,
26wie erkannt.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen,
29hilfsweise,
30ihr für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer sowie die Namen und Anschriften der Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,
31hilfsweise,
32die Entscheidung des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von ihr gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage vom 24.02.2015 auszusetzen.
33Sie meint, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Das Klagepatent beschränke sich in seinem Schutzbereich auf Brandschutzglasplatten, welche mittels der sogenannten Sandwich-Technik hergestellt werden. Das von ihr verbaute Brandschutzgel stelle keine klagepatentgemäße Brandschutzschicht dar, weil es – was unstreitig ist – im Brandfall nicht aufschäumt. Dadurch, dass die angegriffenen Ausführungsformen mit der sogenannten Aquarium-Technik hergestellt werden, bildeten diese weder eine klagepatentgemäße Nute aus noch sei der Randbereich zwischen den Glasplatten mit einem Sperrmaterial ausgefüllt. Eine klagepatentgemäße Nute dürfe frühestens beim Einbringen der Brandschutzschicht entstehen, aber nicht bereits vorher, so wie bei den angegriffenen Ausführungsformen, bei welchen die Nute bereits durch das Anbringen der u-förmigen Abstandhalter ausgebildet werde. Die Nute bilde vor Einbringen des Sperrmaterials einen Bereich, in welchem die Brandschutzschicht einen Kontakt zur Atmosphäre habe. Das klagepatentgemäße Sperrmaterial habe die Funktion, die Nute auszufüllen und die ohne das Sperrmaterial in Kontakt mit der Atmosphäre stehende Brandschutzschicht vor dieser zu schützen. Dies werde durch die in den Kantenbereich der angegriffenen Ausführungsformen eingebrachten Materialien (wie z.B. Ploysulfid) nicht verwirklicht.
34Das Klagepatent sei mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht rechtsbeständig. Die Klausel in der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung habe auf Grund ihrer Kartellrechtswidrigkeit keinen Einfluss auf den Aussetzungsmaßstab bzw. das Rechtsbestandsverfahren. Die klagepatentgemäße Erfindung sei in der als Anlage Ni1a im Nichtigkeitsverfahren vorgelegten bauaufsichtsrechtlichen Zulassung neuheitsschädlich vorweggenommen. Die Zulassung offenbare neben den weiteren Merkmalen des Klagepatentanspruchs insbesondere auch eine klagepatentgemäße Nute, die beim Zuschnitt der in der Zulassung offenbarten Brandschutzglasplatten zwangsläufig dadurch entstehe, dass die Platten beim Zuschnitt mit Wasser gekühlt würden und sich dadurch die Brandschutzschicht zumindest den Bruchteil eines Millimeters herauswasche. Darüber hinaus fehle es dem Klagepatent im Hinblick auf eine Kombination der Offenbarungen DE D (Anlage Ni2) mit DE E (Anlage Ni3), Ni2 mit DE F (Ni4), Ni3 mit Ni1a und Ni3 mit DE G (Ni5) an erfinderischer Tätigkeit.
35Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
36Entscheidungsgründe:
37Die zulässige Klage ist begründet. Da die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre der Klagepatente wortsinngemäß Gebrauch macht, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 3, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu. Das Verfahren wird nicht nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren ausgesetzt, da ein Widerruf des Klagepatents in diesem Verfahren nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
38I.
39Das Klagepatent betrifft ein feuerhemmendes Flächenelement.
40Feuerhemmende Flächenelemente dienen dazu, Öffnungen in Bauwerken zu verschließen oder dienen als Trenn- oder Begrenzungselemente für Räume. Sie umfassen auch lichtdurchlässige Brandschutz-Glasplatten. Lichtdurchlässige Brandschutz-Glasplatten bzw. Brandschutzgläser entsprechen in bekannter Weise den Anforderungen z.B. gemäß der deutschen Norm DIN 4102. Ein bekanntes Brandschutzglas besteht beispielsweise aus mehreren parallel und mit Abstand zueinander angeordneten Silikat-Glasscheiben, zwischen denen eine Brandschutzschicht eingelagert ist. Diese Brandschutzschicht schäumt im Brandfalle bei Erreichen einer bestimmten Temperatur auf und bildet im Verbund mit den Glasscheiben ein thermisch isolierendes Bauelement.
41Aus Gründen der Festigkeit und auch aus produktionstechnischen Gründen können Brandschutzgläser nicht in beliebig großen Abmessungen hergestellt werden. Zur Herstellung von großflächigen und lichtdurchlässigen Flächenelementen ist es bekannt, zwei oder mehrere Brandschutz-Glasplatten in einer gemeinsamen Fläche zu einem Flächenelement zusammenzufügen. Die einzelnen Brandschutz-Glasplatten werden dabei mit Hilfe von Verbindungselementen, z.B. Rahmenteilen, gegeneinander positioniert und gehalten. Derartige Rahmenkonstruktionen sind beispielsweise aus der DE-U-H und DE-U-I bekannt. Bei großflächig verglasten Bauten, z.B. für Häuserfassaden, ist es bekannt, Glasplatten an den Kanten ohne Rahmenteile aneinanderstoßen zu lassen. Die Abdichtung der Fuge zwischen zwei benachbarten Glasplatten erfolgt beispielsweise durch Abdecken und teilweises Auffüllen der Fuge mit einer Silikonmasse. Beim Einsatz von Brandschutz-Glasplatten findet diese Technologie bis heute nur vereinzelt Anwendung, da das Vorurteil besteht, dass die Fuge und das Dichtungsmaterial mit einem Rahmen-Element abgedeckt sein müssen.
42Das Klagepatent kritisiert an der Herangehensweise, nach der mehrere Brandschutz-Glasplatten mittels eines Rahmens aneinander gefügt werden, dass dies unter Umständen zu ästhetisch unerwünschten, breiten Rahmenprofilen führe. Im Weiteren bestehe auch das bekannte Problem der Wärmebrücken, wenn diese Rahmenprofile beispielsweise aus Metall hergestellt werden.
43Aus DE-U J ist eine Lösung bekannt, welche die Ausgestaltung von schmalen Rahmenprofilen in Bereich der aneinander stoßenden Seitenkanten ohne Wärmebrücken ermöglicht und es wird auch darauf hingewiesen, dass die Rahmenprofile weggelassen werden können. Gemäß dieser Lösung soll der Durchtritt von Rauch und Flammen durch die Trennfuge zwischen den Seitenkanten von benachbarten Brandschutz-Glasplatten verhindert werden, indem bei deren Erwärmung die Brandschutzschicht aufschäumt, in die Fuge zwischen den Seitenkanten benachbarter Glasplatten austritt und diese Fuge ausfüllt. Hieran kritisiert das Klagepatent, dass diese Fuge im Brandfalle erst durch den Austritt des aufquellenden Materials der Brandschutzschicht in den Fugenbereich dicht gegen Feuer und Rauch verschlossen wird. Bis zum Erreichen einer minimalen Temperatur, welche das Aufquellen der Brandschutzmasse bewirkt, ist die Fuge offen und es kann beispielsweise Rauch durchtreten. Ein weiterer Nachteil bestehe darin, dass die bekannten Brandschutzschichten aus Materialien bestehen, z.B. hydratisierten Alkalimetallsilikatmassen, welche bei Kontakt mit der Atmosphäre ihre Struktur verändern und mit der Zeit ihre Funktionsfähigkeit verlieren. Damit besteht bei dieser Anordnung die Gefahr, dass die Brandschutzschicht austrocknet oder sich verfärbt. Um dies zu verhindern, ist die beidseitige Anordnung von Rahmenprofilen mit entsprechenden Abdichtungen notwendig.
44Auch an der Lösung aus GB K kritisiert das Klagepatent, dass die Glasplatten dort zwar ohne Rahmenprofil an den Seitenkanten aneinanderstoßen und durch eine Dichtungsanordnung miteinander verbunden sind, aber auch hierbei die Brandschutzschicht an den Seitenkanten freiliegen würde und sowohl mit der Atmosphäre als auch mit dem Dichtungsmaterial in Kontakt und Reaktion stehe. Dadurch veränderten sich die Struktur der Brandschutzschicht und deren Funktionsfähigkeit. Die Brandschutzschicht könne z.B. austrocknen oder es treten Verfärbungen auf. Im Weiteren könne bei dieser Anordnung bei Erwärmung der Glasplatten im Brandfalle die Brandschutzschicht im Kantenbereich aufschäumen und die Dichtung oder die Glasplatten selbst beschädigen.
45Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, feuerhemmende Flächenelemente mit mindestens zwei lichtdurchlässigen Brandschutz-Glasplatten vorzuschlagen, bei welcher (1) aneinanderstoßende Seitenkanten von benachbarten Brandschutz-Glasplatten ohne Rahmenteile ausgebildet sind, (2) die zwischen den Glasscheiben der Brandschutz-Glasplatten angeordneten Brandschutzschichten gegenüber der Umgebungsatmosphäre vollständig abgedichtet und geschützt sind und (3) die Dichtung im Bereich der aneinanderstoßenden Seitenkanten von benachbarten Brandschutz-Glasplatten sofort nach dem Zusammenbau zum Flächenelement vollumfänglich wirksam und auch unterhalb der Aktivierungstemperatur der Brandschutzschicht rauchdicht ist.
46Zur Lösung dieser Aufgabe ist in Patentanspruch 1 des Klagepatents ein feuerhemmendes Flächenelement mit den folgenden Merkmalen vorgesehen:
47A.
48Feuerhemmendes Flächenelement (1) mit mindestens zwei lichtdurchlässigen Brandschutz-Glasplatten (2, 3, 4).
49B.
50Die Brandschutz-Glasplatten stoßen an Seitenkanten (9, 10, 14, 15) aneinander.
51C.
52Die übrigen Seitenkanten (11, 12, 13) sind an einem Bauteil (6) gehalten.
53D.
54Die Brandschutz-Glasplatten (2, 3,4) bestehen aus mindestens zwei parallel und mit Abstand zueinander angeordneten Glasscheiben (16) und einer im Zwischenraum (17) zwischen diesen Glasscheiben (16) angeordneten Brandschutzschicht (18).
55E.
56Zwischen den aneinander anstoßenden Seitenkanten (9, 10, 14, 15) der Glasplatten, (2, 3, 4) ist eine Dichtungsanordnung (7, 8) eingebaut.
57F.
58Die aneinander anstoßenden Seitenkanten (9, 10, 14, 15) der Glasplatten (2, 3, 4) sind mit einem Abstand von mindestens 1 mm zueinander angeordnet.
59G.
60Die Dichtungsanordnung (7, 8) ist in diesem Zwischenraum (26) zwischen den Seitenkanten (9, 10, 14, 15) und über dessen ganze Länge angeordnet und besteht aus einem Dichtungselement (23, 24, 25).
61Dadurch gekennzeichnet:
62H.
63Die Brandschutzschicht (18) zwischen den Glasscheiben (16) erstreckt sich nicht bis zur Kante (9-15) der jeweiligen Glasplatte (2, 3, 4).
64I.
65Entlang des Kantenbereichs ist eine Nute (19) ausgebildet.
66J.
67Die Nute (19) ist im Randbereich zwischen den Glasscheiben (16) mit einem Sperrmaterial (20) ausgefüllt.
68Klagepatentanspruch 2 fügt den Merkmalen des Anspruchs 1 die folgenden, weiteren Merkmale hinzu:
69K.
70In die Dichtungsanordnung (7, 8) und zwischen die Seitenkanten (9.10, 14, 15) der Brandschutzglasplatten (2, 3, 4) ist ein Zusatzelement (22) aus einem feuerhemmenden Material eingelegt.
71L.
72Dieses Zusatzelement (22) ist an den beiden gegen die Breitseiten der Brandschutzglasplatten (2, 3, 4) gerichteten Seiten je von einem elastischen Dichtungselement (23, 24) abgedeckt.
73M.
74Die aneinander stoßenden Seitenkanten der Glasplatten sind nicht von Rahmenteilen bedeckt.
75II.
76Davon ausgehend macht die angegriffene Ausführungsform unmittelbar und wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.
771.
78Zu Recht hat die Beklagte die Verwirklichung der Merkmale A bis C und E bis H sowie die weiteren Merkmale des Klagepatentanspruchs 2 der vorstehend eingeblendeten Merkmalsgliederung nicht bestritten, so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf.
792.
80Entgegen der Auffassung der Beklagten weist die angegriffene Ausführungsform eine Brandschutzschicht im Sinne von Merkmal D des Klagepatentanspruchs 1 auf.
81Was der Fachmann unter dem Begriff „Brandschutzschicht“ versteht, ist durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei ist vorrangig der Anspruchswortlaut heranzuziehen, erst danach ist auf die Beschreibung abzustellen (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Auflage, Rn 8 ff.).
82Aus dem Patentanspruch selbst erkennt der Fachmann, dass die Brandschutzschicht zwischen zwei Glasscheiben angeordnet ist. Welches Material diese Schicht aufweist, entnimmt der Fachmann dem Anspruch hingegen nicht, sondern lediglich, dass sich das Material von einer Glasscheibe, die üblicherweise zum Fensterbau genutzt wird, unterscheidet und dass ihm eine besondere feuerhemmende Wirkung zukommt.
83Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich für den Fachmann aus der Patentbeschreibung nicht entnehmen, dass das Merkmal der Brandschutzschicht entgegen dem Anspruchswortlaut auf Materialien wie Wasserglas beschränkt ist und dass eine Schicht aus dem von der Beklagten verwendeten Brandschutzgel den Anspruch nicht verwirklicht. In der Beschreibung heißt es unter anderem in Abschnitt [0002] (Anlage K 2):
84„Ein bekanntes Brandschutzglas besteht beispielsweise aus mehreren parallel und mit Abstand zueinander angeordneten Silikatglasscheiben, zwischen denen eine Brandschutzschicht eingelagert ist. Diese Brandschutzschicht schäumt im Brandfall bei Erreichen einer bestimmten Temperatur auf und bildet im Verbund mit den Glasscheiben ein thermisch isolierendes Bauelement“.
85Aus der Formulierung „beispielsweise“ folgert der Fachmann, dass das Klagepatent gerade nicht auf solche Brandschutzgläser eingeschränkt ist, deren Schichten im Brandfall aufschäumen. Vielmehr ist es lediglich notwendig, dass die Brandschutzschicht aus einem anderen Material besteht als aus Silikatglas und im Brandfall gemeinsam mit den Glasscheiben thermisch isolierend wirkt.
86Aus dem zitierten Stand der Technik leitet der Fachmann ebenfalls keine Einschränkung des Merkmals „Brandschutzschicht“ ab. In Bezug auf zitierten Stand der Technik sind zwei Fälle denkbar. Es mag sein, dass das Patent von einer bestimmten vorbekannten Konstruktion ausgeht, diese als vorteilhaft ansieht und für die Erfindung beibehalten will. In diesem Fall wird im Zweifel angenommen werden können, dass sich das Patent in Bezug auf dieses Merkmal den Stand der Technik zu Eigen macht. Andererseits mag es ebenso gut sein, dass das Patent einen bestimmten Stand der Technik lediglich formal zum Ausgangspunkt seiner Darstellung macht, ohne dass hierdurch der Schluss gerechtfertigt wäre, dass sich das Patent auf eine bestimmte, dem Stand der Technik zu entnehmende Ausgestaltung festlegen möchte. Von einer solchen Situation wird im Allgemeinen dann ausgegangen, wenn die vorbekannte Konstruktion im Hinblick auf den Erfindungsgedanken beliebig und keineswegs zwingend ist und wenn für die Verwirklichung der Erfindung ersichtlich auch andere Konstruktionen in Frage kommen (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Auflage, Rn 45). So liegt der Fall hier. Zwar ist es richtig, dass der zitierte Stand der Technik Erfindungen betrifft, bei denen die Brandschutzschicht aus Wasserglas besteht. Allerdings geht es dem Klagepatent in der Darstellung des Stands der Technik nicht primär um die Brandschutzschicht. Zwar wird als Problem im Stand der Technik auch die Abdichtung einer Brandschutzschicht gegen die Atmosphäre genannt. Allerdings legt das Klagepatent den Schwerpunkt der Darstellung auf die Rahmenkonstruktionen bzw. Dichtungsarten. In Bezug auf die Brandschutzschicht wird der Stand der Technik lediglich formal als Ausgangspunkt genommen, ohne dass es sich auf eine bestimmte Art der Brandschutzschicht festlegen will.
87Angesichts der fehlenden Beschränkung der Brandschutzschicht auf bestimmte Materialien fällt das in der angegriffenen Ausführungsform verwendete Brandschutzgel unter diesen Begriff. Wie von der Beklagten selbst dargestellt, ändert das Brandschutzgel im Brandfall seine Struktur von gelartig in gasförmig und absorbiert so Hitze. Es bildet mithin gemeinsam mit den Glasplatten eine thermische Isolierung.
883.
89Die angegriffene Ausführungsform weist ebenfalls eine Nut im Sinne von Merkmal I auf. Merkmal I ist in Zusammenhang mit Merkmal H zu lesen, wonach sich die Brandschutzschicht nicht bis zum Ende der jeweiligen Kanten der Glasplatten erstreckt.
90Dieser Zusammenhang lehrt den Fachmann, dass es sich bei der Nut um den Freiraum handelt, der dadurch entsteht, dass die Brandschutzschicht nicht bis zum Ende der Kanten reicht. Hieraus schließt der Fachmann, dass die Nut einen von der Brandschutzschicht freien Bereich an den Kanten der Glasplatten innerhalb des durch diese gebildeten Raums darstellt. Es handelt sich in erster Linie um eine räumlich-körperliche Vorgabe. Auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt die Nut hergestellt worden ist und ob hierzu weitere Hilfsmittel genutzt werden, ergibt sich für den Fachmann entgegen der Auffassung der Beklagten weder aus dem Anspruch noch aus der Klagepatentbeschreibung. Zwar heißt es in der Klagepatentschrift (Anlage K 2) in Abschnitt [0009], Tz. 37 ff.:
91„Diese Nute wird bereits beim Einbringen der Brandschutzschicht zwischen den parallelen Glasscheiben ausgebildet oder nach der Fertigstellung der Brandschutzplatte in die Brandschutzschicht eingearbeitet. Dies kann beispielsweise durch mechanische Bearbeitung oder mit Hilfe eines Lösungsmittels erfolgen.“
92Aus dieser Beschreibung ergibt sich jedoch keine Einschränkung dahingehend, dass zur Herstellung der Nut nicht noch weitere Hilfsmittel verwendet werden können. Auch unter Verwendung der U-Profile der angegriffenen Ausführungsform wird die Nut bereits „bei Einbringen der Brandschutzschicht“, nämlich bei Befüllung mit dem Brandschutzgel, ausgebildet.
93Mithin handelt es sich bei dem in der Figur der Anlage 20 (Anlage K 5) mit dem Material mit der Ordnungsziffer 4 verfüllten Raum um eine klagepatentgemäße Nut. Denn in diesem Bereich ist der Zwischenraum zwischen den Glasplatten frei vom Brandschutzgel. Wie der Herstellungsprozess dieses Freiraums abgelaufen ist, ist für die Merkmalsverwirklichung – wie oben dargestellt – unerheblich.
944.
95Entgegen der Auffassung der Beklagten wird durch die angegriffene Ausführungsform ebenfalls Merkmal J des Klagepatentanspruchs 1 verwirklicht, wonach die Nut im Randbereich zwischen den Glasscheiben mit einem Sperrmaterial ausgefüllt ist.
96Der Anspruchswortlaut lehrt den Fachmann lediglich, dass die Nute mit einem Material ausgefüllt sein muss. In der Klagepatentbeschreibung (Anlage K 2) heißt es in Abschnitt [0009], Tz. 5 ff.:
97„Diese Nute in der Brandschutzschicht zwischen dem Kantenbereich der Glasscheiben wird mit einem Sperrmaterial ausgefüllt, welches die Brandschutzschicht vor Kontakt mit der Atmosphäre schützt und die Kantenbereiche von jeweils zwei parallel angeordneten Glasscheiben luft- und dampfdicht miteinander verbindet.“
98Aus dem Anspruchswortlaut in Zusammenschau mit der vorgenannten Beschreibungsstelle, die den Fachmann die Funktion der luft- und atmosphärendichten Verbindung der Kanten der Glasscheiben lehrt, schließt der Fachmann, dass das Sperrmaterial sich bis zum Kantenbereich der Glasscheiben zu erstrecken hat. Ferner muss durch das Material der Schutz der Brandschutzschicht vor der Atmosphäre gewährleistet werden.
99Welchen Aufbau das Sperrmaterial hat und wie es mit weiteren Konstruktionselementen, wie z.B. einem U-Profil, zusammenwirkt, geben weder der Patentanspruch noch die allgemeine Beschreibung vor. Insbesondere ergibt es sich für den Fachmann hieraus nicht, dass die Brandschutzschicht und das Sperrmaterial in direkten Kontakt zueinander treten müssen. In räumlicher Hinsicht wird lediglich gefordert, dass sich das Sperrmaterial bis zur Kante der Glasplatten erstreckt.
100Bei dem mit der Ordnungsziffer 4 gekennzeichneten Material in der Figur gemäß Anlage 20 der allgemeinen bauaufsichtsrechtlichen Zulassung (Anlage K 5) handelt es sich um ein Sperrmaterial im Sinne von Merkmal J des Klagepatentanspruchs 1. Das Material erstreckt sich ausweislich der Figur bis zur Kante der Glasplatten und füllt die Nut zwischen ihnen luft- und atmosphärendicht aus. Es schadet der Verwirklichung des Merkmals nicht, dass zusätzlich zu dem mit Ziffer 4 gekennzeichneten Material das U-Profil (Ordnungsziffer 3) innerhalb der Nut angebracht ist. Das Füllmaterial (Ziffer 4) gewährleistet zumindest auch den Schutz der Brandschutzschicht vor der Atmosphäre, so dass das Merkmal verwirklicht ist.
101III.
102Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und damit widerrechtlich von der Lehre des Klagepatents im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG Gebrauch gemacht.
103a)
104Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgt.
105In Bezug auf die Handlungsalternative des „Anbietens“ besteht Wiederholungsgefahr im Sinne von § 139 Abs. 1 S. 1 PatG. Durch die Angebotshandlung der Beklagten in Form der Veröffentlichung der als Anlage K6 vorgelegten Broschüre besteht die tatsächliche Vermutung dafür, dass die patentverletzende Handlung wiederholt wird.
106In Bezug auf die Handlungsalternativen „Anbietenlassen“, „Inverkehrbringen“, „Inverkehrbringenlassen“, „Einführen“ und „Besitzen“ kann dahinstehen, ob das Bestreiten der Beklagten nach § 296 ZPO als verspätet zurückzuweisen war und deshalb ebenfalls von einer Wiederholungsgefahr auszugehen ist. Denn jedenfalls begründet das erfolgte Anbieten der angegriffenen Ausführungsform eine Erstbegehungsgefahr in Bezug auf die genannten Handlungsalternativen im Sinne von § 139 Abs. 1 S. 2 PatG (so auch OLG Karlsruhe, Urteil v. 14.01.2009, Az. 6 U 54/06). Entsprechendes gilt vorliegend auch ausnahmsweise für die Handlungsalternative des „Herstellens“, nachdem die Klägerin unbestritten vorgetragen hat (Klageschrift S. 5), dass es sich bei der Beklagten um einen Herstellungsbetrieb handelt (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Auflage, Rn 1101).
107b)
108Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadenersatz zu leisten ((Art. 64 EPÜ i. V. m.) § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
109Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
110Diese Schadenersatzpflicht dem Grunde nach erstreckt sich auf sämtliche vom Unterlassungstenor umfassten Handlungsalternativen. Eine festgestellte Benutzungsform wie z.B. ein festgestelltes Angebot rechtfertigt die Verurteilung wegen aller weiteren Handlungsalternativen wie dem Inverkehrbringen, Besitzen oder Einführen, auch wenn für sie kein konkreter Nachweis erbracht worden ist, soweit die betreffenden Benutzungsformen nach der Ausrichtung des Unternehmens als möglich in Betracht kommen (vgl. Kühnen, a.a.O., Rn 1195; OLG Karlsruhe, Urteil v. 14.01.2009, Az. 6 U 54/06). Angesichts der Veröffentlichung der Broschüre durch die Beklagte im Internet erscheinen das Inverkehrbringen, die Einfuhr und der Besitz der angegriffenen Ausführungsformen durch die Beklagte jedenfalls möglich. Entsprechendes gilt für das Herstellen, da es sich bei der Beklagten um einen Herstellungsbetrieb handelt und eine Dritt- oder Auslandsherstellung von der Beklagten nicht vorgetragen wurde. Im Übrigen wäre ihr erst in der letzten mündlichen Verhandlung erfolgtes pauschales Bestreiten der Herstellungsalternative auch gemäß § 296 Abs. 1 ZPO verspätet.
111c)
112Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus (Art. 64 EPÜ i. V. m.) § 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist der Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2010, Az.: I-2 U 42/09).
113d)
114Des Weiteren hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der angegriffenen Ausführungsform aus den Vertriebswegen gemäß (Art. 64 EPÜ i. V. m.) § 140a Abs. 3 S. 1, Var. 1 PatG.
115e)
116Es besteht ebenfalls ein Vernichtungsanspruch, (Art. 64 EPÜ i. V. m.) § 140a Abs. 1 PatG.
117IV.
118Der Rechtsstreit war nicht in Bezug auf das anhängige Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht nach § 148 ZPO auszusetzen. Dies gilt unabhängig von der zwischen den Parteien im Jahr 2003 abgeschlossenen Abgrenzungsvereinbarung (Anlage K 7) schon nach allgemeinen Aussetzungsgrundsätzen.
119Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Eine Aussetzung ist vielmehr grundsätzlich erst dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (vgl. BGH, Az.: X ZR 61/13, Beschluss v. 16.09.2014). Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
1201.
121Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Vernichtung des Klagepatents wegen fehlender Neuheit in Bezug auf die als Anlage Ni1a vorgelegte bauaufsichtsrechtliche Zulassung kann durch die Kammer nicht festgestellt werden. Es ist zweifelhaft, ob Merkmal H des Klagepatentanspruchs 1, wonach sich die Brandschutzschicht nicht bis zum Ende der Glasscheibenkanten erstreckt, unmittelbar und eindeutig durch den Hinweis auf den Schnitt der Brandschutzglasplatten unter einer Wasserkühlung offenbart ist. Es fehlen der technisch nicht fachkundigen Kammer hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dem Fachmann ausgehend von diesem Hinweis eine klagepatentgemäße Nut offenbart wird.
1222.
123Die Kammer kann nicht feststellen, dass ausgehend von der Entgegenhaltung L (Ni2) eine Kombination mit der Entgegenhaltung DE M(Ni3) nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen würde.
124Eine Erfindung gilt nach § 4 PatG als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Es ist deshalb zu fragen, ob ein über durchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügender Fachmann, wie er auf dem technischen Gebiet der Erfindung in einschlägig tätigen Unternehmen am Prioritätstag typischerweise mit Entwicklungsaufgaben betraut wurde und dem unterstellt wird, dass ihm der gesamte am Prioritätstag öffentlich zugängliche Stand der Technik bei seiner Entwicklungsarbeit zur Verfügung stand, in der Lage gewesen wäre, den Gegenstand der Erfindung aufzufinden, ohne eine das durchschnittliche Wissen und Können einschließlich etwaiger Routineversuche übersteigende Leistung erbringen zu müssen (OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 97, 98). Welche Mühe es macht, den Stand der Technik aufzufinden oder heranzuziehen, ist unbeachtlich (OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 97, 98).
125Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungsweg nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es daher – abgesehen von denjenigen Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, GRUR 2009, 746, 748 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; BGH, GRUR 2012, 378, 379 – Installiereinrichtung II).
126Ni2 war bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden und offenbart ein feuerhemmendes Flächenelement, bei welchen im Brandfall das zwischen den Brandschutzglasplatten angeordnete Silikon verbrennt und infolge der Aktivierung der Brandschutzschicht diese in die Fugen zwischen den Glasplatten eintritt und den Spalt zwischen ihnen innerhalb kürzester Zeit unter gleichzeitiger Verdrängung des ggf. noch vorhandenen Silikons verschließt (Anlage Ni2, Seite 6, letzter Absatz). In der Entgegenhaltung Ni3 ist unter anderem in der nachfolgend eingefügten Figur eine mittels der Aquarium-Technik hergestellte Brandschutzglasplatte offenbart:
127Die Kammer kann nicht feststellen, dass der Fachmann ausgehend von der Ni2 die dort verwandten Brandschutzglasplatten durch die in der Ni3 offenbarten Platten austauschen würde, um die klagepatentgemäße Aufgabe zu lösen, ein feuerhemmendes Flächenelement zu erstellen, bei welchem die Dichtung im Bereich der aneinanderstoßenden Seitenkanten von benachbarten Brandschutz-Glasplatten sofort nach dem Zusammenbau zum Flächenelement vollumfänglich wirksam und auch unterhalb der Aktivierungstemperatur der Brandschutzschicht rauchdicht ist. Der Fachmann dürfte sogar eher gehindert sein, einen Austausch der Glasplatten vorzunehmen. Denn Ni2 offenbart ihm eindeutig, dass die Brandschutzschicht im Brandfall in die Fuge zwischen den einzelnen Platten eintreten muss, um eine feuerhemmende Wirkung zu entfalten. Dies wäre aber bei Verwendung der in Ni3 offenbarten Platten gar nicht möglich, so dass sich der Fachmann dieser Schrift nicht zuwenden würde bzw. es für den Fachmann überraschend wäre, wenn bei einer Kombination der beiden Techniken tatsächlich eine ähnlich gute Schutzwirkung entfaltet würde. Mithin lassen sich für die Bejahung der erfinderischen Tätigkeit gute Argumente finden.
1293.
130Aus demselben Grund kann die Kammer nicht feststellen, dass ausgehend von der Entgegenhaltung DE N (Ni2) eine Kombination mit der Entgegenhaltung Ni4 und ausgehend von der Entgegenhaltung Ni3 eine Kombination mit der Ni1a nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen würde. In sämtlichen Fällen hätte der Fachmann das Problem zu überwinden, dass die Ausgangsschriften sich mit Brandschutzverglasungen befassen, die erst durch ein Aufquellen der Brandschutzschicht eine Abdichtung der Fuge herbeiführen.
1314.
132Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass, ausgehend von der Ni3, eine Kombination dieser Schrift mit der Ni5 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen würde.
133Wie oben dargestellt, offenbart Ni3 eine Brandschutzglasplatte mit einer klagepatentgemäßen Nut sowie dem Sperrmaterial in der Nut ohne weitere Angaben zu einer Rahmenkonstruktion. Ni5 wiederum offenbart sämtliche weiteren Merkmale des Klagepatentanspruchs 1, wie die folgenden Figuren dieser Entgegenhaltung zeigen:
134Ausgehend von der Ni3 werden mithin sämtliche Merkmale in einer Kombination mit der Ni5 offenbart.
137Allerdings kann die Kammer nicht feststellen, dass die Ni3 dem Fachmann eine hinreichende Veranlassung dafür bietet, auf die in der Ni5 offenbarte Verbindungstechnik zuzugreifen. Zum einen ist bereits fraglich, ob der Fachmann die Ni3 als Ausgangspunkt für die Lösung der Aufgabe nehmen würde. Diese Entgegenhaltung hat die Verbindung mehrerer Glasplatten nicht zum Gegenstand, so dass der Fachmann aus der Schrift selbst keinen Hinweis auf eine Rahmengestaltung erhält. Geht es dem Fachmann um großflächige Einheiten von Brandschutzverglasungen mit möglichst wenig sichtbaren Rahmenkomponenten, bietet die Druckschrift Ni5 die größeren Gemeinsamkeiten und würde von ihm als Ausgangspunkt gewählt werden.
138Aber selbst wenn man die Ni3 als Ausgangspunkt nähme, ließen sich noch vernünftige Argumente für eine erfinderische Tätigkeit finden. Sollte der Fachmann, ausgehend von der Ni3, die Entgegenhaltung Ni5 auffinden, die schon ein teilrahmenloses Flächenelement offenbart, so fände er in beiden Entgegenhaltungen keine Anhaltspunkte, die ihn veranlassen würden, die in der Ni5 offenbarte Rahmen- und Dichtungskonstruktion auf die Ni3 zu übertragen. Er fände nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass sich aus einer Kombination eine größere feuerhemmende Wirkung ergäbe. Naheliegend wäre es vielmehr, bei der in der Ni5 offenbarten Konstruktion zu verbleiben. Denn aus den in dieser Schrift genannten Beispielen folgt, dass bei dieser Konstruktion bereits gute feuerhemmende Eigenschaften gegeben sind. Darüber hinaus verfügt die Ni3 über ein zusätzliches Bauteil, nämlich den u-förmigen Abstandhalter. Dieser Abstandhalter verursacht zum einen zusätzliche Kosten und bietet darüber hinaus die Gefahr einer Wärmebrücke. Der Fachmann hätte keine Veranlassung, bei Auffinden der Ni5 die dort offenbarte Konstruktion in eine teurere und unter Umständen weniger feuerhemmende Variante abzuändern.
139V.
140Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
141Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.
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(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.
(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.
(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.
(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.
(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der benutzten Erzeugnisse in Anspruch genommen werden.
(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
- 1.
rechtsverletzende Erzeugnisse in ihrem Besitz hatte, - 2.
rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, - 3.
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder - 4.
nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Erzeugnisse oder an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war,
(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
- 1.
Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse oder der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und - 2.
die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse oder Dienstleistungen bezahlt wurden.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.
(5) Erteilt der zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder unvollständig, so ist er dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(6) Wer eine wahre Auskunft erteilt hat, ohne dazu nach Absatz 1 oder Absatz 2 verpflichtet gewesen zu sein, haftet Dritten gegenüber nur, wenn er wusste, dass er zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war.
(7) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden.
(8) Die Erkenntnisse dürfen in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden.
(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nummer 70 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.
(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellt worden sind.
(2) Absatz 1 ist entsprechend auf die im Eigentum des Verletzers stehenden Materialien und Geräte anzuwenden, die vorwiegend zur Herstellung dieser Erzeugnisse gedient haben.
(3) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf Rückruf der Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellt worden sind.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind auch die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I. Das Landgericht hat die Beklagte wegen Verletzung des mit Wirkung
- 1
- für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 304 891 (Klagepatents) durch eine Kurznachrichtenfunktion von Mobiltelefonen zur Unterlassung , Auskunftserteilung, Vernichtung und Rückruf verurteilt sowie die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen hat die Beklagte Beschwerde mit dem Ziel der Zulassung der Revision erhoben, über die der Senat noch nicht entschieden hat. Unterdessen hat das Bundespatentgericht auf die während des landgerichtlichen Verfahrens erhobene Nichtigkeitsklage der Beklagten mit Urteil vom 7. Mai 2014 (6 Ni 12/14) das Klagepatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Vor Zustellung dieses Urteils hat die Beklagte beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Berufungsurteil einstweilen gegen Si- cherheitsleistung einzustellen. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 8. Juli 2014 (X ZR 61/13, juris - nicht zu ersetzender Nachteil) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Anhörungsrüge der Beklagten. II. Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Sie ist jedoch zugleich
- 2
- als Gegenvorstellung anzusehen und führt im Hinblick auf die sich aus den nunmehr vorliegenden Entscheidungsgründen des patentgerichtlichen Urteils ergebende veränderte Sachlage zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung. 1. Die Zwangsvollstreckung aus einem wegen Patentverletzung verur3 teilenden Erkenntnis ist nach § 719 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 707 Abs. 1 ZPO vom Landgericht oder vom Berufungsgericht grundsätzlich gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, wenn das Klagepatent durch (nicht rechtskräftiges) Urteil des Patentgerichts für nichtig erklärt wird. Wenn das Klagepatent mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist,
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- verurteilt das Verletzungsgericht auch dann, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung , wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls setzt es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO aus, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Klage auf Nichtigerklärung des Patents entschieden ist. Denn eine - vorläufig vollstreckbare - Verpflichtung des Verletzungsbeklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch (s. nur BVerfGE 88, 118, 123) gebietet, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein - und gegebenenfalls das einzige - Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird. Ist der Verletzungsbeklagte bereits durch ein vorläufig vollstreckbares Ur5 teil wegen Patentverletzung verurteilt, reicht jedoch die Aussetzung allein nicht aus, um einer wahrscheinlichen Nichtigerklärung des Klagepatents Rechnung zu tragen. Vielmehr erschüttert die Erwartung des Verletzungsgerichts, das Klagepatent werde für nichtig erklärt werden, zugleich die Grundlage eines bereits ergangenen, auf Patentverletzung erkennenden Urteils oder Versäumnisurteils in einem solchen Maße, dass es grundsätzlich geboten ist, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil nach §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustel- len. Dies ist regelmäßig angezeigt, wenn das Klagepatent durch das erstinstanzlich zur Beurteilung seiner Rechtsbeständigkeit berufene Bundespatentgericht bereits für nicht erklärt worden ist. Dem entspricht auch die obergerichtliche Einstellungspraxis (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juli 2008 - 2 U 90/06, InstGE 9, 173 - Herzklappenringprothese). Eine andere Einschätzung kann im Einzelfall geboten sein, wenn sich
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- aus den Gründen der patentgerichtlichen Entscheidung gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass diese einer Überprüfung im Berufungsverfahren aller Voraussicht nach nicht standhalten wird. Dies kommt jedoch allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht. 2. Hat das Patentgericht - wie im Streitfall - das Klagepatent für nichtig
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- erklärt, ist die Zwangsvollstreckung auch dann in entsprechender Anwendung der §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen , wenn das Verletzungsverfahren vom Berufungsgericht bereits entschieden und aufgrund einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision oder einer zugelassenen Revision beim Bundesgerichtshof anhängig ist. Die Einstellungsmöglichkeit nach den §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO tritt insoweit neben die von der Beklagten in erster Linie erstrebte und im Senatsbeschluss vom 8. Juli 2014 erörterte Einstellung nach § 719 Abs. 2 ZPO, deren Voraussetzungen, wie in diesem Beschluss näher ausgeführt wurde, nicht erfüllt sind. Zwar ist die Möglichkeit, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstre8 ckung auch dann anzuordnen, wenn der Schuldner nicht glaubhaft machen kann, dass ihm die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, nach dem Wortlaut des § 719 Abs. 1 ZPO an sich nur dann eröffnet, wenn gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt wird. Die Vorschrift ist im Revisionsverfahren und im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde aber entsprechend anzuwenden, wenn das Klagepatent erstinstanzlich für nichtig erklärt worden ist. Sinn und Zweck der Differenzierung zwischen den Voraussetzungen des
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- § 719 Abs. 1 und des § 719 Abs. 2 ZPO ist es, der erhöhten Richtigkeitsgewähr Rechnung zu tragen, die der Gesetzgeber, ähnlich wie in § 708 Nr. 10 und § 717 Abs. 3 ZPO einerseits und in §§ 709, 717 Abs. 2 ZPO andererseits mit Berufungsurteilen verbindet. Sie trägt den Besonderheiten der Verschränkung von Patentverletzungsprozess und Patentnichtigkeitsverfahren, die sich aus dem "Trennungsprinzip" ergibt, nicht hinreichend Rechnung. Die sich daraus ergebende planwidrige Regelungslücke ist durch entsprechende Anwendung von § 719 Abs. 1 ZPO auszufüllen. Im Verletzungsrechtsstreit muss die Frage der Aussetzung nach § 148
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- ZPO und damit die Frage, ob eine erhobene Nichtigkeitsklage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, in jeder Instanz erneut geprüft werden, und zwar unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes des Patentnichtigkeitsverfahrens. Die Beurteilung dieser Frage bietet aber keine vergleichbare Richtigkeitsgewähr wie die Beurteilung der Rechtslage im Übrigen, weil die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage nicht dem Verletzungsrichter, sondern in erster Instanz dem Patentgericht obliegt. Gibt das Patentgericht der Nichtigkeitsklage statt, so wird die Richtigkeitsgewähr eines Berufungsurteils aus gleichsam außerhalb dieses Urteils liegenden Gründen erschüttert, und zwar in gleichem Maße wie die Richtigkeitsgewähr eines entsprechenden erstinstanzlichen Urteils. Für die der Regelung in § 719 Abs. 1 und 2 ZPO zugrunde liegende Differenzierung ist angesichts dessen insoweit kein Raum. Vielmehr muss die Regelung des § 719 Abs. 1 ZPO entsprechend herangezogen werden, wenn gegen ein Berufungsurteil Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden ist.
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- 3. Nach diesen Grundsätzen ist auch im Streitfall die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil und dem Urteil des Landgerichts München I anzuordnen. Der dem angefochtenen Berufungsurteil zugrunde liegenden Einschät12 zung, die Nichtigkeitsklage werde voraussichtlich erfolglos bleiben, ist mit dem Urteil des Patentgerichts die Grundlage entzogen. Die nunmehr vorliegenden Entscheidungsgründe dieses Urteils enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses offensichtlich unrichtig ist. Vor diesem Hintergrund ist die Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil in entsprechender Anwendung von § 719 Abs. 1 ZPO gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahelegen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Auch die Erklärung der Klägerin, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen aus den Verletzungsurteilen vorzunehmen, verschafft der Beklagten schon deshalb keine Rechtsposition, die vergleichbar der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung wäre, weil sie unter dem unbestimmten Vorbehalt einer "unveränderten Sachlage" abgegeben wurde.
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 25.05.2012 - 7 O 19334/11 -
OLG München, Entscheidung vom 25.04.2013 - 6 U 2420/12 -
Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.