Landgericht Bonn Urteil, 07. Jan. 2015 - 5 S 47/14
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 28.01.2014 – 109 C 228/13 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht wird, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.
4II.
5Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den Beklagten zu Recht dazu verurteilt, Fotoaufnahmen des Klägers beim Hundeausführen in der Siegaue ohne dessen Einwilligung zu unterlassen. Der entsprechende Anspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog.
6Ein – ggf. unzulässiger – Eingriff in das Recht am eigenen Bild als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt bereits dann vor, wenn – wie hier – ohne Einwilligung des Betroffenen Bildnisse hergestellt werden, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, ob Fotos mit der Absicht, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen bzw. zu verbreiten, angefertigt werden (BGH NJW 1995, 1955 ff.).
7Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass dieser Eingriff in das Recht am eigenen Bild hier auch rechtswidrig und damit unzulässig war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies im Falle der Anfertigung von Bildern in Bereichen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, im Zuge einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer unter Berücksichtigung aller rechtlich, insbesondere auch verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten durchgeführten Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln (BGH a.a.O.).
8Ganz entscheidend ist bereits im Ausgangspunkt dieser Abwägung hier die Frage, welche (verfassungs-)rechtlichen Positionen in die Abwägung eingestellt werden können. Der Beklagte geht insoweit davon aus, dass er für sich die Einhaltung der Naturschutzvorschriften und deren Durchsetzung im Wege des Ordnungswidrigkeitsverfahrens ins Feld führen kann. Naturschutzvorschriften – grundgesetzlich verankert als Staatsziel in Art. 20a GG und nicht etwa als Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger im Katalog der Art. 1 bis 19 GG – betreffen allerdings keine Individualrechtsgüter.
9Der Bundesgerichtshof spricht in der zitierten Entscheidung aber davon, dass (verfassungs-)rechtliche Positionen der Beteiligten in die Erwägung einzubeziehen sind. Auch in der Rechtsprechung nach diesem Urteil geht es stets um Individualrechtsgüter, denen das Fertigen von Bildern oder Videos dienen sollte (vgl. insoweit: LG Bonn, Urteil vom 04.05.2012, Az.: 9 O 60/12; LG Köln, Beschluss vom 21.08.2013, Az.: 34 T 179/13; OLG München, Beschluss vom 04.01.2012, Az.: 20 U 464/11; LG München, Beschluss vom 18.10.2011, Az.: 1 S 12752/11 WEG; OLG Köln, Urteil vom 05.07.2005, Az.: 24 U 12/05; LG Berlin, Urteil vom 23.05.2005, Az.: 62 S 37/05; LG Darmstadt, Urteil vom 17.03.1999, Az.: 8 O 42/99; OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.11.2001, Az.: 12 U 180/01 alle zitiert nach juris). Auch in der Kommentarliteratur zu dem Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Rahmen des § 823 BGB und zur erforderlichen Abwägung heißt es, dass im Einzelfall das Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Verletzten den schutzwürdigen Belangen des Schädigers, also insbesondere grundrechtliche Positionen gegenüberzustellen ist (vgl. Münchener Kommentar-Wagner, BGB, § 823 Rn. 242; Palandt-Sprau, BGB, § 823 Rn. 95, 99).
10Nichts anderes ergibt sich aus Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 05.05.1997, Az.: 5 U 82/96, zitiert nach juris) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Urteil vom 08.11.2001, Az.: 12 U 180/01). Danach kann auch das verdeckte Anfertigen und Verwerten von Videomaterial zum Zwecke der Aufklärung einer Straftat rechtmäßig sein. In beiden Entscheidungen ging es allerdings um das Anfertigen und Verwenden von Bildern durch den Geschädigten selbst, der also ausschließlich seine eigenen Individualrechtsgüter im Blick hatte und nicht etwa Belange der Allgemeinheit. Ob im Falle erheblicher Straftaten auch ein nicht von dieser Straftat Betroffener dem Rechtsgedanken der Nothilfe folgend quasi für den Geschädigten Foto- oder Videomaterial anfertigen darf, kann hier dahinstehen, denn es geht zum einen nicht um eine (erhebliche) Straftat, zum anderen ist auch kein Individualrechtsgut eines Dritten betroffen, so dass auch der Rechtsgedanke der Nothilfe hier nicht bemüht werden kann.
11Nach diesen Grundsätzen kann der Beklagte nicht auf die Belange des Naturschutzes abstellen, um seine Fotografien zu rechtfertigen. Auch soweit der Beklagte für sich das „Recht auf eine effektive Anzeige“ unter Bezugnahme auf die Vorschriften der §§ 46 OWiG, 158 Abs. 1 StPO in Anspruch nimmt, ist dieses hier mangels eines betroffenen Individualrechtsguts gerade nicht tangiert. Schon aus der seitens des Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 25.02.1987, Az.: 1 BvR 1086/85, zitiert nach juris) ergibt sich nämlich insoweit, dass aus dem Rechtsstaatsgebot folgt, dass der einzelne, der sein Recht nicht selbst in die Hand nehmen darf, zur Wahrnehmung seiner Rechte das Recht haben muss, Anzeige zu erstatten. Auch dieses verfassungsrechtlich verankerte Recht hängt damit davon ab, dass es um Individualrechtsgüter des Einzelnen geht. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, könnte der Beklagte aus dem „Recht auf eine effektive Anzeige“ hier nichts herleiten. Denn es soll ihm ja nicht verboten werden, von ihm wahrgenommene Ordnungswidrigkeiten anzuzeigen. Vielmehr geht es um die Frage, ob er diese mit Beweismitteln in Form von Fotografien unterlegen darf.
12Festzuhalten ist ferner, dass eine Bürgerin oder ein Bürger, die oder der eine Anzeige erstattet, keine eigenen subjektiven Rechte mit Blick auf die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten hat (vgl. insoweit OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.09.2013, Az.: 13 LA 144/12, zitiert nach juris). Der Anzeigeerstatter kann sich die Entscheidung zur Verfolgungsintensität nicht in rechtlich billigenswerter Weise zu Eigen machen, dies auch mit Blick auf das staatliche Gewaltmonopol. Aus diesen Überlegungen folgt, dass es nicht die Sache des Beklagten ist, sich darüber zu sorgen, ob es im Zuge seiner Anzeigen zu Beweisproblemen kommt, die mittels Fotografien zu beseitigen wären. Generell hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (a.a.O) zu „selbsternannten Hilfsermittlern“ ausgeführt, dass diese bei massenhaften Anzeigen von Verstößen (dort: Parkverstößen) kein eigenes schützenswertes Interesse haben, weil sich solche Personen lediglich zum Sachwalter öffentlicher Interessen machen. Dies hat der Beklagte selbst in seinem Schreiben vom 08.12.2014 ausdrücklich vorgetragen, soweit er dort angibt, im Zuge des Fotografierens von mutmaßlichen Ordnungswidrigkeiten in der Siegaue keine Eigeninteressen zu verfolgen.
13Selbst wenn der Beklagte – entgegen vorstehender Ausführungen – für sich hier ein „Recht auf eine Anzeige“ ins Feld führen könnte, so müsste er jedenfalls auch die Wertung gelten lassen, die bezüglich Strafanzeigen nach § 158 Abs. 1 StPO gelten. Danach hat nämlich der Anzeigende im Zuge der Anzeigeerstattung das Allgemeine Persönlichkeitsrecht anderer zu achten (Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung-Griesbaum, § 158 Rn. 4).
14Mangels anderweitiger betroffener Individualrechtsgüter des Beklagten kann dieser sich lediglich auf die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG stützen. Und auch diese Rechtsposition ist hier nur schwach ausgeprägt mit Blick auf obige Ausführungen, wonach der Beklagte als Sachwalter öffentlicher Interessen an sich gar keine Eigeninteressen wahrnimmt.
15Vor dem Hintergrund, dass sich der Beklagte nicht auf die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und den Naturschutz berufen kann, kann dahinstehen, ob das Anfertigen der Fotografien zu diesen seitens des Beklagten verfolgten Zwecken geeignet und erforderlich ist.
16Schließlich fehlt es an der Angemessenheit der streitgegenständlichen Fotografien. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in Gestalt des Rechts am eigenen Bild ist in der Sozialsphäre des Klägers recht deutlich betroffen, denn er wird ohne sein Wissen mehrfach bei einem Spaziergang und an seinem Auto gezielt fotografiert, ohne sich diesem – mangels Wissen – entziehen zu können. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Beklagten, die aus genannten Gründen ohnedies hier stark eingeschränkt zu Tage tritt, hat in diesem Zusammenhang zurückzutreten. Daran ändert auch die Überlegung nichts, dass die Verwaltungsbehörde dieselben Beweismittel nach Vorschriften der Strafprozessordnung hätte anfertigen können. Denn diese Vorschriften ermächtigen gerade nur den Staat und nicht etwa den einzelnen Bürger. Dies ist ein maßgebliches Kennzeichen des staatlichen Gewaltmonopols.
17Der Einwand des Beklagten mit Blick auf die Wiederholungsgefahr, es sei nicht zu erwarten, dass der Kläger weitere Ordnungswidrigkeiten in der Siegaue begehe, so dass auch keine weiteren Fotografien zu erwarten seien, verfängt nicht. Denn zum einen würde danach das zukünftige Vorliegen einer Wiederholungsgefahr wiederum von der Einschätzung des Beklagten abhängen, ob der Kläger gerade eine (ahnungswürdige) Ordnungswidrigkeit begeht. Bereits diese Einschätzung ist nach vorigen Ausführungen nicht seine Sache, sondern Sache der Ordnungsbehörde. Zum anderen hat der Beklagte klar erklärt, dass er seine Vorgehensweise nicht ändern wolle. Auch wenn der Kläger möglicherweise nicht regelmäßig das fragliche Naturschutzgebiet zum Spazierengehen (mit dem Hund) nutzt, so kann zwanglos davon ausgegangen werden, dass dies auch jederzeit wieder in Zukunft vorkommen kann. Im Ergebnis besteht damit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger bei solchen Anlässen erneut von dem Beklagten fotografiert wird, wenn dieser meint, der Kläger beginge eine Ordnungswidrigkeit.
18III.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
20IV.
21Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung erfolgt ausschließlich anhand der seitens des Bundesgerichtshofes entwickelten Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1995, 1955 ff.), wonach im Einzelfall die Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Anfertigung von Bildern im Wege einer umfassenden Abwägung unter Berücksichtigung aller rechtlich geschützten Positionen der Beteiligten zu ermitteln ist. Aufgrund dieser Rechtsprechung ist geklärt, dass im Rahmen dieser Abwägung ausschließlich Individualrechtsgüter Berücksichtigung finden, nicht aber öffentliche Interessen. In diesem Zusammenhang ist auch nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 05.05.1997, Az.: 5 U 82/96, zitiert nach juris) und das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 08.11.2001, Az.: 12 U 180/01) entschieden haben, dass auch das verdeckte Anfertigen und Verwerten von Videomaterial zum Zwecke der Aufklärung einer Straftat rechtmäßig sein kann, besteht zu der Sichtweise der Kammer kein Unterschied. Denn in beiden Entscheidungen ging es um das Anfertigen und Verwenden von Bildern durch den Geschädigten selbst, der also ausschließlich seine eigenen Individualrechtsgüter im Blick hatte und nicht etwa Belange der Allgemeinheit.
22V.
23Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt 500,00 EUR.
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Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 5.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu unterlassen, den Kläger beim Hundausführen in der Siegaue im Naturschutzgebiet ohne seine Einwilligung zu fotografieren.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Unterlassung von Fotoaufnahmen.
3Der Beklagte beobachtete regelmäßig den Bereich des Naturschutzgebietes Siegmündung, der von dem Landschaftsplan Nr. 1 Siegmündung erfasst ist. Nach Nr. 11 des Landschaftsplanes Siegmündung der Stadt Bonn ist es verboten, Hunde unangeleint mit sich zu führen oder sie außerhalb von Wegen laufen zu lassen; nach Nr. 13 des Landschaftsplanes ist es u.a. verboten, Flächen außerhalb der befestigten oder gekennzeichneten Straßen und Wege sowie außerhalb von Park- bzw. Stellplätzen zu betreten, was jeweils ordnungsgeldbewährt ist. Bei Anzeichen von Verstößen hiergegen fertigte der Beklagte Fotoaufnahmen, machte Notizen zu dem von ihm beobachteten Verhalten und schrieb Kennzeichen von Fahrzeugen der betreffenden Personen auf. Dieses Verhalten zeigte er dann bei der örtlichen Ordnungsbehörde, der Stadt Bonn, an und leitete die gesammelten Informationen an diese weiter, um die ordnungsbehördliche Verfolgung etwaiger Verstöße gegen den Landschaftsplan Nr. 1 Siegmündung einzuleiten.
4Am 24.03.2013 fuhr eine Person mit einem BMW, amtliches Kennzeichen ##-## ###, zugelassen auf Herrn Y in das Naturschutzgebiet. Der Fahrer parkte das Fahrzeug ordnungsgemäß und ging im Naturschutzgebiet spazieren. Er führte dabei einen unangeleinten Hund bei sich. Der Beklagte fertigte zehn Fotos von dem Fahrer mit Hund an, die ihn auch vor dem Fahrzeug zeigen. Zudem erstellte folgende Notiz:
5"[Kennzeichen:] ##-## ### [Fahrzeugtyp:] BMW [Farbe:] Silber [Zeit:] 16:44 [Anmerkung:] Das Fahrzeug parkt auf dem P+R-Platz nahe der Siegbrücke. Der Fahrer betritt das Wiesengelände im NSG-Bereich 1.3 nordöstlich der Siegbrücke. Er führt einen zunächst noch angeleinten Hund mit sich, der kurz darauf unangeleint ist (16:46). Um 17:11 erreichte das v.g. Fahrzeug. - S. Verstoß vom 30.09.12. [Verstoß:] 11a, 11b, 13b"
6Am 24.03.2013 hielt der Beklagte von 15:05 Uhr bis 19:17 Uhr 18 Verstöße, in der Zeit vom 16.03.2013 bis zum 25.03.2013 insgesamt gut 35 Verstöße samt Fotos fest, wie der Beklagte in seinem Schreiben vom 26.03.2013 an die Stadt Bonn ausführte; die Fotos übersandte er der Stadt Bonn mit separater Mail. Mit diesem Schreiben übersandte der Beklagte der Stadt Bonn diese Notizen als Anlage zu einer Anzeige, in der er seine Bezeichnung der 17 von ihm verfolgten möglichen Verstöße in Anlehnung an die allgemeinen Verbote für das Naturschutzgebiet Siegmündung gemäß dem Landschaftsplan erläutert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf dieses Schreiben nebst Anlagen verwiesen (Bl. 8 ff. d.GA.).
7Die Stadt riet daraufhin Herrn Y mit Schreiben vom 06.06.2013 dringend, die Anleinpflicht und das Betretungsverbot einzuhalten. Nachdem dem Kläger Akteneinsicht in seiner Funktion als Rechtsanwalt des Fahrzeughalters gewährt wurde, erlangte er Kenntnis von den Fotoaufnahmen, die der Beklagte gefertigt hatte. Im Namen des Herrn Y forderte der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 23.07.2013 auf, es zukünftig zu unterlassen, derartige Fotos anzufertigen.
8Der Beklagte beabsichtigt auch weiterhin, dort Fotos von Personen zu machen, die entgegen der Vorgaben des Landschaftsplanes Nr. 1 handeln.
9Der Kläger behauptet, er selbst sei der Fahrer des Fahrzeuges gewesen und von dem Beklagten fotografiert worden.
10Der Kläger beantragt,
11den Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 5.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu unterlassen, den Kläger beim Hundausführen in der Siegaue im Naturschutzgebiet ohne seine Einwilligung zu fotografieren.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte behauptet nur Fotoaufnahmen zu fertigen, wenn jemand einen Hund unangeleint im Bereich des Naturschutzgebietes laufen lasse oder abseits der vorgesehenen Wege gehe. Er ist außerdem der Ansicht, dass er nicht in das Recht am eigenen Bild eingreife, weil er die gefertigten Fotos nicht verbreiten wolle.
15Entscheidungsgründe
16Die zulässige Klage ist begründet.
17Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog auf Unterlassung, ihn beim Hundausführen im Naturschutzgebiet in der Siegaue ohne seine Einwilligung zu fotografieren.
18Danach ist der Störer zur Unterlassung verpflichtet, wenn weitere Beeinträchtigungen von Rechtsgütern durch den Störer zu besorgen sind.
19Es liegt durch das Anfertigen von Fotoaufnahmen ein Eingriff in das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Recht am eigenen Bild vor. Von daher kommt es nicht auf die Frage an, ob der Beklagte die Fotos gelöscht hat, entgegen seiner Mitteilung an die Stadt Bonn mit Schreiben vom 26.03.2013, dass ihm im Einzelfall noch weitere Fotos vorlägen, keine Kopien aufbewahrt hat oder die Fotos - außer an die Stadt Bonn - an niemanden geschickt hat; dies auch unabhängig davon, dass der Beklagte allein dadurch schon die Fotos im Sinne des § 22 KUG verbreitet hat.
20Dieses Recht am eigenen Bild ist eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Sein Schutzbereich ist bereits eröffnet, wenn ein Bildnis ohne die Einwilligung des Abgebildeten angefertigt wird, selbst wenn dies ohne die Absicht geschieht, das Bild zu veröffentlichen oder zu verbreiten (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.1995 - VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955). Mit dem Bundesgerichtshof ist davon auszugehen, dass niemand allgemein Schutz davor verlangen kann, auf öffentlichen Wegen durch andere beobachtet zu werden. Andererseits muss der Einzelne auch in diesem Bereich keineswegs generell dulden, dass jedermann von ihm Bildnisse fertigt. Die spezialgesetzliche, der Gewährleistung des Rechts am eigenen Bild dienende Regelung des § 22 KUG gewährt allerdings keinen Schutz gegen die Herstellung von Abbildungen, sondern nur gegen ihre unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung. Das Recht am eigenen Bild stellt eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. (vgl. BVerfG NJW 1973, 1226; BGH NJW 1992, 2084; NJW 1994, 124). Die Herstellung eines Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten kann einen unzulässigen Eingriff in dessen nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht bedeuten. (vgl. BGH NJW 1957, 1315; NJW 1966, 2353). Dabei kann auch die Herstellung von Bildnissen einer Person in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und ohne Verbreitungsabsicht einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen. (so BGH, Urteil vom 25.04.1995 - VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955)
21Dieser Eingriff in das Recht am eigenen Bild durch das Anfertigen von Fotos ist auch rechtswidrig.
22Bei dem hier vorliegenden offenen Tatbestand der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, ist die Rechtswidrigkeit nicht indiziert, sondern muss für den jeweiligen Einzelfall anhand einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen positiv festgestellt werden (Palandt, 73. Aufl. 2014, § 823 Rn. 95). Ob und in welchem Umfang bereits die Fertigung derartiger Bilder rechtswidrig und unzulässig ist oder aber vom Betroffenen hinzunehmen ist, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer unter Berücksichtigung aller rechtlich, insbesondere auch verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten durchgeführten Güter- und Interessenabwägung ermittelt werden (so BGH, Urteil vom 25.04.1995 - VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955).
23In diesem Fall überwiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, in der Ausprägung des Rechtes am eigenen Bild, gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit des Beklagten aus Art. 2 Abs. 1 GG. So ist zwar auch der Naturschutz, der für den Beklagten unbestritten das Motiv für die Anfertigung der Lichtbilder bietet, verfassungsrechtlich als Schutzgut des Staates in Art. 20a GG anerkannt. Damit kann der Beklagte zwar auf eine verfassungsrechtlich anerkannte Wertentscheidung Bezug nehmen; allerdings gebührt bei der Abwägung der gegenseitigen Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz die Beeinträchtigung des Klägers.
24Bei der Interessenabwägung wesentlich zu berücksichtigen sind Zweck und konkrete Umstände des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Wesentlich zu beachten ist, dass der Beklagte weder zufällig noch im geringfügigen Grade zielgerichtet mit Ordnungswidrigkeit geahndete Verstöße gegen den Landschaftsplan erfasst und fotografiert, sondern er mit 18 dokumentierten und fotografierten Verstößen an dem streitursächlichen Tag und gut 35 mögliche Verstößen in einer Woche zielgerichtet letztlich an behördenstatt Ordnungswidrigkeiten festhält und die Personen während ihres Aufenthaltes systematisch überwacht ohne dass dies dem Kläger als Betroffenen zuvor bekannt gemacht worden wäre. Gerade auch in der heimlichen Fotodokumentation ist eine Missbrauchsgefahr angelegt, die sich der Beklagte zurechnen lassen muss (vgl. OLG Köln, Urteil vom 05.07.2005 - 24 U 12/05; OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.11.2001 - 12 U 180/01, beide zitiert nach juris). Vor diesem Hintergrund der systematischen Gebietskontrolle ist in die Abwägung einzubeziehen, dass es sich nicht um die Verfolgung einer erheblichen Straftat handelt, die in ihrer Intensität der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers mindestens gleich kommt (vgl. bei einer Körperverletzung bejahend, OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.05.1997 - 5 U 82/96, juris; OLG Karlsruhe, aaO), sondern es sich vielmehr um eine Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von maximal 50.000,00 €, §§ 70, 71 LG NRW, wobei der Beklagte zudem keinen Schutz von Individualrechtsgütern bezweckt, sondern ausschließlich im Allgemeininteresse tätig wird.
25Bei der Interessenabwägung sind die vom Gesetzgeber getroffenen Wertentscheidungen weiterhin einzubeziehen, auch dann, wenn sie nicht unmittelbar einschlägig sind (vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2013 – V ZR 220/12, NJW 2013, 3089).
26Die im Rahmen der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässigen Eingriffe in die Rechte des Betroffenen stehen nur der zuständigen Verwaltungsbehörde zu. Gem. § 35 OWiG ist für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die Verwaltungsbehörde zuständig.
27Ein Eingriff in die Rechte Dritter kann nach den gesetzlichen Bestimmungen zur Verteidigung gegen vorliegende oder drohende Eingriffe in die eigene Rechtsposition oder die Rechtsposition Dritter gerechtfertigt werden. §§ 32, 34 StGB sowie §§ 227 ff. BGB rechtfertigen nur Eingriffe in Rechtspositionen des Angreifers oder Dritter soweit Angriffe auf Individualrechtsgüter vorliegen. Es kann daher kein allgemeiner Rechtsgrundsatz entwickelt werden, dass dem Einzelnen die Verteidigung der Rechtsordnung losgelöst von Individualrechtsgütern erlaubt sei. Dem Bürger ist, wie der Bundesgerichtshof zu Straftaten zutreffend ausgeführt hat, keine Selbsthilfe eingeräumt, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Diese Ordnung zu gewährleisten ist Aufgabe der zuständigen staatlichen Organe; deren Funktion darf sich der Bürger nicht anmaßen. Für einen Rechtsstaat ist es unverzichtbar, dass Bewahrung und Sicherung eines geordneten Gemeinschaftslebens in erster Linie nicht der Privatinitiative, sondern den an die Verfassung gebundenen Organen des Staates anvertraut ist. Der einzelne kann einer Störung der öffentlichen Ordnung unter Berufung auf Nothilfe grundsätzlich nur entgegentreten, wenn der Störer zugleich als solche geschützte Individualinteressen angreift (BGH Urteil vom 15.04.1975 - VI ZR 93/73, NJW 1997, 1161; vgl. MünchKomm-Grothe § 227 ZPO, Rn. 8; BeckOK-Dennhardt § 227 BGB, Rn. 23).
28Nach § 24 KUG dürfen für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit von denBehörden Bildnisse ohne Einwilligung des Berechtigten sowie des Abgebildeten vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Aufnahme von Bildnissen durch Privatpersonen fällt ausdrücklich nicht hierunter (vgl. BeckOK-Engels § 24 KUG, Rn. 7.1). § 127 StPO normiert ein vorläufiges Festnahmerecht für Jedermann im Falle von Straftaten. Als Ausnahme kann diese Norm nicht zur Begründung eines allgemeinen Rechtsgedankens herangezogen werden, zumal § 127 StPO nur bei Straftaten und nicht bei Ordnungswidrigkeiten gilt.
29Eine Bildaufnahme lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Aufnehmende sich eine Gedächtnisstütze anfertigen will (vgl. BGH Urteil vom 20.05.1958 - VI ZR 104/57, NJW 1958, 1344; BeckOK-Engels, § 24 KUG, Rn. 7.1). Eine Ausnahme unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen (vgl. auch § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG) ist ebenfalls nicht einschlägig, da berechtigte Interessen nur solche sein können, zu deren Wahrnehmung der Beklagte befugt wäre, was er - wie dargestellt - nicht ist. Der Beklagte hat durchaus wirksame Mittel um Verletzungen der Gebote und Verbote des Landschaftsplanes Nr. 1 Siegmündung im Rahmen seiner Befugnisse als Privatperson zu verhindern. Er kann Anzeige erstatten und sich als Zeuge zur Verfügung stellen. Weitergehende Eingriffe in Rechte Dritter rechtfertigt das Allgemeininteresse am Naturschutz nicht. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass der Beweiswert eines Fotos höher ist, da ihm die Frage des Beweiswertes weder zukommt, noch die Beweisführung in seinem Interesse liegt. Letztlich ist eine Parallele dazu, dass dann auch das Fotografieren oder auch nur Aufschreiben von Kfz-Kennzeichen oder sonstigen Daten einer Person unzulässig sein müsste, nicht zu ziehen. Zunächst handelt es sich hierbei nicht um das grundrechtlich geschützte Rechtsgut des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes in Ausgestaltung des Rechts am eigenen Bild. Zudem ist der Zweck der Kfz-Kennzeichen gerade darauf gerichtet, Dritten die Identifizierung des Kraftfahrzeughalters zu ermögliche, dies zumal in verschlüsselter Form. Letztlich ist ein diesbezüglicher Eingriff in ein etwaiges schutzwürdiges Rechtsgut weniger intensiv.
30Die Wiederholungsgefahr wird bei einer bereits erfolgten Rechtsverletzung vermutet. Der Beklagte hat auch bestätigt, dass er weiterhin Fotos fertigen werde. Dass der Kläger es für nicht sehr wahrscheinlich hält, dass er in dem Naturschutzgebiet der Siegauen seinen Hund noch einmal ausführt, steht der Wiederholungsgefahr nicht entgegen, da die von dem Beklagten weiterhin drohende Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes den Kläger bereits in seinem Entschluss beeinträchtigt, dorthin zufahren - sei es mit oder ohne Hund. Soweit der Beklagte vorträgt, dass er lediglich Aufnahmen erstellen würde, wenn jemand seinen Hund frei laufen lassen oder abseits der Wege gehen würde, steht das mit den vom Beklagten in seinem Schreiben an die Stadt Bonn vom 26.03.2013 aufgeführten 17 Verstößen nicht im Einklang, derentwegen er ebenfalls Lichtbilder tätigt. Ebenfalls hat er am Parkplatz Lichtbildaufnahmen vorgenommen, die keine Verstöße gegen den Landschaftsplan oder sonstige öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Vorschriften erkennen lassen. Aus diesem Grund ist die Klage auch nicht das Fotografieren des Klägers mit unangeleintem Hund und abseits der Wege zu beschränken.
31Das mit Schriftsatz vom 22.01.2014 neue Vorbringen ist nach § 296a ZPO verspätet. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht angezeigt, § 156 ZPO.
32Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO gestützt.
33Die Berufung wird zugelassen, da die Frage inwiefern das Unterlassen des Fotografierens verlangt werden kann, wenn dieses nicht zum Schutz von Individualrechtsgütern sondern zur Ermöglichung einer ordnungsbehördlichen Ahndung von im Allgemeininteresse stehenden Schutzgütern erfolgt, grundsätzliche Bedeutung hat.
34Der Streitwert wird auf 500,00 EUR festgesetzt.
35Rechtsbehelfsbelehrung:
36Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
37a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
38b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
39Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
40Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bonn zu begründen.
41Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bonn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
42Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 23.07.2013, Az. 133 C 347/13, wird aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegnerin wird untersagt,
a) die Antragstellerin zu observieren und/oder observieren zu lassen;
b) Foto- und/oder Filmaufnahmen von der Antragstellerin anzufertigen oder anfertigen zu lassen, wenn dies im Rahmen von Observationsmaßnahmen geschieht.
Zugleich wird der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 60 % und die Antragsgegnerin zu 40 %.
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G r ü n d e:
2I.
3Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin Unterlassung von Observationsmaßnahmen, Unterlassung von Abhörmaßnahmen, Unterlassung der Anfertigung von Foto-, Film- und Tonaufnahmen sowie Unterlassung der Verbreitung von bereits angefertigten Bildern.
4Die am 03.06.1972 in Deutschland und in Griechenland aufgewachsene Antragstellerin begab sich im Herbst 2004 zu einer Schilddrüsen-Operation in das O-Klinik. Bei der am 05.10.2004 durchgeführten Operation kam es zu starken Nachblutungen, die von den operierenden Ärzten fehlerhaft nicht erkannt sowie fehlerhaft nicht rechtzeitig und nicht adäquat behandelt wurden. Durch die lange Sauerstoffunterversorgung erlitt die Antragstellerin einen hypoxischen Hirnschaden und befand sich bis Februar 2005 im Koma. Seitdem leidet sie unter schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
5Die Haftung der operierenden Ärzte und des Krankenhauses für die operationsbedingten Schäden der Antragstellerin ist unstreitig. Hinsichtlich der Haftung der Höhe nach kam es seit 2006 zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin, die die Haftpflichtversichung der operierenden Ärzte und des Krankenhauses ist, zu Auseinandersetzungen. Ende April 2009 wurde ein Vergleich zwischen den Parteien geschlossen, mit dem alle bis zum 30.04.2009 angefallenen materiellen Schäden gegen Zahlung einer Summe von 100.000 € abgegolten wurden. Am 08.02.2010 folgte eine weitere Zahlung von 50.000 € zur freien Verrechnung, am 27.05.2010 eine weitere Zahlung in Höhe von 150.000 € ausschließlich auf einen sich ergebenden Schmerzensgeldanspruch.
6Im Juni 2010 verklagte die Antragstellerin die operierenden Ärzte und das Krankenhaus auf weitere Zahlungen vor dem Landgericht Bochum. Am 04.07.2012 verurteilte das Landgericht Bochum die dortigen Beklagten zur Zahlung weiterer 150.000 € Schmerzensgeld, 130.000 € Verdienstausfall und schädigungsbedingter Mehraufwendungen für die Zeit vom 01.05.2009 bis zum 30.06.2010, 12.900 € monatlich fortlaufend lebenslängliche Pflegekosten, Therapiekosten und schädigungsbedingte Mehraufwendungen, 42.000 € Verdienstausfall für die Vergangenheit sowie monatlich 3.000 € Verdienstausfall fortlaufend ab Juli 2010. Weiter wurde im Urteil festgestellt, dass die Beklagten zum Ersatz aller weiteren Schäden darüber hinaus verpflichtet sind (vgl. im Einzelnen Urteilstext Bl. 19 bis 53 d. A. sowie Anlage AG1 der Schutzschrift der Antragsgegnerin). Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens wurde auf 2.390.000 € festgesetzt (vgl. Bl. 321/322 d. A.).
7Gegen das Urteil legten die Beklagten mit Ausnahme eines Betrages von 100.000 € Schmerzensgeld Berufung ein. Das Berufungsverfahren läuft derzeit beim Oberlandesgericht Hamm unter dem Aktenzeichen I-26 U 158/12, wobei der Streitwert der Berufung der Beklagten auf 1.296.600 € festgesetzt wurde (Bl. 314 d. A.) und ein erster Erörterungstermin auf den 11.10.2013 bestimmt ist (Bl. 54 d. A.). Die Antragsgegnerin zahlte nach dem erstinstanzlichen Urteil weitere 100.000 € an die Antragstellerin. Weitere 3.000 € monatlich zahlt die Antragsgegnerin auf Grund eines Vergleiches, der als vorläufige Regelung bis zum Abschluss des Rechtsstreits zwischen der Antragstellerin und den dortigen Beklagten am 19.07.2011 vor dem Oberlandesgericht Hamm, Az. I-26 W 5/11, geschlossen wurde (Bl. 139-142 d. A.).
8Vom 22.08.2012 bis zum 04.09.2012 und vom 08.10.2012 bis zum 12.10.2012 ließ die Antragsgegnerin die Antragstellerin ohne deren Kenntnis in ihrem Wohnumfeld in Athen zwischen 7.00 und 22.00 Uhr durchgehend von einem privaten Unternehmen, der „Schadensermittler GmbH“, observieren. Zu den durchgeführten Observationen und Ermittlungen wurden Berichte angefertigt, auf die hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Observationsmaßnahmen verwiesen wird (Bericht vom vom 13.09.2012: Bl. 161 bis 192; Bericht vom 18.10.2012: Bl. 223 bis 235 d. A.). Diese Berichte wurden wie auch ein weiterer Ermittlungsbericht vom 23.10.2012 (Bl. 193 bis 222) zunächst nur der Antragsgegnerin zur Kenntnis gebracht.
9Unter dem 19.10.2012 reichten die Beklagten beim Oberlandesgericht Hamm eine 30-seitige Berufungsbegründung ein (vgl. Anlage AG2 zur Schutzschrift der Antragstellerin). In der Berufungsbegründung wurden unter anderem verschiedene Tatsachen betreffend den Tagesablauf der Antragstellerin vorgetragen. Darüber hinaus wurde unter anderem auf die Zeugen L2 und T sowie auf den „schriftlichen Bericht“ der Zeugen verwiesen (vgl. Bl. 19 der Berufungsbegründung). Die Observationsberichte sind nicht Teil oder Anlagen des genannten Schriftsatzes vom 19.10.2012.
10Nach der Berufungserwiderung der Antragstellerin folgte unter dem 24.05.2013 die Replik der Beklagten. Dieser beigefügt waren die schriftlichen Observationsberichte (vgl. Auszug aus dem Schriftsatz vom 24.05.2013, Bl. 58/59 d. A.).
11Die Vertreterin der Antragstellerin erhielt im Juni 2013 Kenntnis von dem Schriftsatz vom 24.05.2013. Eine Besprechung mit der Antragstellerin erfolgte Ende Juni 2013. Unter dem 04.07.2013 übersandte die Antragstellerin der Antragsgegnerin (vorab per Telefax) eine Abmahnung und begehrte von der Antragsgegnerin die Abgabe einer Unterlassungserklärung bis zum 10.07.2013 (Bl. 154-158 d.A.). Unter dem 10.07.2013 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die gesetzte Frist zu kurz sei und man bis „Ende nächster Woche“ auf den Vorgang zurückkomme (Bl. 159 d.A.). Unter dem 19.07.2013 lehnte die Antragsgegnerin per E-Mail die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab.
12Am 18.07.2013 hat die Antragstellerin beim Landgericht Köln den Erlass einer einstweiligen Verfügung dahingehend beantragt, der Antragsgegnerin bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft zu untersagen,
13a) die Antragstellerin zu observieren und/oder observieren zu lassen,
14b) die Antragstellerin abzuhören und/oder abhören zu lassen,
15c) Foto- und/oder Film- und/oder Tonaufnahmen von der Antragstellerin al lein und/oder in Begleitung anzufertigen oder anfertigen zu lassen.
16Unter dem 21.07.2013 hat sie antragserweiternd beantragt, der Antragsgegnerin bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft zu untersagen,
17d) ohne Zustimmung der Antragstellerin Bilder, die die Antragstellerin allein und/oder zusammen mit Dritten zeigen, zu verbreiten, wenn dies geschieht wie auf den in den Schadensberichten der Schadensermittler zu dem Az. VO-0812-00090-RS-MK, Teile 1, 2 und 3 nachstehend wiedergegeben [vgl. zu den einzelnen Bildern Bl. 292 bis 302].
18Die Antragsgegnerin hat am 11.07.2013 beim Landgericht Köln eine Schutzschrift gegen die von ihr erwartete einstweilige Verfügung der Antragstellerin eingereicht, Az. 0 AR 904/13. Darin hat sie beantragt,
19den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
20Mit Beschluss vom 22.07.2013 hat das Landgericht Köln, 16. Zivilkammer, den Rechtsstreit wegen sachlicher Unzuständigkeit an das Amtsgericht Köln verwiesen, weil der Streitwert 5.000 € nicht übersteige. Das Amtsgericht Köln hat mit Beschluss vom 23.07.2013 den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass bezüglich der Anträge a) bis c) eine Eilbedürftigkeit nicht vorliege und hinsichtlich des Antrags zu d) eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache herbeigeführt werde.
21Gegen den ihr am 27.07.2013 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 29.07.2013 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 01.08.2013 hat das Amtsgericht Köln der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
22II.
23Die zulässige sofortige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
24Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung der Observierung im aus den genannten Berichten erkennbaren Umfang sowie auf Unterlassung der Anfertigung von Foto- und/oder Filmaufnahmen im Rahmen dieser Observierungen. Hingegen war der Antrag auf Unterlassung von Abhörmaßnahmen, Anfertigung von Tonaufnahmen und auf Unterlassung der Verbreitung der Bildnisse zurückzuweisen.
251)
26a)
27Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung von Observierungsmaßnahmen gem. §§ 823, 1004 BGB analog, wenn dies wie aus den von der Antragstellerin vorgelegten Observationsberichten vom 13.09.2012 (Bl. 161-192 d. A.) und vom 18.10.2012 (Bl. 223 bis Bl. 235 d.A.) ersichtlich geschieht,.
28aa)
29Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs wegen unerlaubter Handlung gem. §§ 823, 1004 BGB analog ist ein objektiv widerrechtlicher Eingriff in ein gem. § 823 BGB geschütztes Recht (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., Einf. v. § 823 Rn. 18). Dazu zählt insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Palandt, a.a.O.). Durch die durchgeführte Observierung hat die Antragsgegnerin das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin rechtswidrig verletzt.
30(1)
31Das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht wird aus Art. 1, 2 GG abgeleitet (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 84). Der Schutzbereich wird dabei nach der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Sphärentheorie in drei verschiedene Sphären aufgeteilt: Die Intimsphäre umfasst die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen wie vertraulichen Briefen, Tagebuchaufzeichnungen sowie Angelegenheiten, für die ihrer Natur nach Anspruch auf Geheimhaltung besteht, z. B. der Gesundheitszustand (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 87 m.w.N.). Die Privatsphäre umfasst denjenigen Lebensbereich, zu dem anderen Menschen nach der sozialen Anschauung nur mit Zustimmung des Betroffenen Zugang haben. Dies betrifft insbesondere das Leben im häuslichen Familienkreis und das sonstige Privatleben im eigenen häuslichen Bereich sowie je nach den Umständen auch außerhalb (Palandt/Sprau, a.a.O.). Die Sozial- oder Individualsphäre schützt das Selbstbestimmungsrecht und bewahrt die persönliche Eigenart des Menschen in seinen Beziehungen zur Umwelt, seinem öffentlichen, wirtschaftlichen, beruflichen Wirken (Palandt/Sprau, a.a.O.). Während die Intimsphäre absoluten Schutz genießt, kann ein Eingriff in die Privatsphäre ausnahmsweise befugt sein, wenn die wahrheitsgemäße Aufklärung über Vorgänge aus dem privaten Lebensbereich aus besonderen Gründen von Bedeutung ist (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 96). In der Sozialsphäre genießt die Person keinen so weitgehenden Schutz, der Betroffene als in Gemeinschaft stehender Mensch muss sich auf Beobachtung und Bewertung seines Verhaltens einstellen (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 96).
32Die Verletzungshandlung liegt in der Beeinträchtigung der genannten Sphären (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 94). Im Anschluss ist im Rahmen einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls feszustellen, ob eine rechtswidrige Beeinträchtigung vorliegt (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 95). Dabei ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (Palandt, a.a.O.). Von wesentlicher Bedeutung ist auch die Art und Weise des vorgenommenen Eingriffs, es muss ein vertretbares Verhältnis zwischen Zweck sowie Form, Art und Ausmaß des Eingriffs bestehen (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 100).
33(2)
34Hinsichtlich der Zulässigkeit einer Observierung ist zu berücksichtigen, dass niemand allgemein Schutz davor verlangen kann, außerhalb seines befriedeten Besitztums, insbesondere auf öffentlichen Wegen, durch andere beobachtet zu werden. Wer einen anderen außerhalb seines befriedeten Besitztums und der Orte, an die er sich in Abgeschiedenheit zurückzieht, beobachtet, darf das grundsätzlich tun. Keine rechtliche Regel gebietet, die Augen vor anderen in der Öffentlichkeit niederzuschlagen. Wohl aber kann die „Belagerung“ von Personen – wenn es sich nicht um ihre öffentlichen Auftritte handelt – ihr Persönlichkeitsrecht verletzen (Rixecker in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Anh. § 12 Rn. 94). Unerlaubt ist auch die – mehr als nur zufällige und flüchtige – Beobachtung einer Person in ihrer Privatsphäre, zu Hause auf dem befriedeten Besitztum, auch beim Betreten und Verlassen der Wohnung oder an Orten erkennbarer Abgeschiedenheit (Rixecker, a.a.O.).
35Allerdings muss auch außerhalb seines befriedeten Besitztums der einzelne keineswegs generell dulden, dass jedermann von ihm Bildnisse, insbesondere Filmaufnahmen mittels einer Videokamera, fertigt (BGH, Urteil vom 25. April 1995 – VI ZR 272/94 –). Auch die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnung mittels Videogerät, in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und ohne Verbreitungsabsicht kann einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen (BGH, Urteil vom 25. April 1995 – VI ZR 272/94 –). Eine dauerhafte Aufnahme bewirkt eine schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die betroffenen Personen müssen sich praktisch stets, wenn sie, von ihrem Haus kommend oder zu ihrem Haus gehend, den öffentlichen Zugangsweg benutzen, in einer jede ihrer Bewegungen geradezu dokumentierenden Weise kontrolliert fühlen. Auf dem jeweiligen Videofilm ist nicht nur festgehalten, wann, wie oft und in welcher Begleitung sie den Weg begangen haben, sondern auch in welcher Stimmung, mit welchem Gesichtsausdruck etc. sie dies getan haben (BGH, Urteil vom 25. April 1995 – VI ZR 272/94 –).
36(3)
37Die hier durchgeführten Observierungsmaßnahmen stellen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin dar. Ausweislich der Berichte fand eine Überwachung vom 22.08.2012 bis zum 04.09.2012 und vom 08.10.2012 bis zum 12.10.2012 im Wohnumfeld der Antragstellerin in Athen zwischen 7.00 und 22.00 Uhr statt. Dabei fand keine Beobachtung oder Dokumentation der Vorgänge innerhalb der Wohnung der Antragstellerin statt, so dass insoweit die Privatsphäre nicht betroffen ist. Sofern sich die Antragstellerin in der Wohnung aufhielt, wurde dies vermerkt und im Regelfall keine weiteren Maßnahmen unternommen. Indes wurde jedes Betreten und Verlassen der Wohnung dokumentiert, was bereits die Privatsphäre betrifft. Beobachtet und dokumentiert wurden zudem sämtliche Handlungen der Antragstellerin nach Verlassen der Wohnung, was grundsätzlich der Sozialsphäre unterfällt. Soweit die Antragstellerin bei ihrem Aufenthalt außerhalb der Wohnung Handlungen vornimmt, die dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sind, wie etwa vertrauliche Gespräche und der Austausch von Küssen, ist dies nach den Umständen ebenfalls der Privatsphäre zuzuordnen.
38(4)
39Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls führt die umfassende Güter- und Interessenabwägung hier dazu, dass die Eingriffe als rechtswidrig zu qualifizieren sind.
40Zu Gunsten der Antragsgegnerin ist hier zunächst zu beachten, dass keine Observierung hinsichtlich der Vorgänge innerhalb der Wohnung der Antragstellerin vorgenommen wurde. Bei einem derartigen Eingriff wäre die Rechtswidrigkeit evident. Vorliegend sind hingegen die Sozial- und nur teilweise auch die Privatsphäre betroffen, so dass an die Rechtfertigung der Eingriffe geringere Anforderungen zu stellen sind.
41Schwerwiegend zu Lasten der Antragsgegnerin ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei einer über einen längeren Zeitraum vorgenommenen Observation mitsamt entsprechender Dokumentation eine Situation vorliegt, die gravierenden psychischen Druck auf die Antragstellerin als Betroffene ausübt. Diese muss bei jedem Verlassen ihrer Wohnung damit rechnen, dass die Antragsgegnerin sie heimlich beobachten lässt und ihr Verhalten in Gänze dokumentiert. Angesichts der weiteren Verhaltensweisen der von der Antragsgegnerin mit der Observation beauftragten Personen wie etwa grundloses Klingeln an der Wohnungstür, Befragung von Nachbarn über die Verhältnisse der Antragstellerin und Durchführung von testweisen Telefonanrufen wiegt die Drucksituation für die Antragstellerin besonders stark und betrifft insoweit auch wieder ihre Privatsphäre. Ein derartiger Zustand ähnlich einer „Belagerung“ (s.o. Rixecker) ist über einen kurzen Zeitraum hinaus nicht zumutbar.
42Zu berücksichtigen zu Lasten der Antragsgegnerin ist ferner, dass es sich bei der Antragstellerin auch nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht um eine Person handelt, bei der von einem als normal zu bezeichnenden Gesundheitszustand ausgegangen werden. Die Antragstellerin unterliegt nach der Schädigung durch die bei der Antragsgegnerin haftpflichtversicherten Schädiger schwersten gesundheitlichen Einschränkungen und ist daher besonders schutzwürdig, weil sie durch den zu erwartenden Überwachungsdruck besonders getroffen wird. Dies gilt insbesondere im Verhältnis zur Antragsgegnerin, die insoweit als Haftpflichtversicherung der Schädiger in deren Lager steht. Überdies unterliegt der Gesundheitszustand einer Person nach dem Sphärenmodell besonders intensivem Schutz.
43(5)
44Soweit sich die Antragsgegnerin darauf beruft, dass sie ein berechtigtes Interesse an der Durchführung der Observierungsmaßnahmen habe, führt dies bei der Abwägung im Ergebnis nicht dazu, dass die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen zu verneinen ist. Die Antragsgegnerin trägt vor, dass unter Berücksichtigung der im Urteil geschilderten Therapiemaßnahme einerseits und des im Urteil geschilderten umfangreichen Therapieprogramms andererseits versucht worden sei, vor Ort nachzuvollziehen, welche Maßnahmen sich die Antragstellerin habe zumuten können. Es sei für alle Beteiligten unklar gewesen, was die Antragstellerin zu leisten imstande gewesen sei (vgl. Bl. 5 der Schutzschrift). Hingegen werde der Antragstellerin nicht vorgeworfen, dass sie lüge oder einen Prozessbetrug begehen wolle (vgl. Bl. 5 der Replik in der Berufungsinstanz = Bl. 59 d. A.).
45Der Vortrag der Antragsgegnerin ist insoweit wenig überzeugend. Sofern die Observationsmaßnahme nur der Beseitigung von Unklarheiten dienen sollte, kann dies schwerlich ein berechtigtes Interesse an einer längerfristigen Observierung begründen. Bloße Unklarheiten hätten durch mildere Mittel wie Nachfragen bei der Antragstellerin oder dergleichen geklärt werden können.
46Naheliegender erscheint der Rückschluss, dass die Observationsmaßnahmen der Antragsgegnerin der Überprüfung von möglichen Falschangaben der Antragstellerin im erstinstanzlichen Prozess dienen sollten. Die Maßnahmen der Antragsgegnerin erfolgten zeitlich unmittelbar im Anschluss an den Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens am Landgericht Bochum, gegen das von Seiten der dortigen Beklagten Berufung eingelegt wurde. Teile der durch die Observation gewonnenen Erkenntnisse wurden sodann im Berufungsschriftsatz unter vom 19.10.2012 am Oberlandesgericht Hamm vorgetragen (ohne dabei allerdings die Art und Weise der Observation selbst zu erwähnen, dazu sogleich). Es liegt nahe, dass die Observation dem Zweck dienen sollte, den eigenen Vortrag im Berufungsverfahren vorzubereiten und zugleich den Vortrag der Antragstellerin im gleichen Verfahren zu widerlegen. Dafür spricht auch, dass in der Berufungsbegründung vom 19.10.2012 auf Bl. 17 das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 03.08.2012, Az. 20 U 98/12 zitiert wurde, dass sich mit der Zulässigkeit einer Observation von Versicherungsnehmern auseinandersetzt. In dem zu Grunde liegenden Fall hatte eine Versicherung einen Versicherungsnehmer auf Grund eines begründeten Verdachts auf ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten observieren lassen. Für diesen Ausnahmefall hatte das Oberlandesgericht Köln wegen des konkreten Verdachts auf ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten die Zulässigkeit einer Observation bejaht. Hingegen müsse grundsätzlich kein Vertragspartner hinnehmen, dass der andere ihn grundlos bespitzelt (Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 03.08.2012, Az. 20 U 98/12, Rn. 5).
47Das genannte Urteil des Oberlandesgerichts Köln ist auf den vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht übertragbar. Zunächst beruft sich die Antragsgegnerin nach eigenem Vortrag bereits nicht auf einen Verdacht für arglistiges Fehlverhalten der Antragstellerin, sondern nur auf bestehende Unklarheiten, so dass bereits deshalb kein hinreichendes berechtigtes Interesse für eine Observation im hier vorhandenen Ausmaß vorliegen kann. Überdies ist zu beachten, dass vorliegend zwischen den Parteien kein Versicherungsvertrag besteht, für den besondere gegenseitige Rücksichtnahme- und Auskunftspflichten gelten (vgl. zur Zulässigkeit von Detektivmaßnahmen im Versicherungsverhältnis etwa Fricke, VersR 2010, 308). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Antragsgegnerin um die Haftpflichtversicherung der Schädiger, bei der Antragstellerin um die Geschädigte, so dass ein besonderes Näheverhältnis nicht ersichtlich ist.
48Die Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen war im Übrigen im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit bereits mehrfach Gegenstand von höchstrichterlichen Entscheidungen. Demnach ist die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers als Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 – 2 AZR 153/11;BAG, Urteil vom 27. März 2003 - 2 AZR 51/02). Die Kammer verkennt nicht, dass die entsprechenden Grundsätze auf die vorliegenden Konstellation nicht unmittelbar übertragbar sind, aber gleichwohl lässt sich festhalten, dass auch im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit Überwachungsmaßnahmen nur unter strengen Voraussetzungen für zulässig erachtet wurden. Mindestvoraussetzung ist auch hier der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung, so dass das bloße Interesse an der Beseitigung von Unklarheiten auch hier nicht genügen dürfte.
49Zu berücksichtigen war schließlich auch, dass es sich nicht um eine punktuelle persönliche Beobachtung der Antragstellerin, sondern um eine längerfristige durchgehende Observation handelte. Zur Erlangung von erstrebten Feststellungen für die gerichtliche Verwertung kann im Einzelfall ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht von observierten Personen verhältnismäßig sein, wenn er sich auf stichprobenartige Beobachtungen beschränkt (vgl. Beschluss des BGH vom 15.05.2013, Az. XII ZB 107/08, mit weiteren Nachweisen). Das von der Antragsgegnerin veranlasste Verhalten ging hier aber über bloße Stichproben deutlich hinaus.
50bb)
51Es liegt auch eine Wiederholungsgefahr vor.
52Erforderlich für eine Wiederholungsgefahr ist eine ernstliche, auf Tatsachen begründete Besorgnis, dass in Zukunft gegen eine bestehende Unterlassungspflicht verstoßen wird (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., Einf. v. § 823 Rn. 20). Es besteht die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr, wenn der in Anspruch Genommene bereits rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht eingegriffen hat (Rixecker in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Anh. § 12 BGB Rn. 215). Voraussetzung der Verneinung der Wiederholungsgefahr ist, dass das Verhalten des Störers eine sichere Gewähr gegen weitere Eingriffe bietet (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., Einf. v. § 823 Rn. 20). Erforderlich ist die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, wobei umgekehrt deren Verweigerung die Annahme einer Wiederholungsgefahr unausweichlich erscheinen lässt (Rixecker in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Anh. § 12 BGB Rn. 215).
53Nachdem die Antragsgegnerin hier die Abgabe einer Unterlassungserklärung unter dem 18.07.2013 abgelehnt hat, ist eine Wiederholungsgefahr zu bejahen. Überdies besteht auch bereits deshalb die hinreichende Besorgnis einer erneuten Rechtsverletzung, weil das Berufungsverfahren zwischen den Parteien des Rechtsstreits am Oberlandesgericht Hamm nach wie vor läuft.
54b)
55Hinsichtlich des begehrten Unterlassens von Abhörmaßnahmen ist hingegen ein Anspruch nicht ersichtlich.
56Die Durchführung von gezielten Abhörmaßnahmen ist selbst von der Antragstellerin nicht vorgetragen. Insofern fehlt es bereits an schlüssigem Vortrag für eine Rechtsverletzung. Es ist auch nicht vorgetragen, dass – soweit in den Observationsberichten von Gesprächsinhalten berichtet wird – diese durch Abhörmaßnahmen gewonnen wurden.
57Auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch ist nicht gegeben. Es bestehen keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin in Zukunft vorhat, die Antragstellerin abhören zu lassen.
58c)
59Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin ferner einen Anspruch auf Unterlassung der Anfertigung von Foto- und/oder Filmaufnahmen gem. §§ 823, 1004 BGB analog, wenn dies im Rahmen von Observationsmaßnahmen wie aus den von der Antragstellerin vorgelegten Observationsberichten vom 13.09.2012 (Bl. 161-192 d. A.) und vom 18.10.2012 (Bl. 223 bis Bl. 235 d.A.) ersichtlich geschieht.
60Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Observationsmaßnahmen Foto- und Filmaufnahmen von der Antragstellerin anfertigen lassen. Dies stellt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles bei Abwägung der beiderseitigen Interessen einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin dar, bei dem auch Wiederholungsgefahr besteht. Insoweit wird umfassend auf die ausführlichen Erörterungen zur Observierung verwiesen, deren Grundsätze hier übertragbar sind.
61Dass hingegen Tonaufnahmen von der Antragstellerin angefertigt wurden, ist weder dargetan noch ersichtlich. Insoweit war der weitergehende Antrag auf Unterlassung der Anfertigung von Tonaufnahmen abzuweisen.
62Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin war im Tenor dahingehend zu konkretisieren, dass sich die Unterlassung auf die Anfertigung von Foto- und/oder Filmaufnahmen im Rahmen von Observationsmaßnahmen bezieht. Insoweit liegt keine Teilabweisung, sondern eine gem. § 938 Abs. 1 ZPO zulässige und erforderliche Auslegung des Antrags an Hand des aus der Antragsbegründung erkennbaren Rechtsschutzziels vor.
63d)
64Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung der im Antrag näher bezeichneten genannten Bilder der Antragstellerin gem. §§ 823, 1004 BGB analog i. V. m. § 22 KUG. Es fehlt an einem Verbreiten im Sinne des § 22 KUG.
65Gem. § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Verbreitung ist die Weitergabe des Originals oder von Vervielfältigungsstücken, die das Risiko einer nicht mehr zu kontrollierenden Kenntnisnahme in sich birgt (Fricke in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht
663. Auflage 2009, § 22 KUG Rn. 8). Der Begriff des Verbreitens nach dem KUG ist weiter als § 17 Abs. 1 UrhG, der eine öffentliche Verbreitung verlangt; es ist auch die Verbreitung im privaten Bereich erfasst (Engels in Beck'scher Online-Kommentar Urheberrecht, Stand: 01.03.2013, § 51 KUG Rn. 8). Es ist nicht erforderlich, dass die Verbreitung gewerbsmäßig oder gegen Entgelt erfolgt (Engels, a.a.O.). Dem Schutzzweck des § 22 KUG und seinem Wortlaut entsprechend ist auch es nicht erforderlich, dass die Verbreitung öffentlich geschieht; es genügt die Weitergabe des Bildnisses an eine beliebige andere Person (Rixecker in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Anh. § 12 Rn. 50).
67Gemessen an diesen strengen Maßstäben kommt durch die erfolgte Weitergabe der im Tenor näher bezeichneten Bilder bereits ein Verbreiten im Sinne des § 22 KUG in Betracht (so wohl Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 16.05.2002, 6 U 104/01). Es ist eine Weitergabe der Bilder von der Antragsgegnerin an weitere Personen, nämlich die eigenen Rechtsanwälte, erfolgt. Diese haben sodann die Bilder im Gerichtsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm vorgelegt.
68Wie jedoch bereits das Amtsgericht zu Recht angemerkt hat, beschränkt sich die Weitergabe der Bilder selbst nach dem Vortrag der Antragstellerin auf die Verwendung in dem angesprochenen Gerichtsverfahren. Ein darüber hinausgehendes Verbreiten an weiteren Personen oder auch nur die Gefahr an einer darüber hinausgehenden Weitergabe ist nach derzeitigem Stand nicht ersichtlich. Beschränkt sich die Weitergabe aber auf dieses eng begrenzte Umfeld, fehlt es an einem vom Schutzzweck des § 22 KUG erfassten Verbreiten. Es besteht nach derzeitigem Stand gerade kein Risiko einer nicht mehr zu kontrollierenden Kenntnisnahme. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass die Bilder in einem „öffentlichem Zivilprozess“ eingeführt werden würden, ist folgendes anzumerken: Die Verhandlungen im Zivilprozess sind zwar grundsätzlich gem. § 169 GVG öffentlich, indes sind die Akten des betreffenden Verfahrens mit den darin enthaltenen Bildern gerade nicht öffentlich (vgl. § 299 ZPO).
692)
70Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegt hinsichtlich der bestehenden Verfügungsansprüche auch ein Verfügungsgrund vor.
71Ein Verfügungsgrund ist anzunehmen, wenn die Regelung des einstweiligen Zustandes zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Musielak/Huber, ZPO, 10. Auflage 2013, § 940 Rn. 4). Es muss eine Dringlichkeit in der Sache vorliegen, die es dem Antragsteller unzumutbar macht, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 940 Rn. 4). Hierzu hat eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (Musielak/Huber, ZPO, 10. Auflage 2013, § 940 Rn. 4). Ein Verfügungsgrund fehlt hingegen, wenn der Antragsteller trotz ursprünglicher Dringlichkeit lange zugewartet hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt hat (Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 940 Rn. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 940 Rn. 4). Für die noch hinzunehmende Zeitspanne (in der Regel vier Wochen im Wettbewerbsrecht, sonst bis zu drei Monaten) sind die Besonderheiten des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Schwierigkeit tatsächlicher und rechtlicher Art maßgeblich (Musielak/Huber, ZPO, 10. Auflage 2013, § 940 Rn. 4).
72Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen ist hier eine einstweilige Regelung erforderlich. Der Antragstellerin kann nicht zugemutet werden, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.
73Der Antragstellerin kann nicht vorgeworfen werden, dass sie trotz ursprünglicher Dringlichkeit zu lange mit dem Antrag gewartet habe, so dass nunmehr keine Dringlichkeit mehr vorliege. Der Antrag wurde (vorab per Fax) am 18.07.2013 bei Gericht eingereicht. Von den für den Unterlassungsanspruch maßgeblichen Tatsachen erhielt die Antragstellerin jedoch erst Ende Mai 2013 durch Erhalt der Replik im Berufungsverfahren Kenntnis, so dass zwischen Kenntnis und Antrag weniger als 2 Monate liegen. Unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalls hält das Gericht diesen Zeitraum für die Annahme einer Dringlichkeit weiterhin hinnehmbar. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin in Griechenland lebt und schweren gesundheitlichen Einschränkungen unterliegt, was eine schnelle Kommunikation zwischen ihr und ihrer deutschen Prozessbevollmächtigten erschwert.
74Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat die Antragstellerin nicht bereits durch die Berufungsbegründung im Oktober 2012 von den für die Dringlichkeit maßgeblichen Tatsachen erfahren. In der 30-seitigen Berufungsbegründung wird von der Antragstellerin an keiner Stelle ausdrücklich erwähnt, dass eine Observation durchgeführt wurde. So heißt es etwa auf Bl. 5: „[…]…wurde versucht, diese Vereinbarkeit vor Ort in Griechenland nachzuvollziehen. Die Beobachtungen bzw. Erkundigungen der Beklagten zu 3) bzw. der hinter ihr stehenden Haftpflichtversicherung…[…]“. Auf Bl. 6 heißt es: „Im Rahmen dieser Recherchen…[…]“. An weiteren Stellen werden Einzelheiten aus dem Tagesablauf der Antragstellerin geschildert, ohne jedoch ausdrücklich darzulegen, dass diese auf einer Observation beruhen. Auf Bl. 17 heißt es: „Daher sind die umfangreichen Aktivitäten und ihre tatsächliche Auslastung über einen längeren Zeitraum nachvollzogen worden.“. Auf Bl. 18: „Die Zeugen L2 und T schilderten der Beklagten hingegen, dass…[…]“. Die zuletzt genannten Zeugen werden auch als Beweismittel aufgeführt, zudem ein schriftlicher Bericht der Zeugen angekündigt.
75Im Ergebnis lässt sich diesem Schriftsatz jedoch nicht entnehmen, dass die Antragstellerin im Auftrag der Antragsgegnerin systematisch und über einen längeren Zeitraum täglich von 7 bis 22 Uhr observiert wurde. Das Ausmaß der Observation und die Art und Weise, wie die Antragsgegnerin die Informationen zu den im Schriftsatz vom Oktober 2012 behaupteten Tatsachen erlangt hat, war für die Antragstellerin erst nach Erhalt der Observationsberichte durch den Schriftsatz vom 24.05.2013 erkennbar. Erst nach Kenntnis der entsprechenden Tatsachengrundlage begann der Lauf der für die Beurteilung der Dringlichkeit maßgeblichen Frist.
763)
77Die erforderliche Glaubhaftmachung gem. §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO liegt vor.
784)
79Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
805)
81Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde erübrigt sich, da diese im Verfahren zur einstweiligen Verfügung gem. §§ 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 ZPO nicht zulässig ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, vor § 916 Rn. 11 sowie § 922 Rn. 14).
826)
83Streitwert und Beschwerdewert: Jeweils 10.000 €.
84Die Änderung der Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der Höhe nach folgt die Festsetzung aus § 3 ZPO. Eine Bindung an die Festsetzung zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung liegt nicht vor, denn die Wertfestsetzung für die sachliche Zuständigkeit stellt nur eine vorläufige Entscheidung dar (Wendtland in Beck'scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 15.07.2013, § 3 ZPO Rn. 4). Bei der Schätzung nach § 3 ZPO hält das Gericht für jeden der vier Anträge einen Betrag von jeweils 2.500 € für angemessen.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.
(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.
(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.
(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist
- 1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder - 2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.
(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.
(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.
(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.
(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.
(1) Die Anzeige einer Straftat und der Strafantrag können bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich angebracht werden. Die mündliche Anzeige ist zu beurkunden. Dem Verletzten ist auf Antrag der Eingang seiner Anzeige schriftlich zu bestätigen. Die Bestätigung soll eine kurze Zusammenfassung der Angaben des Verletzten zu Tatzeit, Tatort und angezeigter Tat enthalten. Die Bestätigung kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, gefährdet erscheint.
(2) Bei Straftaten, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, muß der Antrag bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden.
(3) Zeigt ein im Inland wohnhafter Verletzter eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangene Straftat an, so übermittelt die Staatsanwaltschaft die Anzeige auf Antrag des Verletzten an die zuständige Strafverfolgungsbehörde des anderen Mitgliedstaats, wenn für die Tat das deutsche Strafrecht nicht gilt oder von der Verfolgung der Tat nach § 153c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, auch in Verbindung mit § 153f, abgesehen wird. Von der Übermittlung kann abgesehen werden, wenn
- 1.
die Tat und die für ihre Verfolgung wesentlichen Umstände der zuständigen ausländischen Behörde bereits bekannt sind oder - 2.
der Unrechtsgehalt der Tat gering ist und der verletzten Person die Anzeige im Ausland möglich gewesen wäre.
(4) Ist der Verletzte der deutschen Sprache nicht mächtig, erhält er die notwendige Hilfe bei der Verständigung, um die Anzeige in einer ihm verständlichen Sprache anzubringen. Die schriftliche Anzeigebestätigung nach Absatz 1 Satz 3 und 4 ist dem Verletzten in diesen Fällen auf Antrag in eine ihm verständliche Sprache zu übersetzen; Absatz 1 Satz 5 bleibt unberührt.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.