Landgericht Bielefeld Urteil, 08. Mai 2015 - 9 KLs - 16/14

ECLI:ECLI:DE:LGBI:2015:0508.9KLS16.14.00
bei uns veröffentlicht am08.05.2015

Tenor

I.

Der Angeklagte wird wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in zwei Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei, sowie wegen eines weiteren Falls der ausbeuterischen Zuhälterei zu einer

Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten

verurteilt.

II.

Der Angeklagte wird weiter verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin einen Betrag in Höhe von 42.200,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.01.2015 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind.

III.

Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Neben- und Adhäsionsklägerin sämtliche künftig aus diesen Taten entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind. Im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.

IV.

Das Urteil ist, soweit es die Adhäsionsansprüche betrifft, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

V.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin sowie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Neben- und Adhäsionsklägerin.

Angewendete Vorschriften:

§§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 181a Abs. 1 Nr. 1, 232 Abs. 3 u. 4 Nr. 1 u. 2, 52, 53 StGB


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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 297/13
vom
9. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen ausbeuterischer Zuhälterei u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung am
25. September 2013 in der Sitzung am 9. Oktober 2013, an der teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof bei Bekanntgabe der
Verfügung,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Vertreter der Nebenklägerin A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 11. Februar 2013, auch soweit es die Mitangeklagte R. betrifft und soweit beide Angeklagten verurteilt worden sind, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die Revision der Nebenklägerin A. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen ausbeuterischer Zuhälterei in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit dirigistischer Zuhälterei und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall 1 der Urteilsgründe), sowie wegen versuchten schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tat- einheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 2 der Urteilsgründe), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagte R. hat es wegen Beihilfe zur ausbeuterischen Zuhälterei in Tateinheit mit dirigistischer Zuhälterei zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen hat das Landgericht beide Angeklagten freigesprochen.
2
Die Revision des Angeklagten S. , mit der er eine Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg. Von der Aufhebung erfasst wird auch die Verurteilung der nichtrevidierenden Mitangeklagten R. .
3
Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision, mit der sich die Nebenklägerin A. gegen den Teilfreispruch beider Angeklagten wendet, ist unbegründet.

A.

4
Die Revision des Angeklagten S. ist begründet.

I.

5
1. Der Verurteilung des Angeklagten liegen folgende Feststellungen des Landgerichts zugrunde:
6
Der Angeklagte war mit der Mitangeklagten R. befreundet, die in einer Wohnung im ersten Stock des Hauses Sch. der Prostitution nachging. Im März 2012 bezog die Geschädigte M. ein Zimmer im zweiten Stock und ging dort auf Veranlassung einer Frau namens J. ebenfalls der Prostitution nach. Der Angeklagte hatte zwischenzeitlich beschlossen, sich als gewerblicher Zimmervermieter zu betätigen, und besprach mit dem Vermieter des Hauses, die Wohnung im ersten und eine weitere im vierten Stock des Hauses anzumieten. Er plante, die einzelnen Zimmer dieser Wohnungen selbständig an Prosituierte unterzuvermieten, deren sämtliche Einkünfte an sich zu nehmen und ihnen nur nach Gutdünken Geld zum Eigenbedarf zuzuweisen; den überwiegenden Teil ihrer Einkünfte wollte er für sich selbst verwenden.
7
a) In Umsetzung dieses Plans "kaufte" der Angeklagte die Geschädigte M. für 1.400 € von J. ab. Er einigte sich mit der Geschädigten dahin , dass diese ab dem 20. März 2012 in der Wohnung im ersten Stock arbeiten und dafür die Hälfte ihrer Einnahmen an den Angeklagten abgeben sollte. Die Geschädigte nahm ihre Arbeit auf, hatte aber vom 20. März bis zum 26. April 2012 ihre sämtlichen Einnahmen der Mitangeklagten R. zu übergeben, die die Gelder jeweils an den Angeklagten weiterleitete. Die Preise bezüglich der Art und Dauer ihrer sexuellen Dienstleistungen waren ihr vorgegeben. Die Geschädigte hatte keinen Überblick über ihre Einnahmen. Sie konnte weder lesen noch schreiben; auch das Rechnen sowie die deutsche Sprache beherrschte sie nur rudimentär. In dem genannten Zeitraum überwies sie mit Hilfe des Angeklagten bei drei Gelegenheiten 100 €, 130,50 € und 145 € an ihre Familie in B. .
8
Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt während ihres Aufenthalts hatte die Geschädigte keine Lust mehr, in dem Haus Sch. zu arbeiten. Der Angeklagte teilte ihr daraufhin mit, dass sie erst gehen könne, wenn sie das Geld, das er für sie bezahlt habe, abgearbeitet habe; sie könne allerdings ihre Schwester zum Weiterarbeiten schicken. Da die Schwester der Geschädigten dies ablehnte, blieb die Geschädigte in der Sch. . Zu einem weiteren nicht feststellbaren Zeitpunkt schlug der Angeklagte die Geschädigte min- destens einmal mit der flachen Hand ins Gesicht, schubste sie gegen die Wand und trat sie, weil er den Verdacht hegte, sie liefere nicht ihren gesamten Verdienst an ihn ab. Am 22. April 2012 unterschrieb die Geschädigte einen Untermietvertrag (Tagesmietpreis von 75 € für ein Zimmer) und einen weiteren Vertrag , in dem sie erklärte, dem Angeklagten 1.300 € zu schulden.
9
b) In Umsetzung seines Plans "kaufte" der Angeklagte auch die Geschädigte St. , die bislang in einem anderen Haus der Prostitution nachging, von einem Y. und einer weiteren Person. Die Geschädigte bezog am 27. März 2012 ein Zimmer im ersten Stock des Hauses Sch. und ging jedenfalls drei Tage lang der Prostitution nach. Ihre gesamten Einnahmen hatte sie der Mitangeklagten R. zu übergeben, die die Gelder an den Angeklagten S. weiterleitete. Am 31. März 2012 wurde bei der Geschädigten eine Schwangerschaft festgestellt. Sie verbrachte unter wechselnder Aufsicht der Mitangeklagten R. , der Nebenklägerin A. und der Geschädigten M. zwei Tage im Krankenhaus. Nach ihrer Rückkehr weigerte sie sich, der Prostitution nachzugehen. Der Angeklagte verlangte ihre Weiterarbeit und verbot ihr in der Folgezeit, das Haus zu verlassen, was die Mitangeklagte R. und die Nebenklägerin A. überwachten. Am 4. April 2012 unterzeichnete sie einen Darlehnsvertrag über 7.000 € und am 13. April 2012 einen Untermietvertrag (Tagesmietpreis von 75 € für ein Zimmer). Nach einem am 10. April 2012 erfolgten Schwangerschaftsabbruch floh die Geschädigtezu Y. , der sie aber zu dem Angeklagten zurückbrachte. Am 25. April 2012 gelang der Geschädigten wiederum die Flucht. Der Angeklagte spürte sie auf und brachte sie zurück. In Anwesenheit der Mitangeklagten R. , der Geschädigten M. sowie der Nebenklägerin A. und der Zeugin T. M. schlug er auf die Geschädigte St. mit der Faust ein. Nachdem sie zu Boden gegangen war, trat er weiter mit Schuhen auf sie ein, um ihr klar zu machen, dass sie im Haus zu bleiben und der Prostitution nachzugehen habe. Das Verprügeln in Gegenwart der anderen Frauen diente aber auch dazu , diesen eindrucksvoll deutlich zu machen, was passieren werde, wenn sie weglaufen und ihre vertraglichen Verpflichtungen ihm gegenüber nichterfüllen würden. Später ging der Angeklagte mit der Geschädigten in ein Nebenzimmer und prügelte gemeinsam mit dem hinzugerufenen Zeugen H. weiter auf sie ein.
10
2. Die Handlungen zum Nachteil der Geschädigten St. hat das Landgericht als tateinheitlich begangene ausbeuterische und dirigistische Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) - (Fall 1) - sowie als versuchten schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1, § 22, 23 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4) - (Fall 2) - gewertet.
11
Die Handlungen zum Nachteil der Geschädigten M. hat das Landgericht als tateinheitlich begangene ausbeuterische Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB), schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB) und vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB) gewertet und Tateinheit zu den zum Nachteil der Geschädigten St. im Fall 1) erfolgten Handlungen angenommen.

II.

12
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.
13
1. Die Verurteilung hat im Ergebnis keinen Bestand, auch wenn die Annahme einzelner tateinheitlich verwirklichter Straftatbestände an sich nicht zu beanstanden ist. Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem:
14
a) Der Schuldspruch wegen ausbeuterischer Zuhälterei gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB zum Nachteil der Geschädigten St. und M. begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
15
Eine Ausbeutung liegt vor, wenn dem Opfer in objektiver Hinsicht ein erheblicher Teil der Einnahmen entzogen wird und dies zu einer gravierenden Beschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit führt, die geeignet ist, dem Opfer die Lösung aus der Prostitution zu erschweren (Fischer, StGB, 60. Aufl. § 181a Rdn. 7). Zwar setzt eine solche Annahme im Regelfall Feststellungen zur Höhe der Einnahmen und Abgaben der Prostituierten voraus (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 - 4 StR 413/88, NStZ 1989, 67). Allerdings steht das Fehlen exakter Feststellungen zu Einnahmen und Ausgaben einer Verurteilung wegen ausbeuterischer Zuhälterei nicht zwingend entgegen. Wenn - wie hier - die Prostituierten ihre gesamten Einnahmen abgeben müssen und nur gelegentlich geringe Summen zur Weiterleitung an ihre Familie zurückerhalten, ist ohne Weiteres von einer Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 1993 - 2 StR 160/93, NStZ 1994, 32, 33 und vom 3. März 1999 - 2 StR 608/98, NStZ 1999, 349, 350; BGH, Beschluss vom 20. April 2004 - 4 StR 67/04). Ob und inwieweit es sich bei den Zahlungen der Geschädigten auch um eine Begleichung von Mietverbindlichkeiten handelte, kann dabei offen bleiben. Eine Ausbeutung der Geschädigten bestand jedenfalls darin, dass sie ungeachtet möglicherweise bestehender konkreter Mietverbindlichkeiten täglich ihre gesamten Einnahmen an den Angeklagten abgeben mussten.
16
b) Auch die Annahme einer dirigistischen Zuhälterei zu Lasten der Nebenklägerin St. im Fall 1) hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Der rechtlichen Würdigung des Landgerichts ist zwar nicht zu entnehmen, von welcher Variante des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB es ausgegangen ist.
17
Die Feststellungen belegen aber, dass der Angeklagte jedenfalls im Sinn der 3. Variante des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB „Maßnahmen getroffen“ hat, die die Geschädigte davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben. Erfasst werden hiervon Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der Prostitution zu verbauen (BGH, Beschluss vom 9. April 2002 - 4 StR 66/02, StV 2003, 163; Beschluss vom 13. November 2001 - 4 StR 408/01). Dass es sich hier so verhält, kann den Urteilsgründen noch entnommen werden. Nachdem die Geschädigte wegen Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert worden war, befürchtete der Angeklagte, sie könne weglaufen und die Prostitution aufgeben. Er ließ sie deshalb tagsüber von der Mitangeklagten R. und der Nebenklägerin A. und in der Nacht von der Geschädigten M. bewachen. Die Geschädigte fühlte sich durch diese Maßnahmen nach wie vor in der Prostitution festgehalten. Erst nach ihrer Rückkehr in das Haus Sch. weigerte sie sich, fortan der Prostitution nachzugehen.
18
c) Die Annahme eines schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten M. begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
19
aa) Im Hinblick auf die zum Nachteil der Geschädigten M. abgeurteilte vorsätzliche Köperverletzung begegnet schon die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
20
Die Beweiswürdigung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatgerichts; der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt aber, ob dem Tatgericht dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung - wie hier - widersprüchlich ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238; Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928).
21
Das Landgericht stützt seine Feststellung, dass der Angeklagte die Geschädigte mindestens einmal mit der flachen Hand ins Gesicht schlug, sie gegen die Wand schubste und trat, allein auf die geständige Einlassung des Angeklagten (UA S. 79). Dies widerspricht aber der Wiedergabe der im Rahmen der Beweiswürdigung geschilderten Einlassung des Angeklagten, der zwar eine Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin A. und der Geschädigten St. eingeräumt, im Übrigen aber ausdrücklich erklärt habe, mit Ausnahme dieser zwei von ihm eingestandenen Fälle keine der Frauen geschlagen zu haben (UA S. 45, 47, 48).
22
bb) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Menschenhandels gemäß „§ 232 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB“ zu Lasten der Geschädigten M. begegnet sachlich-rechtlichen Bedenken. Dabei ist schon nicht nachzuvollziehen, warum die Strafkammer § 232 Abs. 1 StGB - dessen Voraussetzungen durch die Feststellungen zudem nicht belegt werden - neben dem ausgeurteilten schweren Menschenhandel des § 232 Abs. 4 StGB als angewandte Vorschrift erwähnt hat. § 232 Abs. 4 StGB ist ein keine Qualifikation des § 232 Abs. 1 StGB, sondern ein eigenständiger Straftatbestand mit von § 232 Abs. 1 StGB unabhängigen Voraussetzungen. Im Übrigen hat das Landgericht im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung schon nicht erkennen lassen, von welcher Variante des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB es ausgegangen ist.
23
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB sind indes in keiner Variante belegt. Der Angeklagte hat zwar die Geschädigte zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt einmal ins Gesicht geschlagen, geschubst und getreten und insofern Gewalt im Sinne des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB angewandt. Ungeachtet dessen, dass für diese Feststellung der Strafkammer - wie zuvor ausgeführt - schon eine Tatsachengrundlage fehlt, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass die Geschädigte zu diesem Zeitpunkt die Prostitution überhaupt aufgeben oder einschränken wollte und die erfolgten Schläge sie daher zur Fortsetzung der Prostitution veranlassen sollten. Die Gewalthandlung erfolgte vielmehr ausdrücklich allein als Sanktion dafür, dass der Angeklagte vermutete, die Geschädigte gebe ihre Einnahmen nicht vollständig an ihn ab. Weitere Gewalthandlungen oder auch Drohungen gegenüber der Geschädigten sind nicht festgestellt. Soweit am 25. April 2012 Gewalthandlungen gegen die Geschädigte St. erfolgten und diese dazu dienten, auch die Geschädigte M. einzuschüchtern, ist ebenfalls nicht festgestellt , dass die Geschädigte die Prostitution zu diesem Zeitpunkt aufgeben wollte.
24
Auch der Einsatz einer „List“ im Sinne des § 232Abs. 4 Nr. 1 StGB ist nicht mit Feststellungen der Strafkammer belegt. Der Angeklagte brachte zwar die Geschädigte überhaupt nur durch eine Täuschung zur Aufnahme der Prostitution in seinen Räumlichkeiten, indem er ihr vorspiegelte, sie müsse nur die Hälfte ihrer Einnahmen an ihn abgeben. Dieses Verhalten begründet aber noch keine „List“ im Sinne des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB, die ein Ausschalten des Widerstands des Opfers gegen die Prostitution durch täuschende Machenschaften erfordert. Das lediglich unredliche und arglistige Schaffen eines Anreizes gegenüber einer Person, die sich frei für oder gegen eine Prostitutionsaufnahme oder -fortsetzung entscheiden kann, genügt zur Verwirklichung des Verbre- chenstatbestands nicht (vgl. Urteil vom 3. Juni 1980 - 1 StR 192/80; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1997 - 3 StR 266/76, BGHSt 27, 28; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 232 Rn. 28).
25
Zwar hat der Angeklagte die Geschädigte, die zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt keine Lust mehr hatte, im Haus Sch. zu arbeiten , auch dazu gebracht, gleichwohl zu bleiben, indem er ihr mitteilte, sie könne erst dann gehen, wenn sie das Geld, das er für sie bezahlt habe, abgearbeitet habe. Dies und der Umstand, dass sie weiter arbeitete, belegen jedoch keine durch „List“ veranlasste Fortsetzung der Prostitution.
26
2. Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen schweren Menschenhandels und tateinheitlicher vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten M. ; hiervon erfasst wird auch die rechtlich nicht zu beanstandende tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen ausbeuterischer Zuhälterei zum Nachteil beider Geschädigten sowie wegen dirigistischer Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten St. (Fall 1 der Urteilsgründe).
27
Die Aufhebung des Schuldspruchs zwingt auch zur Aufhebung des - für sich genommen nicht zu beanstandenden - Schuldspruchs im Fall 2) der Urteilsgründe wegen versuchten schweren Menschenhandels sowie gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten St. , da insoweit Tateinheit mit der unter Fall 1) abgeurteilten ausbeuterischen Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten M. besteht.
28
Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, das demgegenüber Tatmehrheit angenommen hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat zwar im Ansatz bedacht, dass dasvon dem Angeklagten jeweils verwirklichte Dauerdelikt der Zuhälterei mehrere Handlungen zum Nach- teil verschiedener Frauen zur Tateinheit verklammern kann, wenn - wie hier - von demselben Täter zeitgleich auf mehrere Geschädigte in denselben Räumlichkeiten eingewirkt wird (Senatsbeschluss vom 1. August 2003 - 2 StR 186/03, BGHSt 48, 314, 322; Senatsurteil vom 15. Juli 2005 - 2 StR 131/05, NStZ-RR 2007, 46, 47). Es hat dementsprechend die ausbeuterische Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten M. und St. , auf die der Angeklagte zeitgleich in derselben Wohnung einwirkte und die er gemeinsam von der Mitangeklagten R. abkassieren ließ, zutreffend als einheitliche Tat gewertet. Auch hat das Landgericht bedacht, dass die Zuhälterei als minder schweres Dauerdelikt den zum Nachteil verschiedener Frauen begangenen Menschenhandel nicht zur Tateinheit verklammern kann.
29
Der unter Fall 2) abgeurteilte versuchte schwere Menschenhandel richtete sich indes nicht nur gegen die Geschädigte St. , sondern gleichzeitig auch gegen die Geschädigte M. . Nach den Feststellungen diente die in ihrer Gegenwart am 25. April 2012 erfolgte körperliche Züchtigung der Geschädigten St. auch dazu, der Geschädigten M. deutlich zu machen, was passieren werde, wenn sie weglaufen und ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Angeklagten nicht nachkommen würde. Die Tat fand mithin nicht nur während einer gleichzeitigen Anwesenheit beider Geschädigten in denselben Räumlichkeiten statt, sondern diente konkret dazu, die im Zeitraum vom 20. März bis 26. April 2012 erfolgten Ausbeutung der GeschädigtenM. zu fördern. Zwischen der zu deren Nachteil begangenen ausbeuterischen Zuhälterei und dem unter Fall 2) abgeurteilten versuchten schweren Menschenhandel in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Lasten der Geschädigten St. besteht daher Tateinheit.
30
3. Gemäß § 357 StPO erfasst die Aufhebung des Schuldspruchs gegen den Angeklagten S. im Fall 1) der Urteilsgründe auch die Verurteilung der nicht revidierenden Mitangeklagten R. wegen Beihilfe der zum Nachteil der Geschädigten St. erfolgten tateinheitlich begangenen ausbeuterischen und dirigistischen Zuhälterei.

B.

31
Die Revision der Nebenklägerin A. gegen den Teilfreispruch beider Angeklagten ist unbegründet.

I.

32
1. Die Anklage hat den Angeklagten S. und R. unter Anklagepunkt 3 Folgendes zur Last gelegt: Der Angeklagte S. habe die Nebenklägerin A. dazu gewonnen, in seiner Wohnung als Prostituierte zu arbeiten. Er habe mit ihr eine Tagesmiete von 75 € und die Abgabe der hälftigen Einnahmen vereinbart. Tatsächlich habe die Nebenklägerin in der Zeit vom Oktober 2011 bis zum 27. April 2012 ihre gesamten Einnahmen in Höhe von rund 39.400 € der Mitangeklagten R. zur Weiterleitung an den Angeklagten abgeben müssen ; lediglich 150 € bis 300 € monatlich seien ihr verblieben. Aus Furcht vor Gewalttätigkeiten des Angeklagten habe sie ihren Wunsch, nach B. zurückzukehren , nur einmal im Februar 2012 geäußert.
33
Unter Anklagepunkt 46 und 47 hat die Anklage dem Angeklagten S. darüber hinaus zur Last gelegt, die Nebenklägerin in mindestens zwei Fällen geschlagen zu haben, weil sie an schlechten Tagen die Tagesmiete nicht erwirtschaftet hatte.
34
2. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass die Nebenklägerin im vorgenannten Zeitraum in der Wohnung im ersten Stock des Hauses Sch. als Prostituierte gearbeitet hat. Dazu, in welchem Umfang die Nebenklägerin A. über ihre Einnahmen hat eigenständig verfügen können und wer wann möglicherweise an ihren Einnahmen partizipiert hat, hat das Gericht keine sicheren Feststellungen treffen können, ebenso wenig zu stattgefundenen Gewalttätigkeiten. Zwar habe der Angeklagte eingeräumt, die Nebenklägerin einmalig geschlagen zu haben. Dies sei aber nach Zeit, Ort und Anlass unbestimmt geblieben. Die Angaben der Nebenklägerin, die mit der Mitangeklagten R. befreundet gewesen sei und zusammen mit dieser auch die Überwachung anderer Prostituierten übernommen habe, seien an zahlreichen Stellen in sich widersprüchlich und durch Übertreibungen gekennzeichnet gewesen. Auffällig sei auch gewesen, dass es die Nebenklägerin vermieden habe, konkrete Angaben zu machen und bei bestimmten Themen nur sehr zurückhaltend und ausweichend geantwortet habe, weshalb ihre Angaben insbesondere auch im Hinblick auf die erfahrenen Schläge durch den Angeklagten insgesamt nicht glaubhaft gewesen seien.

II.

35
1. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
36
Soweit die Nebenklägerin rügt, der Vorsitzende habe sie in der Wahrnehmung ihrer Opferrechte verletzt, da ihre Vernehmung wegen Verhinderung ihres Beistands nur in Anwesenheit von dessen nicht eingearbeitetem Vertreter stattgefunden habe, ist nicht ersichtlich, dass das Urteil auf einem solchen Rechtsfehler beruhen könnte.
37
Die erhobene Aufklärungsrüge ist bereits unzulässig, weil keine bestimmte Beweistatsache behauptet wird.
38
2. Der Teilfreispruch hält auch sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
39
Sieht der Tatrichter von einer Verurteilung ab, weil er Zweifel nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt insoweit nur, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn er an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238).
40
a) Diesen Anforderungen wird die dem Freispruch zugrundeliegende Beweiswürdigung gerecht. Die Strafkammer hat sich von den, den Angeklagten insoweit vorgeworfenen Taten vornehmlich aufgrund der in der Aussage der Nebenklägerin enthaltenen, in den Urteilsgründen im Einzelnen dargestellten Widersprüchen und Übertreibungen im Ergebnis nicht überzeugen können. Die Beweiswürdigung lässt dabei keinen Rechtfehler erkennen.
41
b) Bedenken bestehen zwar gegen die Beweiswürdigung im Hinblick auf eine weitere mögliche Körperverletzung des Angeklagten. Dieser hat nach den Feststellungen eingeräumt, er habe die Nebenklägerin jedenfalls einmal im Frühjahr 2012 mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, weil diese hinter seinem Rücken einer anderen Prostituierten Unwahrheiten über ihn erzählt habe (UA S. 45). Ein entsprechendes Geschehen hat auch die Mitangeklagte R. geschildert (UA S. 34 f., 41). Die Beweiswürdigung hierzu ist lückenhaft. Dies führt aber nicht zum Erfolg der Revision der Nebenklägerin, denn die vom Angeklagten geschilderte Tat ist von der zugelassenen Anklage und damit auch nicht von der Kognitionspflicht des Tatgerichts nicht umfasst.
42
Gegenstand der zugelassenen Anklage sind zwei zu Lasten der Nebenklägerin erfolgten Körperverletzungshandlungen. Diese werden lediglich dahin konkretisiert, dass der Angeklagte die Nebenklägerin in mindestens zwei Fällen geschlagen habe, wenn sie an schlechten Tagen die Tagesmiete nicht erwirtschaftete. Der Anklage ist weiter zu entnehmen, dass dies in der Zeit von Oktober 2011 bis Februar 2012 stattgefunden habe. Zwar wird für die unter Anklagepunkt 3 den Angeklagten vorgeworfene Tat ein darüber hinaus gehender Zeitraum bis 27. April 2012 genannt. In Bezug auf die beiden allein dem Angeklagten S. vorgeworfenen Körperverletzungshandlungen wird dieser Zeitraum aber durch die Anklage selbst eingeschränkt, denn danach soll die Nebenklägerin ab Februar 2012 unter dem „Eindruck der Gewalttätigkeiten“ des Angeklagten gestanden haben. Als „Gewalttätigkeiten“ des Angeklagten schildert die Anklage nur das zweimalige Schlagen des Angeklagten.
43
Die vom Angeklagten eingeräumte Tat weicht daher sowohl im Hinblick auf ihren Anlass als auch den Zeitraum von der Tatschilderung der Anklage ab. Zwar braucht nicht jede Veränderung oder Erweiterung des Tatgeschehens die Identität zwischen Anklage und abgeurteilter Tat aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 1994 - 3 StR 457/93, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 8), wenn die in der Anklage beschriebene Tat unabhängig von dieser Tatmodalität nach anderen Merkmalen individualisiert und dadurch weiterhin als einmaliges, unverwechselbares Geschehen gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 133; Urteil vom 28. Mai 2002 - 5 StR 55/02; Beschluss vom 13. März 1996 - 3 StR 43/96, BGHR StPO, § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 19). Eine solche weitere Umgrenzung des dem Ange- klagten pauschal vorgeworfenen „Schlagens“ der Nebenklägerin enthält die Anklage aber nicht. Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 554/13
vom
2. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts der Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. April 2014,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 3. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, der Nötigung sowie der ausbeuterischen Zuhälterei in 121 Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Die Nebenklägerin hatte sich in den vorbestraften neun Jahre älteren Angeklagten verliebt. Dieser bemerkte, "dass sich die Nebenklägerin, die viele Jahre in Kinderheimen verbracht hatte, nach einer dauerhaften Beziehung so- wie Geborgenheit sehnte … Er erkannte, dass er die Nebenklägerin bei ge- schicktem Vorgehen dazu bringen könnte, der Prostitution nachzugehen und ihm möglicherweise den Lohn zu übergeben" (UA S. 4).
4
Unter einem Vorwand fuhr der Angeklagte mit der 18-jährigen Nebenklägerin Ende Januar 2012 nach Frankfurt, in der Absicht, dieser von der Prostituierten M. Techniken und Tricks für die Ausübung der Prostitution beibringen zu lassen. Nachdem sie M. abgeholt hatten, begaben sie sich zu dritt in ein vom Angeklagten unter falschem Namen angemietetes Hotelzimmer; dort verschloss der Angeklagte die Zimmertür und steckte den Schlüssel in seine Hosentasche. Sodann "eröffnete er der Nebenklägerin, dass man nun einen ‚Dreier‘ machen würde. Dabei sah er die Nebenklägerin mit einem durchdrin- genden Blick an" (UA S. 7), woraufhin diese nicht widersprach. Im Anschluss kam es zwischen dem Angeklagten, M. und der Nebenklägerin zu wechselseitigem Oral- und Vaginalverkehr, wobei die Prostituierte M. der Nebenklägerin "am Beispiel des Angeklagten" verschiedene Techniken zeigte.
5
Auf dem Rückweg setzte der Angeklagte M. in einem Bordell ab und erklärte der Nebenklägerin, auch sie am nächsten Abend in dieses Bordell zu fahren, "damit sie dort der Prostitution nachgeht" (UA S. 7). Am folgenden Abend verbrachte der Angeklagte die Nebenklägerin wie angekündigt in das Bordell. Ob er sie an diesem Abend "mit einer an den Kopf gehaltenen Schusswaffe bedrohte, ist offen" (UA S. 7).
6
Nachdem der Nebenklägerin im Bordell die "Gepflogenheiten, die Abläufe und die finanziellen Konditionen" (UA S. 7 f.) erklärt worden waren, ging sie dort in der Folge unter dem Namen "E. " der Prostitution nach. "Anfangs holte sie der Angeklagte noch in jeder Nacht ab und brachte sie am nächsten Abend wieder zurück" (UA S. 8). Nach einiger Zeit verschlechterte sich das Verhältnis, da die Nebenklägerin erkannte, dass der Angeklagte keine tiefergehenden Gefühle für sie hegte und zudem noch Beziehungen zu anderen Frauen unterhielt; schließlich stellte sie den Kontakt zu dem Angeklagten ein. Der Pros- titution ging sie weiterhin nach, bis sie sich Anfang Juni 2012 u.a. gegenüber ihrer Mutter offenbarte.
7
b) Die Strafkammer hält den Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB nicht für gegeben, da der von der Nebenklägerin geschilderte "durchdringende Blick" (UA S. 16) für eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nicht ausreiche. Auch der Tatbestand des § 239 StGB sei nicht erfüllt, weil es auch möglich sei, dass der Angeklagte, der sich zur Sache nicht eingelassen hat, die Hotelzimmertür abgeschlossen hat, um "lediglich ein Betreten des Raumes von außen" (UA S. 16) zu verhindern.
8
Das Landgericht hat sich ferner nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte die Nebenklägerin mit einer Schusswaffe bedroht hat. Möglicherweise habe die Nebenklägerin bei dem Angeklagten nur eine Schusswaffe gesehen, wofür auch deren Angaben "bei einem Vorgespräch" gegenüber einem Polizeibeamten sprächen.
9
Im Hinblick auf den Zweifelsgrundsatz seien schließlich auch keine Feststellungen zu einer Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu treffen gewesen. Weder der Zeitraum der Ausbeutung noch der Umfang der von der Nebenklägerin an den Angeklagten abgeführten Gelder sei aufgrund ihrer unterschiedlichen Angaben hinreichend sicher festzustellen.
10
2. Das angefochtene Urteil steht insgesamt zur Überprüfung durch das Revisionsgericht. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung des Urteils in vollem Umfang beantragt. Der Revisionsbegründung, in der u.a. ausgeführt wird, dass die getroffenen Feststellungen zum tatsächlichen Geschehensablauf einen - nicht erfolgten - Schuldspruch gemäß § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB trügen, lässt sich jedenfalls eine zweifelsfreie Beschränkung des Rechtsmittels auf einzelne Sachverhaltskomplexe nicht entnehmen. Im Zweifel ist indes von einer umfassenden Anfechtung auszugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 1996 - 4 StR 360/96, NStZ-RR 1997, 35; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rdn. 3).
11
3. Das angefochtene Urteil wird schon den Anforderungen an die Begründungspflicht bei einem freisprechenden Urteil nicht gerecht. Spricht das Tatgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei, so muss es in den Urteilsgründen den Anklagevorwurf, die hierzu getroffenen Feststellungen, die wesentlichen Beweisgründe und seine rechtlichen Erwägungen mitteilen (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rdn. 622 ff. mwN). Diese Mindestvoraussetzungen sind überwiegend nicht erfüllt. Das Urteil leidet an Darstellungs- und Erörterungsmängeln.
12
a) Die Urteilsgründe geben bereits nicht die einzelnen Anklagevorwürfe in den wesentlichen Einzelheiten der vorgeworfenen Tathandlungen wieder, sondern setzen sie als bekannt voraus. Die aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmenden fragmentarischen Details sind nicht geeignet , dem Revisionsgericht eine umfassende Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteile vom 17. Dezember 2008 - 1 StR 552/08, NStZ-RR 2009, 116 f. und vom 26. April 1990 - 4 StR 24/90, BGHSt 37, 21, 22).
13
b) Die Urteilsgründe enthalten außerdem nur einzelne Feststellungen zum Werdegang, Vorleben und zur Persönlichkeit des - vor dem angeklagten Geschehen aus der Strafhaft entlassenen - Angeklagten. Zu umfassenderen Feststellungen ist das Tatgericht indes verpflichtet, wenn diese - z.B. bei einschlägigen Vorverurteilungen - für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können (vgl. BGH, Urteile vom 21. November 2013 - 4 StR 242/13, NStZ 2014, 172 und vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314, 315).
14
Die Notwendigkeit, die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten umfassend in den Blick zu nehmen, nähere Feststellungen zu dessen Lebenslauf, Werdegang und Persönlichkeit zu treffen sowie diese in den Urteilsgründen darzulegen, richtet sich zwar stets nach den Umständen des Einzelfalles. Hier ergibt sich die Notwendigkeit indes bereits aus den dem Angeklagten zum Vorwurf gemachten Straftaten, die im "Rotlichtmilieu" angesiedelt sind. Da der vorbestrafte Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen zudem über "Kontakte zu einem örtlichen Rockerclub" (UA S. 4) verfügt, liegt es nicht fern, dass den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, dessen Vorstrafen nicht näher mitgeteilt werden, Bedeutung auch für die Beurteilung des Tatvorwurfs zukommen kann.
15
c) Zu Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht - wie es selbst, freilich erst nachträglich, erkannt hat (UA S. 17) - seiner Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht genügt hat. Die getroffenen Feststellungen vermögen einen Schuldspruch gemäß § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB zu begründen. Die Vorgehensweise des Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin im Hotelzimmer in Frankfurt und deren Verbringung in ein Bordell an den darauffolgenden Tagen mündeten letztlich darin, dass die 18-jährige Nebenklägerin - wie vom Angeklagten beabsichtigt - die Prostitution aufgenommen hat. Zudem liegt es nach den Urteilsfeststellungen nahe, dass der Angeklagte die Nebenklägerin in der Folgezeit - zumindest "anfangs" (UA S. 8) - zur Fortsetzung der Prostitution veranlasst hat.
16
d) Soweit sich das Landgericht nicht davon überzeugen konnte, dass der Angeklagte die Nebenklägerin mit einer Pistole bedroht hat, teilt die Strafkammer schließlich schon nicht die Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung hinsichtlich dieses - überdies von zwei Zeugen von Hörensagen bestätigten - Geschehens im Einzelnen mit. Dies war hier indes erforderlich, weil sich das Tatgericht im Übrigen von der Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin im Kernbereich überzeugt hat. Bei dieser Beweissituation durfte sich die Strafkammer nicht allein auf Angaben der Nebenklägerin im Rahmen eines polizeilichen Vorgesprächs beschränken, ohne insoweit Einzelheiten mitzuteilen. Eine umfassende Nachprüfung der Überzeugungsbildung ist so nicht möglich.
17
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Begründung der Strafkammer, im Hinblick auf den Zweifelsgrundsatz hätten keine tragfähigen Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB getroffen werden können, rechtlich bedenklich ist. Gegebenenfalls kann und muss das Gericht aufgrund von Mindestangaben der Nebenklägerin den Zeitraum und das Ausmaß der Ausbeutung bestimmen (vgl. Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 261 Rdn. 59, 76 mwN). Ob der Angeklagte hier aber zu der Nebenklägerin überhaupt über den Einzelfall hinausgehende Beziehungen gemäß § 181a Abs. 1 StGB unterhalten hat (zum Rechtsgut vgl. auch Fischer, StGB, 61. Aufl., § 181a Rdn. 2 f.), wird der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter in den Blick zu nehmen haben.
18
Im Übrigen verweist der Senat hinsichtlich der lückenhaften Beweiswürdigung zum Freispruch jedenfalls vom Vorwurf der Freiheitsberaubung auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Terminszuschrift vom 7. Januar 2014. Appl Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn

1.
diese Person ausgebeutet werden soll
a)
bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder bei der Duldung sexueller Handlungen an sich selbst durch den Täter oder eine dritte Person,
b)
durch eine Beschäftigung,
c)
bei der Ausübung der Bettelei oder
d)
bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen durch diese Person,
2.
diese Person in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem entsprechen oder ähneln, gehalten werden soll oder
3.
dieser Person rechtswidrig ein Organ entnommen werden soll.
Ausbeutung durch eine Beschäftigung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b liegt vor, wenn die Beschäftigung aus rücksichtslosem Gewinnstreben zu Arbeitsbedingungen erfolgt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer stehen, welche der gleichen oder einer vergleichbaren Beschäftigung nachgehen (ausbeuterische Beschäftigung).

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person, die in der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Weise ausgebeutet werden soll,

1.
mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt oder
2.
entführt oder sich ihrer bemächtigt oder ihrer Bemächtigung durch eine dritte Person Vorschub leistet.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn

1.
das Opfer zur Zeit der Tat unter achtzehn Jahren alt ist,
2.
der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung wenigstens leichtfertig in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
In den Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn einer der in Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Umstände vorliegt.

(4) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 ist der Versuch strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 56/10
vom
19. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Menschenhandels u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
29. April 2010 in der Sitzung am 19. Mai 2010, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 10. September 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Zuhälterei in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und ein Mobiltelefon eingezogen. Hiergegen richten sich die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
3
a) Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft zu Gunsten des Angeklagten Tateinheit zwischen der Körperverletzung sowie der Freiheitsberaubung und den Delikten der Zuhälterei und des schweren Menschenhandels angenommen. Dies käme nur in Betracht, wenn der Angeklagte die Nebenklägerin körperlich misshandelt und in der Wohnung eingesperrt hätte, um sie dadurch zugleich zur (Wieder-)Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bringen (§ 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB) oder sie davon abzuhalten, die Prostitution aufzugeben (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 3. Alt. StGB). Ein solcher Zusammenhang ist indes nicht festgestellt. Vielmehr hatte der Angeklagte die Nebenklägerin aus dem Bordell in L. abgeholt, um die erforderlichen Arbeitspapiere für sie zu besorgen. Beim Frühstück kam es in der Wohnung des Angeklagten zu einem Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte auf die Nebenklägerin einschlug. Zwar hat das Landgericht nicht klären können, was Gegenstand des Streits war. Ein Zusammenhang mit der Prostitutionsausübung der Nebenklägerin liegt indes fern, nachdem diese bekundet hat, die körperlichen Misshandlungen durch den Angeklagten hätten ihre Ursache in dessen spontaner Eifersucht gehabt. Gleiches gilt für die Freiheitsberaubung, die der Angeklagte selbst damit erklärt hat, er habe in seiner Wut über diese Auseinandersetzung beim Verlassen der Wohnung die Türe versperrt.
4
b) Das Rechtsmittel führt auch (§ 301 StPO) zur Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten einen besonders schweren Menschenhandel nach § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB bejaht hat.
5
aa) Nach den Feststellungen war die Nebenklägerin nicht ausschließbar nach Deutschland gereist, um hier der Prostitution nachzugehen, und hatte diese Tätigkeit auch schon vor dem Zusammentreffen mit dem Angeklagten andernorts ausgeübt. Der Angeklagte beherbergte und verpflegte sie. Auch war er in den Besitz ihres Passes gelangt. Ohne sein Zutun ging sie zuerst auf dem Straßenstrich der Prostitution nach, ehe sie sich auf Vermittlung des Angeklagten einen Abend lang in einem Bordell und später für etwa zwei Wochen in der "Villa " prostituierte. Sodann teilte sie dem Angeklagten mit, sie wolle der Prostitution nicht weiter nachgehen, sondern vielmehr eine dauerhafte Beziehung zu ihm eingehen oder nach Bulgarien zurückkehren. Der Angeklagte lehnte eine feste Beziehung zu der Nebenklägerin unter Hinweis auf seine Familie ab. Er erklärte ihr, wenn sie nach Bulgarien zurück wolle, müsse sie sich das Geld dafür selbst weiterhin durch Prostitution verdienen. Wenn sie diese aber nicht fortsetze, müsse sie seine Wohnung sofort verlassen. Ihm war dabei klar, dass die Nebenklägerin erhebliche Angst davor hatte, allein und mittellos auf der Straße zu stehen. Er wollte sie damit anhalten, der Prostitution - auch zu seinen Gunsten - weiter nachzugehen. Die Nebenklägerin übte daraufhin weiter die Prostitution aus.
6
bb) Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte die Nebenklägerin im Sinne des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Fortsetzung oder (Wieder-)Aufnahme der Prostitution gebracht hat. Ein derartiges empfindliches Übel droht der Täter nur dann an, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil von einer Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren und von ihm in seiner konkreten Lage nicht erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält (BGHSt 31, 195, 201).
7
Es kann dahinstehen, ob der Angeklagte nach diesem Maßstab mit seiner Ankündigung, die Nebenklägerin könne nicht länger bei ihm wohnen, wenn sie sich nicht weiter prostituiere, in Verbindung mit dem "Einbehalten des Passes" ein empfindliches Übel in Aussicht gestellt hat. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, beruhte dies allenfalls auf der Hilflosigkeit, die für die des Deutschen nicht mächtige sowie des Lesens und Schreibens "im wesentlichen" unkundige Nebenklägerin mit ihrem Aufenthalt in Deutschland verbunden war. Eine hierdurch bewirkte Willensbeugung wird indes in § 232 Abs. 1 Satz 1 StGB gesondert unter Strafe gestellt, der sich mithin in derartigen Fällen als Privilegierung gegenüber § 232 Abs. 4 Satz 1 StGB darstellt. Eine Verurteilung des Angeklagten nach letztgenannter Vorschrift scheidet daher aus.
8
cc) Die Feststellungen belegen aber auch dessen Strafbarkeit nach § 232 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht. Zwar war der Angeklagte im Besitz des Passes der Nebenklägerin. Das Landgericht hat aber nicht festgestellt, wie der Angeklagte in dessen Besitz gekommen ist; schon gar nicht steht fest, dass er den Pass einbehalten hat, um die Situation der Nebenklägerin als Ausländerin zu verschlechtern und sie in ihrer Fähigkeit, sich seinem Ansinnen zu widersetzen, zu schwächen (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 232 Rdn. 10). Auch könnte die Prostitutionstätigkeit, der die Nebenklägerin vor dem Eintreffen beim Angeklagten unwiderlegt selbständig nachgegangen war, gegen eine ausländerspezifische Hilflosigkeit sprechen. Der Senat ist deshalb gehindert, den Schuldspruch abzuändern.
9
2. Die Revision des Angeklagten führt wegen der fehlerhaften Anwendung von § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB ebenfalls zur Aufhebung des Urteils.
10
3. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlass zu folgenden Hinweisen :
11
a) Sofern der Angeklagte den Pass der Nebenklägerin von Anfang an mit dem Ziel einbehalten hat, die Nebenklägerin daran zu hindern, die Prostitution aufzugeben, läge auch in dem Zeitraum, in dem diese einen solchen Willen nicht gefasst hatte, sondern freiwillig der Prostitution nachgegangen war, ein Vergehen der Zuhälterei auch in der dritten Tatvariante des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB (Maßnahmen treffen, die die Person davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben) vor.
12
b) Ob der Angeklagte im Hinblick auf die zuerst in der "Villa " und sodann in der "M. -Bar" ausgeübte Tätigkeit der Nebenklägerin eine oder mehrere Taten der Zuhälterei begangen hat, ist davon abhängig, ob die Nebenklägerin die Prostitution endgültig aufgegeben hatte, als sie sich nach der Rückkehr aus der "Villa " wieder beim Angeklagten aufhielt. Bei der Zuhälterei handelt es sich um ein Dauerdelikt, so dass mehrere, zeitlich gestreckte dirigierende Maßnahmen zum Nachteil einer Prostituierten rechtlich zu einer Tat zusammengefasst werden (BGHSt 39, 390). Dies ist aber anders, wenn die Prostituierte den Willen hat, ihre Tätigkeit zu beenden, und die dirigierende Zuhälterei erst wieder einsetzen kann, nachdem dieser Wille überwunden ist (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 170). Die bisherigen Feststellungen legen eine solche Zäsur , bei deren Vorliegen sodann in Bezug auf § 232 StGB von einer (Wieder-) Aufnahme der Prostitution und nicht von deren Fortsetzung auszugehen wäre, nicht nahe. Danach hatte der Angeklagte die Nebenklägerin aus der "Villa " abgeholt, weil deren Betreiber ihn darum gebeten hatte. Nicht ausschließbar mit dem Einverständnis der Nebenklägerin hatte der Angeklagte unmittelbar danach versucht, diese in einem anderen Bordell unterzubringen. Die Rückkehr in die Wohnung des Angeklagten diente erkennbar nicht dem Ziel, die Nebenklägerin zukünftig zu beherbergen und nicht mehr der Prostitution nachgehen zu lassen.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 354/11
vom
10. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. November
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 3. Februar 2011 im Ausspruch über die Anordnung der Sicherungsverwahrung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten und die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.
3. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung in vier Fällen (Fälle III. 1. der Urteilsgründe), gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (Fälle III. 2. und 4.), vorsätzlicher Körperverletzung (Fall III. 3.), fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (Fälle III. 5.) sowie wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung, Sachbeschädigung, versuchter Körperverletzung, versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen (Fälle III. 6.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat ferner eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Während die Revision des Angeklagten den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg hinsichtlich des Maßregelausspruchs erzielt, bleibt die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg.

I.


2
1. Dem angefochtenen Urteil liegen u. a. folgende Taten zugrunde: Am 18. Juni 2010 schlug ein Daniel M. in einem Bus in Geretsried dem Geschädigten Kai G. ins Gesicht, da dieser ihn bei der Polizei belastet hatte. Der dabeistehende, alkoholisierte Angeklagte schlug unmittelbar darauf dem G. auch ein- oder zweimal ins Gesicht (Fall III. 2., Einzelstrafe neun Monate). Am 7. August 2010 schlug der Angeklagte ohne jeden Anlass dem zufällig vorbeigehenden Peter Gl. mehrfach mit der Faust ins Gesicht , wodurch dieser einen Nasenbeinbruch erlitt. Er attackierte ihn dann weiter gemeinsam mit seinem Halbbruder Ivan P. mit Schlägen und auch gegen den Kopf gerichteten Tritten, bis ein Zeuge dazwischentrat, der ebenfalls noch einen Schlag ins Gesicht erhielt (Fall III. 4., Einzelstrafe drei Jahre). Am 11. September 2010 hatte der Angeklagte eine Auseinandersetzung mit seiner Freundin Veronika Me. . Er warf das Mobilteil ihres Telefons gegen die Wand und versuchte, sie ins Gesicht zu schlagen, was sie abwehren konnte. Als sich Veronika Me. im Badezimmer einschloss, trat der Angeklagte ein Loch in die Tür. Als kurz darauf Andrej Me. seiner Tochter zu Hilfe eilte, ging der Angeklagte mit der Faust auf ihn los und wollte ihn schlagen. Andrej Me. konnte ihn wegschubsen und gemeinsam mit einem Bekannten zu Boden bringen. Nach dem Eintreffen der Polizei wehrte sich der Angeklagte gegen die Fesselung und trat nach den Beamten und Andrej Me. , ohne sie zu treffen. Beim Abführen drohte er Veronika und Andrej Me. , sie mit seinen Freunden umzubringen (Fälle III. 6.). Das Landgericht hat für die Sachbeschädigung des Telefons und die versuchte Körperverletzung zu Lasten von Veronika Me. jeweils sieben Monate Freiheitsstrafe verhängt, für die Sachbeschädigung der Badezimmertür, die versuchte Körperverletzung zum Nachteil von AndrejMe. und die Bedrohung jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe und für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu Lasten der Beamten und des Andrej Me. eine Freiheitsstrafe von acht Monaten.
3
2. Der Angeklagte ist vielfach vorbestraft, insbesondere auch mit Körperverletzungsdelikten in Erscheinung getreten. Das Landgericht hat hierzu u. a. Folgendes festgestellt: Am 8. Februar 2002 verhängte das Amtsgericht Wolfratshausen gegen ihn eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten u. a. wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen. Der Angeklagte hatte am 25. November 2000 zusammen mit seinem Bruder Valeri S. eine Gruppe von drei Jugendlichen angegriffen und sie mit voller Wucht mit der Hand oder mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Während es zwei Jugendlichen gelang, zu flüchten, ging der dritte bei der Verfolgung zu Boden und wurde vom Angeklagten und Valeri S. mehrfach bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und getreten. Am 16. März 2001 hatte der Angeklagte einen Jugendlichen mit dem beschuhten Fuß gegen den Oberschenkel getreten, so dass der zu Boden ging. Daraufhin trat ihm der Angeklagte ins Gesicht. Am 24. September 2001 war der Angeklagte einem Bekannten begegnet und hatte ihn nach kurzer Unterhaltung unvermittelt mit der Faust wuchtig ins Gesicht geschlagen. Am 30. September 2001 hatte er auf dem Bahnhof einen Mann nach einem kurzen Gespräch unvermittelt gegen den Kopf gestoßen, so dass dieser auf die Gleise fiel. Als der Geschädigte aufstehen wollte, trat ihm der Angeklagte gegen den Kopf, so dass er erneut rücklings auf die Gleise fiel. Am 7. Oktober 2001 griffen der Angeklagte und Valeri S. einen Passanten auf der Straße unvermittelt an, indem Valeri S. wuchtig seinen Kopf in dessen Gesicht stieß. Beide rissen den Geschädigten zu Boden und schlugen und traten auf ihn ein. Als sich der Geschädigte aufrichten wollte, trat ihm Valeri S. mit voller Wucht gegen das linke Auge. Der Geschädigte blieb daraufhin benommen liegen. Als ihm vier Personen zu Hilfe kamen, wurden sie vom Angeklagten und seinem Bruder attackiert, mit Fäusten geschlagen und getreten. Zwei der Personen wurden zu Boden gerissen und mit Faustschlägen und Fußtritten traktiert. Die vier konnten schließlich in ein Bowlingbahngebäude fliehen. Der zunächst angegriffene Geschädigte erlitt schwere Gesichtsverletzungen, u. a. eine Orbitabodenfraktur und eine Lidlazeration links mit möglicherweise bleibenden Schäden am linken Auge.
4
Am 2. Mai 2006 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Wolfratshausen wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus einer früheren Entscheidung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Angeklagte hatte am 14. Mai 2005 auf dem Parkplatz vor einem Jugendzentrum ohne jeden Anlass dem dort stehenden Musiker F. einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Sodann schlug er gemeinsam mit einem Mittäter auf F. ein. Als dieser zu fliehen versuchte, folgten ihm die beiden und traten auf ihn ein. Als ein weiterer Musiker, K. , dem Geschädigten zu Hilfe kommen wollte, versetzte ihm Valeri S. einen Faustschlag ins Gesicht, so dass er zu Boden stürzte. Alle drei schlugen und traten nun auf K. ein. Einem Zeugen, der zu Hilfe eilte, versetzte der Angeklagte einen Faustschlag aufs Kinn und einen Fußtritt gegen die Schulter. Wegen der gefährlichen Körperverletzungen zum Nachteil von F. und K. verhängte das Amtsgericht jeweils Einzelstrafen von einem Jahr und neun Monaten, für die Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen eine Einzelstrafe von einem Jahr.
5
Der Angeklagte befand sich vom 21. oder 22. Dezember 2001 bis zum 6. April 2004 und vom 22. Oktober 2005 bis zum 25. März 2010 in Haft.
6
3. Das sachverständig beratene Landgericht hat bei dem Angeklagten in allen Fällen eine Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB aufgrund der zu den jeweiligen Tatzeiten bestehenden Alkoholisierung und dessen dissozialer Persönlichkeitsstörung ausgeschlossen. Von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hat es mangels Erfolgsaussicht abgesehen. Die Strafkammer hat einen Hang zur Begehung von Straftaten bejaht und die Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB n.F. angeordnet. Dass der Angeklagte aus geringem Anlass, teilweise auch ohne jeden äußeren Anlass erhebliche Körperverletzungsdelikte begehe, begründe eine besondere Gefährlichkeit für die Allgemeinheit. Die Taten seien nach der Einschätzung der Sachverständigen aus der Persönlichkeit des Angeklagten abzuleiten. Die Persönlichkeitsstörung sei nicht therapierbar, möglicherweise komme es im Alter von etwa Mitte 40 zu einer Verhaltensänderung. Die Art der Taten sei erheblich, die Opfer seien schwer geschädigt worden. Der Geschädigte Gl. habe einen Nasenbeinbruch erlitten; bei einem wehrlosen Opfer hätten die Tritte gegen den Kopf schwere bis lebensgefährliche Verletzungen hervorrufen können. Es bestehe eine hohe Wiederholungsgefahr für die Begehung vergleichbarer Delikte. Anhaltspunkte für eine positive Änderung der Persönlichkeit des Angeklagten während der Verbüßung der Strafhaft gebe es nicht.

II.


7
1. Die Revision des Angeklagten bleibt zum Schuld- und zum Strafausspruch sowie hinsichtlich der Anordnung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis ohne Erfolg. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils hat insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
8
2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hält unter Berücksichtigung der Maßgaben der durch das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931 ff.) erlassenen Weitergeltungsanordnung zu § 66 Abs. 2 StGB sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
Zwar hat die Strafkammer nach dem zum Zeitpunkt ihres Urteils maßgeblichen Rechtszustand im Ergebnis fehlerfrei auf Sicherungsverwahrung erkannt. Die formellen Voraussetzungen sind auch nach § 66 Abs. 2 StGB a.F., demgegenüber das neue Recht nicht milder ist (vgl. Art. 316e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EGStGB), erfüllt. Der Angeklagte ist viermal wegen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit zu Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und drei Jahren verurteilt worden, und zwar durch drei Einzelstrafen im Urteil des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 2. Mai 2006 und durch die jetzt im Fall III. 4. verhängte Einzelstrafe von drei Jahren. Nachvollziehbar hat das Landgericht auch einen Hang des Angeklagten zur Begehung schwerer Straftaten sowie seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bejaht.
10
Die Urteilsgründe genügen indes nicht den Anforderungen der vom Bundesverfassungsgericht nunmehr geforderten strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung. Danach muss in der Regel eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sein (BVerfG aaO Rn. 172). Hierin liegt eine Einschränkung gegenüber den Taten, die nach bisher geltendem Recht Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2011 – 3 StR 175/11 Rn. 19). Nicht alle „erheblichen Straftaten“, durch welche die Opfer „seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden“ (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB n.F.), sind auch „schwere Gewalt- oder Sexual- straftaten“ im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Weiter- geltung von § 66 StGB. Das Landgericht hat entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage die Erheblichkeit der vom Angeklagten begangenen und zu erwartenden Straftaten bejaht. Es hat dabei ausdrücklich die Verletzungshandlung gegenüber dem Geschädigten Gl. als jedenfalls im Bereich der mittleren Kriminalität liegend (UA S. 34) bewertet und festgestellt, dass gleichartige Taten jederzeit zu erwarten seien. Hinsichtlich der Schläge in das Gesicht des Geschädigten G. ist es hingegen davon ausgegangen, dass die Verletzungshandlung und die Verletzungsfolgen geringfügig waren (UA S. 30). Diese Ausführungen lassen nicht mit der notwendigen Klarheit erkennen , dass das Landgericht die erforderliche Gefahrprognose auch für schwere Gewaltdelikte im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts gestellt hat.

III.


11
1. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Zwar hat die Staatsanwalt- schaft die Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch beantragt, dies steht jedoch mit dem übrigen Inhalt der insoweit maßgeblichen Revisionsbegründungsschrift , die sich nur gegen die Strafzumessung richtet, nicht im Einklang.
12
2. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung der Strafrahmen sowie die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe sind nach Maßgabe der insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungskompetenz nicht zu beanstanden.
13
a) Soweit die Revisionsführerin der Ansicht ist, dass das Landgericht im Fall III. 2. zu Unrecht vom Vorliegen eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung ausgegangen ist, zeigt die Revisionsbegründung keinen Rechtsfehler auf.
14
Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung dieses Strafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig , ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Die Erschwernis- und Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar näher gelegen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2010 – 4 StR 53/10 Rn. 8 mwN).
15
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Annahme eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung im Fall III. 2. der Urteilsgründe nicht zu beanstanden. Insbesondere lassen die Urteilsgründe nicht besorgen, dass das Landgericht bei seiner Abwägung die vielfachen einschlägigen Vorstrafen , die im Einzelnen dargestellt sind, und die Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten außer Betracht gelassen haben könnte. Dass der Angeklagte selbst in diesem Fall aus besonders verwerflichen Rachemotiven heraus handelte , ist nicht festgestellt. Die Revisionsbegründung führt dementsprechend auch aus, dass sich der Vorfall für den Angeklagten als Gelegenheit dargestellt habe, seiner Neigung entsprechend eine ihm vor dem Vorfall völlig unbekannte Person anzugreifen und zu verletzen.
16
b) Auch die Beanstandungen der Revisionsführerin gegen die Milderung der Strafrahmen in den Fällen der versuchten Körperverletzung im Tatkomplex III. 6. greifen letztlich nicht durch.
17
Die Frage einer Verschiebung des Strafrahmens wegen Versuchs ist auf Grund einer Gesamtschau der Tatumstände im weitesten Sinne sowie der Persönlichkeit des Täters zu entscheiden. Dabei kommt besonderes Gewicht den wesentlich versuchsbezogenen Umständen zu, nämlich Nähe der Tatvollendung , Gefährlichkeit des Versuchs und aufgewandte kriminelle Energie, weil sie die wichtigsten Kriterien für die Einstufung des Handlungs- und Erfolgsunwerts einer nur versuchten Tat liefern (BGH, Urteil vom 15. Februar 1995 – 2 StR 482/94, NStZ 1995, 285 mwN). Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, dass das Landgericht die vorgenommene Strafrahmenverschiebung nicht ausdrück- lich begründet hat. Ersichtlich hat es jedoch den vorstehend dargelegten Grundsätzen bei der von ihm getroffenen Ermessensentscheidung Rechnung getragen. Nach den Feststellungen zu den versuchten Körperverletzungsdelikten im Tatkomplex III. 6. drängt sich eine Versagung der Strafmilderung nicht auf.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin
5 StR 415/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2012

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. April 2012
a) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zum besonders schweren Raub und zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig ist,
b) nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zum (ausweislich der Gründe: besonders) schweren Raub und zur versuchten (ausweislich der Gründe: besonders schweren) räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten ist zum Schuldspruch, den der Senat gemäß den Urteilsgründen klarstellt, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, führt jedoch zur Aufhebung des Strafausspruchs.
2
Das Landgericht hat der Strafzumessung den nicht weiter geminderten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt. Dabei hat es zwar die Gehilfenstellung des Angeklagten mitberücksichtigt, es hat indes nicht, wie geboten (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 50 Rn. 4), vorrangig geprüft, ob bereits die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen, wonach der Sonderstrafrahmen nochmals nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB zu mindern gewesen wäre. Ungeachtet der Vorbelastungen des Angeklagten und der Tatbegehung im Jugendstrafvollzug lässt sich eine solche Möglichkeit bei dem Gewicht der vom Landgericht aufgeführten allgemeinen Milderungsgründe und dem verhältnismäßig geringen konkreten Maß des Vermögensfaktors der Tat nicht sicher ausschließen.
3
Da der Senat mit Urteil vom heutigen Tage auf Revision der Staatsanwaltschaft auch den Strafausspruch zum Nachteil des mitangeklagten heranwachsenden Haupttäters aufgehoben hat, verbleibt es bei der Zurückverweisung an eine Jugendkammer. Dieses neue Tatgericht wird sich auch um eine ausgewogene Bemessung der zu verhängenden Sanktionen gegen den bei Tatbegehung gerade schon erwachsenen angeklagten Gehilfen und seinen nur eineinhalb Jahre jüngeren, noch heranwachsenden mitangeklagten Haupttäter zu bemühen haben.
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 602/11
vom
23. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung,
Staatsanwältin bei der Verkündung
als Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
der Angeklagte P. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 7. Februar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ferner hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
2
Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision greift die Staatsanwaltschaft den Freispruch an und erstrebt eine Verurteilung wegen versuchten Mordes. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


3
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
4
a) Der Angeklagte unterhielt mit dem späteren Tatopfer M. etwas mehr als ein Jahr lang eine intime Beziehung, die die Geschädigte Ende Juni 2010 unter anderem wegen des übermäßigen Alkoholkonsums des Angeklagten und seines gewalttätigen Verhaltens ihr gegenüber beendete. Der Angeklagte , der die Trennung nicht akzeptieren wollte, suchte weiterhin Kontakt zu der Geschädigten. In den Abendstunden des 1. August 2010 versuchte er mehrfach, sie von der Wohnung seiner abwesenden früheren Lebensgefährtin G. in G. aus telefonisch zu erreichen, wo er seinen Sohn aus der Beziehung mit .G. beaufsichtigte. Es kam jedoch nur ein kurzes Gespräch zu Stande, weil die Geschädigte seine weiteren Anrufe ignorierte. Daraufhin suchte sie der Angeklagte etwa gegen Mitternacht inihrer Wohnung in Gn. auf, in der sie sich mit ihrem neuen Lebensgefährten L. aufhielt, wobei er seinen Sohn in G. allein zurückließ. Im Verlauf der nun folgenden, zu dritt geführten Unterhaltung drängte er L. unter anderem mehrfach, eine gegen ihn, den Angeklagten, erstattete Strafanzeige wegen Körperverletzung zurückzunehmen; der Angeklagte hatte etwa eine Woche zuvor L. wegen dessen Beziehung zur Geschädigten zur Rede gestellt und ihm dabei mindestens zweimal mit der Hand an den Kopf geschlagen. L. ging jedoch auf dieses Ansinnen des Angeklagten nicht ein. Um den Angeklagten loszuwerden, erklärte sich die Geschädigte nach anfänglichem Zögern bereit, ihn seiner Bitte entsprechend mit ihrem Pkw nach R. zu fahren , wo er im Haus seiner Mutter eine Wohnung hatte. Nachdem beide dort gegen 00.30 Uhr angekommen waren, griff der Angeklagte noch im Pkw von vorne an den Hals der Geschädigten und drückte so fest zu, dass diese Luftnot bekam. Ferner versetzte ihr der Angeklagte mindestens zwei kräftige Faustschläge gegen den Kopf, ohne dabei von ihrem Hals abzulassen. Infolge des ununterbrochenen und langanhaltenden Würgens wurde die Geschädigte für etwa zehn bis fünfzehn Minuten bewusstlos. Sie erlitt einen beidseitigen Bruch des Oberkieferknochens sowie Schwellungen und Unterblutungen an Ober- und Unterlippe. Dass seine Handlungen geeignet waren, das Leben der M. zu gefährden, war ihm bewusst; er nahm dies in Kauf. Bei Begehung der Tat war er infolge einer maximal möglichen Blutalkoholkonzentration von 2,75 ‰ in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt.
5
b) Der Angeklagte fuhr nunmehr mit dem Tatopfer in dessen Fahrzeug in Richtung Rostock.Gegen 4.18 Uhr fuhr der Angeklagte auf das Gelände der – videoüberwachten – Tankstelle Rostock- . In den frühen Vormittagsstunden des 2. August 2010 kehrte der Angeklagte mit der Geschädigten in deren Pkw nach G. zurück. Der Angeklagte begab sich in die Wohnung der G. , während die Geschädigte mit dem Wagen nach Hause fuhr. Von dort aus erstattete sie telefonisch Strafanzeige gegen den Angeklagten und gab an, dieser habe sie in der Nacht vergewaltigt. Der Angeklagte wurde daraufhin in Untersuchungshaft genommen.
6
2. a) Nach der Einlassung des Angeklagten kam es zwischen ihm und der Geschädigten nach der Ankunft in R. am 2. August 2010 gegen 00.30 Uhr zunächst zu einem längeren Gespräch und dann zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Danach habe ihm M. Vorhaltungen wegen seines Alkoholkonsums und seiner Einstellung zu Frauen gemacht. Er sei wütend geworden und habe ihr zweimal ins Gesicht geschlagen; gewürgt habe er sie nicht. Die Geschädigte sei daraufhin für kurze Zeit bewusstlos gewesen. Demgegenüber hat das Tatopfer bekundet, dass der Angeklagte nach der gemeinsamen Ankunft in R. nicht wie erwartet aus dem Wagen gestiegen sei, sondern plötzlich mit einer Hand ihren Hals ergriffen und so fest zugedrückt habe , dass sie Atemnot bekommen habe. Er habe sie mit der rechten Hand an ihrem Hals zwischen den vorderen Sitzen hindurch nach hinten auf die Rück- bank gedrückt, sich über die Lehnen der Vordersitze gebeugt und daraufhin mit beiden Händen gewürgt. Sie habe sich gewehrt, woraufhin er mit der linken Hand weiter den Hals zugedrückt und ihr mit seiner rechten Hand in das Gesicht geschlagen habe. Sie habe husten und sich übergeben müssen; dann sei sie ohnmächtig geworden. Als sie wieder zu sich gekommen sei, habe sie auf der nahegelegenen Wiese mit dem Rücken auf dem Boden gelegen. Der Angeklagte habe auf ihr gelegen und den Geschlechtsverkehr mit ihr ausgeführt. Nach etwa fünf Minuten habe er sie hochgezogen und sei mit ihr zum Haus gegangen. Nach kurzem Aufenthalt in seinem Badezimmer seien sie in ihrem Pkw Richtung G. losgefahren.
7
b) Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, er habe die Geschädigte nicht gewürgt, sondern nur kurz an ihren Hals gefasst, vor dem Hintergrund der Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen als widerlegt angesehen. Durch die beiden – eingeräumten – Faustschläge sowie das Würgen bis zur Bewusstlosigkeit habe sich der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB schuldig gemacht. Die Annahme eines versuchten Tötungsdeliktes liege zwar nicht fern, der Angeklagte sei von diesem Versuch jedoch strafbefreiend zurückgetreten. Eine beim Angeklagten nach Eintritt der Bewusstlosigkeit bei der Geschädigten möglicherweise vorhandene Fehlvorstellung über den Erfolgseintritt habe allenfalls wenige Augenblicke bestanden, sodass die Annahme eines beendeten Tötungsversuches nicht in Betracht komme. Er habe wenige Augenblicke nach seiner letzten Ausführungshandlung erkannt, dass entgegen seiner Einschätzung mit dem Eintritt des Erfolges nicht zu rechnen gewesen sei, und nach dem Aufwachen der Geschädigten aus der Bewusstlosigkeit die fortbestehende Gelegenheit zu weiteren Ausführungshandlungen nicht wahrgenommen.
8
c) Hinsichtlich des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person hat sich die Strafkammer die für eine Verurteilung des Angeklagten erforderliche Gewissheit nicht verschaffen können. Zwar sei die Einlassung des Angeklagten schon für sich genommen nicht glaubhaft und stehe mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme in mehrfacher Hinsicht in Widerspruch. Dies gelte etwa für den von ihm behaupteten Anlass für den nächtlichen Besuch beim Tatopfer: Grundbuchunterlagen, die der Angeklagte seinen Angaben nach einsehen wollte, befanden sich nicht in deren Besitz und seien auch nicht Gesprächsthema gewesen, was der Zeuge L. glaubhaft bestätigt habe. Der Angeklagte habe auch nicht plausibel erklären können, warum die Geschädigte ihren Slip auf der Wiese vor dem Haus in R. zurückgelassen habe. Außerdem habe er im Laufe des Strafverfahrens stark voneinander abweichende Versionen des Geschehens geschildert. Aber auch die Bekundungen der Geschädigten M. zum Kerngeschehen könne die Strafkammer ihren Feststellungen nicht zu Grunde legen. Es sei zwar nicht zu verkennen , dass die Realkennzeichen in ihrer Tatschilderung auf Erlebnisfundiertheit hindeuteten, so beispielsweise das tatsächlich vorhandene Erbrochene auf der Rücksitzbank ihres Fahrzeugs. Ferner seien auch die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen geeignet, die Aussage der Geschädigten zu stützen, weil sie das Verletzungsbild erklären könnten. Jedoch sei der von ihr geschilderte zeitliche Ablauf mit erheblichen, nicht auflösbaren Unklarheiten behaftet. Innerhalb des sicher feststehenden Zeitraums zwischen der Ankunft des Angeklagten und seines Tatopfers in R. um 00.30 Uhr und dem durch die Überwachungsanlage dokumentierten Aufenthalt auf dem Gelände der Tankstelle in Rostock um 04.18 Uhr verbleibe auch bei großzügiger Berechnung der erforderlichen Zeit für die von der Geschädigten geschilderten Ereignisse die beträchtliche Lücke von etwa einer Stunde, die sie nicht habe erklären können.

II.


9
Der Freispruch vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person im Sinne von § 179 Abs. 1, 5 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (Senatsbeschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler in einem solchen Fall auch darin liegen, dass das Tatgericht nach den Feststellungen nicht naheliegende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575 m.w.N.). Er- kennt der Tatrichter auf Freispruch, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss er in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlich gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGH, Urteil vom 13. Februar 1974 – 2 StR 552/73, BGHSt 25, 285, 286; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 aaO).
11
2. Diesen rechtlichen Anforderungen wird die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall nicht gerecht. Soweit das Landgericht eine Verurteilung wegen einer Sexualstraftat zum Nachteil der M. abgelehnt hat, ist sie lücken- und damit rechtsfehlerhaft.
12
a) Das Landgericht stützt seine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Tatopfers zu diesem Teil des Geschehensablaufs auf angeblich nicht auflösbare Unklarheiten in dessen Aussage zum zeitlichen Ablauf. Dabei geht es davon aus, dass der Angeklagte mit M. gegen 2.30 Uhr vom Tatort in Richtung Rostock abgefahren sein müsse. In der Aussage des Opfers finde sich keine Erklärung für den Zeitraum zwischen 1.30 Uhr und dieser Abfahrt um 2.30 Uhr. Für diese Annahme fehlt es jedoch an einer tragfähigen Grundlage. Der Zeuge J. , dessen Angaben die Strafkammer ersichtlich für glaubhaft hält, hat bereits um 0.30 Uhr Stimmen von zwei Personen, darunter die des Angeklagten, gehört und „wenig später“ das Klappen von Autotüren so- wie das Wegfahren eines Pkw VW Golf wahrgenommen. Diese Aussage hat das Landgericht bei seiner zeitlichen Rekonstruktion der Geschehensabläufe bis zum Auftauchen des Angeklagten und des Tatopfers auf dem Gelände der Tankstelle in Rostock gegen 4.18 Uhr nicht bedacht. Legt man die Aussage des Zeugen J. zu Grunde, entbehrt sowohl die Annahme, der Angeklagte und die Geschädigte seien erst um 2.30 Uhr vom Tatort abgefahren, als auch die Unterstellung eines ungeklärten Geschehensablaufs zwischen 1.30 und 2.30 Uhr einer Grundlage.
13
b) Es kommt hinzu, dass das Schwurgericht bei der Würdigung der Aussage des Tatopfers nicht berücksichtigt hat, dass dessen Angaben zum Vorwurf einer Sexualstraftat in gewichtigen Beweisanzeichen außerhalb der Aussage eine Stütze finden. So hat es unerwähnt gelassen, dass dem Zeugen J. und auch einem am Tatort ermittelnden Polizeibeamten am nächsten Tag zwei parallel verlaufende Schleifspuren über den Hof des Anwesens in R. bis zu dem mit Gras bewachsenen Garten auffielen, die nach seiner sicheren Erinnerung am Vorabend noch nicht vorhanden gewesen waren. Diese Spuren können zwanglos mit der Aussage des Tatopfers in Einklang gebracht werden, es sei durch das Würgen im Pkw bewusstlos geworden und erst auf der Wiese wieder zu sich gekommen. Auch das Auffinden des Slips des Opfers an dem von diesem angegebenen Tatort hat das Landgericht lediglich zur Widerlegung der Einlassung des Angeklagten herangezogen, der einvernehmlichen Geschlechtsverkehr behauptet hat, jedoch nicht – was geboten gewesen wäre – auch bei der Würdigung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Tatopfers.
14
c) Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der von der Strafkammer selbst erwogenen, für die Richtigkeit der Aussage von M. sprechenden Umstände, etwa den tatsächlich vorhandenen Spuren von Erbrochenem auf der Rückbank des Fahrzeugs und den ihre Angaben bestätigenden Verletzungsspuren an ihrem Körper kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zu einer abweichenden Bewertung der Aussage des Opfers gelangt wäre. Dabei hätte sich das Landgericht zudem mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Unsicherheiten der Zeugin hinsichtlich der genauen zeitlichen Einordnung ihre Ursache naheliegend in ihrer psychischen Verfassung nach einem tatsächlich erlebten Geschehen hatten und nicht in dem Bestreben, den Angeklagten wahrheitswidrig zu belasten.

III.


15
Die Rechtsfehler in der Beweiswürdigung führen auf die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils insgesamt.
16
Eine Aufhebung in vollem Umfang hat auch dann zu erfolgen, wennein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Tatgeschehen, das der Verurteilung zu Grunde liegt, und dem Geschehen, auf dessen Grundlage eine Verurteilung möglicherweise in Betracht kommt, nach den Umständen des Falles nicht auszuschließen ist (BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 – 3 StR 182/08, Tz. 10). Einen solchen engen Zusammenhang zwischen dem Verletzungsgeschehen und dem von der Zeugin geschilderten weiteren Geschehen mit der Folge, dass eine tateinheitliche Verurteilung in Betracht kommt, kann der Senat im vorliegenden Fall nicht von vorneherein ausschließen. Damit erfasst die Aufhebung des angefochtenen Urteils auch den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung. Auf die von der Staatsanwaltschaft insoweit erhobenen Beanstandungen kommt es deshalb nicht an.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 2 5 / 1 4
vom
2. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
2. September 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Februar 2014 im Adhäsionsausspruch aufgehoben. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag des Nebenklägers wird abgesehen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen trägt jeder Beteiligte selbst.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung (Fall II. 1.) und wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 2.) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn dazu verurteilt, an den im Fall II. 2. geschädigten Nebenkläger ein Schmer- zensgeld in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 3. Dezember 2013 zu zahlen.
2
Das auf eine Verfahrensrüge und auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Rechtsmittel des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Demgegenüber kann die Adhäsionsentscheidung keinen Bestand haben.
3
Das Landgericht hat zur Begründung der Höhe des Schmerzensgeldanspruchs lediglich ausgeführt, dass es "die Schwere der Verletzung des Nebenklägers und die nicht unerheblichen, wahrscheinlich bleibenden Folgen einerseits und die Schwere des Verschuldens des Angeklagten andererseits gegeneinander abgewogen" habe. Derartige allgemeine Erwägungen genügen nicht den Anforderungen an die Begründungspflicht, die auch für die im Strafurteil getroffene Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche gilt. Insbesondere wird mit dieser Begründung der Adhäsionsentscheidung schon nicht deutlich, ob die Kammer dabei, wie regelmäßig erforderlich, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Tatbeteiligten berücksichtigt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344; vom 29. November 2011 - 3 StR 326/11, juris Rn. 13 mwN). Da die Zurückweisung der Sache allein wegen des zivilrechtlichen Teils der Entscheidung nicht in Betracht kommt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 406a Rn. 5 mwN), sieht der Senat von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag ab. Schäfer RiBGH Hubert ist wegen Mayer Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 324/14
vom
11. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2017:110517B2STR324.14.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2017 gemäß § 406a Abs. 2 Satz 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 17. April 2014 wird verworfen, auch soweit sie sich gegen die Adhäsionsentscheidung richtet. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 17. April 2014 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Außerdem hat es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, ihr allen künftigen immateriellen Schaden aus der Tat zu ersetzen. Der Senat hat die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten durch Beschluss vom 9. April 2015 verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet. Zugleich hat er die Entscheidung über die Revision gegen die im vorgenannten Urteil des Landgerichts getroffene Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels im Hinblick auf das mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim Großen Senat für Zivilsachen eingeleitete Anfrageverfahren zur Frage der Bemes- sung eines Schmerzensgeldes zurückgestellt und sie einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Nach der Entscheidung der Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs vom 16. September 2016 - VGS 1/16 (JR 2017, 179 ff.), denen der Senat mit Beschluss vom 14. April 2016 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 - die Frage vorgelegt hatte, ob bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten berücksichtigt werden dürfen, und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr die gegen die Adhäsionsentscheidung gerichtete Revision des Angeklagten zu verwerfen.

I.

2
Die Vereinigten Großen Senate haben entschieden, dass bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB847 BGB a.F.) alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (BGH, Beschluss vom 16. September 2016 - VGS 1/16).
3
Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung , die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtuungsfunktion , st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 154 ff.; BGH, Urteile vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 4 f.; vom 29. November 1994 - VI ZR 93/94, BGHZ 128, 117, 120 f.).
4
Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen Entschädigung. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immaterielle Schäden nicht wegzudenken ist, eine besondere Bedeutung.
5
Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den Schadensfall hervorgerufene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem zum Ausdruck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Berücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet (BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157; Urteil vom 16. Januar 1996 - VI ZR 109/95, NJW 1996, 1591).
6
Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung im Vordergrund. Daneben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers (Vereinigte Große Senate, aaO, Rn. 55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung einer „armen“ Partei durch einen vermögenden Schädiger etwa bei einem außergewöhnlichen „wirtschaftlichen Gefälle“ sein (Vereinigte Große Se- nate, aaO, Rn. 57). Indem der Tatrichter im ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, dann die prägenden Umstände auswählt und gewichtet , dabei gegebenenfalls auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist (Vereinigte Große Senate, aaO, Rn. 56, 70).
7
Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägenden einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung , in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen einer sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein dem einzelnen Fall gerecht werdendes Schmerzensgeld festzusetzen. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten (Vereinigte Große Senate, aaO, Rn. 72).
8
Für die Überprüfung eines Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
9
Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagten und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs regelmäßig keinen Rechtsfehler dar. Ausnahmsweise ist eine Berücksichtigung vonnöten, wenn die wirtschaftlichen Ver- hältnisse dem Fall ein „besonderes Gepräge“ geben. Dies ist etwa bei einem wirtschaftlichen Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Fall kein besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.
10
Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem oder Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge geben, gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der tatrichterlichen Erwä- gungen im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten wird sich regelmäßig nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben, hingegen liegt es nahe, dass die Einbeziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation des Tatopfers zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes geführt und sich nachteilig ausgewirkt hat.

II.

11
An diesen Maßstäben gemessen begegnet die Adhäsionsentscheidung des angefochtenen Urteils keinen Bedenken. Das Landgericht hat sich für die Bemessung des Schmerzensgeldes an dem Ausmaß des begangenen Tatunrechts und den Folgen für das Opfer orientiert. Da sich in den Urteilsgründen keine Anhaltspunkte dafür finden, dass etwa ein außergewöhnliches Gefälle zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen von Täter und Opfer und deshalb ein Fall vorliegt, in dem die wirtschaftliche Situation der Sache ein besonderes Gepräge gibt, war die Außerachtlassung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin - entgegen bisheriger Rechtsprechung der Strafsenate - nicht zu beanstanden. Appl Krehl Eschelbach Zeng Grube

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 AR s 2 9 / 1 4
vom
5. März 2015
in den Strafsachen
gegen
1.
2.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 8. Oktober 2014
(2 StR 137/14 und 2 StR 337/14)
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. März 2015 gemäß § 132
Abs. 3 GVG beschlossen:
Der vom 2. Strafsenat beabsichtigten Entscheidung, in der Strafsache gegen E. (2 StR 337/14) die Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld aufzuheben, soweit die Bemessung auf der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch des Angeklagten beruht, steht Rechtsprechung des 3. Strafsenats entgegen; an dieser Rechtsprechung hält der 3. Strafsenat fest. Im Übrigen hält der 3. Strafsenat an Rechtsprechung, die den beabsichtigten Entscheidungen entgegenstehen kann, nicht fest.

Gründe:

I.


1
Der 2. Strafsenat hat in den vorgenannten Strafsachen über die Revisionen der Angeklagten gegen deren Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren (§ 403 StPO) zu entscheiden.
2
Im Verfahren 2 StR 137/14 gegen G. sieht sich der 2. Strafsenat nach der bisherigen Rechtsprechung der Zivil- und der Strafsenate des Bundesgerichtshofs gehalten, die angefochtene Entscheidung wegen unzureichender tatrichterlicher Erörterung der Vermögensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem der Höhe nach aufzuheben und es bei einer Feststellung der Zahlungspflicht dem Grunde nach zu belassen. Er beabsichtigt gleichwohl, die Revision zu verwerfen.
3
Im Verfahren 2 StR 337/14 gegen E. hat der Tatrichter demgegenüber bei der Bemessung des Schmerzensgelds die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Geschädigten berücksichtigt. Der 2. Strafsenat kann nicht ausschließen, dass das Schmerzensgeld ohne deren Berücksichtigung niedriger ausgefallen wäre. Er beabsichtigt deshalb, die Verurteilung der Höhe nach aufzuheben und es bei einer Feststellung der Zahlungspflicht dem Grunde nach zu belassen.
4
Der 2. Strafsenat vertritt die Rechtsauffassung:
5
"Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen."
6
Er hat deshalb beim Großen Senat für Zivilsachen und bei den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs angefragt, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

II.


7
An Rechtsprechung, die der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats im Verfahren 2 StR 137/14 entgegenstehen könnte, hält der 3. Strafsenat nicht fest. Schon nach den aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuleitenden Maßstäben für die Bemessung von Schmerzensgeld sähe der 3. Strafsenat nunmehr keinen Anlass mehr, in der beschriebenen Fallgestaltung die Höhe der zugebilligten Entschädigung wegen Darlegungsmängeln zu beanstanden und deshalb die Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld aufzuheben.
8
1. Nach dem Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) "können" bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld alle Umstände des Falles berücksichtigt werden, darunter auch der Grad des Verschuldens des Verpflichteten und die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Teile.
9
a) Mit dieser Fassung seiner Antwort auf die Vorlagefrage wollte der Große Senat für Zivilsachen "zum Ausdruck zu bringen, daß nicht alle erwähnten Umstände in jedem Einzelfall berücksichtigt werden müssen, sondern nur nach dessen Lage berücksichtigt werden können." In erster Linie sei für die Bemessung des Schmerzensgeldes die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen; hierauf liege das Schwergewicht. Daneben könnten aber auch alle Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein "besonderes Gepräge" geben. Was die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers betreffe, sei aber zu beachten, dass besonders verwerfliches Verhalten wie rücksichtsloser Leichtsinn oder gar Vorsatz den Gedanken , diesen vor wirtschaftlicher Not zu bewahren, "weitgehend zurückdrän- gen" könnten. Was demgegenüber die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verletzten anbelangt, betont die Entscheidung deren weitgehende Ambivalenz in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalles. So könnten deutliche Ungleichheiten der Vermögensverhältnisse beider Parteien einerseits je nach Lage des Falles dazu führen, von den bestehenden Ermessensmöglichkeiten zu Gunsten oder zu Lasten des Schädigers in höherem oder in geringerem Maße Gebrauch zu machen. Andererseits erscheine es nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall "der gewohnte höhere Lebensstandard des Verletzten" auch einmal zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen könne.
10
b) Daraus wird deutlich, dass der Große Senat für Zivilsachen den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem im Wesentlichen nur die Funktion eines Korrektivs für besonders gelagerte Fälle beigemessen hat. Soweit die zivilrechtliche Literatur an der Berücksichtigungsfähigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse festhält, vertritt sie dementsprechend ebenfalls die Auffassung, dass diese nur ausnahmsweise für den Anspruch von Belang sind (vgl. Staudinger/Schiemann (2005), BGB, § 253 Rn. 42). Dieses RegelAusnahme -Verhältnis kann bei der Beurteilung der tatrichterlichen Darlegungspflichten nicht außer Betracht bleiben.
11
2. Nichts anderes ergibt sich aus der langjährigen ständigen Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs in der Folge der genannten Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen.
12
So hat der 1. Strafsenat (Urteil vom 7. Februar 1995 - 1 StR 668/94, NJW 1995, 1438) den Tatrichter lediglich zur Erörterung "ganz ungewöhnlicher" wirtschaftlicher Verhältnisse von Schädiger oder Geschädigtem verpflichtet angesehen. Zwar könnten die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten die Zumessung des Schmerzensgelds beeinflussen. Dies bedeute jedoch nicht, dass diese Verhältnisse und ihr Einfluss auf die Bemessung in jedem Fall ausdrücklich erörtert werden müssten. Das Schwergewicht liege nach dem Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen einerseits auf dem Maß der Lebensbeeinträchtigung , andererseits auf dem Grad des Verschuldens. Rücksichtsloser Leichtsinn oder gar Vorsatz könnten den Gedanken weitgehend zurückdrängen , den Schädiger vor wirtschaftlicher Not zu bewahren. Ebenso hat der 3. Strafsenat (Beschluss vom 5. Januar 1999 - 3 StR 602/98, NJW 1999, 1123, 1124) einen Verstoß gegen tatrichterliche Erörterungspflichten bei der Bemessung des Schmerzensgelds mit der Begründung verneint, es seien keine Anhaltspunkte für "außergewöhnliche" wirtschaftliche Verhältnisse ersichtlich, die maßgeblichen Einfluss auf die Bestimmung des Schmerzensgeldes hätten gewinnen können.
13
Dementsprechend haben die Strafsenate auch aufhebende Entscheidungen in erster Linie darauf gestützt, dass sich die Erörterung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach Sachlage (Beschluss vom 30. April 1993 - 3 StR 169/93), nach den Feststellungen (Beschluss vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4) oder nach den Umständen (Beschluss vom 26. August 1998 - 2 StR 151/98, BGHR StPO § 403 Anspruch 6) aufdrängte.
14
3. Soweit ersichtlich erstmals der anfragende Senat hat in der Folge - ohne dass dem die Qualität einer Entscheidung im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG zukäme - die Auffassung vertreten, es sei "regelmäßig erforderlich", auch die wirtschaftlichen Verhältnisse "der Tatbeteiligten" zu berücksichtigen (Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344). Dem ist auch der 3. Strafsenat in mehreren Entscheidungen gefolgt (vgl. Beschlüsse vom 8. Januar 2014 - 3 StR 372/13, StraFo 2014, 217; vom 21. Januar 2014 - 3 StR 388/13; vom 20. März 2014 - 3 StR 20/14; vom 2. September 2014 - 3 StR 325/14, NStZ-RR 2014, 350). Eine solche Spruchpraxis, die sich insbesondere im strafrechtlichen Revisionsverfahren nur zum Nachteil des Geschädigten auswirken kann, erscheint indes weder mit den vom Großen Senat für Zivilsachen entwickelten Maßstäben für die Bemessung von Schmerzensgeld noch mit der daran anknüpfenden vorgängigen ständigen Rechtsprechung der Strafsenate vereinbar. Der 3. Strafsenat gibt diese Rechtsprechung auf.

III.


15
1. Was die beabsichtigte Entscheidung im Verfahren 2 StR 337/14 betrifft , ist der 3. Strafsenat weiterhin der Auffassung, dass - nach Maßgabe des Beschlusses des Großen Senats für Zivilsachen vom 6. Juli 1955 (oben I.) - die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers bei der Bemessung des Schmerzensgelds berücksichtigt werden können.
16
a) Nach dem vorgenannten Beschluss ist der Schmerzensgeldanspruch gemäß (seinerzeit) § 847 BGB kein gewöhnlicher Schadensersatzanspruch, sondern ein Anspruch eigener Art mit doppelter Funktion. Er soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion); zugleich soll er dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, war er ihm angetan hat (Genugtuungsfunktion). Daran, dass dem Schmerzensgeld neben der Ausgleichs- auch eine Genugtuungsfunktion zukommt, hält der 3. Strafsenat fest. Welche Auffassung der 2. Strafsenat hierzu vertritt, lässt sich der Anfrage nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen. Soweit dieser ausführt, die Genugtuungsfunktion könne nicht zur Berück- sichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers führen, weil "Art und Ausmaß des vom Schädiger wiedergutzumachenden Unrechts" nicht von dessen Vermögensverhältnissen abhängen, vermengt er beide Funktionen und stellt die Genugtuungsfunktion letztlich insgesamt in Frage.
17
b) Hält man richtigerweise an der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgelds fest, so verbietet sich die plakative Aussage des 2. Strafsenats, die Entschädigung für ein- und dasselbe körperliche oder seelische Leiden könne nicht davon abhängen, ob der Schädiger "Hilfsarbeiter oder Millionär" sei. Dies gilt insbesondere für die - im Verfahren 2 StR 337/14 allein zur Beurteilung anstehende - Fallgestaltung einer anspruchserhöhenden Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers. Mit der von Gesetzes wegen geforderten Billigkeit der Entschädigung stünde es jedenfalls nicht in Einklang, den minderbemittelten Straftäter wie vom anfragenden Senat vorgeschlagen auf die Pfändungsgrenze zu verweisen, den "Millionär" im Einzelfall aber mit einem Betrag davonkommen zu lassen, der nach dessen Verhältnissen allenfalls symbolisch erscheint.
18
2. Dagegen teilt der 3. Strafsenat die Auffassung des anfragenden Senats, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten bei der Bemessung des Schmerzensgelds unberücksichtigt bleiben müssen; insoweit hält er an entgegenstehender Rechtsprechung nicht fest.
19
Gemessen an den Maßstäben des Beschlusses des Großen Senats für Zivilsachen vom 6. Juli 1955 bleibt die Bedeutung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten für die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs zwar wie dargelegt letztlich ambivalent. Gute wie auch schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Geschädigten können danach in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls gleichermaßen anspruchserhöhend wie anspruchsmindernd wirken. In allen der vom Großen Senat für Zivilsachen aufgezeigten Fallgestaltungen läge in der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten bei der Bemessung seines Anspruchs nach heutigem Verfassungsverständnis jedoch eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß jedenfalls gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgelds kann bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Geschädigten eine Besserstellung ebenso wenig rechtfertigen wie gar eine Anspruchsminderung. Umgekehrt erscheint es aber auch nicht zulässig, den Schmerzensgeldanspruch eines Geschädigten, der sich in guten wirtschaftlichen Verhältnissen befindet, deswegen zu erhöhen oder zu mindern.
Becker Hubert Mayer
Gericke Spaniol

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 306/13
vom
26. September 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 26. September 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 10. Januar 2013
a) im Fall II.3 der Urteilsgründe,
b) in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen
c) hinsichtlich der Adhäsionsentscheidung, soweit darin eine Feststellungsentscheidung bezüglich der Erstattung weiterer materieller Schäden ergangen ist, aufgehoben. Von einer Entscheidung über den aufgehobenen Teil des Entschädigungsantrags des Adhäsionsklägers wird abgesehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen schweren Raubs, Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer weiteren Entscheidung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren, den Angeklagten B. wegen derselben Delikte sowie darüber hinaus wegen Diebstahls ebenfalls unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die auf die Verletzung förmlichen und materiellen Rechts gestützten Revisionen haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

2
Hinsichtlich des Schuldspruchs im Fall II.3 der Urteilsgründe haben die Revisionen mit einer gleichlautenden Verfahrensrüge Erfolg, so dass es auf die Sachrüge insoweit nicht mehr ankommt. Der Schuldspruch im Übrigen begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
3
1. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
4
Am neunten Hauptverhandlungstag stellte der Verteidiger des Angeklagten B. einen Beweisantrag, den Zeugen A. unter anderem zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass dieser Anfang Januar 2012 über die Vermittlung des Zeugen U. von Rö. eine Gaspistole erhalten und mit dieser gemeinsam mit einem Freund in der Nacht des darauf folgenden Tags die Spielhalle in R. auf der K. Straße überfallen habe. Der Verteidiger des Angeklagten R. schloss sich dem Beweisantrag an, den die Kammer mit Beschluss vom gleichen Tag zurückwies. Zur Begründung führ- te das Landgericht aus, es handele sich nicht um einen Beweisantrag, da die Bezeichnung des Tatorts "Die Spielhalle in R. auf der K. Straße" nicht hinreichend bestimmt sei. Außerdem wies die Kammer darauf hin, dass nach der Bekundung des Zeugen U. eine silberfarbene Gaspistole im Umlauf gewesen sei, während ausweislich der Lichtbilder und des Videos vom Tatort ausschließlich schwarzfarbene pistolenähnliche Gegenstände eingesetzt worden seien. Weshalb der Zeuge A. deshalb eigene Wahrnehmungen zu einem mit einer schwarzen Pistole begangenen Überfall bekunden können soll, sei weder ersichtlich noch von der Verteidigung mitgeteilt. Daraufhin stellte der Verteidiger des Angeklagten R. u.a. unter Beweis, der Zeuge A. werde bekunden, dass er von Rö. am 2. Januar 2012 eine Gaspistole bekommen, am darauffolgenden zwei weitere schwarzfarbene Gaspistolen von einem Bekannten erhalten und mit diesen zusammen mit jenem Bekannten in der Nacht des 3. Januar 2012 die Spielhalle " " in R. auf der K. Straße überfallen habe. Den Beweisantrag, dem sich nunmehr der Verteidiger des Angeklagten B. anschloss, wies die Kammer ebenfalls zurück. Es fehle an einer zulässigen Beweisbehauptung und damit an einem Beweisantrag, soweit nunmehr behauptet werde, der Zeuge könne bestätigen, mit einem Bekannten die Spielhalle " " am 3. Januar 2012 überfallen und dabei eine schwarzfarbene Pistole verwendet zu haben. Beide Angeklagte und beide Verteidiger hätten im ersten Antrag auf Vernehmung dieses Zeugen noch behauptet, dieser habe den Überfall mit der im Antrag vorbenannten Pistole (nach dem bisherigen Beweisergebnis sei diese silberfarben) begangen. Weshalb die gleichartige Behauptung nunmehr unter Bezugnahme auf eine andere Pistolenfarbe aufgestellt werden könne, sei für die Kammer nicht nachvollziehbar. Diesen Widerspruch hätten die Verteidiger auf Nachfrage nach der Herkunft ihres Wissens auch nicht aufgelöst.
5
2. Schon die Ablehnung des ersten Beweisantrages, dessen Beweisbehauptung auch nicht im Rahmen des zweiten Antrags zurückgenommen worden ist, erweist sich als rechtsfehlerhaft und führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.3.
6
a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts erfüllte der Antrag alle Voraussetzungen eines Beweisantrags. Insbesondere war er hinreichend bestimmt , soweit er die Behauptung eines Überfalls auf "die Spielhalle in R. auf der K. Straße" enthielt. Erkennbar war insoweit die Spielhalle in Bezug genommen, deren Überfall den Angeklagten am 3. Januar 2012 vorgeworfen worden war. Andere Gründe für die Annahme, es liege kein Beweisantrag vor, sind nicht ersichtlich. Insbesondere gestattet die Erwägung der Strafkammer, es sei weder ersichtlich noch von der Verteidigung mitgeteilt, warum der Zeuge eigene Wahrnehmungen zu einem mit einer schwarzen Pistole begangenen Überfall bekunden können soll, nicht den Schluss, es liege kein Beweisantrag vor. Sie belegt vielmehr nur, dass die Strafkammer die Erfolgsaussichten des Beweisantrags unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses und damit unter Verstoß gegen das Verbot einer antizipierenden Beweiswürdigung beurteilt hat.
7
b) Damit hätte der Antrag nur zurückgewiesen werden können, wenn ein gesetzlicher Ablehnungsgrund nach § 244 Abs. 3 bis 5 StPO gegeben gewesen wäre. Ein solcher aber ist weder ausdrücklich mitgeteilt noch lässt er sich den Beschlussgründen im Übrigen entnehmen. Daraus, dass der Zeuge A. zu der unter Beweis gestellten Behauptung, der Begehung eines Überfalls mit der von Rö. übergebenen Gaspistole, aus Sicht der Kammer unter Berücksichtigung der Angaben des schon vernommenen Zeugen U. nichts aus eigener Wahrnehmung bekunden können soll, weil die von Rö. übergebene Pistole silberfarben gewesen sein soll, bei dem Überfall aber schwarze verwendet worden sind, lässt sich kein gesetzlicher Ablehnungsgrund herleiten. Insbesondere war damit das für diese Behauptung angegebene Beweismittel nicht von vornherein ungeeignet.
8
c) Aus der Stellung des zweiten Beweisantrags lässt sich - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nicht folgern, damit sei der erste Antrag insgesamt zurückgenommen, so dass dessen Zurückweisung mit der Revision nicht mehr geltend gemacht werden könne. So erklärt sich der später gestellte Antrag allein aus der Existenz des ersten, an dessen (fehlerhafte) Ablehnung er inhaltlich anknüpft. Darin eine Rücknahme des zuerst gestellten Beweisbegehrens zu sehen, ließe diesen prozessualen Zusammenhang außer Betracht, bei dem die Angeklagten lediglich auf die (fehlerhafte) Ablehnungsbegründung der Strafkammer reagieren und ersichtlich nicht ihre ursprünglich unter Beweis gestellte Behauptung aufgeben wollten. Dies erhellt sich im Übrigen daraus, dass beiden Anträgen die (Kern-)Behauptung inne wohnt, der Zeuge A. könne bekunden, am fraglichen Tag zusammen mit einer dritten Person den dem Angeklagten vorgeworfenen Überfall auf die Spielhalle in R. begangen zu haben.
9
d) Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht auch die angefochtene Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Zeuge A. wie behauptet bestätigt hätte, er habe zusammen mit einer anderen Person den fraglichen Überfall begangen, und dass sich das Landgericht angesichts einer solchen Aussage nicht (mehr) von der Täterschaft der beiden Angeklagten hätte überzeugen können.

II.


10
Der Wegfall des Schuldspruchs im Fall II.3 zieht ohne Weiteres die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich.

III.

11
Die Adhäsionsentscheidung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken , soweit darin festgestellt wird, dass der Angeklagte R. verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger S. den diesem aus der Tat vom 24. April 2011 erwachsenen materiellen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen.
12
Die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden setzt nach der auch für das Adhäsionsverfahren geltenden Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 4 StR 222/03) voraus, dass aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können (BGH, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 4 StR 222/03; s. Senat, Urteil vom 27. Februar 2013 - 2 StR 206/12; Beschluss vom 12. März 2013 - 2 StR 603/12). Bei schweren Verletzungen kann ein Feststellungsanspruch nur dann verneint werden, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen. In diesen Fällen kann es genügen, dass eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Leiden besteht (BGH, Urteil vom 11. Mai 1993 - VI ZR 243/92, NJW 1993, 2382, 2383; Urteil vom 15. Juli 1997 - VI ZR 184/96, NJW 1998, 160). Dass ein künftiger Schaden aber bloß möglich ist, reicht auch insoweit nicht aus.
13
Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für einen Feststellungsanspruch den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die formelhafte Erwägung der Strafkammer, die Entstehung künftiger Schäden sei hinreichend wahrscheinlich (UA S. 31), ist nicht mit Tatsachen belegt, die für die Annahme eines Dauer- oder Folgeschadens sprechen könnten. Sie steht im Übrigen im Widerspruch zu der an anderer Stelle zu findenden Feststellung des Landgerichts , der dem Adhäsionskläger durch den Angeklagten verursachte Nasenbeinbruch sei ohne Dauerfolgen verheilt (UA S. 12). Angesichts dessen ist für die Zuerkennung eines Feststellungsanspruchs kein Raum. Insoweit war daher - auch weil neue Feststellungen, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten , nicht zu erwarten sind - von einer weiteren Entscheidung über den Entschädigungsantrag des Adhäsionsklägers abzusehen. Fischer Schmitt Krehl Ott Zeng

(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch

1.
die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind, und
2.
die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 des Fünften Buches zu zahlen wären.

(2) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch Gesetz der Höhe nach begrenzt, geht er auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(3) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe von dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches werden.

(4) Stehen der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz eines Schadens tatsächliche Hindernisse entgegen, hat die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und seiner Hinterbliebenen Vorrang vor den übergegangenen Ansprüchen nach Absatz 1.

(5) Hat ein Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe auf Grund des Schadensereignisses dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen keine höheren Sozialleistungen zu erbringen als vor diesem Ereignis, geht in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 und 2 der Schadenersatzanspruch nur insoweit über, als der geschuldete Schadenersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(6) Ein nach Absatz 1 übergegangener Ersatzanspruch kann bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch eine Person, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht geltend gemacht werden. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen oder eine Lebenspartnerschaft begründet hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann ein Ersatzanspruch bis zur Höhe der zur Verfügung stehenden Versicherungssumme geltend gemacht werden, wenn der Schaden bei dem Betrieb eines Fahrzeugs entstanden ist, für das Versicherungsschutz nach § 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter oder § 1 des Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger besteht. Der Ersatzanspruch kann in den Fällen des Satzes 3 gegen den Schädiger in voller Höhe geltend gemacht werden, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht hat.

(7) Haben der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen von dem zum Schadenersatz Verpflichteten auf einen übergegangenen Anspruch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe Leistungen erhalten, haben sie insoweit dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe die erbrachten Leistungen zu erstatten. Haben die Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe keine befreiende Wirkung, haften der zum Schadenersatz Verpflichtete und der Geschädigte oder dessen Hinterbliebene dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe als Gesamtschuldner.

(8) Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 je Schadensfall für nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 5 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu ersetzen.

(9) Die Vereinbarung einer Pauschalierung der Ersatzansprüche ist zulässig.

(10) Die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch gelten als Versicherungsträger im Sinne dieser Vorschrift.

(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.

(2) Der Versicherungsnehmer hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 471/13
vom
3. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Tötung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu 1.b) und 2. auf dessen Antrag hin - und des Beschwerdeführers
am 3. Dezember 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 9. April 2013
a) wird Ziffer 4 des Tenors dieses Urteils dahin geändert, dass festgestellt ist, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern 75% der künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind,
b) entfällt Ziffer 5 des Tenors und
c) wird insofern von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abgesehen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern durch dieses entstandenen notwendigen Auslagen insgesamt sowie die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Adhäsionskläger zu 90% zu tragen. Zu 10% haben die Adhäsionskläger als Gesamtschuldner die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren ent- standen gerichtlichen Auslagen und die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
4. Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es ihn zur anteiligen Zahlung der Beerdigungskosten sowie eines Schmerzensgeldes an die Adhäsionskläger verurteilt und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern 75% der entstandenen oder der künftig entstehenden - über den zuerkannten Schmerzensgeldbetrag hinausgehenden - materiellen und immateriellen Schäden aus der Tat vom 18. März 2012 zu erstatten (Ziffer 4 des Tenors), und dass die Ansprüche der Adhäsionskläger aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrühren (Ziffer 5 des Tenors). Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, der zudem gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts Beschwerde eingelegt hat. Die Rechtsmittel führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der Adhäsionsentscheidungen.
2
1. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Auch soweit sie sich gegen die Verurteilung zur anteiligen Zahlung der Beerdigungskosten und zu Schmerzensgeld an die Adhäsionskläger wendet, hat sie keinen Erfolg.
3
2. Die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern 75% der entstandenen oder künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, hält dagegen der rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.
4
a) Entfallen muss die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern die weiteren, bereits entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten. Insofern haben die Adhäsionskläger weder geltend gemacht, noch ist aus ihrem Vortrag ansonsten ersichtlich, welche Schäden bereits entstanden sein könnten und warum sie nicht in der Lage sind, diese Schäden schon jetzt zu beziffern. Für die Feststellungsklage mangelt es daher am Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2008 - X ZR 6/06; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 256 Rn. 7a mwN).
5
b) Hinsichtlich der künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden besteht zwar aufgrund der vorgelegten Atteste und Gutachten das Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2013 - 2 StR 306/13, Rn. 12). Jedoch ist die Adhäsionsentscheidung insofern im Hinblick auf § 116 SGB X bzw. § 86 VVG unter den Vorbehalt zu stellen, dass eine Ersatzpflicht nur insoweit besteht, als die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Versicherer übergegangen sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2013 - 4 StR 459/12; vom 18. September 2013 - 5 StR 373/13).
6
3. Entfallen muss ferner Ziffer 5 des Tenors. Denn die Schadensersatzverbindlichkeiten desjenigen, der - wie hier - vorsätzlich im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet hat, beruhen nicht auf Schadensersatz wegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung im Sinne des § 302 Nr. 1, § 174 Abs. 1 InsO (BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 - IX ZR 29/06, NJW 2007, 2854, 2855). Da die Adhäsionskläger allein auf diese Vorschriften das Feststellungsinteresse stützen, ist die Klage - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 18. Oktober 2013 zutreffend ausgeführt hat - insofern unzulässig.
7
4. Der Senat hat im Hinblick auf den nur geringen Erfolg der Revision keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten der Rechtsmittel zu entlasten. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen im Adhäsionsverfahren ergibt sich aus § 472a StPO. Eine Änderung der vom Landgericht zu den Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens getroffenen Entscheidung war angesichts des vom Tatgericht insofern ausgeübten Ermessens nicht geboten. Die Kostenbeschwerde des Angeklagten hat daher keinen Erfolg.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.