Landgericht Bielefeld Urteil, 08. Mai 2015 - 9 KLs - 16/14
Tenor
I.
Der Angeklagte wird wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in zwei Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei, sowie wegen eines weiteren Falls der ausbeuterischen Zuhälterei zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten
verurteilt.
II.
Der Angeklagte wird weiter verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin einen Betrag in Höhe von 42.200,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.01.2015 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind.
III.
Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Neben- und Adhäsionsklägerin sämtliche künftig aus diesen Taten entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind. Im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.
IV.
Das Urteil ist, soweit es die Adhäsionsansprüche betrifft, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
V.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin sowie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Neben- und Adhäsionsklägerin.
Angewendete Vorschriften:
§§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 181a Abs. 1 Nr. 1, 232 Abs. 3 u. 4 Nr. 1 u. 2, 52, 53 StGB
1
Gründe:
2I.
3Der im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 35 bzw. 36 Jahre alte Angeklagte wurde in P. geboren, wo er auch aufwuchs. Seine Eltern, die in den 1960er Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, leben bereits seit über zwanzig Jahren getrennt, seine Mutter, wie auch der Angeklagte vor seiner Inhaftierung im vorliegenden Verfahren, in P. und sein Vater in M., Ortsteil H.. Der Vater des Angeklagten ist als Arbeiter tätig und war u.a. als Lagerist eingesetzt. Der Angeklagte hat noch zwei ältere Geschwister, einen Bruder und eine Schwester, die ebenfalls in P. wohnen. Er besuchte in P. den Kindergarten und regulär die Grundschule und wechselte sodann auf die örtliche Hauptschule-S., die er mit dem qualifizierten Abschluss nach Klasse 10 verließ. Im Anschluss holte er im Alter von etwa 17 oder 18 Jahren die mittlere Reife in den Fächern Biotechnik und Körperpflege am Berufskolleg in N. nach. 1997 begann der Angeklagte sodann eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, die er jedoch abbrach. Der Angeklagte führt dies auf einen falschen Freundeskreis zurück, der ihn auch an den Konsum von Cannabis heranführte, was sich bei ihm schließlich zu einer jahrelangen Sucht auswuchs. Er durchlief mehrere, jeweils drei- bis vierwöchige Entgiftungsmaßnahmen, wurde jedoch in deren Folge immer wieder rückfällig. Eine Langzeittherapie wurde ihm zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bewilligt. Um das Sorgerecht für seinen im Januar 2010 geborenen Sohn R. O., der in einer Pflegefamilie lebte, zugesprochen zu bekommen, nahm der Angeklagte Kontakt zur örtlichen Drogenberatung in N. auf, um seiner Drogensucht nachhaltig entgegenzutreten, was ihm schließlich maßgeblich infolge einer vor ca. drei bis dreieinhalb Jahren in der C.-Klinik in S. absolvierten Langzeitentwöhnungstherapie auch gelang. Zeitgleich suchte er den Kontakt zum Jugendamt, da er wollte, dass sein Sohn dauerhaft bei ihm aufwächst. Eine weitere Ausbildung nahm der Angeklagte nicht mehr auf. Er ging vielmehr Gelegenheitstätigkeiten, u.a. als Produktionshelfer bei der Fa. A., nach. In den letzten sieben bis acht Jahren vor seiner Inhaftierung im vorliegenden Verfahren stand der Angeklagte jedoch im öffentlichen Leistungsbezug und erhielt Arbeitslosengeld II. So war er zum einen infolge eines schweren Bandscheibenvorfalls nicht arbeitsfähig, zum anderen ließ aber auch seine Drogensucht die Aufnahme einer geregelten Tätigkeit nicht zu. Zuletzt strebte der Angeklagte unter Vermittlung der Arbeitsagentur eine Ausbildung zum Masseur an.
4Der Angeklagte ist in den Jahren 1995 bis 1997 bereits jugendstrafrechtlich wegen Diebstahls wiederholt in Erscheinung getreten. In den Jahren 1999 und 2001 erfolgten dann weitere Verurteilungen zu vergleichsweise geringfügigen Geldstrafen. Zuletzt ergingen gegen den Angeklagten folgende Verurteilungen:
51.
6Am 26.02.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Bad Oeynhausen, Az. 4 Ds 62 Js 570/01-1343/01, wegen gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung. Nach zwischenzeitlicher Verlängerung der Bewährungszeit bis zum 05.03.2006 wurde die Strafe schließlich mit Wirkung vom 03.05.2006 erlassen.
72.
8Unter dem 03.12.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Bad Oeynhausen, Az. 5 Ds-51 Js 635/04-846/04, wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten. Dieser Verurteilung lag in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass der Angeklagte im Sommer 2004 eine Bekannte, die Geschädigte H,, in seiner Wohnung einschloss. Nachdem dieser dann zunächst die Flucht aus der Wohnung gelungen war, schlug ihr der Angeklagte in der Folge mit der Faust mehrfach in das Gesicht, trat mit dem Fuß gegen ihren Kopf und Körper und schlug ihr ebenfalls mehrfach mit einer Blumenvase aus massivem Glas auf den Hinterkopf, wodurch sie multiple Prellungen mit Hämatombildung am Kopf und insbesondere im Bereich der linken Gesichtshälfte erlitt. Auch die Vollstreckung dieser Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt und schließlich mit Wirkung vom 07.01.2008 erlassen. Der Angeklagte verbüßte in diesem Verfahren mehr als vier Monate Untersuchungshaft.
9Der Angeklagte wurde aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom 30.05.2014 (Az. 9 Gs 2892/14) am 03.06.2014 in dieser Sache festgenommen und befindet sich seit diesem Tag in Untersuchungshaft, zuletzt in der Justizvollzugsanstalt B..
10II.
111. (= Fall zu Ziff. 1 der Anklageschrift)
12Etwa Ende Mai/Anfang Juni 2013 lernte die in der Dominikanischen Republik geborene Nebenklägerin, die Zeugin N. L., gemeinsam mit ihrer Freundin T. S. den Angeklagten in der Diskothek „F.“ in P. kennen. Der Angeklagte suchte die Nebenklägerin in der Folgezeit zwei- oder dreimal in dem Bordellbetrieb „V.-Hotel“ in P. auf, wo die Nebenklägerin, die dominikanische Staatsangehörige und der deutschen Sprache nicht mächtig ist, zu dieser Zeit seit ca. einem Jahr als Prostituierte in einem von ihr von der Betreiberin, der Zeugin C., angemieteten Zimmer tätig war. Die Nebenklägerin, die schon zuvor im ersten Quartal des Jahres 2012 als Prostituierte im V.-Hotel gearbeitet und Deutschland im Anschluss nur vorübergehend zur Geburt ihrer Tochter in Spanien verlassen hatte, verfügte zu diesem Zeitpunkt für sich lediglich über einen spanischen Aufenthaltstitel, der es ihr nicht gestattete, in Deutschland einer legalen Beschäftigung nachzugehen und sich hier über einen längeren, ununterbrochenen Zeitraum von mehr als drei Monaten aufzuhalten, ferner über einen dominikanischen Pass. Die Nebenklägerin ging zu diesem Zeitpunkt noch, weil die Betreiber des V.-Hotels so verstanden hatte, davon aus, dass sie Steuern zahlen müsse und mit den Papieren dort arbeiten könne, ein Arbeitsvertrag ausreiche, zumal sie sogar einmal mit Frau T. zur Polizei gewesen war und dort auch mitgeteilt hatte, dass sie im V.-Hotel arbeite.
13Der Angeklagte, der sich der Nebenklägerin zunächst als nett und hilfsbereit zeigte, erkundigte sich im Zuge dieses Kennenlernens nicht nur nach dem Verdienst der Nebenklägerin, sondern auch nach ihren Aufenthaltsdokumenten. Er ließ sich diese von ihr auch zeigen und konfrontierte sie – zutreffend – damit, dass sie mit ihrem Aufenthaltstitel in Deutschland nicht arbeiten dürfe. Der Angeklagte offenbarte der Nebenklägerin im Zuge des Kennenlernens auch sein über unbekannt gebliebene Dritte beschafftes Wissen um ihre familiäre Situation, insbesondere ihre am xx geborene Tochter K., die zu dieser Zeit bei der Zeugin T., die als Reinigungskraft im V.-Hotel tätig war, lebte und von dieser wegen der Prostitutionstätigkeit der Nebenklägerin nahezu ganztägig betreut wurde, ihre Ehe mit einem Niederländer sowie ihre Absicht, sich von diesem scheiden zu lassen. Dabei vermochte sich die Nebenklägerin nicht zu erklären, wie der Angeklagte an diese Informationen gelangt war.
14An ihrem Geburtstag, dem xx.2013, folgte die Nebenklägerin schließlich der – zuvor bereits wiederholt ausgesprochenen – Einladung des Angeklagten, mit ihm auszugehen. Der Angeklagte blieb diese Nacht auf dem Zimmer der Nebenklägerin im V.-Hotel und wich in den darauffolgenden Tagen auch nicht mehr von ihrer Seite. Ungefähr eine Woche gingen der Angeklagte und die Nebenklägerin weiter aus. Die Nächte verbrachte der Angeklagte weiter auf dem Zimmer der Nebenklägerin, die er in dieser Zeit auch seiner Familie vorstellte. Die Nebenklägerin, die zu diesem Zeitpunkt noch keinen Verdacht schöpfte, empfand dies zunächst als Beginn einer normalen Beziehung.
15Während dieser Woche des gemeinsamen Ausgehens wurde an die Nebenklägerin von anderen im V.-Hotel tätigen Prostituierten herangetragen, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Zuhälter handele. Auch die Betreiber des „V.-Hotels“, die Zeugin C., und deren Vater, „J.“ C., traten an die Nebenklägerin heran und konfrontierten die Nebenklägerin wegen dieses Umstands damit, dass sie das Etablissement verlassen müsse, wenn der Angeklagte weiter auf ihr Zimmer komme. Um weitere Schwierigkeiten zu vermeiden und eine Fortführung ihrer Tätigkeit im V.-Hotel zu sichern, bat die Nebenklägerin um den 17.06.2013 den Angeklagten, nicht mehr auf ihr Zimmer zu kommen. Der Angeklagte, der spätestens zu diesem Zeitpunkt den Entschluss gefasst hatte, die Nebenklägerin auf Dauer als Prostituierte für sich arbeiten zu lassen und ihre Einnahmen zum Bestreiten des eigenen Lebensunterhaltes zu vereinnahmen, drohte der Nebenklägerin in Ausführung dieses Tatplans, um diese gefügig zu machen und an sich zu binden, damit, dass sie sich in Deutschland illegal aufhalte und er, wenn sie nicht bei ihm bliebe, die Polizei verständigen bzw. sie anzeigen werde. Er – so der Angeklagte weiter – wisse auch, wer ihre Tochter sei. Sie, die Nebenklägerin, gehöre ab dem ersten Moment des gemeinsamen Ausgehens zu seiner Familie und könne sich von dieser auch nicht mehr lossagen. Dies bekräftigte ihr gegenüber in der Folge auch die Mutter des Angeklagten, die ihr zudem befahl, das zu tun, was der Angeklagte ihr sage. Um die Nebenklägerin weiter einzuschüchtern und zu verunsichern, drohte der Angeklagte ihr in diesem Zuge auch mit dem Tod. Anschließend wiegelte er jedoch zunächst wieder ab, dass er ihr damit nur habe Angst machen wollen, und spiegelte ihr vor, dass er ihr tatsächlich dabei behilflich sein wolle, aus der Prostitution herauszukommen, indem er ihr durch Verwendung ihrer Einnahmen ordnungsgemäße Aufenthaltsdokumente beschaffe, mit denen sie dann eine reguläre Tätigkeit aufnehmen könne. Auch versprach er ihr, mit ihr zusammen leben zu wollen. Die Nebenklägerin ging aus der durch die von dem Angeklagten geschaffene Bedrohungslage hervorgerufenen Angst um sich und ihre Tochter heraus, aber auch in der Hoffnung, der Angeklagte werde sie tatsächlich dabei unterstützen, das Prostitutionsmilieu zu verlassen, auf das von dem Angeklagten geäußerte Ansinnen ein und überließ diesem in der Folge ab etwa Mitte Juni 2013 über einen Zeitraum von ca. drei Wochen bzw. an insgesamt 15 Arbeitstagen ihre gesamten Prostitutionseinnahmen, und damit in den ersten beiden Wochen bzw. an zehn Arbeitstagen – nach Abzug von direkt an die Betreiber zu entrichtender Zimmermiete und Steuern – Beträge in einer täglichen Höhe von ca. 150,00 bis 200,00 EUR und in der dritten Woche bzw. an fünf Arbeitstagen Beträge in vorgenannter Höhe zzgl. eines täglichen Mehrbetrages von 65,00 EUR, da der Angeklagte in dieser Woche die Nebenklägerin nicht mehr die Zimmermiete in entsprechender Höhe an die Betreiber des „V.-Hotels“ entrichten ließ. Der Angeklagte erwarb von diesen vereinnahmten Beträgen, wie auch bei den nachfolgend dargelegten Prostitutionstätigkeiten der Nebenklägerin, für sie Lebensmittel und die für die Prostitutionsausübung erforderlichen Dinge, wie etwa Kondome, und verwandte den Rest des Geldes entgegen der der Nebenklägerin vorgespiegelten Zwecke für sich selbst. Auch das Betreuungsgeld für ihre Tochter ließ der Angeklagte die Nebenklägerin während dieser drei Wochen nicht mehr an die Zeugin T. entrichten. Während dieser drei Wochen suchte der Angeklagte jeden Tag das Zimmer der Nebenklägerin auf, um ihre Prostitutionstätigkeit nebst erlangter Erlöse nahtlos zu überwachen. So befragte er in dieser Zeit die Nebenklägerin, wie viel ihr die einzelnen Kunden bezahlt hatten, und überwachte auch die Zeit, die die Kunden bei der Nebenklägerin verbrachten. Wenn die Nebenklägerin ihm einmal die Tür zu ihrem Zimmer nicht sogleich öffnete, schlug er dagegen, um sich Zutritt zu verschaffen.
162. (Fälle zu Ziff. 2. – 10. der Anklageschrift)
17Da dem Angeklagten aufgrund der durch seine ständige Anwesenheit im V.-Hotel entstandenen Schwierigkeiten bewusst war, dass die Nebenklägerin jedenfalls dort nicht unter seiner Aufsicht auf Dauer ungehindert der Prostitution würde nachgehen können, entschloss er sich, sie in anderen Bordells für sich als Prostituierte arbeiten zu lassen und ihre Einnahmen jeweils wiederum nach Abzug der für ihre Tätigkeit in den einzelnen Bordellen anfallenden Kosten vollständig für sich zu vereinnahmen. Hierbei ging der Angeklagte davon aus, dass er einen entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin gegebenenfalls durch Drohungen und Anwendung von Gewalt überwinden würde. In Umsetzung dieses Vorhabens bat der Angeklagte während seines Aufenthaltes auf dem Zimmer der Nebenklägerin im V.-Hotel diese, ihre Prostitutionstätigkeit nunmehr aufzugeben und zu ihm zu ziehen, nach Beschaffung der erforderlichen Papiere einer normalen Arbeit nachzugehen und mit ihm gemeinsam zu leben. Er schlug der Nebenklägerin in diesem Zuge weiter vor, ihre Tochter, um Geld zu sparen, nicht länger von der Zeugin T., sondern stattdessen von seiner Mutter betreuen zu lassen, wofür die Nebenklägerin auch nichts zahlen müsse. Die Nebenklägerin ließ zunächst jedoch ihr Kind noch in der Obhut der Zeugin T., in der sie ihr Kind gut aufgehoben wusste, zurück. Sie ging jedoch in dem Glauben, nun nicht länger als Prostituierte arbeiten zu müssen und mit dem Angeklagten im Rahmen einer normalen Beziehung zusammenleben zu können, auf seinen Vorschlag ein und verließ unter Aufgabe ihres Zimmers Anfang Juli 2013 das V.-Hotel und zog in die Wohnung des Angeklagten unter der Anschrift L.-Straße xx in P.. Wenige Tage später konfrontierte der Angeklagte die Nebenklägerin jedoch damit, dass er ihre Tochter nun zu seiner Mutter gegeben werde. Auf die Frage der Nebenklägerin zu dem Grund hierfür äußerte der Angeklagte wörtlich: „Was denkst Du warum? Ab jetzt musst Du für mich arbeiten!“ Der Angeklagte begründete dies weiter damit, dass die Nebenklägerin nun hohe Schulden bei seiner Familie habe und als Prostituierte arbeiten müsse, um diese Schulden zu begleichen. Würde sie das nicht tun – so der Angeklagte weiter –, würde er sie und ihre Tochter umbringen. Es sei gleichgültig, wo sie hingehe, er würde sie finden. Tatsächlich hatte sich die Nebenklägerin aber weder von dem Angeklagten noch von einem Mitglied seiner Familie zuvor Geld geliehen. Nach dem Willen des Angeklagten sollte insbesondere auch die Tochter der Obhut der Nebenklägerin entzogen werden und so dieser gegenüber fortgesetzt als Druck- und Drohmittel dienen, um sie fortgesetzt gefügig zu machen. Die Nebenklägerin sah aus Angst wegen der durch den Angeklagten ausgesprochenen Drohungen, und hierbei insbesondere in Sorge um ihre kleine Tochter und die mögliche Aufdeckung ihres illegalen Aufenthaltes, für sich keinen anderen Ausweg, als auf die Forderungen des Angeklagten einzugehen und für ihn erneut als Prostituierte zu arbeiten. In Ausführung seines Tatplans holte der Angeklagte mit der Nebenklägerin deren Tochter bei der Zeugin T. ab und brachte sie zu seiner Mutter, die Nebenklägerin selbst hingegen zuerst zu einem bislang nicht identifizierten Bordell seines Onkels im I.er Raum, wo überwiegend osteuropäische Frauen der Prostitution nachgingen. Die Nebenklägerin arbeitete dort etwa vier bis fünf Tage als Prostituierte und musste die Einnahmen aus dieser Tätigkeit wiederum vollständig an den Angeklagten abführen, der diese nach Abzug der für die Tätigkeit der Nebenklägerin erforderlichen Aufwendungen in gesamter Höhe für sich vereinnahmte. Da die Nebenklägerin nach Meinung des Angeklagten in diesem Club jedoch nicht genug Geld verdiente, brachte er sie anschließend in das Bordell „T.-Club“ in O. – heute „L.“ –, wo die Nebenklägerin Ende Juli 2013 für drei Tage der Prostitution nachging und auch diese Einnahmen wiederum vollständig an den Angeklagten abführen musste, der auch diese nach Abzug der für die Ausübung der Tätigkeit der Nebenklägerin erforderlichen Aufwendungen in gesamter Höhe für eigene Zwecke verwandte. Da es dem Angeklagten aufgrund eines Polizeieinsatzes im „T.-Club“ schließlich sicherer erschien, die Nebenklägerin dort nicht weiter arbeiten zu lassen, ließ er sie im Anschluss in mindestens zwei Fällen auch Freier in seiner eigenen Wohnung bedienen.
18Wenn die Nebenklägerin in dieser Zeit nach Meinung des Angeklagten einmal nicht genug verdiente, wurde er auch wiederkehrend gewalttätig, indem er ihr an den Haaren zog, sie würgte und sie sodann schlug. Bei einem derartigen Vorfall, welcher sich bereits kurze Zeit nach Verlassen des „V.-Hotels“ ereignete, wobei sich der genaue Tatzeitpunkt nicht mehr bestimmen ließ, trat der Angeklagte der Nebenklägerin mit dem Knie derart kräftig in den Magen, dass sie sich übergeben und Blut spucken musste. Es kam bei der Nebenklägerin im Bauchbereich zur Bildung eines größeren Hämatoms. Infolge anhaltender Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen brachte der Angeklagte die Nebenklägerin schließlich ca. zwei Tage danach am 11.07.2013 in die Notaufnahme des städtischen Krankenhauses in P.. Während die Nebenklägerin u.a. von der Zeugin Ort untersucht und behandelt wurde, hielt er sich mit deren Tochter im Wartebereich auf. Vor dem Hintergrund der ausgesprochenen Drohungen des Angeklagten und insbesondere aus Angst um ihre Tochter gab die Nebenklägerin gegenüber dem wegen seiner spanischen Sprachkenntnisse hinzugerufenen Arzt, dem Zeugen Dr. F., nicht den wahren Grund für ihre Beschwerden an, sondern teilte vielmehr lediglich mit, dass sie seit einer Woche Bauchschmerzen begleitet von Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen habe. Dies auch deshalb, weil der Angeklagte, der sie zum Krankenhaus gebracht hatte, ihr noch unmittelbar vor der Behandlung eingeschärft hatte, dass sie sich mit Rücksicht auf die Tochter gut überlegen solle, was sie sage. Die Nebenklägerin wurde schließlich nach mehrstündigem Aufenthalt und ärztlicher Versorgung auf eigenen Wunsch hin gegen ärztlichen Rat entlassen. Dabei gelang es der Nebenklägerin später nach diesem Vorfall, mit ihrer Tochter von dem Angeklagten fortzulaufen. Sie wurde von der Zeugin T. für kurze Zeit wieder in deren Haushalt aufgenommen. In diesem Zuge nahm die Nebenklägerin auch wieder kurzzeitig ihre Tätigkeit als Prostituierte im V.-Hotel auf. Schließlich kehrte sie nach wenigen Tagen wieder zu ihm zurück. Die Nebenklägerin befürchtete, der Angeklagte werde seine Drohung wahrmachen, und sie wegen ihres illegalen Aufenthaltes bei der Polizei anzeigen, so dass sie den Lebensunterhalt für ihr Kind und sich nicht mehr sicherstellen konnte. Die Nebenklägerin hatte die Pässe für sich und das Kind bereits dem Angeklagten, der sie hierzu aufgefordert hatte, zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt überlassen müssen; dem war die Nebenklägerin aus Angst vor dem Angeklagten auch nachgekommen. Die Pässe hatte der Angeklagte anschließend seiner Mutter übergeben, die diese bei sich aufbewahrte. Hinzu kam, dass der Angeklagte wieder Kontakt mit ihr aufgenommen und ihr versprochen hatte, sich in Zukunft wohl zu verhalten.
19Tatsächlich änderte sich an dem Verhalten des Angeklagten jedoch nichts. Vielmehr setzte der Angeklagte auch danach seine gewalttätigen Übergriffen gegen die Nebenklägerin fort. Darüber hinaus setzte er die Nebenklägerin auch wiederholt massiven Drohungen aus. So äußerte der Angeklagte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, dass er über entsprechende Kontakte verfüge, um einen gefälschten Pass zu besorgen und die Tochter der Nebenklägerin nach Jugoslawien bringen zu lassen. Bei einem weiteren Vorfall in der Wohnung des Angeklagten am 01.08.2013, als die Nebenklägerin dem Angeklagten gegenüber geäußert hatte, dass sie weg wolle, ergriff dieser die zu diesem Zeitpunkt erst gut ein Jahr und drei Monate alte Tochter der Nebenklägerin an den Armen, ging zum Fenster und drohte, sie hinauszuwerfen, wenn sie sich weigere, für ihn weiterzuarbeiten, um ihre hohen Schulden zu bezahlen. Die Nebenklägerin wandte sich in dieser höchsten Not hilfesuchend per SMS an den Zeugen Z., der die Polizei verständigte, die schließlich auch vor Ort erschien. Die Nebenklägerin versuchte den Beamten zu erklären, dass der Angeklagte sie bedroht habe und sie nicht bei ihm bleiben wolle. Jedoch gelang es dem Angeklagten schon infolge seiner überlegenen Sprachkenntnisse, den Vorfall als vermeintlich normale partnerschaftliche Streitigkeit und unter Hinweis auf eine angebliche stressbedingte Reaktion der Nebenklägerin im Rahmen ihrer vermeintlichen Schwangerschaft abzutun, so dass schließlich seitens der erschienenen Einsatzbeamten keine weiteren Maßnahmen ergriffen wurden. Die Nebenklägerin verlor aufgrund dieses Vorfalls jegliches Vertrauen in die Polizei, von der sie – die sich ohnehin schon völlig hilflos wähnte – den Eindruck gewonnen hatte, mit dem Angeklagten verbunden zu sein, und nun ebenfalls keinerlei Hilfe von den Beamten für sich erwartete. Deshalb setzte sie auch keinen Widerstand mehr entgegen, als der Angeklagte – der weitere Polizeieinsätze verhindern wollte – sie zwang, bei dem Zeugen Z. anzurufen und diesem zu erklären, dass alles nur ein Irrtum gewesen sei. Tatsächlich meldete sie sich noch am 2. August gegen 23:15 Uhr bei dem Zeugen Z. und bat diesen, der Polizei mitzuteilen, dass alles ein Irrtum gewesen sei; sonst werde sie noch wesentlich größere Schwierigkeiten bekommen.
20Nach diesem Anruf konnte der Zeuge Z. den zuständigen Polizeibeamten erst wieder am 04.08.2013 gegen 11:00 Uhr erreichen. Er erfuhr bei dieser Gelegenheit, dass die Einsatzbeamten das Haus der Mutter des Angeklagten inzwischen gefunden hätten und die Mutter des Angeklagten versichert habe, dass alles in Ordnung sei. Der Zeuge Z., der nicht verstehen konnte, dass die Polizei sich mit dieser Antwort zufriedengegeben hatte, aber selbst auch nicht mehr die Nebenklägerin erreichen konnte – er hatte von dieser erfahren, dass man es nicht zuließ, seine Anrufe anzunehmen –, machte sich Sorgen um die Nebenklägerin. Nachdem er von der Nebenklägerin in diesem Zuge noch erfahren hatte, dass er sie nur noch erreichen könne, wenn er sie als Gast in T.-Club aufsuche, versuchte er zusammen mit der Freundin der Nebenklägerin S. jene dort aufzusuchen, konnte sie dort aber nicht antreffen. Beide begaben sich deshalb am 05.08.2013 zu dem Hause der Mutter des Angeklagten, wo sie die Nebenklägerin auch tatsächlich antreffen konnten. Jedoch durfte der Zeuge Z. selbst nicht mit der Nebenklägerin sprechen; Frau S. wurde jedoch der Kontakt mit der Nebenklägerin gestattet, die jener bei dieser Gelegenheit mitteilte, sie wolle von dem Angeklagten weg, wisse aber nur nicht wie. Außerdem äußerte die Nebenklägerin Frau S. gegenüber dass sie schwanger sei. Letzterer zeigte die Nebenklägerin zudem blaue Flecke an Oberarmen und Beinen, die – wie die Nebenklägerin ihr weiter mitteilte – von Schlägen des Angeklagten herrührten.
21Nachdem Frau S. den Zeugen Z. unterrichtet hatte, wandte dieser sich an die Polizei, woraufhin beide als Zeugen durch KHK M. vernommen wurden. Der Beamte veranlasste in diesem Zusammenhang, dass die Nebenklägerin zusammen mit ihrem Kind aus dem Hause der Mutter des Angeklagten abgeholt und als Zeugin vernommen wurde. Die Nebenklägerin, die zu diesem Zeitpunkt insbesondere um die Aufdeckung ihres illegalen Aufenthalts fürchtete und weiter große Angst davor hatte, dass der Angeklagte sich gegebenenfalls an ihrem Kind und ihr selbst rächen könnte, versicherte bei dieser Vernehmung, dass sie weder festgehalten noch geschlagen werde, es ihr vielmehr gut gehe. Der Zeuge Z., der die Nebenklägerin bis dahin nicht unerheblich auch mit der Überlassung von Geldbeträgen unterstützt hatte, konnte nicht nachvollziehen, dass die Nebenklägerin diese Gelegenheit, dem Angeklagten zu entkommen, nicht nutzte; er stellte daraufhin seine Bemühungen ein.
22Die Mitglieder der Familie des Angeklagten zeigten sich erleichtert darüber, dass die Nebenklägerin die wahren Verhältnisse nicht offenbart hatte. Sie waren schon nach dem Polizeieinsatz vom 01.08.2013 mit dem Angeklagten übereingekommen, dass die Nebenklägerin nicht länger in P. arbeiten könne, sondern ihr in einem Haus der Mutter des Angeklagten in D. ein Bereich hergerichtet werden sollte, wo sie dauerhaft der Prostitution nachgehen sollte. Dieses Vorhaben ließ sich jedoch zunächst nicht realisieren, da das betreffende Objekt erst renoviert und entsprechend hergerichtet werden musste. Als Ergebnis einer dieser „Familiensitzungen“, in denen über das Schicksal der Nebenklägerin beratschlagt wurde, konfrontierte die Mutter des Angeklagten die Nebenklägerin schließlich mit der Tatsache, dass es einen älteren Herrn gebe, der mit ihr zusammen leben wolle. Sie, die Nebenklägerin, solle diesen nun dazu bringen, dass er sein Testament zu ihren Gunsten ändere. Die Nebenklägerin wurde diesem Mann in der Folge auch vorgestellt, der hierbei aber deutlich machte, dass er allein mit ihr, nicht aber mit ihrer Tochter zusammenleben wolle. Die Nebenklägerin, die in diesem Zuge den Entschluss fasste, von dem Angeklagten endgültig fortzugehen, äußerte diesem gegenüber, damit dieser keinen Verdacht schöpft, dass sie einsehe, dass sie nicht von ihm fortkomme, sondern dableiben und ihre Schulden abbezahlen müsse. Sie wolle aber ihre Tochter zurück nach Spanien schicken. Der Angeklagte ging auf diesen Vorschlag ein, erwiderte aber, dass er das Flugticket nicht bezahlen werde. Die Nebenklägerin wandte sich sodann zur Beschaffung der finanziellen Mittel für den Erwerb eines Flugtickets an ihre in der Dominikanischen Republik lebende Mutter, die ihr mittels Western Union 300,00 EUR zukommen ließ. Diesen Betrag holte die Nebenklägerin auch ab, er wurde ihr jedoch von dem Angeklagten mit den Worten, dass dies nur ein Teil dessen sei, was sie ihm schulde, wieder abgenommen. Die Nebenklägerin gab gegenüber dem Angeklagten sodann vor, dass sich ihre Mutter um ein Flugticket für ihre Tochter gekümmert habe, dieses Ticket als elektronisches Ticket am Flughafen Hannover hinterlegt sei und sie die Tochter nun allein nach Spanien ohne Begleitung schicken könne. Die Nebenklägerin beabsichtigte, die Fahrt zum Flughafen Hannover zu nutzen, um gemeinsam mit ihrer Tochter von dem Angeklagten zu fliehen. Der Angeklagte machte sich mit der Nebenklägerin und ihrer Tochter auch schließlich am 14.08.2013 auf den weg zum Flughafen Hannover, wobei er ihr bereits in den Tagen zuvor damit gedroht hatte, dass sie tot sei, wenn sie versuchen sollte zu fliehen. Er mache sie in diesem Fall „kaputt“. Nachdem die Nebenklägerin während der Fahrt bemerkt hatte, dass sich der Pass der Tochter noch bei der Mutter des Angeklagten befand, machte sie den Angeklagten hierauf aufmerksam, der ihr daraufhin ins Gesicht schlug, jedoch umkehrte, um den Pass zu holen. Während der Fahrt zum Flughafen versuchte die Nebenklägerin von dem Angeklagten unbemerkt wiederholt, durch Wählen des Notrufs die Polizei auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam zu machen, was ihr jedoch nicht gelang. Nach Erreichen des Flughafens wiederholte der Angeklagte seine Todesdrohung gegenüber der Nebenklägerin unter zusätzlichem Hinweis darauf, dass noch weitere von ihm hinzugerufene Personen vor Ort seien. Unter dem Vorwand, Hunger zu haben, begab sich die Nebenklägerin mit ihrer Tochter und in Begleitung des Angeklagten in die im Flughafengebäude gelegene McDonalds-Filiale. Dort konnte sie schließlich einen Mitarbeiter auf sich und ihre Situation aufmerksam machen, der den ebenfalls im McDonalds beschäftigten Zeugen H. informierte, der wiederum seinerseits die Polizei verständigte, die u.a. in Person des Zeugen PK N. erschien, und die Nebenklägerin dann in ein Frauenhaus brachte. Zuvor hatte der Angeklagte noch versucht, die Nebenklägerin an den Haaren ziehend aus der Filiale zu zerren, wogegen sie sich jedoch mit ihrer Tochter auf dem Arm erfolgreich zur Wehr zu setzen vermochte. Die Nebenklägerin wird seit August 2013 von der Organisation für Opfer von Menschenhandel „KOBRA“ betreut. Ihr Aufenthalt wird aufgrund der von ihr geschilderten Gefährdungslage geheim gehalten und ist lediglich der Betreuungsorganisation bekannt. Sie befindet sich fortlaufend in ärztlich-psychiatrischer Behandlung, da sie infolge der Taten in ihrer psychischen Verfassung stark beeinträchtigt ist.
233. und 4. (= Fälle zu Ziff. 11. und 12. der Anklageschrift)
24Während der Zeit, in der der Angeklagte die Nebenklägerin als Prostituierte für sich arbeiten ließ, führte er bei mehreren Gelegenheiten gegen den Willen der Nebenklägerin mit ihr in seiner Wohnung den vaginalen und oralen Geschlechtsverkehr durch. Anlass war, dass die Nebenklägerin nach Auffassung des Angeklagten, der sich darüber ärgerte, nicht genug verdiente. Der Angeklagte äußerte, dass sie „keine richtige Prostituierte“ sei und daher „lernen“ müsse, wie eine „richtige Prostituierte“ zu arbeiten bzw. „richtigen Sex“ zu haben. Durch diese sexuellen Gewalthandlungen wollte der Angeklagte hauptsächlich erreichen, dass sich die Nebenklägerin ihm vollends unterwarf und sie auf diese Weise dauerhaft in seinem Sinne gefügig machen. Er verstand diese Handlungen auch als Respektsbeweis ihm gegenüber. Zumindest die nachfolgend dargestellten Taten, die zu Ziff. 3. und 4. auch Gegenstand der Anklage sind, können dem Angeklagten konkret nachgehalten werden:
25(3.) Am Abend des dritten Tages ihres Aufenthaltes im „T.-Club“ Ende Juli 2013 verständigte die Nebenklägerin den Angeklagten darüber, dass die Polizei vor Ort sei und bat ihn, sie abzuholen, da sie fürchtete, dass die Polizei sie wegen ihres illegalen Aufenthaltes festnehmen würde. Auf der Fahrt zur Wohnung des Angeklagten kam es zwischen der Nebenklägerin und dem Angeklagten - wie bereits mehrere Male zuvor - zum Streit, weil sich der Angeklagte darüber verärgert zeigte, dass die Nebenklägerin, die an diesem Abend lediglich Einnahmen in Höhe von 100,00 EUR erzielt hatte, aus Sicht des Angeklagten zu wenig Geld verdient hatte. Der Angeklagte hielt ihr vor, dass sie nicht wisse, wie man als Prostituierte richtig arbeite. Nach Betreten der Wohnung eskalierte der Streit. Der Angeklagte zog der Nebenklägerin an den Haaren und würgte sie kräftig mit der anderen Hand. Auf diese Weise zwang er sie mit den Worten: „Ich zeige Dir, wie man fickt und als Prostituierte richtig arbeitet!“ ins Schlafzimmer. Dort riss er der Nebenklägerin, die dem Angeklagten körperlich deutlich unterlegen war, die von ihr noch im Rahmen der Prostitutionsausübung getragene Arbeitskleidung herunter, wodurch eine Korsage am Reißverschlussansatz aufgerissen wurde. Anschließend führte er mit ihr den ungeschützten, vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss durch. Währenddessen versuchte die Nebenklägerin erfolglos, sich durch Kratzen im Bereich der linken Gesichtshälfte des Angeklagten dagegen zu wehren. Mit den Worten: „Lerne, ich bin der Mann!“ ließ er schließlich von der Nebenklägerin ab.
26(4.) In einem weiteren Fall, der sich im Sommer 2013 ereignete, wobei der konkrete Zeitpunkt nicht mehr näher bestimmbar war, zwang der Angeklagte die Nebenklägerin wiederum in seiner Wohnung, ihn oral zu befriedigen. Auch bei diesem Vorfall zeigte er sich zuvor darüber verärgert, dass die Nebenklägerin seiner Meinung nach durch ihre Prostitutionstätigkeit nicht genügend Einnahmen erzielt hatte. Er fasste ihr – wie so oft – in die Haare und zog sie auf diese Weise in das Schlafzimmer, wo er sie zwang, sich auf das Bett zu setzen. In diesem Zusammenhang äußerte er wiederum, dass die Nebenklägerin lernen solle, eine „Hure“ zu sein. Anschließend stellte er sich vor die Nebenklägerin und zwang sie, ihn gegen ihren Willen oral zu befriedigen, wobei er ihr schließlich ins Gesicht ejakulierte.
275. (eingestellt mit Anklageerhebung nach § 154 Abs. 1 StPO)
28Am Abend eines nicht mehr näher bestimmbaren Tages im Sommer 2013 war der Angeklagte mit der Nebenklägerin nach einem Barbesuch in N. auf dem Rückweg zu seiner Wohnung. Der Angeklagte, der – wie auch die Nebenklägerin –zu diesem Zeitpunkt erheblich alkoholisiert war, war verärgert darüber, dass die Nebenklägerin aus seiner Sicht – wieder einmal – durch ihre Prostitutionstätigkeit nicht genügend Geld verdient hatte. Bei Betreten der Wohnung packte er sie sodann mit der einen Hand bei den Haaren und würgte sie mit der anderen und warf sie schließlich auf das Bett im Schlafzimmer, wo er gegen den Willen der Nebenklägerin, die auch im Rahmen ihrer Prostitutionsausübung noch nie zuvor Analverkehr hatte, mit solcher Kraft anal in sie eindrang, dass sie zu bluten begann. Der Angeklagte kommentierte dies mit der Bemerkung, dass er verwundert darüber sei, wo sie doch vier, fünf Kunden pro Tag habe. Anschließende brachte er die Nebenklägerin in Rückenlage, wobei er ihr mit einem von ihm getragenen Ring sowohl im Bereich der rechten Körperseite unterhalb des Rippenbogens als auch am linken Oberschenkel Verletzungen in Form eines ca. zwei bis drei cm langen Kratzers bzw. eines kleineren Hämatoms zufügte, und führte mit ihr gegen ihren Willen anschließend ungeschützt den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss durch. Wegen der Verletzungen der Nebenklägerin wird ergänzend auf die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder gemäß Bl. 163 und 164 d.A. Bezug genommen. Durch die rohe vaginale Penetration erlitt die Nebenklägerin eine massive und andauernde vaginale Entzündung.
296. (= Fall zu Ziff. 13. der Anklageschrift)
30Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt lernte die Zeugin F. U. den Angeklagten in einem Telefon-Chat kennen. Nach mehreren Kontakten beschlossen die Zeugin und der Angeklagte, sich zu treffen. Der Angeklagte lud die Zeugin zu sich in seine Wohnung L.-Straße xx nach P. ein, sie solle – so der Angeklagte zu der Zeugin – zu ihm kommen und sich anschauen, wie er wohne und auch seine Eltern kennenlernen. Tatsächlich beabsichtigte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt, die Zeugin gegebenenfalls unter Anwendung von Zwang dazu zu bringen, für ihn als Prostituierte tätig zu werden, um auf diese Weise an den hieraus erzielten Verdienst zu gelangen und diesen für sich vereinnahmen zu können. Die Zeugin machte sich, wie mit dem Angeklagten verabredet, am 02.11.2013 von A. aus mit dem Zug auf den weg zum Angeklagten nach P.. Als der Angeklagte an diesem Abend mit ihr ausging, schöpfte die Zeugin noch keinen Verdacht, obwohl er sich schon zu diesem Zeitpunkt bei ihr erkundigte, was sie von Prostitution halte. Auf Bemerken der Zeugin, dass es so etwas in ihrer Familie nicht gebe, äußerte der Angeklagte, dass Prostituierte Respekt verdienen würden. Am Vormittag des darauffolgenden Tages, dem 03.11.2013, nutzte die Zeugin den Umstand, dass sich der Angeklagte zum Duschen in das Badezimmer zurückgezogen hatte, dazu, die auf dem Handy des Angeklagten befindlichen Kurzmitteilungen einzusehen. Sie musste dabei feststellen, dass der Angeklagte anderen Frauen Mitteilungen des Inhalts zukommen ließ, dass er diesen Arbeit als Prostituierte anbot. Nachdem der Angeklagte aus dem Badezimmer zurückgekehrt war, sprach ihn die Zeugin hierauf an, worauf der Angeklagte entgegnete, dass er „ja irgendwie an Geld kommen“ müsse. Er schlug der Zeugin sodann vor, selbst als Prostituierte arbeiten zu gehen. Das – so der Angeklagte – sei „leicht verdientes Geld“ und „man muss nicht viel tun“. Da sich die Zeugin strikt weigerte, auf das Ansinnen des Angeklagten einzugehen, kam es zwischen beiden zum Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte immer aggressiver wurde und der Zeugin, um deren entgegenstehenden Willen zu brechen, schließlich kräftig mit der Faust ins Gesicht schlug, was zu einer Verletzung in Form einer deutlich sichtbaren Hämatombildung unterhalb des linken Auges der Zeugin führte. Wegen der durch den Faustschlag verursachten Verletzung der Zeugin wird ergänzend auf das in Augenschein genommene Lichtbild gemäß Bl. 12 unten d.A. des Verfahrens 676 Js 23/14 der Staatsanwaltschaft Bielefeld Bezug genommen. Der Angeklagte schrie die Zeugin sodann an, dass er sie nicht gehen lasse und sie nunmehr für ihn „anschaffen“ bzw. „auf den Strich gehen“ müsse. Wenn sie seinen Willen nicht befolge, würde ihr, ihren Kindern und ihrer Familie etwas passieren. Der Angeklagte sperrte die Zeugin anschließend in seiner Wohnung ein und verließ diese, wobei er gegenüber der Zeugin äußerte, dass er ihre Familie und ihre Kinder umbringen werde, wenn sie die Polizei oder ihre Familie verständige. Der Angeklagte beabsichtigte hiermit, die Zeugin gefügig zu machen und sie zur Aufnahme der Prostitution in seinem Sinne zu bewegen. Angesichts dieser Drohung und ihrer prekären Situation geriet die Zeugin in Panik, traute sich jedoch nicht, die Polizei zu benachrichtigen. Die Zeugin rief dann aber doch ihre Schwester, die Zeugin I. U. an, und bat diese, ihr zur Hilfe zu eilen und sie zu befreien. Die Zeugin I. U. machte sich in Begleitung der Zeugin V. umgehend ebenfalls von A. aus auf den weg nach P.. Hierbei hielt sie mit der Zeugin F. U. telefonischen Kontakt, der es gelang, die beiden Zeuginnen zu der Wohnung des Angeklagten zu dirigieren. Während dieser Zeit zerstörte die Zeugin F. U. aus Wut über das Verhalten des Angeklagten Teile dessen Mobiliars: so warf sie u.a. eine Vase zu Boden, riss eine Schranktür aus den Scharnieren und verkohlte mit einem Feuerzeug Kleidungsstücke. Bei der Wohnung angekommen, trat die Zeugin I. U., die sich nicht anders zu helfen wusste und ihre Schwester in der Wohnung weinen hören konnte, schließlich mit mehreren Tritten die Tür zur Wohnung des Angeklagten ein. Die Zeugin F. U. war jedoch ob der vorangegangenen Bedrohungen des Angeklagten derart verängstigt, dass sie nun nicht fähig war, gemeinsam mit ihrer Schwester und der Zeugin V. die Wohnung zu verlassen und nach A. zurückzukehren und schrie völlig aufgelöst und neben sich stehend ihre Schwester an, dass sie und die Zeugin V. in großer Gefahr seien und forderte beide auf, zu gehen. Die Zeugin I. U., geriet angesichts des psychischen Ausnahmezustands ihrer Schwester, die sie nicht wiedererkannte, selbst in Panik und begann, um ihre Schwester zum Verlassen der Wohnung zu bewegen, sich mit einer Glasscherbe Schnitte an den Armen und an der Brust zuzufügen. Um ihre Schwester zum Aufhören zu bewegen, fügte sich die Zeugin F. U. nun ihrerseits mit einer Glasscherbe mehrfach Schnitte am linken Unterarm zu. Die Zeugin V. nahm der Zeugin I. U. die Scherbe schließlich aus der Hand, wobei sie sich selbst leichte Verletzungen zuzog. Mit Eintreffen der zwischenzeitlich von der Zeugin V. verständigten Polizei erschien auch der Angeklagte in Begleitung seiner Mutter. Die Zeugin F. U. war in Gegenwart des Angeklagten trotz der erschienen Polizeibeamten nicht in der Lage, die Geschehnisse wahrheitsgemäß zu schildern. Auf Geheiß des Angeklagten, der aufgrund der Erzählungen der Zeugin F. U. über die kriminelle Vergangenheit deren Mutter Bescheid wusste und entsprechend den Tatverdacht auf diese lenken wollte, erstattete die Zeugin – wie auch der Angeklagte selbst – in der Folge vielmehr wider besseres Wissen eine Strafanzeige gegen ihre eigene Mutter, die Zeugin F. U., und bezichtigte diese wahrheitswidrig insbesondere, vor Ort gewesen, sie geschlagen und ihre Handtasche mit Bargeld entwendet zu haben. Um weiter den Verdacht von sich abzulenken, forderte der Angeklagte sodann von der Zeugin, dass diese sich für kurze Zeit in ein Frauenhaus in N. begeben sollte, wohin sie der Angeklagte auch im Anschluss fuhr. Hierbei drohte er ihr jedoch, nicht zu flüchten oder ihre Familie zu kontaktieren und kündigte an, sie später wieder abzuholen, wenn sich alles beruhigt habe. Vom Frauenhaus aus rief die Zeugin aber schließlich ihre Mutter an, die sie dann von einer gegenüberliegenden Polizeistation abholte. Der Angeklagte versuchte in der Folge mehrfach vergeblich, die Zeugin telefonisch unter Drohungen dazu zu bewegen, zu ihm zurückzukehren und für ihn als Prostituierte zu arbeiten und Geld zu verdienen.
31III.
32Der Angeklagte hat sich zu den Anklagevorwürfen nicht eingelassen. Er ist der Taten nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme überführt. Den Feststellungen liegen maßgeblich die Angaben der Nebenklägerin zu Grunde. Diese Angaben erscheinen auch glaubhaft.
33Dafür, dass der Angeklagte der Nebenklägerin in dem Zeitraum, in dem diese noch im V.-Hotel der Prostitution nachging, die Einnahmen entzogen hat, spricht bereits, dass die Nebenklägerin die Zimmermiete wie auch das Betreuungsgeld für ihr Kind gezahlt hat, solange der Angeklagte noch nicht in ihr Leben getreten war; anschließend konnte sie das Betreuungsgeld nicht mehr zahlen und hat der Angeklagte, der der Nebenklägerin sämtliche Einnahmen abgenommen hat, zuletzt auch die Miete nicht mehr entrichtet. Dass der Angeklagte der Nebenklägerin lediglich vorgespiegelt hat, mit ihr zusammenleben und ihr eine Arbeit außerhalb der Prostitution verschaffen zu wollen, er sie in Wahrheit jedoch zur Fortsetzung der Prostitution veranlassen und den Erlös aus ihrer Tätigkeit als Prostituierte für sich vereinnahmen wollte und beides auch so getan hat, legen auch bereits die Umstände der Flucht der Nebenklägerin nahe, nicht zuletzt der Notruf, mit dem die Nebenklägerin sich auch schon an die Polizei gewandt hatte, damit aber wegen Sprachschwierigkeiten gescheitert war. Hinzu kommt, dass der Angeklagte anschließend den Versuch unternommen hat, mit der Zeugin F. U. ein neues Tatopfer in derselben Art und Weise für seine Zwecke einzusetzen. Der Angeklagte hat die Nebenklägerin nicht nur in verschiedenen Bordellen unter- und den Prostitutionserlös an sich gebracht; er hat die Nebenklägerin vielmehr fortwährend dazu genötigt, die Prostitutionstätigkeit noch im Sinne der Erzielung höherer Erlöse auszuweiten, und sie zu diesem Zweck sogar dermaßen geschlagen bzw. mit dem Knie in den Bauch gestoßen, dass die Nebenklägerin im Krankenhaus behandelt werden musste, und selbst das Kind der Nebenklägerin für Nötigungshandlungen eingesetzt. Massive körperliche Übergriffe des Angeklagten auf die Nebenklägerin sind nicht nur durch die Umstände wie Polizeieinsätze und Krankenhausbesuche, sondern vor allem auch durch die Beobachtung entsprechender Verletzungen seitens der Zeuginnen T. sowie deren Tochter als auch der Freundin der Nebenklägerin T. S., deren Angaben die Zeugen Z. und KHK M. wiedergegeben haben, belegt. Dass der Angeklagte schließlich sogar damit gedroht hat, das Kind der Nebenklägerin aus dem Fenster zu werfen, ist durch die Umstände, die insbesondere der Zeuge Z. berichtet hat, gestützt. Auch aus den abgespielten Gesprächsmitschnitten ergibt sich ohne weiteres und deutlich, dass und welche Drohungen der Angeklagte in außerordentlich aggressiver Weise gegenüber der Nebenklägerin ausgestoßen hat.
34Die Angaben der Nebenklägerin finden sich durch weitere Zeugen auch im Umfang ihrer Wahrnehmungen bestätigt. Im Einzelnen:
35Die Nebenklägerin hat den Sachverhalt, nachdem sie dem Angeklagten am 14.8.2013 entkommen war, zunächst gegenüber dem Zeugen PK N. und sodann in insgesamt fünf Vernehmungen im Ermittlungsverfahren, zuzüglich einer weiteren Vernehmung durch den Ermittlungsrichter und schließlich in der Hauptverhandlung an insgesamt vier Verhandlungstagen im wesentlichen gleichbleibend geschildert. Abweichend hat die Nebenklägerin lediglich auf die Frage des Ermittlungsbeamten, wann das genau mit dem Schlagen gewesen sei, den ersten Vorfall in Zusammenhang mit dem Streit über das Geld für die Tagesmutter gebracht, wohingegen sie in der Hauptverhandlung bekundet hat, einen Streit habe es damals in diesem Zusammenhang gegeben, geschlagen habe der Angeklagte sie dabei aber noch nicht. Ein Grund für die Abweichung konnte nicht mehr ausgemacht werden. Die Nebenklägerin konnte sich nicht daran erinnern, im Ermittlungsverfahren überhaupt so ausgesagt zu haben; sie war sich aber sicher, dass der Angeklagte sie, solange sie sich noch im V.-Hotel aufhielt, noch nicht geschlagen hat. Letztlich ändert diese Abweichung an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin auch nichts: letztere hatte schon angesichts der nachfolgenden massiven Übergriffe des Angeklagten keinen Anlass, diesen etwa durch die Schilderung weiterer Angriffe zusätzlich zu belasten. Ein solches Motiv liegt angesichts dessen, dass die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung ein Schlagen des Angeklagten im Zusammenhang mit dem erwähnten Vorfall gerade nicht bestätigt hat, auch fern.
36Auch der Umstand, dass die Nebenklägerin im Zusammenhang mit ihrer Vernehmung bei der Polizei am 05.08.2013 noch angegeben hat, sie werde weder festgehalten noch geschlagen, es gehe ihr gut, bedeutet nicht, dass die Angaben der Nebenklägerin in den später erfolgten Vernehmungen entsprechend falsch waren. Hierfür spricht schon der weitere Inhalt der Vernehmung vom 05.08.2013 insofern, als die Nebenklägerin seinerzeit bereits auf Vorhalt eingeräumt hatte, dass es Streit gegeben hatte und die Polizei hinzu gerufen worden war, der Zeuge Z. ihr schon insgesamt mehr als 800 EUR geliehen hatte, damit sie sich von dem Angeklagten trennen konnte, sie mehrfach den Zeugen Z. angerufen und ihm geschildert hatte, dass sie von dem Angeklagten weg wolle, allerdings habe sie den Zeugen nur einmal um Hilfe gebeten. Tatsächlich habe der Angeklagte sie einmal geschlagen und sei die Polizei auch bei ihr gewesen. Bereits damit hat die Nebenklägerin seinerzeit schon eine ganze Reihe von Anhaltspunkten dafür geschildert, dass die Nebenklägerin seinerzeit nur vorgegeben hat, sie werde von dem Angeklagten weder festgehalten noch geschlagen.
37Dass die Nebenklägerin anlässlich ihrer Vernehmung am 05.08.2013, also noch vor ihrer Flucht am 14.8.2013, das Kind bei sich und von daher die Gelegenheit hatte, gemeinsam mit ihrem Kind dem Angeklagten zu entkommen, und diese Gelegenheit nicht genutzt hat, begründet ebenfalls keine durchgreifenden Zweifel an ihren Angaben. Dieser Umstand deutet vielmehr im Gesamtgefüge des Beweisergebnisses darauf hin, dass sie sich aus ihrer Sicht unüberwindlichen Schwierigkeiten gegenüber sah, solange sie nicht die Pässe von dem Angeklagten zurückerhalten hatte. Tatsächlich ist die Nebenklägerin anschließend geflohen, nachdem dieses Hindernis beseitigt war und sie die Pässe zurückerhalten hatte. Das Verhalten der Nebenklägerin anlässlich der Vernehmung am 5.8.2013 steht darüber hinaus auch in einer Linie mit ihrem Verhalten im Zusammenhang mit ihrem Anruf bei dem Zeugen Z. am 2.8.2013, mit dem sie diesen dazu veranlassen wollte, gegenüber der Polizei nunmehr alles als einen Irrtum darzustellen, umso nicht noch mehr Schwierigkeiten mit dem Angeklagten zu bekommen. Das ganze Ausmaß der Zwangswirkung dieser Schwierigkeiten auf die Nebenklägerin wird daran deutlich, dass der Anlass für die Einschaltung des Zeugen Z. immerhin war, dass der Angeklagte der Nebenklägerin damit gedroht hatte, ihr Kind aus dem Fenster zu werfen, und die Nebenklägerin in dieser Situation dennoch darauf setzte, den Angeklagten zu beruhigen, statt die Gelegenheit zu nutzen, seiner Beherrschung zu entrinnen.
38Soweit die Nebenklägerin nicht in der Lage war, die Geschehnisse zeitlich geordnet wiederzugeben, hing dies unabhängig davon, dass die Taten zum Zeitpunkt des Beginns der Hauptverhandlung bereits ca. anderthalb Jahre zurücklagen, maßgeblich auch damit zusammen, dass es der Nebenklägerin nach eigener Aussage ausgesprochen schwer fiel, nicht nur einzelne Geschehnisse für sich genommen zeitlich zu fixieren, sondern auch rückblickend zueinander in einen zeitlichen Kontext zu setzen. Wie die Nebenklägerin sichtlich bewegt und verstört bekundet hat, sei so viel passiert, dass sie sich nicht an alle Daten und Orten zu erinnern vermöge. Es sei „wie ein Film“, der an ihr vorbeiziehe. Das Unvermögen der Nebenklägerin, einzelne Ereignisse zeitlich zu konkretisieren, galt beispielhaft bei der Schilderung der Vergewaltigungstaten. Diesbezüglich hat die Nebenklägerin auf Befragen, wie oft sie von dem Angeklagten zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden sei, erneut sichtlich bewegt bekundet, dass dies mehrfach geschehen sei. Die einzelnen Vorfälle könne sie nicht zählen, wenn sie eine Zahl sage, würde sie lügen. In den drei Monaten habe sie so viel erlebt, wie noch nie zuvor. An anderer Stelle musste die Nebenklägerin die Schilderung des Vergewaltigungsvorwurfs zur Tat zu II. 5. unter Tränen abbrechen und bekundete in diesem Zusammenhang, dass sie, seit sie der Prostitution nachgehe, noch nie einen Mann kennengelernt habe, der sie so schlecht behandelt habe. Es sei eigentlich immer so gewesen, wenn sie und der Angeklagte in dessen Wohnung zurückgekehrt seien, dass dieser sie an den Haaren gezogen und gewürgt habe.
39Ungeachtet dessen bestanden an der Wahrheit des von der Nebenklägerin im Übrigen bekundeten erlebten Geschehens keine vernünftigen Zweifel. So hat die Nebenklägerin über die den Feststellungen zugrunde gelegten Angaben hinaus im Rahmen ihrer Vernehmung nachvollziehbar ihre Ankunft in Deutschland und die Umstände der erstmaligen Aufnahme ihrer Tätigkeit als Prostituierte im V.-Hotel in P. im Einzelnen geschildert, wonach sie erstmals Ende 2011 auf Einladung einer männlichen Person, mit der sie zuvor mehrere Monate über die Internet-Kontaktplattform „Badu“ gechattet und die ihr auch das Flugticket gestellt bzw. bezahlt habe, von Spanien aus, wo sie Probleme mit ihrem Partner gehabt habe, nach Deutschland eingereist sei. Zu diesem Zeitpunkt sei sie mit ihrer Tochter im dritten Monat schwanger gewesen. Sie habe dann am Flughafen zwei Schwestern kennengelernt, von denen die eine, mit Namen Kristina, ihr ihre Telefonnummer gegeben und geäußert habe, dass sie sich melden solle, wenn etwas passiere. Sie habe dann den Mann getroffen, mit dem sie über das Internet kommuniziert habe, wobei das von ihm im Internet genutzte Foto nicht mit ihm übereingestimmt habe. Sie habe in dem Haus des Mannes, das über zwei Etagen verfügt habe, geschlafen. Der habe sie aber nicht angefasst und auch ihre Passdokumente nicht weggenommen. Einer ebenfalls im Haus anwesenden Frau habe sie dann davon berichtet, dass sie kein Geld habe. Diese habe ihr dann offenbart, dass in dem Haus ein Bordell betrieben werde und sie gefragt, ob sie dort als Prostituierte tätig werden wolle. Dies habe sie jedoch abgelehnt und nach einem Taxi zum Flughafen verlangt, welches der Mann ihr auch bestellt habe. Sie habe sich dann in ihrer Situation an die Kristina gewandt, die zu ihr geäußert habe, dass sie zum V.-Hotel nach P. kommen solle, wo diese selbst als Prostituierte tätig gewesen sei. Dieser habe ihr dann in Aussicht gestellt, dass der Betreiber des „V.-Hotels“, den sie unter dem Namen J. C. kenne, ihr Arbeit verschaffen könne. In diesem Zusammenhang habe sie auch erstmals den Zeugen Z. kennengelernt. Kristina habe ihm diesen als einen Herrn vorgestellt, der sich um in Deutschland aufhältige Dominikanerinnen kümmere und diesen helfend zur Seite stehe. Der Zeuge Z. habe sodann auch ihr gegenüber geäußert, dass er ihr helfen und mit den Inhabern des Hotels sprechen werde. Sie sei schließlich auch wegen der Verdienstmöglichkeit und mangels anderer Optionen auf den Vorschlag der Zeugin C. und des J. C. eingegangen und habe die Tätigkeit im V.-Hotel aufgenommen, zumal sie ihr existierendes Rückflugticket nach Spanien auch bei dem „einladenden Herrn“ zurückgelassen habe. Sie habe dann bis zum siebten oder achten Schwangerschaftsmonat bzw. in der Zeit von Januar bis März 2012 im V.-Hotel gearbeitet und sei dann für die Geburt ihrer Tochter K., die am xx.2012 geboren worden sei, wieder nach Spanien ausgereist. Ein Eingriff bei der Geburt ihrer Tochter habe dazu geführt, dass sie keine Kinder mehr habe bekommen können. Als ihre Tochter ein oder zwei Monate alt gewesen sei, sei sie nach Deutschland zurückgekehrt und habe nach einem zwei- bis dreiwöchigen Aufenthalt im Juli 2012 in dem Bordellbetrieb „J.“ in O., Stadtteil J., welcher ebenfalls von J., dem Besitzer des „V.-Hotels“ betrieben worden sei, wieder ihre Tätigkeit in letzterem Etablissement aufgenommen, da im „J.“ nicht viele Kunden verkehrt hätten.
40Der Zeuge B. als Betreiber des Bordells „P.“ in L. hat die Angaben der Nebenklägerin betreffend die Umstände ihres Kommens nach Deutschland und ihres kurzzeitigen Aufenthalts in seinem Haus letztlich in den wesentlichen Punkten bestätigt, obwohl er sich zu Beginn seiner Vernehmung kaum aussagewillig gezeigt hat. So hat er eingangs seiner Vernehmung zunächst pauschal bestritten, „eine Dame“ zu sich eingeladen zu haben. Er sei „doch nicht so doof“. Er habe niemanden nach Deutschland geholt und auch kein Geld geschickt. Erst auf weitere Vorhalte hat der Zeuge dann in Übereinstimmung mit den Angaben der Nebenklägerin bekundet, dass er mithilfe eines Übersetzungsprogramms von Google über die Internetplattform „Badu“ gechattet habe. Es könne – so der Zeuge weiter - sein, dass er mit jemandem aus der Dominikanischen Republik gechattet habe und dass die Dame aus Spanien gekommen sei. Sie sei, wie der Zeuge schließlich bekundete, hochschwanger gewesen und habe zwei Tage bei ihm privat gewohnt, nicht aber bei ihm im Bordell gearbeitet. Geld habe er ihr auch vorgeschossen, es sei eine private Einladung gewesen. Die Papiere habe er ihr nicht weggenommen. Auch wenn der Zeuge letztlich unter Hinweis auf seine Parkinson-Erkrankung und das damit für ihn verbundene eingeschränkte Erinnerungsvermögen bekundete, nicht mit Gewissheit sagen zu können, ob es sich bei der Dame um die Nebenklägerin gehandelt habe, hat er jedoch den von der Nebenklägerin geschilderten Sachverhalt in den maßgeblichen Punkten, wenngleich auch nur merklich zögerlich und widerwillig, bestätigt.
41Die Richtigkeit der Darstellung der Nebenklägerin insoweit wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass der Zeuge Z., der nach seinen im Übrigen durchaus nachvollziehbaren Angaben aufgrund seiner jahrelangen beruflichen Verbindung nach Lateinamerika, entsprechender sehr guter Spanischkenntnisse und seiner Ehe mit einer Dominikanerin für die hier lebenden Frauen aus der Dominikanischen Republik in Notlagen als Ansprechpartner zur Verfügung gestanden hat, bekundet hat, dass die Nebenklägerin ihm erzählt habe, dass sie im Zuge ihrer Ankunft in Deutschland ihre Passpapiere habe abgeben müssen, auf Verlangen aber zurückbekommen habe. Angesichts der übereinstimmenden, gegenteiligen Bekundungen der Nebenklägerin und des Zeugen B. liegt es schon nahe, dass sich der Zeuge Z., der sein Wissen nach eigenen Angaben ausschließlich aus mehrere Jahre zurückliegenden Schilderungen der Nebenklägerin bezog, schlicht versehen hat. Dies auch deshalb, weil der Zeuge Z. im Gegensatz zu den im Einklang stehenden Bekundungen der Nebenklägerin und des Zeugen B. auch eine unterschiedliche Abreisesituation der Nebenklägerin aus L. geschildert hat, wonach sie mit einem Kunden aus L. weggefahren sei. Im Übrigen hat der Zeuge Z. aber ebenfalls im Einklang mit der Darstellung der Nebenklägerin sachlich und insgesamt widerspruchsfrei in glaubhafter Weise angegeben, einen ersten Kontakt zu ihr vor ca. drei Jahren – mithin Ende 2011/Anfang 2012 – gehabt zu haben, als sie schwanger gewesen sei. Eine Bekannte habe ihn damals gebeten, mit der Nebenklägerin zum Arzt zu gehen. Er habe auch für sie übersetzt.
42Auch die Zeugin T. hat die Angaben der Nebenklägerin zu ihrem Aufenthalt und ihrer Tätigkeit im V.-Hotel bestätigt. Danach sei die Nebenklägerin in Begleitung des Zeugen Z. Anfang Januar 2013 bei ihr erschienen, und habe sie gefragt, ob sie ihre Tochter, die zu diesem Zeitpunkt acht Monate alt gewesen sei, betreuen würde. Sie habe eingewilligt und das Kind bei sich aufgenommen, weil dieses nicht im V.-Hotel habe schlafen dürfen. Die Nebenklägerin habe auch bei ihnen gewohnt, sei dann aber schließlich immer häufiger im V.-Hotel geblieben. Hierfür habe die Nebenklägerin ihr zunächst wöchentlich 150,00 EUR, später dann 100,00 EUR mehr gezahlt, da sie dort mit gewohnt habe. Bei dieser Summe sei es dann schließlich geblieben, da sie die Tochter der Nebenklägerin rund um die Uhr betreut habe. Auch die Zeugin C., die Betreiberin des „V.-Hotels“, hat in Bestätigung dessen bekundet, dass die Nebenklägerin in ihrem Hotel ein Apartment zu einer Wochenmiete von 300,00 EUR inkl. Frühstück und zzgl. 50,00 EUR bzw. wegen der erst zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich von der Stadt M. erhobenen Sexsteuer von 20,00 EUR dann 70,00 EUR Steuern pro Woche, die die Nebenklägerin ebenfalls an sie habe entrichten müssen, angemietet gehabt habe, wobei die Zeugin den Zeitraum nicht mehr zu erinnern vermochte und insoweit auf von ihr geführte Steuerlisten verwies, in denen die einzelnen Arbeitstage der bei ihr tätigen Frauen aufgenommen und die dann dem Finanzamt zur Abrechnung vorgelegt worden seien. Soweit diese von der Zeugin C. im Nachgang zu ihrer Vernehmung vorgelegten und mit „Steuerberechnung und Steueranmeldung“ überschriebenen Steuerlisten, wobei sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass die Zeugin diese Listen gegebenenfalls bewusst falsch geführt haben könnte, für die Monate Juni und Juli 2013 in der Hauptverhandlung verlesen worden sind, ergab sich hieraus, dass die Nebenklägerin jeweils von Montag bis Freitag im gesamten Monat Juni 2013 und die erste Woche des Monats Juli vom 01. - 05.07.2013 sowie dann nochmals am 21.07.2013 im V.-Hotel tätig war. Dies bestätigt nicht nur die Angaben der Nebenklägerin, im Zeitpunkt des Kennenlernens des Angeklagten als Prostituierte im V.-Hotel tätig gewesen zu sein, sondern auch ihre Schilderung, nach dem Kennenlernen des Angeklagten zunächst nur für vier weitere Wochen in dem vorgenannten Bordellbetrieb gearbeitet zu haben. Sie, so die Zeugen C. im Übrigen weiter, habe auch gehört, dass die Nebenklägerin Geld für die Betreuung ihres Kindes gezahlt habe. Die Nebenklägerin habe ihr damals auch erzählt, dass sie mit einem Mann aus den Niederlanden verheiratet sei. Auch diese Angaben bestätigen ergänzend die dahingehende Darstellung der Nebenklägerin. Selbst die Zeugin Y., die sich im Übrigen sichtlich aussageunwillig gezeigt hat, hat bestätigt, die Nebenklägerin im Jahr 2013 im V.-Hotel, wenn auch nicht näher, kennengelernt zu haben, da diese dort wie sie als Prostituierte tätig gewesen sei. Auch den Angeklagten habe sie dort gesehen. Der habe „wohl was mit der Nebenklägerin zu tun gehabt“, sie habe aber nichts gesehen. Soweit die Zeugin im Übrigen entgegen den Bekundungen der Nebenklägerin pauschal abgestritten hat, mit der Nebenklägerin nach deren Weggehen aus dem V.-Hotel noch einmal telefonisch Kontakt gehabt und diese vor der Familie des Angeklagten gewarnt zu haben, hat sie sich insoweit schon in Widerspruch zu ihren Angaben im Ermittlungsverfahren gesetzt, wonach die Nebenklägerin sie (doch) angerufen habe. Die Zeugin war im Übrigen während ihrer gesamten Vernehmung sichtlich darum bemüht, sich wegen der Vorkommnisse im V.-Hotel bezüglich der Nebenklägerin und des Angeklagten „unwissend“ zu stellen.
43Dass sich der Angeklagte gemäß den Bekundungen der Nebenklägerin bei ihr im betreffenden Zeitraum im V.-Hotel aufgehalten hat und es wegen seines ständiges Aufenthaltes im Etablissement zu zunehmenden Problemen mit den Betreibern kam, wird weiter bestätigt durch die Aussage des Zeugen Z.. Dieser hat insoweit bekundet, dass die Nebenklägerin ab Anfang Mai 2013 im V.-Hotel als Prostituierte gearbeitet habe. Er sei dann von dem Vermieter, dem J. C., angerufen worden, der ihm gesagt habe, dass die Nebenklägerin einen neuen Freund habe. Der sei gefährlich, er, der Zeuge, müsse der Nebenklägerin diesen Freund ausreden. Bei einem Treffen habe der J. C. ihm – dem Zeugen - gegenüber geäußert, dass die Nebenklägerin nicht zu dem Angeklagten ziehen solle, „das wäre das Ende der Welt“. Er sei dann nach M. gefahren und habe mit der Nebenklägerin gesprochen, die ihm gesagt habe, dass der Angeklagte „ein netter Bursche“ sei, den sie heiraten wolle. Er habe sich dann bei verschiedenen im V.-Hotel tätigen Frauen nach dem Angeklagten erkundigt und zu dessen Person unterschiedliche Reaktionen erfahren. Während eine aus Kolumbien stammende Frau den Angeklagten ebenfalls für einen „netten Burschen“ gehalten habe, habe eine Kubanerin den Angeklagten in Übereinstimmung mit dem Betreiber ebenfalls als gefährlich eingestuft. Er habe dann in dieser Zeit auch selbst ein- oder zweimal mit dem Angeklagten gesprochen, der auf ihn keinen schlechten Eindruck gemacht habe. Der habe ihm gegenüber geäußert, dass sein Kind und dass der Nebenklägerin gemeinsam aufwachsen sollten.
44Auch die Zeugin T. hat nachvollziehbar und widerspruchsfrei die von der Nebenklägerin geschilderte Überwachung und Kontrolle ihrer Prostitutionstätigkeit durch den Angeklagten dahingehend bestätigt, dass sie den Angeklagten - den sie in Übereinstimmung mit den Angaben in ihrer polizeilichen Vernehmung eingangs ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung irrtümlich mit „Herr Nowodny“ benannte, aber auf Befragen ausdrücklich klarstellte, dass sie hiermit den Angeklagten meint - zunächst als Gast der Nebenklägerin im V.-Hotel wahrgenommen und kennengelernt habe. Sie habe aber beobachten können, dass der Angeklagte schließlich „die ganze Zeit“ in dem Apartment, welches die Nebenklägerin angemietet gehabt habe, geblieben sei. Er sei lediglich dann hinausgegangen, wenn ein Kunde gekommen sei. Anschließend sei er in das Apartment zurückgekehrt. Wenn sie - die Zeugin - in das Hotel gekommen sei, sei der Angeklagte immer bei der Nebenklägerin gewesen. Sie habe zudem nicht nur beobachten können, dass der Angeklagte die Nebenklägerin bewacht, sondern auch versucht habe, seinen Aufenthalt bei der Nebenklägerin im V.-Hotel zu „vertuschen“. So habe sie gesehen, dass der Angeklagte sein Auto schließlich nicht mehr auf dem Parkplatz des „V.-Hotels“, sondern in einer Seitenstraße abgestellt habe. Sie habe in diesem Zusammenhang vermutet, dass die Nebenklägerin für den Angeklagten und dessen Familie habe „anschaffen gehen“ müssen.
45Auch die Betreiberin des „V.-Hotels“, die Zeugin C., hat auf Vorhalt ihrer polizeiliche Vernehmung vom 01.07.2014 bestätigt, dass bei ihr „alle Alarmglocken angegangen“ seien, als sie von der Zeugin T. erfahren habe, dass der Angeklagte bei dieser erschienen sei und geäußert habe, dass er die Nebenklägerin und deren Tochter zu sich nehmen wolle. Die Zeugin C., die ansonsten in ihrer Aussage der Hauptverhandlung sichtlich darum bemüht war, den Eindruck zu erwecken, an den von der Nebenklägerin bekundeten Geschehnissen unbeteiligt gewesen zu sein und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit ihrem Bordellbetrieb zu relativieren, hat auf Befragen hierzu aber immerhin angegeben, dass es doch ungewöhnlich sei, dass ein Mann eine Prostituierte mit Kind zu sich nehme. Sie habe befürchtet, dass die Nebenklägerin anderweitig arbeiten müsse. Soweit die Zeugin im Übrigen bekundet hat, dass es mit dem Angeklagten weder mit ihr noch mit ihrem Vater, J. C., Probleme gegeben habe, sie habe den Angeklagten auch gar nicht gekannt, kann dem, da im deutlichen Widerspruch zu den übereinstimmenden Bekundungen der Nebenklägerin und der Zeugen Z. und T. stehend, nicht gefolgt werden. Vielmehr bestand auf Seiten der Zeugin C. und deren Vater, als diese von der ständigen Anwesenheit des Angeklagten auf dem Zimmer der Nebenklägerin erfuhren, offenkundig die begründete Sorge, dass dieser sich als Zuhälter für die Nebenklägerin betätigt und entsprechend beherrschend und kontrollierend auf sie einwirkt. Nur unter diesem Blickwinkel erscheint es auch plausibel, dass sie bei dem Zeugen Z. wegen seiner Sprachkenntnisse um Unterstützung nachsuchten, damit dieser die Nebenklägerin auf ihre dringende Sorge hinweisen und sie veranlassen sollte, sich von dem Angeklagten zu lösen.
46Dass die Nebenklägerin gemäß ihren Bekundungen nicht mehr über ihre Einnahmen verfügen durfte, wird im Übrigen bekräftigt durch die Aussage der Zeugin T.. Diese hat anschaulich ausgesagt, dass die Nebenklägerin ab dem Zeitpunkt, als der Angeklagte mit ihr zusammen gewesen sei, die Betreuungskosten bei ihr nicht mehr habe bezahlen können. Zuvor habe sie das wöchentliche Pflege- bzw. Betreuungsgeld jedoch immer pünktlich bezahlt. Den entsprechenden, für einen Zeitraum von gut drei Wochen ausstehenden Betrag in Höhe von ca. 800,00 – 900,00 EUR, vielleicht auch mehr, habe schließlich der Zeuge Z. – was dieser übereinstimmend bekundet hat - bezahlt, als dieser die Nebenklägerin von ihr zu einem späteren Zeitpunkt abgeholt habe. Die Nebenklägerin habe ihr damals gesagt, dass der Angeklagte das ganze Geld von ihr nehme, ihr in Aussicht gestellt habe, sie zu heiraten und mit ihr Kinder zu bekommen und dass sie nicht mehr der Prostitution nachgehen müsse. Auch Kinderarztrechnungen für die Tochter der Nebenklägerin seien von dieser nicht mehr bezahlt worden, diese habe sie selbst dann übernommen bzw. bezahlt. Die bestehende Mittellosigkeit der Nebenklägerin im Zuge des Zusammenkommens mit dem Angeklagten wird zudem auch aus der Aussage der Zeugin C. deutlich, wonach die Nebenklägerin zuletzt vor ihrem vorübergehenden Verlassen des Hotels auch mit ihrer Zimmermiete für drei oder vier Wochen im Rückstand gewesen sei, obgleich sie zuvor regelmäßig gezahlt habe. Der Zeuge Z. hat überdies bekundet, dass er der Nebenklägerin mehrfach im Tatzeitraum Geldbeträge, beispielsweise zum Erwerb eines Fahrscheins, habe zukommen lassen, was die finanzielle Notlage der Nebenklägerin unterstreicht. Dass diese Geldnot der Nebenklägerin auch fortdauerte, wird hierneben bestätigt durch die Bekundungen der Zeugin B., wonach die Nebenklägerin, die sich bei ihr regelmäßig die Haare habe machen lassen, sie bei einem ihrer späteren Besuche, als sie nicht gemeinsam mit ihrem neuen Freund, den die Zeugin eindeutig als den Angeklagten identifizierte, erschienen sei, danach gefragt habe, wo sie „Schmuck und sowas“ verkaufen könne, da sie nach Hause habe zurückkehren wollen. Dass der Angeklagte im Übrigen im Tatzeitraum über entsprechende, von der Nebenklägerin erlangte finanzielle Mittel verfügte, wird auch daran deutlich, dass er nach eigenen Angaben seit mehreren Jahren lediglich geringfügige finanzielle Mittel in Form von ALG II bezog, zugleich auf der Grundlage der Bekundungen der Nebenklägerin aber im Tatzeitraum einen finanziell aufwändigen Lebensstil führte, indem er u.a. auf der Grundlage der Bekundungen der Nebenklägerin Bars und Casinos frequentierte und eine Wohnung sowie einen Pkw unterhielt. So habe der Angeklagte sie beispielsweise anlässlich eines Casino-Besuchs aufgefordert, für ihn 500 EUR-Scheine zu wechseln, was sie jedoch abgelehnt habe, da sie damit nichts zu tun habe. Anhaltspunkte für andere etwaige Einnahmequellen des Angeklagten haben sich schließlich auch nicht ergeben.
47Letztlich hat auch die Nebenklägerin weiter angegeben, dass sie nur bis etwa Ende Mai 2013 in der Lage gewesen sei, Geld an ihre in der Dominikanischen Republik lebende Familie zu transferieren.
48Dass die Nebenklägerin im Übrigen tatsächlich beabsichtigte, aus dem Prostitutionsmilieu auszusteigen, hat auch der Zeuge C. bestätigt. Dieser hat angegeben, dass er bei der Nebenklägerin als Gast verkehrt habe. Er sei in sie verliebt gewesen und habe zudem mit ihr telefonisch und per SMS Kontakt gehalten. Die Nebenklägerin habe aus dem Milieu aussteigen wollen. Er habe ihr dahingehende Ratschläge, bspw. dass sie sich an ein Frauenhaus wenden könne, erteilt. Die Nebenklägerin habe sich aber hierzu sehr skeptisch geäußert und gesagt, das man ihr nach dem Leben trachten würde, wenn sie das täte, man würde sie finden. Dieser Kontakt habe abrupt in dem Moment geendet, als ihr neuer Freund, ein A. – von diesem habe ihm die Nebenklägerin ein bis zwei Wochen zuvor erzählt –, ihn telefonisch davor gewarnt und gedroht habe, weiterhin mit der Nebenklägerin Kontakt zu halten, wobei es nach den Gesamtumständen nicht zweifelhaft erscheint, dass es sich hierbei um den Angeklagten gehandelt hat. Diese Bekundungen des Zeugen bekräftigen aber auch zugleich, dass dem Angeklagten daran gelegen war, die Nebenklägerin über den reinen Kundenverkehr hinaus zu isolieren und entsprechend von sich abhängig zu machen. Es kann danach insgesamt keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass der Angeklagte, wie von der Nebenklägerin geschildert, unter Ausnutzung des von ihm geschaffenen Abhängigkeitsverhältnisses ihre sämtlichen Einnahmen vereinnahmt und im Wesentlichen für eigene Zwecke verwandt hat. Die Höhe der von der Nebenklägerin mit 150,00 bis 200,00 EUR pro Tag bezifferten Einnahmen, die an den Angeklagten abzuführen waren, erscheinen ausgehend von dem Umstand, dass die Nebenklägerin nachvollziehbar und lebensnah angegeben hat, für einen halbstündigen Besuch eines Kunden 60,00 EUR und für eine volle Stunde 120,00 EUR verlangt zu haben, sowie unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass sie ganze Tage im V.-Hotel gearbeitet hat, ohne Weiteres als plausibel.
49Die Angaben der Nebenklägerin finden sich im Übrigen in puncto Aufenthaltsstatus bestätigt durch die Bekundungen des leitenden Ermittlungsbeamten, des Zeugen KHK M., der hierneben auch die Existenz der von der Nebenklägerin benannten Diskothek „F.“ in P. zu bestätigen vermochte. Dieser hat in Untermauerung der Aussage Nebenklägerin bekundet, dass der spanische Aufenthaltstitel, über den die Nebenklägerin verfügt habe, diese aufenthaltsrechtlich lediglich dazu berechtigt habe, sich im Inland zu touristischen Zwecken und zwar für einen zusammenhängenden Zeitraum von längstens drei Monaten sowie nach Aus- und Wiedereinreise von nochmals maximal drei Monaten, und damit insgesamt von längstens sechs Monaten binnen eines Jahres, aufzuhalten, nicht aber dazu, hier einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen, weswegen gegen die Nebenklägerin auch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Dabei habe, so der Zeuge weiter, die Nebenklägerin selbst bereits im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung vom 20.08.2013 von sich aus darauf verwiesen, dass sie mit dem in Rede stehenden Aufenthaltstitel hier nicht habe arbeiten dürfen. Der Zeuge KHK M. hat in diesem Zusammenhang weiter dargelegt, dass es Drittstaatlern mit einem spanischen Aufenthaltstitel nicht möglich sei, in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis zu erlangen. Lediglich eine Heirat, so der Zeuge weiter, führe zu einer Legalisierung des Aufenthalts und gebe einen Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis. Es erscheint vor diesem Hintergrund auch nachvollziehbar, dass die Nebenklägerin, die nach ihren Bekundungen von dem Angeklagten in Übereinstimmung mit den Angaben des Zeugen KHK M. zutreffend mit der Illegalität ihrer Beschäftigung konfrontiert worden war, trotz der von diesem ausgesprochenen Bedrohung mit dem Tod auch zugleich die Hoffnung hegte, dieser werde sie bei der Erlangung einer rechtmäßigen Aufenthaltserlaubnis unterstützen. Dies deshalb, weil sich die Nebenklägerin zu diesem Zeitpunkt aus ihrer Sicht und wie von ihr bekundet in nachvollziehbarer Weise in ihrem Vertrauen zu den Betreibern des „V.-Hotels“ enttäuscht sah, da diese sie ohne ihr Wissen über einen längeren Zeitraum illegal beschäftigt hatten und sie zudem in Deutschland niemanden sonst kannte, an den sie sich hätte wenden und der sie vergleichbar mit dem Angeklagten bei ihrem Vorhaben der Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthaltsstatus und einer regulären Beschäftigung hätte unterstützen können. Eigene Anstrengungen der Nebenklägerin, eine reguläre Beschäftigung zu finden, waren nach ihrem Bekunden zudem zuvor erfolglos geblieben.
50Dass die Nebenklägerin gemäß ihren Bekundungen mit dem Angeklagten das V.-Hotel schließlich Anfang Juli 2013 verließ, wird bestätigt durch die Aussage der Zeugin D., die zum damaligen Zeitpunkt nach eigenen Angaben stundenweise im V.-Hotel arbeitete und hierbei unter anderem für die Zimmerbelegung und die Abrechnung der Zimmermieten zuständig war. Danach seien die Nebenklägerin und der Angeklagte im Sommer 2013, was ihr deswegen auch erinnerlich sei, weil die Nebenklägerin ein weißes Sommerkleid getragen habe, zu Fuß auf den Hof bzw. Parkplatz des „V.-Hotels“ gekommen. Während der Angeklagte abseits stehen geblieben sei, habe ihr die Nebenklägerin, die zu diesem Zeitpunkt auf sie gestresst und müde gewirkt habe, den Schlüssel für das von ihr angemietete Zimmer zurückgegeben. Die Nebenklägerin habe hierbei geweint, aber gleichwohl ihr gegenüber beteuert, dass alles in Ordnung sei. Die Nebenklägerin habe sie zum Abschluss gedrückt und sei dann weg gewesen.
51Dass dieses Zusammenziehen des Angeklagten mit der Nebenklägerin, wie auch der vorangegangene Aufenthalt im V.-Hotel, nicht von dem Willen des Angeklagten getragen war, im Rahmen einer normalen partnerschaftlichen Beziehung mit der Nebenklägerin zusammenzuleben, sondern diese vielmehr unter Ausnutzung der von ihm geschaffenen Bedrohungslage und des daraus resultierenden Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisses dauerhaft der Prostitution zwecks Erlangung der Einnahmen hieraus zuzuführen und er dies auch entsprechend tatsächlich umgesetzt hat, wird in Übereinstimmung mit den Bekundungen der Nebenklägerin zusätzlich durch nachstehende Erwägungen bekräftigt:
52So hat die Zeugin T. anschaulich und zugleich eindrücklich ausgesagt, dass es der Nebenklägerin, als diese und der Angeklagte die Tochter der Nebenklägerin bei ihr abgeholt hätten, nicht gut gegangen sei und sie sich erbrochen habe. Sie habe schließlich, als der Angeklagte für kurze Zeit nicht zugegen war, zu weinen begonnen und gesagt, dass der Angeklagte auch ihr – d.h. der Zeugin T. – etwas antun würde, wenn sie nicht mit ihrer Tochter von ihr wegginge. Dafür, dass es entsprechend den Bekundungen der Nebenklägerin in der Folge auch zu gewalttätigen Übergriffen und weiteren Drohungen des Angeklagten ihr gegenüber kam, um sie für die von ihm geplante Prostitutionstätigkeit fortwährend gefügig zu machen, spricht auch, dass die Zeugin T. beispielhaft den von der Nebenklägerin geschilderten und als zweiten gewalttätigen Übergriff des Angeklagten ihr gegenüber angeführten Stoß des Angeklagten mit dem Knie in den Unterleib mit anschließender Krankenhausbehandlung dahingehend bestätigt hat, dass sie nach dem Wegzug der Nebenklägerin eines Tages, als sie sich mit ihrer Tochter, der Zeugin L., auf dem weg zu dem Einkaufszentrum Werre-Park in P. befunden habe, einen Anruf einer Mitarbeiterin einer Änderungsschneiderei oder Reinigung - das können sie nicht mehr so genau sagen - unter der Anschrift B. weg xx aus P., die unweit der Wohnung des Angeklagten in der L.-Straße gewesen sei, erhalten habe. Diese habe ihnen berichtet, dass die Nebenklägerin in ihrem Geschäft sitze und darum bitte, von der Zeugin abgeholt zu werden, der Angeklagte habe sie zusammengeschlagen. Sie habe die Nebenklägerin dann dort abgeholt. Die Nebenklägerin habe „überall“ blaue Flecke gehabt und habe ihr in gebrochenem Deutsch und mit Gesten berichtet, dass der Angeklagte sie geschlagen und in den Bauch getreten habe, weil sie nicht mehr das habe machen wollen, was die gesagt hätten. Sie sei deshalb zur Behandlung im Krankenhaus gewesen und sei jetzt von ihm weggelaufen. Die Tochter der Nebenklägerin sei zu diesem Zeitpunkt apathisch, „total verstört“ und „fertig“ gewesen. Sie habe nicht mehr gelacht. Auf Nachfrage hat die Zeugin deutlich gemacht, dass sie an diesem Tag selbst die Verletzungen am Arm und am Bauch der Nebenklägerin gesehen habe. Die Zeugin hat in diesem Zusammenhang anschaulich geschildert, dass die Nebenklägerin ihre Jacke aus- und ihren „Pulli“ hochgezogen habe, so dass sie die Verletzungen habe sehen können. Am Bauch sei die Verletzung in Form eines Hämatoms besonders groß gewesen. Im Gegensatz zu den Hämatomen am Arm sei das am Bauch von der Verfärbung schon eher lila gewesen. Sie habe deshalb vermutet, dass sich der Vorfall schon ein paar Tage zuvor abgespielt habe. Als sie dann an diesem Tag mit der Nebenklägerin in das V.-Hotel gefahren seien, sei die Nebenklägerin in ihrem Beisein von der Mutter des Angeklagten angerufen worden. Diese habe, wie die Nebenklägerin ihr erzählt habe, geschrien und gedroht, dass sie – die Nebenklägerin – sofort zurückkommen und den Angeklagten nicht „verarschen“ solle, sie gehöre jetzt zur Familie. Auf ihren Rat hin habe die Nebenklägerin dann die SIM-Karte zu ihrem Handy zerbrochen und weggeworfen. Eine Anzeige bei der Polizei, so die Zeugin überdies, habe die Nebenklägerin wegen dieses Vorfalls nicht erstatten wollen, „weil sie hier nicht sein durfte“, was einmal mehr die Sorge der Nebenklägerin vor der Entdeckung ihres illegalen Aufenthaltes belegt.
53Die Tochter der Zeugin T., die Zeugin L., die sich ebenso wie die Zeugin T. lediglich bei der zeitlichen Bestimmung dieses Vorfalls nicht sicher war, hat in diesem Zusammenhang hiermit im Einklang stehend bekundet, dass sie den Anruf der Nebenklägerin an dem betreffenden Tag entgegengenommen habe. Diese habe sie gebeten, sie in der Wäscherei bzw. Änderungsschneiderei abzuholen. Die Nebenklägerin habe sich „gestört“ und apathisch angehört. Die Mitarbeiterin aus dem Geschäft, die das Gespräch übernommen habe, habe ihr dann gesagt, dass die Nebenklägerin bei ihr mit ihrem Kind sitze und abgeholt werden müsse. Bei ihrem Eintreffen sei das Kind, das sie zuvor eigentlich immer als lebendig erlebt habe, apathisch gewesen und habe „keine Miene verzogen“. Die Nebenklägerin sei „ganz aufgebracht“ gewesen und habe geweint. Sie habe ihnen geschildert, dass sie in einer freien Minute abgehauen sei, sie sei auch „ganz viel“ geschlagen worden. Die Nebenklägerin habe an den Oberarmen blaue Flecken gehabt. Die Hämatome an den Oberarmen habe man auch leicht erkennen können, was die Zeugin überzeugend daran veranschaulichte, dass sie selbst solcherlei Hämatome von sich kenne, wenn ihr Mann zu viel getrunken habe und sie dann, um sich abzustützen, fest an den Oberarmen ergreife. Sie glaube auch, dass diese schon etwas älter waren und nicht mehr frisch. Von ihrer Mutter wisse sie auch, dass die Nebenklägerin „derbe Frakturen“, mithin Hämatome am Bauch gehabt habe. Einen Tag nach dem Vorfall in der Änderungsschneiderei habe ihre Mutter ihr erzählt, dass sie auch gesehen habe, dass der Bauch der Nebenklägerin „blitzeblau“ gewesen sei.
54Der Chefarzt der Klinik für Inneres und Gastroenterologie des Krankenhauses P., der Zeuge Dr. F., hat zudem die von der Nebenklägerin geschilderte Krankenhausbehandlung infolge ihrer Misshandlung des Angeklagten dahingehend bestätigt, dass er zum damaligen Zeitpunkt – wie von der Nebenklägerin angegeben – als spanischer Muttersprachler zu der Behandlung der Nebenklägerin hinzugerufen worden sei. Sie sei über die Notaufnahme – was bereits für sich genommen für das Bestehen akuter Beschwerden und damit für die Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin spricht – gekommen und habe über Bauchschmerzen geklagt. Nach ihrer Schilderung hätten bei ihr diffus angegebene Beschwerden bestanden, die allerdings nicht auf ein bestimmtes Organsystem lokalisierbar gewesen seien. Der Oberarzt Dr. L. habe bei ihr eine Sonografie durchgeführt. Eine Blinddarmentzündung sei von der Symptomatik möglich, sonographisch aber nicht darstellbar gewesen. Auch ein Leistenbruch habe ausgeschlossen werden können. Laborchemisch habe bei ihr ein asymptomatischer Harnwegsinfekt, also ohne entsprechende Symptome, festgestellt werden können. Dieser habe allerdings nicht das bei der Nebenklägerin bestehende unklare Abdomen mit Übelkeit und Erbrechen erklären können. Es habe deshalb letztlich keine eindeutige Diagnose bezüglich der von der Nebenklägerin angegebenen Beschwerden getroffen werden können. Der im Rahmen der körperlichen Untersuchung bei der Nebenklägerin festgestellte deutliche Druckschmerz im rechten Unterbauch könne durchaus, so der Zeuge weiter auf Befragen, einem Treten oder Schlagen in den Bauch entsprechen. Die an der Behandlung als Assistenzärztin beteiligte Zeugin Ort, die die körperliche Untersuchung der Nebenklägerin durchgeführt hat, hat zum einen hiermit übereinstimmend angegeben, dass der Grund für die von der Nebenklägerin angeführten Beschwerden in Form von Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen nicht klar gewesen sei. In Ergänzung dessen hat sie überdies bekundet, dass die ambulante Behandlung der Nebenklägerin am 11.07.2013 im Krankenhaus P. stattgefunden habe. Den getroffenen Feststellungen steht dabei auch nicht entgegen, dass sich weder die Zeugin Ort noch der Zeuge Dr. F. an etwaige Hämatome bei der Nebenklägerin zu erinnern vermochten. Beide Zeugen haben bei ihren Aussagen in ganz nachvollziehbarer Weise deutlich gemacht, dass sie sich an die Behandlung der Nebenklägerin nur sehr eingeschränkt zu erinnern vermögen. So hat die Zeugin Ort beispielsweise eingangs ihrer Vernehmung ausdrücklich bekundet, dass sie ihre Informationen allein aus dem zu der Behandlung verfassten ärztlichen Kurzbrief (Bl. 68 f. d.A.) ziehe und keine persönliche Erinnerung, weder an die Patientin noch an den Angeklagten, habe. Entsprechend war es ihr beispielhaft nicht mehr möglich zu erinnern, ob jemand zu der Behandlung der Nebenklägerin hinzugezogen worden sei und ob es zum damaligen Zeitpunkt einen Spanisch sprechenden Arzt am Krankenhaus in P. gegeben habe. Auch der Zeuge Dr. F., der von der Kammer erst auf der Grundlage des von der Zeugin Ort in ihrer Vernehmung überreichten Sonographieberichtes zu der Behandlung der Nebenklägerin - da in diesem namentlich benannt - ermittelt werden konnte, zumal die Nebenklägerin sich lediglich zu erinnern vermochte, dass es sich bei dem Spanisch sprechenden Arzt um einen Mann gehandelt habe, hat deutlich gemacht, keine weitergehende Erinnerung an den Behandlungsvorgang zu haben. Auch er stützte sich bei seiner Aussage maßgeblich auf den vorgenannten ärztlichen Kurzbrief. Unbeschadet dessen hat der Zeuge aber auf Befragen zu der Erkennbarkeit der Hämatome bei der Nebenklägerin bekundet, dass bei einem frischen Trauma Hämatome anfänglich nur schwer zu sehen seien. Erst wenn sie sich verfärbten, würden sie sichtbar. Für die Sichtbarkeit sei auch die Hautfarbe der Patientin von Bedeutung. Bei einem deutlicheren Trauma seien Hämatome schneller sichtbar, jedoch am Bauch grundsätzlich schwieriger zu sehen. Komme es insoweit zu einer Einblutung in die Bauchdecke, seien Hämatome gar nicht zu sehen. Jedoch sei eine solche Einblutung bei der Nebenklägerin vorliegend im Rahmen der Sonographie aber nicht erkennbar gewesen. Unbeschadet der fehlenden detaillierten Erinnerung der beiden Zeugen an den Behandlungsvorgang erscheint es danach auch durchaus naheliegend, dass die bei der Nebenklägerin vorhandenen Hämatome, wie sie auch von den Zeuginnen T. und L. eindrücklich beschrieben worden sind, im Zeitpunkt der ambulanten Behandlung der Nebenklägerin im Krankenhaus P., die nach den übereinstimmenden Aussagen der Nebenklägerin und der Zeuginnen T. und L. der Abholung der Nebenklägerin durch die Zeuginnen in der Änderungsschneiderei bzw. Reinigung zeitlich voranging, noch nicht oder zumindest nicht in einem Maße ausgeprägt waren, um unter weiterer Berücksichtigung der dunklen Hautfarbe der aus der Dominikanischen Republik stammenden Nebenklägerin und der damit einhergehenden eingeschränkten Sichtbarkeit der Hämatome von den Zeugen Ort und Dr. F. im Rahmen der Untersuchung bemerkt zu werden und damit von diesen schlicht übersehen worden sind. Dieses Beweisergebnis wird schließlich auch nicht durch die Angaben der als Urologin tätigen Zeugin Dr. K. in Frage gestellt. Diese hat bekundet, dass der Angeklagte, den sie seit ca. 2009 als Patienten kenne, mit der Nebenklägerin und deren Tochter am 15.07.2013 bei ihr in der Praxis erschienen sei und sich dahingehend geäußert habe, dass er jetzt mit der Nebenklägerin zusammen sei und diese Bauchschmerzen habe. Wegen des zuvor im Krankenhaus festgestellten Harnwegsinfekts sei bei ihr ein Ultraschall und ein Urintest mit dem Ergebnis eines Harnwegsinfekts durchgeführt worden. Die Nebenklägerin habe als Folge der Untersuchung bei ihr wegen der ins Auge gefassten Behandlung mit Antibiotika bei einem Gynäkologen eine mögliche Schwangerschaft abklären lassen sollen. Ein Mutterpass habe nicht ausgestellt werden sollen. Hämatome habe sie bei der Nebenklägerin im Rahmen der Untersuchung nicht gesehen. Die Diagnose Harnwegsinfekt trage im Übrigen die Symptome Übelkeit und Erbrechen. Aus ihrer Sicht sei das Beschwerdebild stimmig gewesen. Es ist ausgehend von diesen Angaben insoweit schon ausgesprochen zweifelhaft, inwieweit die Zeugin überhaupt eine konkrete Erinnerung an die Nebenklägerin und an die Behandlung hatte, um das Vorliegen entsprechender Hämatome sicher ausschließen zu können. Gegen ein solches, ins Einzelne gehende Erinnerungsvermögen spricht bereits, dass die Zeugin, wie von ihr auch bekundet und letztlich mit Rücksicht auf den eingetretenen Zeitablauf auch plausibel, im Wesentlichen allein gestützt auf die von ihr mitgeführte und zum Protokoll gereichte Behandlungsdokumentation und ohne jede persönliche Erinnerung an die Nebenklägerin Angaben zur Sache machen konnte. Ausgehend von den sachverständigen Bekundungen des Zeugen Dr. F. zu der Erkennbarkeit von Hämatomen bei der Nebenklägerin stellt sich darüber hinaus die Frage, inwieweit die Zeugin solche überhaupt wahrnehmen konnte, zumal sie – was im Übrigen gleichermaßen auch für die Zeugen Ort und Dr. F. gilt – anders als die Zeuginnen T. und L. von der Nebenklägerin auch nicht ausdrücklich auf das Vorhandensein solcher hingewiesen worden sind. Vielmehr war der Nebenklägerin nach eigenem Bekunden aufgrund der Drohungen des Angeklagten daran gelegen, im Rahmen ihrer ärztlichen Behandlungen gerade nicht den Verdacht etwaiger Gewalthandlungen des Angeklagten zu ihren Lasten aufkommen zu lassen, was voraussetzte, bestehende Verletzungsmale geheim zu halten. Gleiches gilt schließlich auch für den Umstand, dass sich im Rahmen nachfolgender, körperlicher Untersuchungen der Nebenklägerin am 23. und 25.07.2013 in der gynäkologischen Praxis des Dr. E. in P. nach den Bekundungen der Zeugen Zabel, einer Mitarbeiterin der Praxis im betreffenden Zeitraum, und KHK M., der insoweit ein an ihn gerichtetes Anschreiben des Dr. E. vom 04.11.2013 wiedergab, keine Anzeichen für eine körperliche Misshandlung und Vergewaltigung fanden. Es erscheint darüber hinaus insoweit auch naheliegend, dass die Hämatome in diesem Zeitpunkt infolge Zeitablaufs bereits abgeklungen waren, zumal die erstmalige Behandlung durch Dr. E. erst knapp zwei Wochen nach der ambulanten Behandlung der Nebenklägerin im Krankenhaus in P. erfolgte. Es steht nach allem außer Zweifel, dass die Nebenklägerin entsprechende Verletzungen aufwies und diese von dem Angeklagten herrührten, zumal sich auch sonst keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass ihr diese entgegen ihrer Aussage etwa von dritter Seite zugefügt worden wären.
55Die Zeugin T. hat zudem die von der Nebenklägerin geschilderte Bedrohungs- und Zwangssituation dahingehend in ihren weitergehenden Bekundungen bestätigt, dass ihr die Nebenklägerin damals auch davon berichtet habe, dass sie Angst habe, dass der Angeklagte auch Papiere für die Tochter besorgen und diese ihr wegnehmen würde, Entsprechendes habe der Angeklagte ihr auch angedroht. In diesem Zusammenhang habe die Nebenklägerin ihr auch ein von ihr aufgezeichnetes Gespräch des Angeklagten vorgespielt. Der Aufzeichnung habe sie dann entnehmen können, dass der Angeklagte mit seinem Gesprächspartner sinngemäß darüber gesprochen habe, dass er für die Tochter der Nebenklägerin, die die Zeugin G. nannte, und einen Kilian oder Tizian, was nicht richtig zu verstehen gewesen sei, Papiere bräuchte. Nach der Schilderung der Nebenklägerin, so die Zeugin weiter, sei das Kind als Druckmittel gebraucht worden, damit sie mache, was die gewollt hätten. Ihre Tochter G. sei auch geschlagen worden. An dem Tag, als sie die Nebenklägerin aus der Änderungsschneiderei bzw. Reinigung abgeholt habe, habe diese ihr – was die Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin insoweit belegt – zudem erzählt, dass der Angeklagte ihr ihren Pass und Papiere weggenommen habe. Die Nebenklägerin selbst hat insoweit bekundet, dass der Angeklagte ihr ihren Reisepass und den ihrer Tochter sowie eine spanische Gesundheitskarte abgenommen habe, sie jedoch im Besitz des Familienstammbuches, der Geburtsurkunde der Tochter, ihres spanischen Aufenthaltstitels und weiterer Unterlagen aus Spanien geblieben sei, die sie in einer schwarzen Mappe verwahrt habe. Diese Mappe habe sie - was der Zeuge Z. bestätigt und zudem bekundet hat, dass die Pässe der Nebenklägerin eher nicht unter diesen Unterlagen gewesen seien - diesem anlässlich der Abholung ihrer Tochter von der Zeugin T. aufgrund des zu diesem bestehenden Vertrauensverhältnisses übergeben. Dies spricht ebenfalls dafür, dass sich die Nebenklägerin gerade nicht in einer etwaigen normalen partnerschaftlichen Beziehung zu dem Angeklagten befand, da es sonst keinen vernünftigen Grund für die Nebenklägerin gegeben hätte, ihre Unterlagen Dritten anzuvertrauen anstatt diese bei sich bzw. in der Wohnung des Angeklagten zu verwahren. Dies wird ergänzend bekräftigt durch die Aussage der Zeugin T., wonach die Nebenklägerin ihr anlässlich der Abholung ihres Kindes gemeinsam mit dem Zeugen Z. gesagt habe, dass sie diese Mappe vor dem Angeklagten verstecken wolle, wenn sie wieder mal weg müsse.
56Der Zeuge Z. hat schließlich den von der Nebenklägerin bekundeten Vorfall vom 01.08.2013 dahingehend bestätigt, dass er an diesem Tag frühmorgens von der Nebenklägerin kontaktiert worden sei, die mitgeteilt habe, dass sie in der L.-Straße xx in P. sei. Der Angeklagte habe, so die Nebenklägerin, sie gerade verprügelt und drohe, dass 15 Monate alte Kind aus dem Fenster zu werfen. Er habe dann die Polizei verständigt. Die Nebenklägerin sei sehr aufgeregt gewesen und habe ihn gebeten, die Polizei zu rufen und zu ihr zu schicken. Was es mit der Drohung des Angeklagten auf sich gehabt habe, sei ihm allerdings nicht mehr erinnerlich. Dass ein solcher Polizeieinsatz am 01.08.2013 an der Anschrift des Angeklagten L.-Straße xx in P. tatsächlich stattfand, wird zudem belegt durch den in der Hauptverhandlung verlesenen polizeilichen Bericht zu diesem Einsatz. Aus diesem geht hervor, dass der Notruf des Zeugen Z. am Morgen des 01.08.2013 um 09:04 Uhr entgegengenommen wurde. Unter dem in dem Bericht enthaltenen Protokolleintrag für 09:08:11 Uhr ist zudem - in Übereinstimmung mit den Bekundungen der Nebenklägerin und des Zeugen Z. - festgehalten worden, dass sich „Frau L. (phon.)“ bei „einem A.“ am Einsatzort in der Wohnung befindet, sie nur Spanisch spricht und den Mitteiler – d.h. den Zeugen Z. – gebeten hat, die Polizei zu informieren, da sie angeblich bedroht werde. Die vorgenommenen und aus dem Protokoll ersichtlichen Änderungen des Einsatzanlasses von „Hilfeersuchen“ in „Bedrohung“ und schließlich in „Streit“ sowie der Schlussbericht zu diesem Einsatzprotokoll, wonach keine Straftat sondern lediglich Streitigkeiten vorliegen, verdeutlichen, dass es dem Angeklagten gemäß den Bekundungen der Nebenklägerin gelungen ist, den Vorfall gegenüber den Einsatzbeamten als harmlose Familienstreitigkeit abzutun.
57Dass die Nebenklägerin gemäß den getroffenen Feststellungen von dem Angeklagten bedroht worden ist und sich in einer entsprechenden Notlage befand, wird schließlich auch durch den Umstand belegt, dass der Zeuge Z. in Übereinstimmung mit den Bekundungen der Nebenklägerin ausgesagt hat, dass diese sich ein weiteres Mal in einem Telefonat vom 01.08.2013 erneut hilfesuchend an ihn gewandt habe. In diesem habe die Nebenklägerin ihm mitgeteilt, dass sie „ganz schnell“ mit ihrer Tochter weg müsse, die „Leute“ seien gefährlich. Da er sie nicht habe selbst abholen können, habe er ihr über MoneyGram 100,00 EUR zum Kauf einer Fahrkarte zu ihm nach I. zukommen lassen. Das Geld sei auch abgeholt worden. Er habe ihr anschließend ein Taxi zur F. Str. xx in P., der Wohnanschrift der Mutter des Angeklagten, bestellt. Der Taxifahrer habe ihm dann aber mitgeteilt, dass niemand aus dem Haus gekommen sei. Ab diesem Zeitpunkt habe er zu der Nebenklägerin keinen telefonischen Kontakt mehr gehabt. Da er weiter keinen Kontakt zu der Nebenklägerin habe herstellen können, habe er sich am Abend des 02.08.2013, was ebenfalls durch in der Hauptverhandlung verlesenes Einsatzprotokoll belegt ist, an die Polizeileitstelle in N. gewandt und von der Sache berichtet. Die Polizei habe ihm mitgeteilt, dass an der Anschrift L.-Straße xx niemand anzutreffen gewesen sei. Am späten Abend dieses Tages habe ihn dann erneut die Nebenklägerin angerufen. Sie sei ganz verschüchtert gewesen und habe mit weinerlicher Stimme gesprochen. Sie habe ihm davon berichtet, dass die Polizei da gewesen sei. Er, der Zeuge, habe der Polizei erklären sollen, dass alles von ihm ein Irrtum gewesen sei. Wenn er das nicht täte, bekäme sie noch mehr Schwierigkeiten. Zwei Tage später habe ihn dann der zuständige Polizeibeamte angerufen und ihm mitgeteilt, dass das Haus gefunden und die Mutter des Angeklagten angetroffen worden sei, die versichert habe, dass alles in Ordnung sei. Die Nebenklägerin soll nach Auskunft der Polizei zu dieser Zeit nicht vor Ort gewesen sein. Für ihn sei es unerklärlich gewesen, dass sich die Polizei mit dieser Antwort zufrieden gegeben habe. Die Nebenklägerin hat hierzu schlüssig und in glaubhafter Weise angegeben, dass ihr das von dem Zeugen Z. zugewandte Geld von dem Angeklagten weggenommen worden sei und der Angeklagte sie nicht habe gehen lassen.
58Für eine Bedrohungssituation sprechen auch die weiteren Bekundungen der Zeugin L.. So habe die Nebenklägerin, als diese nach dem Vorfall in der Änderungsschneiderei später ihr Kind abgeholt habe, zu ihrer Mutter gesagt, dass sie – die Zeuginnen T. und L. – nichts machen sollten, sonst würde der Angeklagte auch bei ihnen etwas machen, wobei die Zeugin L. in diesem Zusammenhang gestisch das Anzünden eines Streichholzes nachahmte. Die Nebenklägerin habe ihrer Mutter auch davon berichtet, dass sie geschlagen worden sei. Sie habe in diesem Zusammenhang eine entsprechende Geste gemacht, um das Schlagen zu verdeutlichen. Auch habe sie von ihren Eltern gehört, dass die Nebenklägerin vergewaltigt und in einem Fall von dem Angeklagten ins Krankenhaus gebracht worden sei, wo er einen falschen Namen angegeben habe. In Übereinstimmung hiermit hat die Zeugin N. O. anschaulich und widerspruchsfrei ausgesagt, dass sie im Sommer 2013 für kurze Zeit im Bordell in M. gearbeitet und hierbei die Nebenklägerin kennengelernt habe. Sie hätten sich angefreundet und ihre Telefonnummern ausgetauscht. Kurze Zeit, nachdem sie dieses verlassen gehabt habe, habe die Nebenklägerin sie angerufen und ihr erzählt, dass sie einen Freund kennengelernt habe und mit ihrer Tochter zu ihm gezogen sei. Dieser Mann habe sie bei sich aufgenommen und würde sich um sie kümmern. Sie, so die Nebenklägerin, brauche nicht mehr als Prostituierte zu arbeiten und keine eigene Wohnung mehr bezahlen. Sie haben nun ihre Ruhe. In einem späteren Telefonat habe die Nebenklägerin ihr dann davon berichtet, dass sie mit diesem Mann Stress gehabt und von ihm geschlagen worden sei. Die Nebenklägerin habe ihr in diesem Telefonat auch mitgeteilt, dass ihr neuer Freund sie nicht allein aus dem Haus lassen würde. Wenn sie einmal raus käme, würde er sie immer begleiten. Der habe auch damit gedroht, ihr Kind zu schlagen und aus dem Fenster zu werfen. Auch habe er damit gedroht, ihre kleine Tochter zu verkaufen. Sie habe ihr gesagt, dass sie Angst habe. Sie habe der Nebenklägerin helfen wollen, die allerdings nicht habe sagen können, wo sie sich aufhalte bzw. wie die Adresse laute. Sie habe ihr angeboten, sie abzuholen oder mit der Polizei zu ihr zu kommen und ihr vorgeschlagen, dass sie sich die Briefe anschaue, die der Mann bekomme und sich daraus die Adresse merke. Wenn sie die Adresse gehabt hätte, hätte sie die Nebenklägerin dort auch abgeholt. Sie habe der Nebenklägerin angeboten, dass sie vorübergehend bei ihr bleiben könne. In diesem Telefonat habe sie gemerkt, dass die Nebenklägerin nicht habe frei sprechen können. Der Mann habe neben ihr gestanden. Die Nebenklägerin habe das Telefon an den Mann weitergereicht. Sie habe mit dem Angeklagten sprechen können und ihn nach der Adresse gefragt. Sie habe ihm gesagt, dass sie die Nebenklägerin abholen und mit ihr Essen oder einkaufen gehen wolle. Er habe ihr die Adresse aber nicht genannt, sondern sie gefragt, ob sie verheiratet sei, was sie arbeite und wo sie wohnen. Er habe dann mit der Nebenklägerin zu ihr kommen wollen. Sie habe ihm ihre Anschrift aber nicht genannt. Die Nebenklägerin habe sie gewarnt gehabt. Diese habe ihr gesagt, dass es besser sei, wenn sie ihm ihre Adresse nicht sage. Er sei gefährlich und sie habe Angst vor ihm. Sie habe deswegen selbst Angst bekommen, da sie auch Kinder zuhause habe. Bei dem Telefonat habe sie ein Gespräch zwischen dem Mann und der Nebenklägerin mithören können, indem die Nebenklägerin gesagt habe, dass sie zurück nach Spanien wolle. Der habe zu der Nebenklägerin gesagt: „Bleib´ bei mir! Ich liebe Dich!“. Die Nebenklägerin habe dem Mann immer wieder gesagt, dass sie gehen wolle. Die Nebenklägerin habe ihr auch in einem der Telefonate davon berichtet, dass sie vergewaltigt worden sei. Die Nebenklägerin sei die ganze Zeit am Telefon nervös gewesen, sie habe „nicht raus gekonnt“. Sie habe zu ihr gesagt, dass der immer hier sei und sie nicht viel reden könne.
59Hiermit im Einklang stehen die Angaben der T. S. in deren von dem Zeugen KHK M. geführten Vernehmung vom 05.08.2013. Die T. S. konnte in der Hauptverhandlung selbst nicht vernommen werden, da sie Deutschland zwischenzeitlich mit unbekanntem Ziel verlassen hat. Der Zeuge KHK M. hat insoweit bekundet, dass die T. S. ausgesagt habe, dass sie am 04.08.2013 von dem Zeugen Z. angerufen worden sei. Dieser habe sie gebeten, mit ihm zu kommen, da er mit der Nebenklägerin sprechen müsse. Die Nebenklägerin habe ihn angerufen, weil sie Hilfe benötige. Sie seien zunächst zu einem großen Privat-Club nach O. gefahren, wo die Nebenklägerin habe sein sollen, es aber tatsächlich nicht gewesen sei. Sie habe die Nebenklägerin, die sie im V.-Hotel kennengelernt habe, dann angerufen und sie nach ihrem Aufenthaltsort gefragt. Diese habe ihr mitgeteilt, dass sie bei sich zu Hause in ihrem Garten sei. Sie habe allein mit der Nebenklägerin telefoniert, da diese nicht mit anderen Männern habe telefonieren dürfen, da dies ihr Freund, „der B.“, nicht gewollt habe. Sie seien dann zu der Nebenklägerin nach Hause gefahren, wo sie mit der Nebenklägerin auch habe sprechen können. Sie habe die Nebenklägerin gefragt, ob sie ihr helfen könne, worauf diese geantwortet habe, dass sie dies nicht könne, da sie von „dem B.“ schwanger sei, der würde sie nicht gehen lassen. Die Nebenklägerin habe dort weg gewollt, sich aber nicht getraut, da sie Angst vor „dem B.“ gehabt habe. Sie sei auch schon „ganz oft“ von „dem B.“ geschlagen worden. Die T. S. habe zudem bekundet, dass sie glaube, dass die Nebenklägerin bei der Polizei nicht wahrheitsgemäß aussagen werde. Die Nebenklägerin überlege derzeit immer noch, wie sie es am besten anstellen könne, dort wegzugehen. Sie habe, als sie die Nebenklägerin am 04.08.2013 aufgesucht habe, auch blaue Flecken an deren Armen und Beinen gesehen. Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der T. S., die die Schilderung der Nebenklägerin betreffend die gewalttätigen Übergriffe gegen sie durch den Angeklagten bestätigen, folgen auch hierbei nicht aus dem Umstand, dass gemäß den Bekundungen der Zeugen KHK M. und KHK Pfeiffer, die die Nebenklägerin am Folgetag, dem 05.08.2013, erstmals zeugenschaftlich vernommen haben, sie bei dieser keine Verletzungen hätten feststellen können. In Übereinstimmung mit den Angaben der Nebenklägerin insoweit, die in der Hauptverhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sie an diesem Tag entsprechende Verletzungsmale im Bereich der Oberarme aufgewiesen habe, die allerdings von den Vernehmungsbeamten nicht hätten festgestellt werden können, weil sie nicht untersucht worden sei, erscheint es naheliegend, dass solche Hämatome von den Zeugen mangels eingehenderer Untersuchung nicht bemerkt worden sind, zumal die Nebenklägerin an diesem Tag die Tatvorwürfe ausgehend von ihren Bekundungen noch aus nachvollziehbarer Angst heraus vor dem Angeklagten und der Aufdeckung ihres illegalen Aufenthalts im Wesentlichen abgestritten hat. Hinzu tritt, dass beispielsweise der Zeuge KHK M. sich auf Befragen an Einzelheiten der Vernehmung der Nebenklägerin von diesem Tag nicht zu erinnern vermochte, so etwa, ob, soweit im Vernehmungsprotokoll von einer Inaugenscheinnahme der unbekleideten Arme die Rede sei, hiervon die Oberarme mit umfasst gewesen seien. Ein vernünftiger Grund dafür, dass die T. S. den Angeklagten in ihrer Vernehmung zudem insoweit zu Unrecht belastet hat, ist überdies nicht greifbar geworden.
60Die von der Nebenklägerin angeführte, ihr gegenüber bestehende massive Bedrohungslage wird im Übrigen weiter durch einen von der Nebenklägerin auf ihrem Mobiltelefon aufgezeichneten Mitschnitt eines Gespräches zwischen ihr und dem Angeklagten, der in der Hauptverhandlung abgespielt worden ist, belegt. Aus dieser Aufzeichnung geht deutlich hervor, dass der Angeklagte der Nebenklägerin in lautem und aggressivem Ton droht, dass er ihr ein Ultimatum stelle und wenn sie nicht komme, „dann du kaputt“.
61Für die Richtigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin spricht schließlich auch, dass der von ihr im Zusammenhang mit ihrer Schilderung der Tat zu Ziff. II. 3. angegebene Polizeieinsatz im „T.-Club“ nach den Bekundungen des Zeugen KHK M. tatsächlich für die Nacht des 28.07.2013 nachgehalten werden kann.
62Das den getroffenen Feststellungen zugrunde liegende Beweisergebnis wird schließlich auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der von der Nebenklägerin als Club bezeichnete Bordellbetrieb im I.er Raum, in den sie von dem Angeklagten zunächst verbracht und der nach ihren Bekundungen von dem Onkel des Angeklagten betrieben worden sei, laut dem Zeugen KHK M. von der Polizei nicht habe ermittelt werden können. Für die Existenz dieses Bordells spricht bereits, dass die Nebenklägerin diese nicht lediglich pauschal behauptet hat, sondern hierzu in anschaulicher und glaubhafter Weise im Einzelnen in der Hauptverhandlung bekundet hat, dass sie zwar dessen Name nicht erinnere, weil sie diesen ihrer Erinnerung nach immer durch die Hintertür betreten habe, ihn aber ohne Weiteres von innen beschreiben könne. Im Ermittlungsverfahren hat die Nebenklägerin nach den Bekundungen des Vernehmungsbeamten, des Zeugen KHK M., zusätzlich angegeben, dass sich an dem Club eine Werbeaufschrift mit der Zahl „53“ befunden habe. Auch vermochte die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung zur Lage näher darzulegen, dass er sich in der Nähe des Bahnhofs in I. befunden habe. Es hätten, so die Nebenklägerin weiter, dort lediglich Jugoslawinnen gearbeitet. Der Angeklagte habe ihr erklärt, dass der Club seinem Onkel gehöre. Letztlich habe es zwischen dem Angeklagten und seinem Onkel eine Diskussion gegeben, woraufhin der Angeklagte ihr gesagt habe, dass sie dort nicht genug Geld verdienen könne. Sie habe in diesem Club letztlich nur vier bis fünf Tage gearbeitet. Die Einnahmen aus dieser Tätigkeit seien immer gleich an den Angeklagten gegangen. Für die Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin zu der Existenz dieses Bordellbetriebs spricht hierneben, dass der Zeuge Z. bekundet hat, dass der Betreiber des „V.-Hotels“, „J.“ C., von ihm hierauf angesprochen, „sofort gewusst“ habe, um welchen Club es sich hierbei handele. Es liegt daher nahe, dass dieses von der Nebenklägerin beschriebene Bordell nach außen hin nicht als solches betrieben wurde und daher der Polizei bzw. dem entsprechenden Fachkommissariat auch nicht ohne Weiteres bekannt sein musste.
63Soweit die Nebenklägerin schließlich gemäß den Aussagen der Zeugen T., Z. und S. im Tatzeitraum diesen gegenüber vorgegeben hat, schwanger zu sein und dass der Angeklagte sie heiraten wolle, eine Schwangerschaft bei ihr nach ihrer eigenen Aussage infolge der Geburt ihrer Tochter aber nicht mehr möglich war und sie nicht mehr die Absicht gehabt habe, nach einer Scheidung ihrer damals noch bestehenden Ehe mit einem Niederländer den Angeklagten zu ehelichen, steht auch dieser Umstand den getroffenen Feststellungen nicht entgegen. Vielmehr erscheint dies vor dem Hintergrund ihrer damaligen Furcht vor der Aufdeckung ihres illegalen Aufenthaltes schlüssig, weil ausgehend von den Bekundungen des Zeugen KHK M. Heirat und Schwangerschaft Umstände sind, um den Aufenthalt zu legalisieren, so dass es durchaus nachvollziehbar erscheint, dass die Nebenklägerin ihr näheres Umfeld Glauben machen wollte, in absehbarer Zeit über eine entsprechende rechtmäßige Aufenthaltserlaubnis zu verfügen. Hinzu kommt, dass nach der Aussage der Nebenklägerin der Angeklagte sich letztlich erfolglos darum bemüht hat, für sie unter Vorspiegelung einer Schwangerschaft – mittels Einreichung von Fremdurin – die Ausstellung eines Mutterpasses zu erreichen. Dies verdeutlicht, dass der Angeklagte in naheliegender Weise darum bemüht war, bis auf Weiteres eine Abschiebung der Nebenklägerin für den Fall der Aufdeckung ihres illegalen Aufenthaltes zu verhindern, da andernfalls aus seiner Sicht die Ausweisung der Nebenklägerin verbunden mit dem Wegfall ihrer Prostitutionserlöse zu befürchten stand. Es liegt auf der Hand, dass die Nebenklägerin schon vor diesem Hintergrund gehalten war, zumindest auch auf Veranlassung des Angeklagten Dritten eine vermeintliche Schwangerschaft bei ihr vorzugeben.
64Angesichts der vorstehenden Erwägungen bestehen auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass sich die von der Nebenklägerin ausgesagten Vergewaltigungstaten zu Ziff. II. 3. - 5. feststellungsgemäß zugetragen haben, zumal auch die Zeuginnen L. und N. O. übereinstimmend ausgesagt haben, dass die Nebenklägerin ihnen bzw. im Fall der Zeugin L. ihrer Mutter, der Zeugin T., damals von Vergewaltigungen des Angeklagten berichtet habe. Zudem hat sich die von der Nebenklägerin geschilderte Beschädigung der Korsage durch eine Inaugenscheinnahme dieser Korsage in der Hauptverhandlung bestätigt. Dem Beweisergebnis insoweit steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Zeugen G., Q. und T., die in der Nachbarschaft des Angeklagten wohnen bzw. wohnten, die Bekundungen der Nebenklägerin insoweit wie auch bezüglich der von ihr geschilderten weiteren gewalttätigen Übergriffe zu ihrem Nachteil durch den Angeklagten nicht bestätigt haben. So konnte der Zeuge G., der in einem Nachbarhaus zur L.-Straße xx wohnt, die Nebenklägerin schon nicht wiedererkennen. Zudem hat sein Verhältnis zu dem Angeklagten ausgehend von seinen Bekundungen nicht über ein „Hallo“, wenn man sich gesehen habe, hinausgereicht. Auch vermochte der Zeuge nicht zu sagen, ob eine andere Person mit in der Wohnung des Angeklagten gewohnt habe. Der Angeklagte habe „eher verschiedene Mädchen“ mit in seine Wohnung genommen. Er habe auch ein paar Mal ein Kind bei dem Angeklagten gesehen, dessen Geschlecht erinnere er aber nicht. Wann das gewesen sei, wisse er nicht, vielleicht Ende 2014. Auch der Zeuge Q., der im betreffenden Zeitraum in der näheren Nachbarschaft des Angeklagten wohnte, konnte lediglich bekunden, dass er den Angeklagten meist allein gesehen habe. Er habe zwar gehört, dass der Angeklagte eine Lebensgefährtin gehabt habe, bewusst habe er den Angeklagten mit dieser aber nicht gesehen. Auch dieser Zeuge vermochte in der Hauptverhandlung die Nebenklägerin nicht wiederzuerkennen. Der Zeuge T., der im betreffenden Tatzeitraum nach eigenen Angaben mit seinen Kindern die Wohnung gegenüber der vom Angeklagten im Haus L.-Straße xx in P. bewohnt hat, hat bekundet, nicht mitbekommen zu haben, dass der Angeklagte Frauen geschlagen habe. Es habe auch kein Lärm in dessen Wohnung gegeben. Wenn Damen reingegangen seien, dann freiwillig. Nur an dem Tag, wo zwei Frauen da gewesen seien, habe er Hilferufe gehört. Die beiden Frauen mit dem Blut habe er nicht gesehen. Seine Kinder hätten die Tür geöffnet, woraufhin er gesagt habe: „Macht zu, damit wollen wir nichts zu tun haben !“ Bis auf normale kleine Streitigkeiten zwischen Partnern habe es, so der Zeuge weiter, nichts Aggressives gegeben, wo er gedacht habe, dass er einschreiten müsse. Er habe keine Schreie oder Ähnliches gehört, was sich nach „Prügel“ angehört habe. Er habe nur mal normale Partnerschaftstreitigkeiten mitbekommen, das habe aber „nicht nach Prügel geklungen“. Er habe bei dem Angeklagten „keine höhere Aggressivität“ feststellen können. Näher kennengelernt habe er den Angeklagten nie. Soweit die Nebenklägerin ausgesagt hat, dass der Zeuge T. vom Hof des Hauses aus einen Vorfall auf dem Balkon der Wohnung mitbekommen haben müsse, als der Angeklagte sie an den Haaren gezogen und angefangen habe, sie zu schlagen, und bei einer weiteren Gelegenheit aufgrund dessen aufstehenden Wohnungstür gesehen haben müsse, dass der Angeklagte sie im Treppenhaus geschlagen habe, hat der Zeuge dies nicht bestätigt, was allerdings die Richtigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin nicht in Zweifel zu ziehen vermag. Denn aus der Aussage des Zeugen wird deutlich, dass diesem gerade nicht daran gelegen war, sich in die Angelegenheiten des Angeklagten einzumischen und, was insbesondere angesichts des von ihm geschilderten Vorfalls mit den beiden Frauen, was die Tat zum Nachteil der Zeugin U. zu II. 6. betrifft, deutlich wird, helfend und klärend einzuschreiten, sondern sich vielmehr, was zumindest mit Rücksicht auf und zum Schutz der eigenen Kinder nachvollziehbar erscheint, herauszuhalten. Dies wird im Übrigen bestätigt durch die weitergehenden Bekundungen der Nebenklägerin, wonach der Zeuge T. anlässlich des Vorfalls auf dem Hof weggeschaut habe, als sie zu ihm herabgesehen und bei dem weiteren Vorfall im Treppenhaus der Nachbar – mithin der Zeuge T. – die leicht geöffnete Tür geschlossen habe.
65Dass die Tochter der Nebenklägerin dem Angeklagten bei seinen Plänen im Hinblick auf deren weitere Prostitutionstätigkeit gemäß den Bekundungen der Nebenklägerin hinderlich war, wird durch einen weiteren von der Nebenklägerin aufgezeichneten und in der Hauptverhandlung abgespielten Gesprächsmitschnitt verdeutlicht, in dem der Angeklagte wörtlich u.a. äußert: „…scheiß Kind, dieses scheiß marokkanisches…“. Zweifel daran, dass hiermit die Tochter der Nebenklägerin gemeint war, bestehen nicht, zumal der Zeuge KHK M. bekundet hat, dass der Vater der hier lebenden Tochter der Nebenklägerin ein Marokkaner sei.
66Die von der Nebenklägerin geschilderte Fluchtsituation am Flughafen Hannover-Langenhagen wird hierneben bestätigt durch die Bekundungen der Zeugen H. und PK N.. Der Zeuge H. hat ausgesagt, dass eine Frau mit einem Baby auf den Arm in der McDonald´s-Filiale im Flughafen zu ihm gekommen sei und die Worte „Police, Police“ oder auch vielleicht auf Deutsch „Polizei, Polizei“ gesagt habe. Sie habe mit ausländischem Akzent gesprochen. Er sei damals noch im Bereich der Kassen beschäftigt gewesen. In Übereinstimmung mit den Bekundungen der Nebenklägerin hat der Zeuge weiter ausgesagt, dass die Frau unter der in der Filiale befindlichen Zeittafel für die Abflüge gewartet habe, bis jemand von der Polizei, die er verständigt habe, erschienen sei. Er könne nicht sagen, ob jemand auf die Frau zugekommen sei. Er habe die Frau auch zuvor nicht wahrgenommen. Der Zeuge PK N. hat zudem anschaulich geschildert, wie er am 14.08.2013 gemeinsam mit dem Kollegen PHK Seithel in der McDonald‘s-Filiale im Flughafen Hannover auf die Nebenklägerin und ihr kleines Kind getroffen sei. Die Nebenklägerin habe ängstlich und eingeschüchtert gewirkt. U.a. habe diese ihm dann vor Ort gegenüber angegeben, dass sie bedroht und verfolgt werde. Er habe sich mit der Nebenklägerin in gebrochenem Deutsch und Englisch verständigt. Die Klägerin habe immer wieder verängstigt zum Ausgang der Filiale geschaut, habe aber niemanden zeigen können. Die Nebenklägerin habe dann im Rahmen ihrer Vernehmung auf der Dienststelle weitere Angaben dahin gemacht, dass sie erstmals im Sommer 2013 in die BRD eingereist sei. Sie habe den Angeklagten in einer Diskothek kennengelernt und sei für ihn in zwei Clubs anschaffen gegangen. Ihr Kind sei während ihres Dienstes bei der Mutter gewesen. Der Angeklagte habe ihr das Geld abgenommen. Die Darstellung der Nebenklägerin habe er so verstanden, dass ihr permanent das Geld abgenommen worden sei. Sie sei von diesem auch mehrfach geschlagen worden. Sie habe auch einmal Geld in Höhe von gut 300,00 EUR am Automaten abgeholt, was ihr aber ebenfalls von dem Angeklagten abgenommen worden sei. Sie habe diesem dann vorgegaukelt, ein Flugticket für einen Flug des Kindes nach Hause bekommen zu haben. Sie sei von dem Angeklagten auf dem weg zum Flughafen geschlagen und das Kind geohrfeigt worden. Sie habe angegeben, dass sie sich auf die Arbeit in den Clubs eingelassen habe, um die Familie zu unterstützen. Das mit den Clubs habe aber nicht geklappt. Dann habe sie in ein oder zwei Wohnungen angeschafft. Das Kind sei währenddessen bei der Mutter des Angeklagten geblieben. An einem Tag sollen ihr 300,00 bis 350,00 EUR abgenommen worden sein. Der Angeklagte soll das Kind geohrfeigt haben an dem Tag, als sie angegeben habe, nach Spanien zurückgehen zu wollen. Die Nebenklägerin habe auch angegeben, dass der Angeklagte ihr auf der Fahrt zum Flughafen auf den Rücken geschlagen habe. Er habe ihr gedroht, sie alle umzubringen, wenn sie nicht zurückkomme. Auch habe der Angeklagte ihr an den Haaren gezogen an diesem Tag. An der Frau habe er keine Spuren vom Schlagen erkennen können, das Kind habe rote Wangen gehabt, sei aber vital gewesen und habe gegessen und getrunken. Handabdrücke und Schwellmarken habe er bei dem Kind, wie auch bei der Frau, nicht feststellen können. Den Rücken der Frau habe er aber nicht in Augenschein genommen. Auf der Grundlage des von der Nebenklägerin geschilderten Sachverhaltes habe sich bei ihm der Verdacht erhärtet, dass es um Zuhälterei, Bedrohung mit dem Tod sowie um Körperverletzung gegangen sei. Auf der Dienststelle habe die Angeklagte dann noch einen Anruf bekommen. Sie habe ihnen im Anschluss davon berichtet, dass dies die Mutter des Angeklagten gewesen sei, die sie aufgefordert habe, sofort nach P. zurückzukehren und ihr das Kind zu bringen, da sie einen neuen vermögenden Freier habe, einen älteren Herrn, der ihre Dienste in Anspruch nehmen wolle. Er habe schließlich die Unterbringung der Nebenklägerin in einem Frauennothaus veranlasst. Die Nebenklägerin hat danach bereits in diesem Zeitpunkt und zudem in Übereinstimmung mit ihren Angaben in der Hauptverhandlung den festgestellten Sachverhalt in den wesentlichen Punkten bekundet. Das Telefonat auf der Dienststelle des Zeugen PK N. belegt darüber hinaus nicht nur, dass die Nebenklägerin von dem Angeklagten und dessen Familie der Prostitution zugeführt worden ist, sondern auch entsprechend überwacht wurde. Soweit die Nebenklägerin danach gegenüber dem Zeugen bewusst ein falsches Datum für ihre erstmalige Einreise nach Deutschland benannt hat, erfolgte dies offensichtlich vor dem Hintergrund ihrer Sorge um die Entdeckung ihres illegalen Aufenthalts im Zusammenhang mit ihrem spanischen Aufenthaltstitel, der es ihr lediglich gestattete, sich ununterbrochen längstens drei Monate im Inland aufzuhalten. Soweit sie darüber hinaus in dieser Vernehmung vom 14.08.2013 keine Angaben zu den Vergewaltigungstaten gemacht hat, vermag dies ebenfalls die Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin nicht in Zweifel zu ziehen. Der Nebenklägerin fiel es in der Hauptverhandlung aus Scham sichtlich schwer, Einzelheiten zu den Vergewaltigungsvorwürfen zu schildern. Teilweise war sie derart emotional aufgewühlt, dass sie in Tränen ausbrach und die Vernehmung daraufhin unterbrochen werden musste; beim ersten Ansätzen zur Vernehmung über die Vergewaltigung musste diese sogar abgebrochen und an einem anderen Tage fortgeführt werden. Nach den Bekundungen des Zeugen KHK M. gilt Gleiches für die Vernehmung der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren. Es erscheint danach ohne weiteres einsichtig, dass die Nebenklägerin in der konkreten Situation, nachdem sie sich erst kurz zuvor gemeinsam mit ihrem Kind dem Einfluss des Angeklagten zu entziehen vermocht hatte, von sich aus keine Angaben zu den dann später geschilderten Vergewaltigungstaten gemacht hat.
67Dass die Nebenklägerin im Übrigen gemäß ihren Bekundungen bereits auf der Fahrt zum Flughafen bei der Polizei um Hilfe nachgesucht hat, wird durch ihren in der Hauptverhandlung abgespielten Notruf belegt.
68Ausgehend von den Bekundungen des Zeugen KHK M., der die Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren mehrfach vernommen hat, stellen sich ihre Bekundungen zu den Tatvorwürfen in der Hauptverhandlung in Übereinstimmung mit ihren Angaben im Ermittlungsverfahren auch als stimmig dar, was aufgrund der danach bestehenden Aussagekonstanz die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin unterstreicht. Der Zeuge KHK M. hat dabei deutlich gemacht, dass es aufgrund ihrer psychischen Verfassung nicht einfach war, die Nebenklägerin zu vernehmen. Sie habe in den Vernehmungen angefangen zu weinen und habe sehr mitgenommen und traumatisiert gewirkt. So habe beispielsweise in Bezug auf den von der Nebenklägerin geschilderten Oralverkehr mit dem Angeklagten die Tatzeit bzw. mehrere Tatzeiten nicht näher konkretisiert werden können, da die Nebenklägerin in einer ergänzenden Vernehmung hierzu psychisch nicht in der Lage gewesen sei. Sie sei in Tränen ausgebrochen und habe sich abgewandt. Im Übrigen habe die Nebenklägerin auch sprunghaft berichtet. Konkrete Zeitabläufe habe sie nicht schildern können, dies habe beispielsweise in Bezug auf die Vergewaltigungen gegolten. Sie habe aber von Vernehmungstermin zu Vernehmungstermin sichtlich mehr Vertrauen gefasst. Er habe merken können, dass sie Angst gehabt habe. Die Nebenklägerin habe in seinen Vernehmungen detailreiche Schilderungen gemacht. Ihre Beschreibung der Etablissements sei mit Ausnahme des Clubs des Onkels, der von ihnen nicht habe ermittelt werden können, zutreffend gewesen. Die Angaben der Nebenklägerin habe er insgesamt für glaubhaft gehalten. Weitere von ihm vernommene Zeugen hätten viele von der Nebenklägerin geschilderte Punkte bestätigt. Die von der Nebenklägerin auf ihrem Mobiltelefon überreichten Gesprächsmitschnitte seien im Rahmen der Ermittlungen das „i-Tüpfelchen“ gewesen. Hieraus sei deutlich die Aggressivität des Angeklagten hervorgegangen, was für die von der Nebenklägerin geschilderte Bedrohungslage gesprochen habe. Die von der Nebenklägerin genannten Einnahmen seien überdies plausibel gewesen. Für die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin habe aus seiner Sicht auch gesprochen, dass diese außerhalb des Ermittlungsverfahrens Angaben zu einem Drogenhändler gemacht habe, der im großen Stil Drogen von Lateinamerika eingeführt habe. Aufgrund der Angaben der Nebenklägerin sei dieser Mann bei einer Einfuhr von 1 kg Kokain festgenommen worden. Insgesamt seien diesem anschließend sieben Einfuhren mit jeweils 1 kg nachweisbar gewesen, was ohne die Angaben der Nebenklägerin nicht denkbar gewesen wäre, da die über die Niederlande erfolgten Einfuhren sonst im Rahmen der Kontrollen wohl nicht aufgefallen wären.
69Für die Richtigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin sprechen letztlich auch die Feststellungen zu der zeitlich nur wenige Wochen später liegenden Tat zum Nachteil der Zeugin U., die ein gleichgelagertes Vorgehen des Angeklagten in dem Sinne verdeutlichen, dass es die „Masche“ des Angeklagten war, Frauen mittels Drohung und Gewalt gefügig zu machen, um diese anschließend der Prostitution zuzuführen und die Einnahmen hieraus für eigene Zwecke zu verwenden. Dass der Angeklagte über ein entsprechendes Aggressions- und Gewaltpotenzial verfügt, geht schließlich auch aus seiner Vorverurteilung durch das Amtsgericht P. vom 03.12.2004 und den dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu den Gewalthandlungen zum Nachteil der in jenem Verfahren geschädigten H, hervor.
70Die Feststellungen zu den Tatfolgen bzw. dem psychischen Zustand der Nebenklägerin – was im Rahmen des Gesamtergebnisses der Beweisaufnahme ebenfalls für die Richtigkeit der Darstellung der Nebenklägerin spricht – beruhen schließlich im Wesentlichen einerseits auf den Bekundungen des Zeugen KHK M. zu der psychischen Verfassung der Nebenklägerin anlässlich ihrer zahlreichen Vernehmungen im Ermittlungsverfahren sowie dem eigenen in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindruck der Kammer von der Nebenklägerin. Die zur Verhandlungsfähigkeit der Nebenklägerin verlesenen ärztlichen Atteste vom 07. und 16.01.2015, in denen der Nebenklägerin seinerzeit eine Somatisierungsstörung und eine psychovegetative Erschöpfung und eine Verhandlungsunfähigkeit für die Dauer von ca. vier Wochen bzw. bis zum 06.02.2015 bescheinigt wurde, gaben insoweit auch keine Veranlassung zu Zweifeln und weiterer Aufklärung. Schließlich war die Nebenklägerin beispielhaft auch nach eigenem glaubhaften Bekunden auch nicht nur nicht in der Lage, in der Hauptverhandlung in Gegenwart des Angeklagten auszusagen, sondern konnte sich auch nicht in dessen Anwesenheit im selben Sitzungssaal aufhalten, was dazu führte, dass die Nebenklägerin bei ihren Vernehmungen jeweils nach Entfernung des Angeklagten aus dem Zeugenzimmer in den Sitzungssaal geführt werden musste.
712.
72Die tatsächlichen Feststellungen zu der Tat zu II. 6. beruhen maßgeblich auf den detailreichen, widerspruchsfreien und insgesamt glaubhaften Bekundungen der Zeugin F. U., die den Sachverhalt entsprechend den getroffenen Feststellungen in der Hauptverhandlung geschildert hat. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass diese Schilderungen nicht erlebnisbasiert sind, haben sich nach dem Gesamtergebnis der hierzu geführten Beweisaufnahme nicht ergeben. Vielmehr hat die Schwester der Zeugin, die Zeugin I. U., hiermit übereinstimmend die von der Zeugin U. geschilderten Geschehensabläufe bestätigt und insoweit im Wesentlichen bekundet, dass ihre Schwester ihr zunächst gesagt habe, dass sie zu einer Freundin wolle. Ihre Mutter habe sich dann gewundert, warum ihre Schwester nicht zurückkehre, zumal diese ihre Kinder bei ihrer Mutter gelassen habe. Ihre Schwester habe ihr in der Folge geschrieben, dass sie einen Freund habe, dann aber nicht mehr reagiert, nicht mehr geschrieben und auch nicht mehr abgenommen. Ihre Mutter habe dann die Polizei verständigt, die ihnen noch mitgeteilt hätte, dass sie wegen der Volljährigkeit ihrer Tochter nichts unternehmen könnten. Nach ein paar Tagen habe sie von dieser einen Anruf bekommen, in welchem sie mitgeteilt habe, das sie weg wolle und dass sie eingeschlossen worden sei. Ihre Schwester habe geweint und Angst gehabt und gesagt, dass sie kommen sollten, um sie rauszuholen. Sie habe ihr auch die Stadt gesagt, wo sie sei. Sie sei dann mit der Zeugin V. hingefahren. Während der Fahrt habe sie weiter zu ihrer Schwester telefonisch Kontakt gehalten. Die Zeugin hat weiter eingehend die Schwierigkeiten beschrieben, die Wohnanschrift des Angeklagten aufgrund der Angaben der Zeugen F. U. ausfindig zu machen, da letztere ihr nur rudimentär habe beschreiben können, wo sie sei, schließlich aber zumindest die Straße gewusst habe. Sie hätten geklingelt, worauf ihre Schwester ihnen gesagt hätte, dass sie die Tür nicht öffnen könne. Da die Hauseingangstür aufgestanden habe, seien sie ins Haus gelangt. Vor der Wohnung des Angeklagten habe sie dann die Schuhe ihrer Schwester stehen sehen. Sie habe ihre Schwester in der Wohnung weinen gehört und habe daraufhin – was im Übrigen durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder gemäß Bl. 7 und 8 d.A. des Verfahrens zum Az. 676 Js 23/14 der Staatsanwaltschaft Bielefeld untermauert wird – die Wohnungstür aufgetreten. Erregt und aufgelöst hat die Zeugin dann weiter geschildert, wie sie ihre Schwester vorgefunden habe. Diese habe um sich geschlagen, sie habe sie nicht wiedererkannt. Ihre Schwester habe „rumgeschrien“, dass sie gehen sollten, sie seien in Gefahr. Die Schwester habe ein rotes Auge gehabt. Die Wohnung sei „demoliert“ gewesen. Sie habe ihre Schwester aufgefordert, mit ihnen zu kommen, was diese unter Hinweis darauf abgelehnt habe, dass sonst noch was passiere. Sie habe Angst um ihre Schwester gehabt und sich dann selbst mit einer Scherbe geritzt, ihre Schwester habe aber gesagt, dass es nicht gehe. Die Zeugin V. habe dann die Polizei gerufen, die – was auch aufgrund der verlesenen Strafanzeige vom 03.11.2013 gemäß Bl. 3 ff. des Verfahrens zum Az. 676 Js 23/14 der Staatsanwaltschaft Bielefeld feststeht – auch gekommen sei. Sie sei selbst ins Krankenhaus gebracht worden, wo ihre Wunden genäht worden seien. Ihre Mutter sei nicht dabei gewesen, sie habe davon nichts gewusst. Als sie zurück nach A. gekommen sei, habe sie ihrer Mutter von den Geschehnissen erzählt und davon berichtet, dass ihre Schwester verändert gewesen sei. Ihre Mutter habe geweint.
73Im Einklang hiermit hat auch die Mutter der Zeuginnen F. und I. U., die Zeugin F. U., ausgesagt, dass sie zunächst nur von ihrer Tochter I. gewusst habe, dass ihre Tochter F. zu einer Freundin gewollt habe. Als diese dann ein bis zwei Tage fort gewesen sei, habe sie sich Sorgen gemacht und bei der Polizei in A. angerufen. Von dort habe sie die Auskunft erhalten, dass ihre Tochter alt genug sei, sie solle abwarten. Davon, dass ihre Tochter F. ihre andere Tochter angerufen und davon berichtet habe, dass sie gegen ihren Willen eingesperrt sei und diese sich dann gemeinsam mit der Zeugin V. auf den weg gemacht habe, habe sie zunächst nichts gewusst. Das sei das Glück des Angeklagten gewesen, sie hätte „sonst mit ihm was anderes gemacht“. Sie habe erst im Nachhinein erfahren, dass der Angeklagte ihre Tochter F. gefragt habe, ob sie „auf den Strich“ gehen würde. Von ihrer Tochter I. habe sie bei deren Rückkehr aus P. erfahren, dass ihre andere Tochter nicht habe mitgehen wollen, woraufhin sie sich ihre Hände aufgeritzt habe, was dann auch die andere Tochter getan habe. Ihre Tochter I. habe ihr auch davon berichtet, dass sie ihre Schwester, die in Panik gewesen sei, nicht wiedererkannt habe. Es sei abgesperrt gewesen und sie habe die Tür eingetreten. Laut ihrer Tochter I. habe ihre andere Tochter gesagt, dass sie nicht mit könne, weil der Angeklagte ihr gedroht habe, auch in Bezug auf die Kinder. Sie habe nicht zur Polizei gehen und auch im Frauenhaus nicht so tun sollen, als ob sie festgehalten werden würde. F. habe sie dann angerufen und sie habe sie dann von der Polizei abgeholt. Ihre Tochter F. habe ihr dann später auch erzählt, dass sie gegen sie, die Zeugin F. U., eine Anzeige erstattet habe, da der Angeklagte sie gezwungen habe zu erzählen, dass sie - die Zeugin F. U. - das gewesen sei. Sie selbst habe damals unter Bewährung gestanden, die am 11.12.2013 abgelaufen sei.
74Die Zeugin KK´in C. hat zudem bestätigt, dass die Zeugin F. U. – was mit deren Bekundungen übereinstimmt – am 03.12.2013 bei ihr in der Polizeiinspektion A. eine Strafanzeige gegen den Angeklagten erstattet habe, wonach der Angeklagte sie der Freiheit beraubt und eingeschlossen habe. Der Angeklagte habe auch gesagt, dass er wisse, wo ihre Kinder wohnen würden. Die Zeugin U. habe ihr auch die Örtlichkeit näher beschrieben. Erst sei es ein freiwilliger Besuch gewesen. Ihre Schwester I. sei dann erschienen und habe die Tür eingetreten. Sie habe sich bei dem Angeklagten gerächt und Sachen von ihm kaputtgemacht – was im Übrigen mit der damit verbundenen Selbstbelastung für die Richtigkeit der Angaben der Zeugin F. U. spricht. Sie habe dann jedoch den Sachverhalt in der damaligen Situation vor Ort umgedreht dargestellt, wonach ihre Verwandten gekommen seien, um sie gegen ihren Willen herauszuholen. Der Angeklagte habe schließlich auch gemeint, dass das nach außen hin besser aussähe, wenn sie aus Angst vor ihrer eigenen Familie in ein Frauenhaus gehen würde. Es sei für sie – die Zeugin KK´in C. - am Anfang eine sehr verworrene Geschichte gewesen. Sie habe sich von der Dienststelle in N. die dortige Strafanzeige schicken lassen. Sie habe insgesamt den Eindruck gehabt, dass die Zeugin F. U. die Wahrheit gesagt habe. Diese habe Angst gehabt, dass der Angeklagte seine Drohung über seinen großen Familien- und Bekanntenkreis umsetzen würde. Durch die Drohung des Angeklagten wurde die Schilderung der Zeugin U. schlüssig. Diese habe schließlich auch noch angegeben, dass sie nachträglich noch per Telefon von dem Angeklagten drangsaliert worden sei.
75Die Verletzung der Zeugin F. U. wird schließlich belegt durch das in Hauptverhandlung in Augenschein genommene und anlässlich des polizeilichen Einsatzes vom 03.11.2013 von der Zeugin U. aufgenommene Lichtbild, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird; dieses bestätigt die Schilderung der Zeugin U. von dem Faustschlag des Angeklagten in ihr Gesicht. Dass es gemäß den Bekundungen der Zeugin U. auch der Angeklagte war, der ihr diese Verletzung im Zuge der von dieser geschilderten Streitigkeit beigebracht hat, und nicht etwa die Zeugin F. U., wie der Angeklagte im Zuge des Polizeieinsatzes vom 03.11.2013 Glauben machen wollten, wird bekräftigt durch den Inhalt eines zwischen dem Angeklagten und der Zeugin U., die in diesem Telefonat unter dem Spitznamen „Angel“ auftritt bzw. so von dem Angeklagten angesprochen wird, im Nachgang zum Tatgeschehen am 09.04.2014 geführten Telefonat, welches im Rahmen einer bezogen auf den Anschluss des Angeklagten durchgeführten TKÜ-Maßnahme polizeilich überwacht worden ist. In dem in der Hauptverhandlung verlesenen polizeilichen Protokoll zu diesem Telefonat ist zu dem Inhalt dieses Gespräches u.a. Folgendes vermerkt:
76„A. fragt die Anruferin, wann sie sich endlich von ihrer Familie trennt. Sie wirft ihm vor, dass Nutten für ihn arbeiten. Beide unterhalten sich über die Familie von B. und darüber, dass die Angel sowohl von B. als auch von ihrer eigenen Familie geschlagen wurde. Sie kann und will nicht wieder zu B. kommen. Ihre Familie wüsste sofort, wo sie sich aufhalte und würde sie da wieder weg holen. Außerdem fürchte sie, wieder von B. geschlagen zu werden. Sie glaubt, dass B. sie nur ficken wolle.“
77In einem nachfolgenden Telefonat zwischen beiden von diesem Tag, welches ebenfalls durch Verlesung des hierzu gefertigten polizeilichen Protokolls in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, äußert die Zeugin U. zudem gegenüber dem Angeklagten ihre Sorge, dass sie nur zu ihm kommen wolle, wenn sie sich mit ihm in der Stadt treffen könne, wo andere Menschen seien. Sie habe Angst, wieder von ihm eingesperrt zu werden.
78Besteht schon danach kein vernünftiger Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Zeugin F. U. und damit an der Täterschaft des Angeklagten, wird der Umstand, dass das Bedrohen, Schlagen und Einsperren der Zeugin U. durch den Angeklagten ausgehend von ihren Bekundungen allein darauf gerichtet war, sich dieser zu bemächtigen und sie gefügig zu machen, um sie anschließend der Prostitution zuzuführen, zusätzlich durch sein gleichgerichtetes und -gelagertes, zudem lediglich ein paar Wochen davor liegendes Handeln zum Nachteil der Nebenklägerin gestützt. Auf die obigen Erwägungen insoweit wird verwiesen. Anhaltspunkte dafür, dass - was zumindest denktheoretisch möglich erscheint - die Zeugin U. und die Nebenklägerin persönliche Verbindungen aufweisen und sich dahingehend abgesprochen haben könnten, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, haben sich nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht ergeben. Aus den danach offenkundig bestehenden Parallelen der Handlungsmuster des Angeklagten bei den Taten zum Nachteil der Nebenklägerin bzw. der Zeugin U. folgt danach ein planvolles Vorgehen des Angeklagten, über Bordellbesuche oder auch Kontaktforen Frauen als taugliche Opfer ausfindig zu machen, diesen zunächst die Eingehung einer Beziehung mit ihm zu suggerieren, sie in seine Wohnung und damit in seinen Einfluss- und Herrschaftsbereich zu locken, um sie anschließend mit massiven Drohungen und physischer Gewalt dazu zu bringen, für ihn der Prostitution nachzugehen.
79IV.
80Der Angeklagte hat sich danach der Vergewaltigung in zwei Fällen (Taten zu Ziff. II. 3. und 4.), des schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in zwei Fällen (Taten zu Ziff. II. 2. und 6.), hiervon in einem Fall in Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei (Tat zu Ziff. II. 2.) sowie der ausbeuterischen Zuhälterei (Tat zu Ziff. II. 1.) gemäß §§ 177 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 181a Abs. 1 Nr. 1, 232 Abs. 4 Nr. 1 und 2, 52, 53 StGB schuldig gemacht.
811.
82Durch die Taten zu II. 1. und 2. hat der Angeklagte die Nebenklägerin jeweils im Sinne des Tatbestands des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB ausgebeutet. Erforderlich ist hierfür in objektiver Hinsicht der Abzug eines erheblichen Teils der Einnahmen des Opfers, der zu einer gravierenden Beschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit führt und dadurch geeignet ist, dem Opfer eine Lösung aus der Prostitutionstätigkeit zu erschweren. Voraussetzung einer Ausbeutung ist der Eintritt einer spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Opfers als Folge planmäßig hierauf gerichteter Handlungen des Täters (s. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 181a, Rn. 7 mwN). Zwar setzt eine solche Annahme im Regelfall Feststellungen zur Höhe der Einnahmen und Abgaben der Prostituierten voraus; allerdings steht das Fehlen exakter Feststellungen zu Einnahmen und Ausgaben einer Verurteilung wegen ausbeuterischer Zuhälterei nicht zwingend entgegen. Wenn die Prostituierten ihre gesamten Einnahmen abgeben müssen und nur gelegentlich geringe Summen zur Weiterleitung an ihre Familie zurückerhalten, ist ohne Weiteres von einer Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB auszugehen (vgl. zu Vorstehendem BGH, Urt. v. 09.10.2013 – 2 StR 297/13, zit. nach juris mwN).
83So liegt es hier. Die Nebenklägerin, die ansonsten über keine weitere Einnahmequelle verfügte, musste im gesamten Tatzeitraum ihre Einnahmen vollständig an den Angeklagten abführen, der ihr dann hiervon lediglich die zur Verrichtung und damit zur Fortführung der Prostitutionstätigkeit erforderlichen Dinge sowie Lebensmittel gekauft hat. Allein hieraus erwuchs der Nebenklägerin auch nicht die Möglichkeit, ihren Ausstieg aus der Prostitution zu finanzieren.
84Soweit für den Begriff der Ausbeutung ein planmäßiges und eigensüchtiges Ausnutzen der Prostitutionsausübung als Erwerbsquelle und damit ein Herrschafts- oder Abhängigkeitsverhältnis erforderlich ist, das der Täter bewusst ausnutzen muss, um aus der Prostitutionstätigkeit für sich materielle Vorteile zu ziehen, ist maßgeblich, dass die Prostituierte sich nicht aus dem Verhältnis lösen und die Prostitution aufgeben kann. Übt eine Frau die Prostitution hingegen aus eigenem Antrieb unbeeinflusst von Drohungen und sonstigem Verhalten des Täters aus und teilt dieser mit ihr im Übrigen sogar sein eigenes Einkommen, wird sie nicht ausgebeutet § 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGH, Urteil vom 18. April 2007 - 2 StR 571/06).
85Hier hat der Angeklagte der Geschädigten zunächst vorspiegelt, ihr „normale“ Arbeit zu verschaffen und damit den Ausstieg aus der Prostitution zu ermöglichen, indem er zugleich die Möglichkeit für die Betreuung des Kleinkindes der Geschädigten durch die Mutter des Angeklagten aufgewiesen hat. Anschließend hat der Angeklagte die Nebenklägerin durch den Hinweis, sie müsse ihre Schulden abarbeiten, durch Drohungen, andernfalls deren Kind zu töten, und durch Gewalthandlungen, insbesondere auch Vergewaltigungen, die Nebenklägerin dazu angehalten, die Prostitution wieder aufzunehmen bzw. fortzusetzen. Aus diesem Abhängigkeitsverhältnis konnte die Nebenklägerin sich erst lösen, als sie in der „Öffentlichkeit“ auf dem Flughafen in Hannover-Langenhagen bzw. in einem Restaurant Hilfe suchte und fand und so entkommen konnte.
86Dem Angeklagten kam es dabei auch darauf an, aus der Prostitutionstätigkeit der Nebenklägerin Vorteile zu ziehen.
87Der Täter muss zu der Geschädigten über den Einzelfall hinausgehende Beziehungen gemäß § 181a Abs. 1 StGB unterhalten (BGH, Urteil vom 2. April 2014 - 2 StR 554/13). Private Beziehungen der Prostituierten, die auf freiwilliger Vereinbarung beruhen, sind auch dann ausgeschlossen, wenn das Erwerbsinteresse des Partners hinter die persönliche Beziehung zurücktritt (Fischer, StGB, 61. Aufl., Rn. 3 zu § 181a).
88Die Nebenklägerin hat die Beziehung zu dem Angeklagten freiwillig aufgenommen, aber nicht mehr freiwillig fortgeführt. Es ging dem Angeklagten auch nur um das Erschließen einer Erwerbsquelle.
89Die Beziehung ist auch längere Dauer über den Einzelfall hinaus unterhalten worden
902.
91Nach den getroffenen Feststellungen waren die Fälle zu Ziff. 2. – 10. der Anklageschrift rechtlich zu einer einzigen Tat des als solcher im Urteilsausspruch zu bezeichnenden (vgl. BGH, Beschluss v. 06.07.2007 – 2 StR 207/07) schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei (s.o. zu Ziff. II. 2.) zusammenzufassen.
92Wird das Tatopfer durch eine der in § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB genannten Nötigungsmittel zur Aufnahme der Prostitution bestimmt, ist bereits mit der ersten derartigen Handlung das Verbrechen des schweren Menschenhandels vollendet und abgeschlossen; denn bei dem vorgenannten Tatbestand handelt es sich nicht um ein Dauerdelikt, das sich über den gesamten Zeitraum der erzwungenen Prostitutionsausübung erstreckt und bei dem wiederholte Nötigungshandlungen gegen das Tatopfer als unselbständige Einzelakte einer einheitlichen Tat gewertet werden könnten. Setzt der Täter daher zur Erzwingung weiterer sexueller Handlungen des Tatopfers wiederum Gewalt oder Drohungen ein, macht er sich erneut nach § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB in der Tatvariante des Bestimmens zur Fortsetzung der Prostitution strafbar, wenn die Weigerung des Opfers zur Vornahme der sexuellen Handlungen darauf beruht, dass es die Prostitutionsausübung aufgeben will und der Täter in Kenntnis dessen erneut die vorgenannten Mittel anwendet. Die Nötigung zu einzelnen Prostitutionsakten, ohne dass das Opfer den Willen zur Aufgabe der Prostitution hat, unterfällt danach nicht dem Tatbestand des § 232 Abs. 4 StGB (vgl. BGH, Urteil v. 12.10.1995 – 4 StR 231/95; Beschluss v. 20.06.2001 – 3 StR 135/01, jew. zit. nach juris; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 232, Rn. 29; Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 232, Rn. 35 sämtlich mwN). Maßgeblich ist ob von einer (Wieder-)Aufnahme der Prostitution und nicht von deren Fortsetzung auszugehen wäre (BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 3 StR 56/10).
93Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben ließ sich lediglich eine Tat des schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in den Tatvarianten der Anwendung von Gewalt und Drohung mit einem empfindlichen Übel zwecks Aufnahme der Prostitution gemäß § 232 Abs. 4 Nr. 1 Alt. 1 und 2 StGB zum Nachteil der Nebenklägerin nachhalten. Nach den getroffenen Feststellungen liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Nebenklägerin zu einem späteren Zeitpunkt nach erstmaliger Aufnahme ihrer Prostitutionstätigkeit für den Angeklagten in dem Bordellbetrieb dessen Onkels in I. bzw. im I.er Raum, maßgeblich infolge der von dem Angeklagten ausgesprochenen Drohungen, ihren illegalen Aufenthalt bei der Polizei anzuzeigen, aber auch mit dem Tod, (erneut) den Entschluss gefasst haben könnte, nicht mehr der Prostitution nachzugehen. Vielmehr ist die Nebenklägerin, nachdem sie sich vorübergehend dem Angeklagten entzogen hatte und gemeinsam mit ihrem Kind wieder bei der Zeugin T. untergekommen war, zwischenzeitlich auf eigenen Entschluss hin wieder der Prostitution im V.-Hotel nachgegangen, da sie nach eigenem Bekunden auch kein Geld gehabt und sonst für sich keine anderen Möglichkeiten gesehen hat, um Geld zu verdienen. Die Rückkehr zum Angeklagten erfolgte dann nach Aussage der Nebenklägerin aufgrund dessen vorangegangener Drohungen, aber auch deshalb, weil dieser noch „alle Papiere“ und insbesondere die Pässe für sie und ihre Tochter in seinem Besitz hatte.
94Die festgestellten Vergewaltigungstaten zu Ziff. II. 3. und 4. stehen danach jeweils in Tatmehrheit gemäß § 53 StGB zu der Tat zu Ziff. II. 2., da letztere aufgrund der zuvor bereits erfolgten Aufnahme der Prostitutionstätigkeit durch die Nebenklägerin infolge der vorangegangenen Drohungen des Angeklagten zu diesen Zeitpunkten nicht nur vollendet, sondern vollständig abgeschlossen und damit bereits beendet war. Anders kann dies – was hier aber gerade nicht gegeben ist – mit der Folge tateinheitlicher Verknüpfung liegen, wenn der der Täter sein Opfer vergewaltigt, um dessen Widerstand gegen die Prostitutionsausübung zu brechen (vgl. BGH, Beschluss v. 11.02.1999 – 3 StR 607/98 zit. nach juris). Das bei der Tat zu Ziff. II. 2. tateinheitlich verwirklichte (Dauer-)Delikt der ausbeuterischen Zuhälterei ist schließlich als minder schweres Delikt auch nicht in der Lage, die vorgenannten schwereren Tatbestände des schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Vergewaltigung zu einer Tat zu verbinden (vgl. BGH, Urteil v. 09.11.1993 – 5 StR 539/93, zit. nach juris).
953.
96Die weitere Tat des schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zu Ziff. II. 6. zum Nachteil der Zeugin U. war schließlich bereits mit dem Sichbemächtigen, also der Erlangung der physischen Herrschaft über ihre Person durch den Angeklagten infolge des Einschließens in der Wohnung, vollendet, so dass es auf die Prostitutionsausübung bzw. den Beginn der sexuellen Handlungen nicht ankam (vgl. Eisele, a.a.O.).
97V.
98Bei der Strafzumessung war für die Tat zu II. 1. (ausbeuterische Zuhälterei) von dem Strafrahmen des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, bei den Taten zu II. 2. – insoweit von dem gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 StGB die schwerste Strafe androhenden Strafrahmen – und 6. (schwerer Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in zwei Fällen, hiervon in einem Fall (Tat zu II. 2.) in Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei) jeweils von dem Strafrahmen des § 232 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorsieht und bei den Taten zu II. 3. und 4. (Vergewaltigungen) von dem Strafrahmen des § 177 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB, der als besonders schwerer Fall einer sexuellen Nötigung Freiheitsstrafe von zwei bis zu fünfzehn Jahren vorsieht, auszugehen.
99Im Ergebnis kam weder bei den Taten zu II. 2. und 6. ein minder schwerer Fall nach § 232 Abs. 5 Hs. 2 StGB noch bei den Taten zu II. 3. und 4. ein Absehen von der durch die Verwirklichung eines Regelbeispiels widerleglich indizierten Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB aufgrund der auch insoweit gebotenen Gesamtwürdigung in Betracht. Die möglichen Gründe für das Absehen von der Anwendung des erhöhten Strafrahmens im Fall des § 177 Abs. 2 StGB entsprechen denen des minder schweren Falls nach § 177 Abs. 5 StGB; es sind alle Umstände einzubeziehen, die für die Wertung der Tat bedeutsam sind (s. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 177, Rn. 74 mwN).
100Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist dabei, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung dieses Strafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Die Erschwernis- und Milderungsgründe sind auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen (vgl. nur BGH, Urteil v. 10.11.2011 - 4 StR 354/11; BGH, NStZ 2000, 254). Die Möglichkeit eines minder schweren Falles kann sich ungeachtet des Vorliegens strafschärfender Gründe bei einem entsprechenden Gewicht von allgemeinen Milderungsgründen einer Tat ergeben (BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 5 StR 415/12).
101Bei der danach jeweils gebotenen Gesamtwürdigung fiel zugunsten des Angeklagten ins Gewicht, dass sich dieser erstmalig mit der Verbüßung einer überdies noch langjährigen (Gesamt-)Freiheitsstrafe konfrontiert sieht, was eine besondere Strafempfindlichkeit begründet. Auch war strafmindernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bei der Vergewaltigungstat zu II. 4. nur in verhältnismäßig geringerem Maße Gewalt ausgeübt hat. Demgegenüber musste maßgeblich strafschärfend die aus den Taten sprechende hohe kriminelle Energie des Angeklagten gewertet werden. So ist er einerseits gegenüber der Nebenklägerin roh und brutal vorgegangen, was sich in den - auch nach Tatvollendung - wiederholten massiven Todesdrohungen und Gewalthandlungen in Form des kräftigen Knietritts in den Magen und des Würgens anlässlich der Tat zu II. 3., was deutlich über das vom Tatbestand erfasste gewöhnliche Maß der Gewaltanwendung hinausgeht, widerspiegelt. Der Angeklagte hat die Nebenklägerin zudem ein weiteres Mal brutal und ungeschützt vergewaltigt, was Gegenstand der Feststellungen zu der nicht angeklagten und damit nicht Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Tat zu II. 5. ist, wobei insoweit zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigten war, dass dieser bei dieser Tat infolge vorangegangenen Alkoholkonsums in nicht ausschließbarer Weise gemäß § 21 StGB nur vermindert schuldfähig war, wenngleich ausgehend von den Bekundungen der Nebenklägerin die grundsätzliche Steuerungsfähigkeit des Angeklagten – dieser war insbesondere zum Steuern eines PKW und der Durchführung der Tat als solcher ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ausfallerscheinungen in der Lage – erhalten geblieben ist. Die Taten erstreckten sich zudem über einen längeren Zeitraum von mehreren Wochen. Auch hat der Angeklagte die kleine Tochter der Nebenklägerin in die Taten zum Nachteil der Nebenklägerin verstrickt, indem er die Tochter dieser gegenüber als Droh- und Druckmittel für seine Zwecke einsetzte. Trotz des polizeilichen Einschreitens beging der Angeklagte, was zudem eine besonders kriminelle Hartnäckigkeit offenbart, die im Wesentlichen gleichgelagerte Tat zu II. 6. zum Nachteil der Zeugin U. nur gut zweieinhalb Monate nachdem sich die Nebenklägerin durch Flucht seinem Einfluss entzogen hatte. Der Angeklagte hat überdies bei beiden Vergewaltigungstaten zu II. 3. und 4. mit der Nebenklägerin ungeschützt verkehrt. Die von dem Angeklagten von der Nebenklägerin hinterzogenen Einnahmen waren auch erheblich. Ferner waren auch die besonderen aus den Taten resultierenden psychischen Folgen für die Nebenklägerin, die sich auch derzeit deshalb noch in ärztlicher Behandlung befindet, strafschärfend in den Blick zu nehmen. Der Angeklagte, der teilweise durch dieselbe Handlung gleich zwei Straftatbestände verwirklichte, ist schließlich, wenn auch nicht einschlägig und überdies länger zurückliegend, vorbestraft und hierbei auch schon zu Freiheitsstrafe unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden.
102Ausgehend von den danach unverändert gebliebenen Ausgangsstrafrahmen war sodann im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne nach erneuter Abwägung der oben erwähnten und aller weiteren für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände gemäß § 46 StGB
103- für die Tat zu II. 1. auf eine
104Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten,
105- für die Tat zu II. 2. auf eine
106Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten,
107- für die Tat zu II. 3. auf eine
108Freiheitsstrafe von vier Jahren,
109- für die Tat zu II. 4. auf eine
110Freiheitsstrafe von drei Jahren,
111- und für die Tat zu II. 6. auf eine
112Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten,
113als tat- und schuldangemessen zu erkennen.
114Nach den §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 2 StGB war für die aus den Einzelstrafen zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe die Einsatzstrafe von vier Jahren und sechs Monaten angemessen zu erhöhen. Nach nochmaliger Abwägung aller oben genannten für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, unter nochmaliger Berücksichtigung und Abwägung der in § 46 StGB aufgeführten Strafzumessungsgesichtspunkte und unter zusammenfassender Würdigung der Person des Angeklagten und der einzelnen Strafen, wobei übergeordnet insbesondere zu Lasten des Angeklagten sein gleichgelagertes und -gerichtetes Handeln zum Nachteil der Nebenklägerin bzw. der Zeugin U. zu berücksichtigen war, erschien insgesamt eine
115Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten
116als tat- und schuldangemessen.
117VI.
118Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zu den Taten zu II. 1. - 4. ist der Angeklagte der Nebenklägerin im tenorierten Umfang aus unerlaubter Handlung nach den §§ 823 Abs. 1 und 2, 249 Abs. 1 und 2, 253 Abs. 2 BGB, 177, 181a, 232 StGB, 287 ZPO zu Schadensersatz verpflichtet. Der Adhäsionsantrag stellt sich insoweit im Sinne von § 406 Abs. 1 S. 1 StPO teilweise als zulässig und begründet dar (s.u. zu 1. und 2.). Im Übrigen war von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen, § 406 Abs. 1 S. 3 StPO (s.u. zu 3.).
1191.
120a)
121Soweit die Nebenklägerin mit ihrem Adhäsionsantrag einen Anspruch auf Zuerkennung eines der Höhe nach unbezifferten, lediglich angemessenen Schmerzensgeldes gemäß § 253 Abs. 2 StGB geltend gemacht hat, ist dieser zulässig und in der dem Urteilsausspruch zugrundegelegten Höhe auch begründet.
122Die Bemessung der als angemessen erachteten Entschädigung in Geld steht nach § 287 ZPO im freien Ermessen des Gerichts, wobei es zur Erreichung einer „billigen“ Entschädigung alle - unter Berücksichtigung der dem § 253 Abs. 2 BGB zugrundeliegenden Doppelfunktion in Gestalt der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion - dafür relevanten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hat; insbesondere Art, Intensität und Dauer der erlittenen Rechtsgutverletzung aber auch das Verschulden des Schädigers sind in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und beeinflussen die Höhe der Entscheidung (s. MüKo/Oetker, BGB, 6. Aufl., § 253, Rn. 10 f. und 36 f. mwN). Dabei ist es nach bisheriger ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch regelmäßig erforderlich, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Tatbeteiligten zu berücksichtigten (vgl. nur BGH, Beschlüsse v. 23.02.2012 – 4 StR 602/11 und v. 02.09.2014 – 3 StR 325/14, jew. zit. nach juris). Zwar hat der 2. Strafsenat beim BGH mit seinem Vorlagebeschluss vom 08.10.2014 (2 StR 137/14 und 2 StR 337/14) diese Entscheidungspraxis mit näherer Begründung in Frage gestellt, wonach bei der billigen Entschädigung in Geld weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen seien und bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten angefragt, ob an der entgegenstehenden Rechtsprechung festgehalten wird (s. auch weiterer Beschluss dieses Senats v. 09.04.2015 – 2 StR 324/14). Mit seinem (Antwort-)Beschluss vom 05.03.2015 hat der 3. Strafsenat des BGH (3 ARs 29/14) ebenfalls mit näherer Begründung an seiner Rechtsprechung insoweit festgehalten, als dass weiterhin die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigt werden können, im Übrigen aber angekündigt, seine entgegenstehende Rechtsprechung aufgegeben zu wollen. Die Entscheidungen der weiteren Strafsenate und des Großen Senats für Zivilsachen hierzu bzw. deren Veröffentlichung steht im Übrigen – soweit ersichtlich – noch aus. Bei der Ausübung des Ermessens hat das Gericht unabhängig von den stets zu beachtenden Besonderheiten des Einzelfalls weiter zu berücksichtigen, dass vergleichbare Verletzungen annähernd gleiche Entschädigungen zur Folge haben (vgl. Oetker, a.a.O.). Schließlich war vorliegend zu berücksichtigen, dass sich die hierneben erfolgte strafrechtliche Verurteilung des Angeklagten - grundsätzlich und vorliegend – nicht schmerzensgeldmindernd auswirkt. Denn der staatliche Strafanspruch dient in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit, den Täter für seine Tat strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, während sich die zivilrechtlich relevante Genugtuungsfunktion der Sache nach als eine der Grundlagen für die Bemessung des Anspruchs auf Ausgleich des immateriellen Schadens darstellt. Sie kann daher auch nur durch eine Leistung des Schädigers an den Geschädigten selbst befriedigt werden. Die Pflicht, den immateriellen Schaden gegenüber dem Verletzten tat- und schuldangemessen voll auszugleichen, hat der Schädiger als zivilrechtliche Folge seiner Tat ebenso hinzunehmen wie den etwaigen Freiheitsentzug als deren strafrechtliche Folge (BGH, NJW 1996, 1591).
123Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben erachtet die Kammer nach Würdigung aller maßgeblichen Umstände für die Taten zu II. 1. – 4. die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes als immaterieller Schadensersatz in Höhe von 40.000,00 EUR zugunsten der Nebenklägerin als angemessen. Dabei hat die Kammer, die sich der besonderen Höhe dieses Betrages durchaus bewusst ist, maßgeblich berücksichtigt, dass der Angeklagte bei sämtlichen Taten vorsätzlich gehandelt und die Nebenklägerin wiederholt mit jeweils ungeschütztem Verkehr vergewaltigt und dabei bei der Tat zu II. 3. mit dem Würgen der Nebenklägerin deutlich über das normale, vom Tatbestand erfasste und letztlich erforderliche Maß an Gewalt hinausgegangen ist. Die Nebenklägerin ist darüber hinaus gemäß den Feststellungen zu den Tatgeschehen Opfer massiver Todesdrohungen und Gewalthandlungen durch den Angeklagten geworden, ihre Tochter wurde von ihm als Droh- bzw. Druckmittel gebraucht und damit von ihm in die Taten verstrickt, um die Nebenklägerin zur Fortsetzung der Prostitutionsausübung zu bewegen. Durch die Taten zu II. 2. – 4. hat der Angeklagte gleich dreimal einen Verbrechenstatbestand verwirklicht und damit insbesondere das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Nebenklägerin in ganz erheblichem Maße und zudem über einen längeren Zeitraum verletzt. Nicht nur durch die Drohungen und gewalttätigen Übergriffe, teilweise mit erheblichen Verletzungsfolgen, sondern auch durch den Entzug ihrer gesamten aus der Prostitution erzielten Einnahmen hat der Angeklagte die persönliche und wirtschaftliche Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit der Nebenklägerin über mehrere Wochen hinweg besonders weitgehend entzogen. Die Nebenklägerin fürchtet auch heute noch um ihr Leben und das ihrer Tochter und befindet sich im Zeugenschutz, womit einhergeht, dass sie ihren Aufenthaltsort geheim halten muss. Auch befindet sie sich auch derzeit noch wegen der aus den Taten resultierenden psychischen Beeinträchtigungen bis auf Weiteres in ambulanter ärztlich-psychiatrischer Behandlung. Schließlich hat die Kammer gemäß der (noch) geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Bemessung aber auch die wirtschaftliche Situation des Nebenklägers und des Angeklagten dahingehend bedacht, dass beide ihren Lebensunterhalt aus öffentlichen Leistungen in Form von Arbeitslosengeld II bestreiten, der Angeklagte bereits seit Jahren, und hierneben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass einer der beiden über nennenswertes Vermögen verfügt. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass der Angeklagte zum jetzigen Zeitpunkt noch – wenn auch nur zu einem Teil – über die von ihm von der Nebenklägerin hintertriebenen Einnahmen verfügt. Vielmehr war gemäß den getroffenen Feststellungen davon auszugehen, dass der Angeklagte diese jeweils zeitnah für den eigenen Lebensunterhalt eingesetzt hat.
124Bei der Bemessung dieses Schmerzensgeldbetrages hat sich die Kammer schließlich auch an ähnlich gelagerten Schmerzensgeldverfahren, in denen es um die Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung und sexuelle Gewalt ging, orientiert:
125Das Landgericht Wuppertal hat in einem Urteil vom 05.02.2013 (16 O 95/12, BeckRS 2013, 03421) bei mehrfacher Vergewaltigung einer schwangeren 16-jährigen Schülerin, die über insgesamt drei Tage eingesperrt, vergewaltigt und mit dem Tode bedroht worden war, ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,00 EUR für angemessen erachtet. Die Betroffene in jenem Verfahren war der Unsicherheit vor möglichen Infektionen ausgesetzt, da der Täter den Verkehr ungeschützt ausübte. Bei den Übergriffen selbst, die sich über mehrere Stunden erstreckten, musste sie schwerste Erniedrigungen und körperliche Schmerzen erdulden. Schwer wog nach Auffassung des Gerichts auch, dass der Täter mehrfach versuchte, anal in sie einzudringen, obwohl (oder gerade weil) sie ihm mitteilte, sie würde „alles tun, aber bitte nicht das“. Die Betroffene litt infolge des Vorfalls unter fortwirkenden psychischen Beeinträchtigungen.
126In einem weiteren Fall, in dem ein 9-jähriger Junge sechs Mal von seinem Stiefvater sexuell missbraucht und bedroht worden ist, wobei sich als Folge der Taten bei dem Jungen eine dauernde psychische Beeinträchtigung einstellte, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 EUR als angemessen erachtet worden (LG Stuttgart, Urteil v. 16.04.2003 – 27 O 113/03; zit. nach Slizyk in: Beck´sche Schmerzensgeldtabelle, IMM-DAT, Stand 01.10.2014, Nr. 3374). Ebenfalls 50.000,00 EUR wurden zuerkannt in einem Fall, in dem ein elfjähriger Junge auf einen Campingplatz entführt wurde, wobei der Junge auf dem weg dorthin mehrfach, u.a mit einer Reitgerte und einem Hosengürtel auf das nackte Gesäß und den Oberschenkel, geschlagen wurde, es in einem Mobilheim zu erzwungenem Oralverkehr unter Bedrohung mit einem Küchenmesser kam, der Junge über Nacht mit Klebeband gefesselt und allein zurückgelassen wurde, und es am nächsten Tag zu weiteren sexuellen Übergriffen kam (LG Münster, Urteil v. 16.07.2008 – 2 O 567/07; BeckRS 2010, 14017).
127Von diesen Fallgestaltungen unterscheidet sich die vorliegende jedoch maßgeblich dadurch, dass die Betroffenen in den herangezogenen Entscheidungen kindlichen bzw. jugendlichen Alters waren, und neben dem Umstand, dass es an dem Element der Geiselnahme fehlt, auch dadurch, dass die Zahl und Schwere der Vergewaltigungstaten hinter denen in jenen Verfahren zurückbleibt, wenngleich die Kammer gleichsam gegenläufig der Ansicht ist, dass die Schmerzensgeldbeträge in den beiden letztgenannten Verfahren angesichts der Schwere der Taten auch deutlich zu niedrig bemessen worden sind.
128b)
129Soweit die Nebenklägerin mit ihrem Adhäsionsgesuch vom 22.01.2015 weiter materiellen Schadensersatz in Höhe von 2.200,00 EUR für die ihr von dem Angeklagten abgenommenen Erlöse aus der Prostitutionstätigkeit begehrt, stellt sich auch dieser Antrag bereits unter Zugrundelegung der tatsächlichen Feststellungen zu der Tat zu II. 1. als zulässig und begründet dar. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte ab Mitte Juni 2013 über einen Zeitraum von ca. drei Wochen bzw. an insgesamt 15 Arbeitstagen die gesamten Prostitutionseinnahmen der Nebenklägerin, und zwar in den ersten beiden Wochen bzw. an zehn Arbeitstagen – nach Abzug von direkt an die Betreiber zu entrichtender Zimmermiete und Steuern – Beträge in einer täglichen Höhe von mindestens 150,00 EUR und in der dritten Woche bzw. an fünf Arbeitstagen Erlöse in vorgenannter Höhe zzgl. eines täglichen Mehrbetrages von 65,00 EUR, da der Angeklagte in dieser Woche die Nebenklägerin nicht mehr die Zimmermiete in entsprechender Höhe an die Betreiber des „V.-Hotels“ entrichten ließ, und damit mindestens in Höhe von insgesamt 2.575,00 EUR (10 Tage x 150,00 EUR zzgl. 5 Tage x 215,00 EUR) vereinnahmt. Entsprechend ist der Angeklagte im geltend gemachten Umfang zum Ersatz des der Nebenklägerin hierdurch verursachten Schadens verpflichtet.
130c)
131Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht jedenfalls für die Zeit ab dem 22.01.2015 – Zeitpunkt der mündlichen Stellung des Adhäsionsantrags in der Hauptverhandlung – nach §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB, 404 Abs. 2 StPO.
1322.
133Die überdies von der Nebenklägerin geltend gemachte Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden ist ebenfalls zulässig und begründet.
134Eine dahingehende Feststellung setzt voraus, dass aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können; bei schweren Verletzungen kann ein Feststellungsanspruch nur dann verneint werden, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen. In diesen Fällen kann es genügen, dass eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Leiden besteht. Dass ein künftiger Schaden aber bloß möglich ist, reicht auch insoweit nicht aus (s. zu Vorstehendem BGH, Beschluss v. 26.09.2013 – 2 StR 306/13, zit. nach juris mwN).
135Nach diesen Maßstäben liegen vorliegend die Voraussetzungen für einen Feststellungsanspruch vor. Die Nebenklägerin ist, wie bereits dargelegt, insbesondere wiederholt Opfer massiver sexueller Gewalt des Angeklagten geworden. Sie erschien im Rahmen ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung, wie im Übrigen auch bereits im Ermittlungsverfahren, durch die Taten traumatisiert und befindet sich auch derzeit aufgrund ihrer noch fortwirkenden, aus den Taten resultierenden psychischen Beeinträchtigungen – wie durch ärztliche Atteste belegt – in ärztlich-psychiatrischer Behandlung. Die Möglichkeit des Eintritts von Spätfolgen und künftiger Schäden, vornehmlich durch anfallende Heilbehandlungskosten, liegt damit auf der Hand.
136Die Adhäsionsentscheidung war insofern – aber auch wegen der obigen Ansprüche zu 1. Buchst. a) und b) – im Hinblick auf § 116 SGB X bzw. § 86 VVG unter den Vorbehalt zu stellen, dass eine Ersatzpflicht nur insoweit besteht, als die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Versicherer übergegangen sind (vgl. BGH, Beschluss v. 03.12.2013 – 4 StR 471/13, zit. nach juris).
1373.
138a)
139Soweit die Nebenklägerin überdies die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten für bereits entstandene materielle und immaterielle Schäden geltend gemacht hat, mangelt es ihr für diese Feststellungsklage insoweit bereits am Feststellungsinteresse. Die Nebenklägerin hat insoweit weder substantiiert geltend gemacht, noch ist aus ihrem Vortrag ansonsten ersichtlich, welche Schäden bereits entstanden sein könnten und warum sie nicht in der Lage ist, diese Schäden schon jetzt zu beziffern (vgl. BGH, a.a.O.). Soweit die Nebenklägerin zuletzt über ihre Vertreterin auf entsprechenden Hinweis der Kammer hin mündlich in der Hauptverhandlung geltend gemacht hat, dass sich solche Schäden noch nicht beziffern ließen, weil Antragsverfahren gegenüber Sozialversicherungsträgern wie auch Behandlungsmaßnahmen noch nicht abgeschlossen seien, vermag dies den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag nicht zu genügen, zumal danach weder ersichtlich ist, was konkret im Hinblick auf etwaig bereits entstandene Schäden Gegenstand der einzelnen Verfahren gegenüber den Sozialversicherungsträgern sein könnte, noch aus welchem Grund eine Abrechnung und darauf fußende bezifferte Geltendmachung von bislang durchgeführter - und im Übrigen im Einzelnen darzulegender - Behandlungsmaßnahmen nicht möglich sein soll. Demgemäß war insoweit von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen.
140b)
141Abzusehen von einer Entscheidung über das Adhäsionsgesuch war wegen Unbegründetheit schließlich auch in Bezug auf den von der Nebenklägerin zuletzt ohne nähere Begründung über den 22.01.2015 – Zeitpunkt der mündlichen Anbringung des Antrags in der Hauptverhandlung bzw. dessen Rechtshängigkeit (s.o. unter 1. lit. c)) – hinaus geltend gemachten Zinsanspruch für die Zeit ab dem 15.08.2013, da hierfür weder auf der Grundlage des Vorbringens der Nebenklägerin noch sonst ein Rechtsgrund ersichtlich war.
142VII.
1431.
144Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1 und 2 ZPO, 406 Abs. 3 S. 2 StPO.
1452.
146Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 S. 1, 472a Abs.1 und 2 StPO. Soweit von einer Entscheidung über das Adhäsionsgesuch der Nebenklägerin abgesehen worden ist, entsprach es nach pflichtgemäßem Ermessen der Billigkeit, den Angeklagten wegen des nur unwesentlichen Teilunterliegens der Nebenklägerin auch insoweit mit den besonderen Kosten und den notwendigen Auslagen der Neben- und Adhäsionsklägerin zu belasten.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Bielefeld Urteil, 08. Mai 2015 - 9 KLs - 16/14
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Urteil einreichenLandgericht Bielefeld Urteil, 08. Mai 2015 - 9 KLs - 16/14 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
- 1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder - 2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.
(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen ausbeuterischer Zuhälterei in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit dirigistischer Zuhälterei und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall 1 der Urteilsgründe), sowie wegen versuchten schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tat- einheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 2 der Urteilsgründe), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagte R. hat es wegen Beihilfe zur ausbeuterischen Zuhälterei in Tateinheit mit dirigistischer Zuhälterei zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen hat das Landgericht beide Angeklagten freigesprochen.
- 2
- Die Revision des Angeklagten S. , mit der er eine Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg. Von der Aufhebung erfasst wird auch die Verurteilung der nichtrevidierenden Mitangeklagten R. .
- 3
- Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision, mit der sich die Nebenklägerin A. gegen den Teilfreispruch beider Angeklagten wendet, ist unbegründet.
A.
- 4
- Die Revision des Angeklagten S. ist begründet.
I.
- 5
- 1. Der Verurteilung des Angeklagten liegen folgende Feststellungen des Landgerichts zugrunde:
- 6
- Der Angeklagte war mit der Mitangeklagten R. befreundet, die in einer Wohnung im ersten Stock des Hauses Sch. der Prostitution nachging. Im März 2012 bezog die Geschädigte M. ein Zimmer im zweiten Stock und ging dort auf Veranlassung einer Frau namens J. ebenfalls der Prostitution nach. Der Angeklagte hatte zwischenzeitlich beschlossen, sich als gewerblicher Zimmervermieter zu betätigen, und besprach mit dem Vermieter des Hauses, die Wohnung im ersten und eine weitere im vierten Stock des Hauses anzumieten. Er plante, die einzelnen Zimmer dieser Wohnungen selbständig an Prosituierte unterzuvermieten, deren sämtliche Einkünfte an sich zu nehmen und ihnen nur nach Gutdünken Geld zum Eigenbedarf zuzuweisen; den überwiegenden Teil ihrer Einkünfte wollte er für sich selbst verwenden.
- 7
- a) In Umsetzung dieses Plans "kaufte" der Angeklagte die Geschädigte M. für 1.400 € von J. ab. Er einigte sich mit der Geschädigten dahin , dass diese ab dem 20. März 2012 in der Wohnung im ersten Stock arbeiten und dafür die Hälfte ihrer Einnahmen an den Angeklagten abgeben sollte. Die Geschädigte nahm ihre Arbeit auf, hatte aber vom 20. März bis zum 26. April 2012 ihre sämtlichen Einnahmen der Mitangeklagten R. zu übergeben, die die Gelder jeweils an den Angeklagten weiterleitete. Die Preise bezüglich der Art und Dauer ihrer sexuellen Dienstleistungen waren ihr vorgegeben. Die Geschädigte hatte keinen Überblick über ihre Einnahmen. Sie konnte weder lesen noch schreiben; auch das Rechnen sowie die deutsche Sprache beherrschte sie nur rudimentär. In dem genannten Zeitraum überwies sie mit Hilfe des Angeklagten bei drei Gelegenheiten 100 €, 130,50 € und 145 € an ihre Familie in B. .
- 8
- Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt während ihres Aufenthalts hatte die Geschädigte keine Lust mehr, in dem Haus Sch. zu arbeiten. Der Angeklagte teilte ihr daraufhin mit, dass sie erst gehen könne, wenn sie das Geld, das er für sie bezahlt habe, abgearbeitet habe; sie könne allerdings ihre Schwester zum Weiterarbeiten schicken. Da die Schwester der Geschädigten dies ablehnte, blieb die Geschädigte in der Sch. . Zu einem weiteren nicht feststellbaren Zeitpunkt schlug der Angeklagte die Geschädigte min- destens einmal mit der flachen Hand ins Gesicht, schubste sie gegen die Wand und trat sie, weil er den Verdacht hegte, sie liefere nicht ihren gesamten Verdienst an ihn ab. Am 22. April 2012 unterschrieb die Geschädigte einen Untermietvertrag (Tagesmietpreis von 75 € für ein Zimmer) und einen weiteren Vertrag , in dem sie erklärte, dem Angeklagten 1.300 € zu schulden.
- 9
- b) In Umsetzung seines Plans "kaufte" der Angeklagte auch die Geschädigte St. , die bislang in einem anderen Haus der Prostitution nachging, von einem Y. und einer weiteren Person. Die Geschädigte bezog am 27. März 2012 ein Zimmer im ersten Stock des Hauses Sch. und ging jedenfalls drei Tage lang der Prostitution nach. Ihre gesamten Einnahmen hatte sie der Mitangeklagten R. zu übergeben, die die Gelder an den Angeklagten S. weiterleitete. Am 31. März 2012 wurde bei der Geschädigten eine Schwangerschaft festgestellt. Sie verbrachte unter wechselnder Aufsicht der Mitangeklagten R. , der Nebenklägerin A. und der Geschädigten M. zwei Tage im Krankenhaus. Nach ihrer Rückkehr weigerte sie sich, der Prostitution nachzugehen. Der Angeklagte verlangte ihre Weiterarbeit und verbot ihr in der Folgezeit, das Haus zu verlassen, was die Mitangeklagte R. und die Nebenklägerin A. überwachten. Am 4. April 2012 unterzeichnete sie einen Darlehnsvertrag über 7.000 € und am 13. April 2012 einen Untermietvertrag (Tagesmietpreis von 75 € für ein Zimmer). Nach einem am 10. April 2012 erfolgten Schwangerschaftsabbruch floh die Geschädigtezu Y. , der sie aber zu dem Angeklagten zurückbrachte. Am 25. April 2012 gelang der Geschädigten wiederum die Flucht. Der Angeklagte spürte sie auf und brachte sie zurück. In Anwesenheit der Mitangeklagten R. , der Geschädigten M. sowie der Nebenklägerin A. und der Zeugin T. M. schlug er auf die Geschädigte St. mit der Faust ein. Nachdem sie zu Boden gegangen war, trat er weiter mit Schuhen auf sie ein, um ihr klar zu machen, dass sie im Haus zu bleiben und der Prostitution nachzugehen habe. Das Verprügeln in Gegenwart der anderen Frauen diente aber auch dazu , diesen eindrucksvoll deutlich zu machen, was passieren werde, wenn sie weglaufen und ihre vertraglichen Verpflichtungen ihm gegenüber nichterfüllen würden. Später ging der Angeklagte mit der Geschädigten in ein Nebenzimmer und prügelte gemeinsam mit dem hinzugerufenen Zeugen H. weiter auf sie ein.
- 10
- 2. Die Handlungen zum Nachteil der Geschädigten St. hat das Landgericht als tateinheitlich begangene ausbeuterische und dirigistische Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) - (Fall 1) - sowie als versuchten schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1, § 22, 23 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4) - (Fall 2) - gewertet.
- 11
- Die Handlungen zum Nachteil der Geschädigten M. hat das Landgericht als tateinheitlich begangene ausbeuterische Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB), schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB) und vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB) gewertet und Tateinheit zu den zum Nachteil der Geschädigten St. im Fall 1) erfolgten Handlungen angenommen.
II.
- 12
- Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.
- 13
- 1. Die Verurteilung hat im Ergebnis keinen Bestand, auch wenn die Annahme einzelner tateinheitlich verwirklichter Straftatbestände an sich nicht zu beanstanden ist. Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem:
- 14
- a) Der Schuldspruch wegen ausbeuterischer Zuhälterei gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB zum Nachteil der Geschädigten St. und M. begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
- 15
- Eine Ausbeutung liegt vor, wenn dem Opfer in objektiver Hinsicht ein erheblicher Teil der Einnahmen entzogen wird und dies zu einer gravierenden Beschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit führt, die geeignet ist, dem Opfer die Lösung aus der Prostitution zu erschweren (Fischer, StGB, 60. Aufl. § 181a Rdn. 7). Zwar setzt eine solche Annahme im Regelfall Feststellungen zur Höhe der Einnahmen und Abgaben der Prostituierten voraus (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 - 4 StR 413/88, NStZ 1989, 67). Allerdings steht das Fehlen exakter Feststellungen zu Einnahmen und Ausgaben einer Verurteilung wegen ausbeuterischer Zuhälterei nicht zwingend entgegen. Wenn - wie hier - die Prostituierten ihre gesamten Einnahmen abgeben müssen und nur gelegentlich geringe Summen zur Weiterleitung an ihre Familie zurückerhalten, ist ohne Weiteres von einer Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 1993 - 2 StR 160/93, NStZ 1994, 32, 33 und vom 3. März 1999 - 2 StR 608/98, NStZ 1999, 349, 350; BGH, Beschluss vom 20. April 2004 - 4 StR 67/04). Ob und inwieweit es sich bei den Zahlungen der Geschädigten auch um eine Begleichung von Mietverbindlichkeiten handelte, kann dabei offen bleiben. Eine Ausbeutung der Geschädigten bestand jedenfalls darin, dass sie ungeachtet möglicherweise bestehender konkreter Mietverbindlichkeiten täglich ihre gesamten Einnahmen an den Angeklagten abgeben mussten.
- 16
- b) Auch die Annahme einer dirigistischen Zuhälterei zu Lasten der Nebenklägerin St. im Fall 1) hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Der rechtlichen Würdigung des Landgerichts ist zwar nicht zu entnehmen, von welcher Variante des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB es ausgegangen ist.
- 17
- Die Feststellungen belegen aber, dass der Angeklagte jedenfalls im Sinn der 3. Variante des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB „Maßnahmen getroffen“ hat, die die Geschädigte davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben. Erfasst werden hiervon Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der Prostitution zu verbauen (BGH, Beschluss vom 9. April 2002 - 4 StR 66/02, StV 2003, 163; Beschluss vom 13. November 2001 - 4 StR 408/01). Dass es sich hier so verhält, kann den Urteilsgründen noch entnommen werden. Nachdem die Geschädigte wegen Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert worden war, befürchtete der Angeklagte, sie könne weglaufen und die Prostitution aufgeben. Er ließ sie deshalb tagsüber von der Mitangeklagten R. und der Nebenklägerin A. und in der Nacht von der Geschädigten M. bewachen. Die Geschädigte fühlte sich durch diese Maßnahmen nach wie vor in der Prostitution festgehalten. Erst nach ihrer Rückkehr in das Haus Sch. weigerte sie sich, fortan der Prostitution nachzugehen.
- 18
- c) Die Annahme eines schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten M. begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 19
- aa) Im Hinblick auf die zum Nachteil der Geschädigten M. abgeurteilte vorsätzliche Köperverletzung begegnet schon die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 20
- Die Beweiswürdigung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatgerichts; der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt aber, ob dem Tatgericht dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung - wie hier - widersprüchlich ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238; Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928).
- 21
- Das Landgericht stützt seine Feststellung, dass der Angeklagte die Geschädigte mindestens einmal mit der flachen Hand ins Gesicht schlug, sie gegen die Wand schubste und trat, allein auf die geständige Einlassung des Angeklagten (UA S. 79). Dies widerspricht aber der Wiedergabe der im Rahmen der Beweiswürdigung geschilderten Einlassung des Angeklagten, der zwar eine Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin A. und der Geschädigten St. eingeräumt, im Übrigen aber ausdrücklich erklärt habe, mit Ausnahme dieser zwei von ihm eingestandenen Fälle keine der Frauen geschlagen zu haben (UA S. 45, 47, 48).
- 22
- bb) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Menschenhandels gemäß „§ 232 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB“ zu Lasten der Geschädigten M. begegnet sachlich-rechtlichen Bedenken. Dabei ist schon nicht nachzuvollziehen, warum die Strafkammer § 232 Abs. 1 StGB - dessen Voraussetzungen durch die Feststellungen zudem nicht belegt werden - neben dem ausgeurteilten schweren Menschenhandel des § 232 Abs. 4 StGB als angewandte Vorschrift erwähnt hat. § 232 Abs. 4 StGB ist ein keine Qualifikation des § 232 Abs. 1 StGB, sondern ein eigenständiger Straftatbestand mit von § 232 Abs. 1 StGB unabhängigen Voraussetzungen. Im Übrigen hat das Landgericht im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung schon nicht erkennen lassen, von welcher Variante des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB es ausgegangen ist.
- 23
- Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB sind indes in keiner Variante belegt. Der Angeklagte hat zwar die Geschädigte zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt einmal ins Gesicht geschlagen, geschubst und getreten und insofern Gewalt im Sinne des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB angewandt. Ungeachtet dessen, dass für diese Feststellung der Strafkammer - wie zuvor ausgeführt - schon eine Tatsachengrundlage fehlt, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass die Geschädigte zu diesem Zeitpunkt die Prostitution überhaupt aufgeben oder einschränken wollte und die erfolgten Schläge sie daher zur Fortsetzung der Prostitution veranlassen sollten. Die Gewalthandlung erfolgte vielmehr ausdrücklich allein als Sanktion dafür, dass der Angeklagte vermutete, die Geschädigte gebe ihre Einnahmen nicht vollständig an ihn ab. Weitere Gewalthandlungen oder auch Drohungen gegenüber der Geschädigten sind nicht festgestellt. Soweit am 25. April 2012 Gewalthandlungen gegen die Geschädigte St. erfolgten und diese dazu dienten, auch die Geschädigte M. einzuschüchtern, ist ebenfalls nicht festgestellt , dass die Geschädigte die Prostitution zu diesem Zeitpunkt aufgeben wollte.
- 24
- Auch der Einsatz einer „List“ im Sinne des § 232Abs. 4 Nr. 1 StGB ist nicht mit Feststellungen der Strafkammer belegt. Der Angeklagte brachte zwar die Geschädigte überhaupt nur durch eine Täuschung zur Aufnahme der Prostitution in seinen Räumlichkeiten, indem er ihr vorspiegelte, sie müsse nur die Hälfte ihrer Einnahmen an ihn abgeben. Dieses Verhalten begründet aber noch keine „List“ im Sinne des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB, die ein Ausschalten des Widerstands des Opfers gegen die Prostitution durch täuschende Machenschaften erfordert. Das lediglich unredliche und arglistige Schaffen eines Anreizes gegenüber einer Person, die sich frei für oder gegen eine Prostitutionsaufnahme oder -fortsetzung entscheiden kann, genügt zur Verwirklichung des Verbre- chenstatbestands nicht (vgl. Urteil vom 3. Juni 1980 - 1 StR 192/80; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1997 - 3 StR 266/76, BGHSt 27, 28; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 232 Rn. 28).
- 25
- Zwar hat der Angeklagte die Geschädigte, die zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt keine Lust mehr hatte, im Haus Sch. zu arbeiten , auch dazu gebracht, gleichwohl zu bleiben, indem er ihr mitteilte, sie könne erst dann gehen, wenn sie das Geld, das er für sie bezahlt habe, abgearbeitet habe. Dies und der Umstand, dass sie weiter arbeitete, belegen jedoch keine durch „List“ veranlasste Fortsetzung der Prostitution.
- 26
- 2. Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen schweren Menschenhandels und tateinheitlicher vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten M. ; hiervon erfasst wird auch die rechtlich nicht zu beanstandende tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen ausbeuterischer Zuhälterei zum Nachteil beider Geschädigten sowie wegen dirigistischer Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten St. (Fall 1 der Urteilsgründe).
- 27
- Die Aufhebung des Schuldspruchs zwingt auch zur Aufhebung des - für sich genommen nicht zu beanstandenden - Schuldspruchs im Fall 2) der Urteilsgründe wegen versuchten schweren Menschenhandels sowie gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten St. , da insoweit Tateinheit mit der unter Fall 1) abgeurteilten ausbeuterischen Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten M. besteht.
- 28
- Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, das demgegenüber Tatmehrheit angenommen hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat zwar im Ansatz bedacht, dass dasvon dem Angeklagten jeweils verwirklichte Dauerdelikt der Zuhälterei mehrere Handlungen zum Nach- teil verschiedener Frauen zur Tateinheit verklammern kann, wenn - wie hier - von demselben Täter zeitgleich auf mehrere Geschädigte in denselben Räumlichkeiten eingewirkt wird (Senatsbeschluss vom 1. August 2003 - 2 StR 186/03, BGHSt 48, 314, 322; Senatsurteil vom 15. Juli 2005 - 2 StR 131/05, NStZ-RR 2007, 46, 47). Es hat dementsprechend die ausbeuterische Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten M. und St. , auf die der Angeklagte zeitgleich in derselben Wohnung einwirkte und die er gemeinsam von der Mitangeklagten R. abkassieren ließ, zutreffend als einheitliche Tat gewertet. Auch hat das Landgericht bedacht, dass die Zuhälterei als minder schweres Dauerdelikt den zum Nachteil verschiedener Frauen begangenen Menschenhandel nicht zur Tateinheit verklammern kann.
- 29
- Der unter Fall 2) abgeurteilte versuchte schwere Menschenhandel richtete sich indes nicht nur gegen die Geschädigte St. , sondern gleichzeitig auch gegen die Geschädigte M. . Nach den Feststellungen diente die in ihrer Gegenwart am 25. April 2012 erfolgte körperliche Züchtigung der Geschädigten St. auch dazu, der Geschädigten M. deutlich zu machen, was passieren werde, wenn sie weglaufen und ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Angeklagten nicht nachkommen würde. Die Tat fand mithin nicht nur während einer gleichzeitigen Anwesenheit beider Geschädigten in denselben Räumlichkeiten statt, sondern diente konkret dazu, die im Zeitraum vom 20. März bis 26. April 2012 erfolgten Ausbeutung der GeschädigtenM. zu fördern. Zwischen der zu deren Nachteil begangenen ausbeuterischen Zuhälterei und dem unter Fall 2) abgeurteilten versuchten schweren Menschenhandel in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Lasten der Geschädigten St. besteht daher Tateinheit.
- 30
- 3. Gemäß § 357 StPO erfasst die Aufhebung des Schuldspruchs gegen den Angeklagten S. im Fall 1) der Urteilsgründe auch die Verurteilung der nicht revidierenden Mitangeklagten R. wegen Beihilfe der zum Nachteil der Geschädigten St. erfolgten tateinheitlich begangenen ausbeuterischen und dirigistischen Zuhälterei.
B.
- 31
- Die Revision der Nebenklägerin A. gegen den Teilfreispruch beider Angeklagten ist unbegründet.
I.
- 32
- 1. Die Anklage hat den Angeklagten S. und R. unter Anklagepunkt 3 Folgendes zur Last gelegt: Der Angeklagte S. habe die Nebenklägerin A. dazu gewonnen, in seiner Wohnung als Prostituierte zu arbeiten. Er habe mit ihr eine Tagesmiete von 75 € und die Abgabe der hälftigen Einnahmen vereinbart. Tatsächlich habe die Nebenklägerin in der Zeit vom Oktober 2011 bis zum 27. April 2012 ihre gesamten Einnahmen in Höhe von rund 39.400 € der Mitangeklagten R. zur Weiterleitung an den Angeklagten abgeben müssen ; lediglich 150 € bis 300 € monatlich seien ihr verblieben. Aus Furcht vor Gewalttätigkeiten des Angeklagten habe sie ihren Wunsch, nach B. zurückzukehren , nur einmal im Februar 2012 geäußert.
- 33
- Unter Anklagepunkt 46 und 47 hat die Anklage dem Angeklagten S. darüber hinaus zur Last gelegt, die Nebenklägerin in mindestens zwei Fällen geschlagen zu haben, weil sie an schlechten Tagen die Tagesmiete nicht erwirtschaftet hatte.
- 34
- 2. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass die Nebenklägerin im vorgenannten Zeitraum in der Wohnung im ersten Stock des Hauses Sch. als Prostituierte gearbeitet hat. Dazu, in welchem Umfang die Nebenklägerin A. über ihre Einnahmen hat eigenständig verfügen können und wer wann möglicherweise an ihren Einnahmen partizipiert hat, hat das Gericht keine sicheren Feststellungen treffen können, ebenso wenig zu stattgefundenen Gewalttätigkeiten. Zwar habe der Angeklagte eingeräumt, die Nebenklägerin einmalig geschlagen zu haben. Dies sei aber nach Zeit, Ort und Anlass unbestimmt geblieben. Die Angaben der Nebenklägerin, die mit der Mitangeklagten R. befreundet gewesen sei und zusammen mit dieser auch die Überwachung anderer Prostituierten übernommen habe, seien an zahlreichen Stellen in sich widersprüchlich und durch Übertreibungen gekennzeichnet gewesen. Auffällig sei auch gewesen, dass es die Nebenklägerin vermieden habe, konkrete Angaben zu machen und bei bestimmten Themen nur sehr zurückhaltend und ausweichend geantwortet habe, weshalb ihre Angaben insbesondere auch im Hinblick auf die erfahrenen Schläge durch den Angeklagten insgesamt nicht glaubhaft gewesen seien.
II.
- 35
- 1. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
- 36
- Soweit die Nebenklägerin rügt, der Vorsitzende habe sie in der Wahrnehmung ihrer Opferrechte verletzt, da ihre Vernehmung wegen Verhinderung ihres Beistands nur in Anwesenheit von dessen nicht eingearbeitetem Vertreter stattgefunden habe, ist nicht ersichtlich, dass das Urteil auf einem solchen Rechtsfehler beruhen könnte.
- 37
- Die erhobene Aufklärungsrüge ist bereits unzulässig, weil keine bestimmte Beweistatsache behauptet wird.
- 38
- 2. Der Teilfreispruch hält auch sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
- 39
- Sieht der Tatrichter von einer Verurteilung ab, weil er Zweifel nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt insoweit nur, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn er an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238).
- 40
- a) Diesen Anforderungen wird die dem Freispruch zugrundeliegende Beweiswürdigung gerecht. Die Strafkammer hat sich von den, den Angeklagten insoweit vorgeworfenen Taten vornehmlich aufgrund der in der Aussage der Nebenklägerin enthaltenen, in den Urteilsgründen im Einzelnen dargestellten Widersprüchen und Übertreibungen im Ergebnis nicht überzeugen können. Die Beweiswürdigung lässt dabei keinen Rechtfehler erkennen.
- 41
- b) Bedenken bestehen zwar gegen die Beweiswürdigung im Hinblick auf eine weitere mögliche Körperverletzung des Angeklagten. Dieser hat nach den Feststellungen eingeräumt, er habe die Nebenklägerin jedenfalls einmal im Frühjahr 2012 mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, weil diese hinter seinem Rücken einer anderen Prostituierten Unwahrheiten über ihn erzählt habe (UA S. 45). Ein entsprechendes Geschehen hat auch die Mitangeklagte R. geschildert (UA S. 34 f., 41). Die Beweiswürdigung hierzu ist lückenhaft. Dies führt aber nicht zum Erfolg der Revision der Nebenklägerin, denn die vom Angeklagten geschilderte Tat ist von der zugelassenen Anklage und damit auch nicht von der Kognitionspflicht des Tatgerichts nicht umfasst.
- 42
- Gegenstand der zugelassenen Anklage sind zwei zu Lasten der Nebenklägerin erfolgten Körperverletzungshandlungen. Diese werden lediglich dahin konkretisiert, dass der Angeklagte die Nebenklägerin in mindestens zwei Fällen geschlagen habe, wenn sie an schlechten Tagen die Tagesmiete nicht erwirtschaftete. Der Anklage ist weiter zu entnehmen, dass dies in der Zeit von Oktober 2011 bis Februar 2012 stattgefunden habe. Zwar wird für die unter Anklagepunkt 3 den Angeklagten vorgeworfene Tat ein darüber hinaus gehender Zeitraum bis 27. April 2012 genannt. In Bezug auf die beiden allein dem Angeklagten S. vorgeworfenen Körperverletzungshandlungen wird dieser Zeitraum aber durch die Anklage selbst eingeschränkt, denn danach soll die Nebenklägerin ab Februar 2012 unter dem „Eindruck der Gewalttätigkeiten“ des Angeklagten gestanden haben. Als „Gewalttätigkeiten“ des Angeklagten schildert die Anklage nur das zweimalige Schlagen des Angeklagten.
- 43
- Die vom Angeklagten eingeräumte Tat weicht daher sowohl im Hinblick auf ihren Anlass als auch den Zeitraum von der Tatschilderung der Anklage ab. Zwar braucht nicht jede Veränderung oder Erweiterung des Tatgeschehens die Identität zwischen Anklage und abgeurteilter Tat aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 1994 - 3 StR 457/93, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 8), wenn die in der Anklage beschriebene Tat unabhängig von dieser Tatmodalität nach anderen Merkmalen individualisiert und dadurch weiterhin als einmaliges, unverwechselbares Geschehen gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 133; Urteil vom 28. Mai 2002 - 5 StR 55/02; Beschluss vom 13. März 1996 - 3 StR 43/96, BGHR StPO, § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 19). Eine solche weitere Umgrenzung des dem Ange- klagten pauschal vorgeworfenen „Schlagens“ der Nebenklägerin enthält die Anklage aber nicht. Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
- 1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder - 2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.
(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, der Nötigung sowie der ausbeuterischen Zuhälterei in 121 Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
- 2
- 1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
- 3
- a) Die Nebenklägerin hatte sich in den vorbestraften neun Jahre älteren Angeklagten verliebt. Dieser bemerkte, "dass sich die Nebenklägerin, die viele Jahre in Kinderheimen verbracht hatte, nach einer dauerhaften Beziehung so- wie Geborgenheit sehnte … Er erkannte, dass er die Nebenklägerin bei ge- schicktem Vorgehen dazu bringen könnte, der Prostitution nachzugehen und ihm möglicherweise den Lohn zu übergeben" (UA S. 4).
- 4
- Unter einem Vorwand fuhr der Angeklagte mit der 18-jährigen Nebenklägerin Ende Januar 2012 nach Frankfurt, in der Absicht, dieser von der Prostituierten M. Techniken und Tricks für die Ausübung der Prostitution beibringen zu lassen. Nachdem sie M. abgeholt hatten, begaben sie sich zu dritt in ein vom Angeklagten unter falschem Namen angemietetes Hotelzimmer; dort verschloss der Angeklagte die Zimmertür und steckte den Schlüssel in seine Hosentasche. Sodann "eröffnete er der Nebenklägerin, dass man nun einen ‚Dreier‘ machen würde. Dabei sah er die Nebenklägerin mit einem durchdrin- genden Blick an" (UA S. 7), woraufhin diese nicht widersprach. Im Anschluss kam es zwischen dem Angeklagten, M. und der Nebenklägerin zu wechselseitigem Oral- und Vaginalverkehr, wobei die Prostituierte M. der Nebenklägerin "am Beispiel des Angeklagten" verschiedene Techniken zeigte.
- 5
- Auf dem Rückweg setzte der Angeklagte M. in einem Bordell ab und erklärte der Nebenklägerin, auch sie am nächsten Abend in dieses Bordell zu fahren, "damit sie dort der Prostitution nachgeht" (UA S. 7). Am folgenden Abend verbrachte der Angeklagte die Nebenklägerin wie angekündigt in das Bordell. Ob er sie an diesem Abend "mit einer an den Kopf gehaltenen Schusswaffe bedrohte, ist offen" (UA S. 7).
- 6
- Nachdem der Nebenklägerin im Bordell die "Gepflogenheiten, die Abläufe und die finanziellen Konditionen" (UA S. 7 f.) erklärt worden waren, ging sie dort in der Folge unter dem Namen "E. " der Prostitution nach. "Anfangs holte sie der Angeklagte noch in jeder Nacht ab und brachte sie am nächsten Abend wieder zurück" (UA S. 8). Nach einiger Zeit verschlechterte sich das Verhältnis, da die Nebenklägerin erkannte, dass der Angeklagte keine tiefergehenden Gefühle für sie hegte und zudem noch Beziehungen zu anderen Frauen unterhielt; schließlich stellte sie den Kontakt zu dem Angeklagten ein. Der Pros- titution ging sie weiterhin nach, bis sie sich Anfang Juni 2012 u.a. gegenüber ihrer Mutter offenbarte.
- 7
- b) Die Strafkammer hält den Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB nicht für gegeben, da der von der Nebenklägerin geschilderte "durchdringende Blick" (UA S. 16) für eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nicht ausreiche. Auch der Tatbestand des § 239 StGB sei nicht erfüllt, weil es auch möglich sei, dass der Angeklagte, der sich zur Sache nicht eingelassen hat, die Hotelzimmertür abgeschlossen hat, um "lediglich ein Betreten des Raumes von außen" (UA S. 16) zu verhindern.
- 8
- Das Landgericht hat sich ferner nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte die Nebenklägerin mit einer Schusswaffe bedroht hat. Möglicherweise habe die Nebenklägerin bei dem Angeklagten nur eine Schusswaffe gesehen, wofür auch deren Angaben "bei einem Vorgespräch" gegenüber einem Polizeibeamten sprächen.
- 9
- Im Hinblick auf den Zweifelsgrundsatz seien schließlich auch keine Feststellungen zu einer Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu treffen gewesen. Weder der Zeitraum der Ausbeutung noch der Umfang der von der Nebenklägerin an den Angeklagten abgeführten Gelder sei aufgrund ihrer unterschiedlichen Angaben hinreichend sicher festzustellen.
- 10
- 2. Das angefochtene Urteil steht insgesamt zur Überprüfung durch das Revisionsgericht. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung des Urteils in vollem Umfang beantragt. Der Revisionsbegründung, in der u.a. ausgeführt wird, dass die getroffenen Feststellungen zum tatsächlichen Geschehensablauf einen - nicht erfolgten - Schuldspruch gemäß § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB trügen, lässt sich jedenfalls eine zweifelsfreie Beschränkung des Rechtsmittels auf einzelne Sachverhaltskomplexe nicht entnehmen. Im Zweifel ist indes von einer umfassenden Anfechtung auszugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 1996 - 4 StR 360/96, NStZ-RR 1997, 35; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rdn. 3).
- 11
- 3. Das angefochtene Urteil wird schon den Anforderungen an die Begründungspflicht bei einem freisprechenden Urteil nicht gerecht. Spricht das Tatgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei, so muss es in den Urteilsgründen den Anklagevorwurf, die hierzu getroffenen Feststellungen, die wesentlichen Beweisgründe und seine rechtlichen Erwägungen mitteilen (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rdn. 622 ff. mwN). Diese Mindestvoraussetzungen sind überwiegend nicht erfüllt. Das Urteil leidet an Darstellungs- und Erörterungsmängeln.
- 12
- a) Die Urteilsgründe geben bereits nicht die einzelnen Anklagevorwürfe in den wesentlichen Einzelheiten der vorgeworfenen Tathandlungen wieder, sondern setzen sie als bekannt voraus. Die aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmenden fragmentarischen Details sind nicht geeignet , dem Revisionsgericht eine umfassende Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteile vom 17. Dezember 2008 - 1 StR 552/08, NStZ-RR 2009, 116 f. und vom 26. April 1990 - 4 StR 24/90, BGHSt 37, 21, 22).
- 13
- b) Die Urteilsgründe enthalten außerdem nur einzelne Feststellungen zum Werdegang, Vorleben und zur Persönlichkeit des - vor dem angeklagten Geschehen aus der Strafhaft entlassenen - Angeklagten. Zu umfassenderen Feststellungen ist das Tatgericht indes verpflichtet, wenn diese - z.B. bei einschlägigen Vorverurteilungen - für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können (vgl. BGH, Urteile vom 21. November 2013 - 4 StR 242/13, NStZ 2014, 172 und vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314, 315).
- 14
- Die Notwendigkeit, die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten umfassend in den Blick zu nehmen, nähere Feststellungen zu dessen Lebenslauf, Werdegang und Persönlichkeit zu treffen sowie diese in den Urteilsgründen darzulegen, richtet sich zwar stets nach den Umständen des Einzelfalles. Hier ergibt sich die Notwendigkeit indes bereits aus den dem Angeklagten zum Vorwurf gemachten Straftaten, die im "Rotlichtmilieu" angesiedelt sind. Da der vorbestrafte Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen zudem über "Kontakte zu einem örtlichen Rockerclub" (UA S. 4) verfügt, liegt es nicht fern, dass den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, dessen Vorstrafen nicht näher mitgeteilt werden, Bedeutung auch für die Beurteilung des Tatvorwurfs zukommen kann.
- 15
- c) Zu Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht - wie es selbst, freilich erst nachträglich, erkannt hat (UA S. 17) - seiner Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht genügt hat. Die getroffenen Feststellungen vermögen einen Schuldspruch gemäß § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB zu begründen. Die Vorgehensweise des Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin im Hotelzimmer in Frankfurt und deren Verbringung in ein Bordell an den darauffolgenden Tagen mündeten letztlich darin, dass die 18-jährige Nebenklägerin - wie vom Angeklagten beabsichtigt - die Prostitution aufgenommen hat. Zudem liegt es nach den Urteilsfeststellungen nahe, dass der Angeklagte die Nebenklägerin in der Folgezeit - zumindest "anfangs" (UA S. 8) - zur Fortsetzung der Prostitution veranlasst hat.
- 16
- d) Soweit sich das Landgericht nicht davon überzeugen konnte, dass der Angeklagte die Nebenklägerin mit einer Pistole bedroht hat, teilt die Strafkammer schließlich schon nicht die Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung hinsichtlich dieses - überdies von zwei Zeugen von Hörensagen bestätigten - Geschehens im Einzelnen mit. Dies war hier indes erforderlich, weil sich das Tatgericht im Übrigen von der Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin im Kernbereich überzeugt hat. Bei dieser Beweissituation durfte sich die Strafkammer nicht allein auf Angaben der Nebenklägerin im Rahmen eines polizeilichen Vorgesprächs beschränken, ohne insoweit Einzelheiten mitzuteilen. Eine umfassende Nachprüfung der Überzeugungsbildung ist so nicht möglich.
- 17
- 4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Begründung der Strafkammer, im Hinblick auf den Zweifelsgrundsatz hätten keine tragfähigen Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB getroffen werden können, rechtlich bedenklich ist. Gegebenenfalls kann und muss das Gericht aufgrund von Mindestangaben der Nebenklägerin den Zeitraum und das Ausmaß der Ausbeutung bestimmen (vgl. Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 261 Rdn. 59, 76 mwN). Ob der Angeklagte hier aber zu der Nebenklägerin überhaupt über den Einzelfall hinausgehende Beziehungen gemäß § 181a Abs. 1 StGB unterhalten hat (zum Rechtsgut vgl. auch Fischer, StGB, 61. Aufl., § 181a Rdn. 2 f.), wird der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter in den Blick zu nehmen haben.
- 18
- Im Übrigen verweist der Senat hinsichtlich der lückenhaften Beweiswürdigung zum Freispruch jedenfalls vom Vorwurf der Freiheitsberaubung auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Terminszuschrift vom 7. Januar 2014. Appl Schmitt Krehl Eschelbach Zeng
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn
- 1.
diese Person ausgebeutet werden soll - a)
bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder bei der Duldung sexueller Handlungen an sich selbst durch den Täter oder eine dritte Person, - b)
durch eine Beschäftigung, - c)
bei der Ausübung der Bettelei oder - d)
bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen durch diese Person,
- 2.
diese Person in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem entsprechen oder ähneln, gehalten werden soll oder - 3.
dieser Person rechtswidrig ein Organ entnommen werden soll.
(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person, die in der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Weise ausgebeutet werden soll,
- 1.
mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt oder - 2.
entführt oder sich ihrer bemächtigt oder ihrer Bemächtigung durch eine dritte Person Vorschub leistet.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn
- 1.
das Opfer zur Zeit der Tat unter achtzehn Jahren alt ist, - 2.
der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung wenigstens leichtfertig in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder - 3.
der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(4) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 ist der Versuch strafbar.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Zuhälterei in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und ein Mobiltelefon eingezogen. Hiergegen richten sich die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.
- 2
- 1. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
- 3
- a) Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft zu Gunsten des Angeklagten Tateinheit zwischen der Körperverletzung sowie der Freiheitsberaubung und den Delikten der Zuhälterei und des schweren Menschenhandels angenommen. Dies käme nur in Betracht, wenn der Angeklagte die Nebenklägerin körperlich misshandelt und in der Wohnung eingesperrt hätte, um sie dadurch zugleich zur (Wieder-)Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bringen (§ 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB) oder sie davon abzuhalten, die Prostitution aufzugeben (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 3. Alt. StGB). Ein solcher Zusammenhang ist indes nicht festgestellt. Vielmehr hatte der Angeklagte die Nebenklägerin aus dem Bordell in L. abgeholt, um die erforderlichen Arbeitspapiere für sie zu besorgen. Beim Frühstück kam es in der Wohnung des Angeklagten zu einem Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte auf die Nebenklägerin einschlug. Zwar hat das Landgericht nicht klären können, was Gegenstand des Streits war. Ein Zusammenhang mit der Prostitutionsausübung der Nebenklägerin liegt indes fern, nachdem diese bekundet hat, die körperlichen Misshandlungen durch den Angeklagten hätten ihre Ursache in dessen spontaner Eifersucht gehabt. Gleiches gilt für die Freiheitsberaubung, die der Angeklagte selbst damit erklärt hat, er habe in seiner Wut über diese Auseinandersetzung beim Verlassen der Wohnung die Türe versperrt.
- 4
- b) Das Rechtsmittel führt auch (§ 301 StPO) zur Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten einen besonders schweren Menschenhandel nach § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB bejaht hat.
- 5
- aa) Nach den Feststellungen war die Nebenklägerin nicht ausschließbar nach Deutschland gereist, um hier der Prostitution nachzugehen, und hatte diese Tätigkeit auch schon vor dem Zusammentreffen mit dem Angeklagten andernorts ausgeübt. Der Angeklagte beherbergte und verpflegte sie. Auch war er in den Besitz ihres Passes gelangt. Ohne sein Zutun ging sie zuerst auf dem Straßenstrich der Prostitution nach, ehe sie sich auf Vermittlung des Angeklagten einen Abend lang in einem Bordell und später für etwa zwei Wochen in der "Villa " prostituierte. Sodann teilte sie dem Angeklagten mit, sie wolle der Prostitution nicht weiter nachgehen, sondern vielmehr eine dauerhafte Beziehung zu ihm eingehen oder nach Bulgarien zurückkehren. Der Angeklagte lehnte eine feste Beziehung zu der Nebenklägerin unter Hinweis auf seine Familie ab. Er erklärte ihr, wenn sie nach Bulgarien zurück wolle, müsse sie sich das Geld dafür selbst weiterhin durch Prostitution verdienen. Wenn sie diese aber nicht fortsetze, müsse sie seine Wohnung sofort verlassen. Ihm war dabei klar, dass die Nebenklägerin erhebliche Angst davor hatte, allein und mittellos auf der Straße zu stehen. Er wollte sie damit anhalten, der Prostitution - auch zu seinen Gunsten - weiter nachzugehen. Die Nebenklägerin übte daraufhin weiter die Prostitution aus.
- 6
- bb) Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte die Nebenklägerin im Sinne des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Fortsetzung oder (Wieder-)Aufnahme der Prostitution gebracht hat. Ein derartiges empfindliches Übel droht der Täter nur dann an, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil von einer Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren und von ihm in seiner konkreten Lage nicht erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält (BGHSt 31, 195, 201).
- 7
- Es kann dahinstehen, ob der Angeklagte nach diesem Maßstab mit seiner Ankündigung, die Nebenklägerin könne nicht länger bei ihm wohnen, wenn sie sich nicht weiter prostituiere, in Verbindung mit dem "Einbehalten des Passes" ein empfindliches Übel in Aussicht gestellt hat. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, beruhte dies allenfalls auf der Hilflosigkeit, die für die des Deutschen nicht mächtige sowie des Lesens und Schreibens "im wesentlichen" unkundige Nebenklägerin mit ihrem Aufenthalt in Deutschland verbunden war. Eine hierdurch bewirkte Willensbeugung wird indes in § 232 Abs. 1 Satz 1 StGB gesondert unter Strafe gestellt, der sich mithin in derartigen Fällen als Privilegierung gegenüber § 232 Abs. 4 Satz 1 StGB darstellt. Eine Verurteilung des Angeklagten nach letztgenannter Vorschrift scheidet daher aus.
- 8
- cc) Die Feststellungen belegen aber auch dessen Strafbarkeit nach § 232 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht. Zwar war der Angeklagte im Besitz des Passes der Nebenklägerin. Das Landgericht hat aber nicht festgestellt, wie der Angeklagte in dessen Besitz gekommen ist; schon gar nicht steht fest, dass er den Pass einbehalten hat, um die Situation der Nebenklägerin als Ausländerin zu verschlechtern und sie in ihrer Fähigkeit, sich seinem Ansinnen zu widersetzen, zu schwächen (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 232 Rdn. 10). Auch könnte die Prostitutionstätigkeit, der die Nebenklägerin vor dem Eintreffen beim Angeklagten unwiderlegt selbständig nachgegangen war, gegen eine ausländerspezifische Hilflosigkeit sprechen. Der Senat ist deshalb gehindert, den Schuldspruch abzuändern.
- 9
- 2. Die Revision des Angeklagten führt wegen der fehlerhaften Anwendung von § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB ebenfalls zur Aufhebung des Urteils.
- 10
- 3. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlass zu folgenden Hinweisen :
- 11
- a) Sofern der Angeklagte den Pass der Nebenklägerin von Anfang an mit dem Ziel einbehalten hat, die Nebenklägerin daran zu hindern, die Prostitution aufzugeben, läge auch in dem Zeitraum, in dem diese einen solchen Willen nicht gefasst hatte, sondern freiwillig der Prostitution nachgegangen war, ein Vergehen der Zuhälterei auch in der dritten Tatvariante des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB (Maßnahmen treffen, die die Person davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben) vor.
- 12
- b) Ob der Angeklagte im Hinblick auf die zuerst in der "Villa " und sodann in der "M. -Bar" ausgeübte Tätigkeit der Nebenklägerin eine oder mehrere Taten der Zuhälterei begangen hat, ist davon abhängig, ob die Nebenklägerin die Prostitution endgültig aufgegeben hatte, als sie sich nach der Rückkehr aus der "Villa " wieder beim Angeklagten aufhielt. Bei der Zuhälterei handelt es sich um ein Dauerdelikt, so dass mehrere, zeitlich gestreckte dirigierende Maßnahmen zum Nachteil einer Prostituierten rechtlich zu einer Tat zusammengefasst werden (BGHSt 39, 390). Dies ist aber anders, wenn die Prostituierte den Willen hat, ihre Tätigkeit zu beenden, und die dirigierende Zuhälterei erst wieder einsetzen kann, nachdem dieser Wille überwunden ist (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 170). Die bisherigen Feststellungen legen eine solche Zäsur , bei deren Vorliegen sodann in Bezug auf § 232 StGB von einer (Wieder-) Aufnahme der Prostitution und nicht von deren Fortsetzung auszugehen wäre, nicht nahe. Danach hatte der Angeklagte die Nebenklägerin aus der "Villa " abgeholt, weil deren Betreiber ihn darum gebeten hatte. Nicht ausschließbar mit dem Einverständnis der Nebenklägerin hatte der Angeklagte unmittelbar danach versucht, diese in einem anderen Bordell unterzubringen. Die Rückkehr in die Wohnung des Angeklagten diente erkennbar nicht dem Ziel, die Nebenklägerin zukünftig zu beherbergen und nicht mehr der Prostitution nachgehen zu lassen.
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.
(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.
(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
- 1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder - 2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.
(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten und die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.
3. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung in vier Fällen (Fälle III. 1. der Urteilsgründe), gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (Fälle III. 2. und 4.), vorsätzlicher Körperverletzung (Fall III. 3.), fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (Fälle III. 5.) sowie wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung, Sachbeschädigung, versuchter Körperverletzung, versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen (Fälle III. 6.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat ferner eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Während die Revision des Angeklagten den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg hinsichtlich des Maßregelausspruchs erzielt, bleibt die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg.
I.
- 2
- 1. Dem angefochtenen Urteil liegen u. a. folgende Taten zugrunde: Am 18. Juni 2010 schlug ein Daniel M. in einem Bus in Geretsried dem Geschädigten Kai G. ins Gesicht, da dieser ihn bei der Polizei belastet hatte. Der dabeistehende, alkoholisierte Angeklagte schlug unmittelbar darauf dem G. auch ein- oder zweimal ins Gesicht (Fall III. 2., Einzelstrafe neun Monate). Am 7. August 2010 schlug der Angeklagte ohne jeden Anlass dem zufällig vorbeigehenden Peter Gl. mehrfach mit der Faust ins Gesicht , wodurch dieser einen Nasenbeinbruch erlitt. Er attackierte ihn dann weiter gemeinsam mit seinem Halbbruder Ivan P. mit Schlägen und auch gegen den Kopf gerichteten Tritten, bis ein Zeuge dazwischentrat, der ebenfalls noch einen Schlag ins Gesicht erhielt (Fall III. 4., Einzelstrafe drei Jahre). Am 11. September 2010 hatte der Angeklagte eine Auseinandersetzung mit seiner Freundin Veronika Me. . Er warf das Mobilteil ihres Telefons gegen die Wand und versuchte, sie ins Gesicht zu schlagen, was sie abwehren konnte. Als sich Veronika Me. im Badezimmer einschloss, trat der Angeklagte ein Loch in die Tür. Als kurz darauf Andrej Me. seiner Tochter zu Hilfe eilte, ging der Angeklagte mit der Faust auf ihn los und wollte ihn schlagen. Andrej Me. konnte ihn wegschubsen und gemeinsam mit einem Bekannten zu Boden bringen. Nach dem Eintreffen der Polizei wehrte sich der Angeklagte gegen die Fesselung und trat nach den Beamten und Andrej Me. , ohne sie zu treffen. Beim Abführen drohte er Veronika und Andrej Me. , sie mit seinen Freunden umzubringen (Fälle III. 6.). Das Landgericht hat für die Sachbeschädigung des Telefons und die versuchte Körperverletzung zu Lasten von Veronika Me. jeweils sieben Monate Freiheitsstrafe verhängt, für die Sachbeschädigung der Badezimmertür, die versuchte Körperverletzung zum Nachteil von AndrejMe. und die Bedrohung jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe und für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu Lasten der Beamten und des Andrej Me. eine Freiheitsstrafe von acht Monaten.
- 3
- 2. Der Angeklagte ist vielfach vorbestraft, insbesondere auch mit Körperverletzungsdelikten in Erscheinung getreten. Das Landgericht hat hierzu u. a. Folgendes festgestellt: Am 8. Februar 2002 verhängte das Amtsgericht Wolfratshausen gegen ihn eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten u. a. wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen. Der Angeklagte hatte am 25. November 2000 zusammen mit seinem Bruder Valeri S. eine Gruppe von drei Jugendlichen angegriffen und sie mit voller Wucht mit der Hand oder mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Während es zwei Jugendlichen gelang, zu flüchten, ging der dritte bei der Verfolgung zu Boden und wurde vom Angeklagten und Valeri S. mehrfach bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und getreten. Am 16. März 2001 hatte der Angeklagte einen Jugendlichen mit dem beschuhten Fuß gegen den Oberschenkel getreten, so dass der zu Boden ging. Daraufhin trat ihm der Angeklagte ins Gesicht. Am 24. September 2001 war der Angeklagte einem Bekannten begegnet und hatte ihn nach kurzer Unterhaltung unvermittelt mit der Faust wuchtig ins Gesicht geschlagen. Am 30. September 2001 hatte er auf dem Bahnhof einen Mann nach einem kurzen Gespräch unvermittelt gegen den Kopf gestoßen, so dass dieser auf die Gleise fiel. Als der Geschädigte aufstehen wollte, trat ihm der Angeklagte gegen den Kopf, so dass er erneut rücklings auf die Gleise fiel. Am 7. Oktober 2001 griffen der Angeklagte und Valeri S. einen Passanten auf der Straße unvermittelt an, indem Valeri S. wuchtig seinen Kopf in dessen Gesicht stieß. Beide rissen den Geschädigten zu Boden und schlugen und traten auf ihn ein. Als sich der Geschädigte aufrichten wollte, trat ihm Valeri S. mit voller Wucht gegen das linke Auge. Der Geschädigte blieb daraufhin benommen liegen. Als ihm vier Personen zu Hilfe kamen, wurden sie vom Angeklagten und seinem Bruder attackiert, mit Fäusten geschlagen und getreten. Zwei der Personen wurden zu Boden gerissen und mit Faustschlägen und Fußtritten traktiert. Die vier konnten schließlich in ein Bowlingbahngebäude fliehen. Der zunächst angegriffene Geschädigte erlitt schwere Gesichtsverletzungen, u. a. eine Orbitabodenfraktur und eine Lidlazeration links mit möglicherweise bleibenden Schäden am linken Auge.
- 4
- Am 2. Mai 2006 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Wolfratshausen wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus einer früheren Entscheidung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Angeklagte hatte am 14. Mai 2005 auf dem Parkplatz vor einem Jugendzentrum ohne jeden Anlass dem dort stehenden Musiker F. einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Sodann schlug er gemeinsam mit einem Mittäter auf F. ein. Als dieser zu fliehen versuchte, folgten ihm die beiden und traten auf ihn ein. Als ein weiterer Musiker, K. , dem Geschädigten zu Hilfe kommen wollte, versetzte ihm Valeri S. einen Faustschlag ins Gesicht, so dass er zu Boden stürzte. Alle drei schlugen und traten nun auf K. ein. Einem Zeugen, der zu Hilfe eilte, versetzte der Angeklagte einen Faustschlag aufs Kinn und einen Fußtritt gegen die Schulter. Wegen der gefährlichen Körperverletzungen zum Nachteil von F. und K. verhängte das Amtsgericht jeweils Einzelstrafen von einem Jahr und neun Monaten, für die Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen eine Einzelstrafe von einem Jahr.
- 5
- Der Angeklagte befand sich vom 21. oder 22. Dezember 2001 bis zum 6. April 2004 und vom 22. Oktober 2005 bis zum 25. März 2010 in Haft.
- 6
- 3. Das sachverständig beratene Landgericht hat bei dem Angeklagten in allen Fällen eine Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB aufgrund der zu den jeweiligen Tatzeiten bestehenden Alkoholisierung und dessen dissozialer Persönlichkeitsstörung ausgeschlossen. Von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hat es mangels Erfolgsaussicht abgesehen. Die Strafkammer hat einen Hang zur Begehung von Straftaten bejaht und die Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB n.F. angeordnet. Dass der Angeklagte aus geringem Anlass, teilweise auch ohne jeden äußeren Anlass erhebliche Körperverletzungsdelikte begehe, begründe eine besondere Gefährlichkeit für die Allgemeinheit. Die Taten seien nach der Einschätzung der Sachverständigen aus der Persönlichkeit des Angeklagten abzuleiten. Die Persönlichkeitsstörung sei nicht therapierbar, möglicherweise komme es im Alter von etwa Mitte 40 zu einer Verhaltensänderung. Die Art der Taten sei erheblich, die Opfer seien schwer geschädigt worden. Der Geschädigte Gl. habe einen Nasenbeinbruch erlitten; bei einem wehrlosen Opfer hätten die Tritte gegen den Kopf schwere bis lebensgefährliche Verletzungen hervorrufen können. Es bestehe eine hohe Wiederholungsgefahr für die Begehung vergleichbarer Delikte. Anhaltspunkte für eine positive Änderung der Persönlichkeit des Angeklagten während der Verbüßung der Strafhaft gebe es nicht.
II.
- 7
- 1. Die Revision des Angeklagten bleibt zum Schuld- und zum Strafausspruch sowie hinsichtlich der Anordnung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis ohne Erfolg. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils hat insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
- 8
- 2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hält unter Berücksichtigung der Maßgaben der durch das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931 ff.) erlassenen Weitergeltungsanordnung zu § 66 Abs. 2 StGB sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 9
- Zwar hat die Strafkammer nach dem zum Zeitpunkt ihres Urteils maßgeblichen Rechtszustand im Ergebnis fehlerfrei auf Sicherungsverwahrung erkannt. Die formellen Voraussetzungen sind auch nach § 66 Abs. 2 StGB a.F., demgegenüber das neue Recht nicht milder ist (vgl. Art. 316e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EGStGB), erfüllt. Der Angeklagte ist viermal wegen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit zu Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und drei Jahren verurteilt worden, und zwar durch drei Einzelstrafen im Urteil des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 2. Mai 2006 und durch die jetzt im Fall III. 4. verhängte Einzelstrafe von drei Jahren. Nachvollziehbar hat das Landgericht auch einen Hang des Angeklagten zur Begehung schwerer Straftaten sowie seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bejaht.
- 10
- Die Urteilsgründe genügen indes nicht den Anforderungen der vom Bundesverfassungsgericht nunmehr geforderten strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung. Danach muss in der Regel eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sein (BVerfG aaO Rn. 172). Hierin liegt eine Einschränkung gegenüber den Taten, die nach bisher geltendem Recht Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2011 – 3 StR 175/11 Rn. 19). Nicht alle „erheblichen Straftaten“, durch welche die Opfer „seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden“ (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB n.F.), sind auch „schwere Gewalt- oder Sexual- straftaten“ im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Weiter- geltung von § 66 StGB. Das Landgericht hat entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage die Erheblichkeit der vom Angeklagten begangenen und zu erwartenden Straftaten bejaht. Es hat dabei ausdrücklich die Verletzungshandlung gegenüber dem Geschädigten Gl. als jedenfalls im Bereich der mittleren Kriminalität liegend (UA S. 34) bewertet und festgestellt, dass gleichartige Taten jederzeit zu erwarten seien. Hinsichtlich der Schläge in das Gesicht des Geschädigten G. ist es hingegen davon ausgegangen, dass die Verletzungshandlung und die Verletzungsfolgen geringfügig waren (UA S. 30). Diese Ausführungen lassen nicht mit der notwendigen Klarheit erkennen , dass das Landgericht die erforderliche Gefahrprognose auch für schwere Gewaltdelikte im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts gestellt hat.
III.
- 11
- 1. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Zwar hat die Staatsanwalt- schaft die Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch beantragt, dies steht jedoch mit dem übrigen Inhalt der insoweit maßgeblichen Revisionsbegründungsschrift , die sich nur gegen die Strafzumessung richtet, nicht im Einklang.
- 12
- 2. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung der Strafrahmen sowie die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe sind nach Maßgabe der insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungskompetenz nicht zu beanstanden.
- 13
- a) Soweit die Revisionsführerin der Ansicht ist, dass das Landgericht im Fall III. 2. zu Unrecht vom Vorliegen eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung ausgegangen ist, zeigt die Revisionsbegründung keinen Rechtsfehler auf.
- 14
- Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung dieses Strafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig , ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Die Erschwernis- und Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar näher gelegen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2010 – 4 StR 53/10 Rn. 8 mwN).
- 15
- Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Annahme eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung im Fall III. 2. der Urteilsgründe nicht zu beanstanden. Insbesondere lassen die Urteilsgründe nicht besorgen, dass das Landgericht bei seiner Abwägung die vielfachen einschlägigen Vorstrafen , die im Einzelnen dargestellt sind, und die Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten außer Betracht gelassen haben könnte. Dass der Angeklagte selbst in diesem Fall aus besonders verwerflichen Rachemotiven heraus handelte , ist nicht festgestellt. Die Revisionsbegründung führt dementsprechend auch aus, dass sich der Vorfall für den Angeklagten als Gelegenheit dargestellt habe, seiner Neigung entsprechend eine ihm vor dem Vorfall völlig unbekannte Person anzugreifen und zu verletzen.
- 16
- b) Auch die Beanstandungen der Revisionsführerin gegen die Milderung der Strafrahmen in den Fällen der versuchten Körperverletzung im Tatkomplex III. 6. greifen letztlich nicht durch.
- 17
- Die Frage einer Verschiebung des Strafrahmens wegen Versuchs ist auf Grund einer Gesamtschau der Tatumstände im weitesten Sinne sowie der Persönlichkeit des Täters zu entscheiden. Dabei kommt besonderes Gewicht den wesentlich versuchsbezogenen Umständen zu, nämlich Nähe der Tatvollendung , Gefährlichkeit des Versuchs und aufgewandte kriminelle Energie, weil sie die wichtigsten Kriterien für die Einstufung des Handlungs- und Erfolgsunwerts einer nur versuchten Tat liefern (BGH, Urteil vom 15. Februar 1995 – 2 StR 482/94, NStZ 1995, 285 mwN). Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, dass das Landgericht die vorgenommene Strafrahmenverschiebung nicht ausdrück- lich begründet hat. Ersichtlich hat es jedoch den vorstehend dargelegten Grundsätzen bei der von ihm getroffenen Ermessensentscheidung Rechnung getragen. Nach den Feststellungen zu den versuchten Körperverletzungsdelikten im Tatkomplex III. 6. drängt sich eine Versagung der Strafmilderung nicht auf.
Franke Quentin
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zum besonders schweren Raub und zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig ist,
b) nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zum (ausweislich der Gründe: besonders) schweren Raub und zur versuchten (ausweislich der Gründe: besonders schweren) räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten ist zum Schuldspruch, den der Senat gemäß den Urteilsgründen klarstellt, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, führt jedoch zur Aufhebung des Strafausspruchs.
- 2
- Das Landgericht hat der Strafzumessung den nicht weiter geminderten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt. Dabei hat es zwar die Gehilfenstellung des Angeklagten mitberücksichtigt, es hat indes nicht, wie geboten (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 50 Rn. 4), vorrangig geprüft, ob bereits die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen, wonach der Sonderstrafrahmen nochmals nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB zu mindern gewesen wäre. Ungeachtet der Vorbelastungen des Angeklagten und der Tatbegehung im Jugendstrafvollzug lässt sich eine solche Möglichkeit bei dem Gewicht der vom Landgericht aufgeführten allgemeinen Milderungsgründe und dem verhältnismäßig geringen konkreten Maß des Vermögensfaktors der Tat nicht sicher ausschließen.
- 3
- Da der Senat mit Urteil vom heutigen Tage auf Revision der Staatsanwaltschaft auch den Strafausspruch zum Nachteil des mitangeklagten heranwachsenden Haupttäters aufgehoben hat, verbleibt es bei der Zurückverweisung an eine Jugendkammer. Dieses neue Tatgericht wird sich auch um eine ausgewogene Bemessung der zu verhängenden Sanktionen gegen den bei Tatbegehung gerade schon erwachsenen angeklagten Gehilfen und seinen nur eineinhalb Jahre jüngeren, noch heranwachsenden mitangeklagten Haupttäter zu bemühen haben.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.
(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.
(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.
(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.
(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.
(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.
(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ferner hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
- 2
- Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision greift die Staatsanwaltschaft den Freispruch an und erstrebt eine Verurteilung wegen versuchten Mordes. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
- 3
- 1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
- 4
- a) Der Angeklagte unterhielt mit dem späteren Tatopfer M. etwas mehr als ein Jahr lang eine intime Beziehung, die die Geschädigte Ende Juni 2010 unter anderem wegen des übermäßigen Alkoholkonsums des Angeklagten und seines gewalttätigen Verhaltens ihr gegenüber beendete. Der Angeklagte , der die Trennung nicht akzeptieren wollte, suchte weiterhin Kontakt zu der Geschädigten. In den Abendstunden des 1. August 2010 versuchte er mehrfach, sie von der Wohnung seiner abwesenden früheren Lebensgefährtin G. in G. aus telefonisch zu erreichen, wo er seinen Sohn aus der Beziehung mit .G. beaufsichtigte. Es kam jedoch nur ein kurzes Gespräch zu Stande, weil die Geschädigte seine weiteren Anrufe ignorierte. Daraufhin suchte sie der Angeklagte etwa gegen Mitternacht inihrer Wohnung in Gn. auf, in der sie sich mit ihrem neuen Lebensgefährten L. aufhielt, wobei er seinen Sohn in G. allein zurückließ. Im Verlauf der nun folgenden, zu dritt geführten Unterhaltung drängte er L. unter anderem mehrfach, eine gegen ihn, den Angeklagten, erstattete Strafanzeige wegen Körperverletzung zurückzunehmen; der Angeklagte hatte etwa eine Woche zuvor L. wegen dessen Beziehung zur Geschädigten zur Rede gestellt und ihm dabei mindestens zweimal mit der Hand an den Kopf geschlagen. L. ging jedoch auf dieses Ansinnen des Angeklagten nicht ein. Um den Angeklagten loszuwerden, erklärte sich die Geschädigte nach anfänglichem Zögern bereit, ihn seiner Bitte entsprechend mit ihrem Pkw nach R. zu fahren , wo er im Haus seiner Mutter eine Wohnung hatte. Nachdem beide dort gegen 00.30 Uhr angekommen waren, griff der Angeklagte noch im Pkw von vorne an den Hals der Geschädigten und drückte so fest zu, dass diese Luftnot bekam. Ferner versetzte ihr der Angeklagte mindestens zwei kräftige Faustschläge gegen den Kopf, ohne dabei von ihrem Hals abzulassen. Infolge des ununterbrochenen und langanhaltenden Würgens wurde die Geschädigte für etwa zehn bis fünfzehn Minuten bewusstlos. Sie erlitt einen beidseitigen Bruch des Oberkieferknochens sowie Schwellungen und Unterblutungen an Ober- und Unterlippe. Dass seine Handlungen geeignet waren, das Leben der M. zu gefährden, war ihm bewusst; er nahm dies in Kauf. Bei Begehung der Tat war er infolge einer maximal möglichen Blutalkoholkonzentration von 2,75 ‰ in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt.
- 5
- b) Der Angeklagte fuhr nunmehr mit dem Tatopfer in dessen Fahrzeug in Richtung Rostock.Gegen 4.18 Uhr fuhr der Angeklagte auf das Gelände der – videoüberwachten – Tankstelle Rostock- . In den frühen Vormittagsstunden des 2. August 2010 kehrte der Angeklagte mit der Geschädigten in deren Pkw nach G. zurück. Der Angeklagte begab sich in die Wohnung der G. , während die Geschädigte mit dem Wagen nach Hause fuhr. Von dort aus erstattete sie telefonisch Strafanzeige gegen den Angeklagten und gab an, dieser habe sie in der Nacht vergewaltigt. Der Angeklagte wurde daraufhin in Untersuchungshaft genommen.
- 6
- 2. a) Nach der Einlassung des Angeklagten kam es zwischen ihm und der Geschädigten nach der Ankunft in R. am 2. August 2010 gegen 00.30 Uhr zunächst zu einem längeren Gespräch und dann zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Danach habe ihm M. Vorhaltungen wegen seines Alkoholkonsums und seiner Einstellung zu Frauen gemacht. Er sei wütend geworden und habe ihr zweimal ins Gesicht geschlagen; gewürgt habe er sie nicht. Die Geschädigte sei daraufhin für kurze Zeit bewusstlos gewesen. Demgegenüber hat das Tatopfer bekundet, dass der Angeklagte nach der gemeinsamen Ankunft in R. nicht wie erwartet aus dem Wagen gestiegen sei, sondern plötzlich mit einer Hand ihren Hals ergriffen und so fest zugedrückt habe , dass sie Atemnot bekommen habe. Er habe sie mit der rechten Hand an ihrem Hals zwischen den vorderen Sitzen hindurch nach hinten auf die Rück- bank gedrückt, sich über die Lehnen der Vordersitze gebeugt und daraufhin mit beiden Händen gewürgt. Sie habe sich gewehrt, woraufhin er mit der linken Hand weiter den Hals zugedrückt und ihr mit seiner rechten Hand in das Gesicht geschlagen habe. Sie habe husten und sich übergeben müssen; dann sei sie ohnmächtig geworden. Als sie wieder zu sich gekommen sei, habe sie auf der nahegelegenen Wiese mit dem Rücken auf dem Boden gelegen. Der Angeklagte habe auf ihr gelegen und den Geschlechtsverkehr mit ihr ausgeführt. Nach etwa fünf Minuten habe er sie hochgezogen und sei mit ihr zum Haus gegangen. Nach kurzem Aufenthalt in seinem Badezimmer seien sie in ihrem Pkw Richtung G. losgefahren.
- 7
- b) Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, er habe die Geschädigte nicht gewürgt, sondern nur kurz an ihren Hals gefasst, vor dem Hintergrund der Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen als widerlegt angesehen. Durch die beiden – eingeräumten – Faustschläge sowie das Würgen bis zur Bewusstlosigkeit habe sich der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB schuldig gemacht. Die Annahme eines versuchten Tötungsdeliktes liege zwar nicht fern, der Angeklagte sei von diesem Versuch jedoch strafbefreiend zurückgetreten. Eine beim Angeklagten nach Eintritt der Bewusstlosigkeit bei der Geschädigten möglicherweise vorhandene Fehlvorstellung über den Erfolgseintritt habe allenfalls wenige Augenblicke bestanden, sodass die Annahme eines beendeten Tötungsversuches nicht in Betracht komme. Er habe wenige Augenblicke nach seiner letzten Ausführungshandlung erkannt, dass entgegen seiner Einschätzung mit dem Eintritt des Erfolges nicht zu rechnen gewesen sei, und nach dem Aufwachen der Geschädigten aus der Bewusstlosigkeit die fortbestehende Gelegenheit zu weiteren Ausführungshandlungen nicht wahrgenommen.
- 8
- c) Hinsichtlich des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person hat sich die Strafkammer die für eine Verurteilung des Angeklagten erforderliche Gewissheit nicht verschaffen können. Zwar sei die Einlassung des Angeklagten schon für sich genommen nicht glaubhaft und stehe mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme in mehrfacher Hinsicht in Widerspruch. Dies gelte etwa für den von ihm behaupteten Anlass für den nächtlichen Besuch beim Tatopfer: Grundbuchunterlagen, die der Angeklagte seinen Angaben nach einsehen wollte, befanden sich nicht in deren Besitz und seien auch nicht Gesprächsthema gewesen, was der Zeuge L. glaubhaft bestätigt habe. Der Angeklagte habe auch nicht plausibel erklären können, warum die Geschädigte ihren Slip auf der Wiese vor dem Haus in R. zurückgelassen habe. Außerdem habe er im Laufe des Strafverfahrens stark voneinander abweichende Versionen des Geschehens geschildert. Aber auch die Bekundungen der Geschädigten M. zum Kerngeschehen könne die Strafkammer ihren Feststellungen nicht zu Grunde legen. Es sei zwar nicht zu verkennen , dass die Realkennzeichen in ihrer Tatschilderung auf Erlebnisfundiertheit hindeuteten, so beispielsweise das tatsächlich vorhandene Erbrochene auf der Rücksitzbank ihres Fahrzeugs. Ferner seien auch die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen geeignet, die Aussage der Geschädigten zu stützen, weil sie das Verletzungsbild erklären könnten. Jedoch sei der von ihr geschilderte zeitliche Ablauf mit erheblichen, nicht auflösbaren Unklarheiten behaftet. Innerhalb des sicher feststehenden Zeitraums zwischen der Ankunft des Angeklagten und seines Tatopfers in R. um 00.30 Uhr und dem durch die Überwachungsanlage dokumentierten Aufenthalt auf dem Gelände der Tankstelle in Rostock um 04.18 Uhr verbleibe auch bei großzügiger Berechnung der erforderlichen Zeit für die von der Geschädigten geschilderten Ereignisse die beträchtliche Lücke von etwa einer Stunde, die sie nicht habe erklären können.
II.
- 9
- Der Freispruch vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person im Sinne von § 179 Abs. 1, 5 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 10
- 1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (Senatsbeschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler in einem solchen Fall auch darin liegen, dass das Tatgericht nach den Feststellungen nicht naheliegende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575 m.w.N.). Er- kennt der Tatrichter auf Freispruch, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss er in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlich gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGH, Urteil vom 13. Februar 1974 – 2 StR 552/73, BGHSt 25, 285, 286; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 aaO).
- 11
- 2. Diesen rechtlichen Anforderungen wird die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall nicht gerecht. Soweit das Landgericht eine Verurteilung wegen einer Sexualstraftat zum Nachteil der M. abgelehnt hat, ist sie lücken- und damit rechtsfehlerhaft.
- 12
- a) Das Landgericht stützt seine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Tatopfers zu diesem Teil des Geschehensablaufs auf angeblich nicht auflösbare Unklarheiten in dessen Aussage zum zeitlichen Ablauf. Dabei geht es davon aus, dass der Angeklagte mit M. gegen 2.30 Uhr vom Tatort in Richtung Rostock abgefahren sein müsse. In der Aussage des Opfers finde sich keine Erklärung für den Zeitraum zwischen 1.30 Uhr und dieser Abfahrt um 2.30 Uhr. Für diese Annahme fehlt es jedoch an einer tragfähigen Grundlage. Der Zeuge J. , dessen Angaben die Strafkammer ersichtlich für glaubhaft hält, hat bereits um 0.30 Uhr Stimmen von zwei Personen, darunter die des Angeklagten, gehört und „wenig später“ das Klappen von Autotüren so- wie das Wegfahren eines Pkw VW Golf wahrgenommen. Diese Aussage hat das Landgericht bei seiner zeitlichen Rekonstruktion der Geschehensabläufe bis zum Auftauchen des Angeklagten und des Tatopfers auf dem Gelände der Tankstelle in Rostock gegen 4.18 Uhr nicht bedacht. Legt man die Aussage des Zeugen J. zu Grunde, entbehrt sowohl die Annahme, der Angeklagte und die Geschädigte seien erst um 2.30 Uhr vom Tatort abgefahren, als auch die Unterstellung eines ungeklärten Geschehensablaufs zwischen 1.30 und 2.30 Uhr einer Grundlage.
- 13
- b) Es kommt hinzu, dass das Schwurgericht bei der Würdigung der Aussage des Tatopfers nicht berücksichtigt hat, dass dessen Angaben zum Vorwurf einer Sexualstraftat in gewichtigen Beweisanzeichen außerhalb der Aussage eine Stütze finden. So hat es unerwähnt gelassen, dass dem Zeugen J. und auch einem am Tatort ermittelnden Polizeibeamten am nächsten Tag zwei parallel verlaufende Schleifspuren über den Hof des Anwesens in R. bis zu dem mit Gras bewachsenen Garten auffielen, die nach seiner sicheren Erinnerung am Vorabend noch nicht vorhanden gewesen waren. Diese Spuren können zwanglos mit der Aussage des Tatopfers in Einklang gebracht werden, es sei durch das Würgen im Pkw bewusstlos geworden und erst auf der Wiese wieder zu sich gekommen. Auch das Auffinden des Slips des Opfers an dem von diesem angegebenen Tatort hat das Landgericht lediglich zur Widerlegung der Einlassung des Angeklagten herangezogen, der einvernehmlichen Geschlechtsverkehr behauptet hat, jedoch nicht – was geboten gewesen wäre – auch bei der Würdigung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Tatopfers.
- 14
- c) Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der von der Strafkammer selbst erwogenen, für die Richtigkeit der Aussage von M. sprechenden Umstände, etwa den tatsächlich vorhandenen Spuren von Erbrochenem auf der Rückbank des Fahrzeugs und den ihre Angaben bestätigenden Verletzungsspuren an ihrem Körper kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zu einer abweichenden Bewertung der Aussage des Opfers gelangt wäre. Dabei hätte sich das Landgericht zudem mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Unsicherheiten der Zeugin hinsichtlich der genauen zeitlichen Einordnung ihre Ursache naheliegend in ihrer psychischen Verfassung nach einem tatsächlich erlebten Geschehen hatten und nicht in dem Bestreben, den Angeklagten wahrheitswidrig zu belasten.
III.
- 15
- Die Rechtsfehler in der Beweiswürdigung führen auf die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils insgesamt.
- 16
- Eine Aufhebung in vollem Umfang hat auch dann zu erfolgen, wennein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Tatgeschehen, das der Verurteilung zu Grunde liegt, und dem Geschehen, auf dessen Grundlage eine Verurteilung möglicherweise in Betracht kommt, nach den Umständen des Falles nicht auszuschließen ist (BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 – 3 StR 182/08, Tz. 10). Einen solchen engen Zusammenhang zwischen dem Verletzungsgeschehen und dem von der Zeugin geschilderten weiteren Geschehen mit der Folge, dass eine tateinheitliche Verurteilung in Betracht kommt, kann der Senat im vorliegenden Fall nicht von vorneherein ausschließen. Damit erfasst die Aufhebung des angefochtenen Urteils auch den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung. Auf die von der Staatsanwaltschaft insoweit erhobenen Beanstandungen kommt es deshalb nicht an.
Franke Quentin
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung (Fall II. 1.) und wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 2.) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn dazu verurteilt, an den im Fall II. 2. geschädigten Nebenkläger ein Schmer- zensgeld in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 3. Dezember 2013 zu zahlen.
- 2
- Das auf eine Verfahrensrüge und auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Rechtsmittel des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Demgegenüber kann die Adhäsionsentscheidung keinen Bestand haben.
- 3
- Das Landgericht hat zur Begründung der Höhe des Schmerzensgeldanspruchs lediglich ausgeführt, dass es "die Schwere der Verletzung des Nebenklägers und die nicht unerheblichen, wahrscheinlich bleibenden Folgen einerseits und die Schwere des Verschuldens des Angeklagten andererseits gegeneinander abgewogen" habe. Derartige allgemeine Erwägungen genügen nicht den Anforderungen an die Begründungspflicht, die auch für die im Strafurteil getroffene Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche gilt. Insbesondere wird mit dieser Begründung der Adhäsionsentscheidung schon nicht deutlich, ob die Kammer dabei, wie regelmäßig erforderlich, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Tatbeteiligten berücksichtigt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344; vom 29. November 2011 - 3 StR 326/11, juris Rn. 13 mwN). Da die Zurückweisung der Sache allein wegen des zivilrechtlichen Teils der Entscheidung nicht in Betracht kommt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 406a Rn. 5 mwN), sieht der Senat von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag ab. Schäfer RiBGH Hubert ist wegen Mayer Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Schäfer Gericke Spaniol
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2017 gemäß § 406a Abs. 2 Satz 2 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 17. April 2014 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Außerdem hat es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, ihr allen künftigen immateriellen Schaden aus der Tat zu ersetzen. Der Senat hat die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten durch Beschluss vom 9. April 2015 verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet. Zugleich hat er die Entscheidung über die Revision gegen die im vorgenannten Urteil des Landgerichts getroffene Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels im Hinblick auf das mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim Großen Senat für Zivilsachen eingeleitete Anfrageverfahren zur Frage der Bemes- sung eines Schmerzensgeldes zurückgestellt und sie einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Nach der Entscheidung der Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs vom 16. September 2016 - VGS 1/16 (JR 2017, 179 ff.), denen der Senat mit Beschluss vom 14. April 2016 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 - die Frage vorgelegt hatte, ob bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten berücksichtigt werden dürfen, und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr die gegen die Adhäsionsentscheidung gerichtete Revision des Angeklagten zu verwerfen.
I.
- 2
- Die Vereinigten Großen Senate haben entschieden, dass bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB (§ 847 BGB a.F.) alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (BGH, Beschluss vom 16. September 2016 - VGS 1/16).
- 3
- Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung , die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtuungsfunktion , st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 154 ff.; BGH, Urteile vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 4 f.; vom 29. November 1994 - VI ZR 93/94, BGHZ 128, 117, 120 f.).
- 4
- Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen Entschädigung. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immaterielle Schäden nicht wegzudenken ist, eine besondere Bedeutung.
- 5
- Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den Schadensfall hervorgerufene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem zum Ausdruck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Berücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet (BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157; Urteil vom 16. Januar 1996 - VI ZR 109/95, NJW 1996, 1591).
- 6
- Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung im Vordergrund. Daneben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers (Vereinigte Große Senate, aaO, Rn. 55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung einer „armen“ Partei durch einen vermögenden Schädiger etwa bei einem außergewöhnlichen „wirtschaftlichen Gefälle“ sein (Vereinigte Große Se- nate, aaO, Rn. 57). Indem der Tatrichter im ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, dann die prägenden Umstände auswählt und gewichtet , dabei gegebenenfalls auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist (Vereinigte Große Senate, aaO, Rn. 56, 70).
- 7
- Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägenden einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung , in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen einer sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein dem einzelnen Fall gerecht werdendes Schmerzensgeld festzusetzen. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten (Vereinigte Große Senate, aaO, Rn. 72).
- 8
- Für die Überprüfung eines Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
- 9
- Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagten und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs regelmäßig keinen Rechtsfehler dar. Ausnahmsweise ist eine Berücksichtigung vonnöten, wenn die wirtschaftlichen Ver- hältnisse dem Fall ein „besonderes Gepräge“ geben. Dies ist etwa bei einem wirtschaftlichen Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Fall kein besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.
- 10
- Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem oder Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge geben, gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der tatrichterlichen Erwä- gungen im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten wird sich regelmäßig nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben, hingegen liegt es nahe, dass die Einbeziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation des Tatopfers zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes geführt und sich nachteilig ausgewirkt hat.
II.
- 11
- An diesen Maßstäben gemessen begegnet die Adhäsionsentscheidung des angefochtenen Urteils keinen Bedenken. Das Landgericht hat sich für die Bemessung des Schmerzensgeldes an dem Ausmaß des begangenen Tatunrechts und den Folgen für das Opfer orientiert. Da sich in den Urteilsgründen keine Anhaltspunkte dafür finden, dass etwa ein außergewöhnliches Gefälle zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen von Täter und Opfer und deshalb ein Fall vorliegt, in dem die wirtschaftliche Situation der Sache ein besonderes Gepräge gibt, war die Außerachtlassung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin - entgegen bisheriger Rechtsprechung der Strafsenate - nicht zu beanstanden. Appl Krehl Eschelbach Zeng Grube
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
- 1
- Der 2. Strafsenat hat in den vorgenannten Strafsachen über die Revisionen der Angeklagten gegen deren Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren (§ 403 StPO) zu entscheiden.
- 2
- Im Verfahren 2 StR 137/14 gegen G. sieht sich der 2. Strafsenat nach der bisherigen Rechtsprechung der Zivil- und der Strafsenate des Bundesgerichtshofs gehalten, die angefochtene Entscheidung wegen unzureichender tatrichterlicher Erörterung der Vermögensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem der Höhe nach aufzuheben und es bei einer Feststellung der Zahlungspflicht dem Grunde nach zu belassen. Er beabsichtigt gleichwohl, die Revision zu verwerfen.
- 3
- Im Verfahren 2 StR 337/14 gegen E. hat der Tatrichter demgegenüber bei der Bemessung des Schmerzensgelds die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Geschädigten berücksichtigt. Der 2. Strafsenat kann nicht ausschließen, dass das Schmerzensgeld ohne deren Berücksichtigung niedriger ausgefallen wäre. Er beabsichtigt deshalb, die Verurteilung der Höhe nach aufzuheben und es bei einer Feststellung der Zahlungspflicht dem Grunde nach zu belassen.
- 4
- Der 2. Strafsenat vertritt die Rechtsauffassung:
- 5
- "Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen."
- 6
- Er hat deshalb beim Großen Senat für Zivilsachen und bei den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs angefragt, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.
II.
- 7
- An Rechtsprechung, die der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats im Verfahren 2 StR 137/14 entgegenstehen könnte, hält der 3. Strafsenat nicht fest. Schon nach den aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuleitenden Maßstäben für die Bemessung von Schmerzensgeld sähe der 3. Strafsenat nunmehr keinen Anlass mehr, in der beschriebenen Fallgestaltung die Höhe der zugebilligten Entschädigung wegen Darlegungsmängeln zu beanstanden und deshalb die Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld aufzuheben.
- 8
- 1. Nach dem Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) "können" bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld alle Umstände des Falles berücksichtigt werden, darunter auch der Grad des Verschuldens des Verpflichteten und die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Teile.
- 9
- a) Mit dieser Fassung seiner Antwort auf die Vorlagefrage wollte der Große Senat für Zivilsachen "zum Ausdruck zu bringen, daß nicht alle erwähnten Umstände in jedem Einzelfall berücksichtigt werden müssen, sondern nur nach dessen Lage berücksichtigt werden können." In erster Linie sei für die Bemessung des Schmerzensgeldes die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen; hierauf liege das Schwergewicht. Daneben könnten aber auch alle Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein "besonderes Gepräge" geben. Was die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers betreffe, sei aber zu beachten, dass besonders verwerfliches Verhalten wie rücksichtsloser Leichtsinn oder gar Vorsatz den Gedanken , diesen vor wirtschaftlicher Not zu bewahren, "weitgehend zurückdrän- gen" könnten. Was demgegenüber die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verletzten anbelangt, betont die Entscheidung deren weitgehende Ambivalenz in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalles. So könnten deutliche Ungleichheiten der Vermögensverhältnisse beider Parteien einerseits je nach Lage des Falles dazu führen, von den bestehenden Ermessensmöglichkeiten zu Gunsten oder zu Lasten des Schädigers in höherem oder in geringerem Maße Gebrauch zu machen. Andererseits erscheine es nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall "der gewohnte höhere Lebensstandard des Verletzten" auch einmal zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen könne.
- 10
- b) Daraus wird deutlich, dass der Große Senat für Zivilsachen den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem im Wesentlichen nur die Funktion eines Korrektivs für besonders gelagerte Fälle beigemessen hat. Soweit die zivilrechtliche Literatur an der Berücksichtigungsfähigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse festhält, vertritt sie dementsprechend ebenfalls die Auffassung, dass diese nur ausnahmsweise für den Anspruch von Belang sind (vgl. Staudinger/Schiemann (2005), BGB, § 253 Rn. 42). Dieses RegelAusnahme -Verhältnis kann bei der Beurteilung der tatrichterlichen Darlegungspflichten nicht außer Betracht bleiben.
- 11
- 2. Nichts anderes ergibt sich aus der langjährigen ständigen Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs in der Folge der genannten Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen.
- 12
- So hat der 1. Strafsenat (Urteil vom 7. Februar 1995 - 1 StR 668/94, NJW 1995, 1438) den Tatrichter lediglich zur Erörterung "ganz ungewöhnlicher" wirtschaftlicher Verhältnisse von Schädiger oder Geschädigtem verpflichtet angesehen. Zwar könnten die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten die Zumessung des Schmerzensgelds beeinflussen. Dies bedeute jedoch nicht, dass diese Verhältnisse und ihr Einfluss auf die Bemessung in jedem Fall ausdrücklich erörtert werden müssten. Das Schwergewicht liege nach dem Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen einerseits auf dem Maß der Lebensbeeinträchtigung , andererseits auf dem Grad des Verschuldens. Rücksichtsloser Leichtsinn oder gar Vorsatz könnten den Gedanken weitgehend zurückdrängen , den Schädiger vor wirtschaftlicher Not zu bewahren. Ebenso hat der 3. Strafsenat (Beschluss vom 5. Januar 1999 - 3 StR 602/98, NJW 1999, 1123, 1124) einen Verstoß gegen tatrichterliche Erörterungspflichten bei der Bemessung des Schmerzensgelds mit der Begründung verneint, es seien keine Anhaltspunkte für "außergewöhnliche" wirtschaftliche Verhältnisse ersichtlich, die maßgeblichen Einfluss auf die Bestimmung des Schmerzensgeldes hätten gewinnen können.
- 13
- Dementsprechend haben die Strafsenate auch aufhebende Entscheidungen in erster Linie darauf gestützt, dass sich die Erörterung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach Sachlage (Beschluss vom 30. April 1993 - 3 StR 169/93), nach den Feststellungen (Beschluss vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4) oder nach den Umständen (Beschluss vom 26. August 1998 - 2 StR 151/98, BGHR StPO § 403 Anspruch 6) aufdrängte.
- 14
- 3. Soweit ersichtlich erstmals der anfragende Senat hat in der Folge - ohne dass dem die Qualität einer Entscheidung im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG zukäme - die Auffassung vertreten, es sei "regelmäßig erforderlich", auch die wirtschaftlichen Verhältnisse "der Tatbeteiligten" zu berücksichtigen (Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344). Dem ist auch der 3. Strafsenat in mehreren Entscheidungen gefolgt (vgl. Beschlüsse vom 8. Januar 2014 - 3 StR 372/13, StraFo 2014, 217; vom 21. Januar 2014 - 3 StR 388/13; vom 20. März 2014 - 3 StR 20/14; vom 2. September 2014 - 3 StR 325/14, NStZ-RR 2014, 350). Eine solche Spruchpraxis, die sich insbesondere im strafrechtlichen Revisionsverfahren nur zum Nachteil des Geschädigten auswirken kann, erscheint indes weder mit den vom Großen Senat für Zivilsachen entwickelten Maßstäben für die Bemessung von Schmerzensgeld noch mit der daran anknüpfenden vorgängigen ständigen Rechtsprechung der Strafsenate vereinbar. Der 3. Strafsenat gibt diese Rechtsprechung auf.
III.
- 15
- 1. Was die beabsichtigte Entscheidung im Verfahren 2 StR 337/14 betrifft , ist der 3. Strafsenat weiterhin der Auffassung, dass - nach Maßgabe des Beschlusses des Großen Senats für Zivilsachen vom 6. Juli 1955 (oben I.) - die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers bei der Bemessung des Schmerzensgelds berücksichtigt werden können.
- 16
- a) Nach dem vorgenannten Beschluss ist der Schmerzensgeldanspruch gemäß (seinerzeit) § 847 BGB kein gewöhnlicher Schadensersatzanspruch, sondern ein Anspruch eigener Art mit doppelter Funktion. Er soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion); zugleich soll er dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, war er ihm angetan hat (Genugtuungsfunktion). Daran, dass dem Schmerzensgeld neben der Ausgleichs- auch eine Genugtuungsfunktion zukommt, hält der 3. Strafsenat fest. Welche Auffassung der 2. Strafsenat hierzu vertritt, lässt sich der Anfrage nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen. Soweit dieser ausführt, die Genugtuungsfunktion könne nicht zur Berück- sichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers führen, weil "Art und Ausmaß des vom Schädiger wiedergutzumachenden Unrechts" nicht von dessen Vermögensverhältnissen abhängen, vermengt er beide Funktionen und stellt die Genugtuungsfunktion letztlich insgesamt in Frage.
- 17
- b) Hält man richtigerweise an der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgelds fest, so verbietet sich die plakative Aussage des 2. Strafsenats, die Entschädigung für ein- und dasselbe körperliche oder seelische Leiden könne nicht davon abhängen, ob der Schädiger "Hilfsarbeiter oder Millionär" sei. Dies gilt insbesondere für die - im Verfahren 2 StR 337/14 allein zur Beurteilung anstehende - Fallgestaltung einer anspruchserhöhenden Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers. Mit der von Gesetzes wegen geforderten Billigkeit der Entschädigung stünde es jedenfalls nicht in Einklang, den minderbemittelten Straftäter wie vom anfragenden Senat vorgeschlagen auf die Pfändungsgrenze zu verweisen, den "Millionär" im Einzelfall aber mit einem Betrag davonkommen zu lassen, der nach dessen Verhältnissen allenfalls symbolisch erscheint.
- 18
- 2. Dagegen teilt der 3. Strafsenat die Auffassung des anfragenden Senats, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten bei der Bemessung des Schmerzensgelds unberücksichtigt bleiben müssen; insoweit hält er an entgegenstehender Rechtsprechung nicht fest.
- 19
- Gemessen an den Maßstäben des Beschlusses des Großen Senats für Zivilsachen vom 6. Juli 1955 bleibt die Bedeutung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten für die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs zwar wie dargelegt letztlich ambivalent. Gute wie auch schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Geschädigten können danach in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls gleichermaßen anspruchserhöhend wie anspruchsmindernd wirken. In allen der vom Großen Senat für Zivilsachen aufgezeigten Fallgestaltungen läge in der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten bei der Bemessung seines Anspruchs nach heutigem Verfassungsverständnis jedoch eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß jedenfalls gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgelds kann bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Geschädigten eine Besserstellung ebenso wenig rechtfertigen wie gar eine Anspruchsminderung. Umgekehrt erscheint es aber auch nicht zulässig, den Schmerzensgeldanspruch eines Geschädigten, der sich in guten wirtschaftlichen Verhältnissen befindet, deswegen zu erhöhen oder zu mindern.
Gericke Spaniol
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Fall II.3 der Urteilsgründe,
b) in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen
c) hinsichtlich der Adhäsionsentscheidung, soweit darin eine Feststellungsentscheidung bezüglich der Erstattung weiterer materieller Schäden ergangen ist, aufgehoben. Von einer Entscheidung über den aufgehobenen Teil des Entschädigungsantrags des Adhäsionsklägers wird abgesehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen schweren Raubs, Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer weiteren Entscheidung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren, den Angeklagten B. wegen derselben Delikte sowie darüber hinaus wegen Diebstahls ebenfalls unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die auf die Verletzung förmlichen und materiellen Rechts gestützten Revisionen haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.
I.
- 2
- Hinsichtlich des Schuldspruchs im Fall II.3 der Urteilsgründe haben die Revisionen mit einer gleichlautenden Verfahrensrüge Erfolg, so dass es auf die Sachrüge insoweit nicht mehr ankommt. Der Schuldspruch im Übrigen begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
- 3
- 1. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
- 4
- Am neunten Hauptverhandlungstag stellte der Verteidiger des Angeklagten B. einen Beweisantrag, den Zeugen A. unter anderem zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass dieser Anfang Januar 2012 über die Vermittlung des Zeugen U. von Rö. eine Gaspistole erhalten und mit dieser gemeinsam mit einem Freund in der Nacht des darauf folgenden Tags die Spielhalle in R. auf der K. Straße überfallen habe. Der Verteidiger des Angeklagten R. schloss sich dem Beweisantrag an, den die Kammer mit Beschluss vom gleichen Tag zurückwies. Zur Begründung führ- te das Landgericht aus, es handele sich nicht um einen Beweisantrag, da die Bezeichnung des Tatorts "Die Spielhalle in R. auf der K. Straße" nicht hinreichend bestimmt sei. Außerdem wies die Kammer darauf hin, dass nach der Bekundung des Zeugen U. eine silberfarbene Gaspistole im Umlauf gewesen sei, während ausweislich der Lichtbilder und des Videos vom Tatort ausschließlich schwarzfarbene pistolenähnliche Gegenstände eingesetzt worden seien. Weshalb der Zeuge A. deshalb eigene Wahrnehmungen zu einem mit einer schwarzen Pistole begangenen Überfall bekunden können soll, sei weder ersichtlich noch von der Verteidigung mitgeteilt. Daraufhin stellte der Verteidiger des Angeklagten R. u.a. unter Beweis, der Zeuge A. werde bekunden, dass er von Rö. am 2. Januar 2012 eine Gaspistole bekommen, am darauffolgenden zwei weitere schwarzfarbene Gaspistolen von einem Bekannten erhalten und mit diesen zusammen mit jenem Bekannten in der Nacht des 3. Januar 2012 die Spielhalle " " in R. auf der K. Straße überfallen habe. Den Beweisantrag, dem sich nunmehr der Verteidiger des Angeklagten B. anschloss, wies die Kammer ebenfalls zurück. Es fehle an einer zulässigen Beweisbehauptung und damit an einem Beweisantrag, soweit nunmehr behauptet werde, der Zeuge könne bestätigen, mit einem Bekannten die Spielhalle " " am 3. Januar 2012 überfallen und dabei eine schwarzfarbene Pistole verwendet zu haben. Beide Angeklagte und beide Verteidiger hätten im ersten Antrag auf Vernehmung dieses Zeugen noch behauptet, dieser habe den Überfall mit der im Antrag vorbenannten Pistole (nach dem bisherigen Beweisergebnis sei diese silberfarben) begangen. Weshalb die gleichartige Behauptung nunmehr unter Bezugnahme auf eine andere Pistolenfarbe aufgestellt werden könne, sei für die Kammer nicht nachvollziehbar. Diesen Widerspruch hätten die Verteidiger auf Nachfrage nach der Herkunft ihres Wissens auch nicht aufgelöst.
- 5
- 2. Schon die Ablehnung des ersten Beweisantrages, dessen Beweisbehauptung auch nicht im Rahmen des zweiten Antrags zurückgenommen worden ist, erweist sich als rechtsfehlerhaft und führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.3.
- 6
- a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts erfüllte der Antrag alle Voraussetzungen eines Beweisantrags. Insbesondere war er hinreichend bestimmt , soweit er die Behauptung eines Überfalls auf "die Spielhalle in R. auf der K. Straße" enthielt. Erkennbar war insoweit die Spielhalle in Bezug genommen, deren Überfall den Angeklagten am 3. Januar 2012 vorgeworfen worden war. Andere Gründe für die Annahme, es liege kein Beweisantrag vor, sind nicht ersichtlich. Insbesondere gestattet die Erwägung der Strafkammer, es sei weder ersichtlich noch von der Verteidigung mitgeteilt, warum der Zeuge eigene Wahrnehmungen zu einem mit einer schwarzen Pistole begangenen Überfall bekunden können soll, nicht den Schluss, es liege kein Beweisantrag vor. Sie belegt vielmehr nur, dass die Strafkammer die Erfolgsaussichten des Beweisantrags unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses und damit unter Verstoß gegen das Verbot einer antizipierenden Beweiswürdigung beurteilt hat.
- 7
- b) Damit hätte der Antrag nur zurückgewiesen werden können, wenn ein gesetzlicher Ablehnungsgrund nach § 244 Abs. 3 bis 5 StPO gegeben gewesen wäre. Ein solcher aber ist weder ausdrücklich mitgeteilt noch lässt er sich den Beschlussgründen im Übrigen entnehmen. Daraus, dass der Zeuge A. zu der unter Beweis gestellten Behauptung, der Begehung eines Überfalls mit der von Rö. übergebenen Gaspistole, aus Sicht der Kammer unter Berücksichtigung der Angaben des schon vernommenen Zeugen U. nichts aus eigener Wahrnehmung bekunden können soll, weil die von Rö. übergebene Pistole silberfarben gewesen sein soll, bei dem Überfall aber schwarze verwendet worden sind, lässt sich kein gesetzlicher Ablehnungsgrund herleiten. Insbesondere war damit das für diese Behauptung angegebene Beweismittel nicht von vornherein ungeeignet.
- 8
- c) Aus der Stellung des zweiten Beweisantrags lässt sich - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nicht folgern, damit sei der erste Antrag insgesamt zurückgenommen, so dass dessen Zurückweisung mit der Revision nicht mehr geltend gemacht werden könne. So erklärt sich der später gestellte Antrag allein aus der Existenz des ersten, an dessen (fehlerhafte) Ablehnung er inhaltlich anknüpft. Darin eine Rücknahme des zuerst gestellten Beweisbegehrens zu sehen, ließe diesen prozessualen Zusammenhang außer Betracht, bei dem die Angeklagten lediglich auf die (fehlerhafte) Ablehnungsbegründung der Strafkammer reagieren und ersichtlich nicht ihre ursprünglich unter Beweis gestellte Behauptung aufgeben wollten. Dies erhellt sich im Übrigen daraus, dass beiden Anträgen die (Kern-)Behauptung inne wohnt, der Zeuge A. könne bekunden, am fraglichen Tag zusammen mit einer dritten Person den dem Angeklagten vorgeworfenen Überfall auf die Spielhalle in R. begangen zu haben.
- 9
- d) Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht auch die angefochtene Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Zeuge A. wie behauptet bestätigt hätte, er habe zusammen mit einer anderen Person den fraglichen Überfall begangen, und dass sich das Landgericht angesichts einer solchen Aussage nicht (mehr) von der Täterschaft der beiden Angeklagten hätte überzeugen können.
II.
- 10
- Der Wegfall des Schuldspruchs im Fall II.3 zieht ohne Weiteres die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich.
III.
- 11
- Die Adhäsionsentscheidung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken , soweit darin festgestellt wird, dass der Angeklagte R. verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger S. den diesem aus der Tat vom 24. April 2011 erwachsenen materiellen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen.
- 12
- Die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden setzt nach der auch für das Adhäsionsverfahren geltenden Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 4 StR 222/03) voraus, dass aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können (BGH, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 4 StR 222/03; s. Senat, Urteil vom 27. Februar 2013 - 2 StR 206/12; Beschluss vom 12. März 2013 - 2 StR 603/12). Bei schweren Verletzungen kann ein Feststellungsanspruch nur dann verneint werden, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen. In diesen Fällen kann es genügen, dass eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Leiden besteht (BGH, Urteil vom 11. Mai 1993 - VI ZR 243/92, NJW 1993, 2382, 2383; Urteil vom 15. Juli 1997 - VI ZR 184/96, NJW 1998, 160). Dass ein künftiger Schaden aber bloß möglich ist, reicht auch insoweit nicht aus.
- 13
- Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für einen Feststellungsanspruch den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die formelhafte Erwägung der Strafkammer, die Entstehung künftiger Schäden sei hinreichend wahrscheinlich (UA S. 31), ist nicht mit Tatsachen belegt, die für die Annahme eines Dauer- oder Folgeschadens sprechen könnten. Sie steht im Übrigen im Widerspruch zu der an anderer Stelle zu findenden Feststellung des Landgerichts , der dem Adhäsionskläger durch den Angeklagten verursachte Nasenbeinbruch sei ohne Dauerfolgen verheilt (UA S. 12). Angesichts dessen ist für die Zuerkennung eines Feststellungsanspruchs kein Raum. Insoweit war daher - auch weil neue Feststellungen, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten , nicht zu erwarten sind - von einer weiteren Entscheidung über den Entschädigungsantrag des Adhäsionsklägers abzusehen. Fischer Schmitt Krehl Ott Zeng
(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch
- 1.
die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind, und - 2.
die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 des Fünften Buches zu zahlen wären.
(2) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch Gesetz der Höhe nach begrenzt, geht er auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.
(3) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe von dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches werden.
(4) Stehen der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz eines Schadens tatsächliche Hindernisse entgegen, hat die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und seiner Hinterbliebenen Vorrang vor den übergegangenen Ansprüchen nach Absatz 1.
(5) Hat ein Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe auf Grund des Schadensereignisses dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen keine höheren Sozialleistungen zu erbringen als vor diesem Ereignis, geht in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 und 2 der Schadenersatzanspruch nur insoweit über, als der geschuldete Schadenersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.
(6) Ein nach Absatz 1 übergegangener Ersatzanspruch kann bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch eine Person, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht geltend gemacht werden. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen oder eine Lebenspartnerschaft begründet hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann ein Ersatzanspruch bis zur Höhe der zur Verfügung stehenden Versicherungssumme geltend gemacht werden, wenn der Schaden bei dem Betrieb eines Fahrzeugs entstanden ist, für das Versicherungsschutz nach § 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter oder § 1 des Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger besteht. Der Ersatzanspruch kann in den Fällen des Satzes 3 gegen den Schädiger in voller Höhe geltend gemacht werden, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht hat.
(7) Haben der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen von dem zum Schadenersatz Verpflichteten auf einen übergegangenen Anspruch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe Leistungen erhalten, haben sie insoweit dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe die erbrachten Leistungen zu erstatten. Haben die Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe keine befreiende Wirkung, haften der zum Schadenersatz Verpflichtete und der Geschädigte oder dessen Hinterbliebene dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe als Gesamtschuldner.
(8) Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 je Schadensfall für nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 5 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu ersetzen.
(9) Die Vereinbarung einer Pauschalierung der Ersatzansprüche ist zulässig.
(10) Die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch gelten als Versicherungsträger im Sinne dieser Vorschrift.
(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.
(2) Der Versicherungsnehmer hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.
(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.
BUNDESGERICHTSHOF
a) wird Ziffer 4 des Tenors dieses Urteils dahin geändert, dass festgestellt ist, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern 75% der künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind,
b) entfällt Ziffer 5 des Tenors und
c) wird insofern von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abgesehen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern durch dieses entstandenen notwendigen Auslagen insgesamt sowie die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Adhäsionskläger zu 90% zu tragen. Zu 10% haben die Adhäsionskläger als Gesamtschuldner die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren ent- standen gerichtlichen Auslagen und die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
4. Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es ihn zur anteiligen Zahlung der Beerdigungskosten sowie eines Schmerzensgeldes an die Adhäsionskläger verurteilt und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern 75% der entstandenen oder der künftig entstehenden - über den zuerkannten Schmerzensgeldbetrag hinausgehenden - materiellen und immateriellen Schäden aus der Tat vom 18. März 2012 zu erstatten (Ziffer 4 des Tenors), und dass die Ansprüche der Adhäsionskläger aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrühren (Ziffer 5 des Tenors). Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, der zudem gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts Beschwerde eingelegt hat. Die Rechtsmittel führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der Adhäsionsentscheidungen.
- 2
- 1. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Auch soweit sie sich gegen die Verurteilung zur anteiligen Zahlung der Beerdigungskosten und zu Schmerzensgeld an die Adhäsionskläger wendet, hat sie keinen Erfolg.
- 3
- 2. Die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern 75% der entstandenen oder künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, hält dagegen der rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.
- 4
- a) Entfallen muss die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern die weiteren, bereits entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten. Insofern haben die Adhäsionskläger weder geltend gemacht, noch ist aus ihrem Vortrag ansonsten ersichtlich, welche Schäden bereits entstanden sein könnten und warum sie nicht in der Lage sind, diese Schäden schon jetzt zu beziffern. Für die Feststellungsklage mangelt es daher am Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2008 - X ZR 6/06; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 256 Rn. 7a mwN).
- 5
- b) Hinsichtlich der künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden besteht zwar aufgrund der vorgelegten Atteste und Gutachten das Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2013 - 2 StR 306/13, Rn. 12). Jedoch ist die Adhäsionsentscheidung insofern im Hinblick auf § 116 SGB X bzw. § 86 VVG unter den Vorbehalt zu stellen, dass eine Ersatzpflicht nur insoweit besteht, als die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Versicherer übergegangen sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2013 - 4 StR 459/12; vom 18. September 2013 - 5 StR 373/13).
- 6
- 3. Entfallen muss ferner Ziffer 5 des Tenors. Denn die Schadensersatzverbindlichkeiten desjenigen, der - wie hier - vorsätzlich im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet hat, beruhen nicht auf Schadensersatz wegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung im Sinne des § 302 Nr. 1, § 174 Abs. 1 InsO (BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 - IX ZR 29/06, NJW 2007, 2854, 2855). Da die Adhäsionskläger allein auf diese Vorschriften das Feststellungsinteresse stützen, ist die Klage - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 18. Oktober 2013 zutreffend ausgeführt hat - insofern unzulässig.
- 7
- 4. Der Senat hat im Hinblick auf den nur geringen Erfolg der Revision keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten der Rechtsmittel zu entlasten. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen im Adhäsionsverfahren ergibt sich aus § 472a StPO. Eine Änderung der vom Landgericht zu den Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens getroffenen Entscheidung war angesichts des vom Tatgericht insofern ausgeübten Ermessens nicht geboten. Die Kostenbeschwerde des Angeklagten hat daher keinen Erfolg.
Mutzbauer Quentin
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.