Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 14. Apr. 2015 - 6 Sa 358/14

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2015:0414.6SA358.14.0A
bei uns veröffentlicht am14.04.2015

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Halle vom 07.08.2014 – 2 Ca 2288/13 – teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und hinsichtlich der Ziffer 1. des Tenors wie folgt neu gefasst:

Die Feststellungsklage bezüglich des Eingangs der Klagschrift vom 14.08.2013 wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kündigungsschutzklage vom 14.08.2013 wird nachträglich zugelassen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer fristgemäßen Kündigung der Beklagten vom 24.07.2013 zum 31.12.2013, vorab über die rechtzeitige Klageerhebung bzw. die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.

2

Die vorgenannte Kündigung ist dem Kläger durch Übergabe am 24.07.2013 zugegangen. Die von ihm unter dem Datum 14.08.2013 durch seine Prozessbevollmächtigten bei dem Arbeitsgericht Halle eingereichte Kündigungsschutzklage trägt den Eingangsstempel des Justizzentrums Halle (Bl. 1 d. A.) vom 15.08.2013. Es handelt sich um einen sog. Tagesstempel, mit dem die nach 24.00 Uhr in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Postsendungen versehen werden.

3

Die Kanzleiräume der Prozessbevollmächtigten des Klägers befinden sich unmittelbar gegenüber dem Eingangsbereich des Justizzentrums Halle. Dort ist auch der Nachtbriefkasten angebracht.

4

Über das aufgestempelte Eingangsdatum erhielten die Klägervertreter durch Information des Arbeitsgerichts im Zusammenhang mit der Ladung zum Gütetermin am 30.08.2013 Kenntnis. Sie beantragten mit Schriftsatz vom selben Tage – per Fax am 30.08.2013 bei dem Arbeitsgericht eingegangen – „vorsorglich“ die nachträgliche Zulassung der Klage und führten zur Begründung aus, die Klage sei bereits am 24.07.2013 in den Nachmittagsstunden in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle eingeworfen worden. Mit weiterem Schriftsatz vom 04.09.2013 – am selben Tage bei dem Arbeitsgericht per Fax eingegangen – haben die Prozessbevollmächtigten zur Glaubhaftmachung dieses Vortrages eidesstattliche Versicherungen der Mitarbeiterinnen V (Bl. 37 d. A.) und U (Bl. 38 d. A.) vorgelegt. Weiter baten die Prozessbevollmächtigten des Klägers um einen gerichtlichen Hinweis, sollte ergänzender Sachvortrag hinsichtlich des Antrages nach § 5 KSchG erforderlich sein.

5

In den vorgenannten eidesstattlichen Versicherungen haben die Mitarbeiterinnen V und U u. a. dargestellt, dass durch die sachbearbeitende Rechtsanwältin F am 14.08.2013 die ausdrückliche Anweisung erteilt worden sei, die den vorliegenden Rechtsstreit betreffende Kündigungsschutzklage zu fertigen, ihr zur Unterschrift vorzulegen und noch am selben Tage in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle einzuwerfen. Diese Anweisung habe die Mitarbeiterin V gegen 16.30 Uhr ausgeführt. Am späten Nachmittag habe Frau F erneut in der Kanzlei angerufen und bei der noch diensthabenden Frau U nachgefragt, ob die Kündigungsschutzklage in den Nachtbriefkasten eingeworfen sei, was Frau U, die den Einwurf von den Kanzleiräumen aus beobachtet habe, bestätigt habe.

6

Der Kläger hat behauptet, die Kündigungsschutzklage sei entgegen der Angaben auf dem Eingangsstempel des Justizzentrums Halle bereits am 14.08.2013 gegen 16.30 Uhr durch die Mitarbeiterin seiner Prozessbevollmächtigten, Frau V, tatsächlich in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle eingeworfen worden. Der Stempelaufdruck beruhe seiner Auffassung nach auf einer versehentlichen Zuordnung des Schriftsatzes zu jenen Postsendungen, die erst nach 24.00 Uhr in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden seien.

7

Der Kläger hat beantragt,

8
1. festzustellen, dass die Klageschrift vom 14.08.2013 am 14.08.2013 bei dem Arbeitsgericht Halle eingegangen ist,
9
2. für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag Ziffer 1 die vorliegende Klage gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen.
10

Die Beklagte hat beantragt,

11

 die Anträge zurückzuweisen.

12

Sie hat einen Einwurf der Kündigungsschutzklage in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle bereits am 14.08.2013 ebenso bestritten wie den Inhalt der von Frau V und Frau U erstellten eidesstattlichen Versicherungen.

13

Das Arbeitsgericht hat nach Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des Leiters des Wachtmeisterdienstes sowie Vernehmung der Frau V und Frau U als Zeugen und Abhaltung eines Ortstermins in den Kanzleiräumen der Klägervertreter durch Zwischenurteil vom 07.08.2014 sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme habe der Kläger den ihm aufgrund des Eingangsstempels obliegenden Gegenbeweis, die Klage sei bereits am 14.08.2013 in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden, nicht zweifelsfrei erbringen können. Die vernommenen Zeuginnen seien nicht glaubwürdig. Auch der Hilfsantrag (nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage) sei unbegründet, weil der Kläger keine Gründe vorgebracht habe, die eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage rechtfertigen könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 239 bis 248 d. A. verwiesen.

14

Gegen dieses, ihm am 12.08.2014 zugestellte Zwischenurteil hat der Kläger am 26.08.2014 Berufung eingelegt und diese am 13.10.2014 begründet.

15

Mit seinem Rechtsmittel verfolgt er im Zwischenverfahren die erstinstanzlich gestellten Anträge voll umfänglich weiter. Seiner Auffassung nach sei der Gegenbeweis insbesondere aufgrund der Zeugenaussagen der Mitarbeiterinnen V und U erbracht worden. Zumindest sei die Kündigungsschutzklage aber nachträglich zuzulassen, wenn ein Arbeitnehmer aus Beweisnot den Beweiswert des gerichtlichen Eingangsstempels nicht widerlegen könne.

16

Der Kläger beantragt,

17
1. das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Halle/Saale zum Aktenzeichen 2 Ca 2288/13, verkündet am 11. März 2014, zugestellt am 12. August 2014, abzuändern und festzustellen, dass die Klageschrift vom   14. August 2013 am 14. August 2013 bei dem Arbeitsgericht Halle/Saale eingegangen ist,
18
2. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1., das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Halle/Saale zum Aktenzeichen 2 Ca 2288/13, verkündet am 11. März 2014, zugestellt am 12. August 2014, abzuändern und die vorliegende Klage gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen.
19

Die Beklagte beantragt,

20

  die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

21

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt – nach Hinweis des Landesarbeitsgerichts im Beschluss vom 19.01.2015 (Bl. 320 d. A.) – die Auffassung, eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage müsse bereits daran scheitern, dass die formalen Voraussetzungen für diesen Antrag nicht gegeben seien. Im Übrigen bestreitet die Beklagte weiter den Sachvortrag des Klägers betreffend den Einwurf der Kündigungsschutzklage bereits am 14.08.2013.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

23

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Es handelt sich hierbei um das gemäß § 5 Abs. 4 Satz 3 KSchG i. V. m. §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Der Kläger hat die Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingehalten. Die Berufungsbegründung entspricht den Vorgaben des § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 ZPO. Der Kläger setzt sich auch hinsichtlich des Hilfsantrages mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinander. Das Arbeitsgericht stellt mit einem Satz (Entscheidungsgründe Seite 8) fest, dass weitere Umstände, die die Verspätung verursacht haben könnten, ausscheiden. Dem hält der Kläger (Berufungsbegründung Seite 9) entgegen, dass bei einer aufgrund des Eingangsstempels als verspätet anzusehenden Kündigungsschutzklage, wenn der Arbeitnehmer aus Beweisnot den Beweiswert des Stempels nicht widerlegen könne, eine nachträgliche Zulassung zu erfolgen habe, sofern der Kläger bzw. sein Prozessvertreter mit aller zumutbaren Sorgfalt gehandelt habe. Der Kläger greift mithin das Zwischenurteil hinsichtlich des Hilfsantrages entscheidungserheblich mit rechtlichen Argumenten an.

B.

24

Die Berufung des Klägers ist hinsichtlich des Hauptantrages unbegründet, jedoch hinsichtlich des Hilfsantrages begründet.

I.

25

Die Berufung ist nicht begründet, soweit der Kläger mittels einer allgemeinen Feststellungsklage den rechtzeitigen Eingang der Kündigungsschutzklage festgestellt wissen will. Die Klage ist bereits unzulässig, weil sie nicht auf den Bestand bzw. Nichtbestand eines Rechtsverhältnisses abzielt (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO sind ebenfalls nicht gegeben.

26

Auch über § 5 Abs. 4 KSchG wird eine solche Feststellungsklage nicht eröffnet. Die Frage, ob die Klage überhaupt verspätet eingereicht wurde, ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 22.03.2012 – 2 AZR 224/11 – Rn. 14), der sich die Kammer anschließt, in dem Zulassungsverfahren als Vorfrage aufzuklären. Eine Entscheidung über den hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Klage als verspätet ansieht, gestellten Antrag darf daher nur ergehen, wenn die Verspätung vorab festgestellt worden ist.

II.

27

Die Berufung des Klägers ist jedoch, soweit er mit seinem Hilfsantrag die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage verfolgt, begründet.

28

1. Der Antrag ist zulässig.

29

a) Der Kläger hat die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG, wonach der Antrag innerhalb zweier Wochen nach Beseitigung des Hindernisses gestellt werden muss, gewahrt.

30

aa) Das Hindernis ist mit Zugang der Terminsladung zum Gütetermin am 30.08.2013 in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten weggefallen. Diese haben durch den Hinweis auf das Eingangsdatum der Klageschrift davon erfahren, dass jene nach dem dort angebrachten Eingangsstempel erst am 15.08.2013 und damit außerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG bei dem Arbeitsgericht eingegangen sein soll.

31

Zwar fällt das Hindernis nicht erst dann weg, wenn der Kläger positive Kenntnis hiervon erlangt. Ausreichend ist es, wenn er aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei gehöriger Sorgfalt erkennen musste, dass die Frist möglicherweise versäumt ist (BAG 16.03.1988 – 7 AZR 587/87 – juris Rn. 30). Andererseits besteht für den Prozessvertreter keine generelle Verpflichtung, den Eingang von Schriftstücken durch Rückfrage bei Gericht zu überwachen. Eine solche Verpflichtung entsteht erst nach Ablauf einer angemessenen Wiedervorlagefrist, die regelmäßig vier Wochen beträgt (BAG 06.10.2010 – 7 AZR 569/09).

32

bb) Der Antrag, zulässigerweise als Hilfsantrag für den Fall der Verspätung gestellt, ist noch am selben Tage bei dem Arbeitsgericht per Fax eingegangen.

33

b) Weiter entspricht der Antrag vom 30.08.2013 den Vorgaben des § 5 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG, wonach in dem Antrag auf die bereits erhobene Klage Bezug zu nehmen ist. Eine solche Bezugnahme ergibt sich vorliegend aus dem im Antrag aufgeführten Kurzrubrum und der Benennung des Geschäftszeichens des bereits anhängigen Kündigungsschutzrechtsstreits. Darüber hinaus enthält auch der Antrag selbst einen Verweis auf die „verspätete(r) Klage“.

34

c) Schlussendlich sind die Vorgaben des § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG, wonach der Antrag die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten muss, gewahrt.

35

Im Hinblick auf die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist es ausreichend, wenn die antragsbegründenden Tatsachen und die Benennung der Mittel zur Glaubhaftmachung innerhalb der vorgenannten zweiwöchigen Frist nachgereicht werden (BAG 28.05.2009 – 2 AZR 732/08 – Rn. 24; ErfK/Kiel 15. Auflage KSchG § 5 Rn. 25).

36

So verhält es sich vorliegend. Der Kläger hat durch Bezugnahme im Schriftsatz vom 04.09.2013 auf diesem beigefügte eidesstattliche Versicherungen der Frau V und der Frau U die antragsbegründenden Tatsachen vorgebracht und zugleich die Mittel der Glaubhaftmachung – eidesstattliche Versicherung – benannt. Darüber hinaus hat der Kläger bereits im Schriftsatz vom 30.08.2013 die vorgenannten Mitarbeiterinnen seiner Prozessbevollmächtigten als Zeuginnen benannt.

37

Diese Angaben sind, da die vorgenannten Schriftsätze jeweils noch am selben Tage bei dem Arbeitsgericht eingegangen sind, innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG erfolgt.

38

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dem Schriftsatz vom 04.09.2013 auch zu entnehmen, dass der Kläger sich zur Begründung seines Antrages auf den Inhalt der beigefügten eidesstattlichen Versicherung beziehen will. Dies wird aus der Bitte an das Gericht, sofern zur Begründung des Antrages gemäß § 5 KSchGergänzender Vortrag für erforderlich erachtet wird, einen Hinweis zu erteilen, deutlich.

39

2. Der Antrag ist begründet. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage vom 14.08.2013 liegen vor. Gemäß § 5 Abs. 1 KSchG ist die nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhobene Klage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt an einer Klageerhebung verhindert war.

40

a) Der Kläger hat die Klagefrist nicht gewahrt. Nach dem sich bietenden Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, geht auch die Berufungskammer davon aus, dass die Kündigungsschutzklage erst am 15.08.2013 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist. Der Kläger konnte den Beweiswert des Eingangsstempels auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens in der Berufungsbegründung nicht zweifelsfrei widerlegen.

41

b) Er hat jedoch nach dem Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere aufgrund der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Frau V und der Frau U sowie deren zeugenschaftlicher Vernehmung glaubhaft gemacht, dass er die Frist schuldlos i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG versäumt hat.

42

aa) Ein Sorgfaltsverstoß des Klägers selbst scheidet vorliegend erkennbar aus.

43

bb) Ebenso wenig liegt ein dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbarer Sorgfaltsverstoß seiner Prozessbevollmächtigten (BAG 11.12.2008 – 2 AZR 472/08) vor.

44

Über die vorgenannte Zurechnungsnorm hat die Partei für das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten einzustehen. Erfasst hiervon wird eigenes Fehlverhalten des Parteivertreters. Keine Zurechnung erfolgt hinsichtlich eines Fehlverhaltens des mit der Mandatsabwicklung betrauten Büropersonals. Jedoch liegt ein der Partei zurechenbares eigenes Verschulden des Vertreters vor, wenn der eingetretene Fehler auf einer von ihm zu verantwortenden fehlerhaften Büroorganisation beruht. Dabei ist der Prozessvertreter grundsätzlich berechtigt, einfache Arbeitsvorgänge auf die geschulten Mitarbeiter zu übertragen. Hierzu zählt insbesondere der Transport von fristgebundenen Schriftsätzen von der Kanzlei zum Gericht (ErfK/Kiel a. a. O. Rn. 8). Auf Mängel in der Kanzleiorganisation kommt es dann nicht an, wenn der Anwalt eine klare und präzise Anweisung für den konkreten Fall erteilt hat, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte. Da der Anwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die einem zuverlässigen Mitarbeiter erteilte Einzelanweisung befolgt wird, ist für die Fristversäumung dann nicht die Büroorganisation, sondern der individuelle Fehler des Mitarbeiters ursächlich (BAG 07.07.2011 – 2 AZR 38/10 – Rn. 24).

45

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat der Kläger glaubhaft machen können (§ 294 ZPO), dass ein verspäteter Einwurf der Klageschrift in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle, wovon für die Entscheidungsfindung auszugehen ist (siehe oben 2. a.), jedenfalls nicht auf einem Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten, sondern allenfalls auf einem Fehler einer der dort tätigen Mitarbeiterinnen beruht. Aus den eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbeiterinnen V und U sowie aus deren zeugenschaftlicher Vernehmung ergibt sich für die Berufungskammer glaubhaft, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14.08.2013 sowohl die Einzelanweisung hinsichtlich der Erstellung der Klageschrift als auch hinsichtlich des Einwurfs derselben nach Unterzeichnung noch am selben Tage in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums Halle in eindeutiger und präziser Form gegenüber diesen Mitarbeiterinnen erteilt haben. Aus der eidesstattlichen Versicherung der Frau U, bestätigt durch ihre Zeugenaussage, ergibt sich weiter, dass die sachbearbeitende Rechtsanwältin F sich kurz vor Feierabend telefonisch bei der Zeugin erkundigt hat, ob die Frist erledigt sei, was die Zeugin ihr gegenüber bestätigte.

46

Zur Überzeugung der Kammer hat der Kläger den vorstehenden Sachverhalt glaubhaft (§ 294 ZPO) i. S. einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGH 09.02.1998 – II ZB 15/97) machen können. Dabei kann dahinstehen, ob dies auch für den Transport der Klageschrift von den Kanzleiräumen zum Nachtbriefkasten und des sich anschließenden Einwurfs gilt. Hierauf kommt es für die Bewertung des Verhaltens der Klägervertreter nicht an. Diesen ist jedenfalls kein Pflichtverstoß dahin vorzuwerfen, dass sie im konkreten Einzelfall den Transport der Klageschrift zu dem Justizzentrum Halle noch am selben Tag nicht sorgfältig organisiert haben. Hierzu lag eine klare Weisung der sachbearbeitenden Rechtsanwältin F vor. Der Transport und der Einwurf in den Briefkasten des Justizzentrums Halle ist aufgrund der unmittelbar neben dem Justizzentrum gelegenen Kanzleiräume als wenig fehlerträchtig anzusehen. Wenn darüber hinaus von der Rechtsanwältin F die Ausführung der Weisung durch telefonische Nachfrage am selben Tage überwacht wird, so ist eine Sorgfaltswidrigkeit ihrerseits damit ausgeschlossen.

III.

47

Nach alledem war das Rechtsmittel des Klägers hinsichtlich des Hilfsantrages erfolgreich.

C.

48

Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.

D.

49

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

50

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.


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(1) War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat.

(2) Mit dem Antrag ist die Klageerhebung zu verbinden; ist die Klage bereits eingereicht, so ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen. Der Antrag muß ferner die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.

(3) Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.

(4) Das Verfahren über den Antrag auf nachträgliche Zulassung ist mit dem Verfahren über die Klage zu verbinden. Das Arbeitsgericht kann das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. In diesem Fall ergeht die Entscheidung durch Zwischenurteil, das wie ein Endurteil angefochten werden kann.

(5) Hat das Arbeitsgericht über einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung nicht entschieden oder wird ein solcher Antrag erstmals vor dem Landesarbeitsgericht gestellt, entscheidet hierüber die Kammer des Landesarbeitsgerichts. Absatz 4 gilt entsprechend.

(1) Im ersten Rechtszug sind die Arbeitsgerichte zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet die Berufung an die Landesarbeitsgerichte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 statt.

(3) Gegen die Urteile der Landesarbeitsgerichte findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 statt.

(4) Gegen die Beschlüsse der Arbeitsgerichte und ihrer Vorsitzenden im Beschlußverfahren findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 87 statt.

(5) Gegen die Beschlüsse der Landesarbeitsgerichte im Beschlußverfahren findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 92 statt.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat.

(2) Mit dem Antrag ist die Klageerhebung zu verbinden; ist die Klage bereits eingereicht, so ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen. Der Antrag muß ferner die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.

(3) Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.

(4) Das Verfahren über den Antrag auf nachträgliche Zulassung ist mit dem Verfahren über die Klage zu verbinden. Das Arbeitsgericht kann das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. In diesem Fall ergeht die Entscheidung durch Zwischenurteil, das wie ein Endurteil angefochten werden kann.

(5) Hat das Arbeitsgericht über einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung nicht entschieden oder wird ein solcher Antrag erstmals vor dem Landesarbeitsgericht gestellt, entscheidet hierüber die Kammer des Landesarbeitsgerichts. Absatz 4 gilt entsprechend.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 2. Februar 2011 - 11 Sa 17/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier fristloser Kündigungen. In diesem Zusammenhang streiten sie vorab darüber, ob die Klage gegen eine der Kündigungen verspätet und ggf. nachträglich zuzulassen ist.

2

Die Beklagte betreibt das Krankenhaus M. Der Kläger war dort seit dem 7. Februar 1983 als „OP-Pfleger“ beschäftigt. In der Zeit vom 12. bis 27. Juni 2009 hatte er Erholungsurlaub und hielt sich im Ausland auf.

3

Bei seiner Rückkehr am 27. Juni 2009 fand er in seinem Briefkasten ein Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 und ein weiteres vom 26. Juni 2009 vor. Im Schreiben vom 25. Juni 2009 erklärte die Beklagte eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen „Arbeitszeitbetrugs“ am 2. Juni 2009. Im Schreiben vom 26. Juni 2009 erklärte sie eine außerordentliche Kündigung, weil der Kläger am 12. Juni 2009 unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei, um seinen Urlaub „mit einem Flug nach K vorzeitig anzutreten“.

4

Am 9. Juli 2009 erhob der Kläger zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts Klage mit dem Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26. Juni 2009 nicht aufgelöst worden sei. Er legte der Antragsstelle zwar das Kündigungsschreiben vom 26. Juni 2009, nicht aber das vom 25. Juni 2009 vor. Am 13. Juli 2009 suchte der Kläger einen Rechtsanwalt auf und zeigte ihm die Klageschrift vom 9. Juli 2009 sowie beide Kündigungsschreiben; am 16. Juli 2009 entzog er ihm die Vollmacht wieder.

5

Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2009, der am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, erhob der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers Klage auch gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009. In der Klagebegründung heißt es, das Schreiben vom 25. Juni 2009 sei dem Kläger zusammen mit dem zweiten Kündigungsschreiben am 27. Juni 2009 zugegangen.

6

Mit Schriftsatz vom 18. August 2009, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen am 20. August 2009, behauptete die Beklagte, das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 sei noch am selben Tag in den Briefkasten des Klägers eingeworfen worden.

7

Mit Schriftsatz vom 3. September 2009, beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangen, beantragte der Kläger, die gegen die außerordentliche Kündigung vom 25. Juni 2009 gerichtete Klage nachträglich zuzulassen.

8

Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Kündigungserklärung vom 25. Juni 2009 noch am selben Tag in seinen Briefkasten eingeworfen worden sei. Er hat die Auffassung vertreten, die gegen diese Kündigung gerichtete Klage sei für den Fall, dass dem doch so gewesen sei, nachträglich zuzulassen. Er habe annehmen dürfen, dass er mit seiner Klage gegen die Kündigung vom 26. Juni 2009 zugleich die Kündigung vom Tag zuvor angegriffen habe. Auch habe er annehmen dürfen, dass die Klagefrist erst begonnen habe, nachdem er von den Kündigungserklärungen am 27. Juni 2009 tatsächlich Kenntnis erhalten habe. Er habe ferner davon ausgehen können, dass der ursprünglich von ihm beauftragte Rechtsanwalt noch vor der Mandatsbeendigung die Klage entsprechend erweitert habe. Der Kläger hat behauptet, erst mit Zugang des Schriftsatzes vom 18. August 2009 davon erfahren zu haben, dass die Beklagte das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 noch am Ausstellungstag in seinen Briefkasten eingelegt haben will.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 25. Juni 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die mit Schriftsatz vom 17. Juli 2009 erhobene Klage gegen die fristlose Kündigung vom 25. Juni 2009 nachträglich zuzulassen;

        

3.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. Juni 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

4.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Tatbestände geendet hat, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 26. Juni 2009 hinaus fortbesteht.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 nicht rechtzeitig Klage erhoben.

11

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung durch Zwischenurteil zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 war verspätet. Gründe für ihre nachträgliche Zulassung liegen nicht vor.

13

I. Gegenstand der Revision ist allein der Zwischenstreit über den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung seiner Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009.

14

1. Das Arbeitsgericht hat das Verfahren zunächst auf den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage beschränkt und darüber durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) entschieden. Dies ist auch nach Einführung des sog. Verbundverfahrens zum 1. April 2008 gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 KSchG zulässig. Im Rahmen des Zwischenstreits ist zu prüfen, ob die Klage verspätet war und ggf. nachträglich zuzulassen ist. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist ein Hilfsantrag für den Fall, dass die Klage verspätet ist. Das Gericht darf daher über den Antrag nur entscheiden, wenn es zu der Ansicht gelangt ist, der Kläger habe gegen eine dem Arbeitgeber zuzurechnende Kündigung verspätet Klage erhoben (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 732/08 - Rn. 17, BAGE 131, 105; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 46 Rn. 118).

15

2. Nach rechtskräftigem Abschluss des Zwischenstreits hat das Arbeitsgericht unter Beachtung von § 318 ZPO von Amts wegen abschließend über die Kündigungsschutzklage zu entscheiden.

16

II. Die Revision ist unbegründet. Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

17

1. Der Antrag ist gem. § 5 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG zulässig. Er ist insbesondere innerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gestellt worden. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, der Kläger habe entsprechend seinem Vorbringen erst am 20. August 2009 erfahren, dass das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 noch an diesem Tag in seinen Briefkasten eingeworfen worden sei. Mit seinem am 3. September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger folglich innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG beantragt, die gegen diese Kündigung gerichtete Klage nachträglich zuzulassen.

18

2. Der Antrag ist unbegründet.

19

a) Die am 17. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 wahrte nicht die Frist des § 4 Satz 1 KSchG. Das Kündigungsschreiben war dem Kläger iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB noch am 25. Juni 2009 zugegangen. Die Kündigungsschutzklage hätte daher spätestens am 16. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingehen müssen. Die am 9. Juli 2009 zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle erhobene Klage richtete sich allein gegen die Kündigung vom 26. Juni 2009. Der Beklagten ist es auch mit Blick auf § 242 BGB nicht verwehrt, sich auf die Versäumung der Frist für eine Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 zu berufen.

20

aa) Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht.

21

(1) Eine verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen (BAG 11. November 1992 - 2 AZR 328/92 - zu III 1 der Gründe, AP BGB § 130 Nr. 18 = EzA BGB § 130 Nr. 24; 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu I 1 der Gründe, BAGE 58, 9; BGH 11. April 2002 - I ZR 306/99 - zu II der Gründe, NJW 2002, 2391). Zum Bereich des Empfängers gehören auch von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie zB ein Briefkasten (Palandt/Ellenberger 70. Aufl. § 130 BGB Rn. 5). Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen (BAG 8. Dezember 1983 - 2 AZR 337/82 - zu B II 2 a der Gründe, AP BGB § 130 Nr. 12 = EzA BGB § 130 Nr. 13; BGH 3. November 1976 - VIII ZR 140/75 - zu 2 b aa der Gründe, BGHZ 67, 271; Palandt/Ellenberger aaO; Staudinger/Dilcher BGB § 130 Rn. 21). So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist (vgl. BAG 8. Dezember 1983 - 2 AZR 337/82 - aaO; Palandt/Ellenberger aaO Rn. 6; jurisPK-BGB/Reichold 5. Aufl. § 130 Rn. 12). Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren (vgl. BGH 21. Januar 2004 - XII ZR 214/00 - zu II 2 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 130 Nr. 3; Palandt/Ellenberger aaO). Bei Hausbriefkästen ist mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen, die allerdings stark variieren können (Reichold aaO).

22

(2) Wenn danach für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob und wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war (BAG 11. November 1992 - 2 AZR 328/92 - zu III 1 der Gründe, AP BGB § 130 Nr. 18 = EzA BGB § 130 Nr. 24; 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu I 1 der Gründe, BAGE 58, 9; BGH 21. Januar 2004 - XII ZR 214/00 - zu II 2 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 130 Nr. 3). In diesem Fall trifft den Empfänger die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, so wird der Zugang durch solche - allein in seiner Person liegende - Gründe nicht ausgeschlossen (BGH 21. Januar 2004 - XII ZR 214/00 - aaO). Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben kann diesem deshalb selbst dann zugehen, wenn der Arbeitgeber von einer urlaubsbedingten Ortsabwesenheit weiß (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu I 4 a der Gründe, BAGE 58, 9).

23

Daran hält der Senat auch angesichts der Kritik der Revision fest. Es besteht keine rechtliche Notwendigkeit, dem Urlaub des Arbeitnehmers allein in der Rechtsbeziehung zum Arbeitgeber eine zugangshemmende Wirkung zukommen zu lassen, während dies im sonstigen Rechtsverkehr nicht der Fall ist (BAG 11. August 1988 - 2 AZR 11/88 - zu III 1 der Gründe, RzK I 2c Nr. 14; 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu I 1 der Gründe mwN, BAGE 58, 9). Ist ein Arbeitnehmer infolge von Urlaubsabwesenheit unverschuldet an einer rechtzeitigen Klageerhebung nach § 4 Satz 1 KSchG gehindert, besteht die Möglichkeit einer nachträglichen Zulassung seiner Klage gemäß § 5 KSchG. Dem Arbeitgeber wiederum muss es möglich sein, den Zugang einer Kündigung auch während einer urlaubsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers zu bewirken, nicht zuletzt, um Erklärungsfristen wie etwa nach § 626 Abs. 2 BGB wahren zu können.

24

bb) Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 durch Einwurf in seinen Hausbriefkasten gegen 13:00 Uhr noch am selben Tag zugegangen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

25

(1) Das Landesarbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme für wahr gehalten, dass das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 an diesem Tag gegen 13:00 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen wurde.

26

(a) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüfbar. Dieses kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist nur, ob das Berufungsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist und ob sie rechtlich möglich ist. Dabei verlangt die Berücksichtigung der Ergebnisse einer Beweisaufnahme nicht eine Würdigung jeder einzelnen Ausführung eines Sachverständigen oder Zeugen. Ausreichend ist, dass das Berufungsgericht insgesamt widerspruchsfrei und umfassend zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hat. Zu verlangen ist allerdings, dass alle wesentlichen Aspekte in der Begründung des Gerichts erwähnt und gewürdigt worden sind (BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 51, EzA TzBfG § 17 Nr. 14; 18. Januar 2007 - 2 AZR 759/05 - Rn. 28, PatR 2008, 34; BGH 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - zu B II 3 a der Gründe, NJW 1993, 935).

27

(b) Unter Anwendung dieser Grundsätze hält die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat insgesamt widerspruchsfrei und umfassend zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen. Es hat die Aussage des Zeugen T insbesondere deshalb für glaubhaft gehalten, weil sie sich in den wesentlichen Geschehensabläufen mit derjenigen des Zeugen Ko decke.

28

(aa) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht keine wesentlichen Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt gelassen.

29

Der Kläger macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe nicht gewürdigt, dass der Zeuge T die Unwahrheit gesagt haben müsse, als er bekundete, er habe nicht gewusst, dass der Kläger ortsabwesend gewesen sei. Dies ergebe sich daraus, dass die Kündigung vom 26. Juni 2009 damit begründet worden sei, er - der Kläger - habe mit einem Flug nach K am 12. Juni 2009 vorzeitig seinen Urlaub angetreten, und der Zeuge T bekundet habe, die Kündigungsschreiben selbst erstellt zu haben.

30

Der vermeintliche Widerspruch in der Aussage des Zeugen besteht nicht. Es kann dahinstehen, ob sich das Landesarbeitsgericht anderenfalls damit hätte auseinandersetzen müssen. Der Zeuge hat nicht bekundet, er habe „die“, also beide Kündigungsschreiben selbst erstellt. Er hat lediglich ausgesagt, er habe „am 25. Juni 2009“ „ein bereits vorgefertigtes Kündigungsschreiben“ einem der Geschäftsführer zur Unterschrift vorgelegt bzw. „das Kündigungsschreiben selbst vorbereitet“. Die Aussage betraf die Kündigung vom 25. Juni 2009. Auch Thema des Beweises war nur das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009. Zudem müsste der Zeuge selbst dann, wenn er auch das Kündigungsschreiben vom 26. Juni 2009 gefertigt hätte, nicht zwangsläufig schon am 25. Juni 2009 Kenntnis von der Auslandsreise des Klägers gehabt haben. Im Übrigen folgt aus einer Kenntnis des Umstands, dass der Kläger am 12. Juni 2009 nach K geflogen ist, nicht notwendig, es habe bekannt sein müssen, dass er auch am 25. Juni 2009 noch ortsabwesend war.

31

Der Kläger rügt ferner, es sei ungewürdigt geblieben, dass der Zeuge in der Güteverhandlung als Vertreter der Beklagten anwesend gewesen und zudem bereits vom Arbeitsgericht vernommen worden sei. Entgegen der Auffassung des Klägers musste das Landesarbeitsgericht jedoch auf diese Umstände nicht noch einmal gesondert eingehen. Der Umstand, dass der Zeuge schon erstinstanzlich vernommen wurde, war für das Gericht ersichtlich ohne besondere Bedeutung für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit. Das ist ohne Weiteres nachzuvollziehen. Auch der Kläger begründet nicht näher, warum dieser Umstand gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen spreche. Er macht nicht etwa geltend, es habe Widersprüche zwischen erst- und zweitinstanzlicher Aussage gegeben. Soweit der Zeuge als Vertreter der Beklagten am Gütetermin teilgenommen hatte, hat das Landesarbeitsgericht diesen Umstand nicht unberücksichtigt gelassen. Zum einen hat es sich die Begründung des Arbeitsgerichts zu Eigen gemacht, welches den Zeugen ausdrücklich auch unter Berücksichtigung seiner Anwesenheit in der Güteverhandlung für glaubwürdig gehalten hat. Zum anderen ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen, in denen die Anwesenheit des Zeugen im Gütetermin erneut thematisiert wird, dass es diesen Umstand nicht übersehen hat.

32

(bb) Es stellt - anders als der Kläger meint - keinen Verstoß gegen Denkgesetze dar, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die in Anwesenheit des Zeugen T erfolgte Darstellung des Geschäftsführers der Beklagten im Gütetermin, die Kündigung vom 26. Juni 2009 sei erst am 27. Juni 2009 in den Briefkasten eingeworfen worden, beruhe auf einer Information durch Dritte. Für das Landesarbeitsgericht war der Widerspruch zwischen dieser Darstellung des Geschäftsführers und der Aussage des Zeugen T über den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 26. Juni 2009 schon deshalb nicht entscheidend, weil Gegenstand der Beweisaufnahme nicht die Kündigung vom 26. Juni 2009, sondern diejenige vom 25. Juni 2009 war. Soweit es ausgeführt hat, ohnehin seien Datumsangaben, zumal wenn sie auf der Information Dritter beruhten, erfahrungsgemäß irrtumsanfällig, stellt es ersichtlich darauf ab, der Geschäftsführer habe die Erklärung nicht aus eigener Kenntnis der Umstände abgegeben, sondern nach Information durch eine andere Person. Der Kläger behauptet nicht, es habe sich entgegen dieser Annahme um eine Erklärung des Zeugen T selbst gehandelt. Dies ergibt sich auch nicht aus der Sitzungsniederschrift über die Güteverhandlung. Darin ist lediglich eine Erklärung „des Beklagtenvertreters“ vermerkt, ohne nähere Angabe dazu, welcher der beiden Beklagtenvertreter sie abgegeben hat.

33

(2) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 sei dem Kläger am selben Tag iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen, weil nach den objektiv zu bestimmenden gewöhnlichen Verhältnissen bei einem Einwurf in den Hausbriefkasten gegen 13:00 Uhr mit einer Kenntnisnahme noch am selben Tag zu rechnen gewesen sei.

34

(a) Allerdings lässt sich dem nicht - wie nach der Zweitbegründung des Landesarbeitsgerichts - die Annahme zugrunde legen, es sei wegen der zwischenzeitlich erfolgten „Liberalisierung“ der Briefzustellung mit Einwürfen in einen vorgehaltenen Hausbriefkasten - allgemein oder ortsüblich - noch bis 17:00 Uhr eines Tages zu rechnen. Das Landesarbeitsgericht hat zu den tatsächlichen Grundlagen einer solchen - gewandelten - Verkehrsanschauung keine Feststellungen getroffen. Es ist auch nicht ersichtlich, auf welches möglicherweise eigene Erfahrungswissen es insoweit abgestellt hätte.

35

(b) Hingegen ist die Erstbegründung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Danach war am Wohnort des Klägers jedenfalls bis 14:00 Uhr gewöhnlich mit Zustellungen zu rechnen. Hierfür stützt sich das Landesarbeitsgericht maßgeblich auf die Auskunft der Deutschen Post AG vom 16. Juli 2010. Dieser zufolge beginnt die Zustellung am Wohnort des Klägers in der Regel um 8:15 Uhr und endet „mit Erreichung der gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften“. Der beispielhaft beigelegte Dienstplan weist für den zuständigen Zusteller eine Dienstzeit an vier von sechs Arbeitstagen bis 14:05 Uhr aus.

36

Es hält sich innerhalb des Wertungsspielraums der Tatsacheninstanz, wenn das Landesarbeitsgericht auch angesichts der Ausführungen im letzten Absatz der Auskunft nicht davon ausgegangen ist, am Wohnort des Klägers sei mit Briefzustellungen gewöhnlich nur bis zu einem Zeitpunkt vor 14:00 Uhr, oder gar - mit Blick auf den Streitfall - vor 13:00 Uhr zu rechnen gewesen. Die Deutsche Post AG hat dort mitgeteilt: „Bei normalen Sendungsaufkommen und der Tatsache, dass sich der Zustellabschnitt in der ersten Hälfte befindet, können wir von einer Zustellzeit gegen Mittag ausgehen“. Zum einen bezeichnet die Angabe „gegen Mittag“ keine eindeutige Uhrzeit. Zum anderen ergibt sich aus dem Hinweis auf den Umfang des Sendungsaufkommens und die Lage des Zustellabschnitts, dass zeitliche Schwankungen oder Veränderungen nicht ausgeschlossen sind.

37

(c) Darauf, ob die Beklagte bei Einwurf des Kündigungsschreibens vom 25. Juni 2009 Kenntnis vom Aufenthalt des Klägers im Ausland hatte, kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht an. Maßgeblich ist allein, ob unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme des Kündigungsschreibens durch den Kläger noch am 25. Juni 2009 zu rechnen war. Hierfür ist im Interesse der Rechtssicherheit auf die üblichen Zustellzeiten der Briefpost abzustellen, nicht auf persönliche Besonderheiten des Erklärungsempfängers. Im Übrigen lässt sich daraus, dass im Schreiben vom 26. Juni 2009 als Kündigungsgrund angegeben ist, der Kläger habe durch einen Flug nach K am 12. Juni 2009 vorzeitig seinen Urlaub angetreten, nicht schließen, der Beklagten habe bekannt sein müssen, dass sich der Kläger auch am 25. Juni 2009 noch im Ausland aufhielt.

38

cc) Gegen die demnach noch am 25. Juni 2009 zugegangene Kündigung vom selben Tag hätte der Kläger nach § 4 Satz 1 KSchG spätestens am 16. Juli 2009 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB) Kündigungsschutzklage erheben müssen. Die Kündigung ist jedoch erst mit der am 17. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. Die am 9. Juli 2009 zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle erhobene Klage hat die Klagefrist in Bezug auf diese Kündigung nicht gewahrt. Sie richtete sich nur gegen die Kündigung vom 26. Juni 2009 und enthielt keinen allgemeinen Feststellungsantrag. Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung der Vorinstanzen handelte es sich bei den Kündigungserklärungen vom 25. und 26. Juni 2009 nicht etwa nur um eine einzige, lediglich doppelt verlautbarte Kündigung (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 17, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Nr. 208 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 18). Es lagen vielmehr zwei eigenständige Kündigungen vor. Das Arbeitsgericht und ihm folgend das Landesarbeitsgericht stellen rechtsfehlerfrei darauf ab, die Kündigungsschreiben ließen sich auch nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont nur als zwei nebeneinander gewollte, jeweils eigenständig auf eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Willenserklärungen verstehen. So tragen die Kündigungsschreiben verschiedene Daten, die Beklagte hat darin jeweils ausdrücklich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ausgesprochen und sie hat die Kündigungen auf unterschiedliche, in den Kündigungsschreiben im einzelnen näher ausgeführte Kündigungssachverhalte gestützt.

39

dd) Im Streitfall kann dahinstehen, ob besondere Umstände in Betracht kommen, unter denen sich ein Arbeitgeber nach § 242 BGB ausnahmsweise nicht auf einen Zugang eines an die Heimatanschrift gerichteten Kündigungsschreibens berufen kann, wenn er die Urlaubsanschrift des Arbeitnehmers kannte(vgl. BAG 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu I 4 a der Gründe, BAGE 58, 9). Der Kläger hat nicht behauptet, der Beklagten sei seine Urlaubsanschrift bekannt gewesen.

40

b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, Gründe für eine nachträgliche Zulassung der Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 lägen nicht vor, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Kläger greift sie mit der Revision auch nicht mehr an.

41

aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig beim Arbeitsgericht zu erheben. Dabei ist ihm das Verschulden eines (Prozess-)Bevollmächtigten an der Versäumung der gesetzlichen Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen(vgl. BAG 11. Dezember 2008 - 2 AZR 472/08 - Rn. 23, BAGE 129, 32).

42

bb) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er unverschuldet iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG daran gehindert gewesen wäre, die Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 rechtzeitig zu erheben.

43

(1) Trotz seiner Urlaubsabwesenheit wäre es ihm möglich gewesen, rechtzeitig bis zum Ablauf der Drei-Wochen-Frist am 16. Juli 2009 Klage auch gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 zu erheben. Er hat nach seiner Rückkehr am 27. Juni 2009 die Kündigung vom 25. Juni 2009 zusammen mit derjenigen vom 26. Juni 2009 in seinem Briefkasten vorgefunden.

44

(2) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, das Vorbringen des Klägers, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass er gegen jede einzelne Kündigung vorgehen müsse, schließe sein Verschulden nicht aus. Es gehört zu den für jeden Arbeitnehmer geltenden Sorgfaltspflichten, sich zumindest nach Ausspruch einer Kündigung unverzüglich darum zu kümmern, ob und wie er dagegen vorgehen kann (vgl. BAG 26. August 1993 - 2 AZR 376/93 - zu B I 2 c aa der Gründe, AP LPVG NW § 72 Nr. 8 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 47; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 5 KSchG Rn. 11).

45

(3) Ob der Kläger selbst das Unterbleiben der rechtzeitigen Klageerhebung gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 zu vertreten hat, weil er dem am 13. Juli 2009 unter Vorlage beider Kündigungsschreiben mandatierten Rechtsanwalt das Mandat noch während des Laufs der Klagefrist wieder entzogen hat, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn dieser die Versäumung der Klagefrist zu vertreten hätte, müsste sich der Kläger das nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Ebenso kann wegen dieser Bestimmung dahinstehen, ob eine uU auch nach Mandatierung seines jetzigen Prozessbevollmächtigten noch mögliche rechtzeitige Klageerweiterung infolge von dessen oder infolge eigenen Verschuldens des Klägers unterblieben ist.

46

(4) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Klagefrist gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 sei nicht wegen eines unverschuldeten Irrtums der Prozessbevollmächtigten darüber, wann die Kündigung dem Kläger zugegangen sei, versäumt worden. Vielmehr habe der Bevollmächtigte angesichts des Datums des Kündigungsschreibens und des zweifelsfrei erkennbaren Umstands, dass dieses nicht mit der Post befördert worden sei, einen Zugang bereits am 25. Juni 2009 in Betracht ziehen müssen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Irrtum über die für die Fristberechnung erheblichen tatsächlichen Umstände kann nur dann zur nachträglichen Klagezulassung führen, wenn er unverschuldet ist (vgl. für die Wiedereinsetzung Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 233 Rn. 23 Stichwort „Irrtum“). Das war hier nicht der Fall. Vielmehr muss auch die mögliche Unrichtigkeit einer Parteiinformation in Betracht gezogen und müssen bestehende Zweifel ausgeräumt werden (vgl. Zöller/Greger aaO).

47

III. Die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat der Kläger zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

(1) War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat.

(2) Mit dem Antrag ist die Klageerhebung zu verbinden; ist die Klage bereits eingereicht, so ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen. Der Antrag muß ferner die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.

(3) Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.

(4) Das Verfahren über den Antrag auf nachträgliche Zulassung ist mit dem Verfahren über die Klage zu verbinden. Das Arbeitsgericht kann das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. In diesem Fall ergeht die Entscheidung durch Zwischenurteil, das wie ein Endurteil angefochten werden kann.

(5) Hat das Arbeitsgericht über einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung nicht entschieden oder wird ein solcher Antrag erstmals vor dem Landesarbeitsgericht gestellt, entscheidet hierüber die Kammer des Landesarbeitsgerichts. Absatz 4 gilt entsprechend.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. Juni 2009 - 5 Sa 368/09 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die nachträgliche Zulassung einer auf dem Postweg verlorenen Befristungskontrollklage.

2

Die Klägerin war zuletzt aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Mai 2008 bei der Beklagten als Projektmanagerin beschäftigt. Mit der am 28. Juli 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sie die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2008 angegriffen und die vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt. Zugleich hat sie die nachträgliche Zulassung der Klage begehrt. Zur Begründung hat sie vorgetragen und durch anwaltliche sowie eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, sie habe ihrem Prozessbevollmächtigten am 11. Juni 2008 einen Klageauftrag erteilt. Dieser habe die Klage am 12. Juni 2008 diktiert und am 13. Juni 2008 unterschrieben. Noch am gleichen Tage sei die Klage von der Bürovorsteherin ordnungsgemäß an das Arbeitsgericht adressiert und ausreichend frankiert in den Briefkasten geworfen worden. Aufgrund der anwaltlich verfügten Wiedervorlage der Akte am Freitag, dem 11. Juli 2008, habe ihr Anwalt festgestellt, dass noch keine Ladung zur Güteverhandlung eingegangen sei. Am darauffolgenden Montag, dem 14. Juli 2008, habe er bei der Eingangsregistratur des Arbeitsgerichts angerufen und erfahren, dass die Klage dort nicht vorliege.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Klage sei nachträglich zuzulassen. Ihren Prozessbevollmächtigten, der die Klageschrift zehn Tage vor Ablauf der Klagefrist rechtzeitig und vollständig auf den Postweg gebracht habe, treffe kein Verschulden am Unterbleiben der Briefbeförderung und damit an der Nichteinhaltung der Klagefrist. Ein Anwalt sei grundsätzlich nicht gehalten, zusätzlich zu der von ihm eingerichteten Postausgangskontrolle den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen. Nur wenn sich Zweifel am rechtzeitigen Eingang der Klageschrift aufdrängen müssten, könne eine derartige Nachfrage geboten sein. Seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht habe der Anwalt vorliegend entsprochen, indem er eine Wiedervorlage von vier Wochen verfügt und sich anschließend nach der Ladung zur Güteverhandlung erkundigt habe.

4

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - beantragt,

        

die Klage nachträglich zuzulassen.

5

Die Beklagte hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat den Standpunkt eingenommen, der zum 28. Juli 2008 eingegangene Antrag auf nachträgliche Zulassung der Befristungskontrollklage sei verspätet. Die zweiwöchige Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG, § 17 Satz 2 TzBfG beginne zu laufen, wenn der Prozessbevollmächtigte bei zumutbarer Sorgfalt Kenntnis von der Versäumung der Klagefrist hätte erlangen können. Dies sei bereits vor dem 14. Juli 2008 der Fall gewesen. Bleibe eine gerichtliche Ladung drei Wochen nach Klageeinreichung aus, gehöre es zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten, sich nach dem Klageeingang bei Gericht zu erkundigen. Selbst wenn man aber eine vierwöchige Wiedervorlagefrist als angemessen erachte, habe der Klägerinvertreter spätestens am Tag der Wiedervorlage Kenntnis von der Versäumung der Klagefrist erlangen können. Die Frist für den Antrag auf nachträgliche Zulassung habe dann am 25. Juli 2008 geendet.

6

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung durch Zwischenurteil abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht dem Antrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Befristungskontrollklage zu Recht nachträglich zugelassen. Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung ist zulässig und begründet. Er ist entgegen der Auffassung der Revision rechtzeitig gestellt worden.

8

I. Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung ist zulässig.

9

1. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages unwirksam ist, so muss er nach § 17 Satz 1 TzBfG innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. War er trotz der Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen zu erheben, so ist sie nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG nachträglich zuzulassen. Nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KSchG ist mit dem Antrag die Klageerhebung zu verbinden. Nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG muss der Antrag die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten. Nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist der Antrag nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig.

10

a) Für die Frage, wann das Hindernis, das in der unverschuldeten Unkenntnis vom Nichteingang oder vom verspäteten Eingang einer Klage nach § 17 Satz 1 TzBfG besteht, im Sinne von § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 3 Satz 1 TzBfG behoben ist, sind die zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 234 Abs. 2 ZPO entwickelten Grundsätze zu übertragen. Die möglichen Probleme, die durch eine Verzögerung oder den Verlust bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze entstehen können, sind in den Fällen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der nachträglichen Klagezulassung völlig gleich gelagert (vgl. BVerfG 25. Februar 2000 - 1 BvR 1363/99 - zu B I 1 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 5 Nr. 13 = EzA KSchG § 5 Nr. 32).

11

b) Unter der Behebung des Hindernisses ist der Zeitpunkt zu verstehen, in dem der Prozessbeteiligte bzw. sein Bevollmächtigter von der Fristversäumung Kenntnis erhalten hat oder bei ordnungsgemäßer Verfolgung der Rechtssache hätte haben können. Liegen also Umstände vor, die zu Zweifeln führen, ob die Rechtsmittelfrist eingehalten worden ist, oder hätten der Partei oder ihrem Anwalt aufgrund solcher Umstände Zweifel kommen müssen, so beginnt die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG spätestens in dem Zeitpunkt, in dem sie durch Nachfrage Gewissheit über die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung hätte erlangen können(vgl. BVerfG 11. Januar 1991 - 1 BvR 1435/89 - zu II der Gründe, NJW 1992, 38). Dabei wird der Partei ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet(vgl. zur Zurechnung von Vertreterverschulden bei der Versäumnis der Klagefrist BAG 11. Dezember 2008 - 2 AZR 472/08 - Rn. 20 ff., BAGE 129, 32).

12

aa) Bei der Beurteilung, wann ein Prozessbeteiligter oder sein Bevollmächtigter bei ordnungsgemäßer Verfolgung der Rechtssache Kenntnis von der Fristversäumung hätte haben können, sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Nach dem durch Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes darf den Parteien der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Deshalb dürfen die Gerichte die Anforderungen bei der Auslegung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannen (BVerfG 25. Februar 2000 - 1 BvR 1363/99 - zu B I 1 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 5 Nr. 13 = EzA KSchG § 5 Nr. 32). Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG schützen allerdings nicht denjenigen, der der Wahrung seines Rechts mit vermeidbarer Gleichgültigkeit gegenübersteht. Vielmehr ist von dem Prozessbeteiligten bzw. seinem Bevollmächtigten zu verlangen, von sich aus zum Wegfall des Hindernisses beizutragen und entsprechende zumutbare Anstrengungen zu unternehmen (BVerfG 11. Januar 1991 - 1 BvR 1435/89 - zu II der Gründe mwN, NJW 1992, 38).

13

bb) Hiernach trifft einen Anwalt, sofern eine Postsendung genügend adressiert und frankiert wurde, grundsätzlich keine Pflicht, sich nach dem Eingang des Schriftsatzes bei Gericht zu erkundigen. Er darf vielmehr auf eine ordnungsgemäße Briefbeförderung vertrauen (vgl. BVerfG 28. März 1994 - 2 BvR 814/93 - zu B I der Gründe, EzA ZPO § 233 Nr. 20; BGH 18. März 1953 - II ZR 182/52 - BGHZ 9, 118; BAG 5. Mai 1995 - 4 AZR 258/95 (A) - zu B der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 233 Nr. 38 = EzA ZPO § 233 Nr. 30). Hat der Anwalt ein Schriftstück rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben und damit alles Erforderliche zur Wahrung der gesetzlichen Frist veranlasst, dann wird eine Erkundigungspflicht nach dem Eingang des Schriftsatzes bei Gericht nur ausgelöst, wenn ein eindeutiger Grund besteht, anzunehmen, dass etwas fehlgelaufen ist (vgl. BVerfG 11. Januar 1991 - 1 BvR 1435/89 - zu II der Gründe, NJW 1992, 38). Ein Grund für eine solche Annahme kann gegeben sein, wenn die Akte dem Anwalt nach Absenden einer Beendigungsschutzklage vorgelegt wird und er feststellt, dass er in der Sache keine gerichtliche Mitteilung erhalten hat, obwohl damit nach den üblichen Erfahrungen zu rechnen war. Auch kann dem Anwalt grundsätzlich nicht angesonnen werden, die Zeiträume im Auge zu behalten, innerhalb derer bei jeder Sache erfahrungsgemäß mit einer Rückäußerung des Gerichts zu rechnen ist. Einem solchen Erfordernis könnte praktisch nur durch die Notierung zusätzlicher Fristen nachgekommen werden, deren Berechnung weitgehend ungewiss wäre (vgl. BGH 28. September 1972 - IV ZB 8/72 - VersR 1973, 81). Entgegen der Auffassung der Revision gelten insoweit auch für arbeitsrechtliche Bestandsschutzstreitigkeiten keine anderen Maßstäbe. Insbesondere führt der in § 61a Abs. 2 ArbGG normierte - in der Praxis ohnehin nur schwer erfüllbare - Grundsatz, wonach eine Güteverhandlung bei Streitigkeiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwei Wochen nach Klageerhebung stattfinden soll, nicht zu einer Pflicht des Anwalts, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Einreichung der Klage über deren Schicksal zu erkundigen. Nur wenn ein konkreter Anlass gegeben ist, an dem fristgemäßen Zugang der Klage zu zweifeln, wie dies etwa bei einem Poststreik der Fall sein kann (vgl. BVerfG 29. Dezember 1994 - 2 BvR 106/93 - zu II 1 c der Gründe, EzA ZPO § 233 Nr. 28), kann ein Anwalt gehalten sein, bei Gericht nach dem rechtzeitigen Eingang des fristgebundenen Schriftsatzes zu fragen.

14

cc) Allerdings darf ein Anwalt, der eine Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG eingereicht hat, die Sache nicht dauerhaft wiedervorlagefrei stellen. Vielmehr würde er sich hierdurch gegenüber den Rechten der von ihm vertretenen Partei erkennbar gleichgültig verhalten. Für Beendigungsschutzklagen nach § 4 Abs. 1 KSchG, § 17 Satz 1 TzBfG folgt dies auch daraus, dass ein Antrag auf nachträgliche Zulassung einer verspäteten Klage nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG sechs Monate nach dem Ende der versäumten Frist nicht mehr zulässig gestellt werden kann(vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 985/08 - Rn. 32 f., EzA KSchG § 5 Nr. 38). Die Entscheidung, welche Frist zur Wiedervorlage der Anwalt als angemessen erachtet, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das er unter Berücksichtigung von Erfahrungswerten der gerichtlichen Arbeitsweise sowie Zweckmäßigkeitserwägungen auszuüben hat. Eine Wiedervorlagefrist von vier Wochen lässt jedenfalls keine vermeidbare Gleichgültigkeit gegenüber den Rechten der von ihm vertretenen Partei erkennen.

15

2. Hiernach ist der auch im Übrigen nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1, Satz 2 KSchG zulässige, die erforderlichen Glaubhaftmachungen enthaltende Antrag rechtzeitig iSv. § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gestellt. Das Hindernis für die rechtzeitige Klageerhebung lag in der unverschuldeten Unkenntnis des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom fehlenden gerichtlichen Eingang der von ihm rechtzeitig abgesandten Befristungskontrollklage. Diese Unkenntnis entfiel erst mit dem Anruf des Klägerinvertreters bei der Eingangsregistratur des Arbeitsgerichts am Montag, dem 14. Juli 2008. Zuvor musste der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei ordnungsgemäßer Verfolgung der Rechtssache keine Kenntnis vom fehlenden Eingang der Klage haben. Eine vermeidbare Gleichgültigkeit kann ihm nicht angelastet werden. Er musste sich die Akte nicht schon drei Wochen nach Absenden der Klage vorlegen lassen. Er musste auch nicht bereits am Tage der Wiedervorlage, also am Freitag, dem 11. Juli 2008, bei der Eingangsregistratur des Arbeitsgerichts anrufen, um sich nach dem Gütetermin zu erkundigen. Vielmehr ist er mit dem Anruf am darauffolgenden Montag, dem 14. Juli 2008, den Zweifeln an einem Eingang der Klage, die durch die Feststellung einer fehlenden Ladung zur Güteverhandlung ausgelöst worden sind, in gebotener Weise nachgegangen. Auch insoweit war sein Vorgehen nicht Ausdruck einer vermeidbaren Gleichgültigkeit.

16

II. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, begründet. Die Klägerin war nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage vor Ablauf von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages zu erheben. Der Klägerinvertreter durfte sich darauf verlassen, dass die von ihm unterzeichnete, ordnungsgemäß adressierte und ausreichend frankierte, am 13. Juni 2008 in den Briefkasten geworfene Befristungskontrollklage bis zum 20. Juni 2008 beim Arbeitsgericht einging. Die Revision erhebt insoweit keine Einwendungen.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Kiel    

        

        

        

    Schuh    

        

    Kley    

                 

(1) War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat.

(2) Mit dem Antrag ist die Klageerhebung zu verbinden; ist die Klage bereits eingereicht, so ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen. Der Antrag muß ferner die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.

(3) Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.

(4) Das Verfahren über den Antrag auf nachträgliche Zulassung ist mit dem Verfahren über die Klage zu verbinden. Das Arbeitsgericht kann das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. In diesem Fall ergeht die Entscheidung durch Zwischenurteil, das wie ein Endurteil angefochten werden kann.

(5) Hat das Arbeitsgericht über einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung nicht entschieden oder wird ein solcher Antrag erstmals vor dem Landesarbeitsgericht gestellt, entscheidet hierüber die Kammer des Landesarbeitsgerichts. Absatz 4 gilt entsprechend.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Dezember 2009 - 2 Sa 1667/09 - wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und über Ansprüche der Klägerin auf Annahmeverzugsvergütung.

2

Die Beklagte ist eine in Lettland ansässige Bank. Sie unterhielt in B eine im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung. Dort beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Am 12. Juni 2008 eröffnete sie eine Filiale in M. Diese Filiale war - ebenso wie eine bereits bestehende Zweigstelle in H - organisatorisch der Niederlassung B zugeordnet. In M beschäftigte die Beklagte im Jahr 2008 nicht mehr als fünf Arbeitnehmer.

3

Die Klägerin ist lettische Staatsbürgerin. Im April 2008 schlossen die Parteien in Lettland einen in lettischer Sprache abgefassten, unbefristeten Arbeitsvertrag. Danach wurde die Klägerin ab 7. Mai 2008 als „Assistentin“ für eine Tätigkeit in M eingestellt. Es wurde eine Probezeit bis zum 6. August 2008 vereinbart. Nach ihrer Einarbeitung in Lettland absolvierte die Klägerin ab dem 19. Mai 2008 eine Schulung in B. Am 2. Juni 2008 nahm sie ihre Tätigkeit in der M Filiale auf.

4

Unter dem Datum des 13. August 2008 schlossen die Parteien einen in deutscher Sprache abgefassten neuen Arbeitsvertrag. Er war mit Bezug auf § 14 Abs. 2 TzBfG auf ein Jahr befristet und sah eine sechsmonatige Probezeit vor. Als Tätigkeit war die einer „Assistentin“ in der M Filiale genannt. Das Vertragsverhältnis sollte mit Erteilung einer „EU-Arbeitserlaubnis“ (Arbeitsgenehmigung nach § 284 SGB III)an die Klägerin beginnen. Laut einer der Schlussbestimmungen des Arbeitsvertrags versicherte die Klägerin, dass zwischen den Parteien zuvor kein Arbeitsverhältnis bestanden habe.

5

Am 1. September 2008 bat die Klägerin - entsprechend einer Vorgabe der Beklagten - um Aufhebung des bisherigen Arbeitsvertrags und Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses zum 2. September 2008 auf der Grundlage der Vereinbarung vom 13. August 2008.

6

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2008, der Klägerin einen Tag später zugegangen, kündigte die Beklagte das „seit dem 02.09.2008 bestehende“ Arbeitsverhältnis zum 23. Dezember 2008, „hilfsweise zum rechtlich nächstmöglichen Zeitpunkt“.

7

Die Klägerin hat rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, auf das Arbeitsverhältnis finde das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG sei erfüllt. Die Beschäftigungszeiten aus den beiden Arbeitsverhältnissen seien zusammenzurechnen. Deren Unterbrechung sei unbeachtlich. Der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes sei eröffnet. Die M Filiale bilde mit der Zweigniederlassung B einen Betrieb iSv. § 23 Abs. 1 KSchG. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG lägen nicht vor. Für die Monate Januar und Februar 2009 stehe ihr Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu; erhaltenes Arbeitslosengeld lasse sie sich anrechnen.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 8. Dezember 2008 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.197,46 Euro brutto abzüglich 1.860,00 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 13. April 2009 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe bei Zugang der Kündigung keine sechs Monate „ununterbrochen“ bestanden. Auf das erste Arbeitsverhältnis der Parteien sei lettisches Recht zur Anwendung gelangt. Die Anrechnung unter Geltung fremden Rechts verbrachter Beschäftigungszeiten auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG widerspreche den Bestimmungen des Internationalen Privatrechts. Die Kündigung sei im Übrigen auch bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes wirksam. Sie - die Beklagte - habe vor dem Hintergrund der Finanzkrise entschieden, ihre Personalkosten zu senken. Zur Erreichung dieses Ziels habe sie die Stelle der Klägerin gestrichen und ihre Aufgaben anderen Mitarbeitern übertragen. Die damit verbundene Leistungsverdichtung habe nicht zu einer überobligatorischen Beanspruchung anderer Arbeitnehmer geführt. Die in M beschäftigten Arbeitnehmer seien zu keiner Zeit voll ausgelastet gewesen. Die Sozialauswahl sei ordnungsgemäß erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung eines Betrags von 6.864,12 Euro brutto abzüglich 1.860,00 Euro netto nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Ihre Revisionsbegründung, mit der sie zugleich beantragt hat, sie in die versäumte Frist zur Begründung der Revision wieder einzusetzen, ist am 8. März 2010 - zwei Wochen nach Ablauf der bis zum 22. Februar 2010 laufenden Begründungsfrist - bei Gericht eingegangen. Für ihr Wiedereinsetzungsgesuch bringt die Beklagte vor, die mit der Vorbereitung der Revisionsbegründung betraute Rechtsanwältin habe am Morgen des 22. Februar 2010 aus ihrem Kalender ersehen, dass an diesem Tage die Revisionsbegründungsfrist ablaufe. Sie habe die zuständige Sekretärin angewiesen, einen Fristverlängerungsantrag vorzubereiten und diesen dem eigentlich zuständigen Anwaltskollegen zur Unterschrift vorzulegen. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen habe die sonst zuverlässige Sekretärin es versäumt, den Fristverlängerungsantrag entsprechend der Weisung vorzubereiten, bevor sie die Kanzleiräume - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt: gegen 17.00 Uhr - verlassen habe.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unzulässig. Sie ist nicht fristgerecht begründet worden. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet.

12

I. Die Revision ist nicht rechtzeitig begründet worden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts wurde der Beklagten am 22. Dezember 2009 zugestellt. Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG iVm. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB lief die Frist für die Begründung der Revision am 22. Februar 2010 ab. Die Revisionsbegründung der Beklagten ging erst am 8. März 2010 beim Bundesarbeitsgericht ein.

13

II. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen Erfolg. Er ist zwar gemäß § 233 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig(§ 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 ZPO). Er ist jedoch in der Sache unbegründet. Die Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne ihr Verschulden an der fristgemäßen Einreichung einer Revisionsbegründungsschrift verhindert war.

14

1. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 233 ZPO voraus, dass die Partei ohne eigenes Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Partei gleich. Ist das Fristversäumnis allerdings infolge eines Fehlverhaltens von dessen Büropersonal eingetreten, liegt kein der Partei zuzurechnendes Verschulden vor, wenn der Prozessbevollmächtigte seine Kanzlei ordnungsgemäß organisiert, insbesondere zuverlässiges Personal ausgewählt und dieses ausreichend überwacht hat (BAG 2. November 2010 - 5 AZR 456/10 (F) - Rn. 2, 4; BGH 10. Dezember 2008 - XII ZB 132/08 - Rn. 11).

15

2. Danach hat die Beklagte keinen Wiedereinsetzungsgrund dargetan. Ihr Vortrag lässt die Möglichkeit offen, dass die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist auf eine unzureichende Büroorganisation ihrer Prozessbevollmächtigten zurückzuführen ist. Ist aber die Fristversäumung möglicherweise verschuldet, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden (vgl. BGH 18. Oktober 1995 - I ZB 15/95 - zu II 2 der Gründe, NJW 1996, 319; 26. September 1991 - I ZB 12/91 - NJW 1992, 574).

16

a) Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen verlangt zuverlässige Vorkehrungen für einen rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze. Der Prozessbevollmächtigte muss durch eine zureichende Ausgangskontrolle dafür Sorge tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Dafür reicht es nicht sicherzustellen, dass ihm Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittelfristen laufen, rechtzeitig zur Bearbeitung vorgelegt werden. Es muss durch begleitende organisatorische Maßnahmen außerdem gewährleistet sein, dass diese Fristen im Weiteren auch tatsächlich beachtet werden (vgl. BAG 2. November 2010 - 5 AZR 456/10 (F) - Rn. 4; BGH 20. Dezember 2006 - IV ZB 25/06 - zu II 2 der Gründe mwN, FamRZ 2007, 1637).

17

b) Welche konkreten Vorkehrungen der Anwalt zur Fristwahrung trifft, steht ihm grundsätzlich frei. Seine organisatorischen Maßnahmen müssen aber so beschaffen sein, dass auch bei unerwarteten Störungen des Geschäftsablaufs, etwa durch Überlastung oder Erkrankung der zuständigen Angestellten, durch Verzögerungen bei der anwaltlichen Bearbeitung oder Ähnliches die Einhaltung der anstehenden Frist gewährleistet ist; dabei ist ein äußerster Sorgfaltsmaßstab anzulegen (BGH 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10 - zu II 2 a der Gründe, NJW 2011, 151). Die erforderlichen Maßnahmen können insbesondere in der Führung eines Fristenkalenders und der allgemeinen Anweisung bestehen, dass dieser am Ende eines jeden Arbeitstags von einer hierfür bestimmten, geeigneten Person kontrolliert wird (BAG 2. November 2010 - 5 AZR 456/10 (F) - Rn. 4; 19. Juli 2007 - 6 AZR 432/06 - Rn. 10, AP ZPO 1977 § 233 Nr. 84 = EzA ZPO 2002 § 233 Nr. 7; BGH 27. Oktober 1998 - X ZB 20/98 - NJW 1999, 429). Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört eine Anordnung, die gewährleistet, dass von einer dazu beauftragten, zuverlässigen Kraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt und abgesandt oder jedenfalls versandfertig gemacht worden sind, und zudem geprüft wird, ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH 5. Juli 2000 - XII ZB 112/99 - zu II 1 der Gründe; 2. Dezember 1996 - II ZB 19/96 - zu II der Gründe, NJW-RR 1997, 562).

18

c) Die Einrichtung und Anwendung einer derartigen Fristenkontrolle lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen. Nach § 236 Abs. 2 ZPO war sie jedoch gehalten, alle Umstände darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Unachtsamkeit es zur Fristversäumung gekommen ist.

19

aa) Die Beklagte hat dargelegt, die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten, die die Sekretariate ihrer Prozessbevollmächtigten betreuten, seien angewiesen, Fristen im Sekretariatskalender erst dann zu streichen, wenn fristwahrende Maßnahmen „erledigt“ seien oder sie von dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt die Bestätigung erhalten hätten, dass keine weiteren Maßnahmen erforderlich seien. Sei zur Fristwahrung die Einreichung eines Schriftsatzes bei einem auswärtigen Gericht nötig, seien sie angewiesen, fristwahrende Schriftstücke vorab per Telefax zu übermitteln und anschließend die erfolgreiche Übermittlung anhand des Sendeberichts zu prüfen. Erst danach dürften Fristen im Sekretariatskalender als erledigt gekennzeichnet oder gestrichen werden.

20

bb) Diese Ausführungen lassen nicht erkennen, dass eine wirksame End- und Ausgangskontrolle am Tag des Fristablaufs sichergestellt ist. Aus ihnen ist nicht zu ersehen, dass die allgemeine Anweisung bestanden hätte, den Kalender noch am Ende eines jeden Arbeitstags zu kontrollieren. Da der Anwalt in seiner Büroorganisation frei ist, kann nicht unterstellt werden, dabei handele es sich um eine solche „Selbstverständlichkeit“, dass sie einer konkreten Darlegung nicht bedürfe.

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cc) Die Einrichtung einer genügenden Ausgangskontrolle ergibt sich auch nicht mittelbar aus der eidesstattlichen Versicherung der zuständigen Sekretariatsangestellten. Zwar hat diese angegeben, sie habe es aus Gründen, die sie sich nicht mehr erklären könne, am 22. Februar 2010 versäumt, zum Ende ihres Arbeitstags den Sekretariatskalender auf nicht erledigte Fristensachen hin zu kontrollieren. Daraus geht aber zum einen nicht hervor, dass im Büro eine tägliche Endkontrolle organisiert war. Ebenso gut kann es sein, dass die Mitarbeiterin nur von sich aus eine Endkontrolle für erforderlich erachtet hat, was die Prozessbevollmächtigten und damit letztlich die Beklagte nicht zu entlasten vermöchte (vgl. BGH 20. Dezember 2006 - IV ZB 25/06 - zu II 2 c der Gründe, FamRZ 2007, 1637). Zum anderen bleibt unklar, wie zwecks Fristenkontrolle verfahren wird, wenn die zuständige Sekretariatsangestellte die Kanzleiräume zu einer Zeit verlässt, zu der dort noch gearbeitet wird, manche Fristensachen also noch gar nicht erledigt sein mögen.

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dd) Der Senat hatte keinen Anlass zu einer entsprechenden Rückfrage. Zwar können unklare Angaben zum Wiedereinsetzungsantrag bis zur Entscheidung über das Gesuch erläutert werden. In einem solchen Rahmen hätte sich ein ergänzendes Vorbringen der Beklagten aber nicht halten können. Es wäre auf ein unzulässiges Nachschieben von Tatsachen hinausgelaufen, die die Wiedereinsetzung erst begründen (vgl. BAG 16. Juni 1983 - 7 AZB 9/83 - zu II 2 der Gründe; BGH 27. Januar 1993 - IV ZB 15/92 - RuS 1993, 237).

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d) Der nicht auszuschließende Organisationsmangel ist auch nicht deshalb unbeachtlich, weil die Beklagte vorgetragen hat, die mit der Fertigung einer Revisionsbegründung beauftragte Rechtsanwältin habe der zuständigen Sekretariatsangestellten rechtzeitig die konkrete Anweisung erteilt, einen Fristverlängerungsantrag vorzubereiten und diesen dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt zur Unterschrift vorzulegen.

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aa) Allerdings kommt es auf Mängel in der Kanzleiorganisation dann nicht an, wenn der Anwalt eine klare und präzise Anweisung für den konkreten Fall erteilt, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte. Da der Anwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass seine einem zuverlässigen Mitarbeiter erteilte Einzelanweisung befolgt wird, ist für die Fristversäumnis dann nicht die Büroorganisation, sondern der Fehler des Mitarbeiters ursächlich (BGH 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10 - zu II 2 a der Gründe, NJW 2011, 151; 25. Juni 2009 - V ZB 191/08 - zu III 1 der Gründe, NJW 2009, 3036).

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bb) Eine konkrete Einzelanweisung kann den Rechtsanwalt jedoch nicht entlasten, wenn sie die mangelhafte Organisation nicht gänzlich außer Kraft setzt, sondern sich in diese einfügt und nur einzelne ihrer Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und zwar dazu bestimmt sind, einer Fristversäumung entgegen zu wirken, dies aber infolge des Organisationsmangels nicht vermögen (BGH 25. Juni 2009 - V ZB 191/08 - zu III 2 a der Gründe mwN, NJW 2009, 3036). Das gilt insbesondere in Fällen, in denen der Anwalt dem Mitarbeiter einen zeitlichen Spielraum zur Erledigung der aufgetragenen Arbeit belässt. In einem solchen Fall besteht die Gefahr, dass der Auftrag im Drang der sonstigen Geschäfte vergessen wird. Der Anwalt muss auch dagegen auf geeignete Weise Vorkehrungen treffen, wenn er nicht die sofortige Ausführung seiner Einzelanweisung anordnet (BAG 19. Juli 2007 - 6 AZR 432/06 - Rn. 11 mwN, AP ZPO 1977 § 233 Nr. 84 = EzA ZPO 2002 § 233 Nr. 7).

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cc) Hier war der fragliche Auftrag in die bestehende Organisation eingebunden. Er bezog sich lediglich auf die Erstellung des Verlängerungsgesuchs und nicht auf weitere Schritte, die dessen fristgemäße Einreichung bei Gericht sicherstellen sollten. Im Übrigen dürfte die Vorgabe der Rechtsanwältin, den Verlängerungsantrag anschließend nicht ihr, sondern einem anderen, über das beabsichtigte Verlängerungsgesuch nicht informierten Rechtsanwalt zur Unterschrift vorzulegen, die Gefahr einer Fristversäumnis noch erhöht haben. Ob sich daraus sogar gesteigerte anwaltliche Sorgfaltspflichten ergaben (vgl. bspw. BGH 14. Juni 2006 - IV ZB 36/05 - zu II 2 der Gründe, NJW-RR 2006, 1565), kann dahinstehen. Es fehlt schon an der Darlegung einer den „normalen“ Anforderungen genügenden Endkontrolle.

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Eulen    

        

    Sieg    

                 

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.