Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 14. Mai 2015 - 6 Sa 27/14

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2015:0514.6SA27.14.0A
bei uns veröffentlicht am14.05.2015

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 14.11.2013 – 2 Ca 212/13 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund außerordentlicher Kündigung der Beklagten, versehen mit einer Auslauffrist.

2

Die Klägerin ist jedenfalls seit dem 01.11.1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern tätig. Seit Juli 2011 erfolgt ihr Einsatz als Servicekraft MOBIS im Bereich Betriebstechnik der Niederlassung Brief H. Die Klägerin ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die für die Beklagte geltenden Tarifwerke Anwendung, u.a. der Manteltarifvertrag für die Deutsche Post AG (MTV DPAG).

3

Die Klägerin genießt gemäß § 34 MTV DPAG Sonderkündigungsschutz dahingehend, dass die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien, nachdem sie die Klägerin bereits mit Wirkung zum 07.09.2012 unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt hatte, mit Schreiben vom 07.01.2013 (Bl. 9 d.A.) außerordentlich unter Einhaltung einer der tariflichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist zum 31.08.2013.

5

Sie hatte zuvor bei dem Integrationsamt am 18.12.2012 die Zustimmung zu dieser Kündigung beantragt. Das Integrationsamt teilte der Beklagten darauf mit Bescheid vom 03.01.2013 (Bl. 17 d.A.) mit, eine Entscheidung hierüber sei nicht ergangen, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gelte daher ab dem 03.01.2013 als erteilt. Auf Widerspruch der Klägerin hat der Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt mit Bescheid vom 25.04.2013 (Bl. 103 d.A.) die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin aufgehoben. Die von der Beklagten hiergegen vor dem Verwaltungsgericht Halle erhobene Klage blieb erfolglos. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsrechtszug hat die Beklagte die Zulassung der Berufung gegen diese Entscheidung bei dem OVG Sachsen-Anhalt beantragt.

6

Die Beklagte stützt die Kündigung auf krankheitsbedingte Gründe und verweist hierzu auf die seit dem Jahr 2010 – unstreitig – aufgetretenen Ausfallzeiten der Klägerin, die sich bis zu ihrer Freistellung im Jahr 2012 auf 426 Arbeitstage aufsummiert haben. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Krankheitstage wird auf die Aufstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 08.04.2013 (Bl. 35 d.A.) verwiesen.

7

Aufgrund dieser Krankheitszeiten veranlasste die Beklagte eine betriebsärztliche Untersuchung der Klägerin, die am 29.05.2012 stattfand. Ausweislich des erstellten ärztlichen Gutachtens (Bl. 62 ff d.A.) ist die Klägerin in der Lage, leichte Arbeiten mit einem Heben bis zu 10 kg zu verrichten, wobei die Arbeiten unter wechselnden Arbeitshaltungen – nicht in Nachtschicht – auszuführen sind. Nachdem eine auf diesem Gutachten aufbauende Wiedereingliederung der Klägerin nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte, ließ die Beklagte die Klägerin erneut – am 02.10.2012 – durch den betriebsärztlichen Dienst untersuchen. Das Ergebnis dieser Untersuchung (Bl. 68 ff d.A.) entspricht inhaltlich dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung vom 29.05.2012.

8

Eine von der Beklagten im Anschluss veranlasste sog. bundesweite Unterbringungsprüfung der Klägerin führte zu einem negativen Ergebnis, worauf sich die Beklagte zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung entschloss. Sie hörte hierzu mit Schreiben vom 17.12.2012 (Bl. 73 – 78 d.A.) den in ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrat an. Dieser widersprach am 19.12.2012 der beabsichtigten Kündigung.

9

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der streitgegenständlichen Kündigung komme keine Rechtswirksamkeit zu. Sie bestreitet das Vorliegen von Kündigungsgründen sowie die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats und hat darüber hinaus die Auffassung vertreten, aufgrund des von der Beklagten gewählten Antragszeitpunkts für die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung sei im Hinblick auf die sich anschließenden Feiertage die Fiktionswirkung des § 91 SGB IX nicht eingetreten.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 07.01.2013, der Klägerin zugegangen unter dem 09.01.2013, nicht zum 31.08.2013 beendet wurde.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Die Beklagte hat behauptet, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei aufgrund des Gesundheitszustandes der Klägerin als sinnentleert anzusehen. Ein weiterer Einsatz im Bereich der Betriebstechnik scheide dauerhaft aus. Es sei kein anderweitiger leidensgerechter Arbeitsplatz – auch nicht zu schlechteren Bedingungen – im Unternehmen der Beklagten vorhanden. Insbesondere komme ein Einsatz der Klägerin – wie von ihr vorprozessual angeregt – als Coach im Bereich E nicht in Betracht. Dieser Arbeitsplatz sei im Hinblick auf die dort zu bewältigenden Lasten von bis zu 30 kg sowie die mehr als einstündigen Fahrzeiten, bei denen die Arbeitshaltung nicht gewechselt werden könne, nicht leidensgerecht. Soweit die Klägerin auf die Bereitstellung einer Arbeitshilfe in Form einer Sitz-Steh-Hilfe verweise, führe auch dies nicht zu einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Durch die Anschaffung eines solchen Gerätes allein ergebe sich noch kein für die Klägerin geeigneter leidensgerechter Arbeitsplatz.

15

Die Klägerin hat hierzu entgegnet, die von der Beklagten aufgelisteten Ausfallzeiten beruhen überwiegend auf einem Bandscheibenleiden, das sich aufgrund ihres Einsatzes in der Betriebstechnik verschlimmert habe. Sie habe hier schwere Schachtarbeiten ausführen müssen. Auch sei ihr – unstreitig – die Reparatur von E-Bikes zugewiesen worden. Zutreffend sei zwar, dass sie derartige Tätigkeiten im Bereich der Betriebstechnik aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht ausüben könne. Es sei jedoch möglich, sie auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz einzusetzen, wenn die Beklagte für die Anschaffung einer Sitz-Steh-Hilfe Sorge trage. Unter Benutzung eines derartigen Gerätes sei eine Tätigkeit im Bereich Briefeingang nach Aussage der eingeholten betriebsärztlichen Stellungnahmen gesundheitlich unbedenklich. Ebenso sei entgegen der Auffassung der Beklagten ein Einsatz als Coach im Bereich E aufgrund ihres Gesundheitszustandes möglich.

16

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.11.2013 der Kündigungsschutzklage stattgegeben und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigungsschutzklage habe bereits deshalb Erfolg, weil die streitgegenständliche Kündigung gemäß §§ 91, 85 SGB IX; 134 BGB nichtig sei. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz habe aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Widerspruchsausschusses die erforderliche Zustimmung zu der außerordentlichen Kündigung nicht vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 176 – 182 d.A. verwiesen.

17

Die Beklagte hat gegen dieses, ihr am 20.12.2013 zugestellte Urteil am 20.01.2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.03.2014 am 13.03.2014 begründet.

18

Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass aufgrund der Bestimmung des § 88 Abs. 4 SGB IX im Kündigungsschutzverfahren auch dann von einer Zustimmung zu der streitigen Kündigung auszugehen sei, wenn über deren Rechtswirksamkeit noch im Verwaltungsverfahren gestritten werde. Im Übrigen hält die Beklagte an ihrem Sachvortrag, der Klägerin sei es aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft unmöglich auf ihrem bisherigen bzw. auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz Arbeitsleistungen zu erbringen, fest.

19

Die Beklagte beantragt,

20

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 14.11.2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.

21

Die Klägerin beantragt,

22

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

23

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und bestreitet insbesondere weiterhin das Vorliegen von Kündigungsgründen.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

25

Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung vom 07.01.2013 nicht aufgelöst. Dieser Kündigung kommt keine Rechtswirksamkeit zu.

I.

26

Allerdings scheitert entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts die Rechtswirksamkeit der Kündigung nicht an §§ 91, 85 SGB IX; 134 BGB. Die für eine außerordentliche Kündigung der Klägerin nach den vorgenannten Bestimmungen des SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes lag vor. Sie galt gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt. Die Norm findet auch auf außerordentliche Kündigungen mit Auslauffrist Anwendung (APS/Vossen 4. Aufl. SGB IX § 91 Rn. 4 m.w.N.). Die Rechtswirkungen der (fiktiv) erteilten Zustimmung bestehen – es sei denn der hierzu erlassene Verwaltungsakt ist nichtig – bis zu einer bestands-/rechtskräftigen Aufhebung fort (BAG 23.05.2013 – 2 AZR 991/11). Eine rechtskräftige Entscheidung liegt – die Beklagte betreibt zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz das Berufungszulassungsverfahren vor dem OVG Sachsen-Anhalt – noch nicht vor.

II.

27

Die Kündigung ist jedoch deshalb unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB, wonach das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann, nicht gegeben sind. Vorliegend besteht für die Beklagte nach dem sich bietenden Sachverhalt kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

28

Eine außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung, versehen mit einer Auslauffrist, die der bei einer ordentlichen Kündigung geltenden Kündigungsfrist entspricht, ist bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern grundsätzlich möglich (BAG 20.12.2012 – 2 AZR 32/11). Sie wird auch durch § 36 MTV DPAG nicht ausgeschlossen. Dieser sieht in Abs. 2 eine außerordentliche, personenbedingte Kündigung ausdrücklich vor.

29

Dabei gilt das von der Rechtsprechung bei krankheitsbedingten Kündigungen entwickelte dreistufige Prüfungsschema: Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose, erhebliche betriebliche Auswirkungen der zukünftig zu erwartenden Fehlzeiten, Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nach umfassender Interessenabwägung. Bei Anwendung dieses Prüfungsschemas ist auf allen drei Stufen der besondere Maßstab des § 626 BGB „verschärfend“ zu berücksichtigen (BAG 27.11.2003 – 2 AZR 601/02). Erforderlich ist insoweit, dass das zu erwartende Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung derart krass ausfällt, dass das Arbeitsverhältnis quasi als sinnentleert anzusehen ist (BAG 12.01.2006 – 2 AZR 242/05; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 309 – 312).

30

Die tarifliche Unkündbarkeit wirkt sich im Prozess auch bei der Darlegungslast aus. Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss von vornherein erkennbar sein, dass er alles Zumutbare unternommen hat, die durch die Veränderung der Umstände notwendig gewordenen Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. Wie weit seine Darlegungslast reicht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Im Regelfall wird der Arbeitgeber zumindest anhand vorhandener Stellenpools und Stellenpläne prüfen müssen, ob im Kündigungszeitpunkt oder in absehbarer Zeit die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung des Arbeitnehmers bestand bzw. sich eröffnen könnte. Im Prozess hat er aufzuzeigen, dass er dieser Prüfpflicht genügt hat. In Fällen, in denen der Arbeitnehmer bereits konkrete Vorstellungen von seiner Weiterbeschäftigung geäußert hat, muss der Arbeitgeber substantiiert aufzeigen, weshalb ihm trotz seiner gegenüber dem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer bestehenden besonderen Beschäftigungspflicht ein Einsatz auf dem benannten Arbeitsplatz nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein soll ( BAG 26.11.2009 – 2 AZR 272/08 – Rn. 46).

31

Der Arbeitgeber hat also nicht nur darzutun, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist. Er hat vielmehr außerdem und von sich aus darzulegen, dass überhaupt keine Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis – und sei es zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung – sinnvoll fortzusetzen. Anders als bei der ordentlichen Kündigung reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes nicht möglich, und sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abwartet. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG 23.01.2014 – 2 AZR 372/13 – Rn. 22 betr die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung).

32

Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag der Beklagten nicht. Hieraus lässt sich nicht eine auf ausreichende Tatsachen gestützte Prognose ableiten, das im Kündigungszeitpunkt bereits mehr als 30 Jahre andauernde Arbeitsverhältnis sei aufgrund der Erkrankung der Klägerin vollständig sinnentleert worden.

33

Zwar ist nach dem sich bietenden Sachvortrag davon auszugehen, dass eine Weiterbeschäftigung der Klägerin in Vollzeit als Servicekraft MOBIS im Bereich Betriebstechnik mit sämtlichen dort anfallenden Aufgaben dauerhaft nicht möglich sein wird. Dies räumt die Klägerin indirekt ein, wenn sie vorträgt, sie habe die Schachtarbeiten und die Reparatur von E-Bikes aus gesundheitlichen Gründen nicht bewältigen können (Schriftsatz vom 06.03.2013, Seite 2 sowie Vortrag der Klägerin persönlich im Termin am 14.04.2015). Es lässt sich aber nicht feststellen, dass die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung über eine ausreichende Prognosegrundlage dahin verfügt hat, eine leidensgerechte Beschäftigung der Klägerin auf einem anderen freien Arbeitsplatz auch zu veränderten (schlechteren) Bedingungen sei auf unabsehbare Zeit, zumindest aber in den nächsten zwei Jahren (vgl. BAG 12.02.2002 – 2 AZR 148/01), innerhalb des gesamten Unternehmens – nicht nur in der Niederlassung Brief H (BAG 26.11.2009 – 2 AZR 272/08 – Rn. 35) – aufgrund ihrer Erkrankung nicht möglich. Die vorgelegten Untersuchungsberichte des betriebsärztlichen Dienstes aus dem Jahr 2012 kommen gerade nicht zum Ergebnis, dass jedwede Beschäftigung der Klägerin im Unternehmen der Beklagten zukünftig ausgeschlossen ist, sondern zeigen vielmehr eine Einsetzbarkeit der Klägerin – wenn auch in begrenztem Umfang – auf. Es wäre dann Sache der Beklagten gewesen dezidiert dazu vorzutragen, dass auch unter Berücksichtigung der sie treffenden Verpflichtungen aus § 81 Abs. 4 SGB IX eine Beschäftigung der Klägerin im gesamten Unternehmen, sei es auch zu veränderten Arbeitsbedingungen einschließlich einer Teilzeittätigkeit, auf unabsehbare Dauer ausgeschlossen ist.

III.

34

Nach alledem konnte das Rechtsmittel der Beklagten keinen Erfolg haben. Einer Aussetzung des Rechtsstreits gem. § 148 ZPO im Hinblick auf das noch laufende Verwaltungsstreitverfahren bedurfte es vorliegend nicht, weil die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht von dem Ausgang des Verwaltungsstreitverfahrens abhängt. Nach Auffassung der Kammer scheitert die Rechtswirksamkeit der Kündigung bereits daran, dass die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht vorliegen.

B.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

C.

36

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt.

37

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

38

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.


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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. Juli 2012 - 9 Sa 593/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

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Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. Juli 2011 - 7 Sa 1155/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 AZR 32/11

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Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2010 - 17 Sa 540/10 - teilweise aufgehoben.

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(1) Eingliederungshilfe erhält, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil dieser Teil entsprechende Leistungen vorsieht; dies gilt insbesondere bei einer gesetzlichen Verpflichtung der Träger anderer Sozialleistungen oder anderer Stellen, in ihrem Verantwortungsbereich die Verwirklichung der Rechte für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten oder zu fördern.

(3) Das Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmt sich nach § 13 Absatz 3 des Elften Buches.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

(1) Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes einmal in der Legislaturperiode, mindestens jedoch alle vier Jahre, über die Lebenslagen der Menschen mit Behinderungen und der von Behinderung bedrohten Menschen sowie über die Entwicklung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft. Die Berichterstattung zu den Lebenslagen umfasst Querschnittsthemen wie Gender Mainstreaming, Migration, Alter, Barrierefreiheit, Diskriminierung, Assistenzbedarf und Armut. Gegenstand des Berichts sind auch Forschungsergebnisse über Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen und der Leistungen der Rehabilitationsträger für die Zielgruppen des Berichts.

(2) Die Verbände der Menschen mit Behinderungen werden an der Weiterentwicklung des Berichtskonzeptes beteiligt.

(1) Im ersten Rechtszug sind die Arbeitsgerichte zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet die Berufung an die Landesarbeitsgerichte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 statt.

(3) Gegen die Urteile der Landesarbeitsgerichte findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 statt.

(4) Gegen die Beschlüsse der Arbeitsgerichte und ihrer Vorsitzenden im Beschlußverfahren findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 87 statt.

(5) Gegen die Beschlüsse der Landesarbeitsgerichte im Beschlußverfahren findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 92 statt.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Eingliederungshilfe erhält, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil dieser Teil entsprechende Leistungen vorsieht; dies gilt insbesondere bei einer gesetzlichen Verpflichtung der Träger anderer Sozialleistungen oder anderer Stellen, in ihrem Verantwortungsbereich die Verwirklichung der Rechte für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten oder zu fördern.

(3) Das Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmt sich nach § 13 Absatz 3 des Elften Buches.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

(1) Eingliederungshilfe erhält, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil dieser Teil entsprechende Leistungen vorsieht; dies gilt insbesondere bei einer gesetzlichen Verpflichtung der Träger anderer Sozialleistungen oder anderer Stellen, in ihrem Verantwortungsbereich die Verwirklichung der Rechte für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten oder zu fördern.

(3) Das Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmt sich nach § 13 Absatz 3 des Elften Buches.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. Juli 2011 - 7 Sa 1155/09 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei dem Beklagten seit 1992 als Elektriker beschäftigt. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt und war Mitglied des für das Dezernat „Kultur/Umwelt“ gewählten Personalrats.

3

Am 24. April 2008 erschien in der örtlichen Presse ein Artikel unter der Überschrift „Chef der Abtei … unter Verdacht - ‚ausgeprägte Selbstbedienungsmentalität’ in der Außenstelle …“. Darin heißt es: „In der Schreinerei sollen Gartenmöbel für den Chef gebaut worden sein, wie der ehemalige Personalvertreter … sagt.“ Auf Befragen des Beklagten räumte der Kläger ein, sich gegenüber dem recherchierenden Journalisten entsprechend geäußert zu haben.

4

Mit Datum vom 23. Mai 2008 beantragte der Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer außerordentlichen Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung des Klägers. Diese wurde mit Bescheid vom 6. Juni 2008 erteilt. Am selben Tag kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach Zustimmung von Personalrat und Gesamtpersonalrat außerordentlich fristlos.

5

Der Kläger hat rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamts hat er Widerspruch eingelegt. Dieser wurde vom Widerspruchsausschuss zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Mit Urteil vom 24. Juni 2010 hat dieses den Bescheid des Integrationsamts in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.

6

Der Kläger hat die Kündigung für unwirksam gehalten. Seine Auskünfte gegenüber der Presse entsprächen der Wahrheit. Jahrelang seien in der Schreinerei mit Kenntnis und Billigung des Leiters Möbel für Privatzwecke gebaut und verkauft worden. Der Leiter habe durch Mitarbeiter des Beklagten auch die Privatwohnungen von Angehörigen renovieren lassen. Im Übrigen habe es nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts an einem wirksamen Zustimmungsbescheid des Integrationsamts gefehlt.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 6. Juni 2008 nicht aufgelöst worden ist.

8

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe haltlose Vorwürfe gegen Vorgesetzte erhoben und diese der Presse zugänglich gemacht. Er habe zudem fünf - unberechtigte - anonyme Anzeigen zu seinen - des Beklagten - Lasten erstattet. Der Zustimmungsbescheid des Integrationsamts sei inhaltlich nicht zu beanstanden und zu keinem Zeitpunkt rechtskräftig aufgehoben worden.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit mit Blick auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren zunächst ausgesetzt. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat es das Verfahren fortgeführt und der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

10

Mit rechtskräftigem Urteil vom 28. Januar 2013 hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts abgeändert und die Anfechtungsklage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung vom 6. Juni 2008 nicht als unwirksam ansehen. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

12

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei unwirksam, weil im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung eine wirksame Zustimmung des Integrationsamts nicht (mehr) vorgelegen habe. Dem stehe nicht entgegen, dass die den Zustimmungsbescheid aufhebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch nicht rechtskräftig gewesen sei. Sie habe die Wirkung des Bescheids jedenfalls zunächst beseitigt. Eine Fortdauer der Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits sei dem Kläger wegen des im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes nicht zumutbar gewesen. Der Beklagte sei für den Fall eines ihm günstigen Ausgangs des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch die Möglichkeit der Restitutionsklage hinreichend geschützt.

13

B. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

14

I. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ergibt bereits deshalb eine Rechtsverletzung iSv. § 561 ZPO, weil aufgrund des Urteils des Oberverwaltungsgerichts inzwischen rechtskräftig feststeht, dass das Integrationsamt der Kündigung zustimmen durfte. Der Klage kann deshalb jedenfalls mittlerweile nicht (mehr) mit der Begründung stattgegeben werden, ein wirksamer Zustimmungsbescheid habe nicht vorgelegen.

15

1. Zwar sind neue Tatsachen in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Abweichendes gilt jedoch, wenn andernfalls ein Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben wäre (vgl. BAG 16. Mai 2002 - 2 AZR 730/00 - zu B II 2 a cc der Gründe, BAGE 101, 138; 15. Mai 1997 - 2 AZR 43/96 - zu IV der Gründe, BAGE 86, 7). Das Revisionsgericht darf nicht sehenden Auges ein Urteil erlassen, das alsbald durch eine Restitutionsklage wieder beseitigt würde (GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 117).

16

2. So liegt es hier. Würde der Senat die angefochtene Entscheidung mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung, dh. ohne Berücksichtigung des mittlerweile ergangenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts bestätigen, wäre das Verfahren auf Antrag des Beklagten nach § 580 Nr. 6 ZPO wieder aufzunehmen.

17

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch ungeachtet dieses nach Abschluss des Berufungsverfahrens eingetretenen Umstands als rechtsfehlerhaft.

18

1. Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Das gilt nach § 91 Abs. 1 SGB IX uneingeschränkt auch für die außerordentliche Kündigung. Eine ohne wirksame Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist nach § 134 BGB nichtig(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 703/09 - Rn. 14).

19

2. Im Streitfall hatte das Integrationsamt die erforderliche Zustimmung vor Abgabe der Kündigungserklärung erteilt. Dem Beklagten war damit die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger gestattet. Diese Wirkung des Zustimmungsbescheids ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht - auch nicht vorübergehend - dadurch entfallen, dass das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben hat.

20

a) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Gerichte für Arbeitssachen seien bezogen auf die Wirksamkeit der Zustimmung an die Entscheidungen von Verwaltung und Verwaltungsgerichten gebunden. Das Gesetz sieht für den Fall der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen eine Aufspaltung des Rechtswegs vor. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Zustimmungsbescheids sind danach ausschließlich die Verwaltungsgerichte zuständig. Die Arbeitsgerichte sind nicht befugt, deren Entscheidungen rechtlich zu überprüfen (KR/Etzel/Gallner 10. Aufl. §§ 85-90 SGB IX Rn. 125; GK-SGB IX/Lampe § 88 Rn. 103).

21

b) Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, auch die noch nicht rechtskräftige Aufhebung des Zustimmungsbescheids des Integrationsamts durch ein Verwaltungsgericht entfalte Bindungswirkung im arbeitsgerichtlichen Verfahren.

22

aa) Gemäß § 88 Abs. 4 SGB IX haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamts keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass die durch das Integrationsamt einmal erteilte Zustimmung zur Kündigung - vorbehaltlich ihrer Nichtigkeit - so lange Wirksamkeit entfaltet, wie sie nicht rechtskräftig aufgehoben ist (LPK-SGB IX/Düwell 3. Aufl. § 88 Rn. 28; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 85 Rn. 80).

23

bb) Für die Berechtigung des Arbeitgebers, auf der Grundlage des Zustimmungsbescheids die Kündigung zunächst zu erklären, ist es folglich ohne Bedeutung, ob die Zustimmung vom Widerspruchsausschuss oder einem Gericht aufgehoben wird, solange die betreffende Entscheidung nicht bestands- bzw. rechtskräftig ist (KR/Etzel/Gallner 10. Aufl. §§ 85-90 SGB IX Rn. 107; Schaub/Koch ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 179 Rn. 45).

24

(1) Die Regelung des § 88 Abs. 4 SGB IX will verhindern, dass der Arbeitnehmer durch die Einlegung von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für oft längere Zeit auch in den Fällen erzwingen kann, in denen er ohne Zusammenhang mit der Behinderung einen Grund zur Kündigung gegeben hat(BT-Drucks. 7/656, S. 44). Nach der Wertung des Gesetzgebers ist es dem Arbeitgeber bei einmal erteilter Zustimmung nicht zumutbar, für die (weitere) Dauer des verwaltungsrechtlichen Widerspruchs- und Anfechtungsverfahrens von einer Kündigung abzusehen. Etwas anderes gilt erst mit der rechtskräftigen Aufhebung des Zustimmungsbescheids. In diesem Fall wird eine aufgrund der zunächst erteilten Zustimmung ausgesprochene Kündigung rückwirkend unwirksam (BAG 15. Mai 1986 - 2 AZR 497/85 - zu B II 3 b der Gründe). Sollte bis dahin die Kündigungsschutzklage bereits rechtskräftig abgewiesen worden sein, ist das Kündigungsschutzverfahren auf Antrag des Arbeitnehmers in entsprechender Anwendung von § 580 Nr. 6 ZPO wieder aufzunehmen(BAG 29. September 2011 - 2 AZR 674/10 - Rn. 33; KR/Etzel/Gallner 10. Aufl. §§ 85-90 SGB IX Rn. 144; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 85 Rn. 22; Hauck/Noftz/Griebeling SGB IX § 85 Rn. 39a; Schaub/Koch ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 179 Rn. 49).

25

(2) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet in der gesetzlichen Regelung keine Stütze. Zwar schließt § 88 Abs. 4 SGB IX die aufschiebende Wirkung ausdrücklich nur für „Widerspruch und Anfechtungsklage“ aus. Unter der „Anfechtungsklage“ ist jedoch nicht nur der Rechtszug erster Instanz, sondern sind auch die gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittelverfahren zu verstehen (Deinert/Neumann/Braasch SGB IX 2. Aufl. § 19 Rn. 244).

26

(a) Dieses Verständnis folgt schon aus dem Wortsinn. Die „Anfechtungsklage“ ist nicht bereits mit Ende der ersten Instanz erledigt. Auch im ggf. zweiten und dritten Rechtszug ist weiterhin „Anfechtungsklage“ erhoben, solange sie rechtshängig ist. Dies gilt unabhängig davon, wie die jeweilige Vorinstanz über sie entschieden hat. § 80b VwGO bestätigt diese Lesart. Dort heißt es, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ende nach einer bestimmten Frist, wenn „die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist“. Das impliziert ein Begriffsverständnis, demzufolge ggf. auch im zweiten und dritten Rechtszug noch über „die Anfechtungsklage“ entschieden wird.

27

(b) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gebietet ebenfalls ein solches Verständnis. § 18 Abs. 5 SchwbG sah in seiner bis zum 31. Juli 1986 geltenden Fassung bei der außerordentlichen Kündigung den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von „Rechtsmitteln“ vor. Diese Regelung wurde in § 18 Abs. 4 SchwbG 1986 und später in § 88 Abs. 4 SGB IX mit der Änderung übernommen, dass die aufschiebende Wirkung auch bei einer ordentlichen Kündigung entfallen sollte(vgl. BT-Drucks. 10/3138, S. 21). Dafür, dass der Gesetzgeber mit der zugleich erfolgten Ersetzung des Begriffs „Rechtsmittel“ durch die präzisere Formulierung „Widerspruch und Anfechtungsklage“ eine zeitliche Beschränkung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung auf die Dauer der Anfechtungsklage in erster Instanz beabsichtigt hätte, gibt es keinen Anhaltspunkt.

28

(c) Die gegenteilige Ansicht widerspricht überdies Sinn und Zweck der Regelung. Ihr zufolge wären die Gerichte für Arbeitssachen nach einem erstinstanzlichen Erfolg der Anfechtungsklage auch bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes gehalten, auf die Unwirksamkeit der Kündigung zu erkennen. Der Arbeitnehmer könnte damit entgegen der gesetzlichen Intention die vorläufige Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erzwingen, obwohl die Kündigung behördlich zugelassen worden und das verwaltungsgerichtliche Anfechtungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Auch wären die Gerichte für Arbeitssachen gezwungen, innerhalb ihres Instanzenzugs selbst bei übereinstimmend angenommenem Vorliegen eines Kündigungsgrundes unterschiedliche Entscheidungen zu treffen, wenn mittlerweile ein Verwaltungsgericht anders als die Behörde und/oder die gerichtliche Vorinstanz geurteilt hätte, ohne dass dessen Entscheidung in Rechtskraft erwachsen wäre. Dies entspricht nicht dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Gerichtszweige und schon aus Kostengründen nicht den wohlverstandenen Interessen der Parteien. Auch das prozessuale Beschleunigungsgebot verlangt danach, dass die Gerichte für Arbeitssachen bei behördlich erteilter Zustimmung zur Kündigung den Kündigungsrechtsstreit der Parteien ohne Rücksicht auf den Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach Maßgabe der einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften entscheiden und - falls es darauf ankommt - erst auf eine rechtskräftige Versagung der Zustimmung Bedacht zu nehmen haben. Dementsprechend ist eine Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens für die Dauer des Verwaltungsrechtsstreits in der Regel nicht angezeigt (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - zu B V der Gründe).

29

C. Die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Sie ist nicht entscheidungsreif. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung gegeben war. Der Senat kann dies mangels der erforderlichen Feststellungen nicht selbst beurteilen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2010 - 17 Sa 540/10 - teilweise aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 8. März 2010 - 1 Ca 2434/09 v - wird zurückgewiesen.

3. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 nicht aufgelöst worden ist.

b) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.971,69 Euro brutto abzüglich 3.688,96 Euro netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 3.281,68 Euro seit dem 1. Juli 2009 und dem 1. August 2009, aus 2.971,92 Euro seit dem 1. September 2009 und aus je 2.436,88 Euro seit dem 1. Oktober 2009, dem 1. November 2009, dem 1. Dezember 2009 und dem 29. Januar 2010 zu zahlen.

4. Die weitergehende Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.

5. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens haben zu 1/6 der Kläger, zu 5/6 der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Beklagten und Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der 1948 geborene Kläger war seit Juli 1997 bei dem beklagten Verein als Ergotherapeut beschäftigt. Der Beklagte betreibt eine Fachklinik für Suchterkrankungen. In ihr werden insbesondere alkohol-, medikamenten- und drogenabhängige Patienten behandelt. Der Kläger war im Bereich der sog. Arbeits- und Kreativtherapie tätig. In deren Rahmen sollen die Patienten von Suchtmitteln entwöhnt werden. Der Kläger ist selbst „Alkoholiker“. Dies war dem Beklagten bei der Einstellung bekannt. Die Einstellung erfolgte in der Annahme, dass der Kläger „trocken“ sei.

3

Im Herbst 2006 kam es beim Kläger zu einem Rückfall. Am 20. Dezember 2006 wurde während des Dienstes bei ihm Alkoholgeruch festgestellt. Der Kläger gab an, alkoholhaltige Hustentropfen eingenommen zu haben. Ein mit seinem Einverständnis durchgeführter Test ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,76 Promille. Aufgrund dieses Umstands erteilte ihm der Beklagte am 10. Januar 2007 eine Abmahnung. Am 5. Februar 2007 wurde beim Kläger während der Arbeitszeit erneut Alkoholgeruch festgestellt. Am 13. Februar 2007 erteilte ihm der Beklagte eine weitere Abmahnung. Vom 14. März bis 24. April 2007 unterzog sich der Kläger einer stationären Entwöhnungsbehandlung. Anschließend nahm er seinen Dienst wieder auf.

4

Am 16. August 2007 wurde beim Kläger bei einer Teamsitzung abermals Alkoholgeruch festgestellt. Ein Test ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,3 Promille. Mit Schreiben vom 17. August 2007 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Im Gütetermin am 22. Februar 2008 verständigten sich die Parteien auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und die Entfernung der Abmahnungen von Januar und Februar 2007 aus der Personalakte. Der Kläger erklärte sich bereit, sich bei Verdacht auf Alkoholkonsum während der Arbeitszeit einer Alkoholkontrolle zu unterziehen. Entsprechende Tests im März und im September 2008 blieben ohne Befund.

5

Am Vormittag des 22. Mai 2009 - zwischen 10:00 und 12:00 Uhr - stellte eine Mitarbeiterin des Beklagten wiederum Alkoholgeruch beim Kläger fest. Tests ergaben eine Atemalkoholkonzentration von 0,39 Promille und einen Blutalkoholwert von 0,42 Promille. Der Kläger gab an, morgens ab 6:00 Uhr wegen starker Halsschmerzen mehrfach 10 bis 12 Tropfen „Meditonsin“ eingenommen zu haben.

6

Mit Schreiben vom 26. Mai 2009 hörte der Beklagte die im Betrieb gebildete Mitarbeitervertretung zu seiner Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. Dezember 2009 zu kündigen. Die Mitarbeitervertretung stimmte der fristgerechten Kündigung zu. Mit Schreiben vom 28. Mai 2009 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. Dezember 2009.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, der Vorfall vom 22. Mai 2009 vermöge die Kündigungen nicht zu rechtfertigen. Es liege weder ein auf Krankheit beruhender Grund in seiner Person noch ein Grund in seinem Verhalten vor, der die Kündigung bedinge. Er habe nicht Alkohol, sondern Medizin zu sich genommen. Im Übrigen sei er selbst dann, wenn er in privatem Umfeld Alkohol konsumiert habe, als Therapeut von Suchtkranken nicht ungeeignet. Die Mitarbeitervertretung sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Sie sei über die näheren Umstände des gerichtlichen Verfahrens aus dem Jahr 2007 und über seine Bemühungen zur Verlängerung der Entwöhnungstherapie nicht ausreichend unterrichtet worden. Außerdem habe der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung eine Eingliederungsmaßnahme versuchen müssen. Überdies sei die zum Umgang mit suchtkranken Beschäftigten abgeschlossene Dienstvereinbarung nicht beachtet worden. Der Kläger hat ferner Vergütung für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und darüber hinaus bis einschließlich Oktober 2010 geltend gemacht. Erhaltenes Arbeitslosengeld lässt er sich anrechnen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 unwirksam ist;

        

2.    

für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 28. Mai 2009 den Beklagten zu verurteilen, an ihn 22.971,69 Euro brutto abzüglich 3.688,96 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus gestaffelten Beträgen ab unterschiedlichen Zeitpunkten sowie weitere 31.567,60 Euro brutto abzüglich 8.448,00 Euro netto zu zahlen.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, schon die fristlose Kündigung sei wegen schwerwiegender Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen gerechtfertigt. Aufgrund des Rückfalls sei es ihm unmöglich, den Kläger weiter als Therapeuten von Suchtpatienten einzusetzen. Diese könnten auf untrügliche Art feststellen, dass er rückfällig geworden sei. Dieser Umstand gefährde die Therapie. Einer Maßnahme nach § 84 Abs. 2 SGB IX habe es nicht bedurft. Der Kläger weise keine dort vorausgesetzten längeren Fehlzeiten auf. Die Vorgaben der - zwischenzeitlich gekündigten - Dienstvereinbarung seien eingehalten worden. Die Mitarbeitervertretung habe er ordnungsgemäß unterrichtet. Ihr seien die Umstände des früheren Verfahrens bekannt gewesen.

10

Das Arbeitsgericht hat auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung erkannt und den Beklagten zur Gehaltszahlung bis zum 31. Dezember 2009 verurteilt. Soweit sie sich gegen die ordentliche Kündigung richtet, hat es die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat es die Unwirksamkeit auch der ordentlichen Kündigung festgestellt und dem weitergehenden Zahlungsantrag des Klägers stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers stattgegeben hat. Im Übrigen ist sie weitgehend unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung als unwirksam erachtet (I.). Die ordentliche Kündigung ist dagegen wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 aufgelöst (II.). Bis dahin kann der Kläger Vergütungszahlung verlangen; allerdings hat schon das Arbeitsgericht ihm zuviel Zinsen zugesprochen. Weitergehende Vergütungsansprüche stehen dem Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu (III.).

12

I. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung für unwirksam gehalten hat. Die fristlose Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der konkreten Umstände des Falls und bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht ( BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, NZA-RR 2012, 567; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36 ).

14

2. An eine Kündigung, die auf ein Verhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, das im Zusammenhang mit einer Alkoholsucht steht, sind grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie an krankheitsbedingte Kündigungen zu stellen (BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - zu B II der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 18). Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit; verstößt ein Arbeitnehmer infolge seiner Abhängigkeit gegen arbeitsvertragliche Pflichten, ist ihm zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen (BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Krankheit ist zwar nicht generell ungeeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Schon an eine ordentliche Kündigung wegen Erkrankung des Arbeitnehmers ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen (BAG 16. September 1999 - 2 AZR 123/99 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 159 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 2; 9. Juli 1998 - 2 AZR 201/98 - zu II 1 c der Gründe, EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 1).

15

3. Danach ist die fristlose Kündigung hier weder aus Gründen im Verhalten noch aus Gründen in der Person des Klägers gerechtfertigt.

16

a) Ein vorwerfbarer Pflichtverstoß liegt nicht vor. Zwar verletzt der Kläger, wenn er unter Alkoholeinfluss seine Tätigkeit ausübt, seine arbeitsvertraglichen Hauptpflichten. Die therapeutische Arbeit in der Entwöhnungsbehandlung von Suchterkrankten erlaubt es nicht, dass der Therapeut selbst unter Alkoholeinfluss steht. Die Vermittlung eines Bewusstseins dafür, die Sucht beherrschen zu können, würde erheblich erschwert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Zustand einer - merklichen - Alkoholisierung durch den Konsum alkoholhaltiger Getränke oder die Einnahme alkoholhaltiger Medikamente herbeigeführt wurde. Dem Vorliegen einer Pflichtverletzung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte den Kläger in Kenntnis von dessen Alkoholabhängigkeit eingestellt hat. Die Einstellung erfolgte in der Annahme, dass er „trocken“, also in der Lage sei, stabil abstinent zu leben. Aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit kann dem Kläger aber kein Schuldvorwurf gemacht werden.

17

b) Die fristlose Kündigung ist auch als krankheitsbedingte Kündigung nicht wirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Es sind keine Tatsachen festgestellt, aufgrund derer es dem Beklagten unzumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 fortzusetzen.

18

aa) Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war für den Beklagten nicht ausgeschlossen, eine fristgerechte Beendigung des Arbeitsverhältnisses also grundsätzlich möglich.

19

bb) Die Kündigungsfrist betrug gemäß § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien iVm. § 33 Abs. 1 BAT-KF sieben Monate zum Monatsende. Sie war damit zwar nicht unbeträchtlich. Angesichts der Umstände des Streitfalls war dem Beklagten aber die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zu ihrem Ablauf zumutbar. Zum einen war dem Beklagten von Beginn an bekannt, dass der Kläger Alkoholiker ist und damit das Risiko eines Rückfalls bestand. Zum anderen war der Kläger bereits Ende des Jahres 2006 rückfällig geworden, ohne dass dies seiner Weiterbeschäftigung ab sofort entgegengestanden hätte. Der Beklagte beließ es vielmehr zunächst bei Abmahnungen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Alkoholauffälligkeiten des Klägers auch nach seinem Rückfall vereinzelt geblieben sind. Der Kläger war überdies nach der Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 zunächst für etwa vier Monate, zuletzt für anderthalb Jahre unauffällig. Damit war es dem Beklagten zuzumuten, den Kläger für die begrenzte Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen und solange ggf. etwas häufigere Kontrollen durchzuführen.

20

II. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht auch die fristgerechte Kündigung für unwirksam gehalten hat.

21

1. Die ordentliche Kündigung vom 28. Mai 2009 ist durch Gründe in der Person des Klägers bedingt und deshalb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

22

a) Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt, diese durch mildere Mittel - etwa eine Versetzung - nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss (vgl. zu den Anforderungen an krankheitsbedingte Kündigungen BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 18, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55).

23

b) Im Streitfall war im Zeitpunkt der Kündigung die Annahme gerechtfertigt, der Kläger biete aufgrund seiner Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr, seine Tätigkeit als Ergotherapeut in der Suchtklinik des Beklagten auf Dauer ordnungsgemäß erbringen zu können.

24

aa) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, der Kläger sei nach Einnahme von Alkohol für die von ihm zu erbringende Tätigkeit als Therapeut von Suchtkranken nicht einsetzbar. Als Ergotherapeut arbeitet er eng mit den Patienten zusammen. Es besteht die Gefahr, dass diese in ihrem eigenen Kampf gegen die Sucht erheblich beeinträchtigt werden, wenn sie bemerken, dass ihr Therapeut unter Alkoholeinfluss steht.

25

bb) Aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit war im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, beim Kläger sei auch künftig mit Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit zu rechnen.

26

(1) Eine Alkoholisierung war beim Kläger erstmals am 20. Dezember 2006 und am 5. Februar 2007 festgestellt geworden. Obwohl er sich im Zeitraum vom 14. März bis 24. April 2007 einer stationären Entwöhnungsbehandlung unterzogen hatte, wurde er am 16. August 2007 erneut alkoholauffällig. Zwar hat der Beklagte die wegen der ersten beiden Auffälligkeiten erteilten Abmahnungen aus der Personalakte entfernt und an der auf den Vorfall vom August 2007 gestützten Kündigung nicht festgehalten. Die zugrunde liegenden Tatsachen bleiben aber berücksichtigungsfähig. Am 22. Mai 2009 versah der Kläger abermals unter Alkoholeinfluss seinen Dienst.

27

(2) Dies rechtfertigte die Prognose, der Kläger habe seine Alkoholkrankheit auch nach der Entwöhnungsbehandlung nicht verlässlich unter Kontrolle. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass zwischen den beiden nach der Behandlung festgestellten Alkoholisierungen ein Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren lag. Er zeigt gerade, dass trotz der längeren „trockenen“ Periode eine günstige Prognose nicht gestellt werden konnte.

28

(3) Nach dem Vorbringen des Klägers ist nicht ersichtlich, warum für die Zukunft gleichwohl mit weiteren Beeinträchtigungen durch seine Alkoholabhängigkeit nicht zu rechnen gewesen sei. Er hat nicht etwa behauptet, dass er vor Ausspruch der Kündigung eine neuerliche, nunmehr möglicherweise erfolgreichere Entwöhnungsbehandlung durchgeführt habe. Unerheblich ist, ob die festgestellten Alkoholisierungen Folge der Einnahme alkoholhaltiger Medikamente oder alkoholhaltiger Getränke waren. Die Tätigkeit eines Therapeuten von Suchtkranken wird durch Alkoholauffälligkeiten während des Dienstes unabhängig davon beeinträchtigt, in welcher Form er den Alkohol zu sich genommen hat.

29

c) Aus dem Umstand, dass eine auf Dauer ordnungsgemäße Leistung des Klägers nicht zu erwarten war, folgt eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.

30

aa) Der Beklagte musste befürchten, dass bei auch zukünftig zu erwartenden Alkoholauffälligkeiten des Klägers die sachgerechte Behandlung der Patienten beeinträchtigt und ein Therapieerfolg gefährdet würde. Schon eine solche Gefährdung ist für den Beklagten nicht hinnehmbar. Er hat gegenüber Patienten und Leistungsträgern die Pflicht, schädliche Einflüsse auf den Behandlungserfolg möglichst auszuschließen.

31

bb) Eine andere Möglichkeit, den Kläger zu beschäftigen, bestand nach dem Vorbringen des Beklagten nicht. Auch der Kläger hat sich auf eine solche Möglichkeit - etwa eines Einsatzes bei anderen als suchtkranken Patienten oder mit anderen als therapeutischen Tätigkeiten - nicht berufen. Den Beklagten trifft insoweit nicht deshalb eine erhöhte Darlegungslast, weil er vor der Kündigung kein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt hat. Diese Verpflichtung, deren Missachtung zu einer Erweiterung der Darlegungslast des Arbeitgebers hinsichtlich des Fehlens anderer Einsatzmöglichkeiten führen kann (vgl. dazu BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 44, BAGE 123, 234), betrifft nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nur Beschäftigte, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Diese Voraussetzung lag im Streitfall nicht vor.

32

d) Die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass die Belange des Beklagten überwiegen. Die mit der nicht beherrschten Alkoholabhängigkeit des Klägers einhergehenden Belastungen muss der Beklagte auf Dauer nicht hinnehmen.

33

aa) Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht entscheidend darauf an, dass mit erheblichen Ausfallzeiten des Klägers nicht zu rechnen war. Die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt nicht aus der Dauer der zu erwartenden krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers. Sie folgt daraus, dass wegen der beim Kläger auch künftig nicht auszuschließenden Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit eine sachgerechte Behandlung der Patienten nicht gewährleistet war. Selbst wenn der Kläger in einem anderen Umfeld auch unter Alkoholeinfluss ergotherapeutische Maßnahmen fachgerecht mag anleiten können, steht seiner weiteren Beschäftigung als Therapeut suchtkranker Patienten die von ihm nicht beherrschte Gefahr neuerlicher Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit entgegen.

34

bb) Das betriebliche Interesse des Beklagten, die ihm anvertrauten Suchtkranken nicht in die Behandlung eines Therapeuten zu geben, bei dem die Gefahr besteht, dass er während seiner Arbeit unter Alkoholeinfluss steht, wiegt schwer. Die Beschäftigung persönlich geeigneter Therapeuten liegt nicht nur im unmittelbaren unternehmerischen Interesse des Beklagten. Vielmehr verlangt auch die Verantwortung für die sachgerechte Behandlung der Patienten danach, mit dieser keine persönlich ungeeigneten Therapeuten zu betrauen.

35

cc) Es war dem Beklagten nicht zumutbar, der Gefahr einer Alkoholisierung des Klägers dauerhaft durch verstärkte Kontrollen zu begegnen. Eine effektive Kontrolle hätte stattzufinden, bevor es zu einem Kontakt mit den Patienten kommt. Sie vorzunehmen ist auf Dauer kaum möglich, dem Beklagten jedenfalls nicht zumutbar. Der Kläger war rückfälliger Alkoholiker. Es war davon auszugehen, dass er es darauf anlegen würde, Mittel und Wege zu finden, etwaige Kontrollen zu umgehen.

36

dd) Die Belange der Beklagten werden durch die Dauer der Betriebszugehörigkeit von zwölf Jahren und das Alter des Klägers von über 60 Jahren nicht aufgewogen. Der Beklagte hat dem Kläger nach Alkoholauffälligkeiten im Dienst mehrfach die Chance einer Bewährung gegeben. Er hat die stationäre Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 abgewartet (vgl. zu diesem für die Interessenabwägung relevanten Gesichtspunkt BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96) und auch nach einer erneuten Alkoholauffälligkeit im August 2007 an einer Kündigung nicht festgehalten. Er hat damit alles ihm Zumutbare für einen Erhalt des Arbeitsverhältnisses getan. Jedenfalls nach dem erneuten Vorfall im Mai 2009 überwogen seine Interessen an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

37

ee) Ein anderes Ergebnis wäre auch dann nicht gerechtfertigt, wenn - wie der Kläger geltend gemacht hat - die Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 medizinisch nicht ausreichend gewesen wäre, der Versicherungsträger aber eine Verlängerung abgelehnt hätte. Das Scheitern der Behandlung wäre jedenfalls nicht dem Beklagten zuzurechnen. Der Kläger hat nicht etwa behauptet, dieser habe ihn zu einer unzureichenden oder zu kurzen Therapie gedrängt oder ihm eine längere Therapie verweigert.

38

2. Die Kündigung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte gegen die „Dienstvereinbarung gemäß § 36 MVG zum Umgang mit Sucht“ vom 1. Januar 2004 verstoßen hätte.

39

a) Die Dienstvereinbarung sieht unter den Ziff. 3.1 bis 3.5 ein näher bestimmtes Verfahren für den Umgang mit Beschäftigten mit Suchtproblemen vor. § 36 Abs. 3 des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland(MVG-EKD) bestimmt, dass Dienstvereinbarungen unmittelbar gelten und im Einzelfall nicht abbedungen werden können.

40

b) Feststellungen zur Anwendbarkeit kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Einer Aufklärung bedarf es nicht. Selbst wenn unterstellt wird, dass § 36 Abs. 3 MVG-EKD Anwendung findet und danach die Einhaltung des in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Verfahrens Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Alkoholabhängigkeit eines Mitarbeiters ist, ist die Kündigung nicht unwirksam. Das Verfahren nach der Dienstvereinbarung wurde eingehalten.

41

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es genüge nicht, dass die in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Maßnahmen - Gespräche und Abmahnungen - vor Ausspruch der Kündigung im Jahr 2007 ergriffen worden seien, wenn es danach - wie im Streitfall - zu einer längeren beanstandungsfreien Tätigkeit gekommen sei.

42

bb) Diese Auffassung überzeugt nicht. Die Auslegung der Dienstvereinbarung führt - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht dazu, dass der Beklagte nach der zwischenzeitlich beanstandungsfreien Ausübung der Tätigkeit des Klägers die einzelnen Reaktionsschritte erneut hätte durchführen müssen.

43

(1) Hat die Dienstvereinbarung, wie der Kläger meint, normativen Charakter, ist sie - ebenso wie Betriebsvereinbarungen - wie ein Gesetz auszulegen. Auszugehen ist dementsprechend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und der Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. BAG 10. Februar 2009 - 1 AZR 767/07 - Rn. 27, BAGE 129, 302; 26. August 2008 - 1 AZR 346/07 - Rn. 21, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 28).

44

(2) Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Regelungen der Dienstvereinbarung ergeben, dass das dem Ausspruch einer Kündigung vorgeschaltete gestufte Interventionsverfahren jedenfalls nicht schon nach weniger als zwei Jahren Abstinenz erneut Anwendung finden muss. Dies entspricht dem erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung. Das unter Ziff. 3 der Dienstvereinbarung geregelte Verfahren abgestufter Reaktionen auf jede weitere Suchtauffälligkeit eines Arbeitnehmers ist ersichtlich auf einen Erhalt des Arbeitsverhältnisses gerichtet. Es nimmt dafür einen längeren Interventionszeitraum in Kauf, sieht jedoch als letzte Maßnahme auch eine Kündigung und damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Nicht vorgesehen ist, dass das Verfahren bei einem längeren Abstand zwischen zwei suchtbedingten Auffälligkeiten erneut und von vorne zu beginnen hätte. Unter Ziff. 5 der Dienstvereinbarung ist zwar bestimmt, dass abstinent lebende Suchtkranke nach zwei Jahren Anspruch darauf haben, Hinweise auf die Abhängigkeit aus der Personalakte zu entfernen. Dies lässt aber erkennen, dass eine Zeit der Abstinenz von weniger als zwei Jahren nach dem Willen der Regelungsgeber noch keine erhebliche Zäsur darstellt.

45

(3) Danach bedurfte es vor Ausspruch der Kündigung im Mai 2009 keiner neuerlichen Durchführung des in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Verfahrens bei suchtauffälligen Arbeitnehmern. Seine Einhaltung vor Ausspruch der Kündigung im Jahr 2007 war ausreichend. Bei der Alkoholabhängigkeit des Klägers, die sowohl zur Kündigung im Jahr 2007 als auch zur hier streitgegenständlichen Kündigung führte, handelte es sich um eine im Sinne der Dienstvereinbarung einheitliche Suchtproblematik. Zwischen der Arbeitstätigkeit des Klägers unter Alkoholeinfluss am 16. August 2007 und der Alkoholauffälligkeit am 22. Mai 2009 lag ein Zeitraum von weniger als zwei Jahren. Beanstandungsfrei tätig war der Kläger von der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit am 3. März 2008 bis zum Vorfall am 22. Mai 2009 sogar nur knapp 15 Monate.

46

(4) Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte die zuvor erteilten Abmahnungen aus der Personalakte entfernt und an der ersten Kündigung nicht festgehalten hat, folgt nicht, dass das Verfahren nach der Dienstvereinbarung in den Stand vor Ausspruch der Abmahnungen zurückversetzt worden wäre. Der Beklagte war nicht gehalten, wegen der erneuten Alkoholauffälligkeit des Klägers wiederum zunächst nur eine Abmahnung auszusprechen. Die freiwillige Entfernung der schon erteilten Abmahnungen aus der Personalakte änderte nichts daran, dass diese im Sinne der Dienstvereinbarung wegen Suchtauffälligkeiten ausgesprochen worden waren. Dass auch die Parteien trotz ihrer Einigung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht davon ausgingen, Belastungen durch die Suchtauffälligkeiten des Klägers seien überwunden, zeigt sich daran, dass sich der Kläger bereit erklärte, sich bei einem Verdacht auf Alkoholkonsum während der Arbeitszeit einer Kontrolle zu unterziehen.

47

3. Die ordentliche Kündigung vom 28. Mai 2009 ist - unterstellt, auch das „Kirchengesetz über die Bildung von Mitarbeitervertretungen in kirchlichen Dienststellen in der Evangelischen Kirche im Rheinland (MVG-EKiR)“ komme zur Anwendung - nicht wegen fehlerhafter Anhörung der Mitarbeitervertretung unwirksam.

48

a) Gemäß § 42 Buchst. b MVG-EKiR hat die Mitarbeitervertretung bei einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht nach §§ 41, 38 MVG-EKiR. Die Ausübung des Mitbestimmungsrechts setzt voraus, dass die Vertretung zuvor von der Dienststellenleitung über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte informiert worden ist. Auch wenn sich die Unwirksamkeitssanktion nach § 38 Abs. 1 Satz 2 MVG-EKiR ausdrücklich nur auf Kündigungen ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung bezieht, ist sie im Interesse der Möglichkeit einer effektiven Ausübung des Mitbestimmungsrechts - vergleichbar der Situation nach § 102 Abs. 1 BetrVG - auf den Fall der unzureichenden Unterrichtung zu erstrecken(so auch Andelewski in Berliner Kommentar zum Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland § 38 Rn. 74; vgl. ferner Fey/Rehren Kirchengesetz der Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland Stand August 2012 § 38 Rn. 42 f.).

49

b) Der Beklagte hat die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 26. Mai 2009 ausreichend über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterrichtet. In dem Schreiben wurde auch auf die bereits 2007 ausgesprochene Kündigung und das im Zusammenhang mit ihr durchgeführte arbeitsgerichtliche Verfahren verwiesen. Damit hat der Beklagte die eine Kündigung aus seiner Sicht bedingenden Umstände hinreichend mitgeteilt. Ergänzender Hinweise auf die Umstände, unter denen das damalige Kündigungsschutzverfahren beendet wurde, bedurfte es nicht. Hierauf kam es aus Sicht des Beklagten für seinen Kündigungsentschluss nicht an. Die Anhörung ist auch nicht deshalb unvollständig, weil der Beklagte der Mitarbeitervertretung nicht den Schriftwechsel über den Versuch des Klägers vorgelegt hat, bei der Deutschen Rentenversicherung eine Verlängerung seiner sechswöchigen Entwöhnungsbehandlung zu erlangen. Für den Kündigungsentschluss des Beklagten war dieser vergeblich gebliebene Versuch ohne Belang. Es handelte sich auch nicht um einen der Mitarbeitervertretung mitzuteilenden entlastenden Umstand. Bei einer personenbedingten Kündigung kommt es nicht darauf an, ob und ggf. in welchem Maße die Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer vorwerfbar sind. Es kommt damit auch nicht darauf an, ob und ggf. welche „entlastenden“ Umstände es gibt. Maßgeblich ist, ob und in welchem Ausmaß auch künftig mit Störungen des Arbeitsverhältnisses zu rechnen ist, welche Beeinträchtigungen für den Arbeitgeber daraus folgen und ob diese ggf. so erheblich sind, dass sie die Interessen des Arbeitnehmers überwiegen.

50

III. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung von Vergütung für Zeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 und von Zinsen auf die vollen Bruttobeträge der Vergütungen bis zu diesem Zeitpunkt verurteilt hat. Der Kläger hat dagegen Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung - abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes - für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 2009 aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG und § 615 Satz 1 BGB, § 11 Nr. 3 KSchG.

51

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand bis zum 31. Dezember 2009 fort. Soweit der Kläger arbeitsunfähig krank war - nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vom 22. Mai bis zum 4. Juni 2009 - folgt der Vergütungsanspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Im Übrigen ergibt er sich aus § 615 Satz 1 BGB, § 11 Nr. 3 KSchG. Der Beklagte befand sich nach Ausspruch der unwirksamen außerordentlichen Kündigung vom 22. Mai 2009 im Annahmeverzug iSd. §§ 293 ff. BGB. Der Anspruch des Klägers ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil er über die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit hinaus leistungsunfähig gewesen wäre (§ 297 BGB). Ein Arbeitnehmer ist leistungsunfähig iSv. § 297 BGB, wenn er aus Gründen in seiner Person die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten selbst teilweise nicht mehr verrichten kann(BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 13, BAGE 130, 29).Dies war auch nach dem Vorbringen des Beklagten beim Kläger nicht der Fall. Die bloße Gefahr neuerlicher Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit ließ sein Leistungsvermögen nicht generell entfallen. Der Beklagte hat nicht behauptet, es habe insoweit etwa ein - eindeutiges (vgl. dazu BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 15, aaO) - Beschäftigungsverbot bestanden.

52

2. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 291 BGB. Er besteht allerdings nicht in der vom Kläger geltend gemachten und ihm von den Vorinstanzen zugesprochenen, auf die vollen Bruttobeträge abstellenden Höhe. Der Kläger kann im Umfang des von ihm ab August 2009 bezogenen Arbeitslosengeldes keine Zinsen verlangen (vgl. BAG 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 101, 328).

53

IV. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens waren im Verhältnis von jeweiligem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu teilen (§ 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei einem Streitwert von 30.768,60 Euro in der Berufungs- und 29.127,77 Euro in der Revisionsinstanz - wegen § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG war der mit einem uneigentlichen Hilfsantrag verfolgte Zahlungsanspruch für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 nicht anzusetzen - ist der Kläger mit seinem gegen die ordentliche Kündigung gerichteten Antrag, dh. im Umfang eines Streitwerts von 4.922,52 Euro unterlegen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Sieg    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. Juli 2012 - 9 Sa 593/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte erbringt Dienstleistungen für die Stahlindustrie und deren Zulieferer. Der im März 1956 geborene Kläger war bei ihr und ihren Rechtsvorgängern seit April 1989 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Er ist mit einem Grad von 50 schwerbehindert.

3

1997 wurde der Kläger Bereichsleiter Administration. Arbeitsvertraglich war vereinbart, dass ihn die Gesellschaft, sollte es sich als notwendig erweisen, nach vorheriger Abstimmung innerhalb des Unternehmenskreises auch mit anderen seinen Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen entsprechenden Aufgaben betrauen könne. Die arbeitsvertraglich vereinbarte ordentliche Kündigungsfrist betrug nach Vollendung des 50. Lebensjahres des Klägers und mindestens zehn Dienstjahren zwölf Monate zum Quartalsende.

4

Ende 2004 bestellte die Beklagte den Kläger zum Datenschutzbeauftragten. Im Jahr 2010 löste sie den Bereich „Betriebswirtschaft“ aus seinem bisherigen Verantwortungsbereich heraus. Der Kläger sollte als Bereichsleiter der Allgemeinen Verwaltung weiter tätig sein. Außerdem plante die Beklagte, ihren Verwaltungsbereich und den der H S I GmbH (HSI) in einer Servicegesellschaft zusammenzuführen. Dies geschah im August 2011 mit der neu geschaffenen HSR GmbH (HSR), von deren Anteilen die Beklagte und die HSI jeweils 50 vH hielten.

5

Im Hinblick auf den mit der Umstrukturierung einhergehenden Betriebsteilübergang schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Der Kläger war in der Liste der auf die HSR übergehenden Arbeitnehmer nicht genannt. Mit Schreiben vom 28. Juli 2011 teilte ihm die Beklagte mit, auch sein Arbeitsverhältnis gehe auf die HSR über. Dem widersprach der Kläger am 25. August 2011.

6

Mit Schreiben vom 6. September 2011 hörte die Beklagte den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung zu einer beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien an. Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 7. September 2011 mit, er nehme - da der Kläger leitender Angestellter sei - keine Stellung.

7

Am 15. September 2011 berief die Beklagte den Kläger als Datenschutzbeauftragten ab und widerrief vorsorglich seine Bestellung. Seine hiergegen gerichtete Klage wies das Arbeitsgericht zurück. Die Abberufung als Datenschutzbeauftragter sei zu Recht erfolgt. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

8

Das Integrationsamt erteilte mit Bescheid vom 23. September 2011 die beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Mit Schreiben vom 26. September 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich betriebsbedingt mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2012.

9

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei schon aus formalen Gründen unwirksam. Das Verfahren beim Integrationsamt sei nicht wirksam eingeleitet worden. Außerdem fehle es an einem wichtigen Grund zur Kündigung. Der Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die HSR habe nicht den Planungen entsprochen. Er habe als Mitarbeiter der Beklagten im Wege der Personalüberlassung für die HSR arbeiten sollen. Schon am 25. Juli 2011 habe er seine Arbeit bei der HSR aufgenommen. Trotz seines Widerspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses sei ihm erst am 13. Januar 2012 mitgeteilt worden, dass er in die Räumlichkeiten der Beklagten zurückkehren solle. Statt seiner sei nun ein Mitarbeiter der HSI zum IT-Leiter bestellt worden. Er könne ohne weiteres im Bereich Organisation, Controlling und Prozessentwicklung bei der Beklagten weiterbeschäftigt werden. Es bestünden auch Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Konzern. Im Übrigen seien weder die Sozialauswahl ordnungsgemäß durchgeführt noch der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden.

10

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 26. September 2011 aufgelöst worden ist.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, es habe nie eine Zusage gegeben, den Kläger an die HSR auszuleihen. Er sei in deren Organigramm als eigener Mitarbeiter vorgesehen gewesen. Dem stehe der Interessenausgleich nicht entgegen, da der Kläger leitender Angestellter gewesen sei. Infolge des Betriebsübergangs sei sein Arbeitsplatz bei ihr entfallen. Aufgaben im Controlling habe der Kläger nie verrichtet. Sie habe keinen ausreichenden Einfluss auf die HSR, um dort eine Beschäftigung des Klägers durchzusetzen. Der erforderliche Gesellschafterbeschluss müsse von allen beteiligten Unternehmen getroffen werden. Dazu bestehe vor dem Hintergrund einer drohenden „Zweiklassengesellschaft“ keine Bereitschaft. Der Arbeitsplatz sei inzwischen auch nicht mehr frei. Eine Sozialauswahl habe sie nicht vornehmen müssen, da der Kläger der einzige IT-Leiter gewesen sei.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. September 2011 ist unwirksam. Die Umdeutung in eine ordentliche Kündigung ist nicht möglich.

14

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2011 nicht aufgelöst worden.

15

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten ( BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 14; 24. Januar 2013 - 2 AZR 453/11 - Rn. 22 ).

17

b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt - unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist - allenfalls in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde ( BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 15; 24. Januar 2013 - 2 AZR 453/11 - Rn. 22 ). Es kann dem Arbeitgeber unzumutbar sein, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über solche Zeiträume hinweg allein durch Gehaltszahlungen ohne adäquate Gegenleistung aufrechtzuerhalten (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17). Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen ( BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - aaO; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn.  14).

18

2. Im Streitfall fehlt es an einem wichtigen Grund in diesem Sinne. Es muss deshalb nicht entschieden werden, ob es in Betracht kommt, auch das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters, das nach § 15 KSchG oder § 4f Abs. 3 Satz 5 bzw. Satz 6 BDSG nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, aus betrieblichem Anlass wirksam außerordentlich zu kündigen. Ob bei der Prüfung des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB auch in diesen Fällen nicht auf die fiktive Kündigungsfrist, sondern auf das Ende des Bestandsschutzes abzustellen ist, kann damit gleichermaßen offenbleiben(vgl. zur betrieblich veranlassten außerordentlichen Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds BAG 21. Juni 1995 - 2 ABR 28/94 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 80, 185).

19

a) Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG ordentlich nicht kündbar und der Arbeitsplatz des Klägers bei ihr infolge des Betriebsübergangs entfallen war.

20

b) Auch unter diesen Annahmen war die Beklagte wegen des Sonderkündigungsschutzes des Klägers nicht für Jahre ohne eine entsprechende Gegenleistung zur Vergütungszahlung verpflichtet. Sie hatte den Kläger im Zeitpunkt der Kündigung als Datenschutzbeauftragten bereits abberufen. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung galt danach gemäß § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG allenfalls noch für ein Jahr. Einen solchen Zeitraum ggf. auch ohne adäquate Gegenleistung des Arbeitnehmers überbrücken zu müssen, ist einem Arbeitgeber grundsätzlich nicht unzumutbar. Die Grenze zum wichtigen Grund ist allenfalls dann überschritten, wenn ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über deutlich längere Zeiträume fortgeführt werden müsste. Dafür ist im Streitfall nichts ersichtlich. Nach Auslaufen des Sonderkündigungsschutzes kann die Beklagte - bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes - wieder ordentlich kündigen. Auf die dann einzuhaltende Kündigungsfrist ist nicht zusätzlich abzustellen. Dass eine ordentliche Kündigung nur unter Wahrung der maßgeblichen Frist erfolgen kann, ist keine Folge des Sonderkündigungsschutzes. Der Arbeitgeber hätte die Frist auch dann zu wahren, wenn die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung nicht ausgeschlossen wäre.

21

c) Hinzu kommt, dass die Beklagte nicht dargelegt hat, alle Anstrengungen unternommen zu haben, um einen weiteren Einsatz des Klägers bei der HSR zu ermöglichen.

22

aa) Im Falle einer außerordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen hat der Arbeitgeber nicht nur darzutun, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers am bisherigen Arbeitsplatz infolge seiner Organisationsentscheidung nicht mehr möglich ist. Er hat vielmehr außerdem und von sich aus darzulegen, dass überhaupt keine Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - und sei es zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 36; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 41). Anders als bei der ordentlichen Kündigung reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes nicht möglich, und sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abwartet. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - aaO; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO). Dessen Vorbringen muss deutlich machen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um die durch sein (neues) unternehmerisches Konzept notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 26).

23

bb) Die Beklagte hat nicht vorgetragen, in welcher Weise sie sich nach dem Widerspruch des Klägers gegen einen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die HSR um ein Einverständnis von deren anderer Gesellschafterin - der HSI - mit einem weiteren Einsatz des Klägers bei der HSR - zumindest für die Dauer seines Sonderkündigungsschutzes - bemüht habe. Der Kläger hatte seine seit Ende Juli 2011 für die HSR ausgeübte Tätigkeit auch nach seinem Widerspruch zunächst noch für diese fortgeführt. Die Beklagte hat zwar geltend gemacht, sie habe keinen bestimmenden Einfluss auf die HSR und könne eine Beschäftigung des Klägers dort nicht durchsetzen. Daraus wird jedoch nicht deutlich, dass sie alles Zumutbare unternommen hätte, um die Weiterbeschäftigung des Klägers auch ohne einseitige Entscheidungsbefugnis zu ermöglichen. Einzige weitere Gesellschafterin der HSR neben ihr war - zu gleichen Anteilen - die HSI. Dass sie sich um deren Einverständnis mit einem weiteren Einsatz des Klägers bei der HSR überhaupt bemüht hätte, wird aus ihrem Vorbringen nicht ersichtlich. Sie hat allein darauf verwiesen, zu einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss bestehe vor dem Hintergrund einer drohenden „Zweiklassengesellschaft“ keine Bereitschaft. Dies lässt weder erkennen, dass nicht nur ihr selbst, sondern gerade der HSI die entsprechende Bereitschaft fehlte, noch wird deutlich, dass sie jedenfalls versucht hat, sich mit der HSI über einen weiteren tatsächlichen Einsatz des Klägers bei der HSR zu einigen.

24

3. Die außerordentliche Kündigung ist nicht nach § 15 Abs. 4 oder Abs. 5 KSchG wirksam, selbst wenn diese Bestimmungen - analoge - Anwendung fänden. § 15 Abs. 4 und Abs. 5 KSchG senken nicht etwa die Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung ab. Sie erklären vielmehr unter bestimmten Voraussetzungen eine ordentliche Kündigung für zulässig (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - zu II 1 der Gründe; 14. Oktober 1982 - 2 AZR 568/80 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 41, 72; ErfK/Kiel 14. Aufl. § 15 KSchG Rn. 40; KR/Etzel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 73; vHH/L/v. Hoyningen-Huene 15. Aufl. § 15 Rn. 164; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1700, 1706).

25

4. Eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung nach § 140 BGB ist nicht möglich. Auch in diesem Zusammenhang kann unentschieden bleiben, ob im Streitfall die ordentliche Kündigung nach § 4f Abs. 3 Satz 5 bzw. Satz 6 BDSG ausgeschlossen war. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob auf Arbeitnehmer, die nach § 4f Abs. 3 Satz 5 bzw. Satz 6 BDSG geschützt sind, die Regelungen des § 15 Abs. 4 und Abs. 5 KSchG entsprechend anzuwenden sind und die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung vorgelegen haben. Es fehlt in jedem Fall an der nach § 85 SGB IX erforderlichen Zustimmung des Integrationsamts.

26

a) Der Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX gilt ggf. neben § 15 Abs. 4 und Abs. 5 KSchG(KR/Etzel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 151, 152; APS/Linck 4. Aufl. § 15 KSchG Rn. 197; ebenso LAG München 3. August 2006 - 3 Sa 459/06 -).

27

b) Das Integrationsamt hatte im Streitfall lediglich die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung erteilt. Darin war weder - zugleich - eine Zustimmung zu einer auch ordentlichen Kündigung enthalten, noch kann die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nach § 43 Abs. 1 SGB X in eine Zustimmung zur ordentlichen Kündigung umgedeutet werden(vgl. auch BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 36, BAGE 138, 312).

28

aa) Der Bescheid des Integrationsamts über die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ist nicht dahin auszulegen, dass mit ihm (auch) die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung erteilt worden wäre. Das Integrationsamt wollte erkennbar keine Zustimmung zur ordentlichen Kündigung erteilen. Es hat ausdrücklich allein einer außerordentlichen Kündigung - mit sozialer Auslauffrist - zugestimmt. Nur darauf war auch der Antrag der Beklagten gerichtet.

29

bb) Eine Umdeutung des Bescheids ist nicht möglich.

30

(1) Nach § 43 Abs. 1 SGB X kann nur ein fehlerhafter Verwaltungsakt umgedeutet werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Zustimmung des Integrationsamts im Streitfall fehlerhaft erfolgt wäre, gibt es nicht.

31

(2) Eine Umdeutung setzt gemäß § 43 Abs. 1 SGB X außerdem voraus, dass der neue Bescheid von der erlassenden Behörde in der tatsächlich gewählten Verfahrensweise und Form ebenfalls rechtmäßig hätte erlassen werden können. Das ist hier nicht der Fall. Wie sich aus § 91 Abs. 1 SGB IX ergibt, unterscheiden sich die Verfahren auf Zustimmung zu einer ordentlichen und zu einer außerordentlichen Kündigung nicht unerheblich(vgl. APS/Vossen 4. Aufl. § 91 SGB IX Rn. 23; KR/Etzel/Gallner 10. Aufl. § 91 SGB IX Rn. 35). Die Entscheidungsgrundlage für das Integrationsamt ist nicht dieselbe (Schaub/Koch ArbR-HdB 15. Aufl. § 179 Rn. 37). Das gilt auch mit Blick auf die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist. Auch auf diese findet nicht § 85 SGB IX, sondern findet § 91 SGB IX Anwendung(BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 159/04 - zu B I 1 der Gründe). Soweit im Schrifttum - hiervon abweichend - angenommen wird, die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist erfordere eine Zustimmung allein nach § 85 SGB IX(vgl. HaKo/Fiebig/Osnabrücke 4. Aufl. §§ 85 - 92 SGB IX Rn. 69; HaKo/Gieseler 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 46; aA AnwK-ArbR/Euler 2. Aufl. Bd. 2 § 91 SGB IX Rn. 2; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 91 Rn. 2, 4; KR/Etzel/Gallner § 91 SGB IX Rn. 2, 35), folgt im Übrigen auch daraus nicht, dass die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist in eine Zustimmung zur ordentlichen Kündigung umgedeutet werden könnte (vgl. ErfK/Rolfs 14. Aufl. § 91 SGB IX Rn. 8; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX § 91 Rn. 7).

32

II. Als unterlegene Partei hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.