Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Sept. 2017 - 8 Sa 134/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0926.8Sa134.17.00
26.09.2017

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Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.10.2016 - Az: 1 Ca 750/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen einer Benachteiligung auf Grund ihres Geschlechts.

2

Die Klägerin ist aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (J. H. U.) vom 17.09.2010 (Bl. 13 ff. d. A.) seit dem 01.12.2010 im Hotel E. in L. tätig. Nach § 1 des Arbeitsvertrages wurde die Klägerin als „Sales Assistentin“ eingestellt. Sie verdiente zuletzt 3.050,00 EUR brutto im Monat.

3

Am 20.09.2013 bekam die Klägerin ihr erstes Kind und war anschließend in Mutterschutz sowie in Elternzeit. Sie erhielt unter dem Datum des 09.12.2013 von der Rechtsvorgängerin ein Zwischenzeugnis (Bl. 20-22 d. A.). Entsprechend der Unterrichtung der Rechtsvorgängerin ging das Arbeitsverhältnis am 01.01.2014 im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über, die das Hotel aufgrund der Insolvenz der Rechtsvorgängerin im Wege der Zwangsversteigerung erworben hatte.

4

Die Personalakte der Klägerin war für die Beklagte nicht auffindbar.

5

Mit Schreiben vom 07.01.2015 (Bl. 23 d. A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Position einer Sales Assistent nicht mehr im Hotel E. bestehe, da dieser Bereich in B. gesteuert werde und bot ihr eine Stelle im Empfangsteam als Rezeptionistin oder im Servicebereich an. Die Klägerin erwiderte mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20.01.2015 (Bl. 24 f. d. A.) unter Verweis auf das Zwischenzeugnis, dass die angebotenen Stellen nicht mit der von ihr vor der Elternzeit tatsächlich inngehabten vergleichbar seien, da sie deutlich höherwertige Tätigkeiten als eine Verkaufsassistentin ausgeübt habe und bat um zeitnahe Unterbreitung eines Angebots einer gleichwertigen Beschäftigung für die aller Voraussicht nach am 20.09.2015 endende Elternzeit. Hierauf hielt die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 19.03.2015 (Bl. 27 ff. d.A.) an ihrem ursprünglichen Beschäftigungsangebot fest und verwies erneut auf den Wegfall der „Sales Assistentin“ aufgrund innerbetrieblicher Umstrukturierungen und auf die Vergleichbarkeit der angebotenen Stellen unter Zugrundelegung der Eingruppierungsmerkmale der Entgeltgruppen des Hotel- und Gaststättengewerbe in Rheinland-Pfalz. Ferner bat sie mit diesem Schreiben um Mitteilung der korrekten Schreibweise des Nachnamens der Klägerin sowie um Übersendung einer Kopie des Arbeitsvertrages und des Zwischenzeugnisses. Im weiteren zwischen den Parteien in den Monaten April bis August 2015 gewechselten Schriftverkehr (vgl. Bl. 36 ff. d. A.) beharrten beide Seiten auf ihrem jeweiligen Standpunkt, wobei die Klägerin auch anführte, dass ihre Stelle nicht entfallen, sondern neu besetzt worden sei.

6

Ferner teilte die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.08.2015 mit, dass sie erneut schwanger sei (Bl. 48 d. A.), ihr wurde sodann ärztlich ein Beschäftigungsverbot für werdende Mütter für die Zeit ab dem 01.09.2015 erteilt.

7

Mit Schreiben vom 09.11.2015 (Bl. 57 f. d. A.) übersandte die Klägerin der Beklagten eine Kopie einer Ausschreibung einer zum 01.09.2015 zu besetzenden Stelle als Direktionsassistent/in im Hotel E. (Bl. 56 d. A.) und machte wegen Diskriminierung einen Schadensersatzanspruch in Höhe von mindestens 3 Bruttomonatsentgelten geltend. Die Beklagte antwortete hierauf, dass diese Stelle schon nicht vergleichbar sei und teilte mit Schreiben vom 15.12.2015 (Bl. 63 f. d. A.) zudem u.a. mit, dass sie nicht einmal einen Hauch einer Grundlage irgendwelcher Schadensersatzansprüche sehe.

8

Sodann brachte die Klägerin am 18.01.2016 ihr zweites Kind zur Welt und nahm im Anschluss an den Mutterschutz Elternzeit bis Januar 2019.

9

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.03.2016 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und forderte diese unter Fristsetzung bis zum 09.04.2016 auf, ihr nach Ablauf der Elternzeit eine Beschäftigung zuzuweisen, die mit der durch die Auflistung ihrer Tätigkeiten im Zwischenzeugnis umschrieben sei, vergleichbar sei. Vergleichbar sei die Stelle der Direktionsassistentin. Nachdem die Beklagte hierauf geantwortet hatte, dass die Klägerin unstreitig einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung habe, teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 17.04.2016 (Bl. 71 f. d. A.) wiederum mit, dass sie diskriminiert worden sei und sie vorsorglich Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 AGG geltend mache.

10

Mit ihrer am 28.04.2016 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen erhobenen Klage, die der Beklagten am 11.05.2016 zugestellt wurde, nimmt die Klägerin die Beklagte insbesondere auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern in Anspruch.

11

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten,
sie werde mittelbar wegen des Geschlechts diskriminiert. Nicht lediglich ein konkretes Verhalten, vielmehr das Gesamtverhalten der Beklagten vom Falschschreiben ihres Namens, über Unkenntnis ihres Arbeitsvertrages und Zwischenzeugnisses bis hin zur Weigerung der Zuweisung einer vergleichbaren Position, mache den Diskriminierungsvorwurf aus. Die Beklagte hätte ihr die Stelle einer Direktionsassistentin zum 01.09.2015 anbieten müssen. Die Stelle einer „Sales Assistentin“ sei nicht weggefallen, sie sei vielmehr neu besetzt worden. Sie fühle sich als Frau diskriminiert, da die Beklagte versuche, ihre Schwangerschaft und Elternzeit dazu zu nutzen, ihr minderwertige Tätigkeiten zu übertragen und ihr ihren früheren Arbeitsplatz wegzunehmen. Sie habe vor dem Betriebsübergang „formal“ die Stelle einer „Sales Assistentin“ innegehabt, tatsächlich sei sie die „rechte Hand“ des Hotelbetreibers gewesen und habe höherwertige Tätigkeiten ausgeübt. Die in der Stellenausschreibung einer „Direktionsassistentin“ dargestellten Aufgaben entsprächen denen, die sie zuvor ausgeübt habe. Mit dem Antrag zu Ziffer 2 begehre sie zudem Ersatz für die „zweifache Selbstbeteiligung“ in Höhe von jeweils 150,00 EUR für die vorliegende Klage und die außergerichtliche Vertretung sowie für die Anmeldung zur Sozialversicherung. Die Ansprüche seien auch rechtzeitig geltend gemacht worden und nicht verfallen.

12

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

13

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag, der in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 9.150,00 EUR jedoch nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.03.2016 zu zahlen.

14

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 300,00 EUR zu zahlen.

15

Die Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Die Beklagte hat erwidert,
die Stelle einer „Sales Assistentin“ sei weggefallen. Die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten seien nicht die einer Direktionsassistentin gewesen. Die Aufgaben einer „Sales Assistentin“ und die einer Direktionsassistentin seien nicht identisch. Im Hinblick auf die Fortdauer der Elternzeit der Klägerin bis Januar 2019 habe die Beklagte keine Veranlassung gehabt, der Klägerin ein Angebot zur Besetzung der Stelle als Direktionsassistentin zum 01.09.1015 zu unterbreiten. Der Beschäftigungsanspruch der Kläger nach Beendigung der Elternzeit ergebe sich aus den vertraglichen Vereinbarungen, nicht aus dem Zwischenzeugnis, das den Anschein eines „Gefälligkeitszeugnis“ erwecke.

18

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.10.2016 die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht zusammengefasst ausgeführt: Die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs seien nicht gegeben, da die Klägerin keine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts erfahren habe. Denn es habe keine Beschäftigungspflicht bestanden, so dass ihr schon aus diesem Grund auch nicht die Stelle als Direktionsassistentin hätte angeboten werden müssen. Auch die weiteren Umstände der Unkenntnis der Beklagten von der richtigen Schreibweise des Familiennamens der Klägerin sowie von dem Arbeitsvertrag und dem Zwischenzeugnis begründeten zumal im Rahmen eines Betriebsübergangs keine Benachteiligung, da sie ebenso bei Männern vorkämen. Im Übrigen sei ein etwaiger Anspruch aber auch wegen Nichtwahrung der Klagefrist des § 61b ArbGG verfallen. Der desweiteren geltend gemachte Schadenersatzanspruch in Höhe des zweimaligen Selbstbehalts scheitere aber auch an der Regelung des § 12a ArbGG. Zudem habe die Klägerin nicht konkret den Schadenseintritt dargelegt, es fehlten jegliche Angaben dazu, wann und in welcher Höhe an wen sie die entsprechenden Zahlungen geleistet habe.

19

Die Klägerin hat gegen das am 03.03.2017 zugestellte Urteil mit am 31.03.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 06.06.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 06.06.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.

20

Die Klägerin macht geltend, dass das Arbeitsgericht verkannt habe, dass die Klägerin zweimal Mutter geworden sei. Die Klägerin hätte deshalb sehr wohl zwischen dem Ende der Elternzeit und dem Beginn des Mutterschutzes vor der Geburt des zweiten Kindes ein gleichwertiger Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies sei nicht der Frühstücksdienst mit reiner Kellnertätigkeit, sondern der der ausgeschriebenen Direktionsassistentin gewesen, da sie faktisch vor Beginn der ersten Elternzeit diesen inne gehabt habe, wie das Zwischenzeugnis belege. Die Beklagte habe sie diskriminiert, indem sie alles getan habe, um ihr als Mutter ihren Arbeitsplatz rechtwidrig zu entziehen, auf den sie ein Recht habe. Auch sei das Arbeitsgericht fehlerhaft von einem Verfall des Entschädigungsanspruchs ausgegangen, da die Parteien stets in Verhandlung gestanden hätten, welche Tätigkeiten die Klägerin tatsächlich ausgeführt habe und was dies für ihren zukünftigen Einsatz bedeuten werde.

21

Die Klägerin beantragt,

22

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.10.2016 – Az.: 1 Ca 750/16 abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

23

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.

24

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

Die Berufung der Klägerin ist nur teilweise zulässig und im Übrigen unbegründet.

I.

26

Die Berufung der Klägerin ist zwar insgesamt form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 64 Abs. 2 lit b, 66 Abs. 1 ArbGG, 519ZPO. Indessen fehlt es hinsichtlich des Klageantrages zu 2) an einer hinreichenden Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 ZPO, sodass die Berufung insoweit als unzulässig zu verwerfen war.

27

Die Klägerin hat sich innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht mit allen tragenden diesbezüglichen Klageabweisungsgründen im angefochtenen Urteil auseinandergesetzt.

28

1. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., s. nur: BAG 18.05.2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14 m. w. N, AP Nr. 45 zu § 64 ArbGG 1979; BAG, 16.05.2012 - 4 AZR 245/10 -, juris). Betrifft das angefochtene Urteil – wie hier - mehrere verschiedene Ansprüche, muss eine hiergegen im Ganzen gerichtete Berufung grundsätzlich auf jeden Streitgegenstand eingehen. Andernfalls ist sie nur hinsichtlich der Streitgegenstände zulässig, auf die sie sich bezogen hat, sofern nicht das Bestehen der übrigen Streitgegenstände auf diesen beruht (vgl. BAG 02.04.1987 – 2 AZR 418/86 -, juris). Stützt das Arbeitsgericht sein Urteil bei einem Streitgegenstand auf mehrere voneinander unabhängige, die Entscheidung jeweils selbständig tragende rechtliche Erwägungen, dann muss die Berufungsbegründung alle diese Erwägungen angreifen. Setzt sich die Berufungsbegründung nur mit einer der beiden oder mehreren Erwägungen des Arbeitsgerichts auseinander, ist die Berufung insgesamt unzulässig. Die Begründung muss darlegen, warum jede Erwägung des Vordergerichts die Entscheidung nicht tragen könne (LAG Rheinland-Pfalz 06.04.2016 – 4 Sa 324/15, Schwab/Weth, ArbGG, 4. Aufl., § 64 Rd. 158 m.w.N.).

29

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Klägerin nicht in Bezug auf den mit dem Zahlungsantrag zu 2) verfolgten weiteren Streitgegenstand, obwohl die Berufung in zulässiger Weise unbeschränkt eingelegt worden ist. So bezieht sich der auf das angefochtene Urteil bezogene Abänderungsantrag explizit auf die Aufrechterhaltung aller in erster Instanz gestellten „Schlussanträge“.

30

Das Arbeitsgericht hat den Zahlungsantrag zu 2) in Höhe von 300,00 EUR nicht allein mit der Begründung abgewiesen, dass ein Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 1 AGG mangels Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nicht gegeben sei. Vielmehr hat das Arbeitsgericht seine Abweisung ferner darauf gestützt, dass dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch insoweit auch § 12 a ArbGG entgegenstehe, der die Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten ausschließe. Zudem hat das Arbeitsgericht schließlich noch ausgeführt, dass die Klägerin nicht substantiiert zum Eintritt des Schadens vorgetragen habe.

31

Die Klägerin hat sich jedoch mit ihrer Berufungsbegründung darauf beschränkt, das Nichtvorliegen einer Benachteiligung und den angenommenen Verfall anzugreifen. Hingegen hat sich die Klägerin überhaupt nicht mit den soeben nochmals dargelegten, die Abweisung des Zahlungsantrags zu 2) gleichfalls tragenden weiteren Gründen, auseinandergesetzt. So geht sie weder auf das Verhältnis der § 15 Abs. 1 AGG zu § 12a ArbGG ein noch macht sie Ausführungen zur fehlenden Substantiierung hinsichtlich des Schadenseintritts.

II.

32

Aber auch in der Sache selbst hat die bezogen auf den Klageantrag zu 1) zulässige Berufung keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.

33

Die Klägerin hat gegen die Beklagte schon deshalb keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von mindestens 9.150,00 EUR aus § 15 Abs. 2 AGG, da sie die Klage nicht innerhalb der in § 61b ArbGG normierten Klagefrist erhoben hat.

34

1. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Die Klägerin ist Beschäftigte (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AGG) und die Beklagte Arbeitgeber (§ 6 Abs. 2 AGG). Ebenso ist der sachliche Anwendungsbereich des AGG gegeben. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unterliegen die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Maßnahmen bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses der Diskriminierungskontrolle des AGG.

35

2. Nach § 61b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von 3 Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Diese von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche gesetzliche Ausschlussfrist hat die Klägerin mit ihrer beim Arbeitsgericht am 28. April 2016 eingegangenen Klage jedoch nicht gewahrt.

36

3. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass vorliegend von einem fortlaufendem Dauertatbestand auszugehen sei, so dass schon die gesetzlichen Ausschlussfristen der § 15 Abs. 4 AGG, 61b Abs. 1 ArbGG nicht vor ihrer Klageerhebung zu laufen begonnen hätten, ist nicht zutreffend.

37

Denn die Tatsache, dass die Parteien auch nach Wegfall der Beschäftigungspflicht aufgrund des Beschäftigungsverbotes und anschließendem Mutterschutz sowie zweiter Elternzeit weiterhin darüber stritten und streiten, welche Tätigkeiten die Klägerin tatsächlich ausgeführt hat und was dies für ihren zukünftigen Einsatz bedeutet, vermag keine Dauertatbestand zu begründen, bei dem die Frist des § 15 Abs. 4 AGG erst mit der letzten Benachteiligungshandlung zu laufen beginnt.

38

Das Vorliegen eines solchen Dauertatbestandes (vgl. hierzu auch ErfK/Schlachter, 17. Aufl., § 15 AGG Rn. 19) setzt voraus, dass fortlaufend neue Tatsachen eintreten, die für eine Benachteiligung von Bedeutung sind. Ein länger währender Vorgang der Diskriminierung ist dann noch nicht abgeschlossen. Dagegen liegt ein Dauerzustand dann nicht vor, wenn die für die Belästigung maßgeblichen Vorgänge bereits abgeschlossen sind und lediglich nachwirken (vgl. BAG 24.09.2009 - 8 AZR 705/08 - , juris, Rn. 59 f.; LAG Rheinland-Pfalz 28.10.2015 – 4 Sa 12/14,- juris, Rn. 61; LAG Hamm 01.06.2012 - 18 Sa 683/11 -, juris, Rn. 127).

39

Diese Voraussetzungen sind jedoch vorliegend nicht erfüllt. Die während der ersten Elternzeit im Zusammenhang mit der Beschäftigung der Klägerin nach deren Ende zum 20.09.2015 von der Klägerin angeführten Umstände, beginnend mit Falschschreibens ihres Namens, Unkenntnis des Arbeitsvertrages und des Zwischenzeugnisses bis hin zum nicht erfolgten Angebot der Beschäftigung als Direktionsassistentin, stellen einen klar abgrenzbaren Sachverhalt dar. Mit Erteilung des Beschäftigungsverbots zum 01.09.2015 entfiel die Beschäftigungspflicht für die Zeit nach Ende der ersten Elternzeit. Damit war selbst bei Zusammenfassung aller aufgeführten Vorgänge dieser Sachverhalt spätestens mit dem Zeitpunkt tatsächlich abgeschlossen, zudem feststand, dass nach Ende der ersten Elternzeit zum 20.09.2015 keine Beschäftigungspflicht bestand. Es ist eine zeitliche Zäsur eingetreten. Die erneut voraussichtlich Anfang 2019 nach Ende der zweiten Elternzeit wieder auflebende Beschäftigungspflicht stellt einen logisch trennbaren Sachverhalt mit neuer Sachlage dar. Daran ändert auch nichts, dass die Parteien auch trotz aktuell nicht mehr bestehender Beschäftigungspflicht weiterhin unterschiedliche Standpunkte dazu vertreten, welchen Inhalt der Beschäftigungsanspruch der Klägerin an sich und die damit korrespondierende Beschäftigungspflicht der Beklagten hat. Denn dadurch, dass die Beklagte ihren Standpunkt weiter vertritt und ihre bisherigen Argumente nicht aufgibt, werden schon keine neuen Tatsachen geschaffen. Es gibt keine weiteren Benachteiligungshandlungen.

40

4. Die Klägerin hat lediglich die zweimonatige Frist des § 15 Abs. 4 AGG zur schriftlichen Geltendmachung binnen zwei Monaten ab Kenntnis von der Benachteiligung eingehalten.

41

Die Klägerin hat in ihrem Schreiben vom 09.11.2015 unter Verweis auf die Stellenausschreibung der Direktionsassistentin zum 01.09.2015 wegen Diskriminierung einen Schadensersatzanspruch in Höhe von mindestens drei Bruttomonatsgehältern ausdrücklich verlangt. Hierin liegt eine formgerechte Geltendmachung im Sinne des § 15 Abs. 4 AGG. Die Wortwahl Schadensersatz statt Entschädigung ist insoweit unschädlich, da die Klägerin ihren Entschädigungsanspruch hinreichend nach dem Lebenssachverhalt individualisiert und der ungefähren Höhe nach angeben hat, was ausreicht (vgl. BAG 27.01. 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 23).

42

Mangels konkreter Angaben der insoweit darlegungspflichtigen Klägerin zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung unterstellt die Berufungskammer zu ihren Gunsten, dass sie die notwendige Kenntnis von der Stellenausschreibung der Direktionsassistentin und damit vom zur Verfügung stehen der ihrer Ansicht nach vor der Elternzeit ausgeübten und ihrer Auffassung nach auch vertraglich geschuldeten Tätigkeit sowie deren anderweitigen Besetzung erst innerhalb zwei Monaten vor dem anwaltlichen Schreiben vom 09.11.2015 erlangt hat, so dass dieses Schreiben auch fristwahrend erfolgte.

43

5. Allerdings hat die Klägerin es versäumt, den schriftlich geltend gemachten Anspruch anschließend rechtzeitig innerhalb der zweiten Stufe der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG einzuklagen.

44

a) Nach § 61b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Diese Frist hat die Klägerin mit ihrer beim Arbeitsgericht erst am 28.04.2016 eingegangenen Klage vorliegend nicht gewahrt.

45

Da die Beklagte mit Schreiben vom 18.11.2015 der Klägerin auf ihr Schreiben vom 09.11.2015 geantwortet hat, muss der Beklagten dieses zuvor auch zugegangen sein. Selbst wenn die Kammer zugunsten der Klägerin wegen fehlender Angaben zum Zugangszeitpunkt unterstellt, dass ihr Schreiben erst am 18.11.2015 zugegangen ist und am gleichen Tag noch beantwortet wurde, hätte die Klage spätestens bis zum 18.02.2016 beim Arbeitsgericht eingegangen sein müssen. Die Klageerhebung am 28.04.2016 erfolgte daher verspätet.

46

b) Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung einwendet, dass die Parteien stets in Verhandlungen standen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.

47

Zum einem stellt der klare Wortlaut des § 61 b Abs. 1 ArbGG für den Lauf des Fristbeginns allein auf den Zugang der schriftlichen Geltendmachung ab. Dieser Wortlaut ist eindeutig. Für den Fristlauf kommt es deshalb gerade nicht darauf an, ob und ggf. wie der Arbeitgeber auf die schriftliche Geltendmachung reagiert hat. Insbesondere ist es für den Beginn der Frist des § 61 b Abs. 1 ArbGG unerheblich, ob der Arbeitgeber nach der schriftlichen Geltendmachung eine Stellungnahme abgibt oder nicht (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Schleusener, 9. Aufl. 2017, § 61 b ArbGG, Rn. 8).

48

Dementsprechend haben etwaige Verhandlungen der Parteien auch keinen Einfluss auf den Fristlauf, insbesondere finden die Vorschriften über Hemmung und Neubeginn keine entsprechende Anwendung. Dies gilt insbesondere auch für § 203 BGB, wonach bei schwebenden Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger die Verjährung bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert, hemmt. Dies entspricht auch der gängigen Auffassung zur insoweit vergleichbaren Problematik bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen (vgl. zu letzteren z.B. ErfK/Preis, 17. Aufl., § 218 BGB, Rn. 57).

49

Selbst wenn die Berufungskammer der Auffassung der Klägerin folgen würde und grundsätzlich die Möglichkeit der Hemmung des Fristlaufs bei Verhandlungen ggfs. über § 242 BGB anerkennen würde, würde dies im vorliegenden Fall nichts am Verfall wegen Nichtwahrung der Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG ändern. Denn auch dann, wenn man darüber hinaus den sodann zur Frage, ob die Beklagte die Stelle der Direktionsassistentin der Klägerin vor einer Ausschreibung hätte anbieten müssen, da der Eintritt eines Beschäftigungsverbots zum 01.09.2015 für die Parteien nicht vorhersehbar war, geführten Schriftverkehr wohlwollend als ernsthafte Verhandlungen deuten würde, verbliebe die Klageerhebung verspätet. Etwaige Verhandlungen waren nämlich jedenfalls allerspätestens mit dem Schreiben der Beklagten vom 15.12.2015 gescheitert. Die Beklagte hat mit diesem Schreiben unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie von ihrem Standpunkt der fehlenden Vergleichbarkeit der Direktionsassistentenstelle nicht abrücke und sie nicht einmal einen Hauch einer Grundlage für irgendwelche Schadensersatzansprüche sehe. Dieses Schreiben ging dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich der von ihm selbst im Prozess vorgelegten Kopie dieses Schreibens noch am selben Tag per Fax zu, so dass die erst am 28.04.2016 und damit über 4 Monate später erhobene Klage in keinem Fall die dreimonatige Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG wahren konnte.

50

3. Da die Klage bereits wegen Nichteinhaltens der Klageerhebungsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG unbegründet ist, kommt es auf die Frage, ob ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung wegen der Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts gem. § 15 Abs. 2 AGG überhaupt besteht, nicht mehr an.

III.

51

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

52

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Juni 2009 - 3 Sa 499/09 - wird zurückgewiesen.

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(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

(2) Machen mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg eine Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerichtlich geltend, so wird auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsgericht, bei dem die erste Klage erhoben ist, auch für die übrigen Klagen ausschließlich zuständig. Die Rechtsstreitigkeiten sind von Amts wegen an dieses Arbeitsgericht zu verweisen; die Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Arbeitgebers findet die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Erhebung der ersten Klage statt.

(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands. Vor Abschluß der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluß der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.

(2) Werden im Urteilsverfahren des zweiten und dritten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung verhältnismäßig geteilt und ist die eine Partei durch einen Rechtsanwalt, die andere Partei durch einen Verbandsvertreter nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 vertreten, so ist diese Partei hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten so zu stellen, als wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Ansprüche auf Erstattung stehen ihr jedoch nur insoweit zu, als ihr Kosten im Einzelfall tatsächlich erwachsen sind.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 1783/08 - aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 29. Oktober 2008 - 1 Ca 1098/08 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten für die Zeit ab 1. Januar 2007 über die zutreffende Eingruppierung der Tätigkeit des Klägers nach dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (ERA).

2

Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten als Werkstoffprüfer im mechanischen Labor eingesetzt, wo insgesamt vier Werkstoffprüfer mit der Arbeitsaufgabe Qualitätsprüfung-Metallografie unter einem Laborleiter im Zweischichtbetrieb tätig sind.

3

Die Beklagte bildet ua. Verfahrensmechaniker (Umformtechnik), Drahtzieher und Industriekaufleute aus, Werkstoffprüfer hingegen seit Jahren nicht mehr. Die Auszubildenden zu Industriekaufleuten und zu Verfahrensmechanikern werden jeweils vier Wochen im mechanischen Labor eingesetzt, wobei sie nicht jeden Tag anwesend sind. Bei Auszubildenden zu Verfahrensmechanikern ist eine vierwöchige Ausbildung im mechanischen Labor Bestandteil des Ausbildungsplans und die Inhalte sind prüfungsrelevant. Sie werden in Einzelfällen nach dieser Ausbildung im mechanischen Labor zur Urlaubs- oder Krankheitsvertretung eingesetzt. Außerdem werden für zwei bis drei Wochen pro Jahr zwei bis drei Schülerpraktikanten betreut. Grundsätzlich wird jeweils nur ein Auszubildender oder Praktikant dem mechanischen Labor zugewiesen, wobei es gelegentlich zu Überschneidungen kommt.

4

Im Hinblick auf die zum 1. Januar 2007 beabsichtigte Einführung des ERA schloss die Beklagte mit dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat am 28. April 2005 eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Einführung von ERA gemäß § 2 Nr. 4 ERA-Einführungstarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (ERA-ETV).In Nr. 9 dieser Betriebsvereinbarung vereinbarten die Betriebsparteien die Anwendung des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens gem. § 7 ERA-ETV, § 4 Nr. 3 ERA und richteten im Rahmen dieses Verfahrens eine Paritätische Kommission ein.

5

Dem Kläger wurde von der Beklagten im November 2006 eine Aufgabenbeschreibung sowie die Eingruppierung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 nach der Entgeltgruppe 11 ERA mitgeteilt. Dagegen wandte er sich mit einem Widerspruch, der auf das Anforderungsmerkmal „Kooperation“ gestützt war und der von der Paritätischen Kommission am 23. Januar 2007 abgelehnt wurde. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Januar 2007 mit, in dem sie gleichzeitig ankündigte, die Aufgabenbeschreibung hinsichtlich der zuvor nicht darin erwähnten Obliegenheit der Betreuung von Auszubildenden zu ergänzen.

6

Die im Juni 2007 insoweit ergänzte Aufgabenbeschreibung des Klägers bewertet die einzelnen Anforderungsmerkmale des ERA; die Mitarbeiterführung ordnet sie der Stufe 1 zu, vergibt also insoweit 0 Punkte und kommt zu einem Gesamtwert von 110 Punkten, der eine Einstufung in Entgeltgruppe 11 zur Folge hat.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 ERA zu. Seine Tätigkeit sei wegen ihrer Prägung durch regelmäßige Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten bezüglich des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ nach der Stufe 2 zu bewerten, so dass ihm weitere fünf Punkte zuzuerkennen seien und er einen für eine Einstufung in Entgeltgruppe 12 ausreichenden Gesamtwert von 115 Punkten erreiche.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass er mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in die Entgeltgruppe 12 des Entgeltrahmenabkommens (ERA) der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen einzugruppieren ist.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass die Bewertung des Anforderungsprofils „Mitarbeiterführung“ zutreffend sei. Das Tätigkeitsbild der Arbeitsaufgabe „Werkstoffprüfung“ beinhalte nicht die fachliche Anweisung, Anleitung und Unterstützung anderer Beschäftigter. Die zeitweise Betreuung der Auszubildenden während des vorübergehenden Einsatzes im mechanischen Labor präge die Tätigkeit des Klägers nicht.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig. Sie wäre deshalb vom Landesarbeitsgericht zu verwerfen gewesen.

12

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - aaO; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10, BAGE 121, 18 mzN). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird(im Ergebnis ebenso BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9; 9. Juli 2003 - 10 AZR 615/02 - Rn. 5 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37; 29. November 2001 - 4 AZR 729/00 - EzA ZPO § 519 Nr. 13).

13

II. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.

14

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., vgl. ua. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11; 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2; 6. März 2003 - 2 AZR 596/02 - BAGE 105, 200). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - aaO). Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 121, 18; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn. 14 mwN, BAGE 122, 190). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - aaO; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn 14 mwN, aaO).

15

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers vom 12. Dezember 2008 nicht.

16

a) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei unbegründet, weil sich die Paritätische Kommission bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Mit § 7 ERA-ETV hätten die Tarifvertragsparteien festgelegt, dass die Feststellung der Eingruppierung einem besonderen Verfahren unterworfen sei, das nur eine beschränkte Überprüfung des gefundenen Ergebnisses vorsehe. Aus § 7 Abs. 1 und Abs. 4 ERA-ETV ergebe sich, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne. Beides mache der Kläger jedoch nicht geltend. Da sich die Paritätische Kommission nach seinem eigenen Vorbringen nicht mit dem Merkmal Mitarbeiterführung befasst habe, könne ihr insoweit auch kein Fehler unterlaufen sein. Das Unterlassen der Überprüfung des Merkmales Mitarbeiterführung sei der Paritätischen Kommission nicht vorzuwerfen, da sich der Kläger gegenüber seiner tariflichen Ersteinstufung ausdrücklich nur auf das Merkmal „Kooperation“ bezogen habe. Deshalb habe das Gericht nicht zu prüfen, ob der Kläger im Rahmen seiner Arbeitsaufgabe regelmäßig oder nur gelegentlich während eines Betriebsdurchlaufes Auszubildende und Praktikanten betreue.

17

b) Die Berufungsbegründungsschrift des Klägers enthält keinerlei Bezug zu und nicht ansatzweise eine Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts. Entgegen den Anforderungen des § 520 ZPO ist nichts dazu vorgetragen, in welchen Punkten rechtlicher und tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll.

18

Das Urteil des Arbeitsgerichts wird in der Berufungsbegründung weder ausdrücklich noch implizit erwähnt. Es findet keinerlei argumentative Auseinandersetzung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts statt, dass die Klage bereits unbegründet sei, weil sich die Paritätische Kommission bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Auch die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne, findet weder Erwähnung noch erfolgt irgendeine Auseinandersetzung mit diesem rechtlichen Ansatz.

19

Stattdessen enthält die Berufungsbegründungsschrift ausschließlich Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen, teils wiederholend, teils vertiefend. Nachdem referiert worden ist, dass das ERA auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, welche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit welchem Ergebnis erfolgt ist und woran es dabei aus Sicht des Klägers mangelt, wird auch der Ablauf des Verfahrens vor der Paritätischen Kommission geschildert. Die Ausführungen hierzu bleiben jedoch ausschließlich im Tatsächlichen. Es fehlt an jeder rechtlichen Argumentation, die sich mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil auseinandersetzt.

20

Soweit der Kläger sich dahingehend äußert, die Paritätische Kommission habe seine Beanstandung im Hinblick auf die nicht zutreffend vorgenommene Bewertung im Rahmen des Merkmales „Mitarbeiterführung“ nicht abgearbeitet, zeigt er keinen Verfahrensfehler auf. Dieses Vorbringen kann zwar anfänglich dahingehend verstanden werden, der Kläger wolle vortragen, dass die Kommission sich mit dem von ihm vorgebrachten Merkmal der „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Darin könnte - obwohl vom Kläger nicht ausdrücklich erwähnt - auf den ersten Blick der Vorwurf eines Verfahrensfehlers liegen. Allerdings ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen etwas anderes. So weist der Kläger ausdrücklich darauf hin, dass der Paritätischen Kommission der Themenbereich „Mitarbeiterführung“ bekannt gewesen, „eine Bewertung, insbesondere im Sinne des Klägers, allerdings nicht“ erfolgt sei. Auch sei der Betriebsratsvorsitzenden von der Kommission erklärt worden, dass die Werkstoffprüfer selbstverständlich zur Ausbildung verpflichtet seien, die Aufgabenbeschreibung entsprechend abgeändert werde, eine Bewertung insofern allerdings nicht erfolge. Damit bringt der Kläger zum Ausdruck, dass er die aus seiner Sicht fehlerhafte Bewertung des Merkmales Mitarbeiterführung durch die Paritätische Kommission beanstandet, nicht aber einen Verfahrensfehler durch Nichtberücksichtigung seines Vorbringens rügt.

21

Auch die weiteren Ausführungen in der Berufungsbegründung, insbesondere zu den gleichzeitigen Anwesenheitszeiten von Mitarbeitern des mechanischen Labors und Auszubildenden und Praktikanten in den Jahren 2007 und 2008 und zur Beschreibung der Ausbildungsinhalte im mechanischen Labor, stellen keine argumentative Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts dar.

22

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung und Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    Pieper     

        

    Plautz    

                 

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2010 - 17 Sa 848/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

2

Der Kläger ist seit dem 1. August 1983 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, dem Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt M e.V. als Diplom-Sozialpädagoge beschäftigt. In dem am 14. Juni 1983 geschlossen Arbeitsvertrag heißt es ua.:

        

„Im übrigen gelten ergänzend die Vorschriften des jeweils geltenden Bundesmanteltarifvertrages der Arbeiterwohlfahrt.“

3

Der Kläger ist in der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche tätig. Die Beklagte vergütet ihn nach der VergGr. IVb Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 Sozial- und Erziehungsdienst des Tarifvertrages über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundesmanteltarifvertrag (BMT-AW II) für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (TV-TM). Mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 machte der Kläger eine Höhergruppierung nach der VergGr. IVa TV-TM erfolglos geltend.

4

Mit seiner Klage verlangt der Kläger in der Sache und soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung die Feststellung, dass er nach der VergGr. III TV-TM, hilfsweise nach der VergGr. IVa TV-TM zu vergüten sei. Er müsse die Arbeit von verschiedenen Stellen koordinieren, ua. die Einbeziehung des Jugendamtes, der Justizbehörden, weiterer Hilfeträger, Schulen, Kindergärten, Ärzten und Psychologen. Weiterhin bereite er Beratungen, Therapien und Hilfeplanungen vor und führe sie durch, „insbesondere die Diagnostik, Beratung, pädagogische und therapeutische Behandlungsangebote bei individuellen und familiären Problemen von Kindern und Jugendlichen sowie bei jungen Volljährigen …, insbesondere bei Erziehungsproblemen, Entwicklungsauffälligkeiten, psychosomatischen Problemen, Verhaltensauffälligkeiten, Vernachlässigung, Gewalt und Misshandlungen, sexuellen Missbrauch, Schwierigkeiten bei der Verselbstständigung, Beziehungsproblemen zwischen Eltern und Kindern“. Es handele sich dabei um ein „besonders schwieriges Klientel“.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab April 2008 in die Vergütungsgruppe III des BMT-AW II, hilfsweise in Vergütungsgruppe IVa BMT-AW II einzugruppieren.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Weder habe der Kläger eine Spezialausbildung abgeschlossen, noch sei es Inhalt seiner Tätigkeit, mindestens 20 Sozialarbeiter, Sozialpädagogen und Jugendleiter zu koordinieren. Die Beratung von Klienten mit zugespitzten Problemlagen und Krisensituationen sei seine originäre Aufgabe als Sozialpädagoge. Aus dem Vorbringen ergebe sich weder, welche Tätigkeit er im Einzelnen ausübe, noch weshalb sie sich durch besondere Bedeutung und Schwierigkeit heraushebe.

7

Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Revision von Bedeutung - die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig. Sie wäre deshalb vom Landesarbeitsgericht zu verwerfen gewesen.

9

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - aaO; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10 mwN, BAGE 121, 18). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 12 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 45; 29. November 2001 - 4 AZR 729/00 - zu I 1 der Gründe, EzA ZPO § 519 Nr. 13).

10

II. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.

11

1. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., s. nur BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 45).

12

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers gegen das wohl begründete Urteil des Arbeitsgerichts nicht.

13

a) Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe nicht substantiiert dargetan, dass er die Tätigkeitsbeispiele der beantragten Vergütungsgruppe nach deren Protokollnotiz Nr. 13 TV-TM erfülle. Er habe weder in nachprüfbarer Weise vorgetragen, dass für die Tätigkeit eine zusätzlich abgeschlossene Spezialausbildung benötigt werde oder er mindestens 20 Sozialarbeiter, Sozialpädagogen oder Jugendleiter zu koordinieren habe. Weiterhin lasse sein Vortrag nicht erkennen, inwiefern sich seine Tätigkeit beträchtlich und gewichtig aus den schwierigen Tätigkeiten iSd. VergGr. IVb TV-TM heraushebe, weshalb der nach der Rechtsprechung erforderliche wertende Vergleich nicht möglich sei. Der Umstand allein, dass der Kläger mit unterschiedlichen Problemgruppen umzugehen habe, lasse seine Tätigkeit zwar als schwierig iSd. des Tätigkeitsmerkmales der VergGr. IVb TV-TM erscheinen, nicht aber als besonders schwierig, wie es das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IVa TV-TM voraussetze. Ob und inwiefern für welche konkrete Tätigkeit eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung aus den schwierigen Tätigkeiten vorliegt, könne anhand des Vorbringens des Klägers nicht festgestellt werden. Er habe weder vorgetragen noch erläutert, ob und inwiefern sich die Bedeutung oder die Größe seines Aufgabengebietes sowie die Tragweite für den innerdienstlichen Bereich oder für die Allgemeinheit deutlich aus den schwierigen Tätigkeiten eines Sozialpädagogen herausheben. Nach seinem Vorbringen sei auch nicht erkennbar, dass seine Tätigkeit bedeutungsvoller sei als die anderer Diplom-Sozialpädagogen.

14

b) Der Kläger wendet in seiner Berufungsbegründung lediglich pauschal ein, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe er in seinen erstinstanzlichen Schriftsätzen „ersichtlich umfassend vorgetragen“. Der Berufungsbegründung ist eine argumentative Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Stattdessen enthält sie fast ausschließlich Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgebrachten Tatsachen. Soweit der Kläger hinsichtlich seiner Beratungs- und Betreuungstätigkeit „vertiefend vorträgt“, handelt es sich um eine, zum Teil stichwortartige, mit Unterpunkten versehene Wiederholung seiner erstinstanzlichen Darstellung, in welchen Problembereichen er tätig wird. Gleiches trifft auf die angeführten Planungsaufgaben zu.

15

Bei diesem Vortrag handelt es sich auch ebenso wenig wie bei dem pauschalen Hinweis auf eine in der Anlage beigefügte elfseitige Broschüre „Erziehungsberatung - Stellungnahme der Arbeiterwohlfahrt“ des Bundesverbandes der AWO um neue Tatsachen, die eine Zulässigkeit der Berufung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO begründen könnten(dazu BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 313/09 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 62). Nach dem klägerischen Vortrag bleibt schon gänzlich offen, welche neuen Angriffsmittel sich aus dem Inhalt der Broschüre ergeben sollen.

16

III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Winter    

        

    Treber    

        

        

        

    Plautz    

        

    Weßelkock    

                 

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands. Vor Abschluß der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluß der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.

(2) Werden im Urteilsverfahren des zweiten und dritten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung verhältnismäßig geteilt und ist die eine Partei durch einen Rechtsanwalt, die andere Partei durch einen Verbandsvertreter nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 vertreten, so ist diese Partei hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten so zu stellen, als wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Ansprüche auf Erstattung stehen ihr jedoch nur insoweit zu, als ihr Kosten im Einzelfall tatsächlich erwachsen sind.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

(2) Machen mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg eine Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerichtlich geltend, so wird auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsgericht, bei dem die erste Klage erhoben ist, auch für die übrigen Klagen ausschließlich zuständig. Die Rechtsstreitigkeiten sind von Amts wegen an dieses Arbeitsgericht zu verweisen; die Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Arbeitgebers findet die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Erhebung der ersten Klage statt.

(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
2.
die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
3.
Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten.
Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.

(2) Arbeitgeber (Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen) im Sinne dieses Abschnitts sind natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach Absatz 1 beschäftigen. Werden Beschäftigte einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, so gilt auch dieser als Arbeitgeber im Sinne dieses Abschnitts. Für die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber oder Zwischenmeister.

(3) Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften dieses Abschnitts für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen und Vorstände, entsprechend.

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

1.
die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2.
die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3.
den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4.
die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
5.
den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6.
die sozialen Vergünstigungen,
7.
die Bildung,
8.
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.

(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.

(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.

(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.

(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

(2) Machen mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg eine Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerichtlich geltend, so wird auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsgericht, bei dem die erste Klage erhoben ist, auch für die übrigen Klagen ausschließlich zuständig. Die Rechtsstreitigkeiten sind von Amts wegen an dieses Arbeitsgericht zu verweisen; die Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Arbeitgebers findet die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Erhebung der ersten Klage statt.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.


Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.11.2013 - 2 Ca 360/13 - unter Ziffer 2. des Urteilstenors wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 6.000,00 € zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

III. Die Berufung der Beklagten wird insgesamt zurückgewiesen.

IV. Die Klägerin hat 36 % und die Beklagte 64 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 23 % der Klägerin und zu 77 % der Beklagten auferlegt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zweitinstanzlich im Wesentlichen über Ansprüche der Klägerin aufgrund geschlechtsspezifischer Benachteiligung.

2

Die am …1959 geborene Klägerin ist seit dem 09.02.1998 als Produktionsmitarbeiterin im Schuhfabrikationsbetrieb der Beklagten beschäftigt.

3

Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohnes), das Weihnachtsgeld (40 % eines Monatslohnes) sowie das Urlaubsgeld (46,5 % eines Monatslohnes) berechnete die Beklagte für Frauen bis zum 31.12.2012 ebenfalls auf der Grundlage deren niedrigeren Stundenlohnes. Die hieraus resultierende Vergütungsdifferenz beläuft sich, wie zwischen den Parteien zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig geworden ist, für die Jahre 2009 bis 2012 auf insgesamt 11.016,30 EUR brutto.

4

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Entlohnung ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob die Klägerin bereits seit einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dieser Ungleichbehandlung hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

5

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 22.11.2012 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten bezifferte Nachzahlungsansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung für die Zeit ab dem 01.01.2009 sowie einen diesbezüglichen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht und wegen dieser und anderer Ansprüche mit ihrem am 28.01.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Schriftsatz Klage erhoben.

6

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.11.2013 (Bl. 351 bis 359 d. A.).

7

Die Klägerin hat beantragt,

8

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz rückständigen Lohn in Höhe von 12.156,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 12.12.2012 zu zahlen,

9

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens 9.194,50 EUR belaufen soll, zu zahlen,

10

3. die nachzuzahlen Löhne für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2012 ordnungsgemäß abzurechnen und der Klägerpartei entsprechende Gehaltsabrechnungen zu erteilen

11

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerpartei umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob die Klägerpartei auch bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohnes und der übrige Vergütungsbestandteile, insbesondere des Weihnachtsgeldes, des Urlaubsgeldes und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand,

12

5. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerpartei 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Kalenderjahr zu gewähren,

13

6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens 2.000,00 EUR belaufen soll, zu zahlen,

14

7. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerpartei eine von der Geschäftsführung der Beklagten unterzeichnete Niederschrift über die zwischen den Parteien geltenden Arbeitsvertragsbedingungen zu erteilen, die folgenden Inhalt hat:

15

a) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich ein Weihnachtsgeld in Höhe von 40 % des Bruttolohns, welches gemeinsam mit dem Gehalt für den Monat November gezahlt wird.

16

b) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich ein Urlaubsgeld in Höhe von 46,5 % des Bruttolohns. Das Urlaubsgeld wird in zwei Teilbeträgen à 23,25 % des Bruttogehalts gemeinsam mit den Gehältern für die Monate Juli und Oktober des Kalenderjahrs gezahlt.

17

c) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich eine Anwesenheitsprämien in Höhe von 5 % des monatlichen Bruttolohns, die gemeinsam mit dem Gehalt für den jeweils abgelaufenen Monat ausgezahlt wird.

18

Die Gewährung von Erholungsurlaub im fraglichen Kalendermonat führt nicht zu einer Reduzierung der Anwesenheitsprämie.

19

d) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich eine stückzahlabhängige Leistungsprämie.

20

e) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei bei Bestehen eines gültigen Vertrages über vermögenswirksame Leistungen verbindlich und unwiderruflich einen Arbeitgeberanteil an den vermögenswirksamen Leistungen i.H.v. 19,94 EUR brutto monatlich.

21

f) Die Beklagte gewährt der Klägerpartei 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Kalenderjahr. Im laufenden Kalenderjahr nicht in Anspruch genommener Erholungsurlaub kann ins folgende Kalenderjahr übertragen werden. Der Anspruch auf Gewährung des übertragenen Erholungsurlaubs verfällt nicht, insbesondere nicht zum 31. März des Folgejahres.

22

8. die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der Klägerpartei die Zusammensetzung und Höhe der mit der Klägerpartei vereinbarten stückzahlabhängigen Leistungsprämien sowie deren Fälligkeit schriftlich niederzulegen und die Niederschrift zu unterzeichnen.

23

Die Beklagte hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.11.2013 dem Klageantrag zu 1) teilweise i. H. v. 11.016,30 EUR brutto, dem Klageantrag zu 2) teilweise i. H. v. 5.129,04 EUR brutto sowie den Klageanträgen zu 3), zu 7) d und zu 8) in vollem Umfang stattgegeben. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 10 bis 27 dieses Urteils (= Bl. 359 bis 376 d. A.) verwiesen.

26

Gegen das ihr am 13.12.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.01.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 06.02.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 13.03.2014 begründet.

27

Die Klägerin hat gegen das ihr am 13.12.2013 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 13.01.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 11.02.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 13.03.2014 begründet.

28

Die Berufungsschrift der Klägerin ist zunächst am 13.01.2014 per Telefax in unvollständiger Form beim Berufungsgericht eingegangen. Das betreffende Telefax enthält lediglich die erste Seite der Berufungsschrift, auf der unter der Überschrift "Berufung" zwar die Parteien sowie deren Prozessbevollmächtigten, jedoch weder das erstinstanzliche Gericht noch das erstinstanzliche Aktenzeichen angegeben sind und auf der sich keine Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin befindet. Das Original der Berufungsschrift ist sodann in vollständiger und vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichneter Fassung am 15.01.2014 beim Berufungsgericht eingegangen.

29

Nachdem die Klägerin mit Schreiben des Gerichts vom 30.01.2014 auf die Unvollständigkeit der per Telefax eingereichten Berufungsschrift hingewiesen worden war, hat sie am 06.02.2014 beantragt, ihr wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und diesen Antrag zugleich begründet. Wegen des Inhalts der Begründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 05.02.2014 (Bl. 414 bis 418 d. A.) sowie auf die eidesstattliche Versicherung der beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin beschäftigten Rechtsanwaltsfachangestellten M. (Bl. 419 bis 421 d. A.) Bezug genommen.

30

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, die Anträge auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen und auf Zahlung einer Entschädigung seien bereits deshalb unbegründet, weil die Klägerin die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt habe. Der Klägerin sei während der gesamten Dauer ihrer Beschäftigung positiv bekannt gewesen, dass die männlichen Produktionsmitarbeiter einen höheren Lohn erhielten als die weiblichen. Die geschlechtsbezogenen Lohnunterschiede seien im Betrieb jederzeit offen kommuniziert worden. Diesen Umstand habe das Arbeitsgericht auch bei der Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht ausreichend berücksichtigt. Eine offene Ungleichbehandlung wiege nämlich weitaus weniger schwer als eine heimliche Lohndiskriminierung. Der Antrag der Klägerin auf Erteilung ordnungsgemäßer Abrechnungen sei bereits in Ermangelung der nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bestimmtheit unzulässig.

31

Die Beklagte beantragt,

32
1. das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,
33
2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
34

Die Klägerin beantragt (zuletzt, nach teilweiser Berufungsrücknahme),

35
1. das erstinstanzliche Urteil abzuändern und
36
a) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin wegen erfolgter Lohndiskriminierung und Verstoßes gegen das AGG eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 AGG sowie aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu zahlen, die sich jedoch mindestens auf 7.735,72 EUR belaufen soll,
37
b) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerpartei Auskunft darüber zu erteilen, ob und seit wann die Klägerpartei in Ausübung ihrer Tätigkeit als festangestellte, nicht nach Tarifvertrag beschäftigte, nach dem Arbeitsvertrag als gewerbliche "Produktionsmitarbeiterin" der Beklagten beschäftigte Arbeitnehmerin in dem von ihr tatsächlich ausgeübten Umfang der Beschäftigung in der Zeit seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2008 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohnes und der übrigen Vergütungsbestandteile, insbesondere des Weihnachtsgeldes, des Urlaubsgeldes und der Anwesenheitsprämie, sowie eventueller Überstundenzuschläge im Verhältnis zu männlichen Arbeitskollegen mit gleicher Beschäftigung - d.h. laut Arbeitsvertrag als Produktionsmitarbeiter eingestellt und beschäftigt - ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Vergütung als bei den männlichen Kollegen stattfand und wie hoch der Stundenlohn, das Weihnachtsgeld, das Urlaubsgeld und die Anwesenheitsprämie sowie der Überstundenzuschlag der männlichen Produktionsmitarbeiter jeweils war.
38
2. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
39

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu niedrig bemessen, indem es eine Entschädigung in Höhe dreier Bruttomonatslöhne für angemessen erachtet und bei der Berechnung nur den Grundlohn zugrunde gelegt habe. Sie - die Klägerin - halte eine Entschädigung in Höhe von mindestens vier Bruttomonatslöhnen für angemessen, wobei je in die Durchschnittsberechnung auch das Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie die Anwesenheitsprämie einfließen müssten. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hinreichend bestimmt. Es treffe auch nicht zu, dass der Klage insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

40

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

41

I. 1. Die statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig.

42

Zwar hat die Klägerin die einmonatige Berufungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG versäumt, da die noch innerhalb der Berufungsfrist beim Berufungsgericht per Telefax eingegangene Berufungsschrift unvollständig, insbesondere nicht unterzeichnet, und die vollständige Berufungsschrift erst am 15.01.2014, somit nach Ablauf der Berufungsfrist bei Gericht eingegangen ist. Der Klägerin war jedoch auf ihren Antrag hin wegen der Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

43

Der fristgerechte Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass sie ohne eigenes Verschulden sowie auch ohne ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten.

44

Die Versäumung der Berufungsfrist beruht - unter Zugrundelegung des glaubhaft gemachten Vorbringens der Klägerin - ausschließlich auf dem Umstand, dass die mit der Versendung des die Berufungsschrift beinhaltenden Telefaxes und der Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Übermittlung beauftragte Rechtsanwaltsfachangestellte M. es entgegen der in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers bestehenden eindeutigen Weisung versäumte, das Sendeprotokoll nicht nur auf das Vorhandensein eines OK-Vermerks, sondern auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten hin zu überprüfen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte seinerseits mit der allgemeinen Weisung, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls insbesondere auch zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig an den richtigen Empfänger erfolgt ist, seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze genüge getan (vgl. BGH v. 14.05.2008 - XII ZB 34/07 - NJW 2008, 2508). Ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden liegt daher nicht vor.

45

Die auch form- sowie fristgerecht begründete und somit insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nur zum Teil begründet.

46

2. Die statthafte Berufung der Beklagten ist zum Teil unzulässig.

47

Zwar hat die Beklagte ihre Berufung form- und fristgerecht eingelegt und diese auch fristgerecht begründet. Soweit die Beklagte jedoch mit ihrem Berufungsantrag das erstinstanzliche Urteil auch insoweit anficht, als das Arbeitsgericht den auf Erteilung eines Nachweises gerichteten erstinstanzlichen Klageanträgen zu 7) d und 8) stattgegeben hat, so genügt die Berufungsbegründung nicht den in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO normieren Voraussetzungen. Nach dieser Vorschrift muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Vorliegend enthält die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten bezüglich des vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Anspruchs der Klägerin auf Erteilung eines Nachweises keinerlei Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils. Insoweit fehlt es vielmehr an jeglichen Ausführungen.

48

Die Berufung der Beklagten war daher insoweit als unzulässig zu verwerfen, ohne dass dies im Urteilstenor gesondert zum Ausdruck zu bringen war.

49

Die im Übrigen insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

50

II. 1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte wegen geschlechtsbezogener Entgeltdiskriminierung für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.12.2012 einen Anspruch hat auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn sowie sonstiger Vergütungsbestandteile (Weihnachts- und Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) und derjenigen Vergütung, welche die Beklagte in diesem Zeitraum an ihre männlichen Produktionsmitarbeiter gezahlt hat. Der Gesamtbetrag beläuft sich - wie zwischen den Parteien in zweiter Instanz unstreitig geworden ist - auf den vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Betrag von 11.016,30 EUR brutto. Der Zinsanspruch resultiert aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, da sich die Beklagte aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 22.11.2012 ab dem 12.12.2012 mit der Leistung in Verzug befand.

51

a) Unstreitig hat die Beklagte der Klägerin, ebenso wie allen anderen weiblichen Produktionsbeschäftigten, im streitigen Zeitraum einen niedrigeren Stundenlohn und dementsprechend auch niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gezahlt als den männlichen Produktionsbeschäftigten. Die niedrigere Entlohnung beruhte unstreitig allein auf dem Geschlecht und stellt daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war.

52

Infolge der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Nachzahlung der in rechnerischer Hinsicht unstreitigen Differenzbeträge in Höhe von insgesamt 11.016,30 EUR brutto. Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs.1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz wider-sprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 BGB Abs. 3 BGB a.F. stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm, eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (BAG v. 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - AP Nr. 39 zu § 611 BGB Teilzeit). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (BAG v. 11.02.2007 - 3 AZR 249/06 - AP Nr. 1 zu § 2 AGG). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" er-folgen.

53

b) Die Ansprüche der Klägerin sind - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen. Nach dieser Vorschrift muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Klägerin macht jedoch, soweit sie die Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen begehrt, keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Erfüllungsanspruch unterliegt nicht der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG (BAG v. 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - AP Nr. 72 zu § 16 BetrAVG Nr. 72, Rz. 23; BAG v. 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - NZA 2010, 159, Rz. 37; MüKoBGB/Thüsing, 6. Auflage, AGG § 15, Rz. 32; BeckOK ArbR/Roloff, AGG, § 15, Rz. 12).

54

c) Die geltend gemachten Erfüllungsansprüche für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.12.2012 sind nicht verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dies gilt auch für den auf das Jahr 2009 entfallenden Teil der geltend gemachten An-sprüche. Zwar hat die Klägerin ihre Klage erst am 28.01.2013 eingereicht. Die Parteien haben jedoch unstreitig am 18.12.2012 eine Vereinbarung getroffen, nach deren Inhalt die Beklagte auf die Einrede der Verjährung bezüglich solcher Ansprüche verzichtete, die nicht bereits bei Abschluss der betreffenden Vereinbarung verjährt waren. Eine Verjährung der vorliegend streitbefangenen Erfüllungsansprüche war, auch soweit sie noch aus dem Jahr 2009 resultieren, am 18.12.2012 noch nicht eingetreten.

55

2. Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass der Klägerin wegen der geschlechtsbezogenen Diskriminierung gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht. Auf die Berufung der Klägerin ist der vom Arbeitsgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag jedoch auf 6.000,00 EUR zu erhöhen.

56

a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Geschlechts jahrelang unmittelbar bei der Entgeltzahlung benachteiligt und damit gegen das Verbot des § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 1 AGG verstoßen. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

57

b) Hinsichtlich der Höhe des hieraus resultierenden Entschädigungsanspruchs räumt § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG dem Gericht einen Beurteilungsspielraum ein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechten gewährleisten. Die Härte der Sank-tion muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (BAG v. 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - zitiert nach juris).

58

Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Berufungskammer unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles eine Entschädigung in Höhe von 6.000,00 EUR für angemessen. Die Beklagte hat die Klägerin und eine Vielzahl weiterer Frauen bis zum 31.12.2012 über Jahre hinweg bei gleicher Tätigkeit wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als Männer. Art, Schwere und Dauer dieser Benachteiligung gebieten die Festsetzung eines fühlbaren Entschädigungsbetrages, denn es handelte sich um eine unmittelbare Benachteiligung, die schwerer wiegt als eine bloß mittelbare (BAG v. 18.03.2010 - 8 AZR 1044/08 - NZA 2010, 1129). Überdies ist von einem vorsätzlichen und nicht nur lediglich fahrlässigen Verhalten der Beklagten bei der Benachteiligung der bei ihr beschäftigten Frauen aufgrund des Geschlechts auszugehen. Entgegen ihrer Ansicht vermag es die Beklagte nicht zu entlasten, dass - unter Zugrundelegung ihrer Behauptungen - die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern im Betrieb nicht verdeckt erfolgte, sondern jederzeit "offen kommuniziert" wurde. Die geschlechtsbezogene, bis zum 31.12.2012 fortgesetzte Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen beim Entgelt war eklatant rechtswidrig. Dass diese Ungleichbehandlung nach dem Vorbringen der Beklagten offen zu Tage getreten sein soll, schmälert den Unwertgehalt der Diskriminierung nicht.

59

Die Höhe der Arbeitsvergütung der Klägerin ist für die Bemessung der Entschädigung im Streitfall unerheblich. Das Bruttomonatsentgelt ist zwar ein geeigneter Maßstab bei der Festlegung der Entschädigungshöhe im Zusammenhang mit Nichteinstellungen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG) oder Entlassungen (vgl. § 10 KSchG). Vorliegend erfolgte die Diskriminierung jedoch im bestehenden Arbeitsverhältnis, so dass die Vergütungshöhe nicht zwingend Einfluss auf die Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG haben muss (BAG v. 22.01.2009 - 8 AZR 906/07 - AP Nr. 1 zu § 15 AGG).

60

Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen des Geschlechts regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BAG v. 19.12.2013 - 6 AZR 190/12 - NZA 2014, 372; KR/Treber, 10. Auflage, § 15 AGG, Rz. 27, m. w. N.). Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen. Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von den materiellen Ansprüchen sanktioniert werden. Im Streitfall erscheint es sachgerecht, die Höhe der Entschädigung vom durchschnittlichen Monatsentgelt der Klägerin abzukoppeln. Die Beklagte hat in ihrem Betrieb alle weiblichen Produktionsbeschäftigten jahrelang wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als die männlichen. Wenn auch die Vergütungsdifferenzen u. a. wegen der Arbeitszeiten für jede Frau unterschiedlich hoch ausfallen, so ist doch die mit der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verbundene Persönlichkeitsverletzung für jede betroffene Frau in gleicher Weise erheblich. Die Festsetzung eines einheitlichen Entschädigungsbetrages von 6.000,00 EUR erscheint daher angemessen.

61

c) Die Klägerin hat ihren Entschädigungsanspruch mit Schreiben vom 22.11.2012 rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Vorliegend hat die Beklagte der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 für gleiche Arbeit eine geringere Vergütung gezahlt als den männlichen Produktionsmitarbeitern. Somit lag ein Dauertatbestand vor, mit der Folge, dass die Ausschlussfrist erst mit dessen Beseitigung ab Jahresanfang 2013 begann. Wenn ein noch nicht abgeschlossener, länger währender Zustand vorliegt, beginnt die Ausschlussfrist nicht vor dessen Beendigung zu laufen (BAG v. 24.09.2009 - 8 AZR 705/08 - AP Nr. 2 zu § 3 AGG).

62

Die Klägerin hat auch die Klagefrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG gewahrt, indem sie ihre Klage auf Zahlung von Entschädigung am 28.01.2013 und damit innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs beim Arbeitsgericht eingereicht hat.

63

3. Die Klage auf Erteilung von Gehaltsabrechnungen (erstinstanzlicher Klageantrag zu 3) ist zulässig und begründet.

64

Das Berufungsgericht folgt insoweit uneingeschränkt den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter III. der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

65

4. Die von der Klägerin im Berufungsverfahren weiterverfolgte Klage auf Erteilung einer Auskunft darüber, ob und inwieweit sie bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurde, ist unzulässig.

66

Der Auskunftsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Dies ergibt sich bereits da-raus, dass die Klägerin zwischenzeitlich eine Leistungsklage auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 erhoben hat. Die Klägerin hat sich demnach in der Lage gesehen, ihren Anspruch zu beziffern. Dies spricht dafür, dass sie zur Durchsetzung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf die begehrte Auskunft nicht (mehr) zwingend angewiesen ist, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage fehlt. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch dient nicht (mehr) der näheren Bestimmung eines noch nicht hinreichend bestimmten Leistungsbegehrens (vgl. BGH v. 29.03.2011 - VI ZR 117/10 - NJW 2011, 1815).

67

III. Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

68

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 516 Abs. 3 ZPO.

69

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Juni 2009 - 3 Sa 499/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen einer Benachteiligung bei einer Bewerbung aufgrund ihrer Behinderung.

2

1987 hatte die Klägerin eine Ausbildung zur Industriekauffrau abgeschlossen. 1997/1998 hat sie erfolgreich an einer Ausbildung zur Fachkraft „Sekretariat - Allroundausbildung mit Englisch“ teilgenommen. Schließlich ließ sie sich von September 2004 bis Juni 2006 zur Kauffrau im Gesundheitswesen ausbilden. Danach war sie nicht berufstätig.

3

Ausweislich eines Bescheides des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin - Versorgungsamt - vom 10. Dezember 2002 wurde bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt. Auf einen Gleichstellungsantrag wurde ihr mit Bescheid vom 28. Juni 2007 von der Bundesagentur für Arbeit Berlin Süd die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen für den Fall zugesichert, dass im Zuge der Vermittlungsbemühungen oder eigener Bemühungen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes der künftige Arbeitgeber die Einstellung der Klägerin von einer vorherigen Gleichstellung abhängig machen sollte.

4

In der Berliner Morgenpost vom 13. Januar 2008 schaltete die Beklagte, deren Gesellschaftsanteile vollständig vom Land Berlin gehalten werden, eine Anzeige, deren Inhalt auszugsweise lautet:

        

„…    

        

Für das Zentrum für Brusterkrankungen im V suchen wir zum 1. März 2008 eine/einen

        

Sekretärin/Sekretär des Chefarztes

        

befristet für die Dauer von voraussichtlich zwei Jahren.

        

…       

        

Ihre Aufgaben:

        

-       

Sie führen das Chefarztsekretariat

        

-       

Sie erledigen alle anfallenden Tätigkeiten sowie Korrespondenzen selbständig

        

-       

Sie schreiben nach Stichworten, Diktat oder eigener Verantwortung

        

-       

Sie planen die Termine für den Chefarzt in Outlook

        

-       

Sie organisieren, bereiten vor und koordinieren Dienstreisen, Konferenzen und Mitarbeiterbesprechungen

        

-       

Sie erstellen Organigramme und Prozessabläufe

        

-       

Sie sind für die organisatorische Abwicklung und Koordination der Ambulanz verantwortlich

        

-       

Sie planen und organisieren interne Veranstaltungen

        

-       

Sie betreuen Studien und Studienpatienten mit

        

Ihr Profil:

        

-       

Sie verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung als Sekretär/in im Gesundheitswesen

        

-       

Sie beherrschen die fachspezifische medizinische Nomenklatur

        

-       

Sie besitzen hohe kommunikative Kompetenz und Organisationstalent

        

-       

Sie verfügen über ein freundliches und kompetentes Auftreten

        

-       

Sie besitzen die Bereitschaft zu konstruktiver Teamarbeit

        

-       

Sie besitzen sehr gute Kenntnisse in MS Office Anwendungen (Word, Excel, Power Point), ORBIS, E-Mail- und Internetkenntnisse (Outlook) sowie Englischkenntnisse in Schrift und Sprache

                 
        

Ihre Perspektiven:

        

-       

Eine Vergütung, die sich grundsätzlich nach dem BAT richtet.

        

…“    

        
5

In ihrem Bewerbungsschreiben um die mit ca. 2.200,00 EUR brutto pro Monat vergütete Stelle vom 15. Januar 2008 führte die Klägerin ua. aus:

        

„…    

        

ich bewerbe mich bei Ihnen als Gesundheitskauffrau um Ihre Stelle als Sekretärin für den Chefarzt für das Zentrum für Brusterkrankungen.

        

Als Industriekauffrau seit 1987 mit Abitur und Sekretariatsassistentin mit Englisch seit 1998, sowie Gesundheitskauffrau seit dem 19.06.2006 denke ich Ihren Anforderungen voll zu entsprechen. Als mehrfache Kauffrau kann ich gut organisieren, planen, protokollieren, rechnen und diverse EDV-Programme bedienen.

        

Ich arbeite gewissenhaft, ich bin rechtschreibsicher und schreibe ca. 250 A/Min. Ich verfasse gerne Schreiben selbständig, nur nach Anweisungen oder Stichpunkten, auch Phondiktat ist mir gut bekannt. In Qualitätsmanagement und in medizinischer Terminologie hatte ich ein ‚gut’ im Zeugnis. Organisationstalent und sehr gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift bringe ich mit.

        

Ich verfüge diverse Sekretariatserfahrungen, konnte im Gesundheitswesen erste Erfahrungen machen. Meine Praktika zur Gesundheitsausbildung absolvierte ich in der Diakonie und bei der AOK.

        

Ich verfüge eine ‚Zusicherung der Gleichstellung’ bei einem GdB von 40 durch die Arbeitsagentur, bin insofern besonders förderungswürdig, auch aufgrund einer Arbeitslosigkeit über 1 Jahr.

        

Eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch wäre lt. AGG zu befolgen und vorteilhaft.

        

Dann könnten wir Details Ihrer Anforderungen und meiner Kenntnisse im medizinischen Bereich besprechen. Ich danke Ihnen im voraus für Ihre freundliche Bearbeitung.

        

…“    

6

Nachdem der zuständige Chefarzt, für dessen Sekretariat die Stelle ausgeschrieben worden war, sich für eine andere Bewerbung entschieden hatte, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 6. Februar 2008 der Klägerin mit, dass einer anderen Bewerberin der Vorrang gegeben worden sei.

7

Mit Telefax vom 19. Februar 2008 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten eine Benachteiligung wegen ihrer Behinderung geltend. Sie forderte die Beklagte auf, ihr entweder eine gleichwertige Stelle zu beschaffen oder ihr eine Entschädigung iHv. zwei Gehältern der ausgeschriebenen Stelle zu zahlen. Andernfalls werde sie auf Zahlung von drei Bruttomonatsgehältern klagen. Im Antwortschreiben vom 21. Februar 2008 verwies die Beklagte darauf, dass die von der Klägerin eingereichten Bewerbungsunterlagen die geforderte Qualifikation nicht ausreichend hatten erkennen lassen.

8

Mit ihrer am 9. Mai 2008 rechtshängig gewordenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Entschädigung weiter.

9

Sie ist der Auffassung, die Vermutung einer Diskriminierung wegen ihrer Behinderung lasse sich aus verschiedenen Verstößen der Beklagten gegen Bestimmungen des SGB IX ableiten. Sie hält die Beklagte für einen öffentlichen Arbeitgeber, da ihre Gesellschaftsanteile vollständig vom Land Berlin gehalten würden und sie sich selbst in der Stellenanzeige als kommunaler Klinikkonzern bezeichnet habe. Weil der Schutzbereich des AGG nicht nur schwerbehinderte Menschen und diesen gleichgestellte Menschen, sondern auch behinderte Menschen erfasse, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dies um so mehr, als ihr von der Agentur für Arbeit die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen zugesichert worden sei. Zudem gebiete die Rahmenrichtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 einen umfassenden Schutz wegen Behinderung. Auch nach Einführung des AGG und der Neufassung des § 81 SGB IX bestehe ein Umsetzungsdefizit, das bei richtlinienkonformer Auslegung des § 81 SGB IX gebiete, diese Norm auch auf (einfach-)behinderte Menschen anzuwenden. Daher spreche für die Vermutung einer Diskriminierung, dass die Beklagte ihre Schwerbehindertenvertretung über die Bewerbung nach § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht unterrichtet habe und auch nicht entsprechend § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX am Bewerbungsverfahren beteiligt habe. Ebenso wenig sei die Schwerbehindertenvertretung nach § 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX an der Prüfung beteiligt worden, ob der freie Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden könne. Auch die Bundesagentur für Arbeit sei über die zu besetzende Stelle nicht informiert worden.

10

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.400,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte mit der Auffassung begründet, die Schwerbehindertenvertretung ausreichend informiert zu haben. Mit Betriebsrat, Frauenvertreterin und Vertrauensperson der Schwerbehinderten sei vereinbart gewesen, dass diesen die Bewerberunterlagen im Bereich des Personalservice zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt werden. Dem Betriebsrat sei am 28. Januar 2008 das Formblatt „Personalwirtschaftliche Maßnahme“ übersandt worden. Per Fax sei dieses auch der Frauenvertreterin bekannt gemacht worden, die gleichzeitig gewählte Vertrauensperson der Schwerbehinderten sei. Ausschlaggebend für die Nichtberücksichtigung der Klägerin sei gewesen, dass diese - anders als die ausgewählte Bewerberin - keine Kenntnis des Patienten-EDV-Systems ORBIS nachgewiesen habe, ihre berufliche Biographie Lücken aufweise und die Erfahrung zugrunde gelegt worden sei, dass die geforderte Kenntnis der medizinischen Nomenklatur nur bei ständiger praktischer Übung das erforderliche Niveau erreiche.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keine Tatsachen vorgetragen, die eine Benachteiligung wegen ihrer Behinderung vermuten lassen.

14

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

15

Im Zeitpunkt ihrer Bewerbung sei die Klägerin kein gleichgestellter behinderter Mensch iSd. § 2 Abs. 3 SGB IX gewesen, da ein entsprechender Feststellungsbescheid zwar für den Eintritt bestimmter Voraussetzungen zugesichert worden, aber bis dahin nicht ergangen sei. Jedoch sei die Klägerin behindert iSv. §§ 1, 7 AGG. Die §§ 81, 82 SGB IX seien auch bei einfach-behinderten Menschen zu beachten, die nicht schwerbehindert und nicht gleichgestellt seien. Bei der Behandlung der Bewerbung der Klägerin habe die Beklagte mehrfach gegen § 81 Abs. 1 SGB IX verstoßen. Zwar sei die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen gewesen, da diese nur für Schwerbehinderte und diesen gleichgestellte Menschen iSd. SGB IX zuständig sei. Jedoch hätte die Beklagte den Betriebsrat als ein Gremium iSd. § 93 SGB IX über die Bewerbung der Klägerin informieren müssen, da dieser darauf zu achten habe, dass der Arbeitgeber die nach dem SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfülle. Ebenso habe die Beklagte gegen die ihr obliegende Prüfungs- und Meldepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit verstoßen und in diesem Zusammenhang den Betriebsrat wiederum nicht beteiligt, § 81 Abs. 1 Satz 1, 2 und 6 SGB IX. Diese Verstöße ließen darauf schließen, dass die Klägerin den Nachteil eines nicht diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahrens erlitten habe.

16

Diese Vermutung habe die Beklagte jedoch widerlegen können. Zutreffend habe sie die Nichtberücksichtigung der Klägerin auf den Sachgrund gestützt, diese beherrsche die medizinische Nomenklatur nicht hinreichend. Dies sei dadurch belegt, dass die Klägerin zwischen dem Abschluss ihrer Ausbildung im Juni 2006 bis zur Bewerbung keinerlei einschlägige Berufserfahrung gesammelt und die erforderlichen Kenntnisse nicht durch ständige praktische Übung habe erhalten können.

17

B. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis.

18

I. Das AGG findet auf den Streitfall Anwendung, da die Bewerberauswahl durch die Beklagte Anfang 2008 nach dem Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 stattfand (Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 28, NZA 2010, 1412; BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 15 mwN, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1).

19

II. Die Parteien fallen in den persönlichen Anwendungsbereich des AGG. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Arbeitgeber Beschäftigte nicht wegen einer Behinderung oder wegen eines anderen in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligen.

20

1. Auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gelten als Beschäftigte, § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Die Klägerin hat sich für eine von der Beklagten ausgeschriebene Stelle beworben. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Tatbestandsvoraussetzung für Ansprüche nach § 15 AGG ist, da aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und nach dem beiderseitigen Parteivorbringen keine Anhaltspunkte erkennbar sind, die gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung der Klägerin sprechen(Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 32, NZA 2010, 1412; 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - Rn. 16, AP AGG § 8 Nr. 2 = EzA AGG § 8 Nr. 2).

21

2. Die Beklagte ist Arbeitgeberin nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG, da sie als juristische Person um Bewerbungen gebeten hat und somit Personen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG „beschäftigt“.

22

III. Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt.

23

1. Ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 AGG muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten, beginnend mit dem Zugang der Ablehnung, schriftlich geltend gemacht werden(§ 15 Abs. 4 AGG). Die Klägerin hat ihre Ansprüche mit Telefax vom 19. Februar 2008, der Beklagten spätestens am 21. Februar 2008 zugegangen, geltend gemacht und somit fristgerecht nach der Ablehnungsmitteilung der Beklagten vom 6. Februar 2008. Mit dem Schreiben hat sie einen finanziellen Ausgleich gefordert, der zumindest zwei Bruttomonatsgehälter der ausgeschriebenen Stelle betragen sollte. Damit hat sie ihren Entschädigungsanspruch nach dem Lebenssachverhalt individualisiert und der ungefähren Höhe nach angegeben, was ausreicht (Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 77; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 56).

24

2. Die Geltendmachung erfolgte auch formgerecht. Das Schriftformgebot des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG verlangt nicht die gesetzliche Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB, ausreichend ist vielmehr die Textform nach § 126b BGB(Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 42 ff. mwN, NZA 2010, 1412). Das Telefax der Klägerin vom 19. Februar 2008 genügte den Erfordernissen des § 126b BGB, weil es der Beklagten unstreitig zugegangen ist und ihr damit in Form eines Ausdruckes vorgelegen hat(BGH 3. Juni 1987 - IVa ZR 292/85 - BGHZ 101, 276).

25

3. Die am 2. Mai 2008 beim Arbeitsgericht eingegangene und am 9. Mai 2008 der Beklagten zugestellte Klage wahrte die Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG, da sie innerhalb von drei Monaten nach schriftlicher Geltendmachung des Anspruchs erhoben worden ist, § 253 Abs. 1 ZPO.

26

IV. Die Klägerin ist auch benachteiligt worden, da sie im Bewerbungsverfahren um die ausgeschriebene Stelle eine weniger günstige Behandlung erfahren hat als die später eingestellte Bewerberin. Die Situation beider war vergleichbar, da die Klägerin nach den Ausschreibungskriterien nicht als objektiv ungeeignet anzusehen war und eine Benachteiligung auch in der Versagung einer Chance liegen kann (Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 51, NZA 2010, 1412; 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 31, AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1).

27

V. Nach den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen ist jedoch eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Behinderung nicht zu vermuten.

28

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung dann vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in § 1 genannten Grundes, also auch wegen einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Da die weniger günstige Behandlung wegen der Behinderung erfolgen muss, ist ein Kausalzusammenhang erforderlich. Dieser ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch sie motiviert ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 32 zu § 3 Abs. 1 AGG). Ausreichend ist, dass die Behinderung Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat (BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 31, NZA 2011, 153; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 38, 40, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1). Es genügt, wenn vom Arbeitgeber unterlassene Maßnahmen objektiv geeignet sind, behinderten Menschen keine oder schlechtere Chancen einzuräumen (BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 30, BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 44, BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14 jeweils zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 54, NZA 2010, 1412; BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 31, aaO).

29

2. Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist(Senat 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - AP AGG § 22 Nr. 1 = EzA AGG § 22 Nr. 1). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

30

3. Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen oder unstreitigen Tatsachen eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen einer Behinderung und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 56, NZA 2010, 1412; BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 34, NZA 2011, 153; Senat 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 28, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6 zu § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF bzgl. einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung).

31

4. Das Landesarbeitsgericht hat nicht ohne Rechtsfehler angenommen, die Klägerin sei ihrer Darlegungslast nach § 22 AGG nachgekommen. Zwar ist es zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte gegen verschiedene Bestimmungen des § 81 Abs. 1 SGB IX verstoßen hat, es hat aber verkannt, dass diese Bestimmungen des SGB IX auf die Klägerin nicht anzuwenden sind.

32

a) Die Klägerin unterliegt nicht dem unmittelbaren Anwendungsbereich des SGB IX. Die Regelungen des zweiten Teils des SGB IX, §§ 68 - 160, gelten nach § 68 Abs. 1 SGB IX für Schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen. Schwerbehindert sind Menschen, bei denen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt (§ 2 Abs. 2 SGB IX). Ihnen sollen solche behinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 aber mindestens 30 gleichgestellt werden, bei denen die übrigen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen und die infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können, § 2 Abs. 3 SGB IX. Die Gleichstellung erfolgt aufgrund einer Feststellung nach § 69 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit. Dabei wirkt die Entscheidung konstitutiv (BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 22, AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19; 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - zu B II 1 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51).

33

Für eine Gleichstellung fehlt es im Falle der Klägerin an diesem konstitutiven Akt, obwohl sie mit 40 einen für eine Gleichstellung ausreichenden Grad der Behinderung aufweist. Die konstitutive Feststellung wird auch nicht durch die Zusicherung nach § 34 SGB X ersetzt. Die schriftliche Zusicherung der zuständigen Behörde, einen bestimmten Verwaltungsakt, hier die Gleichstellung, später zu erlassen, verpflichtet die Behörde zwar grundsätzlich zu einem entsprechenden Verwaltungshandeln, ersetzt aber den zugesicherten Verwaltungsakt als solchen gerade nicht, § 34 Abs. 3 SGB X(BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn.35, AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr.19).

34

b) Auf die Klägerin finden die §§ 81 ff. SGB IX in der Fassung ab 18. August 2006 auch keine entsprechende Anwendung.

35

aa) Art. 1 der Richtlinie des Rates 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vom 27. November 2000 stellt einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung auch wegen Behinderung im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedsstaaten dar. In solchen Fällen darf es keine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art. 1 genannten Gründe geben, Art. 2 RL 2000/78/EG. Nach Art. 5 der Richtlinie sind angemessene Vorkehrungen zu treffen, die Anwendung dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Nach Art. 17 RL 2000/78/EG müssen die Mitgliedsstaaten Sanktionen festlegen, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung der Richtlinie zu verhängen sind. Weiter müssen sie alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Durchführung der Vorschriften zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadensersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, abschreckend und verhältnismäßig sein. Der Umsetzung dieser Vorgaben der RL 2000/78/EG sollte zunächst § 81 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 17. August 2006 geltenden Fassung (aF) dienen. In § 81 Abs. 2 SGB IX aF war ein Benachteiligungsverbot schwerbehinderter und diesen gleichgestellter Menschen geregelt sowie ein Entschädigungsanspruch für den Fall des Verstoßes. Jedoch gab es daneben keine weiteren gesetzlichen Regelungen, um Benachteiligung wegen einer Behinderung zu verhindern oder zu sanktionieren. Im Februar 2006 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen habe, die notwendig seien, um der RL 2000/78/EG Geltung zu verschaffen (EuGH 23. Februar 2006 - C-43/05 - AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 2).

36

bb) In der Folgezeit hat das Bundesarbeitsgericht die Bestimmung des § 81 Abs. 2 SGB IX aF als nicht gemeinschaftskonform angesehen, da der in der Richtlinie verwendete Begriff der Behinderung nicht auf die im SGB IX geregelten Anwendungsfälle der Schwerbehinderung und der Gleichstellung beschränkt sei, sondern auch einfach Behinderte umfasse. Die Bestimmung sei daher gemeinschaftsrechtskonform auf alle Bewerber mit einer Behinderung im Sinne der Richtlinie anzuwenden (BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - Rn. 18 ff., BAGE 122, 54 = AP SGB IX § 81 Nr. 14 = EzA SGB IX § 81 Nr. 15; 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 36 f., AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19). Da die durch Art. 18 RL 2000/78/EG gesetzte Frist zur Richtlinienumsetzung am 2. Dezember 2003 abgelaufen war, musste der Anwendungsbereich von § 81 Abs. 2 SGB IX aF zwingend europarechtskonform erweitert werden, da es bis zur Einführung des AGG keine Vorschriften zum Schutz einfach-behinderter Menschen vor Benachteiligung wegen ihrer Behinderung und keine Sanktionen zur Durchsetzung dieser Vorschriften gab. Mit der Einführung des AGG sind diese Vorschriften jedoch nunmehr vorhanden.

37

cc) Soweit das Landesarbeitsgericht die Auffassung vertreten hat, die Bestimmungen des § 81 Abs. 1 SGB IX seien auch(weiterhin) bei behinderten Menschen iSd. §§ 1, 7 AGG anzuwenden, die nicht unter den Anwendungsbereich des SGB IX fallen, folgt dem der Senat nicht. Zum einen wird damit die Reichweite der Übergangsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Zwecke der Richtlinienumsetzung bis zum Inkrafttreten des AGG verkannt. Das Bundesarbeitsgericht hat § 81 Abs. 2 SGB IX aF auf einfach-behinderte Menschen angewendet, um für diese im Grundsatz den europarechtlich gebotenen Entschädigungsanspruch annehmen zu können. Auf die Frage, ob Verstöße gegen das SGB IX eine „Vermutungstatsache“ darstellen können, kam es bei der einen Entscheidung schon deswegen nicht an, da die Behinderung ausdrücklich zum Gegenstand der Ablehnung gemacht worden war (BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - BAGE 122, 54 = AP SGB IX § 81 Nr. 14 = EzA SGB IX § 81 Nr. 15). Im weiteren vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der öffentliche Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet sei, seine besonderen Pflichten nach § 82 Satz 2 SGB IX gegenüber nicht oder nicht bekannt schwerbehinderten Bewerbern zu erfüllen(BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 48, AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19). Zum anderen wird verkannt, dass nunmehr der Begriff der Behinderung im AGG weiterreichend ist als der Behindertenbegriff im SGB IX. Das AGG schützt auch die einfach-behinderten Menschen vor Diskriminierung, also diejenigen, deren Grad der Behinderung unter 50 liegt und die nicht gleichgestellt wurden. Mit der Einführung des AGG wurde das bestehende Umsetzungsdefizit beseitigt (Düwell in LPK-SGB IX 3. Aufl. § 81 Rn. 8, 19; Fabricius in: jurisPK-SGB IX § 81 Rn. 24; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 11; Knittel SGB IX Kommentar 5. Aufl. § 81 Rn. 24).

38

c) Findet somit das SGB IX auf die nicht schwerbehinderte und nicht gleichgestellte Klägerin im Zeitpunkt der Bewerbungsentscheidung keine Anwendung, so kann sich die Klägerin nicht im Sinne von Vermutungstatsachen darauf berufen, die Beklagte habe bei der Behandlung ihrer Bewerbung gegen Vorschriften der §§ 81, 82 SGB IX verstoßen. Andere Tatsachen außerhalb der Regelungen des SGB IX, die ihre Benachteiligung wegen ihrer Behinderung indizierten, hat die Klägerin nicht angeführt. Infolgedessen kann auf eine Kausalität zwischen der Ablehnung der Bewerbung der Klägerin und ihrer Behinderung nicht geschlossen werden. Daher kommt es auf die weitere Überlegung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Vermutung einer Benachteiligung der Klägerin zu widerlegen vermocht, nicht an.

39

C. Die Klägerin hat nach § 97 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Hermann    

        

    Pauli    

                 

(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

(2) Machen mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg eine Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerichtlich geltend, so wird auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsgericht, bei dem die erste Klage erhoben ist, auch für die übrigen Klagen ausschließlich zuständig. Die Rechtsstreitigkeiten sind von Amts wegen an dieses Arbeitsgericht zu verweisen; die Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Arbeitgebers findet die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Erhebung der ersten Klage statt.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

(2) Machen mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg eine Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerichtlich geltend, so wird auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsgericht, bei dem die erste Klage erhoben ist, auch für die übrigen Klagen ausschließlich zuständig. Die Rechtsstreitigkeiten sind von Amts wegen an dieses Arbeitsgericht zu verweisen; die Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Arbeitgebers findet die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Erhebung der ersten Klage statt.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.