Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 25. Okt. 2017 - 7 Sa 407/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:1025.7Sa407.16.00
bei uns veröffentlicht am25.10.2017

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 5. August 2016, Az. 4 Ca 1025/15, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Ziffer 2 des Tenors des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 5. August 2016, Az. 4 Ca 1025/15, wird dahingehend berichtigt, dass diese lautet:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung einen Betrag in Höhe von 344,72 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 1. September 2015 zu zahlen.

3. Ziffer 6 des Tenors des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 5. August 2016, Az. 4 Ca 1025/15, wird dahingehend berichtigt, dass diese lautet:

Die Kosten des Rechtsstreits (1. Instanz) trägt die Klägerin zu 34 %, die Beklagte zu 66 %.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen aufgrund der außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 7. August 2015 und Annahmeverzugsvergütungsansprüche.

2

Die Beklagte betreibt in der A.-Stadt Fußgängerzone ein Eiscafé mit Saisonbetrieb. Das Café hat einen Innenbereich mit Sitzgelegenheiten, einen Thekenbereich, weitere Sitzplätze außen sowie einen Fensterverkauf. Die Beklagte beschäftigt weniger als zehn Arbeitnehmer.

3

Die 1970 geborene, verheiratete Klägerin war zuletzt aufgrund des Arbeitsvertrags vom 30. Januar 2015 (Bl. 4 ff. d. A.) als Eisverkäuferin im Eiscafé der Beklagten mit vereinbarten 40 Stunden/Woche und 1.450,00 € brutto in A-Stadt beschäftigt. Zuvor war sie bereits seit 2010 jeweils für die Saison befristet bei der Beklagten tätig. Dabei variierte das Befristungsende jeweils zwischen dem 31. Oktober und 30. November eines jeden Jahres.

4

§ 1 des Arbeitsvertrages lautet:

5

§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses

6

Der Arbeitnehmer tritt am 01.02.2015 in die Dienste des Arbeitgebers.

7

Das Arbeitsverhältnis ist ein befristetest Arbeitsverhältnis, da der Betrieb ein Saisonbetrieb ist. Das Arbeitsverhältnis endet automatisch ohne Kündigung am Saisonende vs 31.10.2015

8

Ungeachtet dessen wird eine schriftliche Kündigung zwecks Vorlage bei der Agentur für Arbeit erfolgen.

9

In § 10 des Arbeitsvertrages heißt es:

10

Das Arbeitsverhältnis kann mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen zum Ende eines Kalendermonats durch den Arbeitgeber gekündigt werden.

11

Eine Kündigung seitens des Arbeitnehmers ist während des befristeten Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen.

12

Die Klägerin war im Wesentlichen als Bedienung für die Tische im Innen- und Außenbereich eingesetzt. Die Bedienung der Kunden im bestuhlten Bereich erfolgt wie folgt: Die für die Tische zuständige Bedienung verwendet bei den Bestellungen ein digitales tragbares Bongerät. Sie gibt die Bestellungen der Gäste in dieses Gerät ein. Daraufhin wird an dem im Thekenbereich installierten Drucker ein Bon ausgedruckt. Der im Thekenbereich tätige Mitarbeiter bereitet sodann aufgrund des Bons die bestellten Speisen und Getränke vor. Der Kunde erhält den Bon mit seinen bestellten Speisen.

13

Die abendliche Abrechnung nimmt die Beklagte anhand des Bongeräts vor. Das Gerät erstellt eine Gesamtsumme der "gebongten", also gebuchten und verkauften Waren. Diese Summe entnimmt die Beklagte dem Arbeitsportemonnaie der Mitarbeiter. Der im Arbeitsportemonnaie verbleibende Betrag setzt sich aus einem feststehenden Betrag, der immer im Portemonnaie verbleibt, und aus der Summe der dem Mitarbeiter von den Kunden gegebenen Trinkgelder zusammen. Letztere wird dem jeweiligen Mitarbeiter zugeordnet und ausnahmslos an diesen ausgehändigt.

14

In dem Eiscafé sind Videokameras installiert, mit denen das Café überwacht wird. Eine Kamera ist auf den bestuhlten Außenbereich gerichtet, zwei weitere Videokameras sind im Ladenlokal sichtbar installiert und auf den Thekenbereich und jedenfalls zum Teil - auf den Sitzbereich im Innenbereich des Cafés gerichtet. Jeweils ein Hinweisschild im Außenbereich als auch im Innenbereich neben den Kameras weist darauf hin, dass der Bereich videoüberwacht ist. Gefilmt und aufgenommen wird nur der für den Publikumsverkehr geöffnete Bereich.

15

Am 31. Januar 2015 unterzeichnete die Klägerin folgende Erklärung (Bl. 20 d. A.):

16

Hiermit bestätige ich, (…), dass ich darüber informiert worden bin dass das Eiscafé´, aus Sicherheitsgründen, Kamera überwacht wird, und somit Aufnahmen meiner Person gemacht werden und ich dagegen nichts einzuwenden habe.

17

Ab dem 23. Juli 2015 bis mindestens zum 30. September 2015 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Am 24. Juli 2015 schrieb die Beklagte der Klägerin eine SMS folgenden Inhalts (Bl. 50 f. d. A.):

18

Guten morgen A., da in letzter Zeit einige Probleme zwichen uns waren ist es schon fraglich ob du wirklich krank bist. Habe das auch gestern deine Tochter gesagt. So habe ich eben ein Antrag gestellt für ein arbeits Prüfer, ein Arzt der zu gestellt wird wenn ein Betrug Verdacht steht. Da du es auch als Arbeitsunfall eingegeben hast und ich nicht davon wusste. Solltest du also länger krank machen als den 31.07.2015 wird am Montag den 03.08 der von der IHK gestellten Arzt dich untersuchen um zu sehen wie sehr der Arm verletzt und unbeweglich ist. Lg“.

19

Nachdem die Klägerin der Beklagten am 3. August 2015 per SMS mitteilte, dass sie ab diesem Tag erneut arbeitsunfähig krankgeschrieben sei, schickte die Beklagte ihr eine SMS mit folgendem Inhalt (Bl. 52 d. A.):

20

Gut A.. Dann komm besser selber vorbei, wegen Arbeitsarzt, musst du dich jetzt untersuchen lassen. Und ich muss noch mit dir reden wegen Geld was fehlt sonst geht heute noch eine Anzeige raus“.

21

Mit Schreiben des Klägervertreters vom 5. August 2015 (Bl. 9 f. d. A.) mahnte dieser die Beklagte namens seiner Mandantin unter anderem “ausdrücklich für die grenzwertigen Versuche, meine Mandantin trotz ihrer nachweislichen Erkrankung zur Arbeit zu veranlassen, ausdrücklich“ ab.

22

Mit Schreiben vom 7. August 2015 (Bl. 8 d. A.) erklärte die Beklagte durch ihre Prozessbevollmächtigte "die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung".

23

Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 14. August 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage, der Beklagten zugestellt am 21. August 2015.

24

Eine weitere Kündigung sprach die Beklagte am 31. August 2015 zum 31. Oktober 2015 zwecks Vorlage bei der Agentur für Arbeit gemäß § 1 des Arbeitsvertrages aus.

25

Mit einer am 17. September 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 18. September 2015 zugestellten Klageerweiterung machte die Klägerin unter anderem Annahmeverzugslohn für August 2015 gerichtlich geltend. Mit am 30. Oktober 2015 beim Arbeitsgericht eingegangener und am 23. Februar 2016 sowie 4. Mai 2016 erweiterter Widerklage verfolgte die Beklagte erstinstanzlich eine Schadensersatzforderung gegen die Klägerin.

26

Die Klägerin wiederum erweiterte ihre Klage unter dem 20. November 2015, zugestellt an die Beklagte am 1. Dezember 2015, hinsichtlich der Befristungsvereinbarung vom 30. Januar 2015 sowie unter dem 13. Juni 2016 unter anderem hinsichtlich Urlaubsabgeltung sowie Freistellung von Rechtsanwaltskosten, die durch die Widerklage entstanden seien.

27

Die Klägerin hat vorgetragen,

28

es lägen keine wichtigen Gründe vor, die die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnten. Sie habe mit dem Schreiben an die Beklagte vom 5. August 2015 ihre berechtigten Interessen wahrgenommen. Die Kündigung sei die Reaktion auf ihre Anliegen.

29

Die Zwei-Wochenfrist des § 626 BGB sei nicht gewahrt. Schließlich sei die Kündigung allein als Sanktion wegen ihrer vorausgegangenen Erkrankung ausgesprochen worden.

30

Ihr stünden weitere Zahlungsansprüche zu. Der ihr ausgezahlte Stundenlohn sei im Hinblick auf das Mindestlohngesetz zu niedrig.

31

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

32

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 7. August 2015 beendet wurde,

33

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Tatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

34

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 164,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 27,38 € seit 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli und 1. August 2015 zu zahlen,

35

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für den Monat August 2015 einen Betrag in Höhe von 1.477,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 1. September 2015, abzüglich am 23. Oktober 2015 seitens der Krankenkasse geleisteter 887,76 € zu zahlen,

36

5. die Beklagte zu verurteilen, an sie unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung einen weiteren Betrag in Höhe von 1.044,75 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

37

6. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 30. Januar 2015 zum 31. Oktober 2015 endet, sondern auf unbestimmte Zeit auch über den 31. Oktober 2015 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht,

38

7. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.224,- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 1. November 2015 zu zahlen,

39

8. sie von etwaigen Rechtsanwaltskosten, die ihr durch die Widerklage der Beklagten entstanden sind, freizustellen.

40

Die Beklagte hat beantragt,

41

die Klage abzuweisen.

42

Widerklagend hat sie erstinstanzlich beantragt,

43

1. die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an sie 11.100,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

44

2. die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an die sie 1.470,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

45

3. die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, sie gegenüber der Z., D-Straße, A-Stadt, von Kosten in Höhe von 385,- € netto freizustellen.

46

Die Klägerin hat weiter beantragt,

47

sämtliche Widerklageanträge abzuweisen.

48

Die Beklagte hat vorgetragen,

49

die fristlose Kündigung stehe in keinerlei ursächlichem Zusammenhang mit einer Erkrankung der Klägerin, alleiniger Grund der fristlosen Kündigung sei vielmehr der in großem Stil betriebene Diebstahl bzw. Betrug von Geldern/ihren Einkünften. Nachdem die Klägerin wegen behaupteter Erkrankung nicht mehr zur Arbeit erschienen sei, hätten andere Arbeitnehmer sie Ende der 31. Kalenderwoche 2015 auf auffälliges Verhalten der Klägerin angesprochen. So zum Beispiel, dass die Klägerin dann, wenn sie selbst in ihrem Eiscafé nicht anwesend sei, die Bestellungen der Kunden nicht über das Bonsystem laufen lasse und alternativ zwar einen Bon ausdrucken lasse, diesen aber schnell gleich selbst aus dem Drucker hole, die angebliche Bestellung selbst fertig mache und den Bon schnell in den Papierkorb werfe. Ferner hätten diese anderen Mitarbeiter ihr zu diesem Zeitpunkt mitgeteilt, dass die Klägerin – auf die Pflicht zur Bonvorlage beim Kunden hingewiesen – geantwortet habe: „Mir hat hier keiner was zu sagen“. Sie sei dann entsprechend weiterverfahren. Daraufhin habe sie, die Beklagte, an dem Wochenende des 1./2. August 2015 damit begonnen, die Videoaufnahmen - soweit noch vorhanden - durchzusehen.

50

Die Videokameras und -aufnahmen dienten ihr zur Überwachung des Publikumsverkehrs, damit Gäste nicht ohne Bezahlung der Rechnung verschwänden. Darüber hinaus sei Zweck der Kameras der Schutz vor strafbaren Handlungen wie Überfällen und der allgemeinen Sicherheit sowie der Wahrung ihres Hausrechts. Vorrangig dienten die Videoaufnahmen deshalb der Prävention und Aufklärung von Straftaten und der generellen Sicherheit in ihrem Betrieb. Mit zwei großen und deutlich sichtbaren Hinweisschildern, auf denen jeweils das Piktogramm einer Videokamera sowie der zusätzliche wörtliche Hinweis "Videoüberwachung" abgebildet sei, weise sie auf die Videoaufnahmen für jedermann sofort erkennbar hin. Ein Schild hänge draußen im Bereich der Eingangstür, damit auch die draußen sitzenden Gäste hierüber erkennbar und deutlich informiert würden. Im Innenraum des Ladenlokals hänge das Hinweisschild auf die Videoaufnahmen über der Theke. Von einer Totalüberwachung könne nicht die Rede sein. Hierfür seien die fest installierten Videokameras nicht geeignet. Auch der Thekenbereich sei sicherheitsrelevant, da dort Kundschaft Eis zum Mitnehmen kaufe und dort eine Kasse vorhanden sei. Sie habe konkrete Veranlassung zur Einrichtung der Videoüberwachung gehabt, da zu ihrem Schaden bereits einmal die Stühle und Tische draußen mutwillig beschädigt worden seien und zweimal eingebrochen (so beispielsweise im Winter 2007) worden sei. Im Juni 2015 hätten Personen versucht, in das gegenüberliegende Gebäude einzusteigen. Wiederholt seien auch Kunden gegangen ohne zu bezahlen. In der Saison 2015 habe sie zweimal selbst die Polizei wegen des Verhaltens auffälliger Kunden gerufen. Die Videoaufnahmen würden aus datenschutzrechtlichen Gründen automatisch durch das Betriebssystem im 2-Monatsrhythmus gelöscht bzw. überspielt.

51

Die Videoaufnahmen belegten folgende unterschiedliche Vorgehensweisen der Klägerin, um Gelder für sich selbst widerrechtlich abzuzweigen: Wenn sie nicht in ihrem Betrieb anwesend gewesen sei, habe die Klägerin sehr häufig Bestellungen komplett ohne jeden Bon selbst abgewickelt. Hierbei habe sie den jeweiligen Kunden zum einen beispielsweise einen zu hohen Preis abgerechnet (zum Beispiel für einen Cappucino statt 2,20 € 2,40 €). Zum anderen habe sie regelmäßig und gehäuft beim Bedienen ohne Bon den vom Kunden vereinnahmten Zahlbetrag komplett selbst vereinnahmt, da dieser nicht über das Bonsystem und damit nicht über das Erfassungssystem gelaufen sei. Eine alternative, von der Klägerin ebenfalls regelmäßig praktizierte Vorgehensweise in ihrer Abwesenheit sei es gewesen, eine Bestellung zwar in das Bonsystem einzugeben, den Bon dann allerdings an den zuständigen Mitarbeitern im Thekenbereich vorbei selbst zu greifen und den Bon dann im Müll oder anderweitig verschwinden zu lassen, so dass dieser Bon weder von den übrigen Mitarbeitern noch von dem Kunden gesehen wurde. In diesen Fällen habe die Klägerin günstige Kaffeepreise gebongt und deutlich teurere Eisbecher serviert und gegenüber dem Kunden abgerechnet. Den hohen Differenzbetrag habe sie dann widerrechtlich für sich selbst vereinnahmt.

52

So habe sie an folgenden Tagen die Bons verschwinden lassen: am 7. Juni 2015 um 12:18 Uhr und um 12:25 Uhr, am 8. Juni 2015 gegen 12:18 Uhr, am 9. Juni 2015 um 11:30 Uhr, am 13. Juni 2015 um 19:47 Uhr, um 19:57 Uhr und um 19:58 Uhr, am 14. Juni 2015 gegen 13:30 Uhr und gegen 13:40 Uhr, am 23. Juni 2015 gegen 16:46 Uhr sowie am 30. Juni 2015 gegen 21:04 Uhr.

53

Am 14. Juni 2015 habe die Klägerin zwischen 12:50 und 13:05 Uhr eine Bestellung von unter anderem mehreren Eisbechern aufgenommen, allerdings überhaupt nicht gebongt. Auch am 14. Juni 2015 gegen 13:44 Uhr habe die Klägerin eine Bestellung überhaupt nicht gebongt. Am 23. Juni 2015 habe die Klägerin gegen 13:04 Uhr vier Eisbecher gefertigt, ohne diese Bestellung zu bongen. Gegen 13:25 Uhr an diesem Tag habe die Klägerin einen anderen Tisch bedient, hier habe die Klägerin Kaffeebestellungen gebongt. Die neue Bestellung von Eisbechern an einem weiteren Tisch gleich danach habe sie wiederum überhaupt nicht gebongt. Auch die weitere Bestellung an einem anderen Tisch gegen 14:09 Uhr habe die Klägerin nicht gebongt. Auf diese Art und Weise habe die Klägerin widerrechtlich zum finanziellen Schaden von ihr, der Beklagten, innerhalb kürzester Zeit einen Betrag von rund 50,00 € vereinnahmt. Am 15. Juli 2015 habe die Klägerin gegen 10:55 Uhr wiederum eine Bestellung von Eisbechern aufgenommen, diese allerdings überhaupt nicht gebongt. Am selben Tag (15. Juli 2015) habe sie Kaffee und Sprudel fertig gemacht, ebenfalls ohne diesen überhaupt zu bongen.

54

Am 15. Juli 2015 habe die Klägerin gegen 20:50 Uhr das Klein-/Münzgeld vom Fensterverkauf nach vorne in den Spülbeckenbereich geholt und sich dann an dem Kleingeld beim Spülbecken zu schaffen gemacht. Um 21:07 Uhr sei die Klägerin dann mit dem Rücken zur Überwachungskamera im Rückwärtsgang gegangen und habe sich an der Theke mit ihrem Privatportemonnaie zu schaffen gemacht. Am 18. Juli 2015 habe die Klägerin gegen 20:38 Uhr an der Spültheke Kleingeld in ihrem Privatportemonnaie gewechselt und sei danach in den Keller gegangen. Am 22. Juli 2015 gegen 21:37 Uhr habe die Klägerin Geld aus der Kasse genommen, habe dieses Geld in ihren Beutel zum Bedienen/Kassieren gelegt und sei mit diesem gefüllten Beutel in den Keller gegangen, wo die Angestellten ihre privaten Sachen hätten.

55

All dies habe sie, die Beklagte, festgestellt, als sie die Videoaufnahmen in der 31. Kalenderwoche, das heißt ab dem 27. Juli 2015 gesichtet habe. Sie sei nur von 18:00 bis 20:00 Uhr in der Wohnung bei ihrer Tochter. Während dieses Zeitraums habe sie überhaupt nicht die Zeit und Gelegenheit, Videoaufnahmen zu beobachten. Arbeitsanweisungen oder Ähnliches habe sie nicht über die Beobachtung von Videoaufnahmen erteilt.

56

Eine Anweisung, Bons „verschwinden“ zu lassen habe es nicht gegeben. Eine solche wäre auch sinnentleert, da gegenüber dem Finanzamt sämtliche über das elektronische Erfassungssystem getätigten Umsätze angegeben und belegt würden. Der jeweils auszudruckende Bon habe hiermit überhaupt nichts zu tun, da dieser dem Kunden auszuhändigen sei. Sie habe immer darauf geachtet, dass die Bons jeweils an den Tisch zu den Kunden mit der Bestellung zu bringen seien.

57

Unzutreffend sei, dass der Drucker monatlich mehrfach, manchmal sogar täglich mehrfach gestreikt habe. Dies wäre auf den Videoaufnahmen dann auch erkennbar, weil sich die Klägerin in diesem Fall hätte entsprechend verhalten müssen. In der Vorsaison 2014 habe der damalige Drucker gelegentliche Zeitverzögerungen von circa 2 Minuten gehabt. Es sei aber zu keinem Zeitpunkt vorgekommen, auch nicht in der Saison 2015, dass der Drucker nicht jede tatsächlich gebongte Bestellung ausgedruckt hätte. Bereits in 2014 habe sie daraufhin ein besseres Empfangsgerät angeschafft.

58

Das verwendete Kassen-, Bon- und Abrechnungssystem POS MobilePro habe nicht die Funktion, dass am Tagesabschluss oder zu einem anderen späteren Zeitpunkt nochmals sämtliche Einzelbestellungen ausgewiesen werden könnten. Im Tagesabschluss werde lediglich eine Gesamtsumme angegeben. Kassenrollen gebe es nicht.

59

Ihr sei durch das strafbare Verhalten der Klägerin ein Schaden entstanden, den sie mit der erhobenen Widerklage geltend gemacht habe.

60

Nach der Kündigungserklärung habe sie weiter davon Kenntnis erlangt, dass die Klägerin einmal wöchentlich mittwochs für die Kollegin Y.X. bei einer Landwirtin eine 10-Eier-Schachtel mitgekauft habe, diese dann aber an die Kollegin zu einem um 0,70 € höheren Kaufpreis abgegeben habe. Der Zeugin X. habe die Klägerin vorgetäuscht, dass es sich bei diesem höheren Betrag um den regulären, von der Landwirtin geforderten und von ihr verauslagten Kaufpreis handele.

61

Durch die Unregelmäßigkeiten erkläre sich der aufwändige Lebensstil der Klägerin, der nicht von den Einkünften ihres nur geringfügig erwerbstätigen Ehemanns bestritten werden könne. Die Klägerin habe bereits vor der fristlosen Kündigung beabsichtigt, in der kommenden Saison nicht mehr im Eiscafé zu arbeiten, da sie sich mit ihrem Ehemann mit einem asiatischen Imbisswagen selbstständig machen wollte.

62

Die Klägerin hat erwidert,

63

sie habe zu keinem Zeitpunkt Zahlungen selbst vereinnahmt oder aber höhere Preise berechnet. Sie habe alles gebongt, auch an den von der Beklagten angeführten Tagen und Uhrzeiten. Sie habe ebenfalls keine Bons zur Verschleierung von Einnahmen gegenüber der Beklagten verschwinden lassen. Zudem sei dieser Vorwurf widersinnig. Mit dem Erstellen eines Bons seien die Verkäufe registriert und jederzeit für die Beklagte mit den Tageseinnahmen vergleichbar. Die Beklagte habe ihr vielmehr sogar die Anweisung gegeben, regelmäßig Bons „verschwinden“ zu lassen. Es sei gelegentlich vorgekommen, dass, auch wenn die vom Gast georderte Bestellung in das Kassensystem eingebongt worden sei, der Drucker gestreikt und keinen Bon ausgedruckt habe. Dies sei immer wieder vorgekommen, nämlich monatlich mehrfach, manchmal sogar mehrfach an einem Tag. Bei dem im Betrieb verwendeten Bondrucker habe es sich um einen Thermodrucker gehandelt, der gelegentlich derartige Aussetzer aufweise. Wenn viel Betrieb sei, müsse sie sich beeilen und könne nicht immer nach dem Drucker sehen.

64

Sie habe zu keinem Zeitpunkt, so auch weder am 15. Juli 2015 noch am 22. Juli 2015 die Einnahmen aus dem Fensterverkauf in ihrem Privatportemonnaie verschwinden lassen.

65

Die Klägerin war der Ansicht, aus der grundlosen Totalvideoüberwachung des Eiscafés und der dauerhaften unmotivierten Videoüberwachung ergebe sich ein Verwertungsverbot. Es liege ein erheblicher Verstoß gegen § 6b BDSG vor. Daran ändere auch ihre vermeintliche mutmaßliche Einwilligungserklärung nichts. Aus dieser werde nicht einmal der nunmehr zu Tage tretende Umstand monatelanger Speicherung sämtlicher Videoaufzeichnungen ersichtlich.

66

Die installierten Kameras hätten der Überwachung des Personals gedient, insbesondere wenn die Beklagte selbst nicht im Lokal gewesen sei. Über eine dauerhafte Aufbewahrung sei sie nicht aufgeklärt worden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte eine Interessenabwägung der Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Passanten, Gäste und Arbeitnehmer vorgenommen habe. Auch wenn die Videoaufnahmen automatisch nach einen Zeitraum von zwei Monaten gelöscht worden seien - was sie bestreite - liege ein Verstoß gegen § 6b BDSG vor. Die Löschung habe nach der gesetzlichen Regelung „unverzüglich“, das heißt in der Regel innerhalb ein bis zwei Arbeitstagen zu erfolgen. Hieraus resultiere ein Verwertungsverbot.

67

Die Beklagte habe, zum Beispiel wenn sie Pausen machte bzw. wenn sie sich nicht selbst im Café befunden habe, regelmäßig die Kameraaufzeichnungen live verfolgt und das Personal überwacht. So seien beispielsweise Anrufe der Beklagten gekommen, mit denen sie anhand der Kameraüberwachung die Mitarbeiter jeweils auf gewisse Umstände hingewiesen habe, so beispielsweise, wenn die Spülmaschine nicht richtig verschlossen gewesen sei. Oft habe sich die Beklagte zudem abends vor Ladenschluss telefonisch bei ihr oder der Zeugin W. gemeldet, warum sie schon den Thekenbereich säubern würden, das Geschäft wäre ja noch offen. Auch dies habe die Klägerin von ihrer Wohnung aus über die Kameras beobachtet gehabt.

68

Sie habe zu keinem Zeitpunkt der Zeugin X. Eier teurer verkauft. Vielmehr habe sie in den letzten 1 bis 2 Monaten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Eier für die Zeugin mehr mitgekauft, da diese die Eier nicht bezahlt habe. Die Klägerin bestreitet auch insoweit die Einhaltung der 2-Wochen-Frist.

69

Sie führe keinen „aufwändigen“ Lebensstil.

70

Das Arbeitsgericht hat unter anderem Beweis erhoben über das Beweisthema "Kenntniserlangung von Kündigungsgründen" durch Vernehmung des Zeugen V. U.. Weiter hat das Arbeitsgericht Videos vom 14. Juni 2015 und vom 23. Juni 2016 in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll des erstinstanzlichen Kammertermins vom 5. August 2016 (Bl. 167 ff. d. A.).

71

Das Arbeitsgericht Trier hat die Beklagte durch Urteil vom 5. August 2016 verurteilt, an die Klägerin 164,28 € brutto nebst Zinsen sowie unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung 344,62 € brutto nebst Zinsen und 1.224,00 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Widerklage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, es bestünden noch offene Zahlungsansprüche der Klägerin bezüglich der Differenz zu dem durch das MiLoG vorgegebenen Stundenlohn, auf Vergütung des Monats August 2015 bis zum 7. August 2015 sowie auf Urlaubsabgeltung. Hingegen seien die Kündigungsschutzklage wie auch die Widerklage abzuweisen gewesen. Aufgrund der Kündigung vom 7. August 2015 sei das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wirksam fristlos beendet worden. Ein wichtiger Grund liege vor. Die Kammer sei davon überzeugt im Sinn des § 286 ZPO, dass die Klägerin, wenn auch in Einzelfällen, Bestellungen von Eisbechern und Getränken von Kunden des Cafés entgegengenommen habe, diese zubereitet, serviert und kassiert habe, ohne diese weisungsgemäß in das Buchungssystem der Beklagten „eingebongt“ zu haben. Hierdurch seien diese Beträge nicht im Abrechnungssystem der Beklagten erschienen. Dies habe wiederum dazu geführt, dass die von der Klägerin als eingenommene und an die Beklagte herauszugebende Summe, die bei Tagesabschluss deklariert worden sei, niedriger gewesen sei als die tatsächlich eingenommene Summe. Dies habe zu einer Bereicherung der Klägerin zu Lasten der Beklagten geführt. Die Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen im Kammertermin habe für die Kammer deutlich gezeigt, dass die Klägerin teilweise eine reguläre Vorgehensweise eingehalten habe. Jedoch habe auf dem Video auch gesehen werden können, dass sie in anderen Fällen zum Thekenbereich gegangen sei, um dort Speisen und Getränke zuzubereiten, ohne dass ein Bonausdruck erfolgt wäre. Die Klägerin habe hierzu auch keine Erklärung abgegeben, die sie entlastet hätte. Ein Beweisverwertungsverbot habe nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls nicht vorgelegen. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Trier (Bl. 184 ff. d. A.) Bezug genommen.

72

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 18. August 2016 zugestellt worden. Die Klägerin hat hiergegen mit einem am Montag, 19. September 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 17. November 2016 beim Landesarbeitsgericht - innerhalb der durch Beschluss vom 14. Oktober 2016 bis zum 18. November 2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist - eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

73

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des Schriftsatzes vom 12. April 2017, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 230 ff., 288 ff. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag zusammengefasst geltend,

74

das Arbeitsverhältnis sei nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten beendet worden. Insoweit könne allenfalls eine Beendigung innerhalb der ordentlichen Kündigungsfrist, sollte das Kündigungsschreiben einer Umdeutung zugänglich sein, nach § 622 Abs. 2 Ziffer 3 BGB mit einer Frist von 2 Monaten zum Ende eines Kalendermonats erfolgt sein. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 7. August 2015 sei ohne wichtigen Grund erfolgt. Die durch die Inaugenscheinnahme des Videos vom Arbeitsgericht gewonnenen vermeintlichen Erkenntnisse seien durch die Rechtswidrigkeit der Videoaufnahmen als solche unverwertbar. Nach dem Schutzzweck des vorliegend verletzten Persönlichkeitsrechts hindere der Verstoß gegen das Beweiserhebungsverbot auch die Verwertung des Beweismittels. Auch die erstinstanzliche Beweiswürdigung sei fehlerhaft.

75

Sie habe jede Bestellung, die sie aufgenommen habe, über ihr Handgerät in das Kassensystem eingegeben. Das Arbeitsgericht habe hinsichtlich der ersten Videosequenz (14. Juni 2015, 12:54 Uhr bis 13:01 Uhr) zum einen nicht bedacht, dass man vom gesamten Thekenbereich beiläufig ohne weiteres den Bondrucker im Blick habe, so dass bereits ein flüchtiger Blick dorthin ausreichen würde, um festzustellen, ob ein Bonausdruck erfolgt sei oder nicht. Zum anderen habe sie gar nicht sofort den Bon holen müssen, um eine gerade erst aufgenommene Bestellung fertig zu stellen. Des Weiteren habe der im Betrieb verwendete Thermodrucker mehrfach im Monat und sogar mehrfach an einem Tag Aussetzer gehabt und damit keinen Bon ausgedruckt.

76

Hinsichtlich der weiteren Videosequenz (23. Juni 2016, 13:22 Uhr bis 13:27 Uhr) sei bereits mit der ersten Kundin die komplette Bestellung aufgenommen und somit über das Handgerät im Kassensystem verbucht worden. Die erste Kundin habe bereits gewusst, dass die folgenden nachkämen, weshalb sie auch für diese habe mitbestellen können. Die zweite oder dritte nachfolgende Person, wohl die zweite, habe eine Bestellung leicht abgeändert, das heißt doch eine andere Eis-sorte bestellt als von der ersten Dame vorbestellt. Insoweit habe es sich offensichtlich um ein Versehen oder eine Änderung in der Bestellung der ersten Kundin für die zweite gehandelt.

77

Das verwendete Kassen-, Bon- und Abrechnungssystem habe die Funktion, am Tagesabschluss oder zu einem anderen späteren Zeitpunkt noch einmal sämtliche Einzelbestellungen auszuweisen. Der Beklagten sei aufzuerlegen, die Kassenrollen aus dem verwendeten Handgerätesystem Vectron POS Mobile Pro zumindest betreffend die Tage des vermeintlichen Fehlverhaltens der Klägerin vom 14. Juni 2015 und 23. Juni 2015 vorzulegen.

78

Die Klägerin bestreitet die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist, insbesondere dass die Beklagte sich die Videobänder nicht bereits zuvor angeschaut habe. Die Beklagte habe regelmäßig, wenn sie nicht im Objekt gewesen sei, das Verhalten der Mitarbeiter überwacht. Daher habe ihr ein vermeintlicher Verstoß seitens der Klägerin - wenn dieser überhaupt vorgelegen hätte - jederzeit auffallen müssen.

79

Das Arbeitsgericht habe die notwendige Interessenabwägung nicht vorgenommen.

80

Die Klägerin beantragt,

81

unter teilweiser Abänderung des am 5. August 2016 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Trier, Az. 4 Ca 1025/15

82

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 7. August 2015 beendet wurde;

83

ferner unter teilweiser Abänderung bzw. Ergänzung des Urteilstenors zu 2.

84

2. a. die Beklagte zu verurteilen, an sie unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für den Monat August 2015 einen weiteren Betrag in Höhe von 1.132,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 1. September 2015, abzüglich am 23. Oktober 2015 seitens der Krankenkasse geleisteter 887,76 € zu zahlen;

85

hilfsweise zu Ziffer 2.a, den Urteilstenor zu 2. wie folgt neu zu fassen:

86

b. die Beklagte zu verurteilen, an sie unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für den Monat August 2015 einen Betrag in Höhe von 1.477,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 1. September 2015, abzüglich am 23. Oktober 2015 seitens der Krankenkasse geleisteter 887,76 € zu zahlen

87

sowie die Revision zuzulassen.

88

Die Beklagte beantragt,

89

die Berufung zurückzuweisen.

90

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 21. Dezember 2016 sowie der Schriftsätze vom 2. Mai 2017, 2. Mai 2017 und vom 14. Juni 2017, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 259 ff., 293 ff, 298 f, 308 f. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen als rechtlich zutreffend.

91

Die Abrechnung am Tagesende erfolge indem sie einen besonderen Knopf am Bongerät drücke. Es werde dann ein Zettel gedruckt, welcher der Mitarbeiter welchen Umsatz an diesem Tag getätigt habe. Eine Aufteilung nach Getränken oder Uhrzeiten sei nicht vorhanden. Es würden keine Daten auf einen Computer oder ein anderes Gerät überspielt.

92

Das Videomaterial sei verwertbar. Allenfalls habe ein Verstoß gegen die Löschung des Videomaterials vorgelegen.

93

Das Videomaterial habe eindeutig gezeigt, dass die Klägerin auch Bestellungen überhaupt nicht in ihr Eingabegerät eingegeben habe, sondern die Klägerin ihr Eingabegerät im Gegenteil überhaupt nicht zur Hand genommen habe. Die Klägerin, die im Servicebereich tätig gewesen sei, sei für die Ausführung der Bestellung, das heißt die Fertigung von Eis und Kaffee, überhaupt nicht zuständig gewesen. Im Café der Beklagten seien zu den durch das Videomaterial dokumentierten Zeiten nur wenige Gäste anwesend gewesen, die für die Fertigung der Bestellung jeweils zuständige Mitarbeiterin habe untätig an der Theke gestanden und die Klägerin habe langsam und gemächlich gearbeitet. Den Bondrucker, der im Thekenbereich stehe, habe man nicht vom gesamten Thekenbereich beiläufig ohne weiteres im Blick. Man müsse seinen Blick auf den Bondrucker richten, um erkennen zu können, ob ein Bon ausgedruckt werde oder nicht. Genau dies habe die Klägerin auf den Videoaufnahmen deutlich erkennbar nicht getan. Die Klägerin müsse den Bon zumindest mit der bestellten Ware zum jeweiligen Tisch bringen, nicht zuletzt damit der Gast zuletzt den Preis der Bestellung sehen könne. Dies sei auch eindeutige Anweisung an jeden Arbeitnehmer und werde so auch komplett in ihrem Café praktiziert.

94

Bei dem Bestellvorgang am 23. Juni 2015 um 13:22 Uhr habe die erste Kundin, die die Zeugin E. erst durch eigenes Herauslaufen aus dem Café hereingeholt habe, nicht bereits bei ihrer eigenen Bestellung auch die Bestellung für die Zeugin E. mit aufgegeben. Gleiches gelte für die dann noch zu dieser Zweiergruppe hinzukommende weitere, dritte Dame. Es habe sich um eine rein zufällige Begegnung zwischen der ersten Kundin und der Zeugin E. gehandelt.

95

Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzung vom 22. Juni 2016 und 25. Oktober 2016 (Bl 313 ff. und 339 ff. d. A.) Bezug genommen.

96

Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund eines Beweisbeschlusses vom 22. Juni 2017 Beweis erhoben über den Bestellvorgang der Kundin E. bei der Klägerin am 23. Juni 2015 ab 13:22 Uhr durch Vernehmung der Zeugin E. sowie über Bestellvorgänge vom 14. Juni 2015 sowie vom 23. Juni 2015 durch In-Augenscheinnahme von Teilen der Videoaufzeichnungen dieser Tage. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 25. Oktober 2016 (Bl. 339 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

97

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

98

In der Sache hatte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit mit der Berufung angegriffen - zu Recht abgewiesen. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 7. August 2015 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst. Daher hat auch der auf die Zahlung weiterer Vergütung für den Monat August 2015 gerichtete Berufungsantrag zu 2. (a und b) keinen Erfolg.

I.

99

Die Kündigung vom 7. August 2015 ist nicht nach § 626 BGB unwirksam. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Ein wichtiger Grund im Sinn von § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.

1.

100

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., vgl. nur BAG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08 – NZA 2011, 571, 572 Rn. 16 m. w. N.).

101

a) Das Verhalten der Klägerin rechtfertigt an sich eine außerordentliche Kündigung.

102

aa) Vom Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht (vgl. nur BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – NZA 2017, 112 Rz. 16; vom 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08 – NZA 2011, 571, 572 Rz. 18 m. w. N.). Ein Arbeitnehmer, der im Zusammenhang mit seiner Arbeitsleistung strafrechtlich relevante Handlungen gegen das Vermögen seines Arbeitgebers begeht, verletzt damit seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht schwerwiegend und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen in erheblicher Weise. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch dann, wenn die rechtswidrige Verletzungshandlung nur Sachen von geringem Wert betrifft (vgl. nur BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – NZA 2017, 112, 113 Rz. 16; vom 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08 – NZA 2011, 571, 572 Rz. 18; vom 13. Dezember 2007 – 2 AZR 537/06 – NJW 2008, 2732, 2733 Rz. 16, jeweils m. w. N.).

103

bb) Eine solche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung der Klägerin liegt vor. Die Klägerin hat sich vorsätzlich auf Kosten der Beklagten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil verschafft. Damit hat sich ihre gegenüber der Beklagten bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erheblich verletzt. Im Einzelnen:

104

(1) Bereits aufgrund des zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien und aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin E. steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin am 23. Juni 2015, ab 13:22 Uhr die der Zeugin E. servierte Bestellung nicht - auch nicht bereits vor dem Erscheinen der Zeugin E. im Eiscafé - in das Bongerät eingegeben hat. Aufgrund der Eiscafé angewandten Abrechnungspraxis hatte dies zur Folge, dass der bei dem Zahlvorgang der Kunden in das Arbeitsportemonnaie der Klägerin geflossene Geldbetrag in vollem Umfang als der Klägerin zustehendes Trinkgeld eingeordnet und der Klägerin von der Beklagten ausgehändigt wurde. Der für diese Bestellung gezahlte Betrag ist der Klägerin dadurch zu Lasten der Beklagten in vollem Umfang als Trinkgeld zugeflossen.

105

(a) Die Klägerin hat in zweiter Instanz vorgetragen, dass die Zeugin E. selbst keine in das Handgerät einzugebende Bestellung aufgegeben hat, sondern die Bestellung von deren Bekannten bereits vor dem Eintreffen der Zeugin E. vorgenommen und von ihr, der Klägerin, in das Bongerät eingegeben worden sei. Dieser Vortrag der Klägerin, sie habe die Bestellung bereits zuvor in das Handgerät eingegeben, ist nach Auffassung der Kammer durch die Aussage der Zeugin E. widerlegt.

106

Die von der Zeugin E. konsumierte Bestellung war nicht bereits von deren Bekannten vor Eintreffen der Zeugin "mitbestellt" worden. Wie die Zeugin E. vor dem Landesarbeitsgericht ausgesagt hat, konnte erste Kundin für die Zeugin E. nichts mitbestellt haben, da die Zeugin E. selbst an diesem Tag nicht vorhatte, das Eiscafé der Beklagten aufzusuchen und spontan von ihrer Bekannten gerufen und überredet worden war, zu ihr ins Eiscafé zu kommen. Die Zeugin hat detailreich geschildert, wie es zu ihrem Besuch im Eiscafé kam. Sie konnte sich nach eigener Aussage deshalb gut an das Treffen erinnern, weil sie maximal zweimal im Jahr zum Kaffeetrinken geht und es sich bei der ersten Kundin um ihre Freundin T. R. handelte, die sie zuvor schon lang nicht mehr gesehen hatte.

107

Soweit die Zeugin E. sich nicht mehr daran erinnern konnte, ob und wie die Klägerin die Bestellung aufgenommen hat, wer letztendlich die Bestellung bezahlt hat, was sie seinerzeit verzehrt hat und ob noch eine dritte Person hinzugekommen ist, ist dies auf die zwischen dem Besuch im Eiscafé und ihrer Zeugenvernehmung vor dem Landesarbeitsgericht verstrichenen Zeit zurückzuführen, dies insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass Details des Cafébesuchs, insbesondere der Bestell- und Bezahlvorgang für die Zeugin im Juni 2015 keine größere Bedeutung gehabt haben dürften und die Zeugin sich im Gespräch mit ihrer Freundin befand. Sie hat aber mit Bestimmtheit ausgesagt, dass sie den Besuch im Eiscafé der Beklagten nicht geplant hatte und selbst bestellt hat.

108

Die Zeugin ist nach Auffassung der Kammer glaubwürdig. Sie steht nicht im Lager einer Partei. Ihre Aussage ist glaubhaft. Die Aussage der Zeugin E. war im Hinblick auf die für diese Zeugin seinerzeit wichtigen Punkte, wie das für sie überraschende Treffen mit ihrer Freundin, detailreich. Im Übrigen hat die Zeugin offen angegeben, an welche Umstände ihres Cafébesuchs sie sich nicht mehr erinnern kann. Die Zeugin E. hat sich um eine richtige, neutrale Aussage bemüht. Widersprüche weist ihre Aussage nicht auf.

109

(b) Die Zeugenaussage der Zeugin E. ist nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Prozess verwertbar. Ihr steht kein Beweisverwertungsverbot entgegen. Auch wenn die Videoüberwachung durch die Beklagte unzulässig gewesen wäre, konnte die Beklagte die Zeugin E., die am 23. Juni 2015 das Eiscafé besucht hat, als Zeugin für die von ihr durch die Einsichtnahme in die Videoüberwachung gewonnenen Erkenntnisse und den Vortrag der Klägerin hierzu benennen.

110

Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 - 2 AZR 681/16 – NZA 2017, 1327, 1328 Rz. 16; vom 20. Oktober 2016 – 2 AZR 395/15 – NJW 2017, 1193 Rz. 15; vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – NZA 2017, 112, 113 Rz. 20). Weder die ZPO noch das ArbGG enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel. Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage. Dies gilt nicht anders für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot (BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 2 AZR 395/15 – NJW 2017, 1193 Rz. 15 f. m. w. N.).

111

Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – NZA 2017, 112, 113 Rz. 23 m. w. N.). Neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses garantiert die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden. Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 EMRK (BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 2 AZR 395/15 – NJW 2017, 1193, 1194 Rz. 18 m. w. N.). Es trägt auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung, der sich in die Öffentlichkeit begibt (für die Videoüberwachung vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 – NVwZ 2007, 688, 690).

112

Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis wird allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in dieses können durch die Wahrnehmung schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den Interessen des Arbeitgebers ist somit durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang verdient. Dabei ist im Rahmen der Abwägung zu beachten, dass das Grundgesetz einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung beimisst (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG). Allerdings reicht allein das allgemeine Interesse an einer funktionsfähigen Zivilrechtspflege nicht aus, um im Rahmen der Abwägung stets von einem gleichen oder gar höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zukommt. Gleiches gilt für das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung eine bestimmte Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als schutzbedürftig qualifizieren. Im Zivilprozess kann es insbesondere Situationen geben, in denen sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 – 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 – NJW 2002, 3619, 3624; BAG, Urteil vom 13. Dezember 2007 – 2 AZR 537/06 – NJW 2008, 2732, 2735 Rz. 36 m. w. N.).

113

Ein möglicher, durch die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien perpetuierter rechtswidriger Eingriff in rechtlich geschützte Positionen der Klägerin würde im vorliegenden Fall nicht so schwer wiegen, dass der Anspruch der Beklagten Gehör zu finden zurücktreten müsste. Der Schutz des Arbeitnehmers vor einer - unterstellt - rechtswidrigen Videoüberwachung verlangt nicht, auch solche Tatsachen außer Acht zu lassen, die dem Arbeitgeber nicht nur durch die Videoaufzeichnung bekannt geworden sind (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08 – NZA 2011, 571, 574 Rz. 35). Zwar hat die Klägerin erst aufgrund der Videoaufzeichnung zu dem Vorgang am 23. Juni 2015 ab 13:22 Uhr vorgetragen. Weiter ist die Beklagte auf die Zeugin E. erst durch die Videoaufzeichnung und den Vortrag der Klägerin hierzu „gestoßen“. Der Zeugenbeweis als solcher war der Beklagten aber auch unabhängig von dem Videobeweis zugänglich. Damit kommt einer möglichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin kein solches Gewicht zu, dass unter Berücksichtigung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs ein Außerachtlassen der Zeugenaussage gerechtfertigt wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte im Rahmen ihrer Aufklärungsbemühungen ohnehin auf die Zeugin gestoßen wäre. Vielmehr kann einer Prozesspartei die Möglichkeit, für sie günstige Tatsachen mit rechtlich unbedenklichen Mitteln nachzuweisen, nicht deshalb versagt werden, weil sie das Wissen von der Geeignetheit eines solchen Mittels auf rechtswidrige Weise erlangt hat (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08 – NZA 2011, 571, 574 Rz. 40; zustimmend: Reitz, NZA 2017, 273, 277 f.; Stamer/Kuhnke in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, § 32 BDSG Rn. 142). Dies gilt umso mehr, als es im vorliegenden Fall um den Nachweis eines schwerwiegenden Vertrauensbruchs und einer gegen das Vermögen der Beklagten gerichteten Tat geht.

114

(2) Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch In-Augenschein-Nahme der Videoaufzeichnungen steht zur Überzeugung der Kammer weiter fest, dass die Klägerin auch in weiteren Fällen Bestellvorgänge nicht gebongt und dadurch der Beklagten zustehende Gelder als Trinkgeld erhalten hat. So hat die Klägerin am 14. Juni 2015 zwischen 12:55 Uhr und 13:00 Uhr, am 14. Juni 2015 zwischen 13:44 und 13:52 Uhr, am 23. Juni 2015 nach 13:04:58 Uhr sowie am 23. Juni 2015 ab 14:09:41 Uhr Bestellungen entgegengenommen und gefertigt, ohne dass sie diese gebongt hat. Im Einzelnen:

115

(a) In der Videosequenz vom 14. Juni 2015 zwischen 12:55 Uhr und 13:00 Uhr war zu sehen, dass die Klägerin hinter den Thekenbereich geht, einen Eisbecher anfertigt und diesen um 13:00 Uhr ohne Bon serviert. Während dieses gesamten Zeitraums ist kein Bon aus dem Bondrucker gekommen.

116

Auch in der Videosequenz vom 14. Juni 2015 zwischen 13:44 bis 13:52 Uhr fertigte die Klägerin zwei Eisbecher ohne dass ein Bon erschienen ist. Die Klägerin hat sich nicht zu dem Bongerät umgeblickt.

117

Da das von der Beklagten verwendete Bonsystem grundsätzlich so funktioniert, dass bei einer Eingabe einer Bestellung in das Bongerät ein Bon aus dem Drucker kommt, ist aus dem Nichterscheinen eines Bons zu schließen, dass die Klägerin die von ihr angefertigte und servierte Bestellung nicht zuvor in das Bongerät eingegeben hat. Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass der Bondrucker defekt gewesen wäre. Wie auf den Videosequenzen zu erkennen war, erschienen an diesem Tag um 13:42 Uhr zwei Bons, die die Klägerin aus dem Drucker entnahm. Der Drucker funktionierte zu diesem Zeitpunkt. Auf den Videoaufzeichnungen war weiter erkennbar, dass die Klägerin weder bei ihrer Rückkehr in den Thekenbereich noch zu Beginn der Anfertigung der Bestellung noch vor dem Servieren im Drucker nach einem Bon gesehen hat. Dies wäre jedoch bei einem vorübergehenden Defekt des Druckers zu erwarten gewesen. Dabei musste sie um 13:49:51 Uhr sogar Soßen über die Eisbecher geben, wobei die Schüssel mit der Soße neben dem Drucker stand. Die Klägerin hat sich vielmehr so verhalten, als erwarte sie überhaupt keinen Bonausdruck. Auch konnte die Klägerin um 13:45 Uhr unter Zuhilfenahme ihres Bongeräts einen Zahlvorgang ab-wickeln. Bei der Demonstration des Bongeräts in der mündlichen Verhandlung vor dem LAG war jedoch das Gerät blockiert, nachdem mangels Drucker ein Bonausdruck nicht möglich war.

118

Am 23. Juni 2015 kam die Klägerin nach 13:04:58 Uhr von einer Vierergruppe im hinteren Bereich der Eisdiele zurück in den Thekenbereich, fertigte Eisbecher und brachte die fertigen Eisbecher zu der Gruppe. Im Drucker erschienen bis 13:20:41 Uhr keine Bons, die Bestellungen wurden ohne Bon serviert. In diesem Fall ist ebenfalls davon auszugehen, dass die Bestellung von der Klägerin zuvor nicht in das Bongerät eingegeben worden war. Andernfalls hätten nicht nur ein oder mehrere Bons im Drucker erscheinen müssen, die Klägerin hätte auch nach dem Drucker sehen und die Ursache eines etwaigen Defekts wie beispielsweise fehlendes Papier klären müssen, nachdem noch zuvor um 13:04:58 Uhr bei der Nutzung des Bongeräts durch die Klägerin unmittelbar ein Bon erschienen war. Auf einer kurze Zeit später gemachten Videoaufzeichnung (13:23:50 Uhr) ist wiederum ein Bon erschienen, nachdem die Klägerin sich mit ihrem Handgerät beschäftigt hatte.

119

Am 23. Juni 2015 hat die Klägerin ab 14:09:41 Uhr Bestellungen für Kunden im hinteren Bereich des Cafés gefertigt und um 14:14:39 Uhr serviert, ohne dass ein Bon erschienen wäre oder die Klägerin diesen mit der Bestellung serviert hätte. Auch in diesem Fall funktionierte der Drucker um 13:34:50 Uhr und sodann wieder kurz nach 14:14:39 Uhr. Hinsichtlich der Bestellung der Gruppe im hinteren Bereich des Lokals hat die Klägerin nicht nach einem Defekt des Druckers gesehen, obwohl sie bei der Anfertigung der Bestellung sogar über den Drucker greifen musste.

120

Ein Versehen oder ein Irrtum der Klägerin infolge Hektik ist nach Auffassung der Kammer ausgeschlossen. Die Klägerin stand bei den Bestell- und Kassiervorgängen, die Gegenstand der Beweisaufnahme waren, unter keinem erkennbaren Zeitdruck.

121

(b) Ein wichtiger Grund wegen einer erheblichen Pflichtverletzung der Klägerin ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich die Beklagte nicht auf die durch die Videoüberwachung gewonnenen Erkenntnisse stützen könnte.

122

Ein Verwendungs- und Verwertungsverbot kommt nach den oben (unter B. I. 1. a) aa) (1) (b)) dargelegten Grundsätzen in Betracht, wenn durch die Videoaufnahmen und ihre Verwertung Persönlichkeitsrechte der Klägerin erheblich verletzt worden wären.

123

Die Bestimmungen des BDSG konkretisieren und aktualisieren den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche und nichtöffentliche Stellen im Sinn des § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig ist. Dem Normenbestand ist jedoch für sich genommen kein an die Gerichte adressiertes Verbot zu entnehmen, datenschutzrechtswidrig erhobene, verarbeitete und genutzte Daten im Verfahren zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – NZA 2017, 1327, 1329 Rz. 17; vom 20. Oktober 2016 – 2 AZR 395/15 – NJW 2017, 1193 Rz. 17; vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – NZA 2017, 112, 113 Rz. 22). Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Ist die Datenverarbeitung allerdings gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – NZA 2017, 1327, 1329 Rz. 17; vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16 – NZA 2017, 1179, 1181 Rz. 22).

124

Zwar hat die Beklagte durch die Einrichtung der präventiven Videoüberwachung noch nicht in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) eingegriffen. Ein Eingriff in dieses Recht ist jedoch durch die Einsichtnahme in die nach § 6b BDSG angefertigten Videoaufzeichnungen zu einem Zeitpunkt, als diese längst gelöscht hätten sein müssen, erfolgt. Für den Eingriff in den Schutzbereich dieses Recht ist es ohne Bedeutung, ob die Datenerhebung in verdeckter Form oder für den Arbeitnehmer erkennbar erfolgt (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – NZA 2017, 1327, 1329 Rz. 22).

125

Das legitime Interesse des Arbeitgebers an einer präventiven Videoüberwachung kann dabei bereits mit der Gefahrgeneigtheit der Betriebsstätte vorliegen. Insoweit sind die widerstreitenden Interessen des Arbeitgebers am Schutz seiner Rechtsgüter insbesondere aus Art. 12 und 14 GG durch eine Videoüberwachung und das Persönlichkeitsrecht der automatisch mitüberwachten Arbeitnehmer abzuwägen. Bei einem Eiscafé, wie dem von der Beklagten betriebenen, mit Verkaufstheke und Sitzgelegenheiten im Außenbereich in einer Fußgängerzone besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit von Randalismus und gegen das Eigentum sowie Vermögen des Betreibers gerichteten Delikten von Kunden und Dritten. Dies gilt insbesondere wenn in der Vergangenheit oder in der Nähe bereits Straftaten begangen wurden. Zwar hat die Beklagte in ihrem Eiscafé nicht nur eine, sondern mehrere Überwachungskameras installiert, mit denen sie große Teile des Innen- und Außenbereichs überwachen kann. Die Kameras sind jedoch fest installiert und nehmen einen sich nicht verändernden Bereich auf. Die Überwachung erfolgt offen. Sie ist durch Aushänge bekannt gemacht und der Klägerin zusätzlich am 31. Januar 2015 vor Beginn der Saison zusätzlich schriftlich mitgeteilt worden. Die Klägerin konnte daher ihr Verhalten auf die Überwachung einrichten. Nichtöffentliche Teile des Eiscafés wie beispielsweise der Keller werden nicht videoüberwacht. Das Interesse der beklagten Arbeitgeberin an der Videoüberwachung überwiegt daher.

126

In das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ist jedoch dadurch eingegriffen worden, dass die Beklagte die Videoaufzeichnungen nicht unverzüglich gelöscht hat und sie diese erst circa 1,5 Monate später angesehen hat.

127

Videomaterial, das für den Beobachtungszweck nicht mehr benötigt wird, ist unverzüglich zu löschen. Aber auch Videomaterial, das für den Beobachtungszweck noch benötigt wird, etwa weil aufklärungsbedürftige Vorkommnisse erfasst wurden, darf nur gespeichert bleiben, wenn schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht entgegenstehen und solange es zur Erreichung des Beobachtungszwecks erforderlich ist. Aus dieser zweifachen Ausrichtung des Löschungsgebots folgt die Verpflichtung der verantwortlichen Stelle, die Prüfung angefallenen Videomaterials zur Bedarfsklärung unverzüglich, das heißt in der Regel innerhalb von ein bis zwei Arbeitstagen, vorzunehmen. Am wirksamsten wird dem Löschungsgebot durch eine automatisierte periodische Löschung, etwa durch Selbstüberschreiben zurückliegender Aufnahmen, entsprochen. Dem Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit (§ 3a BDSG) kommt in diesem Zusammenhang maßgebliche Bedeutung zu. Nach der in kurzer Frist zu erfolgenden Bedarfsklärung darf daher nach Absatz 1 gewonnenes Videomaterial nur noch insoweit vorhanden sein, als es sich um relevante Aufnahmen handelt, die für den Beobachtungszweck weiter benötigt werden und deren Speicherung schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht entgegen stehen. Ein sich anschließendes Verfahren zur Aufklärung oder Verfolgung von Vorkommnissen ist zügig zu betreiben, um die Löschung der verbliebenen Daten nicht unangemessen zu verzögern (BT-Drs. 14/5793, S. 62 f.).

128

Die Klägerin hat zwar unter dem 31. Januar 2015 eine Erklärung unterzeichnet, in der sich bestätigt hat, dass sie darüber informiert worden sei, dass das Eiscafé aus Sicherheitsgründen kameraüberwacht wird und somit Aufnahmen ihrer Person gemacht würden. Sie hat weiter erklärt, dass sie „dagegen nichts einzuwenden habe“. Die Klägerin hat jedoch nicht gemäß § 4a BDSG in die unbegrenzte Aufbewahrung dieser Videoaufnahmen oder in die Einsichtnahme in diese zur Überprüfung ihres Arbeitsverhaltens eingewilligt.

129

Die Einsichtnahme in die Videoaufnahmen war im vorliegenden Fall aber nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt. Zum Zeitpunkt der Einsichtnahme bestand der durch konkrete Tatsachen begründete Anfangsverdacht einer Straftat oder einer anderen schweren Pflichtverletzung. Die Maßnahme wurde von der Beklagten nicht nur aufgrund bloßer Mutmaßungen ergriffen.

130

Gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt, zur Beendigung im Sinn der Kündigungsvorbereitung die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. Sofern nach § 32 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 BDSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer solchen Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG auch verarbeitet und genutzt werden. Der Begriff der Beendigung umfasst dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses. Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – NZA 2017, 1327, 1330 Rz. 28 m. w. N.).

131

Nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur zur Aufdeckung von Straftaten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. Eine Maßnahme, die hinsichtlich der Intensität des durch sie bewirkten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit einer (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar ist, stellt sich als unverhältnismäßig dar, wenn sie aufgrund bloßer Mutmaßungen ergriffen wird (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – NZA 2017, 1327, 1330 Rz. 30). Ergreift der Arbeitgeber solche Maßnahmen „ins Blaue hinein“, stellen sie sich als jedenfalls nicht verhältnismäßig im engeren Sinn dar (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – NZA 2017, 1327, 1330 Rz. 27).

132

Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat durch die Klägerin. Wie der Zeuge U. erstinstanzlich ausgesagt hat, hatte die Mitarbeiterin Q. die Beklagte nach deren Urlaubsrückkehr Ende Juli 2015 mit der Beklagten über die Geschehnisse mit der Klägerin gesprochen. Er wisse zwar nicht, was genau die Mitarbeiterin der Beklagten gesagt habe, er habe aber gehört, dass Bons nicht gebucht worden sein sollen. Daraufhin habe die Beklagte auf den Videos nachgesehen.

133

Unmaßgeblich ist, dass die Beklagte die tatsächlichen Anhaltspunkte, die aus ihrer Sicht den Verdacht des strafbaren Verhaltens der Klägerin begründeten, nicht im Sinn von § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG dokumentiert hat. Ein solches Versäumnis führt weder zu einer Präklusion mit Vortrag zu den Verdachtsmomenten im Prozess noch begründet es für sich genommen die Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Die Vorgabe, die Tatsachen zu dokumentieren, auf die sich ein Anfangsverdacht gründet, verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern. Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauert und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – NZA 2017, 1327, 1331 Rz. 37; vom 20. Oktober 2016 – 2 AZR 295/15 – NJW 2017, 1193, 1195 Rz. 33, jeweils m. w. N.).

134

Die Einsichtnahme in die Videoaufzeichnungen war das einzig der Beklagten verbliebene Mittel, Unregelmäßigkeiten in der Vergangenheit in Bezug auf die Erfassung der Bestellungen durch die Klägerin aufzuklären. Die Beklagte konnte insbesondere nicht darauf verwiesen werden, weitere Unregelmäßigkeiten der Klägerin abzuwarten und ihr Vermögen weiteren Pflichtverletzungen der Klägerin auszusetzen. Wegen der bereits vorhandenen offenen Videoüberwachung ist eine weitere verdeckte Videoüberwachung nicht erfolgversprechend und würde weitergehend in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingreifen. Angesichts der auf Heimlichkeit angelegten Vorgehensweise der Klägerin ist eine Aufdeckung durch eine Beobachtung durch die Beklagte, weitere Angestellte oder Dritte nicht zielführend.

135

Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn ist gewahrt. Die Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Art und Weise des Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG ergibt, dass die Schwere des Eingriffs nicht außer Verhältnis zum Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht. Die Eingriffsintensität ist im Streitfall nicht so hoch zu bewerten, dass eine Berücksichtigung des Sachverhalts zu unterbleiben hätte, zumal es vorliegend um eine Aufklärungsmaßnahme im Hinblick auf den Verdacht eines gravierenden Verstoßes in Form eines Abrechnungsbetruges ging.

136

Danach besteht im vorliegenden Fall kein Verwertungsverbot hinsichtlich der Videoaufzeichnungen.

137

cc) Die außerordentliche Kündigung ist bereits wegen des Vorfalls am 23. Juni 2015, ab 13:22 Uhr auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Streitfalls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gerechtfertigt.

138

Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktionsmöglichkeiten sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos zukünftiger Störungen – zu erreichen (vgl. nur BAG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08 – NZA 2011, 571, 573 Rz. 24). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich.

139

(1) Eine Abmahnung war den Umständen des Falls nach entbehrlich. Es bedurfte keiner Klarstellung der vertraglichen Pflichten durch die Beklagte. Eine Hinnahme des unterlassenen Erstellens eines Bons und damit der abrechnungstechnischen Erfassung der Bestellung war durch die Beklagte offensichtlich – auch für die Klägerin erkennbar – ausgeschlossen. Die Vermögensschädigung der Beklagten LAG auf der Hand.

140

(2) Die fristlose Kündigung ist auch unter Einbeziehung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen.

141

Der Beklagten war selbst das Zuwarten bis zum Saisonende unzumutbar. Bei einer zu berücksichtigenden Beschäftigungsdauer von nach Auffassung der Beklagten sechs Monaten, nach Auffassung der Klägerin von 5 ½ Jahren, einem Alter der Klägerin im Kündigungszeitpunkt von 45 Jahren ist unter Beachtung des Gewichts der in Rede stehenden Pflichtverletzung von einem überwiegenden Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugehen.

142

Auch wenn die Kammer lediglich von dem durch die Vernehmung der Zeugin E. erwiesenen Verstoß vom 23. Juni 2015 ausgeht, kommt diesem Verstoß angesichts der Vertrauensstellung der Klägerin und der eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten der Beklagten eine so gravierende Bedeutung zu, dass der Beklagten jegliche Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht zuzumuten ist. Auch hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2017 deutlich gemacht, dass sie es nicht nur für unnötig, sondern sogar für einen lästigen, überflüssigen Aufwand hält, die Bestellungen mit Bons zu servieren. Die Bons würden nur wegfliegen und müssten wieder aufgeräumt werden.

143

Bei Berücksichtigung der weiteren durch die In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen erwiesenen Verstößen ergibt sich erst recht das Überwiegen des Interesses der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer Frist gegenüber demjenigen der Klägerin an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum 31. Oktober 2015.

2.

144

Die außerordentliche Kündigung wurde innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen. Nach § 626 Abs. 2 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG, Urteil vom 31. Juli 2014 – 2 AZR 407/13 – NZA 2015, 621, 623 Rn. 39 m. w. N.). Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG, Urteil vom 20. März 2014 – 2 AZR 1037/12 – NZA 2014, 1015, 1016 Rz. 14 m. w. N.).

145

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Arbeitsgericht hat die Beklagte erst durch erstmalige Einsichtnahme in die Überwachungsvideos ab dem 31. Juli 2015 Kenntnis vom Kündigungssachverhalt erlangt. Zuvor habe die Beklagte die Videos nicht betrachtet. Der Zeuge U. hat vor dem Arbeitsgericht erklärt, er und die Klägerin seien freitags am 31. Juli 2015 aus dem Urlaub in Italien gekommen. Danach habe die Mitarbeiterin Q. die Beklagte informiert. Dann habe die Beklagte auf den Videos nachgeschaut und ihm ein Video auf sein Handy geschickt, auf dem die Klägerin zu sehen gewesen sei. Die Beklagte habe dazugeschrieben, er solle mal gucken, was da passiert sei. Der Zeuge U. hat weiter bekundet, dass die Beklagte sich die Videos generell nicht anschaue, sondern nur dann, wenn zum Beispiel der Türsteher von der Diskothek gegenüber darüber informiere, dass jemand am Eiscafé gewesen sei oder wenn sie sonst einen Fall von Vandalismus hätten. Er gehe deshalb davon aus, dass die Beklagte sich die Videos sonst nicht ansehe. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Arbeitsgerichts geben würden, liegen nicht vor. Die Aussage des Zeugen U. war – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht deshalb unergiebig, weil er sich in allen wesentlichen Bereichen ausschließlich auf die Angaben der Beklagten ihm gegenüber beziehen würde. So konnte der Zeuge insbesondere angeben, wann genau die Beklagte ihn durch die Übersendung des Videos auf sein Handy über die Vorwürfe gegenüber der Klägerin informiert hat. Die Aussage des Zeugen U. wird schließlich auch durch die SMS der Beklagten an die Klägerin vom 3. August 2015 gestützt, in dem die Beklagte gegenüber der Klägerin von "Geld was fehlt sonst geht heute noch eine Anzeige raus" schreibt. In der SMS vom 24. Juli 2015 war hingegen nur die von der Beklagten angezweifelte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin Gegenstand.

146

Einer weiteren Beweisaufnahme zum Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe regelmäßig, wenn sie nicht im Objekt gewesen sei, das Verhalten der Mitarbeiter überwacht, bedurfte es nach Auffassung der Kammer nicht. Selbst wenn die Beklagte in - von der Klägerin nicht substantiiert dargelegten - Fällen den Mitarbeitern telefonisch einen Hinweis hinsichtlich der Spülmaschine oder bezüglich eines vorzeitigen Arbeitsendes gegeben haben sollte, ließe sich hieraus nicht folgern, dass die Klägerin sämtliche Videoaufnahmen oder zumindest die Videoaufnahmen vom 14. und 23. Juni 2015 in ihrer Wohnung mitverfolgt hätte. Anders als das Aufräumen des Eiscafés bei dessen Schließung ist das Nichterstellen eines Bons auch nicht bereits bei einem flüchtigen Blick auf Überwachungsaufnahmen ersichtlich, sondern erfordert das konzentrierte Beobachten der Abläufe über einen längeren Zeitraum. Am 23. Juni 2015 war darüber hinaus zu sehen, dass die Beklagte das Eiscafé zwischen 13:03:51 und 13:04:58 verließ, um 13:29:03 Uhr von hinten ins Café kam und es erneut zwischen 13:33:14 und 13:34:50 Uhr nach rechts verlassen hat. Das spricht dagegen, dass die Beklagte den vollständigen Vorgang vom 13:04:58 Uhr bis 13:34:50 Uhr in ihrer Wohnung „live“ mitverfolgt hätte.

II.

147

Da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 7. August 2015 aufgelöst worden ist, stehen der Klägerin auch keine Vergütungsansprüche für die Zeit vom 8. bis 31. August 2015 zu. Die Berufung hat insoweit ebenfalls keinen Erfolg.

III.

148

Ziffer 2 des erstinstanzlichen Urteilstenors war dahingehend zu berichtigen, dass der Klägerin Zinsen „ab dem 1. September 2015“ zustehen. Insoweit liegt eine offensichtliche Auslassung im Sinn des § 319 ZPO vor, für deren Berichtigung von Amts wegen das Landesarbeitsgericht als das mit der Sache befasste Rechtsmittelgericht zuständig ist (vgl. BAG, Urteil vom 22. September 2015 – 9 AZR 170/14 – NZA 2016, 37, 39 Rz. 19; BGH, Urteil vom 3. Juli 1996 - VIII ZR 221/95 - NJW 1996, 2574, 2575 m. w. N.; Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl. 2017, § 319 ZPO Rn. 22).

C.

149

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

150

Soweit nach Ziffer 6 des Tenors des arbeitsgerichtlichen Urteils die Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz) die Klägerin zu 66 % und die Beklagte zu 34 % zu tragen hat, liegt ebenfalls eine offenbare Unrichtigkeit vor, die gem. § 319 Abs. 1 ZPO jederzeit von Amts wegen - auch vom Rechtsmittelgericht - berichtigt werden kann. Nach den Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils war die Klägerin ausgehend von dem mit 22.182,17 € angegebenen Streitwert im Hinblick auf den Klageantrag zu 1. (4.342,14 €), den Klageantrag zu 4 in Höhe von 244,90 €, den Klageantrag zu 5 (1.044,75 €), den Klageantrag zu 6. (1.447,38 €) sowie den Klageantrag zu 8 (385,00 €) unterlegen. Hieraus ergibt sich rechnerisch ein Unterliegen der Klägerin im Umfang von 34 %, gegenüber einem Unterliegen der Beklagten in Höhe von 66 %. Ziffer 6 des erstinstanzlichen Tenors war deshalb wie geschehen zu berichtigen.

151

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. April 2008 - 11 Sa 522/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Beklagte betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Die Klägerin war seit 1994 bei ihm als Verkäuferin/Kassiererin tätig. Zuletzt erzielte sie bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden einen monatlichen Bruttoverdienst von 1.323,86 Euro. Arbeitsort der Klägerin war die Verkaufsstelle (Filiale) B. Außer ihr waren dort zwei weitere Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Ein Betriebsrat war für den Bezirk, dem die Verkaufstelle zugeordnet ist, nicht gewählt worden.

3

In der Filiale hing seit Jahren ein Plakat in Größe DIN-A3 aus, das einen Hinweis darauf enthielt, die Verkaufsstellen des Beklagten würden durch Detektive, Kameraanlagen und den Einsatz von Sicherheitsdiensten überwacht. Tatsächlich kam Überwachungstechnik, außer im Rahmen von kurzfristigen Detektiveinsätzen, nicht zum Einsatz. Im Zeitraum vom 17. bis 23. März 2007 ließ der Beklagte an der Decke über dem Kassenbereich eine Videokamera anbringen, mit deren Hilfe die Kassiervorgänge aufzeichnet wurden. Hierüber wurden die Klägerin und ihre Kolleginnen nicht gesondert unterrichtet.

4

Bei der Auswertung der Videoaufzeichnungen fiel der zuständigen Verkaufsleiterin auf, dass die Klägerin am 23. März 2007 nach Dienstschluss einen sog. Personaleinkauf getätigt hatte. Eine anschließende Überprüfung des den Einkauf dokumentierenden Kassenstreifens ergab, dass die Klägerin Waren - überwiegend Süßigkeiten - im Wert von etwas über 60,00 Euro erworben hatte. In Höhe von 36,00 Euro war der Kaufpreis mit insgesamt sieben „produktbezogenen Gutscheinen“, ua. für eine elektrische Zahnbürste und ein Windelpaket, verrechnet worden, obwohl die Klägerin solche Artikel nicht eingekauft hatte. Das entsprach nicht dem Verwendungszweck der Coupons. Produktbezogene Gutscheine (Rabatt-Coupons) sind an den jeweiligen Warenregalen angebracht, werden aber auch in Form von Gutscheinheften an Kunden ausgegeben. Sie dürfen, wie der Klägerin bekannt war, nur beim Erwerb der betreffenden Waren verrechnet werden.

5

Im Personalgespräch vom 2. April 2007 wurde der Klägerin unter Vorlage des Kassenstreifens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie räumte ein, dass sie die Gutscheine nicht habe einlösen dürfen. Dem Beklagten sei hierdurch aber kein Schaden entstanden.

6

Mit Schreiben vom 2. April 2007 kündigte die Verkaufsleiterin für den Beklagten das Arbeitsverhältnis „fristlos“ zum 3. April 2007.

7

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei schon mangels Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin, zumindest aber deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine Originalvollmacht beigelegen habe. Zudem liege kein Grund zur Kündigung vor. Bei ihrem Personaleinkauf habe es sich um ein außerdienstliches Verhalten gehandelt. Dem Beklagten sei kein Schaden entstanden, da er die Wertcoupons in jedem Fall bei den ausstellenden Firmen einreiche. Überdies dürften die aus der Videoüberwachung gewonnenen Erkenntnisse wegen Verstoßes gegen § 6b BDSG nicht verwertet werden. Das gelte auch für Tatsachen, von denen der Beklagte durch die unzulässige Videoüberwachung nur mittelbar Kenntnis erlangt habe.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 2. April 2007 nicht aufgelöst worden ist.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Verkaufsleiterin sei berechtigt und bevollmächtigt gewesen, die Kündigung zu erklären. Dies sei der Klägerin aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen bekannt gewesen. Die Kündigung sei gerechtfertigt. Die Klägerin habe sich grob pflichtwidrig verhalten und dadurch auf seine Kosten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil erlangt. Der damit einhergehende Vertrauensbruch schließe eine Weiterbeschäftigung aus. Die in der Filiale durchgeführte Videoüberwachung sei zulässig gewesen. In der Verkaufsstelle seien hohe Inventurdifferenzen aufgetreten, die auf Pflichtverletzungen der Mitarbeiterinnen hingedeutet hätten. Andere Möglichkeiten zur Aufklärung des Verdachts habe er - ohne Erfolg - ausgeschöpft. So seien durch Detektiveinsätze nur wenige Kundendiebstähle aufgedeckt worden. Bei Testeinkäufen hätten sich keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Im Übrigen komme es auf die Zulässigkeit der Überwachung nicht an, weil der Sachverhalt unstreitig sei. Beweisverwertungsverbote könnten insoweit keine Rolle spielen. Jedenfalls dürfe ihm nicht verwehrt werden, seinen Vortrag auf Erkenntnisse zu stützen, die er aus anderen Informationsquellen gewonnen habe.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 2. April 2007 zu dem in ihr bestimmten Termin aufgelöst worden.

12

I. Die Kündigung ist nicht wegen fehlender Kündigungsberechtigung der Verkaufsleiterin oder deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine auf diese lautende Originalvollmacht beigefügt gewesen wäre.

13

1. Wenn es tatsächlich an einer Bevollmächtigung als solche gefehlt haben sollte, wäre die Kündigung zwar grundsätzlich gemäß § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Bei einer Kündigung als einseitigem Rechtsgeschäft ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Die Klägerin hat die unter Vorlage der Kopie einer Vollmacht erklärte Kündigung jedoch nicht „bei der Vornahme“ beanstandet, sondern erstmals mit der Klageschrift vom 19. April 2007, die dem Beklagten am 25. April 2007 zugestellt wurde. Bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung waren seit Ausspruch der Kündigung mehr als zwei Wochen verstrichen. Gründe für ihr Zuwarten hat die Klägerin nicht benannt. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe die Rüge „bei Vornahme“ der Kündigung erhoben (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, ZIP 1986, 388). Dementsprechend war die Kündigung in entsprechender Anwendung von § 180 Satz 2, § 177 Abs. 1 BGB nur schwebend unwirksam und genehmigungsfähig(vgl. Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 37, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Eine solche Genehmigung hat der Beklagte jedenfalls konkludent dadurch erteilt, dass er im vorliegenden Rechtsstreit die Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin ausdrücklich behauptet und die Rechtmäßigkeit der Kündigung verteidigt hat (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, aaO).

14

2. Hat die Verkaufsleiterin Kündigungsvollmacht besessen, ist die Kündigung nicht gem. § 174 Satz 1 BGB unwirksam. Ihre Zurückweisung durch die Klägerin erfolgte nicht „unverzüglich“ iSd. § 174 Satz 1, § 121 Abs. 1 BGB.

15

II. Die Kündigung ist nicht nach § 626 BGB unwirksam. Der Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.

16

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 17, BAGE 118, 104).

17

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ein wichtiger Grund liege vor, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

18

a) Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht (bspw. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 25 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 184). Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 27, aaO; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, aaO).

19

b) Eine solche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung der Klägerin liegt nach dem unstreitigen Sachverhalt vor. Die Klägerin hat sich vorsätzlich auf Kosten des Beklagten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil verschafft. Damit hat sie ihre gegenüber dem Beklagten bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erheblich verletzt.

20

aa) Das Verhalten der Klägerin vom 23. März 2007 ist, was die Einlösung und Verrechnung von sieben produktbezogenen Gutscheinen im Wert von insgesamt 36,00 Euro anbelangt, vom Landesarbeitsgericht als unstreitig festgestellt. Dagegen hat die Klägerin Verfahrensrügen nicht erhoben. Ebenso wenig hat sie das Fehlen ihrer Berechtigung zur Einlösung der Gutscheine in Abrede gestellt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Beklagten sei durch das Verhalten der Klägerin ein Schaden entstanden, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte durfte die Gutscheine nur bei einem tatsächlichen Verkauf entsprechender Produkte an die betreffenden Lieferanten weiterreichen. Sollte sich der Schaden im Kündigungszeitpunkt noch nicht realisiert haben, wäre jedenfalls von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auszugehen.

21

bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ihr Fehlverhalten sei der Klägerin vorwerfbar, sie habe die Vermögensschädigung des Beklagten vorsätzlich herbeigeführt, ist nicht zu beanstanden. Diese Wertung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO. Das Revisionsgericht kann bezüglich der Feststellung innerer Tatsachen nur prüfen, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und Denkgesetze, Erfahrungssätze sowie Verfahrensvorschriften nicht verletzt hat (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 27 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Solche Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass ihr die Voraussetzungen für eine berechtigte Einlösung produktbezogener Gutscheine bekannt waren. Soweit sie der Annahme des Berufungsgerichts, bei einer unberechtigten Einlösung von sieben produktbezogenen Gutscheinen sei ein Versehen auszuschließen, gleichwohl entgegentritt, wird nicht deutlich, worauf ihre Rüge zielt. Sollte sie darauf abstellen, das Landesarbeitsgericht hätte ihr Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens geben müssen, fehlt es an Darlegungen, welchen weiteren, entscheidungserheblichen Sachvortrag sie daraufhin gehalten hätte. Soweit die Klägerin vorgebracht hat, sie habe jedenfalls nicht den Beklagten selbst schädigen wollen, übersieht sie, dass ihrer Pflichtverletzung auch dann erhebliches Gewicht zukommt, wenn sie darauf vertraut haben sollte, ein Schaden würde letztlich nicht beim Beklagten, sondern nach Weiterreichung der Gutscheine bei einem Dritten - dem betreffenden Lieferanten - eintreten. Dass auch dies nicht im Interesse des Beklagten liegen konnte, war für sie ohne Weiteres erkennbar.

22

cc) Der Annahme einer schwerwiegenden Pflichtverletzung steht nicht entgegen, dass es sich um einen privaten, außerhalb der Arbeitszeit liegenden Einkauf handelte. Die Klägerin war auch insoweit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Beklagten Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Die Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme kann den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen, wenn das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Davon ist typischerweise auszugehen, wenn der Arbeitnehmer - wie hier die Klägerin - in seiner Freizeit in Bereicherungsabsicht das dem Unternehmen zuzurechnende Vermögen des Arbeitgebers unmittelbar vorsätzlich schädigt oder doch gefährdet (vgl. Senat 20. September 1984 - 2 AZR 633/82 - zu I 4 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 80 = EzA BGB § 626 nF Nr. 91).

23

c) Die außerordentliche Kündigung ist auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Streitfalls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gerechtfertigt.

24

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 32 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

25

bb) Dem wird die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts gerecht.

26

(1) Eine Abmahnung war nach den Umständen des Falls entbehrlich. Zur Klarstellung der vertraglichen Pflichten bedurfte es ihrer nicht. Die Vertragsverletzung war für die Klägerin erkennbar. Eine Abmahnung war auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlich. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Verhalten der Klägerin habe das Vertrauen des Beklagten in eine künftig ordnungsgemäße Vertragserfüllung nachhaltig beeinträchtigt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat die Gutscheine in Bereicherungsabsicht zweckwidrig verwendet. Die Vermögensschädigung des Beklagten lag auf der Hand. Das Gewicht der Pflichtverletzung wird noch dadurch verstärkt, dass die Klägerin bewusst gegen Vorgaben verstoßen hat, zu deren Beachtung sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kassiererin verpflichtet war. Dass sie den Einkauf bei einer Kollegin abgewickelt hat, spricht nicht gegen ein mangelndes Unrechtsbewusstsein. Die Klägerin konnte offensichtlich auf deren Verschwiegenheit vertrauen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die - gleichfalls entlassene - Kollegin die Einlösung der Wertcoupons nicht verweigert und das Verhalten der Klägerin zunächst keine Beanstandungen ausgelöst hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin die geringen Überwachungsmöglichkeiten des Beklagten und die enge Verbundenheit der Mitarbeiterinnen der Filiale ausgenutzt hat. Bei einem solchen, insgesamt auf Heimlichkeit angelegten Verhalten ist dem Beklagten - für die Klägerin erkennbar - die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, und sei es nach Erteilung einer Abmahnung, nicht zuzumuten.

27

(2) Die fristlose Kündigung ist auch unter Einbeziehung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt. Dem Beklagten war selbst die Einhaltung der - fünfmonatigen - Kündigungsfrist unzumutbar. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang alle weiteren Gesichtspunkte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Insbesondere hat es der Klägerin ihre langjährige Betriebszugehörigkeit zugute gehalten. Dass es gleichwohl und trotz der Erstmaligkeit des Vorfalls von einem überwiegenden Interesse des Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen ist, ist unter Beachtung des Gewichts der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Stellung der Klägerin als Verkäuferin und Kassiererin und der Tatsache, dass bei ihrer Tätigkeit häufig keine anderen Arbeitnehmer zugegen sind, nicht rechtsfehlerhaft.

28

d) Der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung steht nicht entgegen, dass der Beklagte durch Auswertung einer Videoaufnahme vom Verhalten der Klägerin Kenntnis erlangt hat. Ob § 6b BDSG durch die Beobachtung des Kassenbereichs einschließlich seiner Umgebung verletzt wurde oder die Videoaufzeichnung aus anderen Gründen rechtswidrig war, kann offen bleiben.

29

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 30 mwN, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20) führt der Umstand, dass eine Partei die Kenntnis der von ihr behaupteten Tatsachen auf rechtswidrige Weise erlangt hat, nicht notwendig zu einem Verbot von deren prozessualer Verwertung. Falls die betreffenden Tatsachen von der Gegenseite nicht bestritten werden, also unstreitig geworden sind, besteht ein solches Verbot nur, wenn der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm einer gerichtlichen Verwertung der Information zwecks Vermeidung eines Eingriffs in höherrangige Rechtspositionen dieser Partei zwingend entgegensteht.

30

(1) Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren gelten wie im Zivilprozess die Dispositionsmaxime und der Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz. Das Gericht darf nur die von den Parteien vorgebrachten Tatsachen verwerten (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20). Umgekehrt ist es zugleich an den Vortrag der Parteien und einen ihm unterbreiteten, entscheidungserheblichen Sachverhalt gebunden. Der Vortrag einer Partei kann nicht ohne gesetzliche Grundlagen (wie zB die Präklusionsvorschriften) unbeachtet und „unverwertet“ bleiben. Ordnungsgemäß in den Prozess eingeführten Sachvortrag muss das Gericht berücksichtigen. Das Zivilprozessrecht kennt grundsätzlich kein Verbot der „Verwertung” von Sachvortrag. Der beigebrachte Tatsachenstoff ist entweder unschlüssig oder unbewiesen, ist aber nicht „unverwertbar”. Dies gilt zumal dann, wenn der Sachverhalt unstreitig ist. Das Gericht ist an ein Nichtbestreiten (wie an ein Geständnis) grundsätzlich gebunden. Es darf für unbestrittene Tatsachen keinen Beweis verlangen und erheben (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Ein „Verwertungsverbot” würde den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG einschränken. Dieser verpflichtet das Gericht, erheblichen Vortrag einer Partei zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 25, aaO).

31

(2) Dennoch kann rechtswidriges Verhalten einer Prozesspartei bei der Informationsgewinnung zu einem Verwertungsverbot führen. Das ist der Fall, wenn eine solche Sanktion unter Beachtung des Schutzzwecks der verletzten Norm zwingend geboten erscheint. In einem gerichtlichen Verfahren ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Gericht den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber tritt. Es ist bei der Urteilsfindung nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt seine Pflicht zu einer fairen Handhabung des Prozess- und Beweisrechts (vgl. BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Daraus folgt für den Zivilprozess zwar nicht, dass jede unzulässig erlangte Information prozessual unverwertbar wäre (Senat 15. August 2002 - 2 AZR 214/01 - zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 102, 190; BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 22, BGHZ 166, 283). Sie ist es im Einzelfall aber dann, wenn mit ihrer gerichtlichen Verwertung ein erneuter Eingriff in rechtlich geschützte, hochrangige Positionen der anderen Prozesspartei oder die Perpetuierung eines solchen Eingriffs verbunden wäre, und dies auch durch schutzwürdige Interessen der Gegenseite - hier des Beklagten - nicht gerechtfertigt werden könnte (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

32

bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, unstreitiger Sachvortrag, selbst wenn unter Verletzung von Grundrechten gewonnen sei, sei stets und uneingeschränkt prozessual verwertbar, weil die belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens gehabt habe (in diesem Sinne auch HWK/Lembke 4. Aufl. BDSG Vorb. Rn. 112; Grimm/ Schiefer RdA 2009, 329, 342; Heinemann MDR 2001, 137, 141 f.), überzeugt nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob der Partei, die sich der Behauptung objektiv zutreffender Tatsachen durch ihren Prozessgegner ausgesetzt sieht, in Ansehung der prozessualen Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) einschränkungslos ein „Recht zur Lüge“ zusteht (dies befürwortend Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 138 Rn. 3; Heinemann MDR 2001, 137, 142). Jedenfalls kann sie nicht umgekehrt sogar verpflichtet sein, wider besseres Wissen richtigen Vortrag zu bestreiten und sich in Fällen, in denen einfaches Bestreiten nicht ausreicht, mit einem bewusst falschen Gegenvorbringen zu belasten (vgl. Lunk NZA 2009, 457, 459). Sie trüge mit Blick auf mögliche Zweifel an der Zulässigkeit ihres Bestreitens das Risiko, dem Vorwurf zumindest des Versuchs eines Prozessbetrugs ausgesetzt zu sein. Dass kann die Rechtsordnung einer Partei nicht abverlangen. Hat eine Partei den Tatsachenvortrag der Gegenseite nicht bestritten, ist ihr die Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit der ihm zugrundeliegenden Informationsbeschaffung zu berufen, nur dann genommen, wenn in ihrem Nichtbestreiten zugleich die Einwilligung in eine prozessuale Verwertung der fraglichen Tatsachen liegt. Dann wiederum stellt sich die Frage nach einem Verwertungsverbot nicht (vgl. MünchKommZPO/Prütting 3. Aufl. § 284 Rn. 75; Helle JZ 2004, 340, 345; Maties, NJW 2008, 2219; Schreiber ZZP 122, 227, 230).

33

cc) Danach besteht im Streitfall kein Verwertungsverbot.

34

(1) Allerdings hat die Klägerin in eine Verwertung der durch die Videoaufzeichnung erlangten Informationen nicht eingewilligt. Sie hat zwar das Geschehen vom 23. März 2007 teils durch bejahende Erklärung eingeräumt, teils dadurch zugestanden, dass sie den substantiierten Ausführungen des Beklagten nicht mit konkretem Tatsachenvortrag entgegen getreten ist (§ 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Sie hat aber zugleich geltend gemacht, dem Beklagten sei es verwehrt, „die verbotenen Früchte“ der Videoüberwachung „zu ernten“. Damit hat sie deren Verwertung offensichtlich widersprochen.

35

(2) Die Verwertung der unstreitigen Tatsachen erweist sich auf der Grundlage der anzustellenden Güterabwägung dennoch als zulässig. Ein möglicher, durch Berücksichtigung des Sachvortrags des Beklagten perpetuierter rechtswidriger Eingriff in rechtlich geschützte Positionen der Klägerin wiegt nicht so schwer, dass der Anspruch des Beklagten, mit seinem unstreitigen Vorbringen Gehör zu finden, zurücktreten müsste. Der Schutz des Arbeitnehmers vor einer - unterstellt - rechtswidrigen Videoüberwachung verlangt nicht, auch solche unstreitigen Tatsachen außer Acht zu lassen, die dem Arbeitgeber nicht nur durch die Videoaufzeichnung, sondern ohne Rechtsverstoß auch aus einer anderen Informationsquelle bekannt geworden sind.

36

(a) Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte, auch im Privatrechtsverkehr zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers - hier in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild - ist nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers können durch Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob es den Vorrang verdient (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 3 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20 mwN).

37

(b) Im Rahmen dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Grundgesetz einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung beimisst. Auch im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines Privatrechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte gehalten, den von den Parteien in den Prozess eingeführten Vortrag und ggf. die angebotenen Beweismittel zu berücksichtigen. Diese Belange können als Bestandteil der verfassungsgemäßen Ordnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränken (vgl. BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - BVerfGE 106, 28; BAG 23. April 2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 35, BAGE 130, 347; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

38

(c) Zwar gehen das Interesse an einer funktionsfähigen Zivilrechtspflege und materiell richtigen Entscheidungen und verbunden damit das Bestreben des Gläubigers, sich Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht etwa stets vor (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 f., BVerfGE 117, 202; 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a aa und bb der Gründe, BVerfGE 106, 28). Im Streitfall treten aber Aspekte hinzu, die die Berücksichtigung der gewonnenen Informationen zulassen.

39

(aa) Der Sachvortrag des Beklagten stützt sich vornehmlich auf die Auswertung des Kassenstreifens vom 23. März 2007 und auf Erklärungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Die Zulässigkeit der Erhebung und Verwertung der Kassendaten als solche steht dabei nicht in Frage. Zwar ist der Beklagte erst durch die Videoaufzeichnung auf diese zusätzliche Informationsquelle „gestoßen“. Dennoch bedurfte es für sein Vorbringen keines Rückgriffs auf die Videoaufzeichnung selbst.

40

(bb) Damit ist die Frage angesprochen, ob ein als solches zulässiges Erkenntnis- und Beweismittel einem prozessualen Verwertungsverbot unterliegen kann, wenn es seinerseits ohne eine weitere, zuvor rechtswidrig gewonnene Information nicht hätte erlangt werden können (vgl. BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 18 f., BGHZ 166, 283; für den Strafprozess: BGH 24. August 1983 - 3 StR 136/83 - BGHSt 32, 68; 18. April 1980 - 2 StR 731/79 - BGHSt 29, 244). Die Problematik bedarf keiner umfassenden Erörterung. Im Streitfall geht es nicht um Erkenntnisse, die der Beklagte tatsächlich nur durch die möglicherweise rechtswidrige Videoüberwachung hat gewinnen können. Sie waren ihm unabhängig davon zugänglich. Die Auswertung des Kassenstreifens und die Befragung der Klägerin und ihrer Kollegin waren auch ohne technische Überwachung möglich, zumal nach eigenem Vortrag der Klägerin Einkäufe von Mitarbeitern mit deren Einverständnis in den Tagesunterlagen besonders vermerkt werden. Damit kommt einer möglichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin kein solches Gewicht zu, dass unter Berücksichtigung des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs ein Außerachtlassen der letztlich erst aus dem Kassenstreifen gewonnenen Erkenntnisse gerechtfertigt wäre. Gleiches gilt für die Einlassungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen ohnehin auf den fraglichen Kassenauszug gestoßen wäre (zu diesem Aspekt Schreiber ZZP 122, 227, 235; Gemmeke Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren S. 214 f.). Vielmehr kann einer Prozesspartei die Möglichkeit, für sie günstige Tatsachen mit rechtlich unbedenklichen Mitteln nachzuweisen, nicht deshalb versagt werden, weil sie das Wissen von der Geeignetheit eines solchen Mittels auf rechtswidrige Weise erlangt hat (zur Begrenzung der Fernwirkung von Verwertungsverboten vgl. auch BVerfG 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1686/04 - zu 2 b der Gründe, BVerfGK 7, 61). Das gilt im Streitfall umso mehr, als es um den Nachweis eines schwerwiegenden Vertrauensbruchs geht.

41

III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

    Sieg    

        

    Baerbaum    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2015 - 7 Sa 1078/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels. Die Klägerin war bei ihr seit November 1998, zuletzt als stellvertretende Filialleiterin, beschäftigt. Sie war überwiegend als Kassiererin eingesetzt.

3

Die Beklagte stellte im Oktober 2013 für die Beschäftigungsfiliale der Klägerin einen Inventurverlust in den Warengruppen Tabak/Zigaretten und „Nonfood“ in Höhe von mehr als des Zehnfachen im Verhältnis zur vorausgegangenen Inventur fest. Die Ergebnisse von daraufhin durchgeführten Recherchen ließen aus ihrer Sicht nur den Schluss zu, dass der Verlust vom Personal zu verantworten sei. Weitere Kontroll- und Revisionsmaßnahmen sowie die Überprüfung der Mitarbeiter durch Taschenkontrollen führten nicht zur Aufklärung.

4

Die Beklagte beantragte daraufhin beim Betriebsrat die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung im Kassenbereich im Zeitraum vom 15. bis 29. Dezember 2013 zum Zwecke der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“. Als „Grund“ gab sie „Diebstahl Zigaretten/NF“ an, wobei sich die Videoüberwachung gegen die Mitarbeiterinnen D und M richten solle. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Videoüberwachung zu.

5

Die Filiale wurde unabhängig davon auch insgesamt offen videoüberwacht. An ihren Zugängen befanden sich entsprechende Hinweisschilder.

6

Einer Videosequenz der verdeckten Überwachung des Kassenbereichs vom 18. Dezember 2013 war zu entnehmen, dass die Klägerin eine dort befindliche „Musterpfandflasche“ über den Scanner gezogen, eine Leergutregistrierung durchgeführt, die Kassenlade geöffnet und Geld aus der Kassenlade genommen hatte, welches sie zunächst im Kassenbereich abgelegt und zu einem späteren Zeitpunkt in ihre Tasche gesteckt hatte. Der von ihr erstellte Kassenbon wies eine Pfandbarauszahlung iHv. 3,25 Euro für 13 Pfandflaschen bzw. -dosen aus.

7

Während eines am 20. Januar 2014 geführten Anhörungsgesprächs wurde der Klägerin die Videosequenz vorgespielt. Ihre Reaktion hierauf und der genaue Inhalt des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig geblieben.

8

Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachts-/bzw. Tatkündigung an. Der Betriebsrat stimmte den beabsichtigten Kündigungen am 23. Januar 2014 zu.

9

Mit Schreiben vom gleichen Tag kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Kündigungstermin.

10

Dagegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Ein Grund für die außerordentliche oder die ordentliche Kündigung liege nicht vor. Sie habe am fraglichen Tag bereits beim Betreten der Filiale kurz vor 10:00 Uhr Leergut in die Pfandbox eingeworfen. Darauf habe sich der Vorgang gegen Mittag desselben Tages bezogen, als sie die Musterpfandflasche eingescannt und das Pfandgeld entnommen habe. Die Beklagte habe überdies die Frist zur Erklärung der außerordentlichen Kündigung gem. § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 beendet wird;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als stellvertretende Filialleiterin weiter zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe einen regulären Kassiervorgang manipuliert, um sich auf diese Weise persönlich zu bereichern.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 sei wirksam.

15

I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es liege ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16

1. Die Manipulation eines Kassenvorgangs zum Zweck, sich selbst auf Kosten des Arbeitgebers zu bereichern, ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Verschafft sich ein Arbeitnehmer vorsätzlich auf Kosten des Arbeitgebers einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil, verletzt er erheblich seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB). Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen daher typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 13 und 15, BAGE 145, 278; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

17

2. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Interessenabwägung ohne Rechtsfehler angenommen, die langjährige unbeanstandete Beschäftigung der Klägerin in der Vergangenheit vermöge den eingetretenen Vertrauensverlust im Ergebnis nicht aufzuwiegen. Dabei hat es in seine Würdigung auch einbezogen, dass der Schaden mit 3,25 Euro relativ gering sei. Es hat jedoch zutreffend zu Lasten der Klägerin berücksichtigt, dass sie sich nach seinen Feststellungen bewusst, heimlich und durch eine gezielte Manipulation der Kassenvorgänge auf Kosten der Beklagten bereichert habe. Der dadurch bewirkte Vertrauensbruch wiegt bei einer stellvertretenden Filialleiterin und Kassiererin besonders schwer. Die Beklagte muss bei einer Arbeitnehmerin in dieser Position von uneingeschränkter Vertrauenswürdigkeit bei der Tätigkeit, insbesondere bei der Bedienung der Kasse, ausgehen können.

18

3. Das Landesarbeitsgericht hat es zu Recht als unerheblich angesehen, dass die Klägerin nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils von der Beklagten in ihrer bisherigen Tätigkeit weiterbeschäftigt worden ist. Zum einen kommt es für die Wirksamkeit der Kündigung auf die Umstände im Zeitpunkt ihres Zugangs an (vgl. BAG 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, BAGE 149, 367). Zum anderen ist allein maßgeblich, ob zu diesem Zeitpunkt Tatsachen gegeben waren, die es dem Arbeitgeber objektiv unzumutbar machten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 29; für die ordentliche Kündigung vgl. BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 34). Hierauf hat es keinen Einfluss, wenn die Beklagte der Klägerin mehr als acht Monate nach der Kündigung eine Prozessbeschäftigung angeboten hat. Im Übrigen hat sie das Angebot erst unterbreitet, nachdem sie erstinstanzlich zur Weiterbeschäftigung der Klägerin zu unveränderten Bedingungen verurteilt worden war. Daraus lässt sich, selbst wenn unmittelbar noch keine Zwangsvollstreckung gedroht haben sollte, nicht einmal schließen, sie habe eine Weiterbeschäftigung subjektiv wieder für zumutbar gehalten.

19

II. Das Landesarbeitsgericht war nicht wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs der Beklagten in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin sowie ihr Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 zutage getretene Verhalten der Klägerin zugrunde zu legen, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei seiner Würdigung zu berücksichtigen.

20

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

21

a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung(§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 43, BAGE 146, 303; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 30). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 20, BAGE 145, 278; vgl. auch BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; MüKoZPO/Prütting 5. Aufl. § 284 Rn. 66). Dies gilt ebenso für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot.

22

b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind(vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (ebenso Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 137; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 190, 193; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 339; vgl. auch Lunk NZA 2009, 457, 459). Das bestätigt auch ein Umkehrschluss aus § 1 Abs. 4 BDSG. Nach dieser Bestimmung gehen die Vorschriften des Gesetzes (lediglich) denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes „bei der Ermittlung des Sachverhalts“ vor.

23

c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist (ebenso Schreiber ZZP 2009, 227, 229). Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 44, BAGE 146, 303; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 21, BAGE 145, 278). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276). Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

24

d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 49, BAGE 146, 303). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29, BAGE 142, 176; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe).

25

e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 29; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 34 ff.; ähnlich OLG Karlsruhe 25. Februar 2000 - 10 U 221/99 - zu II 3 b der Gründe; aA Ahrens Der Beweis im Zivilprozess Kapitel 6 Rn. 29). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen(vgl. Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im einzelnen BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft. Hat das Gericht Anhaltspunkte dafür, dass für den Rechtsstreit relevante Erkenntnisse unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei gewonnen wurden, muss es daher prüfen, ob es das Vorbringen, selbst wenn es unbestritten bleibt, bei der Feststellung des Tatbestands berücksichtigen darf. Hiervon besteht nur eine Ausnahme, wenn die Partei auf die Geltendmachung der Rechtsverletzung wirksam verzichtet hat.

26

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitig gebliebenen Sachvortrag der Beklagten über das aus den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 ersichtliche Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der erstellten Pfandbuchung zugrunde zu legen. Ebenso wenig bestand ein Verbot, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei der Würdigung zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht hat dadurch keine Grundrechtsverletzung perpetuiert oder vertieft. Zwar griff die verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. Der Eingriff war aber aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten gerechtfertigt. Die Beklagte hat auch nicht dadurch, dass sie die in Auswertung des Materials gewonnenen Erkenntnisse zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien verwendete, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Einer näheren Erörterung, ob anderenfalls nicht nur ein Beweis-, sondern auch ein Sachvortragsverwertungsverbot bestanden hätte, bedarf es daher nicht.

27

a) Die Beklagte hat durch die Veranlassung der Videoaufzeichnungen, aus denen das Verhalten der Klägerin am 18. Dezember 2013 ersichtlich wurde, nicht unrechtmäßig in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen.

28

aa) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 50, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30, BAGE 142, 176; grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, aaO).

29

bb) Danach hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die von der Beklagten veranlasste verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs sei in Anbetracht der Inventurdifferenzen, der anderweitig durchgeführten, aber erfolglos gebliebenen Aufklärungsmaßnahmen und des gegenüber zwei Mitarbeiterinnen konkretisierten Diebstahlsverdachts gerechtfertigt gewesen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

30

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein anderes, milderes Mittel zur Aufklärung des fraglichen Verdachts habe nicht mehr zur Verfügung gestanden. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch die Klägerin hat einen solchen nicht aufgezeigt. Der ihres Erachtens gegebene Widerspruch zu dem Umstand, dass sie nicht zu dem Kreis der Verdächtigen gehört habe, besteht nicht. Eine verdeckte Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten darf nicht nur dann erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass von ihr ausschließlich Arbeitnehmer betroffen sind, hinsichtlich derer es bereits einen konkretisierten Verdacht gibt. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Soweit der Wortlaut der Bestimmung ein anderes Verständnis nahelegen könnte, ist er „verunglückt“. Die Regelung sollte - wie ausgeführt - die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern. Die Bestimmung orientiert sich vielmehr inhaltlich an den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht ua. in seinem Urteil vom 27. März 2003 (- 2 AZR 51/02 - BAGE 105, 356) zur verdeckten Überwachung von Beschäftigten aufgestellt hat (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Danach muss zwar der Kreis der Verdächtigen möglichst eingegrenzt sein, es ist aber nicht zwingend notwendig, dass eine Überwachungsmaßnahme in der Weise beschränkt werden kann, dass von ihr ausschließlich Personen erfasst werden, bezüglich derer bereits ein konkretisierter Verdacht besteht. Die Klägerin hat auch nicht etwa gerügt, das Landesarbeitsgericht habe tatsächliches Vorbringen übergangen, aus dem sich ergeben hätte, dass es ebenso gut möglich gewesen wäre, die Überwachung des Kassenbereichs ausschließlich bezogen auf die des Diebstahls verdächtigten Mitarbeiterinnen durchzuführen.

31

(2) Der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachungsmaßnahme steht damit nicht entgegen, dass sie in Bezug auf die Klägerin anlasslos war. Gab es kein milderes Mittel zur Aufklärung des bestehenden Diebstahlsverdachts gegen andere Mitarbeiterinnen als die konkret durchgeführte Überwachung, war der Eingriff - auch - in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin gerechtfertigt. Eine Dokumentation des Verdachts verlangt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ebenfalls lediglich insoweit, wie eine Maßnahme „zur“ Aufdeckung von Straftaten erfolgt.

32

cc) Aus § 6b Abs. 1 BDSG ergeben sich mit Blick darauf, dass zu den öffentlich zugänglichen Räumen im Sinne der Bestimmung auch öffentlich zugängliche Verkaufsräume gehören(BT-Drs. 14/4329 S. 38), keine weitergehenden Anforderungen. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob nicht bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz die Zulässigkeit der Maßnahme gem. § 32 BDSG als nach § 4 Abs. 1 BDSG erforderlicher Erlaubnistatbestand ohnehin ausreicht.

33

(1) Gemäß § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zulässig, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

34

(2) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG stellt seit Inkrafttreten der Bestimmung zumindest eine Konkretisierung dieses Tatbestands dar. Das berechtigte Interesse iSd. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist in diesem Fall die Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten. Sind die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gegeben, ist die Maßnahme jedenfalls im Verhältnis zu den von ihr betroffenen Arbeitnehmern auch nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig. Das Gebot der Kenntlichmachung gem. § 6b Abs. 2 BDSG ist insofern keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 51, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 41, BAGE 142, 176; Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 110; Bauer/Schansker NJW 2012, 3537; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; wohl auch Bayreuther DB 2012, 2222 ff.). Im Übrigen war hier auf die ohnehin bestehende offene Videoüberwachung der Filiale bereits durch entsprechende Hinweisschilder an den Eingängen hingewiesen.

35

b) Die Beklagte hat auch durch die weitere Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Videoaufzeichnungen nicht deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt.

36

aa) Die Verarbeitung - dh. hier insbesondere die Aufbewahrung zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) - und Nutzung der Daten war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.

37

(1) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

38

(2) Dies war hier der Fall. Die Aufzeichnungen begründeten zumindest den Verdacht, dass die Klägerin zu Lasten der Beklagten eine Unterschlagung begangen hatte. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen der Klägerin standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Insbesondere hatte die Beklagte die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin erlangt. Sie waren vielmehr - wie ausgeführt - im Rahmen einer zulässigen Videoüberwachung angefallen (zu diesem Erfordernis BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 56, BAGE 146, 303; Bayreuther Anm. zu AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 53 zu IV 1 b). Das zutage getretene Verhalten der Klägerin rechtfertigte auch die weitere Speicherung und Nutzung des Materials. Danach war nicht ausgeschlossen, dass sich die Klägerin unter Herstellung einer manipulierten Pfandbuchung bewusst auf Kosten der Beklagten bereichert und damit eine erhebliche Pflichtverletzung begangen hatte (zum Erfordernis der hinreichenden Gewichtigkeit des Verhaltensverstoßes ebenfalls BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; Bayreuther aaO).

39

(3) Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber alle anderen zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen auch bezüglich des zufällig aufgedeckten Fehlverhaltens bereits ausgeschöpft hatte (aA Eylert NZA-Beilage 2015, 100, 107). Dies ist, wenn es noch keinen entsprechenden Verdacht gab, weder möglich noch geboten. Eine Videoüberwachung muss zwar, um rechtmäßig zu sein, auch in der Art ihrer Durchführung ultima ratio zur Aufklärung des ihr zugrunde liegenden Verdachts sein. Ist dies aber der Fall, sind durch sie unvermeidbare Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte mitbetroffener Arbeitnehmer ebenfalls durch den Aufklärungszweck gerechtfertigt.

40

bb) Eine Unzulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen folgt nicht aus § 6b Abs. 3 BDSG.

41

(1) Nach Satz 1 der Bestimmung ist die Verarbeitung oder Nutzung von nach § 6b Abs. 1 BDSG erhobenen Daten zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Für einen anderen Zweck dürfen sie gem. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

42

(2) Eine weitere Speicherung und Verwendung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen wäre demnach möglich gewesen, wenn sie sich iSv. § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG im Rahmen des verfolgten Zwecks gehalten hätte oder - außerhalb des ursprünglich verfolgten Zwecks - zur „Verfolgung von Straftaten“ iSd. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG erfolgt wäre. Insofern käme es also darauf an, auf welche ursprüngliche Zwecksetzung abzustellen wäre: den ausweislich der Verfahrensmeldung nach § 4g BDSG festgelegten Beobachtungszweck der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“ oder den engeren, dem Betriebsrat genannten konkreten „Grund“ für den Kameraeinsatz, nämlich den Diebstahlsverdacht im Bereich Zigaretten/„NF“. Wäre für § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG die engere Zwecksetzung maßgeblich, setzte eine Rechtfertigung nach Satz 2 der Bestimmung voraus, dass zur „Verfolgung von Straftaten“ auch die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen aufgrund einer Straftat zählte(in diesem Sinne Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 29; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 340; aA wohl Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 124; in Art. 7 Buchst. f der - gem. EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f. eine Vollharmonisierung bewirkenden - Richtlinie 95/46/EG ist dagegen keinerlei explizites Zweckänderungsverbot enthalten).

43

(3) Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung. Die Regelung des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG stellt auch für die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten eines Beschäftigten, die der Arbeitgeber durch eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume erlangt hat, eine eigenständige, von den Voraussetzungen nach § 6b Abs. 3 BDSG unabhängige Erlaubnisnorm dar(offen gelassen BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 48, BAGE 146, 303; den „Datenschutz-Wirrwarr“ beklagen Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 3; unklar Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 50 f., 147; aA Jerchel/Schubert DuD 2015, 151, 152; Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 122; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 79). Ist danach eine bestimmte Datenverarbeitung oder -nutzung rechtmäßig, kommt es im Verhältnis zu den davon betroffenen Arbeitnehmern nicht darauf an, ob auch die Anforderungen gem. § 6b Abs. 3 BDSG erfüllt sind. Die Bestimmung schließt eine eigenständige Rechtfertigung der Datenverarbeitung nach § 32 BDSG vielmehr nicht aus(ebenso ErfK/Franzen 16. Aufl. § 6b BDSG Rn. 2). Diese Vorschrift dient speziell dem Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern in Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz (BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Dagegen soll § 6b BDSG - unabhängig von den aufgrund der engeren schuldrechtlichen Bindungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses bestehenden Interessen - den Schutz der Allgemeinheit vor einem Ausufern der Videoüberwachung im öffentlichen Raum gewährleisten(zum Ziel einer restriktiveren Verwendungspraxis Bericht und Beschlussempfehlung des Innenausschusses, BT-Drs. 14/5793 S. 61). Für die Eigenständigkeit der Erlaubnistatbestände des § 32 BDSG spricht auch, dass die Videoüberwachung nicht öffentlich zugänglicher (Arbeits-)Räume im BDSG nicht gesondert geregelt ist. Ihre Zulässigkeit richtet sich daher, soweit Arbeitnehmer betroffen sind, unzweifelhaft allein nach § 32 BDSG(ebenso Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 80). Es erschiene aber wenig plausibel, wenn bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz von Arbeitnehmern, die in öffentlich zugänglichen Räumen arbeiten, andere Maßstäbe gelten sollten als für Arbeitnehmer, die dies nicht tun.

44

III. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, ein Verwertungsverbot habe auch dann nicht bestanden, wenn der Betriebsrat bei der Auswertung der Videosequenz nicht beteiligt gewesen sein sollte. Selbst wenn die Videoüberwachung gänzlich ohne seine Mitbestimmung erfolgt wäre, er aber - wie hier - einer auf die erlangten Erkenntnisse gestützten Kündigung zugestimmt hat, verlangte die Missachtung seines Mitbestimmungsrechts dies nicht (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 105, 356). Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und § 77 BetrVG gebietet ein solches Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht, wenn die Verwertung der Information bzw. des Beweismittels nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 33; Lunk NZA 2009, 457, 463; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341 f.). Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Es geht um einen kollektiv-rechtlich vermittelten Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Soweit der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer betroffen ist, sind die Schutzzwecke der Norm und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO).

45

IV. Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Danach stand zu seiner Überzeugung fest, dass die Klägerin entgegen ihrer Behauptung keinen dem aus der Kasse entnommenen Geldbetrag entsprechenden Gegenwert in Form von Pfandflaschen oder -dosen in die Leergutbox eingeworfen hatte. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.

46

V. Entsprechendes gilt für die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Es hat angenommen, die Auswertung der Videoaufzeichnungen des Kassenbereichs habe beginnend mit dem 30. Dezember 2013 drei Wochen gebraucht, sodann habe am 20. Januar 2014 das Anhörungsgespräch mit der Klägerin stattgefunden. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin war dieser das Kündigungsschreiben vom 23. Januar 2014 am Folgetag und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 626 Abs. 2 BGB zugegangen.

47

VI. Das Landesarbeitsgericht hat - wenn auch ohne nähere Prüfung - zu Recht angenommen, der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört worden. Die Beklagte hatte ihn mit Anhörungsschreiben vom 22. Januar 2014 darüber informiert, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich fristlos, vorsorglich fristgerecht zu kündigen. Sie hat ihm die Kündigungsgründe in der in der Anlage beigefügten Begründung im Einzelnen mitgeteilt. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob sie darin die Warenbereiche zutreffend bezeichnet hatte, in denen sie zuvor Inventurdifferenzen festgestellt hatte. Zur nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erforderlichen Mitteilung der Kündigungsgründe gehört nicht die Information über die die Verwertbarkeit erlangter Informationen oder Beweismittel begründenden Umstände. Überdies war dem Betriebsrat aufgrund der von ihm erteilten Zustimmung zur verdeckten Videoüberwachung des Kassenbereichs bekannt, welche Inventurdifferenzen die Beklagte festgestellt hatte. Die Beklagte hat die Kündigung auch erst nach der Zustimmung des Betriebsrats am 23. Januar 2013 erklärt.

48

VII. Der als unechter Hilfsantrag nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte Antrag der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

49

VIII. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Koch    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Niebler    

        

    Die ehrenamtliche Richterin Alex ist
gehindert, ihre Unterschrift beizufügen.
Koch    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. April 2008 - 11 Sa 522/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Beklagte betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Die Klägerin war seit 1994 bei ihm als Verkäuferin/Kassiererin tätig. Zuletzt erzielte sie bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden einen monatlichen Bruttoverdienst von 1.323,86 Euro. Arbeitsort der Klägerin war die Verkaufsstelle (Filiale) B. Außer ihr waren dort zwei weitere Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Ein Betriebsrat war für den Bezirk, dem die Verkaufstelle zugeordnet ist, nicht gewählt worden.

3

In der Filiale hing seit Jahren ein Plakat in Größe DIN-A3 aus, das einen Hinweis darauf enthielt, die Verkaufsstellen des Beklagten würden durch Detektive, Kameraanlagen und den Einsatz von Sicherheitsdiensten überwacht. Tatsächlich kam Überwachungstechnik, außer im Rahmen von kurzfristigen Detektiveinsätzen, nicht zum Einsatz. Im Zeitraum vom 17. bis 23. März 2007 ließ der Beklagte an der Decke über dem Kassenbereich eine Videokamera anbringen, mit deren Hilfe die Kassiervorgänge aufzeichnet wurden. Hierüber wurden die Klägerin und ihre Kolleginnen nicht gesondert unterrichtet.

4

Bei der Auswertung der Videoaufzeichnungen fiel der zuständigen Verkaufsleiterin auf, dass die Klägerin am 23. März 2007 nach Dienstschluss einen sog. Personaleinkauf getätigt hatte. Eine anschließende Überprüfung des den Einkauf dokumentierenden Kassenstreifens ergab, dass die Klägerin Waren - überwiegend Süßigkeiten - im Wert von etwas über 60,00 Euro erworben hatte. In Höhe von 36,00 Euro war der Kaufpreis mit insgesamt sieben „produktbezogenen Gutscheinen“, ua. für eine elektrische Zahnbürste und ein Windelpaket, verrechnet worden, obwohl die Klägerin solche Artikel nicht eingekauft hatte. Das entsprach nicht dem Verwendungszweck der Coupons. Produktbezogene Gutscheine (Rabatt-Coupons) sind an den jeweiligen Warenregalen angebracht, werden aber auch in Form von Gutscheinheften an Kunden ausgegeben. Sie dürfen, wie der Klägerin bekannt war, nur beim Erwerb der betreffenden Waren verrechnet werden.

5

Im Personalgespräch vom 2. April 2007 wurde der Klägerin unter Vorlage des Kassenstreifens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie räumte ein, dass sie die Gutscheine nicht habe einlösen dürfen. Dem Beklagten sei hierdurch aber kein Schaden entstanden.

6

Mit Schreiben vom 2. April 2007 kündigte die Verkaufsleiterin für den Beklagten das Arbeitsverhältnis „fristlos“ zum 3. April 2007.

7

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei schon mangels Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin, zumindest aber deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine Originalvollmacht beigelegen habe. Zudem liege kein Grund zur Kündigung vor. Bei ihrem Personaleinkauf habe es sich um ein außerdienstliches Verhalten gehandelt. Dem Beklagten sei kein Schaden entstanden, da er die Wertcoupons in jedem Fall bei den ausstellenden Firmen einreiche. Überdies dürften die aus der Videoüberwachung gewonnenen Erkenntnisse wegen Verstoßes gegen § 6b BDSG nicht verwertet werden. Das gelte auch für Tatsachen, von denen der Beklagte durch die unzulässige Videoüberwachung nur mittelbar Kenntnis erlangt habe.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 2. April 2007 nicht aufgelöst worden ist.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Verkaufsleiterin sei berechtigt und bevollmächtigt gewesen, die Kündigung zu erklären. Dies sei der Klägerin aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen bekannt gewesen. Die Kündigung sei gerechtfertigt. Die Klägerin habe sich grob pflichtwidrig verhalten und dadurch auf seine Kosten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil erlangt. Der damit einhergehende Vertrauensbruch schließe eine Weiterbeschäftigung aus. Die in der Filiale durchgeführte Videoüberwachung sei zulässig gewesen. In der Verkaufsstelle seien hohe Inventurdifferenzen aufgetreten, die auf Pflichtverletzungen der Mitarbeiterinnen hingedeutet hätten. Andere Möglichkeiten zur Aufklärung des Verdachts habe er - ohne Erfolg - ausgeschöpft. So seien durch Detektiveinsätze nur wenige Kundendiebstähle aufgedeckt worden. Bei Testeinkäufen hätten sich keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Im Übrigen komme es auf die Zulässigkeit der Überwachung nicht an, weil der Sachverhalt unstreitig sei. Beweisverwertungsverbote könnten insoweit keine Rolle spielen. Jedenfalls dürfe ihm nicht verwehrt werden, seinen Vortrag auf Erkenntnisse zu stützen, die er aus anderen Informationsquellen gewonnen habe.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 2. April 2007 zu dem in ihr bestimmten Termin aufgelöst worden.

12

I. Die Kündigung ist nicht wegen fehlender Kündigungsberechtigung der Verkaufsleiterin oder deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine auf diese lautende Originalvollmacht beigefügt gewesen wäre.

13

1. Wenn es tatsächlich an einer Bevollmächtigung als solche gefehlt haben sollte, wäre die Kündigung zwar grundsätzlich gemäß § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Bei einer Kündigung als einseitigem Rechtsgeschäft ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Die Klägerin hat die unter Vorlage der Kopie einer Vollmacht erklärte Kündigung jedoch nicht „bei der Vornahme“ beanstandet, sondern erstmals mit der Klageschrift vom 19. April 2007, die dem Beklagten am 25. April 2007 zugestellt wurde. Bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung waren seit Ausspruch der Kündigung mehr als zwei Wochen verstrichen. Gründe für ihr Zuwarten hat die Klägerin nicht benannt. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe die Rüge „bei Vornahme“ der Kündigung erhoben (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, ZIP 1986, 388). Dementsprechend war die Kündigung in entsprechender Anwendung von § 180 Satz 2, § 177 Abs. 1 BGB nur schwebend unwirksam und genehmigungsfähig(vgl. Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 37, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Eine solche Genehmigung hat der Beklagte jedenfalls konkludent dadurch erteilt, dass er im vorliegenden Rechtsstreit die Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin ausdrücklich behauptet und die Rechtmäßigkeit der Kündigung verteidigt hat (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, aaO).

14

2. Hat die Verkaufsleiterin Kündigungsvollmacht besessen, ist die Kündigung nicht gem. § 174 Satz 1 BGB unwirksam. Ihre Zurückweisung durch die Klägerin erfolgte nicht „unverzüglich“ iSd. § 174 Satz 1, § 121 Abs. 1 BGB.

15

II. Die Kündigung ist nicht nach § 626 BGB unwirksam. Der Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.

16

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 17, BAGE 118, 104).

17

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ein wichtiger Grund liege vor, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

18

a) Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht (bspw. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 25 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 184). Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 27, aaO; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, aaO).

19

b) Eine solche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung der Klägerin liegt nach dem unstreitigen Sachverhalt vor. Die Klägerin hat sich vorsätzlich auf Kosten des Beklagten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil verschafft. Damit hat sie ihre gegenüber dem Beklagten bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erheblich verletzt.

20

aa) Das Verhalten der Klägerin vom 23. März 2007 ist, was die Einlösung und Verrechnung von sieben produktbezogenen Gutscheinen im Wert von insgesamt 36,00 Euro anbelangt, vom Landesarbeitsgericht als unstreitig festgestellt. Dagegen hat die Klägerin Verfahrensrügen nicht erhoben. Ebenso wenig hat sie das Fehlen ihrer Berechtigung zur Einlösung der Gutscheine in Abrede gestellt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Beklagten sei durch das Verhalten der Klägerin ein Schaden entstanden, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte durfte die Gutscheine nur bei einem tatsächlichen Verkauf entsprechender Produkte an die betreffenden Lieferanten weiterreichen. Sollte sich der Schaden im Kündigungszeitpunkt noch nicht realisiert haben, wäre jedenfalls von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auszugehen.

21

bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ihr Fehlverhalten sei der Klägerin vorwerfbar, sie habe die Vermögensschädigung des Beklagten vorsätzlich herbeigeführt, ist nicht zu beanstanden. Diese Wertung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO. Das Revisionsgericht kann bezüglich der Feststellung innerer Tatsachen nur prüfen, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und Denkgesetze, Erfahrungssätze sowie Verfahrensvorschriften nicht verletzt hat (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 27 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Solche Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass ihr die Voraussetzungen für eine berechtigte Einlösung produktbezogener Gutscheine bekannt waren. Soweit sie der Annahme des Berufungsgerichts, bei einer unberechtigten Einlösung von sieben produktbezogenen Gutscheinen sei ein Versehen auszuschließen, gleichwohl entgegentritt, wird nicht deutlich, worauf ihre Rüge zielt. Sollte sie darauf abstellen, das Landesarbeitsgericht hätte ihr Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens geben müssen, fehlt es an Darlegungen, welchen weiteren, entscheidungserheblichen Sachvortrag sie daraufhin gehalten hätte. Soweit die Klägerin vorgebracht hat, sie habe jedenfalls nicht den Beklagten selbst schädigen wollen, übersieht sie, dass ihrer Pflichtverletzung auch dann erhebliches Gewicht zukommt, wenn sie darauf vertraut haben sollte, ein Schaden würde letztlich nicht beim Beklagten, sondern nach Weiterreichung der Gutscheine bei einem Dritten - dem betreffenden Lieferanten - eintreten. Dass auch dies nicht im Interesse des Beklagten liegen konnte, war für sie ohne Weiteres erkennbar.

22

cc) Der Annahme einer schwerwiegenden Pflichtverletzung steht nicht entgegen, dass es sich um einen privaten, außerhalb der Arbeitszeit liegenden Einkauf handelte. Die Klägerin war auch insoweit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Beklagten Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Die Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme kann den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen, wenn das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Davon ist typischerweise auszugehen, wenn der Arbeitnehmer - wie hier die Klägerin - in seiner Freizeit in Bereicherungsabsicht das dem Unternehmen zuzurechnende Vermögen des Arbeitgebers unmittelbar vorsätzlich schädigt oder doch gefährdet (vgl. Senat 20. September 1984 - 2 AZR 633/82 - zu I 4 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 80 = EzA BGB § 626 nF Nr. 91).

23

c) Die außerordentliche Kündigung ist auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Streitfalls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gerechtfertigt.

24

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 32 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

25

bb) Dem wird die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts gerecht.

26

(1) Eine Abmahnung war nach den Umständen des Falls entbehrlich. Zur Klarstellung der vertraglichen Pflichten bedurfte es ihrer nicht. Die Vertragsverletzung war für die Klägerin erkennbar. Eine Abmahnung war auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlich. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Verhalten der Klägerin habe das Vertrauen des Beklagten in eine künftig ordnungsgemäße Vertragserfüllung nachhaltig beeinträchtigt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat die Gutscheine in Bereicherungsabsicht zweckwidrig verwendet. Die Vermögensschädigung des Beklagten lag auf der Hand. Das Gewicht der Pflichtverletzung wird noch dadurch verstärkt, dass die Klägerin bewusst gegen Vorgaben verstoßen hat, zu deren Beachtung sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kassiererin verpflichtet war. Dass sie den Einkauf bei einer Kollegin abgewickelt hat, spricht nicht gegen ein mangelndes Unrechtsbewusstsein. Die Klägerin konnte offensichtlich auf deren Verschwiegenheit vertrauen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die - gleichfalls entlassene - Kollegin die Einlösung der Wertcoupons nicht verweigert und das Verhalten der Klägerin zunächst keine Beanstandungen ausgelöst hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin die geringen Überwachungsmöglichkeiten des Beklagten und die enge Verbundenheit der Mitarbeiterinnen der Filiale ausgenutzt hat. Bei einem solchen, insgesamt auf Heimlichkeit angelegten Verhalten ist dem Beklagten - für die Klägerin erkennbar - die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, und sei es nach Erteilung einer Abmahnung, nicht zuzumuten.

27

(2) Die fristlose Kündigung ist auch unter Einbeziehung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt. Dem Beklagten war selbst die Einhaltung der - fünfmonatigen - Kündigungsfrist unzumutbar. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang alle weiteren Gesichtspunkte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Insbesondere hat es der Klägerin ihre langjährige Betriebszugehörigkeit zugute gehalten. Dass es gleichwohl und trotz der Erstmaligkeit des Vorfalls von einem überwiegenden Interesse des Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen ist, ist unter Beachtung des Gewichts der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Stellung der Klägerin als Verkäuferin und Kassiererin und der Tatsache, dass bei ihrer Tätigkeit häufig keine anderen Arbeitnehmer zugegen sind, nicht rechtsfehlerhaft.

28

d) Der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung steht nicht entgegen, dass der Beklagte durch Auswertung einer Videoaufnahme vom Verhalten der Klägerin Kenntnis erlangt hat. Ob § 6b BDSG durch die Beobachtung des Kassenbereichs einschließlich seiner Umgebung verletzt wurde oder die Videoaufzeichnung aus anderen Gründen rechtswidrig war, kann offen bleiben.

29

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 30 mwN, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20) führt der Umstand, dass eine Partei die Kenntnis der von ihr behaupteten Tatsachen auf rechtswidrige Weise erlangt hat, nicht notwendig zu einem Verbot von deren prozessualer Verwertung. Falls die betreffenden Tatsachen von der Gegenseite nicht bestritten werden, also unstreitig geworden sind, besteht ein solches Verbot nur, wenn der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm einer gerichtlichen Verwertung der Information zwecks Vermeidung eines Eingriffs in höherrangige Rechtspositionen dieser Partei zwingend entgegensteht.

30

(1) Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren gelten wie im Zivilprozess die Dispositionsmaxime und der Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz. Das Gericht darf nur die von den Parteien vorgebrachten Tatsachen verwerten (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20). Umgekehrt ist es zugleich an den Vortrag der Parteien und einen ihm unterbreiteten, entscheidungserheblichen Sachverhalt gebunden. Der Vortrag einer Partei kann nicht ohne gesetzliche Grundlagen (wie zB die Präklusionsvorschriften) unbeachtet und „unverwertet“ bleiben. Ordnungsgemäß in den Prozess eingeführten Sachvortrag muss das Gericht berücksichtigen. Das Zivilprozessrecht kennt grundsätzlich kein Verbot der „Verwertung” von Sachvortrag. Der beigebrachte Tatsachenstoff ist entweder unschlüssig oder unbewiesen, ist aber nicht „unverwertbar”. Dies gilt zumal dann, wenn der Sachverhalt unstreitig ist. Das Gericht ist an ein Nichtbestreiten (wie an ein Geständnis) grundsätzlich gebunden. Es darf für unbestrittene Tatsachen keinen Beweis verlangen und erheben (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Ein „Verwertungsverbot” würde den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG einschränken. Dieser verpflichtet das Gericht, erheblichen Vortrag einer Partei zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 25, aaO).

31

(2) Dennoch kann rechtswidriges Verhalten einer Prozesspartei bei der Informationsgewinnung zu einem Verwertungsverbot führen. Das ist der Fall, wenn eine solche Sanktion unter Beachtung des Schutzzwecks der verletzten Norm zwingend geboten erscheint. In einem gerichtlichen Verfahren ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Gericht den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber tritt. Es ist bei der Urteilsfindung nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt seine Pflicht zu einer fairen Handhabung des Prozess- und Beweisrechts (vgl. BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Daraus folgt für den Zivilprozess zwar nicht, dass jede unzulässig erlangte Information prozessual unverwertbar wäre (Senat 15. August 2002 - 2 AZR 214/01 - zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 102, 190; BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 22, BGHZ 166, 283). Sie ist es im Einzelfall aber dann, wenn mit ihrer gerichtlichen Verwertung ein erneuter Eingriff in rechtlich geschützte, hochrangige Positionen der anderen Prozesspartei oder die Perpetuierung eines solchen Eingriffs verbunden wäre, und dies auch durch schutzwürdige Interessen der Gegenseite - hier des Beklagten - nicht gerechtfertigt werden könnte (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

32

bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, unstreitiger Sachvortrag, selbst wenn unter Verletzung von Grundrechten gewonnen sei, sei stets und uneingeschränkt prozessual verwertbar, weil die belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens gehabt habe (in diesem Sinne auch HWK/Lembke 4. Aufl. BDSG Vorb. Rn. 112; Grimm/ Schiefer RdA 2009, 329, 342; Heinemann MDR 2001, 137, 141 f.), überzeugt nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob der Partei, die sich der Behauptung objektiv zutreffender Tatsachen durch ihren Prozessgegner ausgesetzt sieht, in Ansehung der prozessualen Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) einschränkungslos ein „Recht zur Lüge“ zusteht (dies befürwortend Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 138 Rn. 3; Heinemann MDR 2001, 137, 142). Jedenfalls kann sie nicht umgekehrt sogar verpflichtet sein, wider besseres Wissen richtigen Vortrag zu bestreiten und sich in Fällen, in denen einfaches Bestreiten nicht ausreicht, mit einem bewusst falschen Gegenvorbringen zu belasten (vgl. Lunk NZA 2009, 457, 459). Sie trüge mit Blick auf mögliche Zweifel an der Zulässigkeit ihres Bestreitens das Risiko, dem Vorwurf zumindest des Versuchs eines Prozessbetrugs ausgesetzt zu sein. Dass kann die Rechtsordnung einer Partei nicht abverlangen. Hat eine Partei den Tatsachenvortrag der Gegenseite nicht bestritten, ist ihr die Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit der ihm zugrundeliegenden Informationsbeschaffung zu berufen, nur dann genommen, wenn in ihrem Nichtbestreiten zugleich die Einwilligung in eine prozessuale Verwertung der fraglichen Tatsachen liegt. Dann wiederum stellt sich die Frage nach einem Verwertungsverbot nicht (vgl. MünchKommZPO/Prütting 3. Aufl. § 284 Rn. 75; Helle JZ 2004, 340, 345; Maties, NJW 2008, 2219; Schreiber ZZP 122, 227, 230).

33

cc) Danach besteht im Streitfall kein Verwertungsverbot.

34

(1) Allerdings hat die Klägerin in eine Verwertung der durch die Videoaufzeichnung erlangten Informationen nicht eingewilligt. Sie hat zwar das Geschehen vom 23. März 2007 teils durch bejahende Erklärung eingeräumt, teils dadurch zugestanden, dass sie den substantiierten Ausführungen des Beklagten nicht mit konkretem Tatsachenvortrag entgegen getreten ist (§ 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Sie hat aber zugleich geltend gemacht, dem Beklagten sei es verwehrt, „die verbotenen Früchte“ der Videoüberwachung „zu ernten“. Damit hat sie deren Verwertung offensichtlich widersprochen.

35

(2) Die Verwertung der unstreitigen Tatsachen erweist sich auf der Grundlage der anzustellenden Güterabwägung dennoch als zulässig. Ein möglicher, durch Berücksichtigung des Sachvortrags des Beklagten perpetuierter rechtswidriger Eingriff in rechtlich geschützte Positionen der Klägerin wiegt nicht so schwer, dass der Anspruch des Beklagten, mit seinem unstreitigen Vorbringen Gehör zu finden, zurücktreten müsste. Der Schutz des Arbeitnehmers vor einer - unterstellt - rechtswidrigen Videoüberwachung verlangt nicht, auch solche unstreitigen Tatsachen außer Acht zu lassen, die dem Arbeitgeber nicht nur durch die Videoaufzeichnung, sondern ohne Rechtsverstoß auch aus einer anderen Informationsquelle bekannt geworden sind.

36

(a) Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte, auch im Privatrechtsverkehr zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers - hier in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild - ist nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers können durch Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob es den Vorrang verdient (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 3 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20 mwN).

37

(b) Im Rahmen dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Grundgesetz einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung beimisst. Auch im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines Privatrechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte gehalten, den von den Parteien in den Prozess eingeführten Vortrag und ggf. die angebotenen Beweismittel zu berücksichtigen. Diese Belange können als Bestandteil der verfassungsgemäßen Ordnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränken (vgl. BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - BVerfGE 106, 28; BAG 23. April 2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 35, BAGE 130, 347; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

38

(c) Zwar gehen das Interesse an einer funktionsfähigen Zivilrechtspflege und materiell richtigen Entscheidungen und verbunden damit das Bestreben des Gläubigers, sich Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht etwa stets vor (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 f., BVerfGE 117, 202; 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a aa und bb der Gründe, BVerfGE 106, 28). Im Streitfall treten aber Aspekte hinzu, die die Berücksichtigung der gewonnenen Informationen zulassen.

39

(aa) Der Sachvortrag des Beklagten stützt sich vornehmlich auf die Auswertung des Kassenstreifens vom 23. März 2007 und auf Erklärungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Die Zulässigkeit der Erhebung und Verwertung der Kassendaten als solche steht dabei nicht in Frage. Zwar ist der Beklagte erst durch die Videoaufzeichnung auf diese zusätzliche Informationsquelle „gestoßen“. Dennoch bedurfte es für sein Vorbringen keines Rückgriffs auf die Videoaufzeichnung selbst.

40

(bb) Damit ist die Frage angesprochen, ob ein als solches zulässiges Erkenntnis- und Beweismittel einem prozessualen Verwertungsverbot unterliegen kann, wenn es seinerseits ohne eine weitere, zuvor rechtswidrig gewonnene Information nicht hätte erlangt werden können (vgl. BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 18 f., BGHZ 166, 283; für den Strafprozess: BGH 24. August 1983 - 3 StR 136/83 - BGHSt 32, 68; 18. April 1980 - 2 StR 731/79 - BGHSt 29, 244). Die Problematik bedarf keiner umfassenden Erörterung. Im Streitfall geht es nicht um Erkenntnisse, die der Beklagte tatsächlich nur durch die möglicherweise rechtswidrige Videoüberwachung hat gewinnen können. Sie waren ihm unabhängig davon zugänglich. Die Auswertung des Kassenstreifens und die Befragung der Klägerin und ihrer Kollegin waren auch ohne technische Überwachung möglich, zumal nach eigenem Vortrag der Klägerin Einkäufe von Mitarbeitern mit deren Einverständnis in den Tagesunterlagen besonders vermerkt werden. Damit kommt einer möglichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin kein solches Gewicht zu, dass unter Berücksichtigung des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs ein Außerachtlassen der letztlich erst aus dem Kassenstreifen gewonnenen Erkenntnisse gerechtfertigt wäre. Gleiches gilt für die Einlassungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen ohnehin auf den fraglichen Kassenauszug gestoßen wäre (zu diesem Aspekt Schreiber ZZP 122, 227, 235; Gemmeke Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren S. 214 f.). Vielmehr kann einer Prozesspartei die Möglichkeit, für sie günstige Tatsachen mit rechtlich unbedenklichen Mitteln nachzuweisen, nicht deshalb versagt werden, weil sie das Wissen von der Geeignetheit eines solchen Mittels auf rechtswidrige Weise erlangt hat (zur Begrenzung der Fernwirkung von Verwertungsverboten vgl. auch BVerfG 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1686/04 - zu 2 b der Gründe, BVerfGK 7, 61). Das gilt im Streitfall umso mehr, als es um den Nachweis eines schwerwiegenden Vertrauensbruchs geht.

41

III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

    Sieg    

        

    Baerbaum    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2015 - 7 Sa 1078/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels. Die Klägerin war bei ihr seit November 1998, zuletzt als stellvertretende Filialleiterin, beschäftigt. Sie war überwiegend als Kassiererin eingesetzt.

3

Die Beklagte stellte im Oktober 2013 für die Beschäftigungsfiliale der Klägerin einen Inventurverlust in den Warengruppen Tabak/Zigaretten und „Nonfood“ in Höhe von mehr als des Zehnfachen im Verhältnis zur vorausgegangenen Inventur fest. Die Ergebnisse von daraufhin durchgeführten Recherchen ließen aus ihrer Sicht nur den Schluss zu, dass der Verlust vom Personal zu verantworten sei. Weitere Kontroll- und Revisionsmaßnahmen sowie die Überprüfung der Mitarbeiter durch Taschenkontrollen führten nicht zur Aufklärung.

4

Die Beklagte beantragte daraufhin beim Betriebsrat die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung im Kassenbereich im Zeitraum vom 15. bis 29. Dezember 2013 zum Zwecke der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“. Als „Grund“ gab sie „Diebstahl Zigaretten/NF“ an, wobei sich die Videoüberwachung gegen die Mitarbeiterinnen D und M richten solle. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Videoüberwachung zu.

5

Die Filiale wurde unabhängig davon auch insgesamt offen videoüberwacht. An ihren Zugängen befanden sich entsprechende Hinweisschilder.

6

Einer Videosequenz der verdeckten Überwachung des Kassenbereichs vom 18. Dezember 2013 war zu entnehmen, dass die Klägerin eine dort befindliche „Musterpfandflasche“ über den Scanner gezogen, eine Leergutregistrierung durchgeführt, die Kassenlade geöffnet und Geld aus der Kassenlade genommen hatte, welches sie zunächst im Kassenbereich abgelegt und zu einem späteren Zeitpunkt in ihre Tasche gesteckt hatte. Der von ihr erstellte Kassenbon wies eine Pfandbarauszahlung iHv. 3,25 Euro für 13 Pfandflaschen bzw. -dosen aus.

7

Während eines am 20. Januar 2014 geführten Anhörungsgesprächs wurde der Klägerin die Videosequenz vorgespielt. Ihre Reaktion hierauf und der genaue Inhalt des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig geblieben.

8

Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachts-/bzw. Tatkündigung an. Der Betriebsrat stimmte den beabsichtigten Kündigungen am 23. Januar 2014 zu.

9

Mit Schreiben vom gleichen Tag kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Kündigungstermin.

10

Dagegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Ein Grund für die außerordentliche oder die ordentliche Kündigung liege nicht vor. Sie habe am fraglichen Tag bereits beim Betreten der Filiale kurz vor 10:00 Uhr Leergut in die Pfandbox eingeworfen. Darauf habe sich der Vorgang gegen Mittag desselben Tages bezogen, als sie die Musterpfandflasche eingescannt und das Pfandgeld entnommen habe. Die Beklagte habe überdies die Frist zur Erklärung der außerordentlichen Kündigung gem. § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 beendet wird;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als stellvertretende Filialleiterin weiter zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe einen regulären Kassiervorgang manipuliert, um sich auf diese Weise persönlich zu bereichern.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 sei wirksam.

15

I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es liege ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16

1. Die Manipulation eines Kassenvorgangs zum Zweck, sich selbst auf Kosten des Arbeitgebers zu bereichern, ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Verschafft sich ein Arbeitnehmer vorsätzlich auf Kosten des Arbeitgebers einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil, verletzt er erheblich seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB). Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen daher typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 13 und 15, BAGE 145, 278; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

17

2. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Interessenabwägung ohne Rechtsfehler angenommen, die langjährige unbeanstandete Beschäftigung der Klägerin in der Vergangenheit vermöge den eingetretenen Vertrauensverlust im Ergebnis nicht aufzuwiegen. Dabei hat es in seine Würdigung auch einbezogen, dass der Schaden mit 3,25 Euro relativ gering sei. Es hat jedoch zutreffend zu Lasten der Klägerin berücksichtigt, dass sie sich nach seinen Feststellungen bewusst, heimlich und durch eine gezielte Manipulation der Kassenvorgänge auf Kosten der Beklagten bereichert habe. Der dadurch bewirkte Vertrauensbruch wiegt bei einer stellvertretenden Filialleiterin und Kassiererin besonders schwer. Die Beklagte muss bei einer Arbeitnehmerin in dieser Position von uneingeschränkter Vertrauenswürdigkeit bei der Tätigkeit, insbesondere bei der Bedienung der Kasse, ausgehen können.

18

3. Das Landesarbeitsgericht hat es zu Recht als unerheblich angesehen, dass die Klägerin nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils von der Beklagten in ihrer bisherigen Tätigkeit weiterbeschäftigt worden ist. Zum einen kommt es für die Wirksamkeit der Kündigung auf die Umstände im Zeitpunkt ihres Zugangs an (vgl. BAG 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, BAGE 149, 367). Zum anderen ist allein maßgeblich, ob zu diesem Zeitpunkt Tatsachen gegeben waren, die es dem Arbeitgeber objektiv unzumutbar machten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 29; für die ordentliche Kündigung vgl. BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 34). Hierauf hat es keinen Einfluss, wenn die Beklagte der Klägerin mehr als acht Monate nach der Kündigung eine Prozessbeschäftigung angeboten hat. Im Übrigen hat sie das Angebot erst unterbreitet, nachdem sie erstinstanzlich zur Weiterbeschäftigung der Klägerin zu unveränderten Bedingungen verurteilt worden war. Daraus lässt sich, selbst wenn unmittelbar noch keine Zwangsvollstreckung gedroht haben sollte, nicht einmal schließen, sie habe eine Weiterbeschäftigung subjektiv wieder für zumutbar gehalten.

19

II. Das Landesarbeitsgericht war nicht wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs der Beklagten in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin sowie ihr Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 zutage getretene Verhalten der Klägerin zugrunde zu legen, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei seiner Würdigung zu berücksichtigen.

20

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

21

a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung(§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 43, BAGE 146, 303; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 30). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 20, BAGE 145, 278; vgl. auch BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; MüKoZPO/Prütting 5. Aufl. § 284 Rn. 66). Dies gilt ebenso für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot.

22

b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind(vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (ebenso Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 137; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 190, 193; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 339; vgl. auch Lunk NZA 2009, 457, 459). Das bestätigt auch ein Umkehrschluss aus § 1 Abs. 4 BDSG. Nach dieser Bestimmung gehen die Vorschriften des Gesetzes (lediglich) denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes „bei der Ermittlung des Sachverhalts“ vor.

23

c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist (ebenso Schreiber ZZP 2009, 227, 229). Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 44, BAGE 146, 303; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 21, BAGE 145, 278). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276). Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

24

d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 49, BAGE 146, 303). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29, BAGE 142, 176; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe).

25

e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 29; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 34 ff.; ähnlich OLG Karlsruhe 25. Februar 2000 - 10 U 221/99 - zu II 3 b der Gründe; aA Ahrens Der Beweis im Zivilprozess Kapitel 6 Rn. 29). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen(vgl. Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im einzelnen BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft. Hat das Gericht Anhaltspunkte dafür, dass für den Rechtsstreit relevante Erkenntnisse unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei gewonnen wurden, muss es daher prüfen, ob es das Vorbringen, selbst wenn es unbestritten bleibt, bei der Feststellung des Tatbestands berücksichtigen darf. Hiervon besteht nur eine Ausnahme, wenn die Partei auf die Geltendmachung der Rechtsverletzung wirksam verzichtet hat.

26

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitig gebliebenen Sachvortrag der Beklagten über das aus den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 ersichtliche Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der erstellten Pfandbuchung zugrunde zu legen. Ebenso wenig bestand ein Verbot, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei der Würdigung zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht hat dadurch keine Grundrechtsverletzung perpetuiert oder vertieft. Zwar griff die verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. Der Eingriff war aber aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten gerechtfertigt. Die Beklagte hat auch nicht dadurch, dass sie die in Auswertung des Materials gewonnenen Erkenntnisse zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien verwendete, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Einer näheren Erörterung, ob anderenfalls nicht nur ein Beweis-, sondern auch ein Sachvortragsverwertungsverbot bestanden hätte, bedarf es daher nicht.

27

a) Die Beklagte hat durch die Veranlassung der Videoaufzeichnungen, aus denen das Verhalten der Klägerin am 18. Dezember 2013 ersichtlich wurde, nicht unrechtmäßig in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen.

28

aa) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 50, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30, BAGE 142, 176; grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, aaO).

29

bb) Danach hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die von der Beklagten veranlasste verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs sei in Anbetracht der Inventurdifferenzen, der anderweitig durchgeführten, aber erfolglos gebliebenen Aufklärungsmaßnahmen und des gegenüber zwei Mitarbeiterinnen konkretisierten Diebstahlsverdachts gerechtfertigt gewesen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

30

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein anderes, milderes Mittel zur Aufklärung des fraglichen Verdachts habe nicht mehr zur Verfügung gestanden. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch die Klägerin hat einen solchen nicht aufgezeigt. Der ihres Erachtens gegebene Widerspruch zu dem Umstand, dass sie nicht zu dem Kreis der Verdächtigen gehört habe, besteht nicht. Eine verdeckte Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten darf nicht nur dann erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass von ihr ausschließlich Arbeitnehmer betroffen sind, hinsichtlich derer es bereits einen konkretisierten Verdacht gibt. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Soweit der Wortlaut der Bestimmung ein anderes Verständnis nahelegen könnte, ist er „verunglückt“. Die Regelung sollte - wie ausgeführt - die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern. Die Bestimmung orientiert sich vielmehr inhaltlich an den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht ua. in seinem Urteil vom 27. März 2003 (- 2 AZR 51/02 - BAGE 105, 356) zur verdeckten Überwachung von Beschäftigten aufgestellt hat (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Danach muss zwar der Kreis der Verdächtigen möglichst eingegrenzt sein, es ist aber nicht zwingend notwendig, dass eine Überwachungsmaßnahme in der Weise beschränkt werden kann, dass von ihr ausschließlich Personen erfasst werden, bezüglich derer bereits ein konkretisierter Verdacht besteht. Die Klägerin hat auch nicht etwa gerügt, das Landesarbeitsgericht habe tatsächliches Vorbringen übergangen, aus dem sich ergeben hätte, dass es ebenso gut möglich gewesen wäre, die Überwachung des Kassenbereichs ausschließlich bezogen auf die des Diebstahls verdächtigten Mitarbeiterinnen durchzuführen.

31

(2) Der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachungsmaßnahme steht damit nicht entgegen, dass sie in Bezug auf die Klägerin anlasslos war. Gab es kein milderes Mittel zur Aufklärung des bestehenden Diebstahlsverdachts gegen andere Mitarbeiterinnen als die konkret durchgeführte Überwachung, war der Eingriff - auch - in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin gerechtfertigt. Eine Dokumentation des Verdachts verlangt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ebenfalls lediglich insoweit, wie eine Maßnahme „zur“ Aufdeckung von Straftaten erfolgt.

32

cc) Aus § 6b Abs. 1 BDSG ergeben sich mit Blick darauf, dass zu den öffentlich zugänglichen Räumen im Sinne der Bestimmung auch öffentlich zugängliche Verkaufsräume gehören(BT-Drs. 14/4329 S. 38), keine weitergehenden Anforderungen. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob nicht bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz die Zulässigkeit der Maßnahme gem. § 32 BDSG als nach § 4 Abs. 1 BDSG erforderlicher Erlaubnistatbestand ohnehin ausreicht.

33

(1) Gemäß § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zulässig, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

34

(2) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG stellt seit Inkrafttreten der Bestimmung zumindest eine Konkretisierung dieses Tatbestands dar. Das berechtigte Interesse iSd. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist in diesem Fall die Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten. Sind die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gegeben, ist die Maßnahme jedenfalls im Verhältnis zu den von ihr betroffenen Arbeitnehmern auch nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig. Das Gebot der Kenntlichmachung gem. § 6b Abs. 2 BDSG ist insofern keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 51, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 41, BAGE 142, 176; Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 110; Bauer/Schansker NJW 2012, 3537; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; wohl auch Bayreuther DB 2012, 2222 ff.). Im Übrigen war hier auf die ohnehin bestehende offene Videoüberwachung der Filiale bereits durch entsprechende Hinweisschilder an den Eingängen hingewiesen.

35

b) Die Beklagte hat auch durch die weitere Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Videoaufzeichnungen nicht deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt.

36

aa) Die Verarbeitung - dh. hier insbesondere die Aufbewahrung zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) - und Nutzung der Daten war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.

37

(1) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

38

(2) Dies war hier der Fall. Die Aufzeichnungen begründeten zumindest den Verdacht, dass die Klägerin zu Lasten der Beklagten eine Unterschlagung begangen hatte. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen der Klägerin standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Insbesondere hatte die Beklagte die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin erlangt. Sie waren vielmehr - wie ausgeführt - im Rahmen einer zulässigen Videoüberwachung angefallen (zu diesem Erfordernis BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 56, BAGE 146, 303; Bayreuther Anm. zu AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 53 zu IV 1 b). Das zutage getretene Verhalten der Klägerin rechtfertigte auch die weitere Speicherung und Nutzung des Materials. Danach war nicht ausgeschlossen, dass sich die Klägerin unter Herstellung einer manipulierten Pfandbuchung bewusst auf Kosten der Beklagten bereichert und damit eine erhebliche Pflichtverletzung begangen hatte (zum Erfordernis der hinreichenden Gewichtigkeit des Verhaltensverstoßes ebenfalls BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; Bayreuther aaO).

39

(3) Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber alle anderen zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen auch bezüglich des zufällig aufgedeckten Fehlverhaltens bereits ausgeschöpft hatte (aA Eylert NZA-Beilage 2015, 100, 107). Dies ist, wenn es noch keinen entsprechenden Verdacht gab, weder möglich noch geboten. Eine Videoüberwachung muss zwar, um rechtmäßig zu sein, auch in der Art ihrer Durchführung ultima ratio zur Aufklärung des ihr zugrunde liegenden Verdachts sein. Ist dies aber der Fall, sind durch sie unvermeidbare Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte mitbetroffener Arbeitnehmer ebenfalls durch den Aufklärungszweck gerechtfertigt.

40

bb) Eine Unzulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen folgt nicht aus § 6b Abs. 3 BDSG.

41

(1) Nach Satz 1 der Bestimmung ist die Verarbeitung oder Nutzung von nach § 6b Abs. 1 BDSG erhobenen Daten zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Für einen anderen Zweck dürfen sie gem. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

42

(2) Eine weitere Speicherung und Verwendung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen wäre demnach möglich gewesen, wenn sie sich iSv. § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG im Rahmen des verfolgten Zwecks gehalten hätte oder - außerhalb des ursprünglich verfolgten Zwecks - zur „Verfolgung von Straftaten“ iSd. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG erfolgt wäre. Insofern käme es also darauf an, auf welche ursprüngliche Zwecksetzung abzustellen wäre: den ausweislich der Verfahrensmeldung nach § 4g BDSG festgelegten Beobachtungszweck der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“ oder den engeren, dem Betriebsrat genannten konkreten „Grund“ für den Kameraeinsatz, nämlich den Diebstahlsverdacht im Bereich Zigaretten/„NF“. Wäre für § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG die engere Zwecksetzung maßgeblich, setzte eine Rechtfertigung nach Satz 2 der Bestimmung voraus, dass zur „Verfolgung von Straftaten“ auch die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen aufgrund einer Straftat zählte(in diesem Sinne Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 29; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 340; aA wohl Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 124; in Art. 7 Buchst. f der - gem. EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f. eine Vollharmonisierung bewirkenden - Richtlinie 95/46/EG ist dagegen keinerlei explizites Zweckänderungsverbot enthalten).

43

(3) Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung. Die Regelung des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG stellt auch für die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten eines Beschäftigten, die der Arbeitgeber durch eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume erlangt hat, eine eigenständige, von den Voraussetzungen nach § 6b Abs. 3 BDSG unabhängige Erlaubnisnorm dar(offen gelassen BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 48, BAGE 146, 303; den „Datenschutz-Wirrwarr“ beklagen Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 3; unklar Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 50 f., 147; aA Jerchel/Schubert DuD 2015, 151, 152; Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 122; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 79). Ist danach eine bestimmte Datenverarbeitung oder -nutzung rechtmäßig, kommt es im Verhältnis zu den davon betroffenen Arbeitnehmern nicht darauf an, ob auch die Anforderungen gem. § 6b Abs. 3 BDSG erfüllt sind. Die Bestimmung schließt eine eigenständige Rechtfertigung der Datenverarbeitung nach § 32 BDSG vielmehr nicht aus(ebenso ErfK/Franzen 16. Aufl. § 6b BDSG Rn. 2). Diese Vorschrift dient speziell dem Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern in Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz (BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Dagegen soll § 6b BDSG - unabhängig von den aufgrund der engeren schuldrechtlichen Bindungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses bestehenden Interessen - den Schutz der Allgemeinheit vor einem Ausufern der Videoüberwachung im öffentlichen Raum gewährleisten(zum Ziel einer restriktiveren Verwendungspraxis Bericht und Beschlussempfehlung des Innenausschusses, BT-Drs. 14/5793 S. 61). Für die Eigenständigkeit der Erlaubnistatbestände des § 32 BDSG spricht auch, dass die Videoüberwachung nicht öffentlich zugänglicher (Arbeits-)Räume im BDSG nicht gesondert geregelt ist. Ihre Zulässigkeit richtet sich daher, soweit Arbeitnehmer betroffen sind, unzweifelhaft allein nach § 32 BDSG(ebenso Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 80). Es erschiene aber wenig plausibel, wenn bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz von Arbeitnehmern, die in öffentlich zugänglichen Räumen arbeiten, andere Maßstäbe gelten sollten als für Arbeitnehmer, die dies nicht tun.

44

III. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, ein Verwertungsverbot habe auch dann nicht bestanden, wenn der Betriebsrat bei der Auswertung der Videosequenz nicht beteiligt gewesen sein sollte. Selbst wenn die Videoüberwachung gänzlich ohne seine Mitbestimmung erfolgt wäre, er aber - wie hier - einer auf die erlangten Erkenntnisse gestützten Kündigung zugestimmt hat, verlangte die Missachtung seines Mitbestimmungsrechts dies nicht (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 105, 356). Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und § 77 BetrVG gebietet ein solches Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht, wenn die Verwertung der Information bzw. des Beweismittels nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 33; Lunk NZA 2009, 457, 463; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341 f.). Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Es geht um einen kollektiv-rechtlich vermittelten Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Soweit der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer betroffen ist, sind die Schutzzwecke der Norm und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO).

45

IV. Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Danach stand zu seiner Überzeugung fest, dass die Klägerin entgegen ihrer Behauptung keinen dem aus der Kasse entnommenen Geldbetrag entsprechenden Gegenwert in Form von Pfandflaschen oder -dosen in die Leergutbox eingeworfen hatte. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.

46

V. Entsprechendes gilt für die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Es hat angenommen, die Auswertung der Videoaufzeichnungen des Kassenbereichs habe beginnend mit dem 30. Dezember 2013 drei Wochen gebraucht, sodann habe am 20. Januar 2014 das Anhörungsgespräch mit der Klägerin stattgefunden. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin war dieser das Kündigungsschreiben vom 23. Januar 2014 am Folgetag und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 626 Abs. 2 BGB zugegangen.

47

VI. Das Landesarbeitsgericht hat - wenn auch ohne nähere Prüfung - zu Recht angenommen, der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört worden. Die Beklagte hatte ihn mit Anhörungsschreiben vom 22. Januar 2014 darüber informiert, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich fristlos, vorsorglich fristgerecht zu kündigen. Sie hat ihm die Kündigungsgründe in der in der Anlage beigefügten Begründung im Einzelnen mitgeteilt. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob sie darin die Warenbereiche zutreffend bezeichnet hatte, in denen sie zuvor Inventurdifferenzen festgestellt hatte. Zur nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erforderlichen Mitteilung der Kündigungsgründe gehört nicht die Information über die die Verwertbarkeit erlangter Informationen oder Beweismittel begründenden Umstände. Überdies war dem Betriebsrat aufgrund der von ihm erteilten Zustimmung zur verdeckten Videoüberwachung des Kassenbereichs bekannt, welche Inventurdifferenzen die Beklagte festgestellt hatte. Die Beklagte hat die Kündigung auch erst nach der Zustimmung des Betriebsrats am 23. Januar 2013 erklärt.

48

VII. Der als unechter Hilfsantrag nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte Antrag der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

49

VIII. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Koch    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Niebler    

        

    Die ehrenamtliche Richterin Alex ist
gehindert, ihre Unterschrift beizufügen.
Koch    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. April 2008 - 11 Sa 522/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Beklagte betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Die Klägerin war seit 1994 bei ihm als Verkäuferin/Kassiererin tätig. Zuletzt erzielte sie bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden einen monatlichen Bruttoverdienst von 1.323,86 Euro. Arbeitsort der Klägerin war die Verkaufsstelle (Filiale) B. Außer ihr waren dort zwei weitere Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Ein Betriebsrat war für den Bezirk, dem die Verkaufstelle zugeordnet ist, nicht gewählt worden.

3

In der Filiale hing seit Jahren ein Plakat in Größe DIN-A3 aus, das einen Hinweis darauf enthielt, die Verkaufsstellen des Beklagten würden durch Detektive, Kameraanlagen und den Einsatz von Sicherheitsdiensten überwacht. Tatsächlich kam Überwachungstechnik, außer im Rahmen von kurzfristigen Detektiveinsätzen, nicht zum Einsatz. Im Zeitraum vom 17. bis 23. März 2007 ließ der Beklagte an der Decke über dem Kassenbereich eine Videokamera anbringen, mit deren Hilfe die Kassiervorgänge aufzeichnet wurden. Hierüber wurden die Klägerin und ihre Kolleginnen nicht gesondert unterrichtet.

4

Bei der Auswertung der Videoaufzeichnungen fiel der zuständigen Verkaufsleiterin auf, dass die Klägerin am 23. März 2007 nach Dienstschluss einen sog. Personaleinkauf getätigt hatte. Eine anschließende Überprüfung des den Einkauf dokumentierenden Kassenstreifens ergab, dass die Klägerin Waren - überwiegend Süßigkeiten - im Wert von etwas über 60,00 Euro erworben hatte. In Höhe von 36,00 Euro war der Kaufpreis mit insgesamt sieben „produktbezogenen Gutscheinen“, ua. für eine elektrische Zahnbürste und ein Windelpaket, verrechnet worden, obwohl die Klägerin solche Artikel nicht eingekauft hatte. Das entsprach nicht dem Verwendungszweck der Coupons. Produktbezogene Gutscheine (Rabatt-Coupons) sind an den jeweiligen Warenregalen angebracht, werden aber auch in Form von Gutscheinheften an Kunden ausgegeben. Sie dürfen, wie der Klägerin bekannt war, nur beim Erwerb der betreffenden Waren verrechnet werden.

5

Im Personalgespräch vom 2. April 2007 wurde der Klägerin unter Vorlage des Kassenstreifens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie räumte ein, dass sie die Gutscheine nicht habe einlösen dürfen. Dem Beklagten sei hierdurch aber kein Schaden entstanden.

6

Mit Schreiben vom 2. April 2007 kündigte die Verkaufsleiterin für den Beklagten das Arbeitsverhältnis „fristlos“ zum 3. April 2007.

7

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei schon mangels Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin, zumindest aber deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine Originalvollmacht beigelegen habe. Zudem liege kein Grund zur Kündigung vor. Bei ihrem Personaleinkauf habe es sich um ein außerdienstliches Verhalten gehandelt. Dem Beklagten sei kein Schaden entstanden, da er die Wertcoupons in jedem Fall bei den ausstellenden Firmen einreiche. Überdies dürften die aus der Videoüberwachung gewonnenen Erkenntnisse wegen Verstoßes gegen § 6b BDSG nicht verwertet werden. Das gelte auch für Tatsachen, von denen der Beklagte durch die unzulässige Videoüberwachung nur mittelbar Kenntnis erlangt habe.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 2. April 2007 nicht aufgelöst worden ist.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Verkaufsleiterin sei berechtigt und bevollmächtigt gewesen, die Kündigung zu erklären. Dies sei der Klägerin aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen bekannt gewesen. Die Kündigung sei gerechtfertigt. Die Klägerin habe sich grob pflichtwidrig verhalten und dadurch auf seine Kosten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil erlangt. Der damit einhergehende Vertrauensbruch schließe eine Weiterbeschäftigung aus. Die in der Filiale durchgeführte Videoüberwachung sei zulässig gewesen. In der Verkaufsstelle seien hohe Inventurdifferenzen aufgetreten, die auf Pflichtverletzungen der Mitarbeiterinnen hingedeutet hätten. Andere Möglichkeiten zur Aufklärung des Verdachts habe er - ohne Erfolg - ausgeschöpft. So seien durch Detektiveinsätze nur wenige Kundendiebstähle aufgedeckt worden. Bei Testeinkäufen hätten sich keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Im Übrigen komme es auf die Zulässigkeit der Überwachung nicht an, weil der Sachverhalt unstreitig sei. Beweisverwertungsverbote könnten insoweit keine Rolle spielen. Jedenfalls dürfe ihm nicht verwehrt werden, seinen Vortrag auf Erkenntnisse zu stützen, die er aus anderen Informationsquellen gewonnen habe.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 2. April 2007 zu dem in ihr bestimmten Termin aufgelöst worden.

12

I. Die Kündigung ist nicht wegen fehlender Kündigungsberechtigung der Verkaufsleiterin oder deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine auf diese lautende Originalvollmacht beigefügt gewesen wäre.

13

1. Wenn es tatsächlich an einer Bevollmächtigung als solche gefehlt haben sollte, wäre die Kündigung zwar grundsätzlich gemäß § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Bei einer Kündigung als einseitigem Rechtsgeschäft ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Die Klägerin hat die unter Vorlage der Kopie einer Vollmacht erklärte Kündigung jedoch nicht „bei der Vornahme“ beanstandet, sondern erstmals mit der Klageschrift vom 19. April 2007, die dem Beklagten am 25. April 2007 zugestellt wurde. Bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung waren seit Ausspruch der Kündigung mehr als zwei Wochen verstrichen. Gründe für ihr Zuwarten hat die Klägerin nicht benannt. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe die Rüge „bei Vornahme“ der Kündigung erhoben (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, ZIP 1986, 388). Dementsprechend war die Kündigung in entsprechender Anwendung von § 180 Satz 2, § 177 Abs. 1 BGB nur schwebend unwirksam und genehmigungsfähig(vgl. Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 37, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Eine solche Genehmigung hat der Beklagte jedenfalls konkludent dadurch erteilt, dass er im vorliegenden Rechtsstreit die Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin ausdrücklich behauptet und die Rechtmäßigkeit der Kündigung verteidigt hat (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, aaO).

14

2. Hat die Verkaufsleiterin Kündigungsvollmacht besessen, ist die Kündigung nicht gem. § 174 Satz 1 BGB unwirksam. Ihre Zurückweisung durch die Klägerin erfolgte nicht „unverzüglich“ iSd. § 174 Satz 1, § 121 Abs. 1 BGB.

15

II. Die Kündigung ist nicht nach § 626 BGB unwirksam. Der Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.

16

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 17, BAGE 118, 104).

17

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ein wichtiger Grund liege vor, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

18

a) Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht (bspw. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 25 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 184). Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 27, aaO; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, aaO).

19

b) Eine solche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung der Klägerin liegt nach dem unstreitigen Sachverhalt vor. Die Klägerin hat sich vorsätzlich auf Kosten des Beklagten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil verschafft. Damit hat sie ihre gegenüber dem Beklagten bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erheblich verletzt.

20

aa) Das Verhalten der Klägerin vom 23. März 2007 ist, was die Einlösung und Verrechnung von sieben produktbezogenen Gutscheinen im Wert von insgesamt 36,00 Euro anbelangt, vom Landesarbeitsgericht als unstreitig festgestellt. Dagegen hat die Klägerin Verfahrensrügen nicht erhoben. Ebenso wenig hat sie das Fehlen ihrer Berechtigung zur Einlösung der Gutscheine in Abrede gestellt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Beklagten sei durch das Verhalten der Klägerin ein Schaden entstanden, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte durfte die Gutscheine nur bei einem tatsächlichen Verkauf entsprechender Produkte an die betreffenden Lieferanten weiterreichen. Sollte sich der Schaden im Kündigungszeitpunkt noch nicht realisiert haben, wäre jedenfalls von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auszugehen.

21

bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ihr Fehlverhalten sei der Klägerin vorwerfbar, sie habe die Vermögensschädigung des Beklagten vorsätzlich herbeigeführt, ist nicht zu beanstanden. Diese Wertung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO. Das Revisionsgericht kann bezüglich der Feststellung innerer Tatsachen nur prüfen, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und Denkgesetze, Erfahrungssätze sowie Verfahrensvorschriften nicht verletzt hat (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 27 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Solche Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass ihr die Voraussetzungen für eine berechtigte Einlösung produktbezogener Gutscheine bekannt waren. Soweit sie der Annahme des Berufungsgerichts, bei einer unberechtigten Einlösung von sieben produktbezogenen Gutscheinen sei ein Versehen auszuschließen, gleichwohl entgegentritt, wird nicht deutlich, worauf ihre Rüge zielt. Sollte sie darauf abstellen, das Landesarbeitsgericht hätte ihr Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens geben müssen, fehlt es an Darlegungen, welchen weiteren, entscheidungserheblichen Sachvortrag sie daraufhin gehalten hätte. Soweit die Klägerin vorgebracht hat, sie habe jedenfalls nicht den Beklagten selbst schädigen wollen, übersieht sie, dass ihrer Pflichtverletzung auch dann erhebliches Gewicht zukommt, wenn sie darauf vertraut haben sollte, ein Schaden würde letztlich nicht beim Beklagten, sondern nach Weiterreichung der Gutscheine bei einem Dritten - dem betreffenden Lieferanten - eintreten. Dass auch dies nicht im Interesse des Beklagten liegen konnte, war für sie ohne Weiteres erkennbar.

22

cc) Der Annahme einer schwerwiegenden Pflichtverletzung steht nicht entgegen, dass es sich um einen privaten, außerhalb der Arbeitszeit liegenden Einkauf handelte. Die Klägerin war auch insoweit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Beklagten Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Die Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme kann den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen, wenn das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Davon ist typischerweise auszugehen, wenn der Arbeitnehmer - wie hier die Klägerin - in seiner Freizeit in Bereicherungsabsicht das dem Unternehmen zuzurechnende Vermögen des Arbeitgebers unmittelbar vorsätzlich schädigt oder doch gefährdet (vgl. Senat 20. September 1984 - 2 AZR 633/82 - zu I 4 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 80 = EzA BGB § 626 nF Nr. 91).

23

c) Die außerordentliche Kündigung ist auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Streitfalls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gerechtfertigt.

24

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 32 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

25

bb) Dem wird die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts gerecht.

26

(1) Eine Abmahnung war nach den Umständen des Falls entbehrlich. Zur Klarstellung der vertraglichen Pflichten bedurfte es ihrer nicht. Die Vertragsverletzung war für die Klägerin erkennbar. Eine Abmahnung war auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlich. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Verhalten der Klägerin habe das Vertrauen des Beklagten in eine künftig ordnungsgemäße Vertragserfüllung nachhaltig beeinträchtigt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat die Gutscheine in Bereicherungsabsicht zweckwidrig verwendet. Die Vermögensschädigung des Beklagten lag auf der Hand. Das Gewicht der Pflichtverletzung wird noch dadurch verstärkt, dass die Klägerin bewusst gegen Vorgaben verstoßen hat, zu deren Beachtung sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kassiererin verpflichtet war. Dass sie den Einkauf bei einer Kollegin abgewickelt hat, spricht nicht gegen ein mangelndes Unrechtsbewusstsein. Die Klägerin konnte offensichtlich auf deren Verschwiegenheit vertrauen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die - gleichfalls entlassene - Kollegin die Einlösung der Wertcoupons nicht verweigert und das Verhalten der Klägerin zunächst keine Beanstandungen ausgelöst hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin die geringen Überwachungsmöglichkeiten des Beklagten und die enge Verbundenheit der Mitarbeiterinnen der Filiale ausgenutzt hat. Bei einem solchen, insgesamt auf Heimlichkeit angelegten Verhalten ist dem Beklagten - für die Klägerin erkennbar - die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, und sei es nach Erteilung einer Abmahnung, nicht zuzumuten.

27

(2) Die fristlose Kündigung ist auch unter Einbeziehung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt. Dem Beklagten war selbst die Einhaltung der - fünfmonatigen - Kündigungsfrist unzumutbar. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang alle weiteren Gesichtspunkte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Insbesondere hat es der Klägerin ihre langjährige Betriebszugehörigkeit zugute gehalten. Dass es gleichwohl und trotz der Erstmaligkeit des Vorfalls von einem überwiegenden Interesse des Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen ist, ist unter Beachtung des Gewichts der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Stellung der Klägerin als Verkäuferin und Kassiererin und der Tatsache, dass bei ihrer Tätigkeit häufig keine anderen Arbeitnehmer zugegen sind, nicht rechtsfehlerhaft.

28

d) Der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung steht nicht entgegen, dass der Beklagte durch Auswertung einer Videoaufnahme vom Verhalten der Klägerin Kenntnis erlangt hat. Ob § 6b BDSG durch die Beobachtung des Kassenbereichs einschließlich seiner Umgebung verletzt wurde oder die Videoaufzeichnung aus anderen Gründen rechtswidrig war, kann offen bleiben.

29

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 30 mwN, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20) führt der Umstand, dass eine Partei die Kenntnis der von ihr behaupteten Tatsachen auf rechtswidrige Weise erlangt hat, nicht notwendig zu einem Verbot von deren prozessualer Verwertung. Falls die betreffenden Tatsachen von der Gegenseite nicht bestritten werden, also unstreitig geworden sind, besteht ein solches Verbot nur, wenn der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm einer gerichtlichen Verwertung der Information zwecks Vermeidung eines Eingriffs in höherrangige Rechtspositionen dieser Partei zwingend entgegensteht.

30

(1) Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren gelten wie im Zivilprozess die Dispositionsmaxime und der Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz. Das Gericht darf nur die von den Parteien vorgebrachten Tatsachen verwerten (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20). Umgekehrt ist es zugleich an den Vortrag der Parteien und einen ihm unterbreiteten, entscheidungserheblichen Sachverhalt gebunden. Der Vortrag einer Partei kann nicht ohne gesetzliche Grundlagen (wie zB die Präklusionsvorschriften) unbeachtet und „unverwertet“ bleiben. Ordnungsgemäß in den Prozess eingeführten Sachvortrag muss das Gericht berücksichtigen. Das Zivilprozessrecht kennt grundsätzlich kein Verbot der „Verwertung” von Sachvortrag. Der beigebrachte Tatsachenstoff ist entweder unschlüssig oder unbewiesen, ist aber nicht „unverwertbar”. Dies gilt zumal dann, wenn der Sachverhalt unstreitig ist. Das Gericht ist an ein Nichtbestreiten (wie an ein Geständnis) grundsätzlich gebunden. Es darf für unbestrittene Tatsachen keinen Beweis verlangen und erheben (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Ein „Verwertungsverbot” würde den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG einschränken. Dieser verpflichtet das Gericht, erheblichen Vortrag einer Partei zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 25, aaO).

31

(2) Dennoch kann rechtswidriges Verhalten einer Prozesspartei bei der Informationsgewinnung zu einem Verwertungsverbot führen. Das ist der Fall, wenn eine solche Sanktion unter Beachtung des Schutzzwecks der verletzten Norm zwingend geboten erscheint. In einem gerichtlichen Verfahren ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Gericht den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber tritt. Es ist bei der Urteilsfindung nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt seine Pflicht zu einer fairen Handhabung des Prozess- und Beweisrechts (vgl. BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Daraus folgt für den Zivilprozess zwar nicht, dass jede unzulässig erlangte Information prozessual unverwertbar wäre (Senat 15. August 2002 - 2 AZR 214/01 - zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 102, 190; BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 22, BGHZ 166, 283). Sie ist es im Einzelfall aber dann, wenn mit ihrer gerichtlichen Verwertung ein erneuter Eingriff in rechtlich geschützte, hochrangige Positionen der anderen Prozesspartei oder die Perpetuierung eines solchen Eingriffs verbunden wäre, und dies auch durch schutzwürdige Interessen der Gegenseite - hier des Beklagten - nicht gerechtfertigt werden könnte (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

32

bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, unstreitiger Sachvortrag, selbst wenn unter Verletzung von Grundrechten gewonnen sei, sei stets und uneingeschränkt prozessual verwertbar, weil die belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens gehabt habe (in diesem Sinne auch HWK/Lembke 4. Aufl. BDSG Vorb. Rn. 112; Grimm/ Schiefer RdA 2009, 329, 342; Heinemann MDR 2001, 137, 141 f.), überzeugt nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob der Partei, die sich der Behauptung objektiv zutreffender Tatsachen durch ihren Prozessgegner ausgesetzt sieht, in Ansehung der prozessualen Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) einschränkungslos ein „Recht zur Lüge“ zusteht (dies befürwortend Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 138 Rn. 3; Heinemann MDR 2001, 137, 142). Jedenfalls kann sie nicht umgekehrt sogar verpflichtet sein, wider besseres Wissen richtigen Vortrag zu bestreiten und sich in Fällen, in denen einfaches Bestreiten nicht ausreicht, mit einem bewusst falschen Gegenvorbringen zu belasten (vgl. Lunk NZA 2009, 457, 459). Sie trüge mit Blick auf mögliche Zweifel an der Zulässigkeit ihres Bestreitens das Risiko, dem Vorwurf zumindest des Versuchs eines Prozessbetrugs ausgesetzt zu sein. Dass kann die Rechtsordnung einer Partei nicht abverlangen. Hat eine Partei den Tatsachenvortrag der Gegenseite nicht bestritten, ist ihr die Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit der ihm zugrundeliegenden Informationsbeschaffung zu berufen, nur dann genommen, wenn in ihrem Nichtbestreiten zugleich die Einwilligung in eine prozessuale Verwertung der fraglichen Tatsachen liegt. Dann wiederum stellt sich die Frage nach einem Verwertungsverbot nicht (vgl. MünchKommZPO/Prütting 3. Aufl. § 284 Rn. 75; Helle JZ 2004, 340, 345; Maties, NJW 2008, 2219; Schreiber ZZP 122, 227, 230).

33

cc) Danach besteht im Streitfall kein Verwertungsverbot.

34

(1) Allerdings hat die Klägerin in eine Verwertung der durch die Videoaufzeichnung erlangten Informationen nicht eingewilligt. Sie hat zwar das Geschehen vom 23. März 2007 teils durch bejahende Erklärung eingeräumt, teils dadurch zugestanden, dass sie den substantiierten Ausführungen des Beklagten nicht mit konkretem Tatsachenvortrag entgegen getreten ist (§ 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Sie hat aber zugleich geltend gemacht, dem Beklagten sei es verwehrt, „die verbotenen Früchte“ der Videoüberwachung „zu ernten“. Damit hat sie deren Verwertung offensichtlich widersprochen.

35

(2) Die Verwertung der unstreitigen Tatsachen erweist sich auf der Grundlage der anzustellenden Güterabwägung dennoch als zulässig. Ein möglicher, durch Berücksichtigung des Sachvortrags des Beklagten perpetuierter rechtswidriger Eingriff in rechtlich geschützte Positionen der Klägerin wiegt nicht so schwer, dass der Anspruch des Beklagten, mit seinem unstreitigen Vorbringen Gehör zu finden, zurücktreten müsste. Der Schutz des Arbeitnehmers vor einer - unterstellt - rechtswidrigen Videoüberwachung verlangt nicht, auch solche unstreitigen Tatsachen außer Acht zu lassen, die dem Arbeitgeber nicht nur durch die Videoaufzeichnung, sondern ohne Rechtsverstoß auch aus einer anderen Informationsquelle bekannt geworden sind.

36

(a) Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte, auch im Privatrechtsverkehr zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers - hier in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild - ist nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers können durch Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob es den Vorrang verdient (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 3 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20 mwN).

37

(b) Im Rahmen dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Grundgesetz einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung beimisst. Auch im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines Privatrechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte gehalten, den von den Parteien in den Prozess eingeführten Vortrag und ggf. die angebotenen Beweismittel zu berücksichtigen. Diese Belange können als Bestandteil der verfassungsgemäßen Ordnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränken (vgl. BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - BVerfGE 106, 28; BAG 23. April 2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 35, BAGE 130, 347; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

38

(c) Zwar gehen das Interesse an einer funktionsfähigen Zivilrechtspflege und materiell richtigen Entscheidungen und verbunden damit das Bestreben des Gläubigers, sich Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht etwa stets vor (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 f., BVerfGE 117, 202; 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a aa und bb der Gründe, BVerfGE 106, 28). Im Streitfall treten aber Aspekte hinzu, die die Berücksichtigung der gewonnenen Informationen zulassen.

39

(aa) Der Sachvortrag des Beklagten stützt sich vornehmlich auf die Auswertung des Kassenstreifens vom 23. März 2007 und auf Erklärungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Die Zulässigkeit der Erhebung und Verwertung der Kassendaten als solche steht dabei nicht in Frage. Zwar ist der Beklagte erst durch die Videoaufzeichnung auf diese zusätzliche Informationsquelle „gestoßen“. Dennoch bedurfte es für sein Vorbringen keines Rückgriffs auf die Videoaufzeichnung selbst.

40

(bb) Damit ist die Frage angesprochen, ob ein als solches zulässiges Erkenntnis- und Beweismittel einem prozessualen Verwertungsverbot unterliegen kann, wenn es seinerseits ohne eine weitere, zuvor rechtswidrig gewonnene Information nicht hätte erlangt werden können (vgl. BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 18 f., BGHZ 166, 283; für den Strafprozess: BGH 24. August 1983 - 3 StR 136/83 - BGHSt 32, 68; 18. April 1980 - 2 StR 731/79 - BGHSt 29, 244). Die Problematik bedarf keiner umfassenden Erörterung. Im Streitfall geht es nicht um Erkenntnisse, die der Beklagte tatsächlich nur durch die möglicherweise rechtswidrige Videoüberwachung hat gewinnen können. Sie waren ihm unabhängig davon zugänglich. Die Auswertung des Kassenstreifens und die Befragung der Klägerin und ihrer Kollegin waren auch ohne technische Überwachung möglich, zumal nach eigenem Vortrag der Klägerin Einkäufe von Mitarbeitern mit deren Einverständnis in den Tagesunterlagen besonders vermerkt werden. Damit kommt einer möglichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin kein solches Gewicht zu, dass unter Berücksichtigung des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs ein Außerachtlassen der letztlich erst aus dem Kassenstreifen gewonnenen Erkenntnisse gerechtfertigt wäre. Gleiches gilt für die Einlassungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen ohnehin auf den fraglichen Kassenauszug gestoßen wäre (zu diesem Aspekt Schreiber ZZP 122, 227, 235; Gemmeke Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren S. 214 f.). Vielmehr kann einer Prozesspartei die Möglichkeit, für sie günstige Tatsachen mit rechtlich unbedenklichen Mitteln nachzuweisen, nicht deshalb versagt werden, weil sie das Wissen von der Geeignetheit eines solchen Mittels auf rechtswidrige Weise erlangt hat (zur Begrenzung der Fernwirkung von Verwertungsverboten vgl. auch BVerfG 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1686/04 - zu 2 b der Gründe, BVerfGK 7, 61). Das gilt im Streitfall umso mehr, als es um den Nachweis eines schwerwiegenden Vertrauensbruchs geht.

41

III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

    Sieg    

        

    Baerbaum    

                 

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juni 2016 - 16 Sa 1711/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit Juli 2011 als Webentwickler tätig. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses verpflichtete er sich schriftlich, Hard- und Software aus Gründen der informationstechnischen Sicherheit ausschließlich zur Erfüllung der vereinbarten Aufgaben zu nutzen.

3

Im Zusammenhang mit der Anbindung eines neuen Netzwerks richtete die Beklagte am 19. April 2015 (Sonntag) eine E-Mail folgenden Inhalts an ihre Mitarbeiter:

        

„Hallo liebes (…) Team,

        

es ist soweit, die Telekom hat es endlich geschafft, uns einen schnellen Internet Anschluss bereitzustellen.

        

Dieses möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten, aus diesem Grund erhaltet Ihr freien Zugang zum WLAN.

        

Da bei Missbrauch, zum Beispiel Download von illegalen Filmen, etc. der Betreiber zur Verantwortung gezogen wird, muss der Traffic mitgelogged werden. Da ein rechtlicher Missbrauch natürlich dann auch auf denjenigen zurückfallen soll, der verantwortlich dafür war.

        

Somit:

        

Hiermit informiere ich Euch offiziell, dass sämtlicher Internet Traffic und die Benutzung der Systeme (der Beklagten) mitgelogged und dauerhaft gespeichert wird. Solltet Ihr damit nicht einverstanden sein, bitte ich Euch mir dieses innerhalb dieser Woche mitzuteilen.

        

…       

        

Bitte benutzt dieses Netzwerk für alles wie Spotify, YouTube, etc. um unser Hauptnetzwerk zu entlasten.

        

…“    

4

In einer Unterweisung am 20. April 2015 wandte sich kein Arbeitnehmer gegen die Absicht der Beklagten, den „Internettraffic“ und die Benutzung ihrer Systeme zur Verhinderung von Missbrauch des Internetzugangs „mitzuloggen“.

5

Die Beklagte installierte sodann auf dem Dienst-PC des Klägers eine Software, die ab dem 21. April 2015 alle Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Screenshots fertigte (Keylogger). Nachdem die Beklagte die vom Keylogger erstellten Dateien ausgewertet hatte, fand am 4. Mai 2015 ein Gespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser einräumte, seinen Dienst-Rechner während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Er gab an, ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für das Logistikunternehmen seines Vaters abgewickelt zu haben. Auf die Programmierung des Spiels habe er am Arbeitsplatz in der Zeit von Januar bis April 2015 ca. drei Stunden verwendet. Für die Firma seines Vaters sei er - vorwiegend in seiner Freizeit - höchstens etwa zehn Minuten täglich tätig gewesen.

6

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19. Mai 2015 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin.

7

Hiergegen hat sich der Kläger fristgerecht mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat behauptet, die privaten Verrichtungen meist in den Pausen und in Zeiten erledigt zu haben, in denen er keines der ihm zugewiesenen Projekte habe bearbeiten können. Die Beklagte habe durch den Einsatz eines Keyloggers „hinterrücks“ und ohne jeden Anlass massiv in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. In der E-Mail vom 19. April 2015 habe sie den Eindruck vermittelt, es sollten nur die Internetaktivitäten über das neue Netzwerk kontrolliert werden.

8

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Webentwickler weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus den vom Keylogger erstellten Dateien ergebe sich, dass der Kläger am 21. April 2015 weitaus länger mit der Entwicklung des Computerspiels beschäftigt gewesen sei, als er eingeräumt habe. Die Einträge in den Logdateien widerlegten zudem seine Behauptung, höchstens zehn Minuten täglich mit Aufgaben für die Firma seines Vaters befasst gewesen zu sein. Ausweislich von Screenshots der auf seinem Dienst-PC befindlichen Ordner habe der Kläger für dessen Unternehmen 5.221 E-Mails empfangen und 5.835 Nachrichten versandt. Der Einsatz eines Keyloggers sei ohne Weiteres rechtmäßig gewesen, weil dem Kläger jede außerdienstliche Nutzung der IT-Systeme untersagt und damit seine Privatsphäre nicht betroffen gewesen sei. Im Übrigen habe gegen ihn der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs bestanden. Am 9. Februar 2015 habe eine Arbeitnehmerin im Vorbeigehen gesehen, dass der Kläger eine „stark bebilderte“ Webseite hastig „weggeklickt“ habe. Weitere Mitarbeiter hätten mitgeteilt, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang privaten Aktivitäten nach. Zudem habe er sich zu einem sehr unproduktiven Mitarbeiter entwickelt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die dem Senat allein zur Entscheidung anfallenden Feststellungsanträge sind begründet. Die Kündigungen der Beklagten vom 19. Mai 2015 sind unwirksam. Nach dem verfahrensrechtlich verwertbaren Sachvortrag der Beklagten fehlt es sowohl an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) als auch an einer sozialen Rechtfertigung für die unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1) erklärte ordentliche Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

12

I. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die vom Kläger zugestandenen Sachverhalte rechtfertigten die beiden Kündigungen nicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

13

1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Kläger habe in der Zeit von Januar bis April 2015 an seinem Dienst-Rechner ca. drei Stunden auf die Programmierung des Computerspiels verwendet, dies aber überwiegend während der Pausen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger habe während der Arbeitszeit täglich zehn Minuten mit Tätigkeiten für die Firma seines Vaters verbracht. Damit habe er seine vertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Allerdings rechtfertigten die Pflichtverletzungen mangels vorheriger Abmahnung keine - außerordentliche oder ordentliche - Kündigung. Zwar habe der Kläger Hard- und Software der Beklagten entgegen der von ihm zu Beginn des Arbeitsverhältnisses unterzeichneten Erklärung für außerdienstliche Zwecke eingesetzt. Die „minutenweise“ Privatnutzung über den Zeitraum eines Jahres habe sich zu einer Gesamtdauer von 36,66 Stunden summiert. Jedoch sei schon der E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 zu entnehmen, dass tatsächlich kein absolutes Verbot der privaten Nutzung betrieblicher IT-Einrichtungen gelebt worden sei. Die unzulässige Privatnutzung habe auch nur einen minimalen Bruchteil (2,08 vH) der täglichen Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Die Beklagte habe schließlich nicht substantiiert dargetan, dass seine Arbeitsleistung durch die außerdienstlichen Aktivitäten beeinträchtigt worden sei. Insgesamt liege keine derart schwere Pflichtverletzung vor, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen gewesen sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in Zukunft nach einer Abmahnung in gleicher oder ähnlicher Weise pflichtwidrig verhalten hätte.

14

2. Mit dieser Würdigung hat das Berufungsgericht, dem bei der Prüfung und Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG ein Beurteilungsspielraum zukommt, alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze berücksichtigt. Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den „auf lange Sicht“ - möglicherweise - verursachten Schaden in seine Überlegungen einbezogen, indem es die „vertane“ Arbeitszeit auf einen Zeitraum von einem Jahr hochgerechnet hat. Zu einem über die Vergütung der nicht bestimmungsgemäß verbrachten Arbeitszeit hinausgehenden Schaden hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Kläger nicht um Erlaubnis gefragt habe, obgleich er nur ausnahmsweise am Arbeitsplatz für die Firma seines Vaters habe tätig werden wollen und man insoweit eine „adäquate Lösung“ hätte finden können, bestätigt die Beklagte letztlich nur die Einschätzung des Berufungsgerichts, es sei zumindest nicht ausgeschlossen gewesen, dass sie eine geringfügige Privatnutzung ihrer Betriebsmittel während der Arbeitszeit hinnehmen würde.

15

II. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, es müsse bei seiner Entscheidung den Sachvortrag der Beklagten unberücksichtigt lassen, den sie nur aufgrund des von ihr eingesetzten Keyloggers in das Verfahren einführen konnte. Die Verwertung dieses Vorbringens bei der Urteilsfindung wäre mit dem Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG)unvereinbar.

16

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei(vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts - etwa von § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO - ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 , BVerfGE 117, 202) hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 21; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 18; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 3, BAGE 156, 370; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378; 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 37, BVerfGK 10, 330; 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 ua. - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 65, 1).

17

2. Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild ( § 1 Abs. 1 BDSG ). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 17; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 2, BAGE 156, 370). Ist allerdings die Datenverarbeitung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 22).

18

3. In Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den streitigen Sachvortrag der Beklagten über die Nutzung des Dienst-PC durch den Kläger am 21. und 23. April 2015 zugrunde zu legen. Hierdurch hätte das Landesarbeitsgericht eine durch die Beklagte begangene Grundrechtsverletzung perpetuiert und vertieft. Die Datenerhebung durch den Keylogger griff in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Der Kläger hat in die Maßnahme nicht eingewilligt. Der Eingriff war nicht aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten nach § 32 Abs. 1 oder § 28 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt. Ebenso lagen keine weiteren, über das schlichte Beweisinteresse der Beklagten hinausgehenden Aspekte vor, die gerade die in Frage stehende verdeckte Informationsbeschaffung durch einen Keylogger als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten.

19

a) Die Aufzeichnung und Speicherung der Tastatureingaben am Dienst-PC des Klägers sowie das Fertigen von Screenshots durch den Keylogger stellten Datenerhebungen iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 7 BDSG dar. Die Beklagte hat sich dadurch Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person, nämlich des Klägers als dem Nutzer des ihm zugeordneten Rechners, verschafft.

20

b) Der Kläger hat in die Datenerhebungen nicht dadurch gemäß § 4a BDSG eingewilligt, dass er der Ankündigung der Beklagten nicht widersprochen hat. Allein in der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer einer ihm mitgeteilten Maßnahme nicht entgegen tritt, liegt keine Einverständniserklärung in die Informationserhebung. Das Unterlassen eines Protests kann nicht mit einer Einwilligung gleichgesetzt werden (für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 40, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329). Das gilt insbesondere, wenn - wie vorliegend - eine vom Arbeitgeber gesetzte „Widerspruchsfrist“ noch nicht abgelaufen ist. Im Übrigen hatte die Beklagte dem Kläger nicht eröffnet, es sollten alle Tastatureingaben an seinem Dienst-PC „mitgeloggt“ und regelmäßig Screenshots gefertigt werden. Auch konnte der Kläger nicht erkennen, zu welchem Zweck er überwacht wurde. Die E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 legte den Schluss nahe, dass allein eine etwaige Internetaktivität über das neue Netzwerk und diese auch „nur“ hinsichtlich der abgerufenen Inhalte („Download von illegalen Filmen“, „Betreiber zur Verantwortung gezogen“, „rechtlicher Missbrauch“) kontrolliert werden sollte. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, in der mündlichen Unterweisung am 20. April 2015 seien anderslautende oder weiter gehende Aussagen getroffen worden. Dementsprechend ließ die Beklagte dem Kläger in ihrem Schreiben vom 5. Mai 2015 lediglich mitteilen, sie habe „im Zuge der Umstellung des Internetanschlusses zur Vermeidung eines etwaigen Missbrauchs die Onlineaktivitäten, die über diesen Anschluss laufen, kontrolliert und diese Kontrolle im Vorfeld sowohl per E-Mail als auch im Rahmen einer Ansprache an die gesamte Belegschaft angekündigt.“

21

c) Mit der ohne Einwilligung des Klägers erfolgten Datenerhebung durch den Keylogger hat die Beklagte in dessen durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.

22

aa) Für einen Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts ist es ohne Bedeutung, ob die Datenerhebung in verdeckter Form oder für den Arbeitnehmer erkennbar erfolgt.

23

(1) Bei dem verdeckten Einsatz eines Keyloggers wird der betroffene Arbeitnehmer in der Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden, beschränkt, indem er zum Ziel einer nicht erkennbaren - systematischen - Beobachtung durch den Arbeitgeber gemacht wird und dadurch auf sich beziehbare Daten über sein Verhalten preisgibt, ohne die Überwachung oder gar den mit ihr verfolgten Verwendungszweck zu kennen (für die automatisierte Erhebung öffentlich zugänglicher Informationen vgl. BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05  ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378 ; für die Observation durch einen Detektiv außerhalb des Betriebsgeländes vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

24

(2) Wird der Keylogger offen eingesetzt, liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor, weil die Aufzeichnung und Speicherung sämtlicher Tastatureingaben und bestimmter Bildschirminhalte der Vorbereitung möglicher belastender Maßnahmen (Ermahnung, Abmahnung, Kündigung) dienen und zugleich abschreckend wirken und insoweit das Verhalten des Betroffenen lenken soll (für die offene Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 38, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 24, BVerwGE 141, 329).

25

bb) Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erfasst werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung, der sich in die (Betriebs-)Öffentlichkeit begibt (für die Videoüberwachung vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 39, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329; für die Observation durch einen Detektiv vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

26

cc) Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt nicht voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer das informationstechnische System, über das Daten erhoben werden, als eigenes nutzt und deshalb den Umständen nach davon ausgehen darf, dass er allein oder zusammen mit anderen zur Nutzung berechtigten Personen über das System selbstbestimmt verfüge. Diese Einschränkung betrifft allein das ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, dem ggf. eine lückenfüllende Funktion zukommt (BVerfG 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 ua. - Rn. 201 und Rn. 206, BVerfGE 120, 274).

27

d) Der Einsatz des Keyloggers war der Beklagten nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt. Es fehlte bereits an dem insoweit erforderlichen, durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdacht einer Straftat oder einer anderen schweren Pflichtverletzung. Eine Maßnahme, die hinsichtlich der Intensität des durch sie bewirkten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit einer (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar ist, stellt sich als unverhältnismäßig dar, wenn sie aufgrund bloßer Mutmaßungen ergriffen wird.

28

aa) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt (Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 16; Grimm JM 2016, 17, 19), zur Beendigung iSd. Kündigungsvorbereitung (dazu Grimm, aaO) die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 26). Sofern nach § 32 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BDSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer solchen Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG auch verarbeitet und genutzt werden(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 40; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 37 f., BAGE 156, 370). Der Begriff der Beendigung umfasst dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; Stamer/Kuhnke in Plath BDSG § 32 Rn. 149; HWK/Lembke 7. Aufl. § 32 BDSG Rn. 15).

29

bb) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG erlaubt die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in Fällen, in denen - unabhängig von den in § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG näher bestimmten Zwecken - Anhaltspunkte für den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Maßnahmen, die vom Arbeitgeber ergriffen werden, um strafbares Verhalten eines Arbeitnehmers aufzudecken, in der Regel besonders intensiv in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Das ist insbesondere bei einer zu diesem Zweck erfolgenden (verdeckten) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gesondert kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität damit vergleichbare Maßnahmen erfassen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 27; 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 75, BAGE 151, 1). Diese sollen allenfalls dann zulässig sein, wenn der durch konkrete Tatsachen begründete „einfache“ Verdacht (Anfangsverdacht, BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 25) einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat besteht.

30

cc) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG entfaltet keine „Sperrwirkung“ dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig sein könnte(ausführlich BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 28 ff.). Allerdings muss der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem - dort gleichfalls verankerten - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 32; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 30; 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 81, 15; 22. Oktober 1986 -  5 AZR 660/85  - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 53, 226 ). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 41 , BAGE 148, 26 ; 29. Juni 2004 -  1 ABR 21/03  - zu B I 2 d der Gründe, BAGE 111, 173 ). Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (BVerfG 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - zu B I 2 b dd der Gründe, BVerfGE 115, 320 ; BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - aaO). Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach muss im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme, die auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gestützt werden soll, der auf konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer schwerwiegenden, jedoch nicht strafbaren Pflichtverletzung bestehen. Eine entsprechende verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG unzulässig(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO). Sie ist, ohne dass es noch darauf ankäme, ob mildere, gleich effektive Mittel vorhanden waren, jedenfalls unangemessen (nicht verhältnismäßig im engeren Sinne).

31

dd) Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenerhebungen nach § 32 Abs. 1 BDSG ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts - zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung - zulässig sein können. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen. Solche präventiven Maßnahmen können sich schon aufgrund des Vorliegens einer abstrakten Gefahr als verhältnismäßig erweisen, wenn sie keinen solchen psychischen Anpassungsdruck erzeugen, dass die Betroffenen bei objektiver Betrachtung in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt sind (dazu BAG 25. April 2017 - 1 ABR 46/15 - Rn. 20 und Rn. 28 ff.). Dementsprechend kann die vorübergehende Speicherung und stichprobenartige Kontrolle der Verlaufsdaten eines Internetbrowsers zulässig sein, um die Einhaltung eines vom Arbeitgeber aufgestellten kompletten Verbots oder doch einer Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen zu kontrollieren. Dabei werden lediglich die Adressen und Titel der aufgerufenen Seiten und der Zeitpunkt des Aufrufs protokolliert und damit nicht mehr Daten gespeichert, als benötigt werden, um einen möglichen inhaltlichen oder zeitlichen Missbrauch der Nutzungsrechte festzustellen (LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2016 - 5 Sa 657/15 - zu B I 4 a aa (8) (d) der Gründe). Würden die gespeicherten Verlaufsdaten nicht zumindest stichprobenartig überprüft, könnten Zuwiderhandlungen gegen das Verbot oder die Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen des Arbeitgebers nicht geahndet werden und könnte die Datenerhebung ihre verhaltenslenkende Wirkung nicht entfalten.

32

ee) Mit diesem Inhalt steht § 32 Abs. 1 BDSG im Einklang mit den Vorgaben der eine umfassende Harmonisierung(zur Begrifflichkeit EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f., Slg. 2003, I-12971) vorsehenden Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG - ABl. L 281 vom 23. November 1995 S. 31). Einerseits wird mit dem aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleiteten Erfordernis des auf konkrete Tatsachen gestützten Anfangsverdachts einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung für besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht entgegen Art. 5 der Richtlinie ein zusätzlicher, die Datenerhebung erschwerender Grundsatz eingeführt oder durch eine zusätzliche Bedingung die Tragweite eines der in Art. 7 der Richtlinie vorgesehenen Grundsätze verändert(dazu EuGH 19. Oktober 2016 - C-582/14 - [Breyer] Rn. 57 ff.; 24. November 2011 - C-468/10 und C-469/10 - [ASNEF] Rn. 33, 34 und 36). Andererseits genügt der vom Senat herangezogene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem durch die Richtlinie sowie Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(dazu EuGH 11. Dezember 2014 - C-212/13 - [Ryneš] Rn. 28) und Art. 8 EMRK(dazu EuGH 9. November 2010 - C-92/09 und C-93/09 - [Volker und Markus Schecke] Rn. 52, Slg. 2010, I-11063; BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 20 f.) garantierten Schutzniveau für die von einer Datenerhebung Betroffenen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 38; EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471).

33

ff) Bei dem (zeitlich nicht begrenzten) verdeckten Einsatz eines Keyloggers an einem Dienst-PC handelt es sich um eine Datenerhebung, die hinsichtlich der Intensität des mit ihr verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen mit einer - verdeckten - Videoüberwachung am Arbeitsplatz vergleichbar ist. Zwar berührt der Einsatz eines Keyloggers grundsätzlich nicht das Recht am eigenen Bild, insbesondere ist er regelmäßig nicht geeignet, Verhaltensweisen optisch zu erfassen, die von dem Betroffenen als peinlich empfunden werden. Jedoch wird mit der Datenerhebung durch einen Keylogger massiv in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Es werden - für den Benutzer irreversibel - alle Eingaben über die Tastatur eines Computers einschließlich des Zeitpunkts der Eingabe sowie des zeitlichen Abstands zwischen zwei Eingaben erfasst und gespeichert. Die auf diese Weise gewonnenen Daten ermöglichen es, ein nahezu umfassendes und lückenloses Profil sowohl von der privaten als auch dienstlichen Nutzung durch den Betroffenen zu erstellen. Dabei werden nicht nur gespeicherte Endfassungen und ggf. Zwischenentwürfe bestimmter Dokumente sichtbar, sondern es lässt sich jeder Schritt der Arbeitsweise des Benutzers nachvollziehen. Darüber hinaus können besondere Arten personenbezogener Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG oder - so im Streitfall - andere hochsensible Daten wie zB Benutzernamen, Passwörter für geschützte Bereiche, Kreditkartendaten, PIN-Nummern etc. protokolliert werden, ohne dass dies für die verfolgten Kontroll- und Überwachungszwecke erforderlich wäre. Ebenso hat der betroffene Arbeitnehmer weder Veranlassung noch die Möglichkeit, bestimmte Inhalte als privat oder gar höchstpersönlich zu kennzeichnen und damit ggf. dem Zugriff des Arbeitgebers zu entziehen. Dieser ohnehin schon weit überschießende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen wird noch verstärkt, wenn - wie hier - regelmäßig Screenshots gefertigt werden.

34

gg) Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keine Tatsachen dargelegt, die vor dem Einsatz des Keyloggers den Anfangsverdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung begründet hatten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

35

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe lediglich einen Vorfall konkret beschrieben. Das von einer Arbeitnehmerin mitgeteilte einmalige hastige „Wegklicken“ einer „stark bebilderten“ Webseite sei aber nicht geeignet, den konkreten Verdacht einer exzessiven Privatnutzung des Dienst-PC zu begründen. Im Weiteren sei der Vortrag der Beklagten substanzlos geblieben. Das gelte zum einen für die einer Beweisaufnahme nicht zugängliche Behauptung, auch andere Mitarbeiter hätten angegeben, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang außerdienstlichen Aktivitäten nach. Zum anderen habe die Beklagte nicht substantiiert dargetan, dass die Leistungen des Klägers erheblich nachgelassen hätten.

36

(2) Diese Ausführungen lassen keinen materiellen Rechtsfehler erkennen. Die Revision zeigt auch keinen Fehler bei der Anwendung des Prozessrechts auf.

37

(a) Das Berufungsgericht hat es - stillschweigend - zu Recht als unmaßgeblich angesehen, dass die Beklagte die tatsächlichen Anhaltspunkte, die aus ihrer Sicht den Verdacht strafbaren Verhaltens des Klägers begründeten, nicht iSv. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dokumentiert hat. Ein solches Versäumnis führt weder zu einer Präklusion mit Vortrag zu den Verdachtsmomenten im Prozess noch begründet es für sich genommen die Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Die Vorgabe, die Tatsachen zu dokumentieren, auf die sich ein Anfangsverdacht gründet, verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern. Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauert und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 33).

38

(b) Das Landesarbeitsgericht hat die Darlegungslast der Beklagten nicht überspannt. Auch bei vermeintlich kreativ tätigen Arbeitnehmern lässt sich anhand objektiver Tatsachen feststellen, inwieweit sie die ihnen übertragenen Aufgaben fristgerecht und entsprechend den inhaltlichen Vorgaben erledigt haben. Keinesfalls reicht es aus, sich im Rechtsstreit auf einen nicht näher begründeten Eindruck eines Vorgesetzten oder des Geschäftsführers zurückzuziehen.

39

(c) Die von der Beklagten erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe sie gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass ihr Vortrag zum Vorliegen eines durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdachts unzureichend sei, ist unzulässig. Die Revision legt nicht dar, warum die Vorinstanz einem gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten in der konkreten Lage des Prozesses, insbesondere nach den Einlassungen des Klägers den von ihr vermissten Hinweis hätte erteilen müssen. Überdies fehlte es nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten an der Entscheidungserheblichkeit einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht. Sie räumt selbst ein, es sei ihr nicht möglich gewesen, ihr Vorbringen zu ergänzen.

40

e) § 28 Abs. 1 BDSG schied als Erlaubnisnorm aus. Die Vorschrift findet im Beschäftigungsverhältnis nur Anwendung, wenn nicht - wie hier - die Zwecke des § 32 Abs. 1 BDSG betroffen sind(BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Demgegenüber kann eine Datenerhebung, die weder der Aufdeckung von Straftaten iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG noch sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dient, „zur Wahrung berechtigter Interessen“ iSv. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zulässig sein(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 25; Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 2, 45 f.).

41

f) Es kann dahinstehen, ob Erkenntnisse, die der Arbeitgeber im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 1 BDSG unter Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewonnen hat, ausnahmsweise im Rechtsstreit verwertet werden dürfen. Das könnte nur dann in Betracht kommen, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24, BAGE 156, 370; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 29, BAGE 145, 278). Im Streitfall fehlt es schon an erstem. Ein Arbeitgeber, der - wie hier die Beklagte - eine Überwachungsmaßnahme „ins Blaue hinein“ veranlasst, befindet sich weder in einer Notwehr- oder notwehrähnlichen Situation gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB noch in einer Notstandslage iSv. § 34 StGB(dazu BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 23 f.).

42

4. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Kündigungen seien auch als Verdachtskündigungen unwirksam. Es musste den Sachvortrag der Beklagten, mit dem sie die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse in den Rechtsstreit eingeführt hat, auch bei der Würdigung außer Acht lassen, ob gegen den Kläger der dringende Verdacht eines Verhaltens bestand, das, wäre es erwiesen, eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte (dazu, dass dies auch für eine ordentliche Verdachtskündigung erforderlich ist, BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 22).

43

III. Die Sache ist nicht deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es Sachvortrag der Beklagten übergangen hätte, der möglicherweise keinem Verwertungsverbot unterläge. Die dahingehende Rüge der Beklagten greift nicht durch.

44

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die von der Beklagten in Bezug genommenen Screenshots der E-Mail-Ordner auf dem Dienst-Rechner des Klägers seien vom Keylogger gefertigt worden. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten (§ 320 ZPO), mit dem sie geltend gemacht hatte, ihr erstinstanzlicher, auf Seite 10 des amtlichen Umdrucks des Berufungsurteils wiedergegebener Vortrag sei dahin gegangen, dass diese Bildschirmfotos bei einer vom Keylogger unabhängigen Einsichtnahme in das E-Mail-Programm auf dem Dienst-PC des Klägers gemacht worden seien, hat es als unbegründet zurückgewiesen.

45

2. Die darauf bezogene Verfahrensrüge ist unzulässig.

46

a) Es kann dahinstehen, ob dies schon deshalb der Fall ist, weil die Beklagte sich mit dieser Rüge gegen die nicht mit einem Berichtigungsantrag angegriffene tatbestandliche Feststellung wendet, ihr zweitinstanzlicher - möglicherweise „überholender“ - Vortrag sei dahin gegangen, dass die Screenshots vom Inhalt der E-Mail-Ordner auf dem Rechner des Klägers vom Keylogger „geschossen“ wurden (Seite 12 und 22 des amtlichen Umdrucks). Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte nach abgelehnter Tatbestandsberichtigung mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erfolgreich allenfalls hätte geltend machen können, das Berufungsgericht habe ihr Vorbringen bewusst missverstanden und damit übergangen, oder es habe den Vortrag zumindest als missverständlich ansehen müssen und deshalb die angegriffene tatbestandliche Feststellung nicht ohne vorherigen Hinweis gemäß § 139 ZPO treffen dürfen.

47

b) Jedenfalls legt die Beklagte die Erheblichkeit ihres „richtig“ verstandenen Vorbringens nach der maßgeblichen Begründungslinie der angefochtenen Entscheidung nicht dar. Sie zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht anhand der bloßen Anzahl der in den E-Mail-Ordnern befindlichen Nachrichten zu der Überzeugung gelangt wäre, der Kläger sei in einem exzessiven, eine vorherige Abmahnung entbehrlich machenden Umfang während seiner Arbeitszeit privaten Aktivitäten nachgegangen. Solchen Vortrags hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil unstreitig zumindest ein Teil der E-Mails betreffend die Firma seines Vaters automatisch und ohne aktives Zutun des Klägers generiert worden ist.

        

    Koch    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Niebler    

        

    Löllgen    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Mai 2015 - 4 Sa 1198/14 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt als Kfz-Vertragshändler an mehreren Standorten Verkaufshäuser und Servicebetriebe. Der Kläger war bei ihr seit August 1979 als Kraftfahrzeugmechaniker im Betrieb L, für den ein Betriebsrat gewählt ist, tätig. Dort beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter - den Kläger eingerechnet - fünf Werkstattmitarbeiter.

3

Zum Betrieb L gehört ein Ersatzteillager, das von zwei Mitarbeitern betreut wird. Bis Herbst 2013 war es den Werkstattmitarbeitern grundsätzlich erlaubt, Ersatzteile, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit benötigten, eigenhändig aus dem Lager zu entnehmen. Wurden solche Teile nicht einzeln verkauft oder in Fahrzeugen verbaut, wurden sie später auf einer vor den Regalen des Lagers eingerichteten Theke abgelegt und danach durch die Lageristen wieder in den Bestand einsortiert.

4

Bei Inventuren im November 2013 und Mitte Februar 2014 verzeichnete die Beklagte jeweils einen Fehlbestand von Ersatzteilen. Mit Aushang vom 27. Februar 2014 machte sie die Differenzen betriebsöffentlich. Zugleich untersagte sie - mit Ausnahme der beiden Lageristen - allen Mitarbeitern für die Zukunft den Zutritt zum Lager und verbot ihnen, Teile aus den Regalen zu nehmen. Der Kläger nahm dies zur Kenntnis.

5

Nachdem anschließende Gespräche mit den Lagermitarbeitern keinen Aufschluss über die Fehlbestände erbracht hatten und - wie im angefochtenen Urteil als unstreitig festgestellt - „auch die Mitteilung vom Februar 2014 nicht [geholfen hatte]“, ließ die Beklagte am 22. März 2014 im Betrieb L eine Videokamera installieren, mittels derer die Vorgänge im Ersatzteillager fortan aufgezeichnet wurden. Von dieser Maßnahme hatten nur die Lageristen und der vor Ort eingesetzte Betriebsleiter Kenntnis. Auch den Betriebsrat beteiligte die Beklagte nicht.

6

Der Betriebsleiter wertete am Abend des 6. August 2014 die Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 aus. Auf diesen ist zu sehen, dass der Kläger das Ersatzteillager betrat, aus einem Regal ein Paket Bremsklötze entnahm und es sodann in seiner Hosentasche verstaute. Der weitere Inhalt der Videoaufnahme ist zwischen den Parteien umstritten.

7

In einem Personalgespräch am 14. August 2014 spielte die Beklagte dem Kläger die Aufzeichnung vom 15. Juli 2014 vor und lastete ihm an, er habe sich das aus dem Lager entnommene Paket rechtswidrig zugeeignet. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Der Kläger äußerte, er habe keine Erklärung für den Vorgang. „Natürlich“ wolle er „wegen eines solchen Teils“ nicht seinen Arbeitsplatz „riskieren“. Auf weiteren Vorhalt gab er an, aus Sicht der Beklagten würde er sein Verhalten ebenso wie diese bewerten.

8

Mit Schreiben vom 19. August 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos und mit weiterem Schreiben vom 25. August 2014 vorsorglich ordentlich zum 31. März 2015. Der zuvor mit Schreiben vom 15. August 2014 angehörte Betriebsrat hatte sich zu der ihm mitgeteilten Kündigungsabsicht nicht geäußert.

9

Der Kläger hat mit der rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, beide Kündigungen seien unwirksam. Das auf dem Videomitschnitt vom 15. Juli 2014 dokumentierte Verhalten indiziere nicht einmal den Verdacht einer rechtswidrigen Wegnahme der Bremsklötze. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass er die Teile aus dem Betrieb der Beklagten entfernt habe. Ebenso gut könne es sein, dass eine dienstliche Verwendung der Bremsklötze fälschlich nicht dokumentiert worden sei. Unabhängig davon habe die Beklagte die Videoaufzeichnungen unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats erlangt. Beides führe dazu, dass die Mitschnitte als Beweismittel und das hierauf gestützte Vorbringen der Beklagten, auch soweit es unstreitig geblieben sei, prozessual nicht verwertbar seien. Entsprechendes gelte für seine Einlassung im Personalgespräch, die auf das Vorspielen der Videoaufnahme zurückzuführen sei.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung vom 25. August 2014 aufgelöst worden ist;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. zu den derzeit geltenden Arbeitsbedingungen als Kfz-Mechaniker in der Filiale bzw. Niederlassung L weiterzubeschäftigen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Kläger habe am Morgen des 15. Juli 2014 das Lager im Abstand von wenigen Minuten dreimal betreten und jeweils zügig wieder verlassen. Die beiden ersten Male habe sich der Kläger in dem Bereich umgesehen und sich dabei der Abwesenheit der Lageristen vergewissert. Beim dritten Zutritt sei er unmittelbar auf das Regal mit den Bremsklötzen zugesteuert und habe die unstreitige Entnahme vorgenommen. Das Verhalten indiziere eine Zueignungsabsicht. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Dafür spreche schon die Missachtung des Zutrittsverbots. Soweit der Kläger vorgebracht habe, der Leiter des Lagers habe ihm nach der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 für dringende Ausnahmefälle das Betreten des Lagers und die Entnahme von Ersatzteilen erlaubt, handele es sich um eine Schutzbehauptung. Jedenfalls entsprächen die Ausführungen nicht der Wahrheit. Ein freier Verkauf der Bremsklötze oder deren Einbau in ein passendes Fahrzeug sei ebenso auszuschließen wie eine Rückführung der Teile ins Lager. Es sei ihr - der Beklagten - auch nicht prozessual verwehrt, sich auf unstreitige Tatsachen zu berufen, von denen sie unmittelbar oder mittelbar durch die Videoaufzeichnungen Kenntnis erlangt habe. Entsprechendes gelte für eine beweisrechtliche Verwertung der Mitschnitte. Im Zeitpunkt der Aufzeichnungen habe der begründete Verdacht rechtswidriger Entwendungen von Ersatzteilen durch Mitarbeiter bestanden. Die Lageristen hätten, um sich selbst zu entlasten, einer zeitlich begrenzten Überwachung ihres Arbeitsbereichs zugestimmt. Erfolgversprechende Möglichkeiten, den Kreis der Verdächtigen weiter einzugrenzen, hätten nicht bestanden. Demgegenüber sei der Kläger nur deshalb von der Aufzeichnung erfasst worden, weil er sich über das Zutrittsverbot hinweggesetzt habe. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen den Vortrag der Beklagten über den Vorfall vom 15. Juli 2014 nicht unberücksichtigt lassen und der Klage stattgeben (I.). Der Senat vermag die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 19. August 2014 nicht abschließend zu beurteilen (II.). Dies führt insgesamt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

14

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es sei wegen eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG, der nicht durch überwiegende schutzwürdige Interessen der Beklagten gerechtfertigt sei, daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 zutage getretene Verhalten des Klägers zugrunde zu legen.

15

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

16

a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung(§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - zu C II 4 a aa der Gründe, BVerfGE 106, 28). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage. Dies gilt nicht anders für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 21).

17

b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 22).

18

c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 23; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

19

d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94, BVerfGE 117, 202). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe).

20

e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 25 mwN, auch zur gegenteiligen Auffassung). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen(Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im Einzelnen BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen grundsätzlich unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - aaO).

21

2. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob durch die Herstellung der Videoaufzeichnungen das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung sowie sein Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG verletzt wurden. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und einer darauf bezogenen tatrichterlichen Würdigung. Es ist nicht auszuschließen, dass der Einsatz der verdeckten Videoaufzeichnung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zulässig war.

22

a) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 28). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, BAGE 146, 303).

23

b) Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Würdigung, die Informationsgewinnung mittels Videoaufzeichnung sei unzulässig, weil bei Beginn der Aufzeichnungen ein konkreter Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen strafbaren Handlung oder einer ähnlich schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers nicht bestanden habe, nicht sämtliche fallrelevanten Umstände in Betracht gezogen.

24

aa) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass vor Einrichtung der Videoüberwachung Inventurdifferenzen aufgetreten waren. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ermöglicht eine Videoüberwachung auch dann, wenn nur ein Teil der Differenzen ihre Ursache in Straftaten von Arbeitnehmern gegen das Vermögen der Beklagten haben. Es gibt keinen Rechtssatz, nach dem ausschließlich dem Volumen nach „erhebliche“ Defizite einen Anhaltspunkt für strafbares Mitarbeiterverhalten bieten können. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

25

bb) Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu den im November 2013 und Februar 2014 aufgetretenen Inventurdifferenzen keinen substantiierten Vortrag gehalten hat. Es durfte aber nicht ohne darauf bezogenen Sachvortrag annehmen, dass sämtliche Differenzbestände durch Fehler in der elektronischen Dokumentation ihres Betriebs verursacht sein konnten. Insbesondere wenn in kurzen zeitlichen Abständen Fehlbestände aufgetreten waren, die leicht zu entfernende Teile betrafen, kann dies nach der Lebenserfahrung auf Straftaten der sich in den Lagerräumen aufhaltenden Mitarbeiter hindeuten. Ähnliches gilt für das als unstreitig festgestellte Vorbringen der Beklagten, der Aushang vom 27. Februar 2014 habe nicht „geholfen“. Mit dem Sinngehalt dieser Behauptung hat sich das Landesarbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass darin der - verkürzte - Vortrag liegt, nach dem Zutrittsverbot seien weitere Differenzen aufgetreten. Bejahendenfalls machte dies Vermögensdelikte zum Nachteil der Beklagten zumindest im Sinne eines „Anfangsverdachts“ aber umso wahrscheinlicher. Ein solcher, durch konkrete Tatsachen belegter „einfacher“ Verdacht ist im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ausreichend(vgl. BeckOK DatenSR/Riesenhuber BDSG 17. Edition § 32 Rn. 118; im Ergebnis ebenso Simitis/Seifert BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 104; zum Erfordernis eines „einfachen Tatverdachts“ als Voraussetzung für Maßnahmen nach § 100a StPO vgl. BGH 11. August 2016 - StB 12/16 - Rn. 9). Ein „dringender“ Tatverdacht, der einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Straftaten voraussetzte (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30), ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Diesem Verständnis entsprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Es geht darum, schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten aufgrund vager Anhaltspunkte oder bloßer Mutmaßungen auszuschließen.

26

cc) Die Beklagte hat die Fehlbestände betriebsöffentlich gemacht und durch das im Februar 2014 ausgesprochene - nach ihrem unter Beweis gestellten Vortrag ausnahmslose - Zutrittsverbot sichergestellt, dass Ersatzteile nur von den im Lager beschäftigten Mitarbeitern ausgehändigt werden. Die Videoaufzeichnung richtete sich damit nur noch gegen die beiden Lagermitarbeiter, die sich nach dem Vorbringen der Beklagten mit einer solchen Maßnahme grundsätzlich einverstanden erklärt hatten, und gegen solche Mitarbeiter, die sich möglicherweise vertragswidrig im Bereich des Lagers aufhielten. Bei diesen Personen bestand aber ein konkreter, über bloße Mutmaßungen hinausgehender Verdacht, dass sie sich unberechtigt Ersatzteile aneignen. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht in Betracht gezogen.

27

c) Die Videoüberwachung erweist sich nicht aus anderen Gründen als unverhältnismäßig. Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ersichtlich, dass andere Mittel zur Aufklärung des Verdachts und zur Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises zur Verfügung gestanden hätten, die weniger stark in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen hätten und mittels derer der Zweck der Überwachung mit vergleichbarer Erfolgsaussicht hätte erreicht werden können.

28

aa) Die Beklagte hat im Anschluss an den Aushang vom Februar 2014 mit ihren Lageristen Gespräche geführt, die zur Aufklärung der Ursachen für die Inventurdifferenzen nichts beitrugen. Sie hat insoweit diejenigen Arbeitnehmer angesprochen, die für die Verwaltung des Lagerbestands verantwortlich zeichneten und ggf. über den Verbleib von Ersatzteilen hätten Auskunft geben können. Gespräche mit den Werkstattmitarbeitern musste sie nicht in gleicher Weise als erfolgversprechend ansehen. Aufgrund ihrer innerbetrieblichen Bekanntmachungen konnte sie vielmehr davon ausgehen, diese würden ggf. von sich aus Mitteilung machen, falls sie Aufschluss über mögliche Fehlerquellen hätten geben können und wollen.

29

bb) Eine effektive Überwachung durch Vorgesetzte oder Kollegen war nicht denkbar. Ebenso wenig lag in der offenen Videoüberwachung eine „mildere“ Alternative. Sie hätte sich vor dem angestrebten Zweck der Aufdeckung von Straftaten nicht als gleichermaßen wirksam wie die - zumindest aus Sicht der meisten Mitarbeiter - verdeckte Beobachtung erwiesen. Das in Rede stehende strafbare Verhalten war seiner Natur nach auf Heimlichkeit angelegt. Zur Aufdeckung solcher Verhaltensweisen können offene Überwachungen regelmäßig nichts beitragen (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (2) der Gründe, BAGE 105, 356; ebenso Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 331, 335). Soweit der Kläger bemängelt, die initiierte Überwachung habe nicht zur Aufklärung in der Vergangenheit liegender Straftaten führen können, übersieht er zum einen die mögliche indizielle Wirkung, die der Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen für die Beurteilung bereits abgeschlossener Sachverhalte zukommen kann. Zum anderen bezieht sich § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG allgemein auf die „Aufdeckung von Straftaten“, was die Gewinnung von Erkenntnissen über - aufgrund konkreter Anhaltspunkte - vermutete künftige strafbare Handlungen im Beschäftigungsverhältnis einschließt.

30

cc) Der Beklagten kann nicht entgegen gehalten werden, sie habe vorrangig eine Aufklärung durch Taschenkontrollen oder gar die Visitation von Kleidung versuchen müssen. Im Rahmen solcher Maßnahmen wäre der Beklagten eine vergleichbare Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises wie bei der lediglich auf das Lager ausgerichteten Videoüberwachung schwerlich möglich gewesen. Unabhängig davon griff die initiierte Beobachtung nicht stärker in das allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffener Arbeitnehmer ein als dies bei der Vornahme von Tor- bzw. Taschenkontrollen der Fall gewesen wäre. Solche Kontrollen berühren typischerweise die Privatsphäre der hiervon erfassten Arbeitnehmer (BAG 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 43, BAGE 148, 26). Die Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen unterstellt wären ihnen auch Beschäftigte ausgesetzt gewesen, die das Zutrittsverbot ausnahmslos beachteten und von denen jedenfalls eine Gefährdung des Eigentums oder der Besitzrechte der Beklagten an den Ersatzteilen nicht (mehr) ausging. Demgegenüber traf die Videoüberwachung den Kläger weder in seiner Intim- noch in der Privatsphäre. Zwar kann sich eine besonders hohe Intensität eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht auch aus der Dauer der Beobachtung ergeben, wie dies bei heimlichen Beobachtungen der Fall ist, denen Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsbereich während der gesamten Dauer ihrer Arbeitszeit ausgesetzt sind. Von einer solch massiven Beobachtung waren der Kläger und andere Mitarbeiter, denen der Zutritt zum Lager verwehrt worden war, aber nicht betroffen. Soweit dies im Fall der Lageristen anders zu beurteilen ist, handelte es sich um Personen, die gleichfalls zum Kreis der Verdächtigen rechneten. Überdies hatten sie der Überwachung zugestimmt.

31

dd) Der mit der verdeckten Videoüberwachung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers war insgesamt nicht unangemessen. Die Überwachung betraf ausgehend von dem Vorbringen der Beklagten allein das Lager und damit den räumlichen Bereich, auf den sich der Verdacht bezog. Gegenteiliges ist weder festgestellt, noch hat der Kläger substantiierten Gegenvortrag gehalten. Im Verhältnis zu Arbeitnehmern, die sich ohne Erlaubnis im Lager aufhielten, war die Eingriffsintensität selbst unter Berücksichtigung der Dauer des Kameraeinsatzes gering. Dieser Bewertung steht nicht die Behauptung des Klägers entgegen, der Laufweg zu einem Raum, in dem sich Ersatzwerkzeug für die Werkstattmitarbeiter befunden habe, führe durch bestimmte Bereiche des Lagers. Daraus folgt nicht, dass das Zutrittsverbot lediglich eine eingeschränkte Gültigkeit gehabt hätte. Der wegen des permanenten Überwachungsdrucks ungleich schwerere Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Lageristen war grundsätzlich durch deren Einwilligung gedeckt.

32

ee) Es spricht viel dafür, dass Letzteres auch vor dem Hintergrund gilt, dass die Lageristen gemäß eigenem Vorbringen der Beklagten der Überwachung lediglich „zeitlich begrenzt“ zugestimmt hatten. Damit wollten sie erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die Einwilligung jedenfalls nach der Aufdeckung von Straftaten anderer Arbeitnehmer, die zugleich ihrer eigenen Entlastung dienen würde, keine Wirkung mehr entfalten sollte.

33

3. Selbst unterstellt, eine durchgängige Beobachtung bis Mitte Juli 2014 wäre von der fraglichen Zustimmung der Lageristen nicht mehr gedeckt gewesen und die Videoüberwachung erwiese sich unter diesem Gesichtspunkt als unverhältnismäßig, führte dies nicht zu einem Verbot der Verwertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 und des hierauf gestützten unstreitigen Sachvortrags der Beklagten im Kündigungsschutzprozess mit dem Kläger. Der Schutzzweck des BDSG gebietet es nicht, dem Arbeitgeber aus generalpräventiven Gründen eine prozessuale Verwertung datenschutzrechtswidrig erlangter Informationen zu verwehren. Ein Verbot kommt nur in Betracht, wenn mit der Verwertung ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Prozesspartei einhergeht. Ein solcher Eingriff scheidet aber aus, wenn die Unzulässigkeit der Videoüberwachung allein aus der (Dritt-)Betroffenheit anderer Beschäftigter resultiert (Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Dzida/Grau NZA 2010, 1201, 1202 f.; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341; wohl aA Bayreuther NZA 2005, 1038, 1042; Otto Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber seinen Dokumentationspflichten gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, die grundsätzlich vor der Datenerhebung zu erfüllen sind, nur unvollständig nachgekommen ist. Die Vorgabe verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern (Tinnefeld/Petri/Brink MMR 2010, 727, 732). Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauern kann und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (ähnlich Alter NJW 2015, 2375, 2380).

34

4. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats hindert die Verwertung der Videoaufzeichnungen ebenso wenig.

35

a) Allerdings hat der Betriebsrat bei der Videoüberwachung von Betriebsräumen der Arbeitgeberin nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen. Eine Videoüberwachungsanlage ist im Sinne dieser Norm eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (BAG 11. Dezember 2012 - 1 ABR 78/11 - Rn. 16 ff., BAGE 144, 109).

36

b) Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der Betriebsrat bei der Installation der Videoüberwachung oder jedenfalls der Auswertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 beteiligt gewesen wäre. Dies führt für sich genommen aber nicht dazu, dass die Aufzeichnung als Beweismittel oder Sachvortrag, der sich auf daraus erlangte Erkenntnisse stützt, prozessual unverwertbar wäre. Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet die Annahme eines solchen Verwertungsverbots jedenfalls dann nicht, wenn die Verwendung und Verwertung eines Beweismittels und/oder daraus gewonnener, unstreitiger Informationen nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist. Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen des Arbeitgebers nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Soweit die Norm - wenngleich kollektivrechtlich vermittelt - dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer dient, sind die Schutzzwecke von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 44).

37

II. Danach hat das Landesarbeitsgericht wesentliche Teile des zur Begründung der ausgesprochenen Kündigungen gehaltenen Vortrags der Beklagten zu Unrecht nicht berücksichtigt. Dies führt zur Aufhebung seiner Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

38

1. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zu Inventurdifferenzen und zur Entwicklung nach dem Aushang vom 27. Februar 2014 nur unvollständig gewürdigt. Soweit das betreffende Vorbringen einer weiteren Klarstellung bedarf, wird es die Beklagte dazu anzuhalten haben. Ist danach wahrscheinlich, dass die Fehlbestände auch auf unberechtigten Entnahmen beruht haben, wird das Landesarbeitsgericht für die Zeit nach Ausspruch des Zutrittsverbots von einem konkreten, durch Tatsachen belegten Anfangsverdacht einer Straftat jedenfalls durch Arbeitnehmer auszugehen haben, die das Lager vertragswidrig betreten haben.

39

2. Danach würde die weitere Verarbeitung und Nutzung der den Kläger betreffenden Videoaufzeichnungen nicht dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen. Die Verarbeitung - dh. hier insbesondere die Aufbewahrung der Mitschnitte zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) - und deren weitere Verwendung im vorliegenden Verfahren war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.

40

a) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

41

b) Dies wäre hier der Fall. Die Aufzeichnungen vom 15. Juli 2014 begründeten zumindest den Verdacht, dass der Kläger zu Lasten der Beklagten eine Straftat begangen hat. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen des Klägers standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Beklagte - was hier nicht auszuschließen ist - die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers erlangt hat.

42

3. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 19. August 2014 aufgelöst worden ist.

43

a) Das bisherige Vorbringen der Beklagten kann - seine Verwertbarkeit unterstellt und unbeschadet der grundsätzlich dem Landesarbeitsgericht vorbehaltenen abschließenden Interessenabwägung - gem. § 626 Abs. 1 BGB sowohl eine außerordentliche Tat- als auch Verdachtskündigung rechtfertigen.

44

aa) Welche Beweiskraft den von der Beklagten vorgetragenen Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau mit der unstreitigen Wegnahmehandlung im Hinblick auf die Beurteilung zukommt, ob sich der Kläger eines Diebstahls oder einer Unterschlagung zulasten der Beklagten schuldig gemacht hat oder ob zumindest ein dahingehender dringender Verdacht besteht, ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, die dem Revisionsgericht entzogen ist(BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35, BAGE 152, 47; zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43, BAGE 149, 355).

45

bb) Anhaltspunkte für eine Rechtfertigungslage hat der Kläger, den insoweit eine abgestufte Darlegungslast trifft (zuletzt BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 40), bisher nicht schlüssig aufgezeigt. Zwar mag es in der Vergangenheit üblich gewesen sein, dass Mitarbeiter der Beklagten Ersatzteile für den Transport aus dem Lager in die Werkstatt in ihrer Kleidung verstauten. Darauf kann sich der Kläger aber nicht stützen, weil sich die Weisungslage mit dem Ende Februar 2014 angeordneten Zutrittsverbot verändert hatte. Sein Vorbringen, er habe mit dem für das Lager zuständigen Leiter abweichende Vereinbarungen getroffen, ist in zeitlicher und räumlicher Hinsicht bisher vollkommen unsubstantiiert. Zudem hat die Beklagte ihren betreffenden Gegenvortrag unter Beweis gestellt. Unabhängig davon lässt das Vorbringen des Klägers nicht erkennen, dass er sich im Zusammenhang mit der eigenhändigen Entnahme des Pakets Bremsklötze an die behauptete individuelle Absprache mit dem Lagerleiter gehalten und dementsprechend die Lageristen zumindest nachträglich über die Mitnahme von Ersatzteilen in deren Abwesenheit unterrichtet hat. Auch dies spricht nicht für ein redliches Vorgehen, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass sein Verhalten insgesamt auf Heimlichkeit angelegt war. Soweit der Kläger überdies geltend gemacht hat, es sei nicht auszuschließen, dass die Bremsklötze in einem Fahrzeug der entsprechenden Typenklasse eingebaut worden seien oder er alternativ - wie in der Vergangenheit üblich - das Paket auf der Theke vor dem Lager abgelegt habe, hat er nicht etwa einen konkreten, ihn entlastenden Geschehensablauf dargestellt, sondern rein hypothetische Sachverhaltsvarianten präsentiert. Ob sich dies unter Berücksichtigung seiner Einlassung im Personalgespräch vom 14. August 2014 mit Erinnerungslücken hinreichend erklären lässt, wird ggf. vom Landesarbeitsgericht zu bewerten sein.

46

cc) Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer sog. „Tatkündigung“ hängt materiell-rechtlich nicht davon ab, ob die Beklagte im Kündigungszeitpunkt alles ihr Mögliche und Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts - auch in Richtung einer denkbaren Entlastung des Klägers - unternommen hatte (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 38). Sollte es auf ihre Wirksamkeit als Verdachtskündigung ankommen, wird das Landesarbeitsgericht zu bewerten haben, ob die Beklagte ihrer diesbezüglich bestehenden Aufklärungspflicht nachgekommen ist, was allerdings nicht fernliegt. Dem sie dabei treffenden Erfordernis einer Anhörung des Klägers ist - soweit ersichtlich - Genüge getan.

47

b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Ihr Vorbringen ist schlüssig. Nach ihrem - offenbar unstreitig gebliebenen - Vortrag hat ihr allein kündigungsberechtigter Geschäftsführer von den maßgeblichen Tatsachen erst am 7. August 2014 Kenntnis erlangt. Ausgehend vom Zugang der fristlosen Kündigung am 19. August 2014 wäre die Zweiwochenfrist eingehalten. Das gilt allemal gerechnet ab dem Zeitpunkt des Personalgesprächs vom 14. August 2014. Ob ihr Betriebsleiter aufgrund des Ergebnisses einer am 16. Juli 2014 durchgeführten Bestandsaufnahme, bei der nach dem Vorbringen der Beklagten bereits das Fehlen eines Pakets Bremsklötze verzeichnet worden sein soll, gehalten war, eine Sichtung der Videobänder bereits vor dem 6. August 2014 vorzunehmen, kann dahinstehen. Daraus ergibt sich nach dem bisherigen Streitstand keine Verzögerung, die der Beklagten im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB anzulasten wäre. Kenntnisse nicht kündigungsberechtigter Personen muss sich der Arbeitgeber nur ausnahmsweise nach § 242 BGB zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung für eine Zurechnung ist weiter, dass die Verspätung, mit der der Kündigungsberechtigte in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs beruht (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 28). Dafür fehlt es derzeit an Anhaltspunkten.

48

c) Der Kläger hat seine zunächst „vorsorglich“ erhobene Rüge, es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs. 1 BetrVG), in erster Instanz ausdrücklich fallen gelassen. Unabhängig davon sind Mängel im Anhörungsverfahren auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht zu erkennen.

49

4. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegen auch die weiteren Klageanträge. Über den Kündigungsschutzantrag betreffend die ordentliche Kündigung vom 25. August 2014 ist abhängig vom Ausgang des Streits über die außerordentliche Kündigung zu erkennen. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, beide Kündigungen seien unwirksam, wird es zu berücksichtigen haben, dass sich der Weiterbeschäftigungsantrag dem Wortlaut nach auf ein Obsiegen mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1. bezieht, der sich gegen die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 richtet. Diesem Begehren durfte es nicht stattgeben, ohne der Frage nachzugehen, ob der Antrag überhaupt auf eine vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers nach Ablauf des Termins der ordentlichen Kündigung vom 25. August 2014 gerichtet ist und - bejahendenfalls - ob er ein entsprechendes Verlangen hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO)zum Ausdruck bringt.

50

5. Von weiteren Hinweisen sieht der Senat ab.

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Söller    

        

    F. Löllgen    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2015 - 7 Sa 1078/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels. Die Klägerin war bei ihr seit November 1998, zuletzt als stellvertretende Filialleiterin, beschäftigt. Sie war überwiegend als Kassiererin eingesetzt.

3

Die Beklagte stellte im Oktober 2013 für die Beschäftigungsfiliale der Klägerin einen Inventurverlust in den Warengruppen Tabak/Zigaretten und „Nonfood“ in Höhe von mehr als des Zehnfachen im Verhältnis zur vorausgegangenen Inventur fest. Die Ergebnisse von daraufhin durchgeführten Recherchen ließen aus ihrer Sicht nur den Schluss zu, dass der Verlust vom Personal zu verantworten sei. Weitere Kontroll- und Revisionsmaßnahmen sowie die Überprüfung der Mitarbeiter durch Taschenkontrollen führten nicht zur Aufklärung.

4

Die Beklagte beantragte daraufhin beim Betriebsrat die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung im Kassenbereich im Zeitraum vom 15. bis 29. Dezember 2013 zum Zwecke der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“. Als „Grund“ gab sie „Diebstahl Zigaretten/NF“ an, wobei sich die Videoüberwachung gegen die Mitarbeiterinnen D und M richten solle. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Videoüberwachung zu.

5

Die Filiale wurde unabhängig davon auch insgesamt offen videoüberwacht. An ihren Zugängen befanden sich entsprechende Hinweisschilder.

6

Einer Videosequenz der verdeckten Überwachung des Kassenbereichs vom 18. Dezember 2013 war zu entnehmen, dass die Klägerin eine dort befindliche „Musterpfandflasche“ über den Scanner gezogen, eine Leergutregistrierung durchgeführt, die Kassenlade geöffnet und Geld aus der Kassenlade genommen hatte, welches sie zunächst im Kassenbereich abgelegt und zu einem späteren Zeitpunkt in ihre Tasche gesteckt hatte. Der von ihr erstellte Kassenbon wies eine Pfandbarauszahlung iHv. 3,25 Euro für 13 Pfandflaschen bzw. -dosen aus.

7

Während eines am 20. Januar 2014 geführten Anhörungsgesprächs wurde der Klägerin die Videosequenz vorgespielt. Ihre Reaktion hierauf und der genaue Inhalt des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig geblieben.

8

Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachts-/bzw. Tatkündigung an. Der Betriebsrat stimmte den beabsichtigten Kündigungen am 23. Januar 2014 zu.

9

Mit Schreiben vom gleichen Tag kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Kündigungstermin.

10

Dagegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Ein Grund für die außerordentliche oder die ordentliche Kündigung liege nicht vor. Sie habe am fraglichen Tag bereits beim Betreten der Filiale kurz vor 10:00 Uhr Leergut in die Pfandbox eingeworfen. Darauf habe sich der Vorgang gegen Mittag desselben Tages bezogen, als sie die Musterpfandflasche eingescannt und das Pfandgeld entnommen habe. Die Beklagte habe überdies die Frist zur Erklärung der außerordentlichen Kündigung gem. § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 beendet wird;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als stellvertretende Filialleiterin weiter zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe einen regulären Kassiervorgang manipuliert, um sich auf diese Weise persönlich zu bereichern.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 sei wirksam.

15

I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es liege ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16

1. Die Manipulation eines Kassenvorgangs zum Zweck, sich selbst auf Kosten des Arbeitgebers zu bereichern, ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Verschafft sich ein Arbeitnehmer vorsätzlich auf Kosten des Arbeitgebers einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil, verletzt er erheblich seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB). Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen daher typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 13 und 15, BAGE 145, 278; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

17

2. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Interessenabwägung ohne Rechtsfehler angenommen, die langjährige unbeanstandete Beschäftigung der Klägerin in der Vergangenheit vermöge den eingetretenen Vertrauensverlust im Ergebnis nicht aufzuwiegen. Dabei hat es in seine Würdigung auch einbezogen, dass der Schaden mit 3,25 Euro relativ gering sei. Es hat jedoch zutreffend zu Lasten der Klägerin berücksichtigt, dass sie sich nach seinen Feststellungen bewusst, heimlich und durch eine gezielte Manipulation der Kassenvorgänge auf Kosten der Beklagten bereichert habe. Der dadurch bewirkte Vertrauensbruch wiegt bei einer stellvertretenden Filialleiterin und Kassiererin besonders schwer. Die Beklagte muss bei einer Arbeitnehmerin in dieser Position von uneingeschränkter Vertrauenswürdigkeit bei der Tätigkeit, insbesondere bei der Bedienung der Kasse, ausgehen können.

18

3. Das Landesarbeitsgericht hat es zu Recht als unerheblich angesehen, dass die Klägerin nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils von der Beklagten in ihrer bisherigen Tätigkeit weiterbeschäftigt worden ist. Zum einen kommt es für die Wirksamkeit der Kündigung auf die Umstände im Zeitpunkt ihres Zugangs an (vgl. BAG 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, BAGE 149, 367). Zum anderen ist allein maßgeblich, ob zu diesem Zeitpunkt Tatsachen gegeben waren, die es dem Arbeitgeber objektiv unzumutbar machten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 29; für die ordentliche Kündigung vgl. BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 34). Hierauf hat es keinen Einfluss, wenn die Beklagte der Klägerin mehr als acht Monate nach der Kündigung eine Prozessbeschäftigung angeboten hat. Im Übrigen hat sie das Angebot erst unterbreitet, nachdem sie erstinstanzlich zur Weiterbeschäftigung der Klägerin zu unveränderten Bedingungen verurteilt worden war. Daraus lässt sich, selbst wenn unmittelbar noch keine Zwangsvollstreckung gedroht haben sollte, nicht einmal schließen, sie habe eine Weiterbeschäftigung subjektiv wieder für zumutbar gehalten.

19

II. Das Landesarbeitsgericht war nicht wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs der Beklagten in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin sowie ihr Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 zutage getretene Verhalten der Klägerin zugrunde zu legen, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei seiner Würdigung zu berücksichtigen.

20

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

21

a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung(§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 43, BAGE 146, 303; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 30). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 20, BAGE 145, 278; vgl. auch BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; MüKoZPO/Prütting 5. Aufl. § 284 Rn. 66). Dies gilt ebenso für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot.

22

b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind(vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (ebenso Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 137; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 190, 193; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 339; vgl. auch Lunk NZA 2009, 457, 459). Das bestätigt auch ein Umkehrschluss aus § 1 Abs. 4 BDSG. Nach dieser Bestimmung gehen die Vorschriften des Gesetzes (lediglich) denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes „bei der Ermittlung des Sachverhalts“ vor.

23

c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist (ebenso Schreiber ZZP 2009, 227, 229). Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 44, BAGE 146, 303; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 21, BAGE 145, 278). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276). Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

24

d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 49, BAGE 146, 303). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29, BAGE 142, 176; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe).

25

e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 29; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 34 ff.; ähnlich OLG Karlsruhe 25. Februar 2000 - 10 U 221/99 - zu II 3 b der Gründe; aA Ahrens Der Beweis im Zivilprozess Kapitel 6 Rn. 29). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen(vgl. Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im einzelnen BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft. Hat das Gericht Anhaltspunkte dafür, dass für den Rechtsstreit relevante Erkenntnisse unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei gewonnen wurden, muss es daher prüfen, ob es das Vorbringen, selbst wenn es unbestritten bleibt, bei der Feststellung des Tatbestands berücksichtigen darf. Hiervon besteht nur eine Ausnahme, wenn die Partei auf die Geltendmachung der Rechtsverletzung wirksam verzichtet hat.

26

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitig gebliebenen Sachvortrag der Beklagten über das aus den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 ersichtliche Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der erstellten Pfandbuchung zugrunde zu legen. Ebenso wenig bestand ein Verbot, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei der Würdigung zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht hat dadurch keine Grundrechtsverletzung perpetuiert oder vertieft. Zwar griff die verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. Der Eingriff war aber aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten gerechtfertigt. Die Beklagte hat auch nicht dadurch, dass sie die in Auswertung des Materials gewonnenen Erkenntnisse zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien verwendete, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Einer näheren Erörterung, ob anderenfalls nicht nur ein Beweis-, sondern auch ein Sachvortragsverwertungsverbot bestanden hätte, bedarf es daher nicht.

27

a) Die Beklagte hat durch die Veranlassung der Videoaufzeichnungen, aus denen das Verhalten der Klägerin am 18. Dezember 2013 ersichtlich wurde, nicht unrechtmäßig in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen.

28

aa) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 50, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30, BAGE 142, 176; grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, aaO).

29

bb) Danach hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die von der Beklagten veranlasste verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs sei in Anbetracht der Inventurdifferenzen, der anderweitig durchgeführten, aber erfolglos gebliebenen Aufklärungsmaßnahmen und des gegenüber zwei Mitarbeiterinnen konkretisierten Diebstahlsverdachts gerechtfertigt gewesen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

30

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein anderes, milderes Mittel zur Aufklärung des fraglichen Verdachts habe nicht mehr zur Verfügung gestanden. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch die Klägerin hat einen solchen nicht aufgezeigt. Der ihres Erachtens gegebene Widerspruch zu dem Umstand, dass sie nicht zu dem Kreis der Verdächtigen gehört habe, besteht nicht. Eine verdeckte Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten darf nicht nur dann erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass von ihr ausschließlich Arbeitnehmer betroffen sind, hinsichtlich derer es bereits einen konkretisierten Verdacht gibt. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Soweit der Wortlaut der Bestimmung ein anderes Verständnis nahelegen könnte, ist er „verunglückt“. Die Regelung sollte - wie ausgeführt - die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern. Die Bestimmung orientiert sich vielmehr inhaltlich an den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht ua. in seinem Urteil vom 27. März 2003 (- 2 AZR 51/02 - BAGE 105, 356) zur verdeckten Überwachung von Beschäftigten aufgestellt hat (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Danach muss zwar der Kreis der Verdächtigen möglichst eingegrenzt sein, es ist aber nicht zwingend notwendig, dass eine Überwachungsmaßnahme in der Weise beschränkt werden kann, dass von ihr ausschließlich Personen erfasst werden, bezüglich derer bereits ein konkretisierter Verdacht besteht. Die Klägerin hat auch nicht etwa gerügt, das Landesarbeitsgericht habe tatsächliches Vorbringen übergangen, aus dem sich ergeben hätte, dass es ebenso gut möglich gewesen wäre, die Überwachung des Kassenbereichs ausschließlich bezogen auf die des Diebstahls verdächtigten Mitarbeiterinnen durchzuführen.

31

(2) Der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachungsmaßnahme steht damit nicht entgegen, dass sie in Bezug auf die Klägerin anlasslos war. Gab es kein milderes Mittel zur Aufklärung des bestehenden Diebstahlsverdachts gegen andere Mitarbeiterinnen als die konkret durchgeführte Überwachung, war der Eingriff - auch - in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin gerechtfertigt. Eine Dokumentation des Verdachts verlangt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ebenfalls lediglich insoweit, wie eine Maßnahme „zur“ Aufdeckung von Straftaten erfolgt.

32

cc) Aus § 6b Abs. 1 BDSG ergeben sich mit Blick darauf, dass zu den öffentlich zugänglichen Räumen im Sinne der Bestimmung auch öffentlich zugängliche Verkaufsräume gehören(BT-Drs. 14/4329 S. 38), keine weitergehenden Anforderungen. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob nicht bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz die Zulässigkeit der Maßnahme gem. § 32 BDSG als nach § 4 Abs. 1 BDSG erforderlicher Erlaubnistatbestand ohnehin ausreicht.

33

(1) Gemäß § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zulässig, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

34

(2) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG stellt seit Inkrafttreten der Bestimmung zumindest eine Konkretisierung dieses Tatbestands dar. Das berechtigte Interesse iSd. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist in diesem Fall die Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten. Sind die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gegeben, ist die Maßnahme jedenfalls im Verhältnis zu den von ihr betroffenen Arbeitnehmern auch nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig. Das Gebot der Kenntlichmachung gem. § 6b Abs. 2 BDSG ist insofern keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 51, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 41, BAGE 142, 176; Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 110; Bauer/Schansker NJW 2012, 3537; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; wohl auch Bayreuther DB 2012, 2222 ff.). Im Übrigen war hier auf die ohnehin bestehende offene Videoüberwachung der Filiale bereits durch entsprechende Hinweisschilder an den Eingängen hingewiesen.

35

b) Die Beklagte hat auch durch die weitere Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Videoaufzeichnungen nicht deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt.

36

aa) Die Verarbeitung - dh. hier insbesondere die Aufbewahrung zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) - und Nutzung der Daten war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.

37

(1) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

38

(2) Dies war hier der Fall. Die Aufzeichnungen begründeten zumindest den Verdacht, dass die Klägerin zu Lasten der Beklagten eine Unterschlagung begangen hatte. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen der Klägerin standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Insbesondere hatte die Beklagte die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin erlangt. Sie waren vielmehr - wie ausgeführt - im Rahmen einer zulässigen Videoüberwachung angefallen (zu diesem Erfordernis BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 56, BAGE 146, 303; Bayreuther Anm. zu AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 53 zu IV 1 b). Das zutage getretene Verhalten der Klägerin rechtfertigte auch die weitere Speicherung und Nutzung des Materials. Danach war nicht ausgeschlossen, dass sich die Klägerin unter Herstellung einer manipulierten Pfandbuchung bewusst auf Kosten der Beklagten bereichert und damit eine erhebliche Pflichtverletzung begangen hatte (zum Erfordernis der hinreichenden Gewichtigkeit des Verhaltensverstoßes ebenfalls BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; Bayreuther aaO).

39

(3) Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber alle anderen zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen auch bezüglich des zufällig aufgedeckten Fehlverhaltens bereits ausgeschöpft hatte (aA Eylert NZA-Beilage 2015, 100, 107). Dies ist, wenn es noch keinen entsprechenden Verdacht gab, weder möglich noch geboten. Eine Videoüberwachung muss zwar, um rechtmäßig zu sein, auch in der Art ihrer Durchführung ultima ratio zur Aufklärung des ihr zugrunde liegenden Verdachts sein. Ist dies aber der Fall, sind durch sie unvermeidbare Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte mitbetroffener Arbeitnehmer ebenfalls durch den Aufklärungszweck gerechtfertigt.

40

bb) Eine Unzulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen folgt nicht aus § 6b Abs. 3 BDSG.

41

(1) Nach Satz 1 der Bestimmung ist die Verarbeitung oder Nutzung von nach § 6b Abs. 1 BDSG erhobenen Daten zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Für einen anderen Zweck dürfen sie gem. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

42

(2) Eine weitere Speicherung und Verwendung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen wäre demnach möglich gewesen, wenn sie sich iSv. § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG im Rahmen des verfolgten Zwecks gehalten hätte oder - außerhalb des ursprünglich verfolgten Zwecks - zur „Verfolgung von Straftaten“ iSd. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG erfolgt wäre. Insofern käme es also darauf an, auf welche ursprüngliche Zwecksetzung abzustellen wäre: den ausweislich der Verfahrensmeldung nach § 4g BDSG festgelegten Beobachtungszweck der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“ oder den engeren, dem Betriebsrat genannten konkreten „Grund“ für den Kameraeinsatz, nämlich den Diebstahlsverdacht im Bereich Zigaretten/„NF“. Wäre für § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG die engere Zwecksetzung maßgeblich, setzte eine Rechtfertigung nach Satz 2 der Bestimmung voraus, dass zur „Verfolgung von Straftaten“ auch die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen aufgrund einer Straftat zählte(in diesem Sinne Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 29; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 340; aA wohl Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 124; in Art. 7 Buchst. f der - gem. EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f. eine Vollharmonisierung bewirkenden - Richtlinie 95/46/EG ist dagegen keinerlei explizites Zweckänderungsverbot enthalten).

43

(3) Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung. Die Regelung des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG stellt auch für die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten eines Beschäftigten, die der Arbeitgeber durch eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume erlangt hat, eine eigenständige, von den Voraussetzungen nach § 6b Abs. 3 BDSG unabhängige Erlaubnisnorm dar(offen gelassen BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 48, BAGE 146, 303; den „Datenschutz-Wirrwarr“ beklagen Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 3; unklar Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 50 f., 147; aA Jerchel/Schubert DuD 2015, 151, 152; Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 122; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 79). Ist danach eine bestimmte Datenverarbeitung oder -nutzung rechtmäßig, kommt es im Verhältnis zu den davon betroffenen Arbeitnehmern nicht darauf an, ob auch die Anforderungen gem. § 6b Abs. 3 BDSG erfüllt sind. Die Bestimmung schließt eine eigenständige Rechtfertigung der Datenverarbeitung nach § 32 BDSG vielmehr nicht aus(ebenso ErfK/Franzen 16. Aufl. § 6b BDSG Rn. 2). Diese Vorschrift dient speziell dem Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern in Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz (BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Dagegen soll § 6b BDSG - unabhängig von den aufgrund der engeren schuldrechtlichen Bindungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses bestehenden Interessen - den Schutz der Allgemeinheit vor einem Ausufern der Videoüberwachung im öffentlichen Raum gewährleisten(zum Ziel einer restriktiveren Verwendungspraxis Bericht und Beschlussempfehlung des Innenausschusses, BT-Drs. 14/5793 S. 61). Für die Eigenständigkeit der Erlaubnistatbestände des § 32 BDSG spricht auch, dass die Videoüberwachung nicht öffentlich zugänglicher (Arbeits-)Räume im BDSG nicht gesondert geregelt ist. Ihre Zulässigkeit richtet sich daher, soweit Arbeitnehmer betroffen sind, unzweifelhaft allein nach § 32 BDSG(ebenso Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 80). Es erschiene aber wenig plausibel, wenn bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz von Arbeitnehmern, die in öffentlich zugänglichen Räumen arbeiten, andere Maßstäbe gelten sollten als für Arbeitnehmer, die dies nicht tun.

44

III. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, ein Verwertungsverbot habe auch dann nicht bestanden, wenn der Betriebsrat bei der Auswertung der Videosequenz nicht beteiligt gewesen sein sollte. Selbst wenn die Videoüberwachung gänzlich ohne seine Mitbestimmung erfolgt wäre, er aber - wie hier - einer auf die erlangten Erkenntnisse gestützten Kündigung zugestimmt hat, verlangte die Missachtung seines Mitbestimmungsrechts dies nicht (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 105, 356). Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und § 77 BetrVG gebietet ein solches Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht, wenn die Verwertung der Information bzw. des Beweismittels nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 33; Lunk NZA 2009, 457, 463; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341 f.). Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Es geht um einen kollektiv-rechtlich vermittelten Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Soweit der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer betroffen ist, sind die Schutzzwecke der Norm und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO).

45

IV. Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Danach stand zu seiner Überzeugung fest, dass die Klägerin entgegen ihrer Behauptung keinen dem aus der Kasse entnommenen Geldbetrag entsprechenden Gegenwert in Form von Pfandflaschen oder -dosen in die Leergutbox eingeworfen hatte. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.

46

V. Entsprechendes gilt für die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Es hat angenommen, die Auswertung der Videoaufzeichnungen des Kassenbereichs habe beginnend mit dem 30. Dezember 2013 drei Wochen gebraucht, sodann habe am 20. Januar 2014 das Anhörungsgespräch mit der Klägerin stattgefunden. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin war dieser das Kündigungsschreiben vom 23. Januar 2014 am Folgetag und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 626 Abs. 2 BGB zugegangen.

47

VI. Das Landesarbeitsgericht hat - wenn auch ohne nähere Prüfung - zu Recht angenommen, der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört worden. Die Beklagte hatte ihn mit Anhörungsschreiben vom 22. Januar 2014 darüber informiert, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich fristlos, vorsorglich fristgerecht zu kündigen. Sie hat ihm die Kündigungsgründe in der in der Anlage beigefügten Begründung im Einzelnen mitgeteilt. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob sie darin die Warenbereiche zutreffend bezeichnet hatte, in denen sie zuvor Inventurdifferenzen festgestellt hatte. Zur nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erforderlichen Mitteilung der Kündigungsgründe gehört nicht die Information über die die Verwertbarkeit erlangter Informationen oder Beweismittel begründenden Umstände. Überdies war dem Betriebsrat aufgrund der von ihm erteilten Zustimmung zur verdeckten Videoüberwachung des Kassenbereichs bekannt, welche Inventurdifferenzen die Beklagte festgestellt hatte. Die Beklagte hat die Kündigung auch erst nach der Zustimmung des Betriebsrats am 23. Januar 2013 erklärt.

48

VII. Der als unechter Hilfsantrag nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte Antrag der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

49

VIII. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Koch    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Niebler    

        

    Die ehrenamtliche Richterin Alex ist
gehindert, ihre Unterschrift beizufügen.
Koch    

                 

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Mai 2015 - 4 Sa 1198/14 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt als Kfz-Vertragshändler an mehreren Standorten Verkaufshäuser und Servicebetriebe. Der Kläger war bei ihr seit August 1979 als Kraftfahrzeugmechaniker im Betrieb L, für den ein Betriebsrat gewählt ist, tätig. Dort beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter - den Kläger eingerechnet - fünf Werkstattmitarbeiter.

3

Zum Betrieb L gehört ein Ersatzteillager, das von zwei Mitarbeitern betreut wird. Bis Herbst 2013 war es den Werkstattmitarbeitern grundsätzlich erlaubt, Ersatzteile, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit benötigten, eigenhändig aus dem Lager zu entnehmen. Wurden solche Teile nicht einzeln verkauft oder in Fahrzeugen verbaut, wurden sie später auf einer vor den Regalen des Lagers eingerichteten Theke abgelegt und danach durch die Lageristen wieder in den Bestand einsortiert.

4

Bei Inventuren im November 2013 und Mitte Februar 2014 verzeichnete die Beklagte jeweils einen Fehlbestand von Ersatzteilen. Mit Aushang vom 27. Februar 2014 machte sie die Differenzen betriebsöffentlich. Zugleich untersagte sie - mit Ausnahme der beiden Lageristen - allen Mitarbeitern für die Zukunft den Zutritt zum Lager und verbot ihnen, Teile aus den Regalen zu nehmen. Der Kläger nahm dies zur Kenntnis.

5

Nachdem anschließende Gespräche mit den Lagermitarbeitern keinen Aufschluss über die Fehlbestände erbracht hatten und - wie im angefochtenen Urteil als unstreitig festgestellt - „auch die Mitteilung vom Februar 2014 nicht [geholfen hatte]“, ließ die Beklagte am 22. März 2014 im Betrieb L eine Videokamera installieren, mittels derer die Vorgänge im Ersatzteillager fortan aufgezeichnet wurden. Von dieser Maßnahme hatten nur die Lageristen und der vor Ort eingesetzte Betriebsleiter Kenntnis. Auch den Betriebsrat beteiligte die Beklagte nicht.

6

Der Betriebsleiter wertete am Abend des 6. August 2014 die Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 aus. Auf diesen ist zu sehen, dass der Kläger das Ersatzteillager betrat, aus einem Regal ein Paket Bremsklötze entnahm und es sodann in seiner Hosentasche verstaute. Der weitere Inhalt der Videoaufnahme ist zwischen den Parteien umstritten.

7

In einem Personalgespräch am 14. August 2014 spielte die Beklagte dem Kläger die Aufzeichnung vom 15. Juli 2014 vor und lastete ihm an, er habe sich das aus dem Lager entnommene Paket rechtswidrig zugeeignet. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Der Kläger äußerte, er habe keine Erklärung für den Vorgang. „Natürlich“ wolle er „wegen eines solchen Teils“ nicht seinen Arbeitsplatz „riskieren“. Auf weiteren Vorhalt gab er an, aus Sicht der Beklagten würde er sein Verhalten ebenso wie diese bewerten.

8

Mit Schreiben vom 19. August 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos und mit weiterem Schreiben vom 25. August 2014 vorsorglich ordentlich zum 31. März 2015. Der zuvor mit Schreiben vom 15. August 2014 angehörte Betriebsrat hatte sich zu der ihm mitgeteilten Kündigungsabsicht nicht geäußert.

9

Der Kläger hat mit der rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, beide Kündigungen seien unwirksam. Das auf dem Videomitschnitt vom 15. Juli 2014 dokumentierte Verhalten indiziere nicht einmal den Verdacht einer rechtswidrigen Wegnahme der Bremsklötze. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass er die Teile aus dem Betrieb der Beklagten entfernt habe. Ebenso gut könne es sein, dass eine dienstliche Verwendung der Bremsklötze fälschlich nicht dokumentiert worden sei. Unabhängig davon habe die Beklagte die Videoaufzeichnungen unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats erlangt. Beides führe dazu, dass die Mitschnitte als Beweismittel und das hierauf gestützte Vorbringen der Beklagten, auch soweit es unstreitig geblieben sei, prozessual nicht verwertbar seien. Entsprechendes gelte für seine Einlassung im Personalgespräch, die auf das Vorspielen der Videoaufnahme zurückzuführen sei.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung vom 25. August 2014 aufgelöst worden ist;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. zu den derzeit geltenden Arbeitsbedingungen als Kfz-Mechaniker in der Filiale bzw. Niederlassung L weiterzubeschäftigen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Kläger habe am Morgen des 15. Juli 2014 das Lager im Abstand von wenigen Minuten dreimal betreten und jeweils zügig wieder verlassen. Die beiden ersten Male habe sich der Kläger in dem Bereich umgesehen und sich dabei der Abwesenheit der Lageristen vergewissert. Beim dritten Zutritt sei er unmittelbar auf das Regal mit den Bremsklötzen zugesteuert und habe die unstreitige Entnahme vorgenommen. Das Verhalten indiziere eine Zueignungsabsicht. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Dafür spreche schon die Missachtung des Zutrittsverbots. Soweit der Kläger vorgebracht habe, der Leiter des Lagers habe ihm nach der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 für dringende Ausnahmefälle das Betreten des Lagers und die Entnahme von Ersatzteilen erlaubt, handele es sich um eine Schutzbehauptung. Jedenfalls entsprächen die Ausführungen nicht der Wahrheit. Ein freier Verkauf der Bremsklötze oder deren Einbau in ein passendes Fahrzeug sei ebenso auszuschließen wie eine Rückführung der Teile ins Lager. Es sei ihr - der Beklagten - auch nicht prozessual verwehrt, sich auf unstreitige Tatsachen zu berufen, von denen sie unmittelbar oder mittelbar durch die Videoaufzeichnungen Kenntnis erlangt habe. Entsprechendes gelte für eine beweisrechtliche Verwertung der Mitschnitte. Im Zeitpunkt der Aufzeichnungen habe der begründete Verdacht rechtswidriger Entwendungen von Ersatzteilen durch Mitarbeiter bestanden. Die Lageristen hätten, um sich selbst zu entlasten, einer zeitlich begrenzten Überwachung ihres Arbeitsbereichs zugestimmt. Erfolgversprechende Möglichkeiten, den Kreis der Verdächtigen weiter einzugrenzen, hätten nicht bestanden. Demgegenüber sei der Kläger nur deshalb von der Aufzeichnung erfasst worden, weil er sich über das Zutrittsverbot hinweggesetzt habe. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen den Vortrag der Beklagten über den Vorfall vom 15. Juli 2014 nicht unberücksichtigt lassen und der Klage stattgeben (I.). Der Senat vermag die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 19. August 2014 nicht abschließend zu beurteilen (II.). Dies führt insgesamt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

14

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es sei wegen eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG, der nicht durch überwiegende schutzwürdige Interessen der Beklagten gerechtfertigt sei, daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 zutage getretene Verhalten des Klägers zugrunde zu legen.

15

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

16

a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung(§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - zu C II 4 a aa der Gründe, BVerfGE 106, 28). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage. Dies gilt nicht anders für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 21).

17

b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 22).

18

c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 23; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

19

d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94, BVerfGE 117, 202). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe).

20

e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 25 mwN, auch zur gegenteiligen Auffassung). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen(Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im Einzelnen BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen grundsätzlich unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - aaO).

21

2. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob durch die Herstellung der Videoaufzeichnungen das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung sowie sein Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG verletzt wurden. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und einer darauf bezogenen tatrichterlichen Würdigung. Es ist nicht auszuschließen, dass der Einsatz der verdeckten Videoaufzeichnung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zulässig war.

22

a) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 28). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, BAGE 146, 303).

23

b) Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Würdigung, die Informationsgewinnung mittels Videoaufzeichnung sei unzulässig, weil bei Beginn der Aufzeichnungen ein konkreter Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen strafbaren Handlung oder einer ähnlich schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers nicht bestanden habe, nicht sämtliche fallrelevanten Umstände in Betracht gezogen.

24

aa) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass vor Einrichtung der Videoüberwachung Inventurdifferenzen aufgetreten waren. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ermöglicht eine Videoüberwachung auch dann, wenn nur ein Teil der Differenzen ihre Ursache in Straftaten von Arbeitnehmern gegen das Vermögen der Beklagten haben. Es gibt keinen Rechtssatz, nach dem ausschließlich dem Volumen nach „erhebliche“ Defizite einen Anhaltspunkt für strafbares Mitarbeiterverhalten bieten können. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

25

bb) Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu den im November 2013 und Februar 2014 aufgetretenen Inventurdifferenzen keinen substantiierten Vortrag gehalten hat. Es durfte aber nicht ohne darauf bezogenen Sachvortrag annehmen, dass sämtliche Differenzbestände durch Fehler in der elektronischen Dokumentation ihres Betriebs verursacht sein konnten. Insbesondere wenn in kurzen zeitlichen Abständen Fehlbestände aufgetreten waren, die leicht zu entfernende Teile betrafen, kann dies nach der Lebenserfahrung auf Straftaten der sich in den Lagerräumen aufhaltenden Mitarbeiter hindeuten. Ähnliches gilt für das als unstreitig festgestellte Vorbringen der Beklagten, der Aushang vom 27. Februar 2014 habe nicht „geholfen“. Mit dem Sinngehalt dieser Behauptung hat sich das Landesarbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass darin der - verkürzte - Vortrag liegt, nach dem Zutrittsverbot seien weitere Differenzen aufgetreten. Bejahendenfalls machte dies Vermögensdelikte zum Nachteil der Beklagten zumindest im Sinne eines „Anfangsverdachts“ aber umso wahrscheinlicher. Ein solcher, durch konkrete Tatsachen belegter „einfacher“ Verdacht ist im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ausreichend(vgl. BeckOK DatenSR/Riesenhuber BDSG 17. Edition § 32 Rn. 118; im Ergebnis ebenso Simitis/Seifert BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 104; zum Erfordernis eines „einfachen Tatverdachts“ als Voraussetzung für Maßnahmen nach § 100a StPO vgl. BGH 11. August 2016 - StB 12/16 - Rn. 9). Ein „dringender“ Tatverdacht, der einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Straftaten voraussetzte (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30), ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Diesem Verständnis entsprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Es geht darum, schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten aufgrund vager Anhaltspunkte oder bloßer Mutmaßungen auszuschließen.

26

cc) Die Beklagte hat die Fehlbestände betriebsöffentlich gemacht und durch das im Februar 2014 ausgesprochene - nach ihrem unter Beweis gestellten Vortrag ausnahmslose - Zutrittsverbot sichergestellt, dass Ersatzteile nur von den im Lager beschäftigten Mitarbeitern ausgehändigt werden. Die Videoaufzeichnung richtete sich damit nur noch gegen die beiden Lagermitarbeiter, die sich nach dem Vorbringen der Beklagten mit einer solchen Maßnahme grundsätzlich einverstanden erklärt hatten, und gegen solche Mitarbeiter, die sich möglicherweise vertragswidrig im Bereich des Lagers aufhielten. Bei diesen Personen bestand aber ein konkreter, über bloße Mutmaßungen hinausgehender Verdacht, dass sie sich unberechtigt Ersatzteile aneignen. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht in Betracht gezogen.

27

c) Die Videoüberwachung erweist sich nicht aus anderen Gründen als unverhältnismäßig. Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ersichtlich, dass andere Mittel zur Aufklärung des Verdachts und zur Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises zur Verfügung gestanden hätten, die weniger stark in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen hätten und mittels derer der Zweck der Überwachung mit vergleichbarer Erfolgsaussicht hätte erreicht werden können.

28

aa) Die Beklagte hat im Anschluss an den Aushang vom Februar 2014 mit ihren Lageristen Gespräche geführt, die zur Aufklärung der Ursachen für die Inventurdifferenzen nichts beitrugen. Sie hat insoweit diejenigen Arbeitnehmer angesprochen, die für die Verwaltung des Lagerbestands verantwortlich zeichneten und ggf. über den Verbleib von Ersatzteilen hätten Auskunft geben können. Gespräche mit den Werkstattmitarbeitern musste sie nicht in gleicher Weise als erfolgversprechend ansehen. Aufgrund ihrer innerbetrieblichen Bekanntmachungen konnte sie vielmehr davon ausgehen, diese würden ggf. von sich aus Mitteilung machen, falls sie Aufschluss über mögliche Fehlerquellen hätten geben können und wollen.

29

bb) Eine effektive Überwachung durch Vorgesetzte oder Kollegen war nicht denkbar. Ebenso wenig lag in der offenen Videoüberwachung eine „mildere“ Alternative. Sie hätte sich vor dem angestrebten Zweck der Aufdeckung von Straftaten nicht als gleichermaßen wirksam wie die - zumindest aus Sicht der meisten Mitarbeiter - verdeckte Beobachtung erwiesen. Das in Rede stehende strafbare Verhalten war seiner Natur nach auf Heimlichkeit angelegt. Zur Aufdeckung solcher Verhaltensweisen können offene Überwachungen regelmäßig nichts beitragen (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (2) der Gründe, BAGE 105, 356; ebenso Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 331, 335). Soweit der Kläger bemängelt, die initiierte Überwachung habe nicht zur Aufklärung in der Vergangenheit liegender Straftaten führen können, übersieht er zum einen die mögliche indizielle Wirkung, die der Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen für die Beurteilung bereits abgeschlossener Sachverhalte zukommen kann. Zum anderen bezieht sich § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG allgemein auf die „Aufdeckung von Straftaten“, was die Gewinnung von Erkenntnissen über - aufgrund konkreter Anhaltspunkte - vermutete künftige strafbare Handlungen im Beschäftigungsverhältnis einschließt.

30

cc) Der Beklagten kann nicht entgegen gehalten werden, sie habe vorrangig eine Aufklärung durch Taschenkontrollen oder gar die Visitation von Kleidung versuchen müssen. Im Rahmen solcher Maßnahmen wäre der Beklagten eine vergleichbare Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises wie bei der lediglich auf das Lager ausgerichteten Videoüberwachung schwerlich möglich gewesen. Unabhängig davon griff die initiierte Beobachtung nicht stärker in das allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffener Arbeitnehmer ein als dies bei der Vornahme von Tor- bzw. Taschenkontrollen der Fall gewesen wäre. Solche Kontrollen berühren typischerweise die Privatsphäre der hiervon erfassten Arbeitnehmer (BAG 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 43, BAGE 148, 26). Die Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen unterstellt wären ihnen auch Beschäftigte ausgesetzt gewesen, die das Zutrittsverbot ausnahmslos beachteten und von denen jedenfalls eine Gefährdung des Eigentums oder der Besitzrechte der Beklagten an den Ersatzteilen nicht (mehr) ausging. Demgegenüber traf die Videoüberwachung den Kläger weder in seiner Intim- noch in der Privatsphäre. Zwar kann sich eine besonders hohe Intensität eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht auch aus der Dauer der Beobachtung ergeben, wie dies bei heimlichen Beobachtungen der Fall ist, denen Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsbereich während der gesamten Dauer ihrer Arbeitszeit ausgesetzt sind. Von einer solch massiven Beobachtung waren der Kläger und andere Mitarbeiter, denen der Zutritt zum Lager verwehrt worden war, aber nicht betroffen. Soweit dies im Fall der Lageristen anders zu beurteilen ist, handelte es sich um Personen, die gleichfalls zum Kreis der Verdächtigen rechneten. Überdies hatten sie der Überwachung zugestimmt.

31

dd) Der mit der verdeckten Videoüberwachung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers war insgesamt nicht unangemessen. Die Überwachung betraf ausgehend von dem Vorbringen der Beklagten allein das Lager und damit den räumlichen Bereich, auf den sich der Verdacht bezog. Gegenteiliges ist weder festgestellt, noch hat der Kläger substantiierten Gegenvortrag gehalten. Im Verhältnis zu Arbeitnehmern, die sich ohne Erlaubnis im Lager aufhielten, war die Eingriffsintensität selbst unter Berücksichtigung der Dauer des Kameraeinsatzes gering. Dieser Bewertung steht nicht die Behauptung des Klägers entgegen, der Laufweg zu einem Raum, in dem sich Ersatzwerkzeug für die Werkstattmitarbeiter befunden habe, führe durch bestimmte Bereiche des Lagers. Daraus folgt nicht, dass das Zutrittsverbot lediglich eine eingeschränkte Gültigkeit gehabt hätte. Der wegen des permanenten Überwachungsdrucks ungleich schwerere Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Lageristen war grundsätzlich durch deren Einwilligung gedeckt.

32

ee) Es spricht viel dafür, dass Letzteres auch vor dem Hintergrund gilt, dass die Lageristen gemäß eigenem Vorbringen der Beklagten der Überwachung lediglich „zeitlich begrenzt“ zugestimmt hatten. Damit wollten sie erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die Einwilligung jedenfalls nach der Aufdeckung von Straftaten anderer Arbeitnehmer, die zugleich ihrer eigenen Entlastung dienen würde, keine Wirkung mehr entfalten sollte.

33

3. Selbst unterstellt, eine durchgängige Beobachtung bis Mitte Juli 2014 wäre von der fraglichen Zustimmung der Lageristen nicht mehr gedeckt gewesen und die Videoüberwachung erwiese sich unter diesem Gesichtspunkt als unverhältnismäßig, führte dies nicht zu einem Verbot der Verwertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 und des hierauf gestützten unstreitigen Sachvortrags der Beklagten im Kündigungsschutzprozess mit dem Kläger. Der Schutzzweck des BDSG gebietet es nicht, dem Arbeitgeber aus generalpräventiven Gründen eine prozessuale Verwertung datenschutzrechtswidrig erlangter Informationen zu verwehren. Ein Verbot kommt nur in Betracht, wenn mit der Verwertung ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Prozesspartei einhergeht. Ein solcher Eingriff scheidet aber aus, wenn die Unzulässigkeit der Videoüberwachung allein aus der (Dritt-)Betroffenheit anderer Beschäftigter resultiert (Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Dzida/Grau NZA 2010, 1201, 1202 f.; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341; wohl aA Bayreuther NZA 2005, 1038, 1042; Otto Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber seinen Dokumentationspflichten gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, die grundsätzlich vor der Datenerhebung zu erfüllen sind, nur unvollständig nachgekommen ist. Die Vorgabe verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern (Tinnefeld/Petri/Brink MMR 2010, 727, 732). Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauern kann und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (ähnlich Alter NJW 2015, 2375, 2380).

34

4. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats hindert die Verwertung der Videoaufzeichnungen ebenso wenig.

35

a) Allerdings hat der Betriebsrat bei der Videoüberwachung von Betriebsräumen der Arbeitgeberin nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen. Eine Videoüberwachungsanlage ist im Sinne dieser Norm eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (BAG 11. Dezember 2012 - 1 ABR 78/11 - Rn. 16 ff., BAGE 144, 109).

36

b) Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der Betriebsrat bei der Installation der Videoüberwachung oder jedenfalls der Auswertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 beteiligt gewesen wäre. Dies führt für sich genommen aber nicht dazu, dass die Aufzeichnung als Beweismittel oder Sachvortrag, der sich auf daraus erlangte Erkenntnisse stützt, prozessual unverwertbar wäre. Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet die Annahme eines solchen Verwertungsverbots jedenfalls dann nicht, wenn die Verwendung und Verwertung eines Beweismittels und/oder daraus gewonnener, unstreitiger Informationen nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist. Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen des Arbeitgebers nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Soweit die Norm - wenngleich kollektivrechtlich vermittelt - dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer dient, sind die Schutzzwecke von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 44).

37

II. Danach hat das Landesarbeitsgericht wesentliche Teile des zur Begründung der ausgesprochenen Kündigungen gehaltenen Vortrags der Beklagten zu Unrecht nicht berücksichtigt. Dies führt zur Aufhebung seiner Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

38

1. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zu Inventurdifferenzen und zur Entwicklung nach dem Aushang vom 27. Februar 2014 nur unvollständig gewürdigt. Soweit das betreffende Vorbringen einer weiteren Klarstellung bedarf, wird es die Beklagte dazu anzuhalten haben. Ist danach wahrscheinlich, dass die Fehlbestände auch auf unberechtigten Entnahmen beruht haben, wird das Landesarbeitsgericht für die Zeit nach Ausspruch des Zutrittsverbots von einem konkreten, durch Tatsachen belegten Anfangsverdacht einer Straftat jedenfalls durch Arbeitnehmer auszugehen haben, die das Lager vertragswidrig betreten haben.

39

2. Danach würde die weitere Verarbeitung und Nutzung der den Kläger betreffenden Videoaufzeichnungen nicht dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen. Die Verarbeitung - dh. hier insbesondere die Aufbewahrung der Mitschnitte zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) - und deren weitere Verwendung im vorliegenden Verfahren war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.

40

a) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

41

b) Dies wäre hier der Fall. Die Aufzeichnungen vom 15. Juli 2014 begründeten zumindest den Verdacht, dass der Kläger zu Lasten der Beklagten eine Straftat begangen hat. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen des Klägers standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Beklagte - was hier nicht auszuschließen ist - die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers erlangt hat.

42

3. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 19. August 2014 aufgelöst worden ist.

43

a) Das bisherige Vorbringen der Beklagten kann - seine Verwertbarkeit unterstellt und unbeschadet der grundsätzlich dem Landesarbeitsgericht vorbehaltenen abschließenden Interessenabwägung - gem. § 626 Abs. 1 BGB sowohl eine außerordentliche Tat- als auch Verdachtskündigung rechtfertigen.

44

aa) Welche Beweiskraft den von der Beklagten vorgetragenen Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau mit der unstreitigen Wegnahmehandlung im Hinblick auf die Beurteilung zukommt, ob sich der Kläger eines Diebstahls oder einer Unterschlagung zulasten der Beklagten schuldig gemacht hat oder ob zumindest ein dahingehender dringender Verdacht besteht, ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, die dem Revisionsgericht entzogen ist(BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35, BAGE 152, 47; zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43, BAGE 149, 355).

45

bb) Anhaltspunkte für eine Rechtfertigungslage hat der Kläger, den insoweit eine abgestufte Darlegungslast trifft (zuletzt BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 40), bisher nicht schlüssig aufgezeigt. Zwar mag es in der Vergangenheit üblich gewesen sein, dass Mitarbeiter der Beklagten Ersatzteile für den Transport aus dem Lager in die Werkstatt in ihrer Kleidung verstauten. Darauf kann sich der Kläger aber nicht stützen, weil sich die Weisungslage mit dem Ende Februar 2014 angeordneten Zutrittsverbot verändert hatte. Sein Vorbringen, er habe mit dem für das Lager zuständigen Leiter abweichende Vereinbarungen getroffen, ist in zeitlicher und räumlicher Hinsicht bisher vollkommen unsubstantiiert. Zudem hat die Beklagte ihren betreffenden Gegenvortrag unter Beweis gestellt. Unabhängig davon lässt das Vorbringen des Klägers nicht erkennen, dass er sich im Zusammenhang mit der eigenhändigen Entnahme des Pakets Bremsklötze an die behauptete individuelle Absprache mit dem Lagerleiter gehalten und dementsprechend die Lageristen zumindest nachträglich über die Mitnahme von Ersatzteilen in deren Abwesenheit unterrichtet hat. Auch dies spricht nicht für ein redliches Vorgehen, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass sein Verhalten insgesamt auf Heimlichkeit angelegt war. Soweit der Kläger überdies geltend gemacht hat, es sei nicht auszuschließen, dass die Bremsklötze in einem Fahrzeug der entsprechenden Typenklasse eingebaut worden seien oder er alternativ - wie in der Vergangenheit üblich - das Paket auf der Theke vor dem Lager abgelegt habe, hat er nicht etwa einen konkreten, ihn entlastenden Geschehensablauf dargestellt, sondern rein hypothetische Sachverhaltsvarianten präsentiert. Ob sich dies unter Berücksichtigung seiner Einlassung im Personalgespräch vom 14. August 2014 mit Erinnerungslücken hinreichend erklären lässt, wird ggf. vom Landesarbeitsgericht zu bewerten sein.

46

cc) Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer sog. „Tatkündigung“ hängt materiell-rechtlich nicht davon ab, ob die Beklagte im Kündigungszeitpunkt alles ihr Mögliche und Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts - auch in Richtung einer denkbaren Entlastung des Klägers - unternommen hatte (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 38). Sollte es auf ihre Wirksamkeit als Verdachtskündigung ankommen, wird das Landesarbeitsgericht zu bewerten haben, ob die Beklagte ihrer diesbezüglich bestehenden Aufklärungspflicht nachgekommen ist, was allerdings nicht fernliegt. Dem sie dabei treffenden Erfordernis einer Anhörung des Klägers ist - soweit ersichtlich - Genüge getan.

47

b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Ihr Vorbringen ist schlüssig. Nach ihrem - offenbar unstreitig gebliebenen - Vortrag hat ihr allein kündigungsberechtigter Geschäftsführer von den maßgeblichen Tatsachen erst am 7. August 2014 Kenntnis erlangt. Ausgehend vom Zugang der fristlosen Kündigung am 19. August 2014 wäre die Zweiwochenfrist eingehalten. Das gilt allemal gerechnet ab dem Zeitpunkt des Personalgesprächs vom 14. August 2014. Ob ihr Betriebsleiter aufgrund des Ergebnisses einer am 16. Juli 2014 durchgeführten Bestandsaufnahme, bei der nach dem Vorbringen der Beklagten bereits das Fehlen eines Pakets Bremsklötze verzeichnet worden sein soll, gehalten war, eine Sichtung der Videobänder bereits vor dem 6. August 2014 vorzunehmen, kann dahinstehen. Daraus ergibt sich nach dem bisherigen Streitstand keine Verzögerung, die der Beklagten im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB anzulasten wäre. Kenntnisse nicht kündigungsberechtigter Personen muss sich der Arbeitgeber nur ausnahmsweise nach § 242 BGB zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung für eine Zurechnung ist weiter, dass die Verspätung, mit der der Kündigungsberechtigte in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs beruht (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 28). Dafür fehlt es derzeit an Anhaltspunkten.

48

c) Der Kläger hat seine zunächst „vorsorglich“ erhobene Rüge, es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs. 1 BetrVG), in erster Instanz ausdrücklich fallen gelassen. Unabhängig davon sind Mängel im Anhörungsverfahren auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht zu erkennen.

49

4. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegen auch die weiteren Klageanträge. Über den Kündigungsschutzantrag betreffend die ordentliche Kündigung vom 25. August 2014 ist abhängig vom Ausgang des Streits über die außerordentliche Kündigung zu erkennen. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, beide Kündigungen seien unwirksam, wird es zu berücksichtigen haben, dass sich der Weiterbeschäftigungsantrag dem Wortlaut nach auf ein Obsiegen mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1. bezieht, der sich gegen die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 richtet. Diesem Begehren durfte es nicht stattgeben, ohne der Frage nachzugehen, ob der Antrag überhaupt auf eine vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers nach Ablauf des Termins der ordentlichen Kündigung vom 25. August 2014 gerichtet ist und - bejahendenfalls - ob er ein entsprechendes Verlangen hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO)zum Ausdruck bringt.

50

5. Von weiteren Hinweisen sieht der Senat ab.

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Söller    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2015 - 7 Sa 1078/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels. Die Klägerin war bei ihr seit November 1998, zuletzt als stellvertretende Filialleiterin, beschäftigt. Sie war überwiegend als Kassiererin eingesetzt.

3

Die Beklagte stellte im Oktober 2013 für die Beschäftigungsfiliale der Klägerin einen Inventurverlust in den Warengruppen Tabak/Zigaretten und „Nonfood“ in Höhe von mehr als des Zehnfachen im Verhältnis zur vorausgegangenen Inventur fest. Die Ergebnisse von daraufhin durchgeführten Recherchen ließen aus ihrer Sicht nur den Schluss zu, dass der Verlust vom Personal zu verantworten sei. Weitere Kontroll- und Revisionsmaßnahmen sowie die Überprüfung der Mitarbeiter durch Taschenkontrollen führten nicht zur Aufklärung.

4

Die Beklagte beantragte daraufhin beim Betriebsrat die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung im Kassenbereich im Zeitraum vom 15. bis 29. Dezember 2013 zum Zwecke der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“. Als „Grund“ gab sie „Diebstahl Zigaretten/NF“ an, wobei sich die Videoüberwachung gegen die Mitarbeiterinnen D und M richten solle. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Videoüberwachung zu.

5

Die Filiale wurde unabhängig davon auch insgesamt offen videoüberwacht. An ihren Zugängen befanden sich entsprechende Hinweisschilder.

6

Einer Videosequenz der verdeckten Überwachung des Kassenbereichs vom 18. Dezember 2013 war zu entnehmen, dass die Klägerin eine dort befindliche „Musterpfandflasche“ über den Scanner gezogen, eine Leergutregistrierung durchgeführt, die Kassenlade geöffnet und Geld aus der Kassenlade genommen hatte, welches sie zunächst im Kassenbereich abgelegt und zu einem späteren Zeitpunkt in ihre Tasche gesteckt hatte. Der von ihr erstellte Kassenbon wies eine Pfandbarauszahlung iHv. 3,25 Euro für 13 Pfandflaschen bzw. -dosen aus.

7

Während eines am 20. Januar 2014 geführten Anhörungsgesprächs wurde der Klägerin die Videosequenz vorgespielt. Ihre Reaktion hierauf und der genaue Inhalt des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig geblieben.

8

Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachts-/bzw. Tatkündigung an. Der Betriebsrat stimmte den beabsichtigten Kündigungen am 23. Januar 2014 zu.

9

Mit Schreiben vom gleichen Tag kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Kündigungstermin.

10

Dagegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Ein Grund für die außerordentliche oder die ordentliche Kündigung liege nicht vor. Sie habe am fraglichen Tag bereits beim Betreten der Filiale kurz vor 10:00 Uhr Leergut in die Pfandbox eingeworfen. Darauf habe sich der Vorgang gegen Mittag desselben Tages bezogen, als sie die Musterpfandflasche eingescannt und das Pfandgeld entnommen habe. Die Beklagte habe überdies die Frist zur Erklärung der außerordentlichen Kündigung gem. § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 beendet wird;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als stellvertretende Filialleiterin weiter zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe einen regulären Kassiervorgang manipuliert, um sich auf diese Weise persönlich zu bereichern.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 sei wirksam.

15

I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es liege ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16

1. Die Manipulation eines Kassenvorgangs zum Zweck, sich selbst auf Kosten des Arbeitgebers zu bereichern, ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Verschafft sich ein Arbeitnehmer vorsätzlich auf Kosten des Arbeitgebers einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil, verletzt er erheblich seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB). Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen daher typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 13 und 15, BAGE 145, 278; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

17

2. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Interessenabwägung ohne Rechtsfehler angenommen, die langjährige unbeanstandete Beschäftigung der Klägerin in der Vergangenheit vermöge den eingetretenen Vertrauensverlust im Ergebnis nicht aufzuwiegen. Dabei hat es in seine Würdigung auch einbezogen, dass der Schaden mit 3,25 Euro relativ gering sei. Es hat jedoch zutreffend zu Lasten der Klägerin berücksichtigt, dass sie sich nach seinen Feststellungen bewusst, heimlich und durch eine gezielte Manipulation der Kassenvorgänge auf Kosten der Beklagten bereichert habe. Der dadurch bewirkte Vertrauensbruch wiegt bei einer stellvertretenden Filialleiterin und Kassiererin besonders schwer. Die Beklagte muss bei einer Arbeitnehmerin in dieser Position von uneingeschränkter Vertrauenswürdigkeit bei der Tätigkeit, insbesondere bei der Bedienung der Kasse, ausgehen können.

18

3. Das Landesarbeitsgericht hat es zu Recht als unerheblich angesehen, dass die Klägerin nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils von der Beklagten in ihrer bisherigen Tätigkeit weiterbeschäftigt worden ist. Zum einen kommt es für die Wirksamkeit der Kündigung auf die Umstände im Zeitpunkt ihres Zugangs an (vgl. BAG 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, BAGE 149, 367). Zum anderen ist allein maßgeblich, ob zu diesem Zeitpunkt Tatsachen gegeben waren, die es dem Arbeitgeber objektiv unzumutbar machten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 29; für die ordentliche Kündigung vgl. BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 34). Hierauf hat es keinen Einfluss, wenn die Beklagte der Klägerin mehr als acht Monate nach der Kündigung eine Prozessbeschäftigung angeboten hat. Im Übrigen hat sie das Angebot erst unterbreitet, nachdem sie erstinstanzlich zur Weiterbeschäftigung der Klägerin zu unveränderten Bedingungen verurteilt worden war. Daraus lässt sich, selbst wenn unmittelbar noch keine Zwangsvollstreckung gedroht haben sollte, nicht einmal schließen, sie habe eine Weiterbeschäftigung subjektiv wieder für zumutbar gehalten.

19

II. Das Landesarbeitsgericht war nicht wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs der Beklagten in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin sowie ihr Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 zutage getretene Verhalten der Klägerin zugrunde zu legen, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei seiner Würdigung zu berücksichtigen.

20

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

21

a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung(§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 43, BAGE 146, 303; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 30). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 20, BAGE 145, 278; vgl. auch BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; MüKoZPO/Prütting 5. Aufl. § 284 Rn. 66). Dies gilt ebenso für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot.

22

b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind(vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (ebenso Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 137; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 190, 193; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 339; vgl. auch Lunk NZA 2009, 457, 459). Das bestätigt auch ein Umkehrschluss aus § 1 Abs. 4 BDSG. Nach dieser Bestimmung gehen die Vorschriften des Gesetzes (lediglich) denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes „bei der Ermittlung des Sachverhalts“ vor.

23

c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist (ebenso Schreiber ZZP 2009, 227, 229). Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 44, BAGE 146, 303; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 21, BAGE 145, 278). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276). Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

24

d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 49, BAGE 146, 303). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29, BAGE 142, 176; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe).

25

e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 29; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 34 ff.; ähnlich OLG Karlsruhe 25. Februar 2000 - 10 U 221/99 - zu II 3 b der Gründe; aA Ahrens Der Beweis im Zivilprozess Kapitel 6 Rn. 29). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen(vgl. Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im einzelnen BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft. Hat das Gericht Anhaltspunkte dafür, dass für den Rechtsstreit relevante Erkenntnisse unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei gewonnen wurden, muss es daher prüfen, ob es das Vorbringen, selbst wenn es unbestritten bleibt, bei der Feststellung des Tatbestands berücksichtigen darf. Hiervon besteht nur eine Ausnahme, wenn die Partei auf die Geltendmachung der Rechtsverletzung wirksam verzichtet hat.

26

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitig gebliebenen Sachvortrag der Beklagten über das aus den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 ersichtliche Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der erstellten Pfandbuchung zugrunde zu legen. Ebenso wenig bestand ein Verbot, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei der Würdigung zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht hat dadurch keine Grundrechtsverletzung perpetuiert oder vertieft. Zwar griff die verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. Der Eingriff war aber aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten gerechtfertigt. Die Beklagte hat auch nicht dadurch, dass sie die in Auswertung des Materials gewonnenen Erkenntnisse zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien verwendete, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Einer näheren Erörterung, ob anderenfalls nicht nur ein Beweis-, sondern auch ein Sachvortragsverwertungsverbot bestanden hätte, bedarf es daher nicht.

27

a) Die Beklagte hat durch die Veranlassung der Videoaufzeichnungen, aus denen das Verhalten der Klägerin am 18. Dezember 2013 ersichtlich wurde, nicht unrechtmäßig in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen.

28

aa) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 50, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30, BAGE 142, 176; grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, aaO).

29

bb) Danach hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die von der Beklagten veranlasste verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs sei in Anbetracht der Inventurdifferenzen, der anderweitig durchgeführten, aber erfolglos gebliebenen Aufklärungsmaßnahmen und des gegenüber zwei Mitarbeiterinnen konkretisierten Diebstahlsverdachts gerechtfertigt gewesen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

30

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein anderes, milderes Mittel zur Aufklärung des fraglichen Verdachts habe nicht mehr zur Verfügung gestanden. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch die Klägerin hat einen solchen nicht aufgezeigt. Der ihres Erachtens gegebene Widerspruch zu dem Umstand, dass sie nicht zu dem Kreis der Verdächtigen gehört habe, besteht nicht. Eine verdeckte Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten darf nicht nur dann erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass von ihr ausschließlich Arbeitnehmer betroffen sind, hinsichtlich derer es bereits einen konkretisierten Verdacht gibt. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Soweit der Wortlaut der Bestimmung ein anderes Verständnis nahelegen könnte, ist er „verunglückt“. Die Regelung sollte - wie ausgeführt - die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern. Die Bestimmung orientiert sich vielmehr inhaltlich an den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht ua. in seinem Urteil vom 27. März 2003 (- 2 AZR 51/02 - BAGE 105, 356) zur verdeckten Überwachung von Beschäftigten aufgestellt hat (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Danach muss zwar der Kreis der Verdächtigen möglichst eingegrenzt sein, es ist aber nicht zwingend notwendig, dass eine Überwachungsmaßnahme in der Weise beschränkt werden kann, dass von ihr ausschließlich Personen erfasst werden, bezüglich derer bereits ein konkretisierter Verdacht besteht. Die Klägerin hat auch nicht etwa gerügt, das Landesarbeitsgericht habe tatsächliches Vorbringen übergangen, aus dem sich ergeben hätte, dass es ebenso gut möglich gewesen wäre, die Überwachung des Kassenbereichs ausschließlich bezogen auf die des Diebstahls verdächtigten Mitarbeiterinnen durchzuführen.

31

(2) Der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachungsmaßnahme steht damit nicht entgegen, dass sie in Bezug auf die Klägerin anlasslos war. Gab es kein milderes Mittel zur Aufklärung des bestehenden Diebstahlsverdachts gegen andere Mitarbeiterinnen als die konkret durchgeführte Überwachung, war der Eingriff - auch - in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin gerechtfertigt. Eine Dokumentation des Verdachts verlangt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ebenfalls lediglich insoweit, wie eine Maßnahme „zur“ Aufdeckung von Straftaten erfolgt.

32

cc) Aus § 6b Abs. 1 BDSG ergeben sich mit Blick darauf, dass zu den öffentlich zugänglichen Räumen im Sinne der Bestimmung auch öffentlich zugängliche Verkaufsräume gehören(BT-Drs. 14/4329 S. 38), keine weitergehenden Anforderungen. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob nicht bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz die Zulässigkeit der Maßnahme gem. § 32 BDSG als nach § 4 Abs. 1 BDSG erforderlicher Erlaubnistatbestand ohnehin ausreicht.

33

(1) Gemäß § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zulässig, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

34

(2) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG stellt seit Inkrafttreten der Bestimmung zumindest eine Konkretisierung dieses Tatbestands dar. Das berechtigte Interesse iSd. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist in diesem Fall die Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten. Sind die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gegeben, ist die Maßnahme jedenfalls im Verhältnis zu den von ihr betroffenen Arbeitnehmern auch nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig. Das Gebot der Kenntlichmachung gem. § 6b Abs. 2 BDSG ist insofern keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 51, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 41, BAGE 142, 176; Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 110; Bauer/Schansker NJW 2012, 3537; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; wohl auch Bayreuther DB 2012, 2222 ff.). Im Übrigen war hier auf die ohnehin bestehende offene Videoüberwachung der Filiale bereits durch entsprechende Hinweisschilder an den Eingängen hingewiesen.

35

b) Die Beklagte hat auch durch die weitere Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Videoaufzeichnungen nicht deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt.

36

aa) Die Verarbeitung - dh. hier insbesondere die Aufbewahrung zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) - und Nutzung der Daten war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.

37

(1) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

38

(2) Dies war hier der Fall. Die Aufzeichnungen begründeten zumindest den Verdacht, dass die Klägerin zu Lasten der Beklagten eine Unterschlagung begangen hatte. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen der Klägerin standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Insbesondere hatte die Beklagte die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin erlangt. Sie waren vielmehr - wie ausgeführt - im Rahmen einer zulässigen Videoüberwachung angefallen (zu diesem Erfordernis BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 56, BAGE 146, 303; Bayreuther Anm. zu AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 53 zu IV 1 b). Das zutage getretene Verhalten der Klägerin rechtfertigte auch die weitere Speicherung und Nutzung des Materials. Danach war nicht ausgeschlossen, dass sich die Klägerin unter Herstellung einer manipulierten Pfandbuchung bewusst auf Kosten der Beklagten bereichert und damit eine erhebliche Pflichtverletzung begangen hatte (zum Erfordernis der hinreichenden Gewichtigkeit des Verhaltensverstoßes ebenfalls BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; Bayreuther aaO).

39

(3) Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber alle anderen zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen auch bezüglich des zufällig aufgedeckten Fehlverhaltens bereits ausgeschöpft hatte (aA Eylert NZA-Beilage 2015, 100, 107). Dies ist, wenn es noch keinen entsprechenden Verdacht gab, weder möglich noch geboten. Eine Videoüberwachung muss zwar, um rechtmäßig zu sein, auch in der Art ihrer Durchführung ultima ratio zur Aufklärung des ihr zugrunde liegenden Verdachts sein. Ist dies aber der Fall, sind durch sie unvermeidbare Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte mitbetroffener Arbeitnehmer ebenfalls durch den Aufklärungszweck gerechtfertigt.

40

bb) Eine Unzulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen folgt nicht aus § 6b Abs. 3 BDSG.

41

(1) Nach Satz 1 der Bestimmung ist die Verarbeitung oder Nutzung von nach § 6b Abs. 1 BDSG erhobenen Daten zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Für einen anderen Zweck dürfen sie gem. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

42

(2) Eine weitere Speicherung und Verwendung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen wäre demnach möglich gewesen, wenn sie sich iSv. § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG im Rahmen des verfolgten Zwecks gehalten hätte oder - außerhalb des ursprünglich verfolgten Zwecks - zur „Verfolgung von Straftaten“ iSd. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG erfolgt wäre. Insofern käme es also darauf an, auf welche ursprüngliche Zwecksetzung abzustellen wäre: den ausweislich der Verfahrensmeldung nach § 4g BDSG festgelegten Beobachtungszweck der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“ oder den engeren, dem Betriebsrat genannten konkreten „Grund“ für den Kameraeinsatz, nämlich den Diebstahlsverdacht im Bereich Zigaretten/„NF“. Wäre für § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG die engere Zwecksetzung maßgeblich, setzte eine Rechtfertigung nach Satz 2 der Bestimmung voraus, dass zur „Verfolgung von Straftaten“ auch die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen aufgrund einer Straftat zählte(in diesem Sinne Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 29; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 340; aA wohl Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 124; in Art. 7 Buchst. f der - gem. EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f. eine Vollharmonisierung bewirkenden - Richtlinie 95/46/EG ist dagegen keinerlei explizites Zweckänderungsverbot enthalten).

43

(3) Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung. Die Regelung des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG stellt auch für die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten eines Beschäftigten, die der Arbeitgeber durch eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume erlangt hat, eine eigenständige, von den Voraussetzungen nach § 6b Abs. 3 BDSG unabhängige Erlaubnisnorm dar(offen gelassen BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 48, BAGE 146, 303; den „Datenschutz-Wirrwarr“ beklagen Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 3; unklar Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 50 f., 147; aA Jerchel/Schubert DuD 2015, 151, 152; Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 122; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 79). Ist danach eine bestimmte Datenverarbeitung oder -nutzung rechtmäßig, kommt es im Verhältnis zu den davon betroffenen Arbeitnehmern nicht darauf an, ob auch die Anforderungen gem. § 6b Abs. 3 BDSG erfüllt sind. Die Bestimmung schließt eine eigenständige Rechtfertigung der Datenverarbeitung nach § 32 BDSG vielmehr nicht aus(ebenso ErfK/Franzen 16. Aufl. § 6b BDSG Rn. 2). Diese Vorschrift dient speziell dem Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern in Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz (BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Dagegen soll § 6b BDSG - unabhängig von den aufgrund der engeren schuldrechtlichen Bindungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses bestehenden Interessen - den Schutz der Allgemeinheit vor einem Ausufern der Videoüberwachung im öffentlichen Raum gewährleisten(zum Ziel einer restriktiveren Verwendungspraxis Bericht und Beschlussempfehlung des Innenausschusses, BT-Drs. 14/5793 S. 61). Für die Eigenständigkeit der Erlaubnistatbestände des § 32 BDSG spricht auch, dass die Videoüberwachung nicht öffentlich zugänglicher (Arbeits-)Räume im BDSG nicht gesondert geregelt ist. Ihre Zulässigkeit richtet sich daher, soweit Arbeitnehmer betroffen sind, unzweifelhaft allein nach § 32 BDSG(ebenso Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 80). Es erschiene aber wenig plausibel, wenn bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz von Arbeitnehmern, die in öffentlich zugänglichen Räumen arbeiten, andere Maßstäbe gelten sollten als für Arbeitnehmer, die dies nicht tun.

44

III. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, ein Verwertungsverbot habe auch dann nicht bestanden, wenn der Betriebsrat bei der Auswertung der Videosequenz nicht beteiligt gewesen sein sollte. Selbst wenn die Videoüberwachung gänzlich ohne seine Mitbestimmung erfolgt wäre, er aber - wie hier - einer auf die erlangten Erkenntnisse gestützten Kündigung zugestimmt hat, verlangte die Missachtung seines Mitbestimmungsrechts dies nicht (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 105, 356). Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und § 77 BetrVG gebietet ein solches Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht, wenn die Verwertung der Information bzw. des Beweismittels nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 33; Lunk NZA 2009, 457, 463; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341 f.). Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Es geht um einen kollektiv-rechtlich vermittelten Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Soweit der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer betroffen ist, sind die Schutzzwecke der Norm und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO).

45

IV. Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Danach stand zu seiner Überzeugung fest, dass die Klägerin entgegen ihrer Behauptung keinen dem aus der Kasse entnommenen Geldbetrag entsprechenden Gegenwert in Form von Pfandflaschen oder -dosen in die Leergutbox eingeworfen hatte. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.

46

V. Entsprechendes gilt für die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Es hat angenommen, die Auswertung der Videoaufzeichnungen des Kassenbereichs habe beginnend mit dem 30. Dezember 2013 drei Wochen gebraucht, sodann habe am 20. Januar 2014 das Anhörungsgespräch mit der Klägerin stattgefunden. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin war dieser das Kündigungsschreiben vom 23. Januar 2014 am Folgetag und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 626 Abs. 2 BGB zugegangen.

47

VI. Das Landesarbeitsgericht hat - wenn auch ohne nähere Prüfung - zu Recht angenommen, der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört worden. Die Beklagte hatte ihn mit Anhörungsschreiben vom 22. Januar 2014 darüber informiert, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich fristlos, vorsorglich fristgerecht zu kündigen. Sie hat ihm die Kündigungsgründe in der in der Anlage beigefügten Begründung im Einzelnen mitgeteilt. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob sie darin die Warenbereiche zutreffend bezeichnet hatte, in denen sie zuvor Inventurdifferenzen festgestellt hatte. Zur nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erforderlichen Mitteilung der Kündigungsgründe gehört nicht die Information über die die Verwertbarkeit erlangter Informationen oder Beweismittel begründenden Umstände. Überdies war dem Betriebsrat aufgrund der von ihm erteilten Zustimmung zur verdeckten Videoüberwachung des Kassenbereichs bekannt, welche Inventurdifferenzen die Beklagte festgestellt hatte. Die Beklagte hat die Kündigung auch erst nach der Zustimmung des Betriebsrats am 23. Januar 2013 erklärt.

48

VII. Der als unechter Hilfsantrag nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte Antrag der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

49

VIII. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Koch    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Niebler    

        

    Die ehrenamtliche Richterin Alex ist
gehindert, ihre Unterschrift beizufügen.
Koch    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Mai 2015 - 4 Sa 1198/14 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt als Kfz-Vertragshändler an mehreren Standorten Verkaufshäuser und Servicebetriebe. Der Kläger war bei ihr seit August 1979 als Kraftfahrzeugmechaniker im Betrieb L, für den ein Betriebsrat gewählt ist, tätig. Dort beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter - den Kläger eingerechnet - fünf Werkstattmitarbeiter.

3

Zum Betrieb L gehört ein Ersatzteillager, das von zwei Mitarbeitern betreut wird. Bis Herbst 2013 war es den Werkstattmitarbeitern grundsätzlich erlaubt, Ersatzteile, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit benötigten, eigenhändig aus dem Lager zu entnehmen. Wurden solche Teile nicht einzeln verkauft oder in Fahrzeugen verbaut, wurden sie später auf einer vor den Regalen des Lagers eingerichteten Theke abgelegt und danach durch die Lageristen wieder in den Bestand einsortiert.

4

Bei Inventuren im November 2013 und Mitte Februar 2014 verzeichnete die Beklagte jeweils einen Fehlbestand von Ersatzteilen. Mit Aushang vom 27. Februar 2014 machte sie die Differenzen betriebsöffentlich. Zugleich untersagte sie - mit Ausnahme der beiden Lageristen - allen Mitarbeitern für die Zukunft den Zutritt zum Lager und verbot ihnen, Teile aus den Regalen zu nehmen. Der Kläger nahm dies zur Kenntnis.

5

Nachdem anschließende Gespräche mit den Lagermitarbeitern keinen Aufschluss über die Fehlbestände erbracht hatten und - wie im angefochtenen Urteil als unstreitig festgestellt - „auch die Mitteilung vom Februar 2014 nicht [geholfen hatte]“, ließ die Beklagte am 22. März 2014 im Betrieb L eine Videokamera installieren, mittels derer die Vorgänge im Ersatzteillager fortan aufgezeichnet wurden. Von dieser Maßnahme hatten nur die Lageristen und der vor Ort eingesetzte Betriebsleiter Kenntnis. Auch den Betriebsrat beteiligte die Beklagte nicht.

6

Der Betriebsleiter wertete am Abend des 6. August 2014 die Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 aus. Auf diesen ist zu sehen, dass der Kläger das Ersatzteillager betrat, aus einem Regal ein Paket Bremsklötze entnahm und es sodann in seiner Hosentasche verstaute. Der weitere Inhalt der Videoaufnahme ist zwischen den Parteien umstritten.

7

In einem Personalgespräch am 14. August 2014 spielte die Beklagte dem Kläger die Aufzeichnung vom 15. Juli 2014 vor und lastete ihm an, er habe sich das aus dem Lager entnommene Paket rechtswidrig zugeeignet. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Der Kläger äußerte, er habe keine Erklärung für den Vorgang. „Natürlich“ wolle er „wegen eines solchen Teils“ nicht seinen Arbeitsplatz „riskieren“. Auf weiteren Vorhalt gab er an, aus Sicht der Beklagten würde er sein Verhalten ebenso wie diese bewerten.

8

Mit Schreiben vom 19. August 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos und mit weiterem Schreiben vom 25. August 2014 vorsorglich ordentlich zum 31. März 2015. Der zuvor mit Schreiben vom 15. August 2014 angehörte Betriebsrat hatte sich zu der ihm mitgeteilten Kündigungsabsicht nicht geäußert.

9

Der Kläger hat mit der rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, beide Kündigungen seien unwirksam. Das auf dem Videomitschnitt vom 15. Juli 2014 dokumentierte Verhalten indiziere nicht einmal den Verdacht einer rechtswidrigen Wegnahme der Bremsklötze. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass er die Teile aus dem Betrieb der Beklagten entfernt habe. Ebenso gut könne es sein, dass eine dienstliche Verwendung der Bremsklötze fälschlich nicht dokumentiert worden sei. Unabhängig davon habe die Beklagte die Videoaufzeichnungen unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats erlangt. Beides führe dazu, dass die Mitschnitte als Beweismittel und das hierauf gestützte Vorbringen der Beklagten, auch soweit es unstreitig geblieben sei, prozessual nicht verwertbar seien. Entsprechendes gelte für seine Einlassung im Personalgespräch, die auf das Vorspielen der Videoaufnahme zurückzuführen sei.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung vom 25. August 2014 aufgelöst worden ist;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. zu den derzeit geltenden Arbeitsbedingungen als Kfz-Mechaniker in der Filiale bzw. Niederlassung L weiterzubeschäftigen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Kläger habe am Morgen des 15. Juli 2014 das Lager im Abstand von wenigen Minuten dreimal betreten und jeweils zügig wieder verlassen. Die beiden ersten Male habe sich der Kläger in dem Bereich umgesehen und sich dabei der Abwesenheit der Lageristen vergewissert. Beim dritten Zutritt sei er unmittelbar auf das Regal mit den Bremsklötzen zugesteuert und habe die unstreitige Entnahme vorgenommen. Das Verhalten indiziere eine Zueignungsabsicht. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Dafür spreche schon die Missachtung des Zutrittsverbots. Soweit der Kläger vorgebracht habe, der Leiter des Lagers habe ihm nach der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 für dringende Ausnahmefälle das Betreten des Lagers und die Entnahme von Ersatzteilen erlaubt, handele es sich um eine Schutzbehauptung. Jedenfalls entsprächen die Ausführungen nicht der Wahrheit. Ein freier Verkauf der Bremsklötze oder deren Einbau in ein passendes Fahrzeug sei ebenso auszuschließen wie eine Rückführung der Teile ins Lager. Es sei ihr - der Beklagten - auch nicht prozessual verwehrt, sich auf unstreitige Tatsachen zu berufen, von denen sie unmittelbar oder mittelbar durch die Videoaufzeichnungen Kenntnis erlangt habe. Entsprechendes gelte für eine beweisrechtliche Verwertung der Mitschnitte. Im Zeitpunkt der Aufzeichnungen habe der begründete Verdacht rechtswidriger Entwendungen von Ersatzteilen durch Mitarbeiter bestanden. Die Lageristen hätten, um sich selbst zu entlasten, einer zeitlich begrenzten Überwachung ihres Arbeitsbereichs zugestimmt. Erfolgversprechende Möglichkeiten, den Kreis der Verdächtigen weiter einzugrenzen, hätten nicht bestanden. Demgegenüber sei der Kläger nur deshalb von der Aufzeichnung erfasst worden, weil er sich über das Zutrittsverbot hinweggesetzt habe. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen den Vortrag der Beklagten über den Vorfall vom 15. Juli 2014 nicht unberücksichtigt lassen und der Klage stattgeben (I.). Der Senat vermag die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 19. August 2014 nicht abschließend zu beurteilen (II.). Dies führt insgesamt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

14

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es sei wegen eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG, der nicht durch überwiegende schutzwürdige Interessen der Beklagten gerechtfertigt sei, daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 zutage getretene Verhalten des Klägers zugrunde zu legen.

15

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

16

a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung(§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - zu C II 4 a aa der Gründe, BVerfGE 106, 28). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage. Dies gilt nicht anders für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 21).

17

b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 22).

18

c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 23; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

19

d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94, BVerfGE 117, 202). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe).

20

e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 25 mwN, auch zur gegenteiligen Auffassung). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen(Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im Einzelnen BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen grundsätzlich unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - aaO).

21

2. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob durch die Herstellung der Videoaufzeichnungen das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung sowie sein Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG verletzt wurden. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und einer darauf bezogenen tatrichterlichen Würdigung. Es ist nicht auszuschließen, dass der Einsatz der verdeckten Videoaufzeichnung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zulässig war.

22

a) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 28). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, BAGE 146, 303).

23

b) Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Würdigung, die Informationsgewinnung mittels Videoaufzeichnung sei unzulässig, weil bei Beginn der Aufzeichnungen ein konkreter Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen strafbaren Handlung oder einer ähnlich schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers nicht bestanden habe, nicht sämtliche fallrelevanten Umstände in Betracht gezogen.

24

aa) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass vor Einrichtung der Videoüberwachung Inventurdifferenzen aufgetreten waren. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ermöglicht eine Videoüberwachung auch dann, wenn nur ein Teil der Differenzen ihre Ursache in Straftaten von Arbeitnehmern gegen das Vermögen der Beklagten haben. Es gibt keinen Rechtssatz, nach dem ausschließlich dem Volumen nach „erhebliche“ Defizite einen Anhaltspunkt für strafbares Mitarbeiterverhalten bieten können. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

25

bb) Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu den im November 2013 und Februar 2014 aufgetretenen Inventurdifferenzen keinen substantiierten Vortrag gehalten hat. Es durfte aber nicht ohne darauf bezogenen Sachvortrag annehmen, dass sämtliche Differenzbestände durch Fehler in der elektronischen Dokumentation ihres Betriebs verursacht sein konnten. Insbesondere wenn in kurzen zeitlichen Abständen Fehlbestände aufgetreten waren, die leicht zu entfernende Teile betrafen, kann dies nach der Lebenserfahrung auf Straftaten der sich in den Lagerräumen aufhaltenden Mitarbeiter hindeuten. Ähnliches gilt für das als unstreitig festgestellte Vorbringen der Beklagten, der Aushang vom 27. Februar 2014 habe nicht „geholfen“. Mit dem Sinngehalt dieser Behauptung hat sich das Landesarbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass darin der - verkürzte - Vortrag liegt, nach dem Zutrittsverbot seien weitere Differenzen aufgetreten. Bejahendenfalls machte dies Vermögensdelikte zum Nachteil der Beklagten zumindest im Sinne eines „Anfangsverdachts“ aber umso wahrscheinlicher. Ein solcher, durch konkrete Tatsachen belegter „einfacher“ Verdacht ist im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ausreichend(vgl. BeckOK DatenSR/Riesenhuber BDSG 17. Edition § 32 Rn. 118; im Ergebnis ebenso Simitis/Seifert BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 104; zum Erfordernis eines „einfachen Tatverdachts“ als Voraussetzung für Maßnahmen nach § 100a StPO vgl. BGH 11. August 2016 - StB 12/16 - Rn. 9). Ein „dringender“ Tatverdacht, der einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Straftaten voraussetzte (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30), ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Diesem Verständnis entsprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Es geht darum, schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten aufgrund vager Anhaltspunkte oder bloßer Mutmaßungen auszuschließen.

26

cc) Die Beklagte hat die Fehlbestände betriebsöffentlich gemacht und durch das im Februar 2014 ausgesprochene - nach ihrem unter Beweis gestellten Vortrag ausnahmslose - Zutrittsverbot sichergestellt, dass Ersatzteile nur von den im Lager beschäftigten Mitarbeitern ausgehändigt werden. Die Videoaufzeichnung richtete sich damit nur noch gegen die beiden Lagermitarbeiter, die sich nach dem Vorbringen der Beklagten mit einer solchen Maßnahme grundsätzlich einverstanden erklärt hatten, und gegen solche Mitarbeiter, die sich möglicherweise vertragswidrig im Bereich des Lagers aufhielten. Bei diesen Personen bestand aber ein konkreter, über bloße Mutmaßungen hinausgehender Verdacht, dass sie sich unberechtigt Ersatzteile aneignen. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht in Betracht gezogen.

27

c) Die Videoüberwachung erweist sich nicht aus anderen Gründen als unverhältnismäßig. Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ersichtlich, dass andere Mittel zur Aufklärung des Verdachts und zur Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises zur Verfügung gestanden hätten, die weniger stark in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen hätten und mittels derer der Zweck der Überwachung mit vergleichbarer Erfolgsaussicht hätte erreicht werden können.

28

aa) Die Beklagte hat im Anschluss an den Aushang vom Februar 2014 mit ihren Lageristen Gespräche geführt, die zur Aufklärung der Ursachen für die Inventurdifferenzen nichts beitrugen. Sie hat insoweit diejenigen Arbeitnehmer angesprochen, die für die Verwaltung des Lagerbestands verantwortlich zeichneten und ggf. über den Verbleib von Ersatzteilen hätten Auskunft geben können. Gespräche mit den Werkstattmitarbeitern musste sie nicht in gleicher Weise als erfolgversprechend ansehen. Aufgrund ihrer innerbetrieblichen Bekanntmachungen konnte sie vielmehr davon ausgehen, diese würden ggf. von sich aus Mitteilung machen, falls sie Aufschluss über mögliche Fehlerquellen hätten geben können und wollen.

29

bb) Eine effektive Überwachung durch Vorgesetzte oder Kollegen war nicht denkbar. Ebenso wenig lag in der offenen Videoüberwachung eine „mildere“ Alternative. Sie hätte sich vor dem angestrebten Zweck der Aufdeckung von Straftaten nicht als gleichermaßen wirksam wie die - zumindest aus Sicht der meisten Mitarbeiter - verdeckte Beobachtung erwiesen. Das in Rede stehende strafbare Verhalten war seiner Natur nach auf Heimlichkeit angelegt. Zur Aufdeckung solcher Verhaltensweisen können offene Überwachungen regelmäßig nichts beitragen (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (2) der Gründe, BAGE 105, 356; ebenso Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 331, 335). Soweit der Kläger bemängelt, die initiierte Überwachung habe nicht zur Aufklärung in der Vergangenheit liegender Straftaten führen können, übersieht er zum einen die mögliche indizielle Wirkung, die der Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen für die Beurteilung bereits abgeschlossener Sachverhalte zukommen kann. Zum anderen bezieht sich § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG allgemein auf die „Aufdeckung von Straftaten“, was die Gewinnung von Erkenntnissen über - aufgrund konkreter Anhaltspunkte - vermutete künftige strafbare Handlungen im Beschäftigungsverhältnis einschließt.

30

cc) Der Beklagten kann nicht entgegen gehalten werden, sie habe vorrangig eine Aufklärung durch Taschenkontrollen oder gar die Visitation von Kleidung versuchen müssen. Im Rahmen solcher Maßnahmen wäre der Beklagten eine vergleichbare Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises wie bei der lediglich auf das Lager ausgerichteten Videoüberwachung schwerlich möglich gewesen. Unabhängig davon griff die initiierte Beobachtung nicht stärker in das allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffener Arbeitnehmer ein als dies bei der Vornahme von Tor- bzw. Taschenkontrollen der Fall gewesen wäre. Solche Kontrollen berühren typischerweise die Privatsphäre der hiervon erfassten Arbeitnehmer (BAG 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 43, BAGE 148, 26). Die Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen unterstellt wären ihnen auch Beschäftigte ausgesetzt gewesen, die das Zutrittsverbot ausnahmslos beachteten und von denen jedenfalls eine Gefährdung des Eigentums oder der Besitzrechte der Beklagten an den Ersatzteilen nicht (mehr) ausging. Demgegenüber traf die Videoüberwachung den Kläger weder in seiner Intim- noch in der Privatsphäre. Zwar kann sich eine besonders hohe Intensität eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht auch aus der Dauer der Beobachtung ergeben, wie dies bei heimlichen Beobachtungen der Fall ist, denen Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsbereich während der gesamten Dauer ihrer Arbeitszeit ausgesetzt sind. Von einer solch massiven Beobachtung waren der Kläger und andere Mitarbeiter, denen der Zutritt zum Lager verwehrt worden war, aber nicht betroffen. Soweit dies im Fall der Lageristen anders zu beurteilen ist, handelte es sich um Personen, die gleichfalls zum Kreis der Verdächtigen rechneten. Überdies hatten sie der Überwachung zugestimmt.

31

dd) Der mit der verdeckten Videoüberwachung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers war insgesamt nicht unangemessen. Die Überwachung betraf ausgehend von dem Vorbringen der Beklagten allein das Lager und damit den räumlichen Bereich, auf den sich der Verdacht bezog. Gegenteiliges ist weder festgestellt, noch hat der Kläger substantiierten Gegenvortrag gehalten. Im Verhältnis zu Arbeitnehmern, die sich ohne Erlaubnis im Lager aufhielten, war die Eingriffsintensität selbst unter Berücksichtigung der Dauer des Kameraeinsatzes gering. Dieser Bewertung steht nicht die Behauptung des Klägers entgegen, der Laufweg zu einem Raum, in dem sich Ersatzwerkzeug für die Werkstattmitarbeiter befunden habe, führe durch bestimmte Bereiche des Lagers. Daraus folgt nicht, dass das Zutrittsverbot lediglich eine eingeschränkte Gültigkeit gehabt hätte. Der wegen des permanenten Überwachungsdrucks ungleich schwerere Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Lageristen war grundsätzlich durch deren Einwilligung gedeckt.

32

ee) Es spricht viel dafür, dass Letzteres auch vor dem Hintergrund gilt, dass die Lageristen gemäß eigenem Vorbringen der Beklagten der Überwachung lediglich „zeitlich begrenzt“ zugestimmt hatten. Damit wollten sie erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die Einwilligung jedenfalls nach der Aufdeckung von Straftaten anderer Arbeitnehmer, die zugleich ihrer eigenen Entlastung dienen würde, keine Wirkung mehr entfalten sollte.

33

3. Selbst unterstellt, eine durchgängige Beobachtung bis Mitte Juli 2014 wäre von der fraglichen Zustimmung der Lageristen nicht mehr gedeckt gewesen und die Videoüberwachung erwiese sich unter diesem Gesichtspunkt als unverhältnismäßig, führte dies nicht zu einem Verbot der Verwertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 und des hierauf gestützten unstreitigen Sachvortrags der Beklagten im Kündigungsschutzprozess mit dem Kläger. Der Schutzzweck des BDSG gebietet es nicht, dem Arbeitgeber aus generalpräventiven Gründen eine prozessuale Verwertung datenschutzrechtswidrig erlangter Informationen zu verwehren. Ein Verbot kommt nur in Betracht, wenn mit der Verwertung ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Prozesspartei einhergeht. Ein solcher Eingriff scheidet aber aus, wenn die Unzulässigkeit der Videoüberwachung allein aus der (Dritt-)Betroffenheit anderer Beschäftigter resultiert (Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Dzida/Grau NZA 2010, 1201, 1202 f.; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341; wohl aA Bayreuther NZA 2005, 1038, 1042; Otto Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber seinen Dokumentationspflichten gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, die grundsätzlich vor der Datenerhebung zu erfüllen sind, nur unvollständig nachgekommen ist. Die Vorgabe verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern (Tinnefeld/Petri/Brink MMR 2010, 727, 732). Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauern kann und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (ähnlich Alter NJW 2015, 2375, 2380).

34

4. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats hindert die Verwertung der Videoaufzeichnungen ebenso wenig.

35

a) Allerdings hat der Betriebsrat bei der Videoüberwachung von Betriebsräumen der Arbeitgeberin nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen. Eine Videoüberwachungsanlage ist im Sinne dieser Norm eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (BAG 11. Dezember 2012 - 1 ABR 78/11 - Rn. 16 ff., BAGE 144, 109).

36

b) Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der Betriebsrat bei der Installation der Videoüberwachung oder jedenfalls der Auswertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 beteiligt gewesen wäre. Dies führt für sich genommen aber nicht dazu, dass die Aufzeichnung als Beweismittel oder Sachvortrag, der sich auf daraus erlangte Erkenntnisse stützt, prozessual unverwertbar wäre. Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet die Annahme eines solchen Verwertungsverbots jedenfalls dann nicht, wenn die Verwendung und Verwertung eines Beweismittels und/oder daraus gewonnener, unstreitiger Informationen nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist. Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen des Arbeitgebers nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Soweit die Norm - wenngleich kollektivrechtlich vermittelt - dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer dient, sind die Schutzzwecke von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 44).

37

II. Danach hat das Landesarbeitsgericht wesentliche Teile des zur Begründung der ausgesprochenen Kündigungen gehaltenen Vortrags der Beklagten zu Unrecht nicht berücksichtigt. Dies führt zur Aufhebung seiner Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

38

1. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zu Inventurdifferenzen und zur Entwicklung nach dem Aushang vom 27. Februar 2014 nur unvollständig gewürdigt. Soweit das betreffende Vorbringen einer weiteren Klarstellung bedarf, wird es die Beklagte dazu anzuhalten haben. Ist danach wahrscheinlich, dass die Fehlbestände auch auf unberechtigten Entnahmen beruht haben, wird das Landesarbeitsgericht für die Zeit nach Ausspruch des Zutrittsverbots von einem konkreten, durch Tatsachen belegten Anfangsverdacht einer Straftat jedenfalls durch Arbeitnehmer auszugehen haben, die das Lager vertragswidrig betreten haben.

39

2. Danach würde die weitere Verarbeitung und Nutzung der den Kläger betreffenden Videoaufzeichnungen nicht dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen. Die Verarbeitung - dh. hier insbesondere die Aufbewahrung der Mitschnitte zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) - und deren weitere Verwendung im vorliegenden Verfahren war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.

40

a) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

41

b) Dies wäre hier der Fall. Die Aufzeichnungen vom 15. Juli 2014 begründeten zumindest den Verdacht, dass der Kläger zu Lasten der Beklagten eine Straftat begangen hat. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen des Klägers standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Beklagte - was hier nicht auszuschließen ist - die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers erlangt hat.

42

3. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 19. August 2014 aufgelöst worden ist.

43

a) Das bisherige Vorbringen der Beklagten kann - seine Verwertbarkeit unterstellt und unbeschadet der grundsätzlich dem Landesarbeitsgericht vorbehaltenen abschließenden Interessenabwägung - gem. § 626 Abs. 1 BGB sowohl eine außerordentliche Tat- als auch Verdachtskündigung rechtfertigen.

44

aa) Welche Beweiskraft den von der Beklagten vorgetragenen Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau mit der unstreitigen Wegnahmehandlung im Hinblick auf die Beurteilung zukommt, ob sich der Kläger eines Diebstahls oder einer Unterschlagung zulasten der Beklagten schuldig gemacht hat oder ob zumindest ein dahingehender dringender Verdacht besteht, ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, die dem Revisionsgericht entzogen ist(BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35, BAGE 152, 47; zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43, BAGE 149, 355).

45

bb) Anhaltspunkte für eine Rechtfertigungslage hat der Kläger, den insoweit eine abgestufte Darlegungslast trifft (zuletzt BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 40), bisher nicht schlüssig aufgezeigt. Zwar mag es in der Vergangenheit üblich gewesen sein, dass Mitarbeiter der Beklagten Ersatzteile für den Transport aus dem Lager in die Werkstatt in ihrer Kleidung verstauten. Darauf kann sich der Kläger aber nicht stützen, weil sich die Weisungslage mit dem Ende Februar 2014 angeordneten Zutrittsverbot verändert hatte. Sein Vorbringen, er habe mit dem für das Lager zuständigen Leiter abweichende Vereinbarungen getroffen, ist in zeitlicher und räumlicher Hinsicht bisher vollkommen unsubstantiiert. Zudem hat die Beklagte ihren betreffenden Gegenvortrag unter Beweis gestellt. Unabhängig davon lässt das Vorbringen des Klägers nicht erkennen, dass er sich im Zusammenhang mit der eigenhändigen Entnahme des Pakets Bremsklötze an die behauptete individuelle Absprache mit dem Lagerleiter gehalten und dementsprechend die Lageristen zumindest nachträglich über die Mitnahme von Ersatzteilen in deren Abwesenheit unterrichtet hat. Auch dies spricht nicht für ein redliches Vorgehen, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass sein Verhalten insgesamt auf Heimlichkeit angelegt war. Soweit der Kläger überdies geltend gemacht hat, es sei nicht auszuschließen, dass die Bremsklötze in einem Fahrzeug der entsprechenden Typenklasse eingebaut worden seien oder er alternativ - wie in der Vergangenheit üblich - das Paket auf der Theke vor dem Lager abgelegt habe, hat er nicht etwa einen konkreten, ihn entlastenden Geschehensablauf dargestellt, sondern rein hypothetische Sachverhaltsvarianten präsentiert. Ob sich dies unter Berücksichtigung seiner Einlassung im Personalgespräch vom 14. August 2014 mit Erinnerungslücken hinreichend erklären lässt, wird ggf. vom Landesarbeitsgericht zu bewerten sein.

46

cc) Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer sog. „Tatkündigung“ hängt materiell-rechtlich nicht davon ab, ob die Beklagte im Kündigungszeitpunkt alles ihr Mögliche und Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts - auch in Richtung einer denkbaren Entlastung des Klägers - unternommen hatte (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 38). Sollte es auf ihre Wirksamkeit als Verdachtskündigung ankommen, wird das Landesarbeitsgericht zu bewerten haben, ob die Beklagte ihrer diesbezüglich bestehenden Aufklärungspflicht nachgekommen ist, was allerdings nicht fernliegt. Dem sie dabei treffenden Erfordernis einer Anhörung des Klägers ist - soweit ersichtlich - Genüge getan.

47

b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Ihr Vorbringen ist schlüssig. Nach ihrem - offenbar unstreitig gebliebenen - Vortrag hat ihr allein kündigungsberechtigter Geschäftsführer von den maßgeblichen Tatsachen erst am 7. August 2014 Kenntnis erlangt. Ausgehend vom Zugang der fristlosen Kündigung am 19. August 2014 wäre die Zweiwochenfrist eingehalten. Das gilt allemal gerechnet ab dem Zeitpunkt des Personalgesprächs vom 14. August 2014. Ob ihr Betriebsleiter aufgrund des Ergebnisses einer am 16. Juli 2014 durchgeführten Bestandsaufnahme, bei der nach dem Vorbringen der Beklagten bereits das Fehlen eines Pakets Bremsklötze verzeichnet worden sein soll, gehalten war, eine Sichtung der Videobänder bereits vor dem 6. August 2014 vorzunehmen, kann dahinstehen. Daraus ergibt sich nach dem bisherigen Streitstand keine Verzögerung, die der Beklagten im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB anzulasten wäre. Kenntnisse nicht kündigungsberechtigter Personen muss sich der Arbeitgeber nur ausnahmsweise nach § 242 BGB zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung für eine Zurechnung ist weiter, dass die Verspätung, mit der der Kündigungsberechtigte in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs beruht (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 28). Dafür fehlt es derzeit an Anhaltspunkten.

48

c) Der Kläger hat seine zunächst „vorsorglich“ erhobene Rüge, es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs. 1 BetrVG), in erster Instanz ausdrücklich fallen gelassen. Unabhängig davon sind Mängel im Anhörungsverfahren auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht zu erkennen.

49

4. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegen auch die weiteren Klageanträge. Über den Kündigungsschutzantrag betreffend die ordentliche Kündigung vom 25. August 2014 ist abhängig vom Ausgang des Streits über die außerordentliche Kündigung zu erkennen. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, beide Kündigungen seien unwirksam, wird es zu berücksichtigen haben, dass sich der Weiterbeschäftigungsantrag dem Wortlaut nach auf ein Obsiegen mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1. bezieht, der sich gegen die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 richtet. Diesem Begehren durfte es nicht stattgeben, ohne der Frage nachzugehen, ob der Antrag überhaupt auf eine vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers nach Ablauf des Termins der ordentlichen Kündigung vom 25. August 2014 gerichtet ist und - bejahendenfalls - ob er ein entsprechendes Verlangen hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO)zum Ausdruck bringt.

50

5. Von weiteren Hinweisen sieht der Senat ab.

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Söller    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. April 2008 - 11 Sa 522/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Beklagte betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Die Klägerin war seit 1994 bei ihm als Verkäuferin/Kassiererin tätig. Zuletzt erzielte sie bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden einen monatlichen Bruttoverdienst von 1.323,86 Euro. Arbeitsort der Klägerin war die Verkaufsstelle (Filiale) B. Außer ihr waren dort zwei weitere Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Ein Betriebsrat war für den Bezirk, dem die Verkaufstelle zugeordnet ist, nicht gewählt worden.

3

In der Filiale hing seit Jahren ein Plakat in Größe DIN-A3 aus, das einen Hinweis darauf enthielt, die Verkaufsstellen des Beklagten würden durch Detektive, Kameraanlagen und den Einsatz von Sicherheitsdiensten überwacht. Tatsächlich kam Überwachungstechnik, außer im Rahmen von kurzfristigen Detektiveinsätzen, nicht zum Einsatz. Im Zeitraum vom 17. bis 23. März 2007 ließ der Beklagte an der Decke über dem Kassenbereich eine Videokamera anbringen, mit deren Hilfe die Kassiervorgänge aufzeichnet wurden. Hierüber wurden die Klägerin und ihre Kolleginnen nicht gesondert unterrichtet.

4

Bei der Auswertung der Videoaufzeichnungen fiel der zuständigen Verkaufsleiterin auf, dass die Klägerin am 23. März 2007 nach Dienstschluss einen sog. Personaleinkauf getätigt hatte. Eine anschließende Überprüfung des den Einkauf dokumentierenden Kassenstreifens ergab, dass die Klägerin Waren - überwiegend Süßigkeiten - im Wert von etwas über 60,00 Euro erworben hatte. In Höhe von 36,00 Euro war der Kaufpreis mit insgesamt sieben „produktbezogenen Gutscheinen“, ua. für eine elektrische Zahnbürste und ein Windelpaket, verrechnet worden, obwohl die Klägerin solche Artikel nicht eingekauft hatte. Das entsprach nicht dem Verwendungszweck der Coupons. Produktbezogene Gutscheine (Rabatt-Coupons) sind an den jeweiligen Warenregalen angebracht, werden aber auch in Form von Gutscheinheften an Kunden ausgegeben. Sie dürfen, wie der Klägerin bekannt war, nur beim Erwerb der betreffenden Waren verrechnet werden.

5

Im Personalgespräch vom 2. April 2007 wurde der Klägerin unter Vorlage des Kassenstreifens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie räumte ein, dass sie die Gutscheine nicht habe einlösen dürfen. Dem Beklagten sei hierdurch aber kein Schaden entstanden.

6

Mit Schreiben vom 2. April 2007 kündigte die Verkaufsleiterin für den Beklagten das Arbeitsverhältnis „fristlos“ zum 3. April 2007.

7

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei schon mangels Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin, zumindest aber deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine Originalvollmacht beigelegen habe. Zudem liege kein Grund zur Kündigung vor. Bei ihrem Personaleinkauf habe es sich um ein außerdienstliches Verhalten gehandelt. Dem Beklagten sei kein Schaden entstanden, da er die Wertcoupons in jedem Fall bei den ausstellenden Firmen einreiche. Überdies dürften die aus der Videoüberwachung gewonnenen Erkenntnisse wegen Verstoßes gegen § 6b BDSG nicht verwertet werden. Das gelte auch für Tatsachen, von denen der Beklagte durch die unzulässige Videoüberwachung nur mittelbar Kenntnis erlangt habe.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 2. April 2007 nicht aufgelöst worden ist.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Verkaufsleiterin sei berechtigt und bevollmächtigt gewesen, die Kündigung zu erklären. Dies sei der Klägerin aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen bekannt gewesen. Die Kündigung sei gerechtfertigt. Die Klägerin habe sich grob pflichtwidrig verhalten und dadurch auf seine Kosten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil erlangt. Der damit einhergehende Vertrauensbruch schließe eine Weiterbeschäftigung aus. Die in der Filiale durchgeführte Videoüberwachung sei zulässig gewesen. In der Verkaufsstelle seien hohe Inventurdifferenzen aufgetreten, die auf Pflichtverletzungen der Mitarbeiterinnen hingedeutet hätten. Andere Möglichkeiten zur Aufklärung des Verdachts habe er - ohne Erfolg - ausgeschöpft. So seien durch Detektiveinsätze nur wenige Kundendiebstähle aufgedeckt worden. Bei Testeinkäufen hätten sich keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Im Übrigen komme es auf die Zulässigkeit der Überwachung nicht an, weil der Sachverhalt unstreitig sei. Beweisverwertungsverbote könnten insoweit keine Rolle spielen. Jedenfalls dürfe ihm nicht verwehrt werden, seinen Vortrag auf Erkenntnisse zu stützen, die er aus anderen Informationsquellen gewonnen habe.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 2. April 2007 zu dem in ihr bestimmten Termin aufgelöst worden.

12

I. Die Kündigung ist nicht wegen fehlender Kündigungsberechtigung der Verkaufsleiterin oder deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine auf diese lautende Originalvollmacht beigefügt gewesen wäre.

13

1. Wenn es tatsächlich an einer Bevollmächtigung als solche gefehlt haben sollte, wäre die Kündigung zwar grundsätzlich gemäß § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Bei einer Kündigung als einseitigem Rechtsgeschäft ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Die Klägerin hat die unter Vorlage der Kopie einer Vollmacht erklärte Kündigung jedoch nicht „bei der Vornahme“ beanstandet, sondern erstmals mit der Klageschrift vom 19. April 2007, die dem Beklagten am 25. April 2007 zugestellt wurde. Bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung waren seit Ausspruch der Kündigung mehr als zwei Wochen verstrichen. Gründe für ihr Zuwarten hat die Klägerin nicht benannt. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe die Rüge „bei Vornahme“ der Kündigung erhoben (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, ZIP 1986, 388). Dementsprechend war die Kündigung in entsprechender Anwendung von § 180 Satz 2, § 177 Abs. 1 BGB nur schwebend unwirksam und genehmigungsfähig(vgl. Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 37, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Eine solche Genehmigung hat der Beklagte jedenfalls konkludent dadurch erteilt, dass er im vorliegenden Rechtsstreit die Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin ausdrücklich behauptet und die Rechtmäßigkeit der Kündigung verteidigt hat (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, aaO).

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2. Hat die Verkaufsleiterin Kündigungsvollmacht besessen, ist die Kündigung nicht gem. § 174 Satz 1 BGB unwirksam. Ihre Zurückweisung durch die Klägerin erfolgte nicht „unverzüglich“ iSd. § 174 Satz 1, § 121 Abs. 1 BGB.

15

II. Die Kündigung ist nicht nach § 626 BGB unwirksam. Der Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.

16

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 17, BAGE 118, 104).

17

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ein wichtiger Grund liege vor, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

18

a) Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht (bspw. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 25 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 184). Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 27, aaO; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, aaO).

19

b) Eine solche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung der Klägerin liegt nach dem unstreitigen Sachverhalt vor. Die Klägerin hat sich vorsätzlich auf Kosten des Beklagten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil verschafft. Damit hat sie ihre gegenüber dem Beklagten bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erheblich verletzt.

20

aa) Das Verhalten der Klägerin vom 23. März 2007 ist, was die Einlösung und Verrechnung von sieben produktbezogenen Gutscheinen im Wert von insgesamt 36,00 Euro anbelangt, vom Landesarbeitsgericht als unstreitig festgestellt. Dagegen hat die Klägerin Verfahrensrügen nicht erhoben. Ebenso wenig hat sie das Fehlen ihrer Berechtigung zur Einlösung der Gutscheine in Abrede gestellt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Beklagten sei durch das Verhalten der Klägerin ein Schaden entstanden, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte durfte die Gutscheine nur bei einem tatsächlichen Verkauf entsprechender Produkte an die betreffenden Lieferanten weiterreichen. Sollte sich der Schaden im Kündigungszeitpunkt noch nicht realisiert haben, wäre jedenfalls von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auszugehen.

21

bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ihr Fehlverhalten sei der Klägerin vorwerfbar, sie habe die Vermögensschädigung des Beklagten vorsätzlich herbeigeführt, ist nicht zu beanstanden. Diese Wertung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO. Das Revisionsgericht kann bezüglich der Feststellung innerer Tatsachen nur prüfen, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und Denkgesetze, Erfahrungssätze sowie Verfahrensvorschriften nicht verletzt hat (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 27 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Solche Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass ihr die Voraussetzungen für eine berechtigte Einlösung produktbezogener Gutscheine bekannt waren. Soweit sie der Annahme des Berufungsgerichts, bei einer unberechtigten Einlösung von sieben produktbezogenen Gutscheinen sei ein Versehen auszuschließen, gleichwohl entgegentritt, wird nicht deutlich, worauf ihre Rüge zielt. Sollte sie darauf abstellen, das Landesarbeitsgericht hätte ihr Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens geben müssen, fehlt es an Darlegungen, welchen weiteren, entscheidungserheblichen Sachvortrag sie daraufhin gehalten hätte. Soweit die Klägerin vorgebracht hat, sie habe jedenfalls nicht den Beklagten selbst schädigen wollen, übersieht sie, dass ihrer Pflichtverletzung auch dann erhebliches Gewicht zukommt, wenn sie darauf vertraut haben sollte, ein Schaden würde letztlich nicht beim Beklagten, sondern nach Weiterreichung der Gutscheine bei einem Dritten - dem betreffenden Lieferanten - eintreten. Dass auch dies nicht im Interesse des Beklagten liegen konnte, war für sie ohne Weiteres erkennbar.

22

cc) Der Annahme einer schwerwiegenden Pflichtverletzung steht nicht entgegen, dass es sich um einen privaten, außerhalb der Arbeitszeit liegenden Einkauf handelte. Die Klägerin war auch insoweit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Beklagten Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Die Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme kann den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen, wenn das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Davon ist typischerweise auszugehen, wenn der Arbeitnehmer - wie hier die Klägerin - in seiner Freizeit in Bereicherungsabsicht das dem Unternehmen zuzurechnende Vermögen des Arbeitgebers unmittelbar vorsätzlich schädigt oder doch gefährdet (vgl. Senat 20. September 1984 - 2 AZR 633/82 - zu I 4 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 80 = EzA BGB § 626 nF Nr. 91).

23

c) Die außerordentliche Kündigung ist auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Streitfalls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gerechtfertigt.

24

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 32 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

25

bb) Dem wird die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts gerecht.

26

(1) Eine Abmahnung war nach den Umständen des Falls entbehrlich. Zur Klarstellung der vertraglichen Pflichten bedurfte es ihrer nicht. Die Vertragsverletzung war für die Klägerin erkennbar. Eine Abmahnung war auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlich. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Verhalten der Klägerin habe das Vertrauen des Beklagten in eine künftig ordnungsgemäße Vertragserfüllung nachhaltig beeinträchtigt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat die Gutscheine in Bereicherungsabsicht zweckwidrig verwendet. Die Vermögensschädigung des Beklagten lag auf der Hand. Das Gewicht der Pflichtverletzung wird noch dadurch verstärkt, dass die Klägerin bewusst gegen Vorgaben verstoßen hat, zu deren Beachtung sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kassiererin verpflichtet war. Dass sie den Einkauf bei einer Kollegin abgewickelt hat, spricht nicht gegen ein mangelndes Unrechtsbewusstsein. Die Klägerin konnte offensichtlich auf deren Verschwiegenheit vertrauen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die - gleichfalls entlassene - Kollegin die Einlösung der Wertcoupons nicht verweigert und das Verhalten der Klägerin zunächst keine Beanstandungen ausgelöst hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin die geringen Überwachungsmöglichkeiten des Beklagten und die enge Verbundenheit der Mitarbeiterinnen der Filiale ausgenutzt hat. Bei einem solchen, insgesamt auf Heimlichkeit angelegten Verhalten ist dem Beklagten - für die Klägerin erkennbar - die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, und sei es nach Erteilung einer Abmahnung, nicht zuzumuten.

27

(2) Die fristlose Kündigung ist auch unter Einbeziehung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt. Dem Beklagten war selbst die Einhaltung der - fünfmonatigen - Kündigungsfrist unzumutbar. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang alle weiteren Gesichtspunkte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Insbesondere hat es der Klägerin ihre langjährige Betriebszugehörigkeit zugute gehalten. Dass es gleichwohl und trotz der Erstmaligkeit des Vorfalls von einem überwiegenden Interesse des Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen ist, ist unter Beachtung des Gewichts der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Stellung der Klägerin als Verkäuferin und Kassiererin und der Tatsache, dass bei ihrer Tätigkeit häufig keine anderen Arbeitnehmer zugegen sind, nicht rechtsfehlerhaft.

28

d) Der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung steht nicht entgegen, dass der Beklagte durch Auswertung einer Videoaufnahme vom Verhalten der Klägerin Kenntnis erlangt hat. Ob § 6b BDSG durch die Beobachtung des Kassenbereichs einschließlich seiner Umgebung verletzt wurde oder die Videoaufzeichnung aus anderen Gründen rechtswidrig war, kann offen bleiben.

29

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 30 mwN, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20) führt der Umstand, dass eine Partei die Kenntnis der von ihr behaupteten Tatsachen auf rechtswidrige Weise erlangt hat, nicht notwendig zu einem Verbot von deren prozessualer Verwertung. Falls die betreffenden Tatsachen von der Gegenseite nicht bestritten werden, also unstreitig geworden sind, besteht ein solches Verbot nur, wenn der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm einer gerichtlichen Verwertung der Information zwecks Vermeidung eines Eingriffs in höherrangige Rechtspositionen dieser Partei zwingend entgegensteht.

30

(1) Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren gelten wie im Zivilprozess die Dispositionsmaxime und der Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz. Das Gericht darf nur die von den Parteien vorgebrachten Tatsachen verwerten (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20). Umgekehrt ist es zugleich an den Vortrag der Parteien und einen ihm unterbreiteten, entscheidungserheblichen Sachverhalt gebunden. Der Vortrag einer Partei kann nicht ohne gesetzliche Grundlagen (wie zB die Präklusionsvorschriften) unbeachtet und „unverwertet“ bleiben. Ordnungsgemäß in den Prozess eingeführten Sachvortrag muss das Gericht berücksichtigen. Das Zivilprozessrecht kennt grundsätzlich kein Verbot der „Verwertung” von Sachvortrag. Der beigebrachte Tatsachenstoff ist entweder unschlüssig oder unbewiesen, ist aber nicht „unverwertbar”. Dies gilt zumal dann, wenn der Sachverhalt unstreitig ist. Das Gericht ist an ein Nichtbestreiten (wie an ein Geständnis) grundsätzlich gebunden. Es darf für unbestrittene Tatsachen keinen Beweis verlangen und erheben (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Ein „Verwertungsverbot” würde den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG einschränken. Dieser verpflichtet das Gericht, erheblichen Vortrag einer Partei zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 25, aaO).

31

(2) Dennoch kann rechtswidriges Verhalten einer Prozesspartei bei der Informationsgewinnung zu einem Verwertungsverbot führen. Das ist der Fall, wenn eine solche Sanktion unter Beachtung des Schutzzwecks der verletzten Norm zwingend geboten erscheint. In einem gerichtlichen Verfahren ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Gericht den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber tritt. Es ist bei der Urteilsfindung nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt seine Pflicht zu einer fairen Handhabung des Prozess- und Beweisrechts (vgl. BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Daraus folgt für den Zivilprozess zwar nicht, dass jede unzulässig erlangte Information prozessual unverwertbar wäre (Senat 15. August 2002 - 2 AZR 214/01 - zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 102, 190; BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 22, BGHZ 166, 283). Sie ist es im Einzelfall aber dann, wenn mit ihrer gerichtlichen Verwertung ein erneuter Eingriff in rechtlich geschützte, hochrangige Positionen der anderen Prozesspartei oder die Perpetuierung eines solchen Eingriffs verbunden wäre, und dies auch durch schutzwürdige Interessen der Gegenseite - hier des Beklagten - nicht gerechtfertigt werden könnte (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

32

bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, unstreitiger Sachvortrag, selbst wenn unter Verletzung von Grundrechten gewonnen sei, sei stets und uneingeschränkt prozessual verwertbar, weil die belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens gehabt habe (in diesem Sinne auch HWK/Lembke 4. Aufl. BDSG Vorb. Rn. 112; Grimm/ Schiefer RdA 2009, 329, 342; Heinemann MDR 2001, 137, 141 f.), überzeugt nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob der Partei, die sich der Behauptung objektiv zutreffender Tatsachen durch ihren Prozessgegner ausgesetzt sieht, in Ansehung der prozessualen Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) einschränkungslos ein „Recht zur Lüge“ zusteht (dies befürwortend Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 138 Rn. 3; Heinemann MDR 2001, 137, 142). Jedenfalls kann sie nicht umgekehrt sogar verpflichtet sein, wider besseres Wissen richtigen Vortrag zu bestreiten und sich in Fällen, in denen einfaches Bestreiten nicht ausreicht, mit einem bewusst falschen Gegenvorbringen zu belasten (vgl. Lunk NZA 2009, 457, 459). Sie trüge mit Blick auf mögliche Zweifel an der Zulässigkeit ihres Bestreitens das Risiko, dem Vorwurf zumindest des Versuchs eines Prozessbetrugs ausgesetzt zu sein. Dass kann die Rechtsordnung einer Partei nicht abverlangen. Hat eine Partei den Tatsachenvortrag der Gegenseite nicht bestritten, ist ihr die Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit der ihm zugrundeliegenden Informationsbeschaffung zu berufen, nur dann genommen, wenn in ihrem Nichtbestreiten zugleich die Einwilligung in eine prozessuale Verwertung der fraglichen Tatsachen liegt. Dann wiederum stellt sich die Frage nach einem Verwertungsverbot nicht (vgl. MünchKommZPO/Prütting 3. Aufl. § 284 Rn. 75; Helle JZ 2004, 340, 345; Maties, NJW 2008, 2219; Schreiber ZZP 122, 227, 230).

33

cc) Danach besteht im Streitfall kein Verwertungsverbot.

34

(1) Allerdings hat die Klägerin in eine Verwertung der durch die Videoaufzeichnung erlangten Informationen nicht eingewilligt. Sie hat zwar das Geschehen vom 23. März 2007 teils durch bejahende Erklärung eingeräumt, teils dadurch zugestanden, dass sie den substantiierten Ausführungen des Beklagten nicht mit konkretem Tatsachenvortrag entgegen getreten ist (§ 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Sie hat aber zugleich geltend gemacht, dem Beklagten sei es verwehrt, „die verbotenen Früchte“ der Videoüberwachung „zu ernten“. Damit hat sie deren Verwertung offensichtlich widersprochen.

35

(2) Die Verwertung der unstreitigen Tatsachen erweist sich auf der Grundlage der anzustellenden Güterabwägung dennoch als zulässig. Ein möglicher, durch Berücksichtigung des Sachvortrags des Beklagten perpetuierter rechtswidriger Eingriff in rechtlich geschützte Positionen der Klägerin wiegt nicht so schwer, dass der Anspruch des Beklagten, mit seinem unstreitigen Vorbringen Gehör zu finden, zurücktreten müsste. Der Schutz des Arbeitnehmers vor einer - unterstellt - rechtswidrigen Videoüberwachung verlangt nicht, auch solche unstreitigen Tatsachen außer Acht zu lassen, die dem Arbeitgeber nicht nur durch die Videoaufzeichnung, sondern ohne Rechtsverstoß auch aus einer anderen Informationsquelle bekannt geworden sind.

36

(a) Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte, auch im Privatrechtsverkehr zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers - hier in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild - ist nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers können durch Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob es den Vorrang verdient (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 3 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20 mwN).

37

(b) Im Rahmen dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Grundgesetz einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung beimisst. Auch im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines Privatrechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte gehalten, den von den Parteien in den Prozess eingeführten Vortrag und ggf. die angebotenen Beweismittel zu berücksichtigen. Diese Belange können als Bestandteil der verfassungsgemäßen Ordnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränken (vgl. BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - BVerfGE 106, 28; BAG 23. April 2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 35, BAGE 130, 347; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

38

(c) Zwar gehen das Interesse an einer funktionsfähigen Zivilrechtspflege und materiell richtigen Entscheidungen und verbunden damit das Bestreben des Gläubigers, sich Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht etwa stets vor (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 f., BVerfGE 117, 202; 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a aa und bb der Gründe, BVerfGE 106, 28). Im Streitfall treten aber Aspekte hinzu, die die Berücksichtigung der gewonnenen Informationen zulassen.

39

(aa) Der Sachvortrag des Beklagten stützt sich vornehmlich auf die Auswertung des Kassenstreifens vom 23. März 2007 und auf Erklärungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Die Zulässigkeit der Erhebung und Verwertung der Kassendaten als solche steht dabei nicht in Frage. Zwar ist der Beklagte erst durch die Videoaufzeichnung auf diese zusätzliche Informationsquelle „gestoßen“. Dennoch bedurfte es für sein Vorbringen keines Rückgriffs auf die Videoaufzeichnung selbst.

40

(bb) Damit ist die Frage angesprochen, ob ein als solches zulässiges Erkenntnis- und Beweismittel einem prozessualen Verwertungsverbot unterliegen kann, wenn es seinerseits ohne eine weitere, zuvor rechtswidrig gewonnene Information nicht hätte erlangt werden können (vgl. BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 18 f., BGHZ 166, 283; für den Strafprozess: BGH 24. August 1983 - 3 StR 136/83 - BGHSt 32, 68; 18. April 1980 - 2 StR 731/79 - BGHSt 29, 244). Die Problematik bedarf keiner umfassenden Erörterung. Im Streitfall geht es nicht um Erkenntnisse, die der Beklagte tatsächlich nur durch die möglicherweise rechtswidrige Videoüberwachung hat gewinnen können. Sie waren ihm unabhängig davon zugänglich. Die Auswertung des Kassenstreifens und die Befragung der Klägerin und ihrer Kollegin waren auch ohne technische Überwachung möglich, zumal nach eigenem Vortrag der Klägerin Einkäufe von Mitarbeitern mit deren Einverständnis in den Tagesunterlagen besonders vermerkt werden. Damit kommt einer möglichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin kein solches Gewicht zu, dass unter Berücksichtigung des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs ein Außerachtlassen der letztlich erst aus dem Kassenstreifen gewonnenen Erkenntnisse gerechtfertigt wäre. Gleiches gilt für die Einlassungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen ohnehin auf den fraglichen Kassenauszug gestoßen wäre (zu diesem Aspekt Schreiber ZZP 122, 227, 235; Gemmeke Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren S. 214 f.). Vielmehr kann einer Prozesspartei die Möglichkeit, für sie günstige Tatsachen mit rechtlich unbedenklichen Mitteln nachzuweisen, nicht deshalb versagt werden, weil sie das Wissen von der Geeignetheit eines solchen Mittels auf rechtswidrige Weise erlangt hat (zur Begrenzung der Fernwirkung von Verwertungsverboten vgl. auch BVerfG 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1686/04 - zu 2 b der Gründe, BVerfGK 7, 61). Das gilt im Streitfall umso mehr, als es um den Nachweis eines schwerwiegenden Vertrauensbruchs geht.

41

III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

    Sieg    

        

    Baerbaum    

                 

(1) Dieses Gesetz gilt für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch

1.
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2.
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Sofern dieses Gesetz nicht gemäß Satz 2 Anwendung findet, gelten für den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter nur die §§ 8 bis 21, 39 bis 44.

(5) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit das Recht der Europäischen Union, im Besonderen die Verordnung (EU) 2016/679 in der jeweils geltenden Fassung, unmittelbar gilt.

(6) Bei Verarbeitungen zu Zwecken gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2016/679 stehen die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.

(7) Bei Verarbeitungen zu Zwecken gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89) stehen die bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands assoziierten Staaten den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.

(8) Für Verarbeitungen personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen im Rahmen von nicht in die Anwendungsbereiche der Verordnung (EU) 2016/679 und der Richtlinie (EU) 2016/680 fallenden Tätigkeiten finden die Verordnung (EU) 2016/679 und die Teile 1 und 2 dieses Gesetzes entsprechend Anwendung, soweit nicht in diesem Gesetz oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juni 2016 - 16 Sa 1711/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit Juli 2011 als Webentwickler tätig. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses verpflichtete er sich schriftlich, Hard- und Software aus Gründen der informationstechnischen Sicherheit ausschließlich zur Erfüllung der vereinbarten Aufgaben zu nutzen.

3

Im Zusammenhang mit der Anbindung eines neuen Netzwerks richtete die Beklagte am 19. April 2015 (Sonntag) eine E-Mail folgenden Inhalts an ihre Mitarbeiter:

        

„Hallo liebes (…) Team,

        

es ist soweit, die Telekom hat es endlich geschafft, uns einen schnellen Internet Anschluss bereitzustellen.

        

Dieses möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten, aus diesem Grund erhaltet Ihr freien Zugang zum WLAN.

        

Da bei Missbrauch, zum Beispiel Download von illegalen Filmen, etc. der Betreiber zur Verantwortung gezogen wird, muss der Traffic mitgelogged werden. Da ein rechtlicher Missbrauch natürlich dann auch auf denjenigen zurückfallen soll, der verantwortlich dafür war.

        

Somit:

        

Hiermit informiere ich Euch offiziell, dass sämtlicher Internet Traffic und die Benutzung der Systeme (der Beklagten) mitgelogged und dauerhaft gespeichert wird. Solltet Ihr damit nicht einverstanden sein, bitte ich Euch mir dieses innerhalb dieser Woche mitzuteilen.

        

…       

        

Bitte benutzt dieses Netzwerk für alles wie Spotify, YouTube, etc. um unser Hauptnetzwerk zu entlasten.

        

…“    

4

In einer Unterweisung am 20. April 2015 wandte sich kein Arbeitnehmer gegen die Absicht der Beklagten, den „Internettraffic“ und die Benutzung ihrer Systeme zur Verhinderung von Missbrauch des Internetzugangs „mitzuloggen“.

5

Die Beklagte installierte sodann auf dem Dienst-PC des Klägers eine Software, die ab dem 21. April 2015 alle Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Screenshots fertigte (Keylogger). Nachdem die Beklagte die vom Keylogger erstellten Dateien ausgewertet hatte, fand am 4. Mai 2015 ein Gespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser einräumte, seinen Dienst-Rechner während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Er gab an, ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für das Logistikunternehmen seines Vaters abgewickelt zu haben. Auf die Programmierung des Spiels habe er am Arbeitsplatz in der Zeit von Januar bis April 2015 ca. drei Stunden verwendet. Für die Firma seines Vaters sei er - vorwiegend in seiner Freizeit - höchstens etwa zehn Minuten täglich tätig gewesen.

6

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19. Mai 2015 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin.

7

Hiergegen hat sich der Kläger fristgerecht mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat behauptet, die privaten Verrichtungen meist in den Pausen und in Zeiten erledigt zu haben, in denen er keines der ihm zugewiesenen Projekte habe bearbeiten können. Die Beklagte habe durch den Einsatz eines Keyloggers „hinterrücks“ und ohne jeden Anlass massiv in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. In der E-Mail vom 19. April 2015 habe sie den Eindruck vermittelt, es sollten nur die Internetaktivitäten über das neue Netzwerk kontrolliert werden.

8

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Webentwickler weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus den vom Keylogger erstellten Dateien ergebe sich, dass der Kläger am 21. April 2015 weitaus länger mit der Entwicklung des Computerspiels beschäftigt gewesen sei, als er eingeräumt habe. Die Einträge in den Logdateien widerlegten zudem seine Behauptung, höchstens zehn Minuten täglich mit Aufgaben für die Firma seines Vaters befasst gewesen zu sein. Ausweislich von Screenshots der auf seinem Dienst-PC befindlichen Ordner habe der Kläger für dessen Unternehmen 5.221 E-Mails empfangen und 5.835 Nachrichten versandt. Der Einsatz eines Keyloggers sei ohne Weiteres rechtmäßig gewesen, weil dem Kläger jede außerdienstliche Nutzung der IT-Systeme untersagt und damit seine Privatsphäre nicht betroffen gewesen sei. Im Übrigen habe gegen ihn der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs bestanden. Am 9. Februar 2015 habe eine Arbeitnehmerin im Vorbeigehen gesehen, dass der Kläger eine „stark bebilderte“ Webseite hastig „weggeklickt“ habe. Weitere Mitarbeiter hätten mitgeteilt, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang privaten Aktivitäten nach. Zudem habe er sich zu einem sehr unproduktiven Mitarbeiter entwickelt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die dem Senat allein zur Entscheidung anfallenden Feststellungsanträge sind begründet. Die Kündigungen der Beklagten vom 19. Mai 2015 sind unwirksam. Nach dem verfahrensrechtlich verwertbaren Sachvortrag der Beklagten fehlt es sowohl an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) als auch an einer sozialen Rechtfertigung für die unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1) erklärte ordentliche Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

12

I. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die vom Kläger zugestandenen Sachverhalte rechtfertigten die beiden Kündigungen nicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

13

1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Kläger habe in der Zeit von Januar bis April 2015 an seinem Dienst-Rechner ca. drei Stunden auf die Programmierung des Computerspiels verwendet, dies aber überwiegend während der Pausen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger habe während der Arbeitszeit täglich zehn Minuten mit Tätigkeiten für die Firma seines Vaters verbracht. Damit habe er seine vertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Allerdings rechtfertigten die Pflichtverletzungen mangels vorheriger Abmahnung keine - außerordentliche oder ordentliche - Kündigung. Zwar habe der Kläger Hard- und Software der Beklagten entgegen der von ihm zu Beginn des Arbeitsverhältnisses unterzeichneten Erklärung für außerdienstliche Zwecke eingesetzt. Die „minutenweise“ Privatnutzung über den Zeitraum eines Jahres habe sich zu einer Gesamtdauer von 36,66 Stunden summiert. Jedoch sei schon der E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 zu entnehmen, dass tatsächlich kein absolutes Verbot der privaten Nutzung betrieblicher IT-Einrichtungen gelebt worden sei. Die unzulässige Privatnutzung habe auch nur einen minimalen Bruchteil (2,08 vH) der täglichen Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Die Beklagte habe schließlich nicht substantiiert dargetan, dass seine Arbeitsleistung durch die außerdienstlichen Aktivitäten beeinträchtigt worden sei. Insgesamt liege keine derart schwere Pflichtverletzung vor, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen gewesen sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in Zukunft nach einer Abmahnung in gleicher oder ähnlicher Weise pflichtwidrig verhalten hätte.

14

2. Mit dieser Würdigung hat das Berufungsgericht, dem bei der Prüfung und Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG ein Beurteilungsspielraum zukommt, alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze berücksichtigt. Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den „auf lange Sicht“ - möglicherweise - verursachten Schaden in seine Überlegungen einbezogen, indem es die „vertane“ Arbeitszeit auf einen Zeitraum von einem Jahr hochgerechnet hat. Zu einem über die Vergütung der nicht bestimmungsgemäß verbrachten Arbeitszeit hinausgehenden Schaden hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Kläger nicht um Erlaubnis gefragt habe, obgleich er nur ausnahmsweise am Arbeitsplatz für die Firma seines Vaters habe tätig werden wollen und man insoweit eine „adäquate Lösung“ hätte finden können, bestätigt die Beklagte letztlich nur die Einschätzung des Berufungsgerichts, es sei zumindest nicht ausgeschlossen gewesen, dass sie eine geringfügige Privatnutzung ihrer Betriebsmittel während der Arbeitszeit hinnehmen würde.

15

II. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, es müsse bei seiner Entscheidung den Sachvortrag der Beklagten unberücksichtigt lassen, den sie nur aufgrund des von ihr eingesetzten Keyloggers in das Verfahren einführen konnte. Die Verwertung dieses Vorbringens bei der Urteilsfindung wäre mit dem Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG)unvereinbar.

16

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei(vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts - etwa von § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO - ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 , BVerfGE 117, 202) hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 21; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 18; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 3, BAGE 156, 370; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378; 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 37, BVerfGK 10, 330; 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 ua. - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 65, 1).

17

2. Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild ( § 1 Abs. 1 BDSG ). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 17; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 2, BAGE 156, 370). Ist allerdings die Datenverarbeitung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 22).

18

3. In Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den streitigen Sachvortrag der Beklagten über die Nutzung des Dienst-PC durch den Kläger am 21. und 23. April 2015 zugrunde zu legen. Hierdurch hätte das Landesarbeitsgericht eine durch die Beklagte begangene Grundrechtsverletzung perpetuiert und vertieft. Die Datenerhebung durch den Keylogger griff in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Der Kläger hat in die Maßnahme nicht eingewilligt. Der Eingriff war nicht aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten nach § 32 Abs. 1 oder § 28 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt. Ebenso lagen keine weiteren, über das schlichte Beweisinteresse der Beklagten hinausgehenden Aspekte vor, die gerade die in Frage stehende verdeckte Informationsbeschaffung durch einen Keylogger als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten.

19

a) Die Aufzeichnung und Speicherung der Tastatureingaben am Dienst-PC des Klägers sowie das Fertigen von Screenshots durch den Keylogger stellten Datenerhebungen iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 7 BDSG dar. Die Beklagte hat sich dadurch Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person, nämlich des Klägers als dem Nutzer des ihm zugeordneten Rechners, verschafft.

20

b) Der Kläger hat in die Datenerhebungen nicht dadurch gemäß § 4a BDSG eingewilligt, dass er der Ankündigung der Beklagten nicht widersprochen hat. Allein in der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer einer ihm mitgeteilten Maßnahme nicht entgegen tritt, liegt keine Einverständniserklärung in die Informationserhebung. Das Unterlassen eines Protests kann nicht mit einer Einwilligung gleichgesetzt werden (für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 40, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329). Das gilt insbesondere, wenn - wie vorliegend - eine vom Arbeitgeber gesetzte „Widerspruchsfrist“ noch nicht abgelaufen ist. Im Übrigen hatte die Beklagte dem Kläger nicht eröffnet, es sollten alle Tastatureingaben an seinem Dienst-PC „mitgeloggt“ und regelmäßig Screenshots gefertigt werden. Auch konnte der Kläger nicht erkennen, zu welchem Zweck er überwacht wurde. Die E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 legte den Schluss nahe, dass allein eine etwaige Internetaktivität über das neue Netzwerk und diese auch „nur“ hinsichtlich der abgerufenen Inhalte („Download von illegalen Filmen“, „Betreiber zur Verantwortung gezogen“, „rechtlicher Missbrauch“) kontrolliert werden sollte. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, in der mündlichen Unterweisung am 20. April 2015 seien anderslautende oder weiter gehende Aussagen getroffen worden. Dementsprechend ließ die Beklagte dem Kläger in ihrem Schreiben vom 5. Mai 2015 lediglich mitteilen, sie habe „im Zuge der Umstellung des Internetanschlusses zur Vermeidung eines etwaigen Missbrauchs die Onlineaktivitäten, die über diesen Anschluss laufen, kontrolliert und diese Kontrolle im Vorfeld sowohl per E-Mail als auch im Rahmen einer Ansprache an die gesamte Belegschaft angekündigt.“

21

c) Mit der ohne Einwilligung des Klägers erfolgten Datenerhebung durch den Keylogger hat die Beklagte in dessen durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.

22

aa) Für einen Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts ist es ohne Bedeutung, ob die Datenerhebung in verdeckter Form oder für den Arbeitnehmer erkennbar erfolgt.

23

(1) Bei dem verdeckten Einsatz eines Keyloggers wird der betroffene Arbeitnehmer in der Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden, beschränkt, indem er zum Ziel einer nicht erkennbaren - systematischen - Beobachtung durch den Arbeitgeber gemacht wird und dadurch auf sich beziehbare Daten über sein Verhalten preisgibt, ohne die Überwachung oder gar den mit ihr verfolgten Verwendungszweck zu kennen (für die automatisierte Erhebung öffentlich zugänglicher Informationen vgl. BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05  ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378 ; für die Observation durch einen Detektiv außerhalb des Betriebsgeländes vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

24

(2) Wird der Keylogger offen eingesetzt, liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor, weil die Aufzeichnung und Speicherung sämtlicher Tastatureingaben und bestimmter Bildschirminhalte der Vorbereitung möglicher belastender Maßnahmen (Ermahnung, Abmahnung, Kündigung) dienen und zugleich abschreckend wirken und insoweit das Verhalten des Betroffenen lenken soll (für die offene Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 38, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 24, BVerwGE 141, 329).

25

bb) Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erfasst werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung, der sich in die (Betriebs-)Öffentlichkeit begibt (für die Videoüberwachung vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 39, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329; für die Observation durch einen Detektiv vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

26

cc) Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt nicht voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer das informationstechnische System, über das Daten erhoben werden, als eigenes nutzt und deshalb den Umständen nach davon ausgehen darf, dass er allein oder zusammen mit anderen zur Nutzung berechtigten Personen über das System selbstbestimmt verfüge. Diese Einschränkung betrifft allein das ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, dem ggf. eine lückenfüllende Funktion zukommt (BVerfG 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 ua. - Rn. 201 und Rn. 206, BVerfGE 120, 274).

27

d) Der Einsatz des Keyloggers war der Beklagten nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt. Es fehlte bereits an dem insoweit erforderlichen, durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdacht einer Straftat oder einer anderen schweren Pflichtverletzung. Eine Maßnahme, die hinsichtlich der Intensität des durch sie bewirkten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit einer (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar ist, stellt sich als unverhältnismäßig dar, wenn sie aufgrund bloßer Mutmaßungen ergriffen wird.

28

aa) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt (Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 16; Grimm JM 2016, 17, 19), zur Beendigung iSd. Kündigungsvorbereitung (dazu Grimm, aaO) die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 26). Sofern nach § 32 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BDSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer solchen Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG auch verarbeitet und genutzt werden(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 40; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 37 f., BAGE 156, 370). Der Begriff der Beendigung umfasst dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; Stamer/Kuhnke in Plath BDSG § 32 Rn. 149; HWK/Lembke 7. Aufl. § 32 BDSG Rn. 15).

29

bb) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG erlaubt die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in Fällen, in denen - unabhängig von den in § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG näher bestimmten Zwecken - Anhaltspunkte für den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Maßnahmen, die vom Arbeitgeber ergriffen werden, um strafbares Verhalten eines Arbeitnehmers aufzudecken, in der Regel besonders intensiv in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Das ist insbesondere bei einer zu diesem Zweck erfolgenden (verdeckten) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gesondert kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität damit vergleichbare Maßnahmen erfassen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 27; 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 75, BAGE 151, 1). Diese sollen allenfalls dann zulässig sein, wenn der durch konkrete Tatsachen begründete „einfache“ Verdacht (Anfangsverdacht, BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 25) einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat besteht.

30

cc) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG entfaltet keine „Sperrwirkung“ dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig sein könnte(ausführlich BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 28 ff.). Allerdings muss der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem - dort gleichfalls verankerten - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 32; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 30; 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 81, 15; 22. Oktober 1986 -  5 AZR 660/85  - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 53, 226 ). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 41 , BAGE 148, 26 ; 29. Juni 2004 -  1 ABR 21/03  - zu B I 2 d der Gründe, BAGE 111, 173 ). Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (BVerfG 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - zu B I 2 b dd der Gründe, BVerfGE 115, 320 ; BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - aaO). Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach muss im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme, die auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gestützt werden soll, der auf konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer schwerwiegenden, jedoch nicht strafbaren Pflichtverletzung bestehen. Eine entsprechende verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG unzulässig(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO). Sie ist, ohne dass es noch darauf ankäme, ob mildere, gleich effektive Mittel vorhanden waren, jedenfalls unangemessen (nicht verhältnismäßig im engeren Sinne).

31

dd) Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenerhebungen nach § 32 Abs. 1 BDSG ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts - zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung - zulässig sein können. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen. Solche präventiven Maßnahmen können sich schon aufgrund des Vorliegens einer abstrakten Gefahr als verhältnismäßig erweisen, wenn sie keinen solchen psychischen Anpassungsdruck erzeugen, dass die Betroffenen bei objektiver Betrachtung in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt sind (dazu BAG 25. April 2017 - 1 ABR 46/15 - Rn. 20 und Rn. 28 ff.). Dementsprechend kann die vorübergehende Speicherung und stichprobenartige Kontrolle der Verlaufsdaten eines Internetbrowsers zulässig sein, um die Einhaltung eines vom Arbeitgeber aufgestellten kompletten Verbots oder doch einer Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen zu kontrollieren. Dabei werden lediglich die Adressen und Titel der aufgerufenen Seiten und der Zeitpunkt des Aufrufs protokolliert und damit nicht mehr Daten gespeichert, als benötigt werden, um einen möglichen inhaltlichen oder zeitlichen Missbrauch der Nutzungsrechte festzustellen (LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2016 - 5 Sa 657/15 - zu B I 4 a aa (8) (d) der Gründe). Würden die gespeicherten Verlaufsdaten nicht zumindest stichprobenartig überprüft, könnten Zuwiderhandlungen gegen das Verbot oder die Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen des Arbeitgebers nicht geahndet werden und könnte die Datenerhebung ihre verhaltenslenkende Wirkung nicht entfalten.

32

ee) Mit diesem Inhalt steht § 32 Abs. 1 BDSG im Einklang mit den Vorgaben der eine umfassende Harmonisierung(zur Begrifflichkeit EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f., Slg. 2003, I-12971) vorsehenden Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG - ABl. L 281 vom 23. November 1995 S. 31). Einerseits wird mit dem aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleiteten Erfordernis des auf konkrete Tatsachen gestützten Anfangsverdachts einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung für besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht entgegen Art. 5 der Richtlinie ein zusätzlicher, die Datenerhebung erschwerender Grundsatz eingeführt oder durch eine zusätzliche Bedingung die Tragweite eines der in Art. 7 der Richtlinie vorgesehenen Grundsätze verändert(dazu EuGH 19. Oktober 2016 - C-582/14 - [Breyer] Rn. 57 ff.; 24. November 2011 - C-468/10 und C-469/10 - [ASNEF] Rn. 33, 34 und 36). Andererseits genügt der vom Senat herangezogene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem durch die Richtlinie sowie Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(dazu EuGH 11. Dezember 2014 - C-212/13 - [Ryneš] Rn. 28) und Art. 8 EMRK(dazu EuGH 9. November 2010 - C-92/09 und C-93/09 - [Volker und Markus Schecke] Rn. 52, Slg. 2010, I-11063; BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 20 f.) garantierten Schutzniveau für die von einer Datenerhebung Betroffenen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 38; EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471).

33

ff) Bei dem (zeitlich nicht begrenzten) verdeckten Einsatz eines Keyloggers an einem Dienst-PC handelt es sich um eine Datenerhebung, die hinsichtlich der Intensität des mit ihr verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen mit einer - verdeckten - Videoüberwachung am Arbeitsplatz vergleichbar ist. Zwar berührt der Einsatz eines Keyloggers grundsätzlich nicht das Recht am eigenen Bild, insbesondere ist er regelmäßig nicht geeignet, Verhaltensweisen optisch zu erfassen, die von dem Betroffenen als peinlich empfunden werden. Jedoch wird mit der Datenerhebung durch einen Keylogger massiv in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Es werden - für den Benutzer irreversibel - alle Eingaben über die Tastatur eines Computers einschließlich des Zeitpunkts der Eingabe sowie des zeitlichen Abstands zwischen zwei Eingaben erfasst und gespeichert. Die auf diese Weise gewonnenen Daten ermöglichen es, ein nahezu umfassendes und lückenloses Profil sowohl von der privaten als auch dienstlichen Nutzung durch den Betroffenen zu erstellen. Dabei werden nicht nur gespeicherte Endfassungen und ggf. Zwischenentwürfe bestimmter Dokumente sichtbar, sondern es lässt sich jeder Schritt der Arbeitsweise des Benutzers nachvollziehen. Darüber hinaus können besondere Arten personenbezogener Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG oder - so im Streitfall - andere hochsensible Daten wie zB Benutzernamen, Passwörter für geschützte Bereiche, Kreditkartendaten, PIN-Nummern etc. protokolliert werden, ohne dass dies für die verfolgten Kontroll- und Überwachungszwecke erforderlich wäre. Ebenso hat der betroffene Arbeitnehmer weder Veranlassung noch die Möglichkeit, bestimmte Inhalte als privat oder gar höchstpersönlich zu kennzeichnen und damit ggf. dem Zugriff des Arbeitgebers zu entziehen. Dieser ohnehin schon weit überschießende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen wird noch verstärkt, wenn - wie hier - regelmäßig Screenshots gefertigt werden.

34

gg) Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keine Tatsachen dargelegt, die vor dem Einsatz des Keyloggers den Anfangsverdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung begründet hatten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

35

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe lediglich einen Vorfall konkret beschrieben. Das von einer Arbeitnehmerin mitgeteilte einmalige hastige „Wegklicken“ einer „stark bebilderten“ Webseite sei aber nicht geeignet, den konkreten Verdacht einer exzessiven Privatnutzung des Dienst-PC zu begründen. Im Weiteren sei der Vortrag der Beklagten substanzlos geblieben. Das gelte zum einen für die einer Beweisaufnahme nicht zugängliche Behauptung, auch andere Mitarbeiter hätten angegeben, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang außerdienstlichen Aktivitäten nach. Zum anderen habe die Beklagte nicht substantiiert dargetan, dass die Leistungen des Klägers erheblich nachgelassen hätten.

36

(2) Diese Ausführungen lassen keinen materiellen Rechtsfehler erkennen. Die Revision zeigt auch keinen Fehler bei der Anwendung des Prozessrechts auf.

37

(a) Das Berufungsgericht hat es - stillschweigend - zu Recht als unmaßgeblich angesehen, dass die Beklagte die tatsächlichen Anhaltspunkte, die aus ihrer Sicht den Verdacht strafbaren Verhaltens des Klägers begründeten, nicht iSv. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dokumentiert hat. Ein solches Versäumnis führt weder zu einer Präklusion mit Vortrag zu den Verdachtsmomenten im Prozess noch begründet es für sich genommen die Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Die Vorgabe, die Tatsachen zu dokumentieren, auf die sich ein Anfangsverdacht gründet, verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern. Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauert und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 33).

38

(b) Das Landesarbeitsgericht hat die Darlegungslast der Beklagten nicht überspannt. Auch bei vermeintlich kreativ tätigen Arbeitnehmern lässt sich anhand objektiver Tatsachen feststellen, inwieweit sie die ihnen übertragenen Aufgaben fristgerecht und entsprechend den inhaltlichen Vorgaben erledigt haben. Keinesfalls reicht es aus, sich im Rechtsstreit auf einen nicht näher begründeten Eindruck eines Vorgesetzten oder des Geschäftsführers zurückzuziehen.

39

(c) Die von der Beklagten erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe sie gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass ihr Vortrag zum Vorliegen eines durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdachts unzureichend sei, ist unzulässig. Die Revision legt nicht dar, warum die Vorinstanz einem gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten in der konkreten Lage des Prozesses, insbesondere nach den Einlassungen des Klägers den von ihr vermissten Hinweis hätte erteilen müssen. Überdies fehlte es nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten an der Entscheidungserheblichkeit einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht. Sie räumt selbst ein, es sei ihr nicht möglich gewesen, ihr Vorbringen zu ergänzen.

40

e) § 28 Abs. 1 BDSG schied als Erlaubnisnorm aus. Die Vorschrift findet im Beschäftigungsverhältnis nur Anwendung, wenn nicht - wie hier - die Zwecke des § 32 Abs. 1 BDSG betroffen sind(BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Demgegenüber kann eine Datenerhebung, die weder der Aufdeckung von Straftaten iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG noch sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dient, „zur Wahrung berechtigter Interessen“ iSv. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zulässig sein(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 25; Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 2, 45 f.).

41

f) Es kann dahinstehen, ob Erkenntnisse, die der Arbeitgeber im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 1 BDSG unter Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewonnen hat, ausnahmsweise im Rechtsstreit verwertet werden dürfen. Das könnte nur dann in Betracht kommen, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24, BAGE 156, 370; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 29, BAGE 145, 278). Im Streitfall fehlt es schon an erstem. Ein Arbeitgeber, der - wie hier die Beklagte - eine Überwachungsmaßnahme „ins Blaue hinein“ veranlasst, befindet sich weder in einer Notwehr- oder notwehrähnlichen Situation gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB noch in einer Notstandslage iSv. § 34 StGB(dazu BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 23 f.).

42

4. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Kündigungen seien auch als Verdachtskündigungen unwirksam. Es musste den Sachvortrag der Beklagten, mit dem sie die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse in den Rechtsstreit eingeführt hat, auch bei der Würdigung außer Acht lassen, ob gegen den Kläger der dringende Verdacht eines Verhaltens bestand, das, wäre es erwiesen, eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte (dazu, dass dies auch für eine ordentliche Verdachtskündigung erforderlich ist, BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 22).

43

III. Die Sache ist nicht deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es Sachvortrag der Beklagten übergangen hätte, der möglicherweise keinem Verwertungsverbot unterläge. Die dahingehende Rüge der Beklagten greift nicht durch.

44

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die von der Beklagten in Bezug genommenen Screenshots der E-Mail-Ordner auf dem Dienst-Rechner des Klägers seien vom Keylogger gefertigt worden. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten (§ 320 ZPO), mit dem sie geltend gemacht hatte, ihr erstinstanzlicher, auf Seite 10 des amtlichen Umdrucks des Berufungsurteils wiedergegebener Vortrag sei dahin gegangen, dass diese Bildschirmfotos bei einer vom Keylogger unabhängigen Einsichtnahme in das E-Mail-Programm auf dem Dienst-PC des Klägers gemacht worden seien, hat es als unbegründet zurückgewiesen.

45

2. Die darauf bezogene Verfahrensrüge ist unzulässig.

46

a) Es kann dahinstehen, ob dies schon deshalb der Fall ist, weil die Beklagte sich mit dieser Rüge gegen die nicht mit einem Berichtigungsantrag angegriffene tatbestandliche Feststellung wendet, ihr zweitinstanzlicher - möglicherweise „überholender“ - Vortrag sei dahin gegangen, dass die Screenshots vom Inhalt der E-Mail-Ordner auf dem Rechner des Klägers vom Keylogger „geschossen“ wurden (Seite 12 und 22 des amtlichen Umdrucks). Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte nach abgelehnter Tatbestandsberichtigung mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erfolgreich allenfalls hätte geltend machen können, das Berufungsgericht habe ihr Vorbringen bewusst missverstanden und damit übergangen, oder es habe den Vortrag zumindest als missverständlich ansehen müssen und deshalb die angegriffene tatbestandliche Feststellung nicht ohne vorherigen Hinweis gemäß § 139 ZPO treffen dürfen.

47

b) Jedenfalls legt die Beklagte die Erheblichkeit ihres „richtig“ verstandenen Vorbringens nach der maßgeblichen Begründungslinie der angefochtenen Entscheidung nicht dar. Sie zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht anhand der bloßen Anzahl der in den E-Mail-Ordnern befindlichen Nachrichten zu der Überzeugung gelangt wäre, der Kläger sei in einem exzessiven, eine vorherige Abmahnung entbehrlich machenden Umfang während seiner Arbeitszeit privaten Aktivitäten nachgegangen. Solchen Vortrags hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil unstreitig zumindest ein Teil der E-Mails betreffend die Firma seines Vaters automatisch und ohne aktives Zutun des Klägers generiert worden ist.

        

    Koch    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Niebler    

        

    Löllgen    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Mai 2015 - 4 Sa 1198/14 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt als Kfz-Vertragshändler an mehreren Standorten Verkaufshäuser und Servicebetriebe. Der Kläger war bei ihr seit August 1979 als Kraftfahrzeugmechaniker im Betrieb L, für den ein Betriebsrat gewählt ist, tätig. Dort beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter - den Kläger eingerechnet - fünf Werkstattmitarbeiter.

3

Zum Betrieb L gehört ein Ersatzteillager, das von zwei Mitarbeitern betreut wird. Bis Herbst 2013 war es den Werkstattmitarbeitern grundsätzlich erlaubt, Ersatzteile, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit benötigten, eigenhändig aus dem Lager zu entnehmen. Wurden solche Teile nicht einzeln verkauft oder in Fahrzeugen verbaut, wurden sie später auf einer vor den Regalen des Lagers eingerichteten Theke abgelegt und danach durch die Lageristen wieder in den Bestand einsortiert.

4

Bei Inventuren im November 2013 und Mitte Februar 2014 verzeichnete die Beklagte jeweils einen Fehlbestand von Ersatzteilen. Mit Aushang vom 27. Februar 2014 machte sie die Differenzen betriebsöffentlich. Zugleich untersagte sie - mit Ausnahme der beiden Lageristen - allen Mitarbeitern für die Zukunft den Zutritt zum Lager und verbot ihnen, Teile aus den Regalen zu nehmen. Der Kläger nahm dies zur Kenntnis.

5

Nachdem anschließende Gespräche mit den Lagermitarbeitern keinen Aufschluss über die Fehlbestände erbracht hatten und - wie im angefochtenen Urteil als unstreitig festgestellt - „auch die Mitteilung vom Februar 2014 nicht [geholfen hatte]“, ließ die Beklagte am 22. März 2014 im Betrieb L eine Videokamera installieren, mittels derer die Vorgänge im Ersatzteillager fortan aufgezeichnet wurden. Von dieser Maßnahme hatten nur die Lageristen und der vor Ort eingesetzte Betriebsleiter Kenntnis. Auch den Betriebsrat beteiligte die Beklagte nicht.

6

Der Betriebsleiter wertete am Abend des 6. August 2014 die Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 aus. Auf diesen ist zu sehen, dass der Kläger das Ersatzteillager betrat, aus einem Regal ein Paket Bremsklötze entnahm und es sodann in seiner Hosentasche verstaute. Der weitere Inhalt der Videoaufnahme ist zwischen den Parteien umstritten.

7

In einem Personalgespräch am 14. August 2014 spielte die Beklagte dem Kläger die Aufzeichnung vom 15. Juli 2014 vor und lastete ihm an, er habe sich das aus dem Lager entnommene Paket rechtswidrig zugeeignet. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Der Kläger äußerte, er habe keine Erklärung für den Vorgang. „Natürlich“ wolle er „wegen eines solchen Teils“ nicht seinen Arbeitsplatz „riskieren“. Auf weiteren Vorhalt gab er an, aus Sicht der Beklagten würde er sein Verhalten ebenso wie diese bewerten.

8

Mit Schreiben vom 19. August 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos und mit weiterem Schreiben vom 25. August 2014 vorsorglich ordentlich zum 31. März 2015. Der zuvor mit Schreiben vom 15. August 2014 angehörte Betriebsrat hatte sich zu der ihm mitgeteilten Kündigungsabsicht nicht geäußert.

9

Der Kläger hat mit der rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, beide Kündigungen seien unwirksam. Das auf dem Videomitschnitt vom 15. Juli 2014 dokumentierte Verhalten indiziere nicht einmal den Verdacht einer rechtswidrigen Wegnahme der Bremsklötze. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass er die Teile aus dem Betrieb der Beklagten entfernt habe. Ebenso gut könne es sein, dass eine dienstliche Verwendung der Bremsklötze fälschlich nicht dokumentiert worden sei. Unabhängig davon habe die Beklagte die Videoaufzeichnungen unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats erlangt. Beides führe dazu, dass die Mitschnitte als Beweismittel und das hierauf gestützte Vorbringen der Beklagten, auch soweit es unstreitig geblieben sei, prozessual nicht verwertbar seien. Entsprechendes gelte für seine Einlassung im Personalgespräch, die auf das Vorspielen der Videoaufnahme zurückzuführen sei.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung vom 25. August 2014 aufgelöst worden ist;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. zu den derzeit geltenden Arbeitsbedingungen als Kfz-Mechaniker in der Filiale bzw. Niederlassung L weiterzubeschäftigen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Kläger habe am Morgen des 15. Juli 2014 das Lager im Abstand von wenigen Minuten dreimal betreten und jeweils zügig wieder verlassen. Die beiden ersten Male habe sich der Kläger in dem Bereich umgesehen und sich dabei der Abwesenheit der Lageristen vergewissert. Beim dritten Zutritt sei er unmittelbar auf das Regal mit den Bremsklötzen zugesteuert und habe die unstreitige Entnahme vorgenommen. Das Verhalten indiziere eine Zueignungsabsicht. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Dafür spreche schon die Missachtung des Zutrittsverbots. Soweit der Kläger vorgebracht habe, der Leiter des Lagers habe ihm nach der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 für dringende Ausnahmefälle das Betreten des Lagers und die Entnahme von Ersatzteilen erlaubt, handele es sich um eine Schutzbehauptung. Jedenfalls entsprächen die Ausführungen nicht der Wahrheit. Ein freier Verkauf der Bremsklötze oder deren Einbau in ein passendes Fahrzeug sei ebenso auszuschließen wie eine Rückführung der Teile ins Lager. Es sei ihr - der Beklagten - auch nicht prozessual verwehrt, sich auf unstreitige Tatsachen zu berufen, von denen sie unmittelbar oder mittelbar durch die Videoaufzeichnungen Kenntnis erlangt habe. Entsprechendes gelte für eine beweisrechtliche Verwertung der Mitschnitte. Im Zeitpunkt der Aufzeichnungen habe der begründete Verdacht rechtswidriger Entwendungen von Ersatzteilen durch Mitarbeiter bestanden. Die Lageristen hätten, um sich selbst zu entlasten, einer zeitlich begrenzten Überwachung ihres Arbeitsbereichs zugestimmt. Erfolgversprechende Möglichkeiten, den Kreis der Verdächtigen weiter einzugrenzen, hätten nicht bestanden. Demgegenüber sei der Kläger nur deshalb von der Aufzeichnung erfasst worden, weil er sich über das Zutrittsverbot hinweggesetzt habe. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen den Vortrag der Beklagten über den Vorfall vom 15. Juli 2014 nicht unberücksichtigt lassen und der Klage stattgeben (I.). Der Senat vermag die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 19. August 2014 nicht abschließend zu beurteilen (II.). Dies führt insgesamt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

14

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es sei wegen eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG, der nicht durch überwiegende schutzwürdige Interessen der Beklagten gerechtfertigt sei, daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 zutage getretene Verhalten des Klägers zugrunde zu legen.

15

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

16

a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung(§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - zu C II 4 a aa der Gründe, BVerfGE 106, 28). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage. Dies gilt nicht anders für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 21).

17

b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 22).

18

c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 23; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

19

d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94, BVerfGE 117, 202). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe).

20

e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 25 mwN, auch zur gegenteiligen Auffassung). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen(Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im Einzelnen BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen grundsätzlich unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - aaO).

21

2. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob durch die Herstellung der Videoaufzeichnungen das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung sowie sein Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG verletzt wurden. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und einer darauf bezogenen tatrichterlichen Würdigung. Es ist nicht auszuschließen, dass der Einsatz der verdeckten Videoaufzeichnung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zulässig war.

22

a) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 28). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, BAGE 146, 303).

23

b) Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Würdigung, die Informationsgewinnung mittels Videoaufzeichnung sei unzulässig, weil bei Beginn der Aufzeichnungen ein konkreter Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen strafbaren Handlung oder einer ähnlich schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers nicht bestanden habe, nicht sämtliche fallrelevanten Umstände in Betracht gezogen.

24

aa) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass vor Einrichtung der Videoüberwachung Inventurdifferenzen aufgetreten waren. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ermöglicht eine Videoüberwachung auch dann, wenn nur ein Teil der Differenzen ihre Ursache in Straftaten von Arbeitnehmern gegen das Vermögen der Beklagten haben. Es gibt keinen Rechtssatz, nach dem ausschließlich dem Volumen nach „erhebliche“ Defizite einen Anhaltspunkt für strafbares Mitarbeiterverhalten bieten können. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

25

bb) Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu den im November 2013 und Februar 2014 aufgetretenen Inventurdifferenzen keinen substantiierten Vortrag gehalten hat. Es durfte aber nicht ohne darauf bezogenen Sachvortrag annehmen, dass sämtliche Differenzbestände durch Fehler in der elektronischen Dokumentation ihres Betriebs verursacht sein konnten. Insbesondere wenn in kurzen zeitlichen Abständen Fehlbestände aufgetreten waren, die leicht zu entfernende Teile betrafen, kann dies nach der Lebenserfahrung auf Straftaten der sich in den Lagerräumen aufhaltenden Mitarbeiter hindeuten. Ähnliches gilt für das als unstreitig festgestellte Vorbringen der Beklagten, der Aushang vom 27. Februar 2014 habe nicht „geholfen“. Mit dem Sinngehalt dieser Behauptung hat sich das Landesarbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass darin der - verkürzte - Vortrag liegt, nach dem Zutrittsverbot seien weitere Differenzen aufgetreten. Bejahendenfalls machte dies Vermögensdelikte zum Nachteil der Beklagten zumindest im Sinne eines „Anfangsverdachts“ aber umso wahrscheinlicher. Ein solcher, durch konkrete Tatsachen belegter „einfacher“ Verdacht ist im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ausreichend(vgl. BeckOK DatenSR/Riesenhuber BDSG 17. Edition § 32 Rn. 118; im Ergebnis ebenso Simitis/Seifert BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 104; zum Erfordernis eines „einfachen Tatverdachts“ als Voraussetzung für Maßnahmen nach § 100a StPO vgl. BGH 11. August 2016 - StB 12/16 - Rn. 9). Ein „dringender“ Tatverdacht, der einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Straftaten voraussetzte (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30), ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Diesem Verständnis entsprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Es geht darum, schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten aufgrund vager Anhaltspunkte oder bloßer Mutmaßungen auszuschließen.

26

cc) Die Beklagte hat die Fehlbestände betriebsöffentlich gemacht und durch das im Februar 2014 ausgesprochene - nach ihrem unter Beweis gestellten Vortrag ausnahmslose - Zutrittsverbot sichergestellt, dass Ersatzteile nur von den im Lager beschäftigten Mitarbeitern ausgehändigt werden. Die Videoaufzeichnung richtete sich damit nur noch gegen die beiden Lagermitarbeiter, die sich nach dem Vorbringen der Beklagten mit einer solchen Maßnahme grundsätzlich einverstanden erklärt hatten, und gegen solche Mitarbeiter, die sich möglicherweise vertragswidrig im Bereich des Lagers aufhielten. Bei diesen Personen bestand aber ein konkreter, über bloße Mutmaßungen hinausgehender Verdacht, dass sie sich unberechtigt Ersatzteile aneignen. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht in Betracht gezogen.

27

c) Die Videoüberwachung erweist sich nicht aus anderen Gründen als unverhältnismäßig. Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ersichtlich, dass andere Mittel zur Aufklärung des Verdachts und zur Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises zur Verfügung gestanden hätten, die weniger stark in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen hätten und mittels derer der Zweck der Überwachung mit vergleichbarer Erfolgsaussicht hätte erreicht werden können.

28

aa) Die Beklagte hat im Anschluss an den Aushang vom Februar 2014 mit ihren Lageristen Gespräche geführt, die zur Aufklärung der Ursachen für die Inventurdifferenzen nichts beitrugen. Sie hat insoweit diejenigen Arbeitnehmer angesprochen, die für die Verwaltung des Lagerbestands verantwortlich zeichneten und ggf. über den Verbleib von Ersatzteilen hätten Auskunft geben können. Gespräche mit den Werkstattmitarbeitern musste sie nicht in gleicher Weise als erfolgversprechend ansehen. Aufgrund ihrer innerbetrieblichen Bekanntmachungen konnte sie vielmehr davon ausgehen, diese würden ggf. von sich aus Mitteilung machen, falls sie Aufschluss über mögliche Fehlerquellen hätten geben können und wollen.

29

bb) Eine effektive Überwachung durch Vorgesetzte oder Kollegen war nicht denkbar. Ebenso wenig lag in der offenen Videoüberwachung eine „mildere“ Alternative. Sie hätte sich vor dem angestrebten Zweck der Aufdeckung von Straftaten nicht als gleichermaßen wirksam wie die - zumindest aus Sicht der meisten Mitarbeiter - verdeckte Beobachtung erwiesen. Das in Rede stehende strafbare Verhalten war seiner Natur nach auf Heimlichkeit angelegt. Zur Aufdeckung solcher Verhaltensweisen können offene Überwachungen regelmäßig nichts beitragen (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (2) der Gründe, BAGE 105, 356; ebenso Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 331, 335). Soweit der Kläger bemängelt, die initiierte Überwachung habe nicht zur Aufklärung in der Vergangenheit liegender Straftaten führen können, übersieht er zum einen die mögliche indizielle Wirkung, die der Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen für die Beurteilung bereits abgeschlossener Sachverhalte zukommen kann. Zum anderen bezieht sich § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG allgemein auf die „Aufdeckung von Straftaten“, was die Gewinnung von Erkenntnissen über - aufgrund konkreter Anhaltspunkte - vermutete künftige strafbare Handlungen im Beschäftigungsverhältnis einschließt.

30

cc) Der Beklagten kann nicht entgegen gehalten werden, sie habe vorrangig eine Aufklärung durch Taschenkontrollen oder gar die Visitation von Kleidung versuchen müssen. Im Rahmen solcher Maßnahmen wäre der Beklagten eine vergleichbare Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises wie bei der lediglich auf das Lager ausgerichteten Videoüberwachung schwerlich möglich gewesen. Unabhängig davon griff die initiierte Beobachtung nicht stärker in das allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffener Arbeitnehmer ein als dies bei der Vornahme von Tor- bzw. Taschenkontrollen der Fall gewesen wäre. Solche Kontrollen berühren typischerweise die Privatsphäre der hiervon erfassten Arbeitnehmer (BAG 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 43, BAGE 148, 26). Die Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen unterstellt wären ihnen auch Beschäftigte ausgesetzt gewesen, die das Zutrittsverbot ausnahmslos beachteten und von denen jedenfalls eine Gefährdung des Eigentums oder der Besitzrechte der Beklagten an den Ersatzteilen nicht (mehr) ausging. Demgegenüber traf die Videoüberwachung den Kläger weder in seiner Intim- noch in der Privatsphäre. Zwar kann sich eine besonders hohe Intensität eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht auch aus der Dauer der Beobachtung ergeben, wie dies bei heimlichen Beobachtungen der Fall ist, denen Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsbereich während der gesamten Dauer ihrer Arbeitszeit ausgesetzt sind. Von einer solch massiven Beobachtung waren der Kläger und andere Mitarbeiter, denen der Zutritt zum Lager verwehrt worden war, aber nicht betroffen. Soweit dies im Fall der Lageristen anders zu beurteilen ist, handelte es sich um Personen, die gleichfalls zum Kreis der Verdächtigen rechneten. Überdies hatten sie der Überwachung zugestimmt.

31

dd) Der mit der verdeckten Videoüberwachung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers war insgesamt nicht unangemessen. Die Überwachung betraf ausgehend von dem Vorbringen der Beklagten allein das Lager und damit den räumlichen Bereich, auf den sich der Verdacht bezog. Gegenteiliges ist weder festgestellt, noch hat der Kläger substantiierten Gegenvortrag gehalten. Im Verhältnis zu Arbeitnehmern, die sich ohne Erlaubnis im Lager aufhielten, war die Eingriffsintensität selbst unter Berücksichtigung der Dauer des Kameraeinsatzes gering. Dieser Bewertung steht nicht die Behauptung des Klägers entgegen, der Laufweg zu einem Raum, in dem sich Ersatzwerkzeug für die Werkstattmitarbeiter befunden habe, führe durch bestimmte Bereiche des Lagers. Daraus folgt nicht, dass das Zutrittsverbot lediglich eine eingeschränkte Gültigkeit gehabt hätte. Der wegen des permanenten Überwachungsdrucks ungleich schwerere Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Lageristen war grundsätzlich durch deren Einwilligung gedeckt.

32

ee) Es spricht viel dafür, dass Letzteres auch vor dem Hintergrund gilt, dass die Lageristen gemäß eigenem Vorbringen der Beklagten der Überwachung lediglich „zeitlich begrenzt“ zugestimmt hatten. Damit wollten sie erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die Einwilligung jedenfalls nach der Aufdeckung von Straftaten anderer Arbeitnehmer, die zugleich ihrer eigenen Entlastung dienen würde, keine Wirkung mehr entfalten sollte.

33

3. Selbst unterstellt, eine durchgängige Beobachtung bis Mitte Juli 2014 wäre von der fraglichen Zustimmung der Lageristen nicht mehr gedeckt gewesen und die Videoüberwachung erwiese sich unter diesem Gesichtspunkt als unverhältnismäßig, führte dies nicht zu einem Verbot der Verwertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 und des hierauf gestützten unstreitigen Sachvortrags der Beklagten im Kündigungsschutzprozess mit dem Kläger. Der Schutzzweck des BDSG gebietet es nicht, dem Arbeitgeber aus generalpräventiven Gründen eine prozessuale Verwertung datenschutzrechtswidrig erlangter Informationen zu verwehren. Ein Verbot kommt nur in Betracht, wenn mit der Verwertung ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Prozesspartei einhergeht. Ein solcher Eingriff scheidet aber aus, wenn die Unzulässigkeit der Videoüberwachung allein aus der (Dritt-)Betroffenheit anderer Beschäftigter resultiert (Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Dzida/Grau NZA 2010, 1201, 1202 f.; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341; wohl aA Bayreuther NZA 2005, 1038, 1042; Otto Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber seinen Dokumentationspflichten gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, die grundsätzlich vor der Datenerhebung zu erfüllen sind, nur unvollständig nachgekommen ist. Die Vorgabe verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern (Tinnefeld/Petri/Brink MMR 2010, 727, 732). Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauern kann und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (ähnlich Alter NJW 2015, 2375, 2380).

34

4. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats hindert die Verwertung der Videoaufzeichnungen ebenso wenig.

35

a) Allerdings hat der Betriebsrat bei der Videoüberwachung von Betriebsräumen der Arbeitgeberin nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen. Eine Videoüberwachungsanlage ist im Sinne dieser Norm eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (BAG 11. Dezember 2012 - 1 ABR 78/11 - Rn. 16 ff., BAGE 144, 109).

36

b) Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der Betriebsrat bei der Installation der Videoüberwachung oder jedenfalls der Auswertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 beteiligt gewesen wäre. Dies führt für sich genommen aber nicht dazu, dass die Aufzeichnung als Beweismittel oder Sachvortrag, der sich auf daraus erlangte Erkenntnisse stützt, prozessual unverwertbar wäre. Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet die Annahme eines solchen Verwertungsverbots jedenfalls dann nicht, wenn die Verwendung und Verwertung eines Beweismittels und/oder daraus gewonnener, unstreitiger Informationen nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist. Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen des Arbeitgebers nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Soweit die Norm - wenngleich kollektivrechtlich vermittelt - dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer dient, sind die Schutzzwecke von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 44).

37

II. Danach hat das Landesarbeitsgericht wesentliche Teile des zur Begründung der ausgesprochenen Kündigungen gehaltenen Vortrags der Beklagten zu Unrecht nicht berücksichtigt. Dies führt zur Aufhebung seiner Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

38

1. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zu Inventurdifferenzen und zur Entwicklung nach dem Aushang vom 27. Februar 2014 nur unvollständig gewürdigt. Soweit das betreffende Vorbringen einer weiteren Klarstellung bedarf, wird es die Beklagte dazu anzuhalten haben. Ist danach wahrscheinlich, dass die Fehlbestände auch auf unberechtigten Entnahmen beruht haben, wird das Landesarbeitsgericht für die Zeit nach Ausspruch des Zutrittsverbots von einem konkreten, durch Tatsachen belegten Anfangsverdacht einer Straftat jedenfalls durch Arbeitnehmer auszugehen haben, die das Lager vertragswidrig betreten haben.

39

2. Danach würde die weitere Verarbeitung und Nutzung der den Kläger betreffenden Videoaufzeichnungen nicht dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen. Die Verarbeitung - dh. hier insbesondere die Aufbewahrung der Mitschnitte zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) - und deren weitere Verwendung im vorliegenden Verfahren war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.

40

a) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

41

b) Dies wäre hier der Fall. Die Aufzeichnungen vom 15. Juli 2014 begründeten zumindest den Verdacht, dass der Kläger zu Lasten der Beklagten eine Straftat begangen hat. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen des Klägers standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Beklagte - was hier nicht auszuschließen ist - die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers erlangt hat.

42

3. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 19. August 2014 aufgelöst worden ist.

43

a) Das bisherige Vorbringen der Beklagten kann - seine Verwertbarkeit unterstellt und unbeschadet der grundsätzlich dem Landesarbeitsgericht vorbehaltenen abschließenden Interessenabwägung - gem. § 626 Abs. 1 BGB sowohl eine außerordentliche Tat- als auch Verdachtskündigung rechtfertigen.

44

aa) Welche Beweiskraft den von der Beklagten vorgetragenen Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau mit der unstreitigen Wegnahmehandlung im Hinblick auf die Beurteilung zukommt, ob sich der Kläger eines Diebstahls oder einer Unterschlagung zulasten der Beklagten schuldig gemacht hat oder ob zumindest ein dahingehender dringender Verdacht besteht, ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, die dem Revisionsgericht entzogen ist(BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35, BAGE 152, 47; zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43, BAGE 149, 355).

45

bb) Anhaltspunkte für eine Rechtfertigungslage hat der Kläger, den insoweit eine abgestufte Darlegungslast trifft (zuletzt BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 40), bisher nicht schlüssig aufgezeigt. Zwar mag es in der Vergangenheit üblich gewesen sein, dass Mitarbeiter der Beklagten Ersatzteile für den Transport aus dem Lager in die Werkstatt in ihrer Kleidung verstauten. Darauf kann sich der Kläger aber nicht stützen, weil sich die Weisungslage mit dem Ende Februar 2014 angeordneten Zutrittsverbot verändert hatte. Sein Vorbringen, er habe mit dem für das Lager zuständigen Leiter abweichende Vereinbarungen getroffen, ist in zeitlicher und räumlicher Hinsicht bisher vollkommen unsubstantiiert. Zudem hat die Beklagte ihren betreffenden Gegenvortrag unter Beweis gestellt. Unabhängig davon lässt das Vorbringen des Klägers nicht erkennen, dass er sich im Zusammenhang mit der eigenhändigen Entnahme des Pakets Bremsklötze an die behauptete individuelle Absprache mit dem Lagerleiter gehalten und dementsprechend die Lageristen zumindest nachträglich über die Mitnahme von Ersatzteilen in deren Abwesenheit unterrichtet hat. Auch dies spricht nicht für ein redliches Vorgehen, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass sein Verhalten insgesamt auf Heimlichkeit angelegt war. Soweit der Kläger überdies geltend gemacht hat, es sei nicht auszuschließen, dass die Bremsklötze in einem Fahrzeug der entsprechenden Typenklasse eingebaut worden seien oder er alternativ - wie in der Vergangenheit üblich - das Paket auf der Theke vor dem Lager abgelegt habe, hat er nicht etwa einen konkreten, ihn entlastenden Geschehensablauf dargestellt, sondern rein hypothetische Sachverhaltsvarianten präsentiert. Ob sich dies unter Berücksichtigung seiner Einlassung im Personalgespräch vom 14. August 2014 mit Erinnerungslücken hinreichend erklären lässt, wird ggf. vom Landesarbeitsgericht zu bewerten sein.

46

cc) Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer sog. „Tatkündigung“ hängt materiell-rechtlich nicht davon ab, ob die Beklagte im Kündigungszeitpunkt alles ihr Mögliche und Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts - auch in Richtung einer denkbaren Entlastung des Klägers - unternommen hatte (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 38). Sollte es auf ihre Wirksamkeit als Verdachtskündigung ankommen, wird das Landesarbeitsgericht zu bewerten haben, ob die Beklagte ihrer diesbezüglich bestehenden Aufklärungspflicht nachgekommen ist, was allerdings nicht fernliegt. Dem sie dabei treffenden Erfordernis einer Anhörung des Klägers ist - soweit ersichtlich - Genüge getan.

47

b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Ihr Vorbringen ist schlüssig. Nach ihrem - offenbar unstreitig gebliebenen - Vortrag hat ihr allein kündigungsberechtigter Geschäftsführer von den maßgeblichen Tatsachen erst am 7. August 2014 Kenntnis erlangt. Ausgehend vom Zugang der fristlosen Kündigung am 19. August 2014 wäre die Zweiwochenfrist eingehalten. Das gilt allemal gerechnet ab dem Zeitpunkt des Personalgesprächs vom 14. August 2014. Ob ihr Betriebsleiter aufgrund des Ergebnisses einer am 16. Juli 2014 durchgeführten Bestandsaufnahme, bei der nach dem Vorbringen der Beklagten bereits das Fehlen eines Pakets Bremsklötze verzeichnet worden sein soll, gehalten war, eine Sichtung der Videobänder bereits vor dem 6. August 2014 vorzunehmen, kann dahinstehen. Daraus ergibt sich nach dem bisherigen Streitstand keine Verzögerung, die der Beklagten im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB anzulasten wäre. Kenntnisse nicht kündigungsberechtigter Personen muss sich der Arbeitgeber nur ausnahmsweise nach § 242 BGB zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung für eine Zurechnung ist weiter, dass die Verspätung, mit der der Kündigungsberechtigte in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs beruht (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 28). Dafür fehlt es derzeit an Anhaltspunkten.

48

c) Der Kläger hat seine zunächst „vorsorglich“ erhobene Rüge, es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs. 1 BetrVG), in erster Instanz ausdrücklich fallen gelassen. Unabhängig davon sind Mängel im Anhörungsverfahren auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht zu erkennen.

49

4. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegen auch die weiteren Klageanträge. Über den Kündigungsschutzantrag betreffend die ordentliche Kündigung vom 25. August 2014 ist abhängig vom Ausgang des Streits über die außerordentliche Kündigung zu erkennen. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, beide Kündigungen seien unwirksam, wird es zu berücksichtigen haben, dass sich der Weiterbeschäftigungsantrag dem Wortlaut nach auf ein Obsiegen mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1. bezieht, der sich gegen die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 richtet. Diesem Begehren durfte es nicht stattgeben, ohne der Frage nachzugehen, ob der Antrag überhaupt auf eine vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers nach Ablauf des Termins der ordentlichen Kündigung vom 25. August 2014 gerichtet ist und - bejahendenfalls - ob er ein entsprechendes Verlangen hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO)zum Ausdruck bringt.

50

5. Von weiteren Hinweisen sieht der Senat ab.

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Söller    

        

    F. Löllgen    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2015 - 7 Sa 1078/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels. Die Klägerin war bei ihr seit November 1998, zuletzt als stellvertretende Filialleiterin, beschäftigt. Sie war überwiegend als Kassiererin eingesetzt.

3

Die Beklagte stellte im Oktober 2013 für die Beschäftigungsfiliale der Klägerin einen Inventurverlust in den Warengruppen Tabak/Zigaretten und „Nonfood“ in Höhe von mehr als des Zehnfachen im Verhältnis zur vorausgegangenen Inventur fest. Die Ergebnisse von daraufhin durchgeführten Recherchen ließen aus ihrer Sicht nur den Schluss zu, dass der Verlust vom Personal zu verantworten sei. Weitere Kontroll- und Revisionsmaßnahmen sowie die Überprüfung der Mitarbeiter durch Taschenkontrollen führten nicht zur Aufklärung.

4

Die Beklagte beantragte daraufhin beim Betriebsrat die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung im Kassenbereich im Zeitraum vom 15. bis 29. Dezember 2013 zum Zwecke der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“. Als „Grund“ gab sie „Diebstahl Zigaretten/NF“ an, wobei sich die Videoüberwachung gegen die Mitarbeiterinnen D und M richten solle. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Videoüberwachung zu.

5

Die Filiale wurde unabhängig davon auch insgesamt offen videoüberwacht. An ihren Zugängen befanden sich entsprechende Hinweisschilder.

6

Einer Videosequenz der verdeckten Überwachung des Kassenbereichs vom 18. Dezember 2013 war zu entnehmen, dass die Klägerin eine dort befindliche „Musterpfandflasche“ über den Scanner gezogen, eine Leergutregistrierung durchgeführt, die Kassenlade geöffnet und Geld aus der Kassenlade genommen hatte, welches sie zunächst im Kassenbereich abgelegt und zu einem späteren Zeitpunkt in ihre Tasche gesteckt hatte. Der von ihr erstellte Kassenbon wies eine Pfandbarauszahlung iHv. 3,25 Euro für 13 Pfandflaschen bzw. -dosen aus.

7

Während eines am 20. Januar 2014 geführten Anhörungsgesprächs wurde der Klägerin die Videosequenz vorgespielt. Ihre Reaktion hierauf und der genaue Inhalt des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig geblieben.

8

Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachts-/bzw. Tatkündigung an. Der Betriebsrat stimmte den beabsichtigten Kündigungen am 23. Januar 2014 zu.

9

Mit Schreiben vom gleichen Tag kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Kündigungstermin.

10

Dagegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Ein Grund für die außerordentliche oder die ordentliche Kündigung liege nicht vor. Sie habe am fraglichen Tag bereits beim Betreten der Filiale kurz vor 10:00 Uhr Leergut in die Pfandbox eingeworfen. Darauf habe sich der Vorgang gegen Mittag desselben Tages bezogen, als sie die Musterpfandflasche eingescannt und das Pfandgeld entnommen habe. Die Beklagte habe überdies die Frist zur Erklärung der außerordentlichen Kündigung gem. § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 beendet wird;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als stellvertretende Filialleiterin weiter zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe einen regulären Kassiervorgang manipuliert, um sich auf diese Weise persönlich zu bereichern.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2014 sei wirksam.

15

I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es liege ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16

1. Die Manipulation eines Kassenvorgangs zum Zweck, sich selbst auf Kosten des Arbeitgebers zu bereichern, ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Verschafft sich ein Arbeitnehmer vorsätzlich auf Kosten des Arbeitgebers einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil, verletzt er erheblich seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB). Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen daher typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 13 und 15, BAGE 145, 278; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

17

2. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Interessenabwägung ohne Rechtsfehler angenommen, die langjährige unbeanstandete Beschäftigung der Klägerin in der Vergangenheit vermöge den eingetretenen Vertrauensverlust im Ergebnis nicht aufzuwiegen. Dabei hat es in seine Würdigung auch einbezogen, dass der Schaden mit 3,25 Euro relativ gering sei. Es hat jedoch zutreffend zu Lasten der Klägerin berücksichtigt, dass sie sich nach seinen Feststellungen bewusst, heimlich und durch eine gezielte Manipulation der Kassenvorgänge auf Kosten der Beklagten bereichert habe. Der dadurch bewirkte Vertrauensbruch wiegt bei einer stellvertretenden Filialleiterin und Kassiererin besonders schwer. Die Beklagte muss bei einer Arbeitnehmerin in dieser Position von uneingeschränkter Vertrauenswürdigkeit bei der Tätigkeit, insbesondere bei der Bedienung der Kasse, ausgehen können.

18

3. Das Landesarbeitsgericht hat es zu Recht als unerheblich angesehen, dass die Klägerin nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils von der Beklagten in ihrer bisherigen Tätigkeit weiterbeschäftigt worden ist. Zum einen kommt es für die Wirksamkeit der Kündigung auf die Umstände im Zeitpunkt ihres Zugangs an (vgl. BAG 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, BAGE 149, 367). Zum anderen ist allein maßgeblich, ob zu diesem Zeitpunkt Tatsachen gegeben waren, die es dem Arbeitgeber objektiv unzumutbar machten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 29; für die ordentliche Kündigung vgl. BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 34). Hierauf hat es keinen Einfluss, wenn die Beklagte der Klägerin mehr als acht Monate nach der Kündigung eine Prozessbeschäftigung angeboten hat. Im Übrigen hat sie das Angebot erst unterbreitet, nachdem sie erstinstanzlich zur Weiterbeschäftigung der Klägerin zu unveränderten Bedingungen verurteilt worden war. Daraus lässt sich, selbst wenn unmittelbar noch keine Zwangsvollstreckung gedroht haben sollte, nicht einmal schließen, sie habe eine Weiterbeschäftigung subjektiv wieder für zumutbar gehalten.

19

II. Das Landesarbeitsgericht war nicht wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs der Beklagten in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin sowie ihr Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 zutage getretene Verhalten der Klägerin zugrunde zu legen, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei seiner Würdigung zu berücksichtigen.

20

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.

21

a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung(§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 43, BAGE 146, 303; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 30). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 20, BAGE 145, 278; vgl. auch BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; MüKoZPO/Prütting 5. Aufl. § 284 Rn. 66). Dies gilt ebenso für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot.

22

b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind(vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (ebenso Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 137; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 190, 193; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 339; vgl. auch Lunk NZA 2009, 457, 459). Das bestätigt auch ein Umkehrschluss aus § 1 Abs. 4 BDSG. Nach dieser Bestimmung gehen die Vorschriften des Gesetzes (lediglich) denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes „bei der Ermittlung des Sachverhalts“ vor.

23

c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist (ebenso Schreiber ZZP 2009, 227, 229). Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 44, BAGE 146, 303; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 21, BAGE 145, 278). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276). Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

24

d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94, BVerfGE 117, 202; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 49, BAGE 146, 303). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29, BAGE 142, 176; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 - zu II 1 b bb der Gründe).

25

e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 29; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 34 ff.; ähnlich OLG Karlsruhe 25. Februar 2000 - 10 U 221/99 - zu II 3 b der Gründe; aA Ahrens Der Beweis im Zivilprozess Kapitel 6 Rn. 29). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen(vgl. Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im einzelnen BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft. Hat das Gericht Anhaltspunkte dafür, dass für den Rechtsstreit relevante Erkenntnisse unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei gewonnen wurden, muss es daher prüfen, ob es das Vorbringen, selbst wenn es unbestritten bleibt, bei der Feststellung des Tatbestands berücksichtigen darf. Hiervon besteht nur eine Ausnahme, wenn die Partei auf die Geltendmachung der Rechtsverletzung wirksam verzichtet hat.

26

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitig gebliebenen Sachvortrag der Beklagten über das aus den Videoaufzeichnungen vom 18. Dezember 2013 ersichtliche Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der erstellten Pfandbuchung zugrunde zu legen. Ebenso wenig bestand ein Verbot, den Zeugen H zum Inhalt der gelöschten früheren Videoaufnahmen von diesem Tag zu vernehmen und das Beweisergebnis bei der Würdigung zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht hat dadurch keine Grundrechtsverletzung perpetuiert oder vertieft. Zwar griff die verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. Der Eingriff war aber aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten gerechtfertigt. Die Beklagte hat auch nicht dadurch, dass sie die in Auswertung des Materials gewonnenen Erkenntnisse zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien verwendete, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Einer näheren Erörterung, ob anderenfalls nicht nur ein Beweis-, sondern auch ein Sachvortragsverwertungsverbot bestanden hätte, bedarf es daher nicht.

27

a) Die Beklagte hat durch die Veranlassung der Videoaufzeichnungen, aus denen das Verhalten der Klägerin am 18. Dezember 2013 ersichtlich wurde, nicht unrechtmäßig in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen.

28

aa) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 50, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30, BAGE 142, 176; grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, aaO).

29

bb) Danach hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die von der Beklagten veranlasste verdeckte Videoüberwachung des Kassenbereichs sei in Anbetracht der Inventurdifferenzen, der anderweitig durchgeführten, aber erfolglos gebliebenen Aufklärungsmaßnahmen und des gegenüber zwei Mitarbeiterinnen konkretisierten Diebstahlsverdachts gerechtfertigt gewesen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

30

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein anderes, milderes Mittel zur Aufklärung des fraglichen Verdachts habe nicht mehr zur Verfügung gestanden. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch die Klägerin hat einen solchen nicht aufgezeigt. Der ihres Erachtens gegebene Widerspruch zu dem Umstand, dass sie nicht zu dem Kreis der Verdächtigen gehört habe, besteht nicht. Eine verdeckte Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten darf nicht nur dann erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass von ihr ausschließlich Arbeitnehmer betroffen sind, hinsichtlich derer es bereits einen konkretisierten Verdacht gibt. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Soweit der Wortlaut der Bestimmung ein anderes Verständnis nahelegen könnte, ist er „verunglückt“. Die Regelung sollte - wie ausgeführt - die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern. Die Bestimmung orientiert sich vielmehr inhaltlich an den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht ua. in seinem Urteil vom 27. März 2003 (- 2 AZR 51/02 - BAGE 105, 356) zur verdeckten Überwachung von Beschäftigten aufgestellt hat (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Danach muss zwar der Kreis der Verdächtigen möglichst eingegrenzt sein, es ist aber nicht zwingend notwendig, dass eine Überwachungsmaßnahme in der Weise beschränkt werden kann, dass von ihr ausschließlich Personen erfasst werden, bezüglich derer bereits ein konkretisierter Verdacht besteht. Die Klägerin hat auch nicht etwa gerügt, das Landesarbeitsgericht habe tatsächliches Vorbringen übergangen, aus dem sich ergeben hätte, dass es ebenso gut möglich gewesen wäre, die Überwachung des Kassenbereichs ausschließlich bezogen auf die des Diebstahls verdächtigten Mitarbeiterinnen durchzuführen.

31

(2) Der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachungsmaßnahme steht damit nicht entgegen, dass sie in Bezug auf die Klägerin anlasslos war. Gab es kein milderes Mittel zur Aufklärung des bestehenden Diebstahlsverdachts gegen andere Mitarbeiterinnen als die konkret durchgeführte Überwachung, war der Eingriff - auch - in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin gerechtfertigt. Eine Dokumentation des Verdachts verlangt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ebenfalls lediglich insoweit, wie eine Maßnahme „zur“ Aufdeckung von Straftaten erfolgt.

32

cc) Aus § 6b Abs. 1 BDSG ergeben sich mit Blick darauf, dass zu den öffentlich zugänglichen Räumen im Sinne der Bestimmung auch öffentlich zugängliche Verkaufsräume gehören(BT-Drs. 14/4329 S. 38), keine weitergehenden Anforderungen. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob nicht bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz die Zulässigkeit der Maßnahme gem. § 32 BDSG als nach § 4 Abs. 1 BDSG erforderlicher Erlaubnistatbestand ohnehin ausreicht.

33

(1) Gemäß § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zulässig, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

34

(2) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG stellt seit Inkrafttreten der Bestimmung zumindest eine Konkretisierung dieses Tatbestands dar. Das berechtigte Interesse iSd. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist in diesem Fall die Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten. Sind die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gegeben, ist die Maßnahme jedenfalls im Verhältnis zu den von ihr betroffenen Arbeitnehmern auch nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig. Das Gebot der Kenntlichmachung gem. § 6b Abs. 2 BDSG ist insofern keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 51, BAGE 146, 303; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 41, BAGE 142, 176; Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 110; Bauer/Schansker NJW 2012, 3537; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; wohl auch Bayreuther DB 2012, 2222 ff.). Im Übrigen war hier auf die ohnehin bestehende offene Videoüberwachung der Filiale bereits durch entsprechende Hinweisschilder an den Eingängen hingewiesen.

35

b) Die Beklagte hat auch durch die weitere Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Videoaufzeichnungen nicht deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt.

36

aa) Die Verarbeitung - dh. hier insbesondere die Aufbewahrung zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) - und Nutzung der Daten war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.

37

(1) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

38

(2) Dies war hier der Fall. Die Aufzeichnungen begründeten zumindest den Verdacht, dass die Klägerin zu Lasten der Beklagten eine Unterschlagung begangen hatte. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen der Klägerin standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Insbesondere hatte die Beklagte die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin erlangt. Sie waren vielmehr - wie ausgeführt - im Rahmen einer zulässigen Videoüberwachung angefallen (zu diesem Erfordernis BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 56, BAGE 146, 303; Bayreuther Anm. zu AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 53 zu IV 1 b). Das zutage getretene Verhalten der Klägerin rechtfertigte auch die weitere Speicherung und Nutzung des Materials. Danach war nicht ausgeschlossen, dass sich die Klägerin unter Herstellung einer manipulierten Pfandbuchung bewusst auf Kosten der Beklagten bereichert und damit eine erhebliche Pflichtverletzung begangen hatte (zum Erfordernis der hinreichenden Gewichtigkeit des Verhaltensverstoßes ebenfalls BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; Bayreuther aaO).

39

(3) Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber alle anderen zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen auch bezüglich des zufällig aufgedeckten Fehlverhaltens bereits ausgeschöpft hatte (aA Eylert NZA-Beilage 2015, 100, 107). Dies ist, wenn es noch keinen entsprechenden Verdacht gab, weder möglich noch geboten. Eine Videoüberwachung muss zwar, um rechtmäßig zu sein, auch in der Art ihrer Durchführung ultima ratio zur Aufklärung des ihr zugrunde liegenden Verdachts sein. Ist dies aber der Fall, sind durch sie unvermeidbare Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte mitbetroffener Arbeitnehmer ebenfalls durch den Aufklärungszweck gerechtfertigt.

40

bb) Eine Unzulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen folgt nicht aus § 6b Abs. 3 BDSG.

41

(1) Nach Satz 1 der Bestimmung ist die Verarbeitung oder Nutzung von nach § 6b Abs. 1 BDSG erhobenen Daten zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Für einen anderen Zweck dürfen sie gem. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

42

(2) Eine weitere Speicherung und Verwendung der die Klägerin betreffenden Aufzeichnungen wäre demnach möglich gewesen, wenn sie sich iSv. § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG im Rahmen des verfolgten Zwecks gehalten hätte oder - außerhalb des ursprünglich verfolgten Zwecks - zur „Verfolgung von Straftaten“ iSd. § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG erfolgt wäre. Insofern käme es also darauf an, auf welche ursprüngliche Zwecksetzung abzustellen wäre: den ausweislich der Verfahrensmeldung nach § 4g BDSG festgelegten Beobachtungszweck der „Aufklärung von Straftaten zu Lasten [ua. der Beklagten]“ oder den engeren, dem Betriebsrat genannten konkreten „Grund“ für den Kameraeinsatz, nämlich den Diebstahlsverdacht im Bereich Zigaretten/„NF“. Wäre für § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG die engere Zwecksetzung maßgeblich, setzte eine Rechtfertigung nach Satz 2 der Bestimmung voraus, dass zur „Verfolgung von Straftaten“ auch die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen aufgrund einer Straftat zählte(in diesem Sinne Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 29; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 340; aA wohl Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 124; in Art. 7 Buchst. f der - gem. EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f. eine Vollharmonisierung bewirkenden - Richtlinie 95/46/EG ist dagegen keinerlei explizites Zweckänderungsverbot enthalten).

43

(3) Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung. Die Regelung des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG stellt auch für die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten eines Beschäftigten, die der Arbeitgeber durch eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume erlangt hat, eine eigenständige, von den Voraussetzungen nach § 6b Abs. 3 BDSG unabhängige Erlaubnisnorm dar(offen gelassen BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 48, BAGE 146, 303; den „Datenschutz-Wirrwarr“ beklagen Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 6b Rn. 3; unklar Scholz in Simitis BDSG 8. Aufl. § 6b Rn. 50 f., 147; aA Jerchel/Schubert DuD 2015, 151, 152; Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Plath/Stamer/Kuhnke BDSG § 32 Rn. 122; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 79). Ist danach eine bestimmte Datenverarbeitung oder -nutzung rechtmäßig, kommt es im Verhältnis zu den davon betroffenen Arbeitnehmern nicht darauf an, ob auch die Anforderungen gem. § 6b Abs. 3 BDSG erfüllt sind. Die Bestimmung schließt eine eigenständige Rechtfertigung der Datenverarbeitung nach § 32 BDSG vielmehr nicht aus(ebenso ErfK/Franzen 16. Aufl. § 6b BDSG Rn. 2). Diese Vorschrift dient speziell dem Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern in Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz (BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Dagegen soll § 6b BDSG - unabhängig von den aufgrund der engeren schuldrechtlichen Bindungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses bestehenden Interessen - den Schutz der Allgemeinheit vor einem Ausufern der Videoüberwachung im öffentlichen Raum gewährleisten(zum Ziel einer restriktiveren Verwendungspraxis Bericht und Beschlussempfehlung des Innenausschusses, BT-Drs. 14/5793 S. 61). Für die Eigenständigkeit der Erlaubnistatbestände des § 32 BDSG spricht auch, dass die Videoüberwachung nicht öffentlich zugänglicher (Arbeits-)Räume im BDSG nicht gesondert geregelt ist. Ihre Zulässigkeit richtet sich daher, soweit Arbeitnehmer betroffen sind, unzweifelhaft allein nach § 32 BDSG(ebenso Plath/Becker BDSG § 6b Rn. 8; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 80). Es erschiene aber wenig plausibel, wenn bezogen auf den Beschäftigtendatenschutz von Arbeitnehmern, die in öffentlich zugänglichen Räumen arbeiten, andere Maßstäbe gelten sollten als für Arbeitnehmer, die dies nicht tun.

44

III. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, ein Verwertungsverbot habe auch dann nicht bestanden, wenn der Betriebsrat bei der Auswertung der Videosequenz nicht beteiligt gewesen sein sollte. Selbst wenn die Videoüberwachung gänzlich ohne seine Mitbestimmung erfolgt wäre, er aber - wie hier - einer auf die erlangten Erkenntnisse gestützten Kündigung zugestimmt hat, verlangte die Missachtung seines Mitbestimmungsrechts dies nicht (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 105, 356). Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und § 77 BetrVG gebietet ein solches Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht, wenn die Verwertung der Information bzw. des Beweismittels nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 33; Lunk NZA 2009, 457, 463; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341 f.). Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Es geht um einen kollektiv-rechtlich vermittelten Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Soweit der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer betroffen ist, sind die Schutzzwecke der Norm und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO).

45

IV. Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Danach stand zu seiner Überzeugung fest, dass die Klägerin entgegen ihrer Behauptung keinen dem aus der Kasse entnommenen Geldbetrag entsprechenden Gegenwert in Form von Pfandflaschen oder -dosen in die Leergutbox eingeworfen hatte. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.

46

V. Entsprechendes gilt für die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Es hat angenommen, die Auswertung der Videoaufzeichnungen des Kassenbereichs habe beginnend mit dem 30. Dezember 2013 drei Wochen gebraucht, sodann habe am 20. Januar 2014 das Anhörungsgespräch mit der Klägerin stattgefunden. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin war dieser das Kündigungsschreiben vom 23. Januar 2014 am Folgetag und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 626 Abs. 2 BGB zugegangen.

47

VI. Das Landesarbeitsgericht hat - wenn auch ohne nähere Prüfung - zu Recht angenommen, der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört worden. Die Beklagte hatte ihn mit Anhörungsschreiben vom 22. Januar 2014 darüber informiert, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich fristlos, vorsorglich fristgerecht zu kündigen. Sie hat ihm die Kündigungsgründe in der in der Anlage beigefügten Begründung im Einzelnen mitgeteilt. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob sie darin die Warenbereiche zutreffend bezeichnet hatte, in denen sie zuvor Inventurdifferenzen festgestellt hatte. Zur nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erforderlichen Mitteilung der Kündigungsgründe gehört nicht die Information über die die Verwertbarkeit erlangter Informationen oder Beweismittel begründenden Umstände. Überdies war dem Betriebsrat aufgrund der von ihm erteilten Zustimmung zur verdeckten Videoüberwachung des Kassenbereichs bekannt, welche Inventurdifferenzen die Beklagte festgestellt hatte. Die Beklagte hat die Kündigung auch erst nach der Zustimmung des Betriebsrats am 23. Januar 2013 erklärt.

48

VII. Der als unechter Hilfsantrag nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte Antrag der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

49

VIII. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Koch    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Niebler    

        

    Die ehrenamtliche Richterin Alex ist
gehindert, ihre Unterschrift beizufügen.
Koch    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juni 2016 - 16 Sa 1711/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit Juli 2011 als Webentwickler tätig. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses verpflichtete er sich schriftlich, Hard- und Software aus Gründen der informationstechnischen Sicherheit ausschließlich zur Erfüllung der vereinbarten Aufgaben zu nutzen.

3

Im Zusammenhang mit der Anbindung eines neuen Netzwerks richtete die Beklagte am 19. April 2015 (Sonntag) eine E-Mail folgenden Inhalts an ihre Mitarbeiter:

        

„Hallo liebes (…) Team,

        

es ist soweit, die Telekom hat es endlich geschafft, uns einen schnellen Internet Anschluss bereitzustellen.

        

Dieses möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten, aus diesem Grund erhaltet Ihr freien Zugang zum WLAN.

        

Da bei Missbrauch, zum Beispiel Download von illegalen Filmen, etc. der Betreiber zur Verantwortung gezogen wird, muss der Traffic mitgelogged werden. Da ein rechtlicher Missbrauch natürlich dann auch auf denjenigen zurückfallen soll, der verantwortlich dafür war.

        

Somit:

        

Hiermit informiere ich Euch offiziell, dass sämtlicher Internet Traffic und die Benutzung der Systeme (der Beklagten) mitgelogged und dauerhaft gespeichert wird. Solltet Ihr damit nicht einverstanden sein, bitte ich Euch mir dieses innerhalb dieser Woche mitzuteilen.

        

…       

        

Bitte benutzt dieses Netzwerk für alles wie Spotify, YouTube, etc. um unser Hauptnetzwerk zu entlasten.

        

…“    

4

In einer Unterweisung am 20. April 2015 wandte sich kein Arbeitnehmer gegen die Absicht der Beklagten, den „Internettraffic“ und die Benutzung ihrer Systeme zur Verhinderung von Missbrauch des Internetzugangs „mitzuloggen“.

5

Die Beklagte installierte sodann auf dem Dienst-PC des Klägers eine Software, die ab dem 21. April 2015 alle Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Screenshots fertigte (Keylogger). Nachdem die Beklagte die vom Keylogger erstellten Dateien ausgewertet hatte, fand am 4. Mai 2015 ein Gespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser einräumte, seinen Dienst-Rechner während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Er gab an, ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für das Logistikunternehmen seines Vaters abgewickelt zu haben. Auf die Programmierung des Spiels habe er am Arbeitsplatz in der Zeit von Januar bis April 2015 ca. drei Stunden verwendet. Für die Firma seines Vaters sei er - vorwiegend in seiner Freizeit - höchstens etwa zehn Minuten täglich tätig gewesen.

6

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19. Mai 2015 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin.

7

Hiergegen hat sich der Kläger fristgerecht mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat behauptet, die privaten Verrichtungen meist in den Pausen und in Zeiten erledigt zu haben, in denen er keines der ihm zugewiesenen Projekte habe bearbeiten können. Die Beklagte habe durch den Einsatz eines Keyloggers „hinterrücks“ und ohne jeden Anlass massiv in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. In der E-Mail vom 19. April 2015 habe sie den Eindruck vermittelt, es sollten nur die Internetaktivitäten über das neue Netzwerk kontrolliert werden.

8

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Webentwickler weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus den vom Keylogger erstellten Dateien ergebe sich, dass der Kläger am 21. April 2015 weitaus länger mit der Entwicklung des Computerspiels beschäftigt gewesen sei, als er eingeräumt habe. Die Einträge in den Logdateien widerlegten zudem seine Behauptung, höchstens zehn Minuten täglich mit Aufgaben für die Firma seines Vaters befasst gewesen zu sein. Ausweislich von Screenshots der auf seinem Dienst-PC befindlichen Ordner habe der Kläger für dessen Unternehmen 5.221 E-Mails empfangen und 5.835 Nachrichten versandt. Der Einsatz eines Keyloggers sei ohne Weiteres rechtmäßig gewesen, weil dem Kläger jede außerdienstliche Nutzung der IT-Systeme untersagt und damit seine Privatsphäre nicht betroffen gewesen sei. Im Übrigen habe gegen ihn der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs bestanden. Am 9. Februar 2015 habe eine Arbeitnehmerin im Vorbeigehen gesehen, dass der Kläger eine „stark bebilderte“ Webseite hastig „weggeklickt“ habe. Weitere Mitarbeiter hätten mitgeteilt, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang privaten Aktivitäten nach. Zudem habe er sich zu einem sehr unproduktiven Mitarbeiter entwickelt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die dem Senat allein zur Entscheidung anfallenden Feststellungsanträge sind begründet. Die Kündigungen der Beklagten vom 19. Mai 2015 sind unwirksam. Nach dem verfahrensrechtlich verwertbaren Sachvortrag der Beklagten fehlt es sowohl an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) als auch an einer sozialen Rechtfertigung für die unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1) erklärte ordentliche Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

12

I. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die vom Kläger zugestandenen Sachverhalte rechtfertigten die beiden Kündigungen nicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

13

1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Kläger habe in der Zeit von Januar bis April 2015 an seinem Dienst-Rechner ca. drei Stunden auf die Programmierung des Computerspiels verwendet, dies aber überwiegend während der Pausen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger habe während der Arbeitszeit täglich zehn Minuten mit Tätigkeiten für die Firma seines Vaters verbracht. Damit habe er seine vertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Allerdings rechtfertigten die Pflichtverletzungen mangels vorheriger Abmahnung keine - außerordentliche oder ordentliche - Kündigung. Zwar habe der Kläger Hard- und Software der Beklagten entgegen der von ihm zu Beginn des Arbeitsverhältnisses unterzeichneten Erklärung für außerdienstliche Zwecke eingesetzt. Die „minutenweise“ Privatnutzung über den Zeitraum eines Jahres habe sich zu einer Gesamtdauer von 36,66 Stunden summiert. Jedoch sei schon der E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 zu entnehmen, dass tatsächlich kein absolutes Verbot der privaten Nutzung betrieblicher IT-Einrichtungen gelebt worden sei. Die unzulässige Privatnutzung habe auch nur einen minimalen Bruchteil (2,08 vH) der täglichen Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Die Beklagte habe schließlich nicht substantiiert dargetan, dass seine Arbeitsleistung durch die außerdienstlichen Aktivitäten beeinträchtigt worden sei. Insgesamt liege keine derart schwere Pflichtverletzung vor, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen gewesen sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in Zukunft nach einer Abmahnung in gleicher oder ähnlicher Weise pflichtwidrig verhalten hätte.

14

2. Mit dieser Würdigung hat das Berufungsgericht, dem bei der Prüfung und Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG ein Beurteilungsspielraum zukommt, alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze berücksichtigt. Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den „auf lange Sicht“ - möglicherweise - verursachten Schaden in seine Überlegungen einbezogen, indem es die „vertane“ Arbeitszeit auf einen Zeitraum von einem Jahr hochgerechnet hat. Zu einem über die Vergütung der nicht bestimmungsgemäß verbrachten Arbeitszeit hinausgehenden Schaden hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Kläger nicht um Erlaubnis gefragt habe, obgleich er nur ausnahmsweise am Arbeitsplatz für die Firma seines Vaters habe tätig werden wollen und man insoweit eine „adäquate Lösung“ hätte finden können, bestätigt die Beklagte letztlich nur die Einschätzung des Berufungsgerichts, es sei zumindest nicht ausgeschlossen gewesen, dass sie eine geringfügige Privatnutzung ihrer Betriebsmittel während der Arbeitszeit hinnehmen würde.

15

II. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, es müsse bei seiner Entscheidung den Sachvortrag der Beklagten unberücksichtigt lassen, den sie nur aufgrund des von ihr eingesetzten Keyloggers in das Verfahren einführen konnte. Die Verwertung dieses Vorbringens bei der Urteilsfindung wäre mit dem Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG)unvereinbar.

16

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei(vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts - etwa von § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO - ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 , BVerfGE 117, 202) hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 21; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 18; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 3, BAGE 156, 370; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378; 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 37, BVerfGK 10, 330; 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 ua. - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 65, 1).

17

2. Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild ( § 1 Abs. 1 BDSG ). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 17; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 2, BAGE 156, 370). Ist allerdings die Datenverarbeitung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 22).

18

3. In Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den streitigen Sachvortrag der Beklagten über die Nutzung des Dienst-PC durch den Kläger am 21. und 23. April 2015 zugrunde zu legen. Hierdurch hätte das Landesarbeitsgericht eine durch die Beklagte begangene Grundrechtsverletzung perpetuiert und vertieft. Die Datenerhebung durch den Keylogger griff in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Der Kläger hat in die Maßnahme nicht eingewilligt. Der Eingriff war nicht aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten nach § 32 Abs. 1 oder § 28 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt. Ebenso lagen keine weiteren, über das schlichte Beweisinteresse der Beklagten hinausgehenden Aspekte vor, die gerade die in Frage stehende verdeckte Informationsbeschaffung durch einen Keylogger als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten.

19

a) Die Aufzeichnung und Speicherung der Tastatureingaben am Dienst-PC des Klägers sowie das Fertigen von Screenshots durch den Keylogger stellten Datenerhebungen iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 7 BDSG dar. Die Beklagte hat sich dadurch Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person, nämlich des Klägers als dem Nutzer des ihm zugeordneten Rechners, verschafft.

20

b) Der Kläger hat in die Datenerhebungen nicht dadurch gemäß § 4a BDSG eingewilligt, dass er der Ankündigung der Beklagten nicht widersprochen hat. Allein in der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer einer ihm mitgeteilten Maßnahme nicht entgegen tritt, liegt keine Einverständniserklärung in die Informationserhebung. Das Unterlassen eines Protests kann nicht mit einer Einwilligung gleichgesetzt werden (für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 40, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329). Das gilt insbesondere, wenn - wie vorliegend - eine vom Arbeitgeber gesetzte „Widerspruchsfrist“ noch nicht abgelaufen ist. Im Übrigen hatte die Beklagte dem Kläger nicht eröffnet, es sollten alle Tastatureingaben an seinem Dienst-PC „mitgeloggt“ und regelmäßig Screenshots gefertigt werden. Auch konnte der Kläger nicht erkennen, zu welchem Zweck er überwacht wurde. Die E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 legte den Schluss nahe, dass allein eine etwaige Internetaktivität über das neue Netzwerk und diese auch „nur“ hinsichtlich der abgerufenen Inhalte („Download von illegalen Filmen“, „Betreiber zur Verantwortung gezogen“, „rechtlicher Missbrauch“) kontrolliert werden sollte. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, in der mündlichen Unterweisung am 20. April 2015 seien anderslautende oder weiter gehende Aussagen getroffen worden. Dementsprechend ließ die Beklagte dem Kläger in ihrem Schreiben vom 5. Mai 2015 lediglich mitteilen, sie habe „im Zuge der Umstellung des Internetanschlusses zur Vermeidung eines etwaigen Missbrauchs die Onlineaktivitäten, die über diesen Anschluss laufen, kontrolliert und diese Kontrolle im Vorfeld sowohl per E-Mail als auch im Rahmen einer Ansprache an die gesamte Belegschaft angekündigt.“

21

c) Mit der ohne Einwilligung des Klägers erfolgten Datenerhebung durch den Keylogger hat die Beklagte in dessen durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.

22

aa) Für einen Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts ist es ohne Bedeutung, ob die Datenerhebung in verdeckter Form oder für den Arbeitnehmer erkennbar erfolgt.

23

(1) Bei dem verdeckten Einsatz eines Keyloggers wird der betroffene Arbeitnehmer in der Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden, beschränkt, indem er zum Ziel einer nicht erkennbaren - systematischen - Beobachtung durch den Arbeitgeber gemacht wird und dadurch auf sich beziehbare Daten über sein Verhalten preisgibt, ohne die Überwachung oder gar den mit ihr verfolgten Verwendungszweck zu kennen (für die automatisierte Erhebung öffentlich zugänglicher Informationen vgl. BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05  ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378 ; für die Observation durch einen Detektiv außerhalb des Betriebsgeländes vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

24

(2) Wird der Keylogger offen eingesetzt, liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor, weil die Aufzeichnung und Speicherung sämtlicher Tastatureingaben und bestimmter Bildschirminhalte der Vorbereitung möglicher belastender Maßnahmen (Ermahnung, Abmahnung, Kündigung) dienen und zugleich abschreckend wirken und insoweit das Verhalten des Betroffenen lenken soll (für die offene Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 38, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 24, BVerwGE 141, 329).

25

bb) Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erfasst werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung, der sich in die (Betriebs-)Öffentlichkeit begibt (für die Videoüberwachung vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 39, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329; für die Observation durch einen Detektiv vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

26

cc) Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt nicht voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer das informationstechnische System, über das Daten erhoben werden, als eigenes nutzt und deshalb den Umständen nach davon ausgehen darf, dass er allein oder zusammen mit anderen zur Nutzung berechtigten Personen über das System selbstbestimmt verfüge. Diese Einschränkung betrifft allein das ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, dem ggf. eine lückenfüllende Funktion zukommt (BVerfG 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 ua. - Rn. 201 und Rn. 206, BVerfGE 120, 274).

27

d) Der Einsatz des Keyloggers war der Beklagten nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt. Es fehlte bereits an dem insoweit erforderlichen, durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdacht einer Straftat oder einer anderen schweren Pflichtverletzung. Eine Maßnahme, die hinsichtlich der Intensität des durch sie bewirkten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit einer (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar ist, stellt sich als unverhältnismäßig dar, wenn sie aufgrund bloßer Mutmaßungen ergriffen wird.

28

aa) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt (Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 16; Grimm JM 2016, 17, 19), zur Beendigung iSd. Kündigungsvorbereitung (dazu Grimm, aaO) die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 26). Sofern nach § 32 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BDSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer solchen Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG auch verarbeitet und genutzt werden(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 40; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 37 f., BAGE 156, 370). Der Begriff der Beendigung umfasst dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; Stamer/Kuhnke in Plath BDSG § 32 Rn. 149; HWK/Lembke 7. Aufl. § 32 BDSG Rn. 15).

29

bb) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG erlaubt die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in Fällen, in denen - unabhängig von den in § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG näher bestimmten Zwecken - Anhaltspunkte für den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Maßnahmen, die vom Arbeitgeber ergriffen werden, um strafbares Verhalten eines Arbeitnehmers aufzudecken, in der Regel besonders intensiv in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Das ist insbesondere bei einer zu diesem Zweck erfolgenden (verdeckten) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gesondert kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität damit vergleichbare Maßnahmen erfassen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 27; 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 75, BAGE 151, 1). Diese sollen allenfalls dann zulässig sein, wenn der durch konkrete Tatsachen begründete „einfache“ Verdacht (Anfangsverdacht, BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 25) einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat besteht.

30

cc) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG entfaltet keine „Sperrwirkung“ dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig sein könnte(ausführlich BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 28 ff.). Allerdings muss der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem - dort gleichfalls verankerten - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 32; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 30; 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 81, 15; 22. Oktober 1986 -  5 AZR 660/85  - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 53, 226 ). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 41 , BAGE 148, 26 ; 29. Juni 2004 -  1 ABR 21/03  - zu B I 2 d der Gründe, BAGE 111, 173 ). Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (BVerfG 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - zu B I 2 b dd der Gründe, BVerfGE 115, 320 ; BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - aaO). Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach muss im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme, die auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gestützt werden soll, der auf konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer schwerwiegenden, jedoch nicht strafbaren Pflichtverletzung bestehen. Eine entsprechende verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG unzulässig(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO). Sie ist, ohne dass es noch darauf ankäme, ob mildere, gleich effektive Mittel vorhanden waren, jedenfalls unangemessen (nicht verhältnismäßig im engeren Sinne).

31

dd) Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenerhebungen nach § 32 Abs. 1 BDSG ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts - zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung - zulässig sein können. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen. Solche präventiven Maßnahmen können sich schon aufgrund des Vorliegens einer abstrakten Gefahr als verhältnismäßig erweisen, wenn sie keinen solchen psychischen Anpassungsdruck erzeugen, dass die Betroffenen bei objektiver Betrachtung in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt sind (dazu BAG 25. April 2017 - 1 ABR 46/15 - Rn. 20 und Rn. 28 ff.). Dementsprechend kann die vorübergehende Speicherung und stichprobenartige Kontrolle der Verlaufsdaten eines Internetbrowsers zulässig sein, um die Einhaltung eines vom Arbeitgeber aufgestellten kompletten Verbots oder doch einer Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen zu kontrollieren. Dabei werden lediglich die Adressen und Titel der aufgerufenen Seiten und der Zeitpunkt des Aufrufs protokolliert und damit nicht mehr Daten gespeichert, als benötigt werden, um einen möglichen inhaltlichen oder zeitlichen Missbrauch der Nutzungsrechte festzustellen (LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2016 - 5 Sa 657/15 - zu B I 4 a aa (8) (d) der Gründe). Würden die gespeicherten Verlaufsdaten nicht zumindest stichprobenartig überprüft, könnten Zuwiderhandlungen gegen das Verbot oder die Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen des Arbeitgebers nicht geahndet werden und könnte die Datenerhebung ihre verhaltenslenkende Wirkung nicht entfalten.

32

ee) Mit diesem Inhalt steht § 32 Abs. 1 BDSG im Einklang mit den Vorgaben der eine umfassende Harmonisierung(zur Begrifflichkeit EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f., Slg. 2003, I-12971) vorsehenden Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG - ABl. L 281 vom 23. November 1995 S. 31). Einerseits wird mit dem aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleiteten Erfordernis des auf konkrete Tatsachen gestützten Anfangsverdachts einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung für besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht entgegen Art. 5 der Richtlinie ein zusätzlicher, die Datenerhebung erschwerender Grundsatz eingeführt oder durch eine zusätzliche Bedingung die Tragweite eines der in Art. 7 der Richtlinie vorgesehenen Grundsätze verändert(dazu EuGH 19. Oktober 2016 - C-582/14 - [Breyer] Rn. 57 ff.; 24. November 2011 - C-468/10 und C-469/10 - [ASNEF] Rn. 33, 34 und 36). Andererseits genügt der vom Senat herangezogene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem durch die Richtlinie sowie Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(dazu EuGH 11. Dezember 2014 - C-212/13 - [Ryneš] Rn. 28) und Art. 8 EMRK(dazu EuGH 9. November 2010 - C-92/09 und C-93/09 - [Volker und Markus Schecke] Rn. 52, Slg. 2010, I-11063; BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 20 f.) garantierten Schutzniveau für die von einer Datenerhebung Betroffenen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 38; EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471).

33

ff) Bei dem (zeitlich nicht begrenzten) verdeckten Einsatz eines Keyloggers an einem Dienst-PC handelt es sich um eine Datenerhebung, die hinsichtlich der Intensität des mit ihr verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen mit einer - verdeckten - Videoüberwachung am Arbeitsplatz vergleichbar ist. Zwar berührt der Einsatz eines Keyloggers grundsätzlich nicht das Recht am eigenen Bild, insbesondere ist er regelmäßig nicht geeignet, Verhaltensweisen optisch zu erfassen, die von dem Betroffenen als peinlich empfunden werden. Jedoch wird mit der Datenerhebung durch einen Keylogger massiv in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Es werden - für den Benutzer irreversibel - alle Eingaben über die Tastatur eines Computers einschließlich des Zeitpunkts der Eingabe sowie des zeitlichen Abstands zwischen zwei Eingaben erfasst und gespeichert. Die auf diese Weise gewonnenen Daten ermöglichen es, ein nahezu umfassendes und lückenloses Profil sowohl von der privaten als auch dienstlichen Nutzung durch den Betroffenen zu erstellen. Dabei werden nicht nur gespeicherte Endfassungen und ggf. Zwischenentwürfe bestimmter Dokumente sichtbar, sondern es lässt sich jeder Schritt der Arbeitsweise des Benutzers nachvollziehen. Darüber hinaus können besondere Arten personenbezogener Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG oder - so im Streitfall - andere hochsensible Daten wie zB Benutzernamen, Passwörter für geschützte Bereiche, Kreditkartendaten, PIN-Nummern etc. protokolliert werden, ohne dass dies für die verfolgten Kontroll- und Überwachungszwecke erforderlich wäre. Ebenso hat der betroffene Arbeitnehmer weder Veranlassung noch die Möglichkeit, bestimmte Inhalte als privat oder gar höchstpersönlich zu kennzeichnen und damit ggf. dem Zugriff des Arbeitgebers zu entziehen. Dieser ohnehin schon weit überschießende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen wird noch verstärkt, wenn - wie hier - regelmäßig Screenshots gefertigt werden.

34

gg) Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keine Tatsachen dargelegt, die vor dem Einsatz des Keyloggers den Anfangsverdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung begründet hatten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

35

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe lediglich einen Vorfall konkret beschrieben. Das von einer Arbeitnehmerin mitgeteilte einmalige hastige „Wegklicken“ einer „stark bebilderten“ Webseite sei aber nicht geeignet, den konkreten Verdacht einer exzessiven Privatnutzung des Dienst-PC zu begründen. Im Weiteren sei der Vortrag der Beklagten substanzlos geblieben. Das gelte zum einen für die einer Beweisaufnahme nicht zugängliche Behauptung, auch andere Mitarbeiter hätten angegeben, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang außerdienstlichen Aktivitäten nach. Zum anderen habe die Beklagte nicht substantiiert dargetan, dass die Leistungen des Klägers erheblich nachgelassen hätten.

36

(2) Diese Ausführungen lassen keinen materiellen Rechtsfehler erkennen. Die Revision zeigt auch keinen Fehler bei der Anwendung des Prozessrechts auf.

37

(a) Das Berufungsgericht hat es - stillschweigend - zu Recht als unmaßgeblich angesehen, dass die Beklagte die tatsächlichen Anhaltspunkte, die aus ihrer Sicht den Verdacht strafbaren Verhaltens des Klägers begründeten, nicht iSv. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dokumentiert hat. Ein solches Versäumnis führt weder zu einer Präklusion mit Vortrag zu den Verdachtsmomenten im Prozess noch begründet es für sich genommen die Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Die Vorgabe, die Tatsachen zu dokumentieren, auf die sich ein Anfangsverdacht gründet, verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern. Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauert und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 33).

38

(b) Das Landesarbeitsgericht hat die Darlegungslast der Beklagten nicht überspannt. Auch bei vermeintlich kreativ tätigen Arbeitnehmern lässt sich anhand objektiver Tatsachen feststellen, inwieweit sie die ihnen übertragenen Aufgaben fristgerecht und entsprechend den inhaltlichen Vorgaben erledigt haben. Keinesfalls reicht es aus, sich im Rechtsstreit auf einen nicht näher begründeten Eindruck eines Vorgesetzten oder des Geschäftsführers zurückzuziehen.

39

(c) Die von der Beklagten erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe sie gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass ihr Vortrag zum Vorliegen eines durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdachts unzureichend sei, ist unzulässig. Die Revision legt nicht dar, warum die Vorinstanz einem gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten in der konkreten Lage des Prozesses, insbesondere nach den Einlassungen des Klägers den von ihr vermissten Hinweis hätte erteilen müssen. Überdies fehlte es nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten an der Entscheidungserheblichkeit einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht. Sie räumt selbst ein, es sei ihr nicht möglich gewesen, ihr Vorbringen zu ergänzen.

40

e) § 28 Abs. 1 BDSG schied als Erlaubnisnorm aus. Die Vorschrift findet im Beschäftigungsverhältnis nur Anwendung, wenn nicht - wie hier - die Zwecke des § 32 Abs. 1 BDSG betroffen sind(BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Demgegenüber kann eine Datenerhebung, die weder der Aufdeckung von Straftaten iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG noch sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dient, „zur Wahrung berechtigter Interessen“ iSv. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zulässig sein(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 25; Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 2, 45 f.).

41

f) Es kann dahinstehen, ob Erkenntnisse, die der Arbeitgeber im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 1 BDSG unter Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewonnen hat, ausnahmsweise im Rechtsstreit verwertet werden dürfen. Das könnte nur dann in Betracht kommen, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24, BAGE 156, 370; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 29, BAGE 145, 278). Im Streitfall fehlt es schon an erstem. Ein Arbeitgeber, der - wie hier die Beklagte - eine Überwachungsmaßnahme „ins Blaue hinein“ veranlasst, befindet sich weder in einer Notwehr- oder notwehrähnlichen Situation gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB noch in einer Notstandslage iSv. § 34 StGB(dazu BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 23 f.).

42

4. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Kündigungen seien auch als Verdachtskündigungen unwirksam. Es musste den Sachvortrag der Beklagten, mit dem sie die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse in den Rechtsstreit eingeführt hat, auch bei der Würdigung außer Acht lassen, ob gegen den Kläger der dringende Verdacht eines Verhaltens bestand, das, wäre es erwiesen, eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte (dazu, dass dies auch für eine ordentliche Verdachtskündigung erforderlich ist, BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 22).

43

III. Die Sache ist nicht deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es Sachvortrag der Beklagten übergangen hätte, der möglicherweise keinem Verwertungsverbot unterläge. Die dahingehende Rüge der Beklagten greift nicht durch.

44

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die von der Beklagten in Bezug genommenen Screenshots der E-Mail-Ordner auf dem Dienst-Rechner des Klägers seien vom Keylogger gefertigt worden. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten (§ 320 ZPO), mit dem sie geltend gemacht hatte, ihr erstinstanzlicher, auf Seite 10 des amtlichen Umdrucks des Berufungsurteils wiedergegebener Vortrag sei dahin gegangen, dass diese Bildschirmfotos bei einer vom Keylogger unabhängigen Einsichtnahme in das E-Mail-Programm auf dem Dienst-PC des Klägers gemacht worden seien, hat es als unbegründet zurückgewiesen.

45

2. Die darauf bezogene Verfahrensrüge ist unzulässig.

46

a) Es kann dahinstehen, ob dies schon deshalb der Fall ist, weil die Beklagte sich mit dieser Rüge gegen die nicht mit einem Berichtigungsantrag angegriffene tatbestandliche Feststellung wendet, ihr zweitinstanzlicher - möglicherweise „überholender“ - Vortrag sei dahin gegangen, dass die Screenshots vom Inhalt der E-Mail-Ordner auf dem Rechner des Klägers vom Keylogger „geschossen“ wurden (Seite 12 und 22 des amtlichen Umdrucks). Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte nach abgelehnter Tatbestandsberichtigung mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erfolgreich allenfalls hätte geltend machen können, das Berufungsgericht habe ihr Vorbringen bewusst missverstanden und damit übergangen, oder es habe den Vortrag zumindest als missverständlich ansehen müssen und deshalb die angegriffene tatbestandliche Feststellung nicht ohne vorherigen Hinweis gemäß § 139 ZPO treffen dürfen.

47

b) Jedenfalls legt die Beklagte die Erheblichkeit ihres „richtig“ verstandenen Vorbringens nach der maßgeblichen Begründungslinie der angefochtenen Entscheidung nicht dar. Sie zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht anhand der bloßen Anzahl der in den E-Mail-Ordnern befindlichen Nachrichten zu der Überzeugung gelangt wäre, der Kläger sei in einem exzessiven, eine vorherige Abmahnung entbehrlich machenden Umfang während seiner Arbeitszeit privaten Aktivitäten nachgegangen. Solchen Vortrags hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil unstreitig zumindest ein Teil der E-Mails betreffend die Firma seines Vaters automatisch und ohne aktives Zutun des Klägers generiert worden ist.

        

    Koch    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Niebler    

        

    Löllgen    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20. Juli 2016 - 4 Sa 61/15 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es auf die Berufung des Klägers das Teilurteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 22. Oktober 2015 - 8 Ca 28/15 - abgeändert und festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 11. Juni 2015 aufgelöst worden ist, und wie es die Widerklage auf Ersatz von Detektivkosten in Höhe von 746,55 Euro und auf Auskunft abgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie den Ersatz von Detektivkosten und einen Auskunftsanspruch.

2

Die Beklagte stellt Stanzwerkzeuge und -formen her. Der Kläger war bei ihr seit Dezember 1978 als Mitarbeiter im Stanzformenbau beschäftigt. Er war im Jahre 2014 mehrfach arbeitsunfähig krankgeschrieben. Seit dem 20. Januar 2015 war ihm durchgehend Arbeitsunfähigkeit attestiert. Die Beklagte leistete an ihn Entgeltfortzahlung bis zum 2. März 2015.

3

Ein Geschäftsführer der Beklagten erhielt am 29. Mai 2015 Kenntnis von einer E-Mail der M GmbH, einer im Jahre 2013 gegründeten Firma der Söhne des Klägers. Die E-Mail war an eine Kundin der Beklagten gerichtet. Darin hieß es ua., man verkaufe als Familienunternehmen günstig Stanzformen, der Kläger montiere seit 38 Jahren, es sei unglaublich, was er alles so hinbekomme.

4

Die Beklagte gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme wegen des Verdachts wettbewerbswidriger Konkurrenztätigkeit und des Vortäuschens einer Erkrankung. Dieser äußerte sich nicht.

5

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 11. Juni 2015 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Januar 2016.

6

Dagegen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat beide Kündigungen für unwirksam gehalten, da es an einem sie rechtfertigenden Grund fehle. Er habe nicht in der Firma seiner Söhne gearbeitet, sondern sei tatsächlich arbeitsunfähig krank gewesen.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 11. Juni 2015 nicht geendet hat.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Im Wege der Widerklage hat sie - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - beantragt,

        

1.    

den Kläger zu verurteilen, an sie 746,55 Euro nebst Zinsen zu zahlen;

        

2.    

den Kläger zur Auskunftserteilung zu verurteilen, welche Aufträge er für die Firma M GmbH bearbeitet hat.

9

Die Beklagte hat die Kündigungen für gerechtfertigt gehalten. Sie habe Anfang November 2013 - unmittelbar, nachdem sie von der Gründung der Firma M Kenntnis erlangt habe - mit dem Kläger ein Personalgespräch geführt, bei welchem er darauf hingewiesen worden sei, dass er in dem Betrieb nicht konkurrierend tätig werden dürfe. Dies sei dem Kläger - unstreitig - außerdem schriftlich mitgeteilt worden. Das Privatfahrzeug des Klägers habe während seiner Arbeitsunfähigkeit im Februar 2014 auf dem Gelände der Firma M gestanden. Daraufhin habe sie ein Detektivbüro eingeschaltet, welches Anhaltspunkte für eine Konkurrenztätigkeit des Klägers nicht nur im Februar 2014, sondern auch im März und im Juni 2014 ermittelt habe. Weitere Erkenntnisse hätten die Überwachungen, bedingt durch die Lage des Firmengeländes, nicht erbracht. Nachdem sie Kenntnis von der E-Mail der Firma M vom 29. Mai 2015 erlangt habe, habe sie im Juni 2015 erneut ein Detektivbüro beauftragt. Ein Detektiv, der sich als Fahrer einer Kundenfirma ausgegeben habe, habe den Kläger am 3. Juni 2015 bei der Firma M Tätigkeiten erbringen sehen, wie er sie ebenso bei der Beklagten zu verrichten gehabt hätte. Der Kläger schulde ihr daher Schadensersatz jedenfalls für die Detektivkosten iHv. 746,55 Euro wegen des Einsatzes im Juni 2015 sowie Auskunft über die von ihm bei der Firma M bearbeiteten Aufträge.

10

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen und den Kläger zum Ersatz der Detektivkosten für den Einsatz im Juni 2015 sowie zur Auskunft verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses hat - im Umfang des Revisionsangriffs - das arbeitsgerichtliche Urteil zu Unrecht abgeändert. Die angefochtene Entscheidung beruht insoweit auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung von § 286 ZPO iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und § 32 Abs. 1 BDSG. Ob eine der Kündigungen vom 11. Juni 2015 wirksam ist und ob die Ansprüche der Beklagten auf Ersatz von Detektivkosten in Höhe von 746,55 Euro sowie auf Auskunft bestehen, steht noch nicht fest.

12

I. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, es fehle für die fristlose Kündigung an einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

13

1. Nach dieser Bestimmung kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht ( BAG 17. März 2016 - 2 AZR 110/15 - Rn. 17; 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15  - Rn. 21 ).

14

2. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, das dem Kläger vorgeworfene Verhalten sei „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.

15

a) Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB. Es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung, die „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 27, BAGE 149, 367; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 20). Dabei ist dem Arbeitnehmer aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Es ist ihm ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen ( BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 28, aaO; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08  - aaO).

16

b) Das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann ebenfalls einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung bilden. Dies gilt nicht nur, wenn sich der Arbeitnehmer für die Zeit einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung gewähren lässt und damit regelmäßig einen Betrug zulasten des Arbeitgebers begeht (dazu BAG 26. August 1993 - 2 AZR 154/93 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 74, 127). Täuscht er eine Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums vor, aber zu dem Zweck, während der attestierten Arbeitsunfähigkeit einer Konkurrenztätigkeit nachgehen zu können, verletzt er ebenfalls in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 BGB. Der Arbeitgeber wird durch die Täuschung daran gehindert, seine Rechte auf die vertragsgerechte Durchführung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen.

17

c) Als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ geeignet sind nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden (st. Rspr., zu den Voraussetzungen im Einzelnen BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 14, BAGE 145, 278 ).

18

3. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ein in diesem Sinne dringender Verdacht einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit des Klägers oder eines Erschleichens von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen könne nicht festgestellt werden, hält mit der gegebenen Begründung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

19

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, den von der Beklagten behaupteten Erkenntnissen aus den Beobachtungen des Detektivs dürfe nicht über eine Beweiserhebung nachgegangen werden. Die Detektivermittlungen seien weder nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG noch nach Satz 2 der Bestimmung zulässig gewesen. Unter § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG fielen nur solche Maßnahmen, die nicht auf die Entdeckung konkret Verdächtiger gerichtet seien. Hier seien die Beobachtungen jedoch zielgerichtet nur gegen den Kläger wegen eines bereits bestehenden konkreten Verdachts erfolgt. Die Maßnahme habe deshalb den Voraussetzungen gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG genügen müssen. Daran fehle es. Die Datenerhebung sei nicht aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte erfolgt, die den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat begründeten. Ein Betrug zulasten der Beklagten scheide aus, da der Kläger im Juni 2015 schon keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung mehr gehabt habe. Eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit erfülle für sich genommen keinen Straftatbestand.

20

b) Dies beruht auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung von § 286 ZPO iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und § 32 Abs. 1 BDSG.

21

aa) Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gem. Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei(vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts - etwa der § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO - ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG gegebenen Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 , BVerfGE 117, 202) hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 18; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 3, BAGE 156, 370; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378; 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 ua. - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 65, 1).

22

bb) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild ( § 1 Abs. 1 BDSG ). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 17; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 2, BAGE 156, 370). Ist allerdings die Datenverarbeitung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor.

23

cc) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, bei der Observation des Klägers durch einen Detektiv im Juni 2015 im Auftrag der Beklagten habe es sich um Datenerhebung iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 7, § 32 Abs. 2 BDSG gehandelt(vgl. BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 23). Durch die Überwachung wurden in für die Beklagte bestimmten Observationsberichten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Klägers iSd. § 3 Abs. 1 BDSG beschafft(§ 3 Abs. 3 BDSG). Auf eine automatisierte Verarbeitung der Angaben oder einen Dateibezug iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 3 bzw. § 27 Abs. 1 BDSG kommt es nach § 32 Abs. 2 BDSG bei der Datenerhebung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses nicht an.

24

dd) In der Datenerhebung durch die Observation lag zugleich ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Betroffen ist sein von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes informationelles Selbstbestimmungsrecht. Ein von einer verdeckten Überwachung Betroffener wird in der Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden, beschränkt, indem er zum Ziel einer nicht erkennbaren systematischen Beobachtung durch einen Dritten gemacht wird und dadurch auf sich beziehbare Daten über sein Verhalten preisgibt, ohne den mit der Beobachtung verfolgten Verwendungszweck zu kennen. Dies gilt unabhängig davon, ob Fotos, Videoaufzeichnungen oder Tonmitschnitte angefertigt werden und damit zugleich ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild bzw. Wort vorliegt. Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt auch nicht notwendig voraus, dass die Privatsphäre des Betroffenen ausgespäht wird (unklar BVerwG 21. März 1986 - 7 C 71/83 - zu 1 a der Gründe, BVerwGE 74, 115). Zwar muss der Einzelne außerhalb des thematisch und räumlich besonders geschützten Bereichs der Privatsphäre damit rechnen, Gegenstand von Wahrnehmungen beliebiger Dritter zu werden, grundsätzlich aber nicht, Ziel einer verdeckten und systematischen Beobachtung zur Beschaffung konkreter, auf die eigene Person bezogener Daten zu sein (für die automatisierte Erhebung öffentlich zugänglicher Informationen vgl. BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05  ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378 ). Im Streitfall erfolgte die Überwachung in diesem Sinne verdeckt, weil der Kläger infolge der Legendierung des Detektivs als Fahrer einer Kundenfirma nicht erkennen konnte, wem gegenüber und damit zu vermutlich welchem Verwendungszweck er sein Verhalten im Betrieb der Firma M offenbarte.

25

ee) Unzutreffend ist allerdings die Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber könne ausschließlich nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zulässig sein(ebenso Brink juris-PR-ArbR 36/2016 Anm. 2; unklar Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 40 f.). Es kann daher dahinstehen, ob das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums eine im Beschäftigungsverhältnis begangene Straftat im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG darstellen kann. Selbst wenn das Landesarbeitsgericht dies zu Recht verneint hätte, durfte es mit der von ihm gegebenen Begründung die von der Beklagten angebotenen Beweismittel in Bezug auf ihren Sachvortrag zur Tätigkeit des Klägers für die Firma M am 3. Juni 2015 nicht für unverwertbar halten. Erfolgt die Datenerhebung nicht zur Aufdeckung einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, kommt vielmehr eine Zulässigkeit der Maßnahme nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG in Betracht. Dient die Datenerhebung weder der Aufdeckung von Straftaten iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG noch sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses iSd. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG, kann sie überdies „zur Wahrung berechtigter Interessen“ iSd. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zulässig sein. Insoweit wird § 28 BDSG von § 32 BDSG nicht verdrängt(BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.; Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 2, 45 f.).

26

(1) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt (Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 16; Grimm JM 2016, 17, 19), zur Beendigung im Sinne der Kündigungsvorbereitung (dazu Grimm aaO) die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. Der Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG enthält keine Einschränkung, es müsse der Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis verübten Straftat bestehen. Sofern nach § 32 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BDSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG auch verarbeitet und genutzt werden(vgl. BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 40; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 37 f.). Der Begriff der Beendigung umfasst dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er zur Erfüllung der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess benötigt (Stamer/Kuhnke in Plath BDSG 2. Aufl. § 32 Rn. 149; HWK/Lembke 7. Aufl. § 32 BDSG Rn. 15).

27

(2) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG erlaubt die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in den Fällen, in denen - unabhängig von den in § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG näher bestimmten Zwecken - Anhaltspunkte für den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Maßnahmen zur Aufdeckung einer Straftat in der Regel besonders intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Dies ist insbesondere bei einer zu diesem Zweck erfolgenden (verdeckten) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gesondert kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität damit vergleichbare Maßnahmen erfassen (BAG 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 75, BAGE 151, 1).

28

(3) Eine „Sperrwirkung“ des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gegenüber der Erlaubnisnorm in Satz 1 der Bestimmung in Fällen, in denen der Arbeitgeber „nur“ einen - auf Tatsachen gestützten und ausreichend konkreten - Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers hat, nicht aber den einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat, lässt sich weder aus dem Wortlaut von § 32 Abs. 1 BDSG, noch seiner Systematik oder seinem Sinn und Zweck bzw. der Gesetzeshistorie ableiten. Die Gesetzesbegründung macht vielmehr deutlich, dass eine solche Sperrwirkung weder gewollt war noch mit den kollidierenden Interessen des Arbeitgebers im Einklang stünde (ebenso ErfK/Franzen 17. Aufl. § 32 BDSG Rn. 31, der allerdings unmittelbar § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG auch für den Fall vergleichbarer Verdachtsfälle für anwendbar hält; wohl auch Kempter/Steinat DB 2016, 2415, 2416 f.).

29

(a) § 32 BDSG sollte nach dem Willen des Gesetzgebers die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen(vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 22; 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 75, BAGE 151, 1). Es handelt sich um kein „ausgereiftes“ Gesetz (ErfK/Franzen 17. Aufl. § 32 BDSG Rn. 31; HWK/Lembke 7. Aufl. § 32 BDSG Rn. 1 spricht von einem „Musterbeispiel symbolischer Gesetzgebung“). Ein umfassendes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz sollte weder entbehrlich gemacht noch inhaltlich präjudiziert werden, so dass zunächst nur eine Kodifikation der Rechtsprechungsgrundsätze erfolgte (BT-Drs. 16/13657 S. 20; für eine Auslegung des Gesetzes im Zweifel entsprechend dem vorgefundenen Rechtszustand auch HK-ArbR/Hilbrans 3. Aufl. § 32 BDSG Rn. 1). Nach den demgemäß in § 32 BDSG zusammengefassten Rechtsprechungsgrundsätzen sind aber - sofern weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Überwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist - Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer durch bspw. eine verdeckte (Video-)Überwachung nicht nur dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung besteht, sondern ebenso bei einem entsprechenden Verdacht einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers (grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02  - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356 ). Dabei muss sich der Verdacht in Bezug auf die konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang(EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471).

30

(b) Die verdeckte Überwachung eines einer schweren Pflichtverletzung verdächtigen Arbeitnehmers ist demnach nur unter den vergleichbaren Voraussetzungen zulässig wie zur Aufdeckung einer Straftat (aA wohl Grimm JM 2016, 17, 19). Soweit der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG lediglich den Fall der Aufdeckung von Straftaten gesondert neben dem Grunderlaubnistatbestand des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG geregelt hat, sollte damit jedoch keine Änderung der Rechtsprechungsgrundsätze verbunden sein. Das verlangt und ermöglicht einen „Rückgriff“ auf die Grundnorm des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG, sofern es nicht um die Aufdeckung einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG geht. Da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ebenso dort verankert ist, sind die Rechtsprechungsgrundsätze betreffend die Zulässigkeit einer verdeckten Überwachung zur Aufdeckung des konkreten Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung auch im Rahmen dieser Erlaubnisnorm zur Anwendung zu bringen (für die Anwendbarkeit von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG bei der Aufdeckung sonstiger Pflichtverletzungen auch Thüsing NZA 2009, 865, 868; Grimm JM 2016, 17, 20; ebenso für die heimliche Überwachung durch Detektive Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 100; aA Brink juris-PR-ArbR 36/2016 Anm. 2).

31

(aa) Eine Datenerhebung zur Aufklärung des (konkreten) Verdachts einer schweren Pflichtverletzung erfolgt „für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses“ iSd. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG. Die Bestimmung kodifiziert ebenso wie Satz 2 der Norm die von der Rechtsprechung aus dem verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht ( Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG ) abgeleiteten allgemeinen Grundsätze zum Datenschutz im Beschäftigungsverhältnis (BAG 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 29; BT-Drs. 16/13657 S. 21). Dabei nimmt die Gesetzesbegründung zur Konkretisierung des Maßstabs der Erforderlichkeit einer Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zur Durchführung oder Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 1986 (- 5 AZR 660/85 - BAGE 53, 226) und 7. September 1995 (- 8 AZR 828/93 - BAGE 81, 15) Bezug. Diesen zufolge dürfe sich der Arbeitgeber bei seinen Beschäftigten nicht nur über Umstände informieren oder Daten verwenden, um seine vertraglichen Pflichten ihnen gegenüber erfüllen zu können, wie zB Pflichten im Zusammenhang mit der Personalverwaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung, sondern auch, um seine im Zusammenhang mit der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses bestehenden Rechte wahrzunehmen, zB durch Ausübung des Weisungsrechts oder durch Kontrollen der Leistung oder des Verhaltens des Beschäftigten ( BT-Drs. 16/13657 aaO). Voraussetzung ist ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung, das aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis herrühren muss. Es muss ein Zusammenhang mit der Erfüllung der vom Arbeitnehmer geschuldeten vertraglichen Leistung, seiner sonstigen Pflichtenbindung oder mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers bestehen ( BAG 7. September 1995 - 8 AZR 828/93  - zu II 2 c aa der Gründe, aaO). Ein solcher Zusammenhang besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber konkreten Verdachtsmomenten nachgeht, der Arbeitnehmer verletze in schwerwiegender Weise seine arbeitsvertraglichen Pflichten.

32

(bb) Der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers muss auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten(BAG 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 30; 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 81, 15; 22. Oktober 1986 -  5 AZR 660/85  - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 53, 226 ). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen (BAG 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 41 , BAGE 148, 26 ; 29. Juni 2004 -  1 ABR 21/03  - zu B I 2 d der Gründe, BAGE 111, 173 ). Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (BVerfG 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - zu B I 2 b dd der Gründe, BVerfGE 115, 320 ; BAG 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - aaO). Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach muss im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme zur Aufklärung einer schwerwiegenden, jedoch nicht strafbaren Pflichtverletzung ebenso wie zur Aufdeckung von Straftaten im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ein auf konkrete Tatsachen gegründeter Verdacht für das Vorliegen einer solchen Pflichtverletzung bestehen. Eine verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG unzulässig.

33

(c) Die Gegenansicht, wonach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG immer dann, wenn der Arbeitgeber verdachts- und anlassbezogene Datenverarbeitung vornehme, Zugriffe auf arbeitsrechtliche Verstöße unterhalb der Schwelle von Straftaten sperre und es daher in einer solchen Konstellation verbiete, auf die Befugnisnorm in Satz 1 zurückzugreifen, erschöpft sich in der begründungslosen Behauptung, ein anderes Verständnis widerspreche offensichtlich dem systematischen Verhältnis der beiden Ermächtigungsgrundlagen(so Brink juris-PR-ArbR 36/2016 Anm. 2). Welches mit der juristischen Methodenlehre begründbare systematische Verhältnis der Vorschrift demnach zu Grunde liegen soll, wird nicht ausgeführt. Aus den vorgenannten Gründen liegt indes gerade kein systematischer Widerspruch vor, wenn § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG als lediglich gesondert geregelter Spezialfall im Verhältnis zu Satz 1 der Bestimmung verstanden wird.

34

(d) Ein Verständnis von § 32 Abs. 1 BDSG im Sinne der vom Landesarbeitsgericht befürworteten Sperrwirkung des Satzes 2 bei anlassbezogener Datenerhebung wäre nicht mit Unionsrecht vereinbar. Es stünde nicht im Einklang mit Art. 5, Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG - ABl. L 281 vom 23. November 1995 S. 31). § 32 Abs. 1 BDSG ist unionsrechtskonform unter Beachtung der RL 95/46/EG auszulegen, da die Bestimmungen des BDSG deren Umsetzung dienen(Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 153 Rn. 2; Simitis in Simitis BDSG 8. Aufl. Einl. Rn. 89). Wären anlassbezogene Datenerhebungen ausschließlich gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zur Aufdeckung von Straftaten zulässig, würden zu den in Art. 7 der RL 95/46/EG genannten zusätzliche Grundsätze eingeführt, was der RL 95/46/EG widerspräche. Art. 7 RL 95/46/EG sieht eine erschöpfende und abschließende Liste der Fälle vor, in denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist(EuGH 24. November 2011 - C-468/10 und C-469/10 - [ASNEF] Rn. 30, Slg. 2011, I-12181).

35

(aa) Die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts fällt in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Nach Art. 3 Abs. 1 RL 95/46/EG gilt diese für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Die Anwendung der RL 95/46/EG ist nicht davon abhängig, ob in dem zu entscheidenden Sachverhalt ein hinreichender Zusammenhang mit der Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten oder tatsächlich ein Zusammenhang mit dem freien Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten besteht (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 31, BAGE 140, 350). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 3 RL 95/46/EG, der mit Ausnahme des in Abs. 2 bestimmten Bereichs die Verarbeitung personenbezogener Daten dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterwirft(EuGH 20. Mai 2003 - C-465/00 - [Österreichischer Rundfunk ua.] Rn. 39 ff., 44, Slg. 2003, I-4989).

36

(bb) Nach Art. 7 Buchst. f RL 95/46/EG darf die Verarbeitung der Daten, wozu nach ihrem Art. 2 Buchst. b RL 95/46/EG die Erhebung und Benutzung gehört, zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erfolgen, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Art. 5 RL 95/46/EG erlaubt den Mitgliedstaaten zwar, nach Maßgabe ihres Kapitels II und damit ihres Art. 7 die Voraussetzungen näher zu bestimmen, unter denen die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist. Doch kann von dem Ermessen, über das die Mitgliedstaaten nach Art. 5 verfügen, nur im Einklang mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel der Wahrung eines Gleichgewichts zwischen dem freien Verkehr personenbezogener Daten und dem Schutz der Privatsphäre Gebrauch gemacht werden. Die Mitgliedstaaten dürfen nach Art. 5 RL 95/46/EG in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten daher keine anderen als die in Art. 7 RL 95/46/EG aufgezählten Grundsätze einführen und auch nicht durch zusätzliche Bedingungen die Tragweite der sechs in Art. 7 RL 95/46/EG vorgesehenen Grundsätze verändern(EuGH 19. Oktober 2016 - C-582/14 - [Breyer] Rn. 57; 24. November 2011 - C-468/10 und C-469/10 - [ASNEF] Rn. 33, 34 und 36). Die RL 95/46/EG sieht damit nicht nur eine Mindest-, sondern eine umfassende Harmonisierung vor (zur Begrifflichkeit EuGH 6. November 2003 -  C-101/01  - [Lindqvist] Rn. 96  f., Slg. 2003, I-12971). Die Annahme, eine Datenerhebung zur Aufdeckung einer schwerwiegenden Pflichtverletzung unterhalb einer Straftat sei generell unzulässig, ohne dass es auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ankomme, stünde damit nicht im Einklang.

37

(cc) Zwar gilt die RL 95/46/EG nach ihrem Art. 3 Abs. 1 nur für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Als eine solche Datei mit personenbezogenen Daten gilt jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, gleichgültig ob diese Sammlung zentral, dezentralisiert oder nach funktionalen oder geographischen Gesichtspunkten aufgeteilt geführt wird (Art. 2 Buchst. c RL 95/46/EG). Soweit nach deutschem Recht über § 32 Abs. 2 BDSG der Beschäftigtendatenschutz gem. Absatz 1 der Bestimmung über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinaus auch dann gilt, wenn es um eine nicht in dieser Weise automatisierte Verarbeitung bzw. nicht in einer Datei gespeicherte Daten geht, ändert dies indes nichts daran, dass § 32 Abs. 1 BDSG ebenso und zuvörderst Sachverhalte im Anwendungsbereich der Richtlinie regelt, und daher nur einheitlich richtlinienkonform ausgelegt werden kann(zur Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Massenentlassungen vgl. EuGH 10. Dezember 2009 - C-323/08 - [Rodríguez Mayor ua.] Rn. 27, Slg. 2009, I-11621).

38

(e) Umgekehrt entspricht das hier vertretene Verständnis von § 32 Abs. 1 BDSG dem durch die Richtlinie garantierten Schutzniveau für die von einer Datenerhebung Betroffenen. Der Schutz des in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechts auf Privatleben verlangt, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen(EuGH 11. Dezember 2014 - C-212/13 - [Ryneš] Rn. 28). Einschränkungen des Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten können gerechtfertigt sein, wenn sie denen entsprechen, die im Rahmen von Art. 8 EMRK geduldet werden(EuGH 9. November 2010 - C-92/09 und C-93/09 - [Volker und Markus Schecke] Rn. 52, Slg. 2010, I-11063; BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 20 f.). Diesen Anforderungen genügt der vom Senat herangezogene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471).

39

ff) Danach kommt im Streitfall, selbst wenn nicht die Aufdeckung einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG in Rede gestanden haben sollte, entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts eine Rechtfertigung der durch die Beklagte veranlassten Überwachungsmaßnahme zu Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses iSd. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG in Betracht. Ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde, kann der Senat nicht selbst beurteilen. Dafür bedarf es weiterer Feststellungen.

40

(1) Die Beklagte hat sich darauf berufen, sie habe das Detektivbüro im Juni 2015 beauftragt, nachdem sie Kenntnis von der E-Mail der Firma M vom 29. Mai 2015 erlangt habe. Danach erscheint nicht ausgeschlossen, dass sich daraus - ggf. zusammen mit schon vorher bestehenden Verdachtsmomenten - hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Klägers ergaben, nämlich einer für die Firma seiner Söhne entfalteten Konkurrenztätigkeit und einer zu diesem Zweck erfolgten Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit. Ausreichend, um weitere Aufklärungsmaßnahmen zu rechtfertigen, wäre insofern bereits ein auf konkrete Tatsachen gestützter „einfacher“ Verdacht gewesen (zu § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG BAG 22. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 25). Zwar müssen im Falle einer attestierten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründete Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung bestehen, um einen aufklärungsbedürftigen Verdacht des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit annehmen zu können (vgl. BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 25). Hier können sich aber aus der E-Mail der Firma M vom 29. Mai 2015 hinreichende Verdachtsmomente sogar auf eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit des Klägers ergeben haben. Eine solche würde schon für sich genommen und damit selbst im Falle tatsächlich bestehender Arbeitsunfähigkeit eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellen, deren weitere Aufklärung im berechtigten Interesse des Arbeitgebers läge.

41

(2) Zur Aufdeckung einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit wäre die Einschaltung des medizinischen Dienstes nach § 275 Abs. 1a Satz 3 SGB V(vgl. dazu BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 226/08 - Rn. 26) kein geeignetes milderes Mittel gewesen (ebenso Edenfeld DB 1997, 2273, zu III 3 b; Becker DB 1983, 1253, 1257). Ob andere gleich wirksame, aber weniger stark in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Klägers eingreifende Aufklärungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden hätten, wird das Landesarbeitsgericht, ggf. nachdem es ergänzende Feststellungen getroffen hat, zu würdigen haben.

42

(3) Es ist nach den bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen, dass die von der Beklagten veranlasste Überwachungsmaßnahme zur Aufklärung des Verdachts auch im Übrigen verhältnismäßig war. Das wäre der Fall, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stand.

43

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht iSd. § 561 ZPO aus anderen Gründen als richtig dar. Sie unterliegt daher der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Es sind bislang keine Umstände festgestellt, aufgrund derer die nach § 626 Abs. 1 BGB erforderliche Interessenabwägung im Ergebnis ausschließlich zugunsten des Klägers ausfallen könnte. Andere Gründe für eine Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung hat der Kläger nicht geltend gemacht. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

44

III. Von der Aufhebung und Zurückverweisung umfasst ist auch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die ordentliche Kündigung. Die Beklagte hat diese nur hilfsweise und damit auflösend bedingt für den Fall erklärt, dass bereits die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat. Der auf die hilfsweise ordentliche Kündigung bezogene Kündigungsschutzantrag ist demnach dahin zu verstehen, dass er ebenfalls nur auflösend bedingt für den Fall gestellt ist, dass bereits der Kündigungsschutzantrag gegen die außerordentliche Kündigung ohne Erfolg bleibt.

45

IV. Ebenso der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Widerklage auf Erstattung der Kosten für den Detektiveinsatz im Juni 2015. Die Revision ist auch insoweit begründet. Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte - sofern ihr Sachvortrag bzw. ihre Beweisangebote dazu verwertbar sind - aus § 280 Abs. 1 BGB gegen den Kläger einen Erstattungsanspruch für den Detektiveinsatz im Juni 2015 hat(zu den Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 547/09 - Rn. 24). Nach ihrem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Vorbringen in den Vorinstanzen hat sich die Beklagte darauf berufen, „aufgrund des Ergebnisses (der) Maßnahme (stehe) fest, dass der Kläger zu einem Zeitpunkt, zu dem er bei (ihr) als arbeitsunfähig erkrankt im Betrieb nicht anwesend war, die absolut identischen Aufgaben bei der konkurrierenden Firma seiner Söhne durchführte, die er ansonsten bei (ihr) ausführen muss. Damit (stehe) … fest, dass zum einen der Kläger für das Konkurrenzunternehmen seiner Söhne (arbeite), darüber hinaus, dass offensichtlich die Arbeitsunfähigkeit nicht (bestehe) und vorgetäuscht (sei)“. Dies legt nahe, dass die Beklagte behaupten will, der Kläger sei infolge der Überwachungsmaßnahme einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung nicht nur verdächtig, sondern überführt. Der Umstand, dass sie („nur“) eine Verdachtskündigung erklärt hat, besagt für sich genommen nicht, wie ihr Vortrag zur Konkurrenztätigkeit des Klägers bezogen auf den geltend gemachten Erstattungsanspruch zu verstehen ist.

46

V. Im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet ist ebenfalls die Widerklage auf Auskunft. Das Landesarbeitsgericht hat ihre Abweisung ausschließlich auf das vermeintliche Verwertungsverbot gestützt.

        

    Koch    

        

    Berger     

        

    Rachor    

        

        

        

    Koltze    

        

    Gerschermann    

                 

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juni 2016 - 16 Sa 1711/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit Juli 2011 als Webentwickler tätig. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses verpflichtete er sich schriftlich, Hard- und Software aus Gründen der informationstechnischen Sicherheit ausschließlich zur Erfüllung der vereinbarten Aufgaben zu nutzen.

3

Im Zusammenhang mit der Anbindung eines neuen Netzwerks richtete die Beklagte am 19. April 2015 (Sonntag) eine E-Mail folgenden Inhalts an ihre Mitarbeiter:

        

„Hallo liebes (…) Team,

        

es ist soweit, die Telekom hat es endlich geschafft, uns einen schnellen Internet Anschluss bereitzustellen.

        

Dieses möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten, aus diesem Grund erhaltet Ihr freien Zugang zum WLAN.

        

Da bei Missbrauch, zum Beispiel Download von illegalen Filmen, etc. der Betreiber zur Verantwortung gezogen wird, muss der Traffic mitgelogged werden. Da ein rechtlicher Missbrauch natürlich dann auch auf denjenigen zurückfallen soll, der verantwortlich dafür war.

        

Somit:

        

Hiermit informiere ich Euch offiziell, dass sämtlicher Internet Traffic und die Benutzung der Systeme (der Beklagten) mitgelogged und dauerhaft gespeichert wird. Solltet Ihr damit nicht einverstanden sein, bitte ich Euch mir dieses innerhalb dieser Woche mitzuteilen.

        

…       

        

Bitte benutzt dieses Netzwerk für alles wie Spotify, YouTube, etc. um unser Hauptnetzwerk zu entlasten.

        

…“    

4

In einer Unterweisung am 20. April 2015 wandte sich kein Arbeitnehmer gegen die Absicht der Beklagten, den „Internettraffic“ und die Benutzung ihrer Systeme zur Verhinderung von Missbrauch des Internetzugangs „mitzuloggen“.

5

Die Beklagte installierte sodann auf dem Dienst-PC des Klägers eine Software, die ab dem 21. April 2015 alle Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Screenshots fertigte (Keylogger). Nachdem die Beklagte die vom Keylogger erstellten Dateien ausgewertet hatte, fand am 4. Mai 2015 ein Gespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser einräumte, seinen Dienst-Rechner während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Er gab an, ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für das Logistikunternehmen seines Vaters abgewickelt zu haben. Auf die Programmierung des Spiels habe er am Arbeitsplatz in der Zeit von Januar bis April 2015 ca. drei Stunden verwendet. Für die Firma seines Vaters sei er - vorwiegend in seiner Freizeit - höchstens etwa zehn Minuten täglich tätig gewesen.

6

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19. Mai 2015 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin.

7

Hiergegen hat sich der Kläger fristgerecht mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat behauptet, die privaten Verrichtungen meist in den Pausen und in Zeiten erledigt zu haben, in denen er keines der ihm zugewiesenen Projekte habe bearbeiten können. Die Beklagte habe durch den Einsatz eines Keyloggers „hinterrücks“ und ohne jeden Anlass massiv in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. In der E-Mail vom 19. April 2015 habe sie den Eindruck vermittelt, es sollten nur die Internetaktivitäten über das neue Netzwerk kontrolliert werden.

8

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Webentwickler weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus den vom Keylogger erstellten Dateien ergebe sich, dass der Kläger am 21. April 2015 weitaus länger mit der Entwicklung des Computerspiels beschäftigt gewesen sei, als er eingeräumt habe. Die Einträge in den Logdateien widerlegten zudem seine Behauptung, höchstens zehn Minuten täglich mit Aufgaben für die Firma seines Vaters befasst gewesen zu sein. Ausweislich von Screenshots der auf seinem Dienst-PC befindlichen Ordner habe der Kläger für dessen Unternehmen 5.221 E-Mails empfangen und 5.835 Nachrichten versandt. Der Einsatz eines Keyloggers sei ohne Weiteres rechtmäßig gewesen, weil dem Kläger jede außerdienstliche Nutzung der IT-Systeme untersagt und damit seine Privatsphäre nicht betroffen gewesen sei. Im Übrigen habe gegen ihn der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs bestanden. Am 9. Februar 2015 habe eine Arbeitnehmerin im Vorbeigehen gesehen, dass der Kläger eine „stark bebilderte“ Webseite hastig „weggeklickt“ habe. Weitere Mitarbeiter hätten mitgeteilt, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang privaten Aktivitäten nach. Zudem habe er sich zu einem sehr unproduktiven Mitarbeiter entwickelt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die dem Senat allein zur Entscheidung anfallenden Feststellungsanträge sind begründet. Die Kündigungen der Beklagten vom 19. Mai 2015 sind unwirksam. Nach dem verfahrensrechtlich verwertbaren Sachvortrag der Beklagten fehlt es sowohl an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) als auch an einer sozialen Rechtfertigung für die unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1) erklärte ordentliche Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

12

I. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die vom Kläger zugestandenen Sachverhalte rechtfertigten die beiden Kündigungen nicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

13

1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Kläger habe in der Zeit von Januar bis April 2015 an seinem Dienst-Rechner ca. drei Stunden auf die Programmierung des Computerspiels verwendet, dies aber überwiegend während der Pausen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger habe während der Arbeitszeit täglich zehn Minuten mit Tätigkeiten für die Firma seines Vaters verbracht. Damit habe er seine vertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Allerdings rechtfertigten die Pflichtverletzungen mangels vorheriger Abmahnung keine - außerordentliche oder ordentliche - Kündigung. Zwar habe der Kläger Hard- und Software der Beklagten entgegen der von ihm zu Beginn des Arbeitsverhältnisses unterzeichneten Erklärung für außerdienstliche Zwecke eingesetzt. Die „minutenweise“ Privatnutzung über den Zeitraum eines Jahres habe sich zu einer Gesamtdauer von 36,66 Stunden summiert. Jedoch sei schon der E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 zu entnehmen, dass tatsächlich kein absolutes Verbot der privaten Nutzung betrieblicher IT-Einrichtungen gelebt worden sei. Die unzulässige Privatnutzung habe auch nur einen minimalen Bruchteil (2,08 vH) der täglichen Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Die Beklagte habe schließlich nicht substantiiert dargetan, dass seine Arbeitsleistung durch die außerdienstlichen Aktivitäten beeinträchtigt worden sei. Insgesamt liege keine derart schwere Pflichtverletzung vor, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen gewesen sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in Zukunft nach einer Abmahnung in gleicher oder ähnlicher Weise pflichtwidrig verhalten hätte.

14

2. Mit dieser Würdigung hat das Berufungsgericht, dem bei der Prüfung und Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG ein Beurteilungsspielraum zukommt, alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze berücksichtigt. Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den „auf lange Sicht“ - möglicherweise - verursachten Schaden in seine Überlegungen einbezogen, indem es die „vertane“ Arbeitszeit auf einen Zeitraum von einem Jahr hochgerechnet hat. Zu einem über die Vergütung der nicht bestimmungsgemäß verbrachten Arbeitszeit hinausgehenden Schaden hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Kläger nicht um Erlaubnis gefragt habe, obgleich er nur ausnahmsweise am Arbeitsplatz für die Firma seines Vaters habe tätig werden wollen und man insoweit eine „adäquate Lösung“ hätte finden können, bestätigt die Beklagte letztlich nur die Einschätzung des Berufungsgerichts, es sei zumindest nicht ausgeschlossen gewesen, dass sie eine geringfügige Privatnutzung ihrer Betriebsmittel während der Arbeitszeit hinnehmen würde.

15

II. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, es müsse bei seiner Entscheidung den Sachvortrag der Beklagten unberücksichtigt lassen, den sie nur aufgrund des von ihr eingesetzten Keyloggers in das Verfahren einführen konnte. Die Verwertung dieses Vorbringens bei der Urteilsfindung wäre mit dem Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG)unvereinbar.

16

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei(vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts - etwa von § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO - ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 , BVerfGE 117, 202) hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 21; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 18; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 3, BAGE 156, 370; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378; 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 37, BVerfGK 10, 330; 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 ua. - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 65, 1).

17

2. Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild ( § 1 Abs. 1 BDSG ). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 17; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 2, BAGE 156, 370). Ist allerdings die Datenverarbeitung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 22).

18

3. In Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den streitigen Sachvortrag der Beklagten über die Nutzung des Dienst-PC durch den Kläger am 21. und 23. April 2015 zugrunde zu legen. Hierdurch hätte das Landesarbeitsgericht eine durch die Beklagte begangene Grundrechtsverletzung perpetuiert und vertieft. Die Datenerhebung durch den Keylogger griff in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Der Kläger hat in die Maßnahme nicht eingewilligt. Der Eingriff war nicht aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten nach § 32 Abs. 1 oder § 28 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt. Ebenso lagen keine weiteren, über das schlichte Beweisinteresse der Beklagten hinausgehenden Aspekte vor, die gerade die in Frage stehende verdeckte Informationsbeschaffung durch einen Keylogger als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten.

19

a) Die Aufzeichnung und Speicherung der Tastatureingaben am Dienst-PC des Klägers sowie das Fertigen von Screenshots durch den Keylogger stellten Datenerhebungen iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 7 BDSG dar. Die Beklagte hat sich dadurch Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person, nämlich des Klägers als dem Nutzer des ihm zugeordneten Rechners, verschafft.

20

b) Der Kläger hat in die Datenerhebungen nicht dadurch gemäß § 4a BDSG eingewilligt, dass er der Ankündigung der Beklagten nicht widersprochen hat. Allein in der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer einer ihm mitgeteilten Maßnahme nicht entgegen tritt, liegt keine Einverständniserklärung in die Informationserhebung. Das Unterlassen eines Protests kann nicht mit einer Einwilligung gleichgesetzt werden (für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 40, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329). Das gilt insbesondere, wenn - wie vorliegend - eine vom Arbeitgeber gesetzte „Widerspruchsfrist“ noch nicht abgelaufen ist. Im Übrigen hatte die Beklagte dem Kläger nicht eröffnet, es sollten alle Tastatureingaben an seinem Dienst-PC „mitgeloggt“ und regelmäßig Screenshots gefertigt werden. Auch konnte der Kläger nicht erkennen, zu welchem Zweck er überwacht wurde. Die E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 legte den Schluss nahe, dass allein eine etwaige Internetaktivität über das neue Netzwerk und diese auch „nur“ hinsichtlich der abgerufenen Inhalte („Download von illegalen Filmen“, „Betreiber zur Verantwortung gezogen“, „rechtlicher Missbrauch“) kontrolliert werden sollte. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, in der mündlichen Unterweisung am 20. April 2015 seien anderslautende oder weiter gehende Aussagen getroffen worden. Dementsprechend ließ die Beklagte dem Kläger in ihrem Schreiben vom 5. Mai 2015 lediglich mitteilen, sie habe „im Zuge der Umstellung des Internetanschlusses zur Vermeidung eines etwaigen Missbrauchs die Onlineaktivitäten, die über diesen Anschluss laufen, kontrolliert und diese Kontrolle im Vorfeld sowohl per E-Mail als auch im Rahmen einer Ansprache an die gesamte Belegschaft angekündigt.“

21

c) Mit der ohne Einwilligung des Klägers erfolgten Datenerhebung durch den Keylogger hat die Beklagte in dessen durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.

22

aa) Für einen Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts ist es ohne Bedeutung, ob die Datenerhebung in verdeckter Form oder für den Arbeitnehmer erkennbar erfolgt.

23

(1) Bei dem verdeckten Einsatz eines Keyloggers wird der betroffene Arbeitnehmer in der Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden, beschränkt, indem er zum Ziel einer nicht erkennbaren - systematischen - Beobachtung durch den Arbeitgeber gemacht wird und dadurch auf sich beziehbare Daten über sein Verhalten preisgibt, ohne die Überwachung oder gar den mit ihr verfolgten Verwendungszweck zu kennen (für die automatisierte Erhebung öffentlich zugänglicher Informationen vgl. BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05  ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378 ; für die Observation durch einen Detektiv außerhalb des Betriebsgeländes vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

24

(2) Wird der Keylogger offen eingesetzt, liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor, weil die Aufzeichnung und Speicherung sämtlicher Tastatureingaben und bestimmter Bildschirminhalte der Vorbereitung möglicher belastender Maßnahmen (Ermahnung, Abmahnung, Kündigung) dienen und zugleich abschreckend wirken und insoweit das Verhalten des Betroffenen lenken soll (für die offene Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 38, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 24, BVerwGE 141, 329).

25

bb) Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erfasst werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung, der sich in die (Betriebs-)Öffentlichkeit begibt (für die Videoüberwachung vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 39, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329; für die Observation durch einen Detektiv vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

26

cc) Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt nicht voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer das informationstechnische System, über das Daten erhoben werden, als eigenes nutzt und deshalb den Umständen nach davon ausgehen darf, dass er allein oder zusammen mit anderen zur Nutzung berechtigten Personen über das System selbstbestimmt verfüge. Diese Einschränkung betrifft allein das ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, dem ggf. eine lückenfüllende Funktion zukommt (BVerfG 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 ua. - Rn. 201 und Rn. 206, BVerfGE 120, 274).

27

d) Der Einsatz des Keyloggers war der Beklagten nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt. Es fehlte bereits an dem insoweit erforderlichen, durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdacht einer Straftat oder einer anderen schweren Pflichtverletzung. Eine Maßnahme, die hinsichtlich der Intensität des durch sie bewirkten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit einer (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar ist, stellt sich als unverhältnismäßig dar, wenn sie aufgrund bloßer Mutmaßungen ergriffen wird.

28

aa) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt (Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 16; Grimm JM 2016, 17, 19), zur Beendigung iSd. Kündigungsvorbereitung (dazu Grimm, aaO) die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 26). Sofern nach § 32 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BDSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer solchen Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG auch verarbeitet und genutzt werden(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 40; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 37 f., BAGE 156, 370). Der Begriff der Beendigung umfasst dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; Stamer/Kuhnke in Plath BDSG § 32 Rn. 149; HWK/Lembke 7. Aufl. § 32 BDSG Rn. 15).

29

bb) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG erlaubt die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in Fällen, in denen - unabhängig von den in § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG näher bestimmten Zwecken - Anhaltspunkte für den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Maßnahmen, die vom Arbeitgeber ergriffen werden, um strafbares Verhalten eines Arbeitnehmers aufzudecken, in der Regel besonders intensiv in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Das ist insbesondere bei einer zu diesem Zweck erfolgenden (verdeckten) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gesondert kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität damit vergleichbare Maßnahmen erfassen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 27; 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 75, BAGE 151, 1). Diese sollen allenfalls dann zulässig sein, wenn der durch konkrete Tatsachen begründete „einfache“ Verdacht (Anfangsverdacht, BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 25) einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat besteht.

30

cc) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG entfaltet keine „Sperrwirkung“ dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig sein könnte(ausführlich BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 28 ff.). Allerdings muss der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem - dort gleichfalls verankerten - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 32; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 30; 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 81, 15; 22. Oktober 1986 -  5 AZR 660/85  - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 53, 226 ). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 41 , BAGE 148, 26 ; 29. Juni 2004 -  1 ABR 21/03  - zu B I 2 d der Gründe, BAGE 111, 173 ). Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (BVerfG 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - zu B I 2 b dd der Gründe, BVerfGE 115, 320 ; BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - aaO). Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach muss im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme, die auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gestützt werden soll, der auf konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer schwerwiegenden, jedoch nicht strafbaren Pflichtverletzung bestehen. Eine entsprechende verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG unzulässig(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO). Sie ist, ohne dass es noch darauf ankäme, ob mildere, gleich effektive Mittel vorhanden waren, jedenfalls unangemessen (nicht verhältnismäßig im engeren Sinne).

31

dd) Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenerhebungen nach § 32 Abs. 1 BDSG ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts - zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung - zulässig sein können. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen. Solche präventiven Maßnahmen können sich schon aufgrund des Vorliegens einer abstrakten Gefahr als verhältnismäßig erweisen, wenn sie keinen solchen psychischen Anpassungsdruck erzeugen, dass die Betroffenen bei objektiver Betrachtung in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt sind (dazu BAG 25. April 2017 - 1 ABR 46/15 - Rn. 20 und Rn. 28 ff.). Dementsprechend kann die vorübergehende Speicherung und stichprobenartige Kontrolle der Verlaufsdaten eines Internetbrowsers zulässig sein, um die Einhaltung eines vom Arbeitgeber aufgestellten kompletten Verbots oder doch einer Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen zu kontrollieren. Dabei werden lediglich die Adressen und Titel der aufgerufenen Seiten und der Zeitpunkt des Aufrufs protokolliert und damit nicht mehr Daten gespeichert, als benötigt werden, um einen möglichen inhaltlichen oder zeitlichen Missbrauch der Nutzungsrechte festzustellen (LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2016 - 5 Sa 657/15 - zu B I 4 a aa (8) (d) der Gründe). Würden die gespeicherten Verlaufsdaten nicht zumindest stichprobenartig überprüft, könnten Zuwiderhandlungen gegen das Verbot oder die Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen des Arbeitgebers nicht geahndet werden und könnte die Datenerhebung ihre verhaltenslenkende Wirkung nicht entfalten.

32

ee) Mit diesem Inhalt steht § 32 Abs. 1 BDSG im Einklang mit den Vorgaben der eine umfassende Harmonisierung(zur Begrifflichkeit EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f., Slg. 2003, I-12971) vorsehenden Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG - ABl. L 281 vom 23. November 1995 S. 31). Einerseits wird mit dem aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleiteten Erfordernis des auf konkrete Tatsachen gestützten Anfangsverdachts einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung für besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht entgegen Art. 5 der Richtlinie ein zusätzlicher, die Datenerhebung erschwerender Grundsatz eingeführt oder durch eine zusätzliche Bedingung die Tragweite eines der in Art. 7 der Richtlinie vorgesehenen Grundsätze verändert(dazu EuGH 19. Oktober 2016 - C-582/14 - [Breyer] Rn. 57 ff.; 24. November 2011 - C-468/10 und C-469/10 - [ASNEF] Rn. 33, 34 und 36). Andererseits genügt der vom Senat herangezogene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem durch die Richtlinie sowie Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(dazu EuGH 11. Dezember 2014 - C-212/13 - [Ryneš] Rn. 28) und Art. 8 EMRK(dazu EuGH 9. November 2010 - C-92/09 und C-93/09 - [Volker und Markus Schecke] Rn. 52, Slg. 2010, I-11063; BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 20 f.) garantierten Schutzniveau für die von einer Datenerhebung Betroffenen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 38; EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471).

33

ff) Bei dem (zeitlich nicht begrenzten) verdeckten Einsatz eines Keyloggers an einem Dienst-PC handelt es sich um eine Datenerhebung, die hinsichtlich der Intensität des mit ihr verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen mit einer - verdeckten - Videoüberwachung am Arbeitsplatz vergleichbar ist. Zwar berührt der Einsatz eines Keyloggers grundsätzlich nicht das Recht am eigenen Bild, insbesondere ist er regelmäßig nicht geeignet, Verhaltensweisen optisch zu erfassen, die von dem Betroffenen als peinlich empfunden werden. Jedoch wird mit der Datenerhebung durch einen Keylogger massiv in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Es werden - für den Benutzer irreversibel - alle Eingaben über die Tastatur eines Computers einschließlich des Zeitpunkts der Eingabe sowie des zeitlichen Abstands zwischen zwei Eingaben erfasst und gespeichert. Die auf diese Weise gewonnenen Daten ermöglichen es, ein nahezu umfassendes und lückenloses Profil sowohl von der privaten als auch dienstlichen Nutzung durch den Betroffenen zu erstellen. Dabei werden nicht nur gespeicherte Endfassungen und ggf. Zwischenentwürfe bestimmter Dokumente sichtbar, sondern es lässt sich jeder Schritt der Arbeitsweise des Benutzers nachvollziehen. Darüber hinaus können besondere Arten personenbezogener Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG oder - so im Streitfall - andere hochsensible Daten wie zB Benutzernamen, Passwörter für geschützte Bereiche, Kreditkartendaten, PIN-Nummern etc. protokolliert werden, ohne dass dies für die verfolgten Kontroll- und Überwachungszwecke erforderlich wäre. Ebenso hat der betroffene Arbeitnehmer weder Veranlassung noch die Möglichkeit, bestimmte Inhalte als privat oder gar höchstpersönlich zu kennzeichnen und damit ggf. dem Zugriff des Arbeitgebers zu entziehen. Dieser ohnehin schon weit überschießende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen wird noch verstärkt, wenn - wie hier - regelmäßig Screenshots gefertigt werden.

34

gg) Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keine Tatsachen dargelegt, die vor dem Einsatz des Keyloggers den Anfangsverdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung begründet hatten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

35

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe lediglich einen Vorfall konkret beschrieben. Das von einer Arbeitnehmerin mitgeteilte einmalige hastige „Wegklicken“ einer „stark bebilderten“ Webseite sei aber nicht geeignet, den konkreten Verdacht einer exzessiven Privatnutzung des Dienst-PC zu begründen. Im Weiteren sei der Vortrag der Beklagten substanzlos geblieben. Das gelte zum einen für die einer Beweisaufnahme nicht zugängliche Behauptung, auch andere Mitarbeiter hätten angegeben, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang außerdienstlichen Aktivitäten nach. Zum anderen habe die Beklagte nicht substantiiert dargetan, dass die Leistungen des Klägers erheblich nachgelassen hätten.

36

(2) Diese Ausführungen lassen keinen materiellen Rechtsfehler erkennen. Die Revision zeigt auch keinen Fehler bei der Anwendung des Prozessrechts auf.

37

(a) Das Berufungsgericht hat es - stillschweigend - zu Recht als unmaßgeblich angesehen, dass die Beklagte die tatsächlichen Anhaltspunkte, die aus ihrer Sicht den Verdacht strafbaren Verhaltens des Klägers begründeten, nicht iSv. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dokumentiert hat. Ein solches Versäumnis führt weder zu einer Präklusion mit Vortrag zu den Verdachtsmomenten im Prozess noch begründet es für sich genommen die Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Die Vorgabe, die Tatsachen zu dokumentieren, auf die sich ein Anfangsverdacht gründet, verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern. Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauert und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 33).

38

(b) Das Landesarbeitsgericht hat die Darlegungslast der Beklagten nicht überspannt. Auch bei vermeintlich kreativ tätigen Arbeitnehmern lässt sich anhand objektiver Tatsachen feststellen, inwieweit sie die ihnen übertragenen Aufgaben fristgerecht und entsprechend den inhaltlichen Vorgaben erledigt haben. Keinesfalls reicht es aus, sich im Rechtsstreit auf einen nicht näher begründeten Eindruck eines Vorgesetzten oder des Geschäftsführers zurückzuziehen.

39

(c) Die von der Beklagten erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe sie gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass ihr Vortrag zum Vorliegen eines durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdachts unzureichend sei, ist unzulässig. Die Revision legt nicht dar, warum die Vorinstanz einem gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten in der konkreten Lage des Prozesses, insbesondere nach den Einlassungen des Klägers den von ihr vermissten Hinweis hätte erteilen müssen. Überdies fehlte es nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten an der Entscheidungserheblichkeit einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht. Sie räumt selbst ein, es sei ihr nicht möglich gewesen, ihr Vorbringen zu ergänzen.

40

e) § 28 Abs. 1 BDSG schied als Erlaubnisnorm aus. Die Vorschrift findet im Beschäftigungsverhältnis nur Anwendung, wenn nicht - wie hier - die Zwecke des § 32 Abs. 1 BDSG betroffen sind(BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Demgegenüber kann eine Datenerhebung, die weder der Aufdeckung von Straftaten iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG noch sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dient, „zur Wahrung berechtigter Interessen“ iSv. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zulässig sein(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 25; Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 2, 45 f.).

41

f) Es kann dahinstehen, ob Erkenntnisse, die der Arbeitgeber im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 1 BDSG unter Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewonnen hat, ausnahmsweise im Rechtsstreit verwertet werden dürfen. Das könnte nur dann in Betracht kommen, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24, BAGE 156, 370; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 29, BAGE 145, 278). Im Streitfall fehlt es schon an erstem. Ein Arbeitgeber, der - wie hier die Beklagte - eine Überwachungsmaßnahme „ins Blaue hinein“ veranlasst, befindet sich weder in einer Notwehr- oder notwehrähnlichen Situation gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB noch in einer Notstandslage iSv. § 34 StGB(dazu BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 23 f.).

42

4. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Kündigungen seien auch als Verdachtskündigungen unwirksam. Es musste den Sachvortrag der Beklagten, mit dem sie die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse in den Rechtsstreit eingeführt hat, auch bei der Würdigung außer Acht lassen, ob gegen den Kläger der dringende Verdacht eines Verhaltens bestand, das, wäre es erwiesen, eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte (dazu, dass dies auch für eine ordentliche Verdachtskündigung erforderlich ist, BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 22).

43

III. Die Sache ist nicht deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es Sachvortrag der Beklagten übergangen hätte, der möglicherweise keinem Verwertungsverbot unterläge. Die dahingehende Rüge der Beklagten greift nicht durch.

44

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die von der Beklagten in Bezug genommenen Screenshots der E-Mail-Ordner auf dem Dienst-Rechner des Klägers seien vom Keylogger gefertigt worden. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten (§ 320 ZPO), mit dem sie geltend gemacht hatte, ihr erstinstanzlicher, auf Seite 10 des amtlichen Umdrucks des Berufungsurteils wiedergegebener Vortrag sei dahin gegangen, dass diese Bildschirmfotos bei einer vom Keylogger unabhängigen Einsichtnahme in das E-Mail-Programm auf dem Dienst-PC des Klägers gemacht worden seien, hat es als unbegründet zurückgewiesen.

45

2. Die darauf bezogene Verfahrensrüge ist unzulässig.

46

a) Es kann dahinstehen, ob dies schon deshalb der Fall ist, weil die Beklagte sich mit dieser Rüge gegen die nicht mit einem Berichtigungsantrag angegriffene tatbestandliche Feststellung wendet, ihr zweitinstanzlicher - möglicherweise „überholender“ - Vortrag sei dahin gegangen, dass die Screenshots vom Inhalt der E-Mail-Ordner auf dem Rechner des Klägers vom Keylogger „geschossen“ wurden (Seite 12 und 22 des amtlichen Umdrucks). Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte nach abgelehnter Tatbestandsberichtigung mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erfolgreich allenfalls hätte geltend machen können, das Berufungsgericht habe ihr Vorbringen bewusst missverstanden und damit übergangen, oder es habe den Vortrag zumindest als missverständlich ansehen müssen und deshalb die angegriffene tatbestandliche Feststellung nicht ohne vorherigen Hinweis gemäß § 139 ZPO treffen dürfen.

47

b) Jedenfalls legt die Beklagte die Erheblichkeit ihres „richtig“ verstandenen Vorbringens nach der maßgeblichen Begründungslinie der angefochtenen Entscheidung nicht dar. Sie zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht anhand der bloßen Anzahl der in den E-Mail-Ordnern befindlichen Nachrichten zu der Überzeugung gelangt wäre, der Kläger sei in einem exzessiven, eine vorherige Abmahnung entbehrlich machenden Umfang während seiner Arbeitszeit privaten Aktivitäten nachgegangen. Solchen Vortrags hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil unstreitig zumindest ein Teil der E-Mails betreffend die Firma seines Vaters automatisch und ohne aktives Zutun des Klägers generiert worden ist.

        

    Koch    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Niebler    

        

    Löllgen    

                 

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Die Pflicht zur Information der betroffenen Person gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EU)2016/679besteht ergänzend zu der in Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahme dann nicht, wenn die Erteilung der Information über die beabsichtigte Weiterverarbeitung

1.
eine Weiterverarbeitung analog gespeicherter Daten betrifft, bei der sich der Verantwortliche durch die Weiterverarbeitung unmittelbar an die betroffene Person wendet, der Zweck mit dem ursprünglichen Erhebungszweck gemäß der Verordnung (EU)2016/679vereinbar ist, die Kommunikation mit der betroffenen Person nicht in digitaler Form erfolgt und das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf den Zusammenhang, in dem die Daten erhoben wurden, als gering anzusehen ist,
2.
im Fall einer öffentlichen Stelle die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden Aufgaben im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Buchstabe a bis e der Verordnung (EU) 2016/679 gefährden würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen,
3.
die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen,
4.
die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen oder
5.
eine vertrauliche Übermittlung von Daten an öffentliche Stellen gefährden würde.

(2) Unterbleibt eine Information der betroffenen Person nach Maßgabe des Absatzes 1, ergreift der Verantwortliche geeignete Maßnahmen zum Schutz der berechtigten Interessen der betroffenen Person, einschließlich der Bereitstellung der in Artikel 13 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Informationen für die Öffentlichkeit in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache. Der Verantwortliche hält schriftlich fest, aus welchen Gründen er von einer Information abgesehen hat. Die Sätze 1 und 2 finden in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 4 und 5 keine Anwendung.

(3) Unterbleibt die Benachrichtigung in den Fällen des Absatzes 1 wegen eines vorübergehenden Hinderungsgrundes, kommt der Verantwortliche der Informationspflicht unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände der Verarbeitung innerhalb einer angemessenen Frist nach Fortfall des Hinderungsgrundes, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen, nach.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juni 2016 - 16 Sa 1711/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit Juli 2011 als Webentwickler tätig. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses verpflichtete er sich schriftlich, Hard- und Software aus Gründen der informationstechnischen Sicherheit ausschließlich zur Erfüllung der vereinbarten Aufgaben zu nutzen.

3

Im Zusammenhang mit der Anbindung eines neuen Netzwerks richtete die Beklagte am 19. April 2015 (Sonntag) eine E-Mail folgenden Inhalts an ihre Mitarbeiter:

        

„Hallo liebes (…) Team,

        

es ist soweit, die Telekom hat es endlich geschafft, uns einen schnellen Internet Anschluss bereitzustellen.

        

Dieses möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten, aus diesem Grund erhaltet Ihr freien Zugang zum WLAN.

        

Da bei Missbrauch, zum Beispiel Download von illegalen Filmen, etc. der Betreiber zur Verantwortung gezogen wird, muss der Traffic mitgelogged werden. Da ein rechtlicher Missbrauch natürlich dann auch auf denjenigen zurückfallen soll, der verantwortlich dafür war.

        

Somit:

        

Hiermit informiere ich Euch offiziell, dass sämtlicher Internet Traffic und die Benutzung der Systeme (der Beklagten) mitgelogged und dauerhaft gespeichert wird. Solltet Ihr damit nicht einverstanden sein, bitte ich Euch mir dieses innerhalb dieser Woche mitzuteilen.

        

…       

        

Bitte benutzt dieses Netzwerk für alles wie Spotify, YouTube, etc. um unser Hauptnetzwerk zu entlasten.

        

…“    

4

In einer Unterweisung am 20. April 2015 wandte sich kein Arbeitnehmer gegen die Absicht der Beklagten, den „Internettraffic“ und die Benutzung ihrer Systeme zur Verhinderung von Missbrauch des Internetzugangs „mitzuloggen“.

5

Die Beklagte installierte sodann auf dem Dienst-PC des Klägers eine Software, die ab dem 21. April 2015 alle Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Screenshots fertigte (Keylogger). Nachdem die Beklagte die vom Keylogger erstellten Dateien ausgewertet hatte, fand am 4. Mai 2015 ein Gespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser einräumte, seinen Dienst-Rechner während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Er gab an, ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für das Logistikunternehmen seines Vaters abgewickelt zu haben. Auf die Programmierung des Spiels habe er am Arbeitsplatz in der Zeit von Januar bis April 2015 ca. drei Stunden verwendet. Für die Firma seines Vaters sei er - vorwiegend in seiner Freizeit - höchstens etwa zehn Minuten täglich tätig gewesen.

6

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19. Mai 2015 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin.

7

Hiergegen hat sich der Kläger fristgerecht mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat behauptet, die privaten Verrichtungen meist in den Pausen und in Zeiten erledigt zu haben, in denen er keines der ihm zugewiesenen Projekte habe bearbeiten können. Die Beklagte habe durch den Einsatz eines Keyloggers „hinterrücks“ und ohne jeden Anlass massiv in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. In der E-Mail vom 19. April 2015 habe sie den Eindruck vermittelt, es sollten nur die Internetaktivitäten über das neue Netzwerk kontrolliert werden.

8

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Webentwickler weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus den vom Keylogger erstellten Dateien ergebe sich, dass der Kläger am 21. April 2015 weitaus länger mit der Entwicklung des Computerspiels beschäftigt gewesen sei, als er eingeräumt habe. Die Einträge in den Logdateien widerlegten zudem seine Behauptung, höchstens zehn Minuten täglich mit Aufgaben für die Firma seines Vaters befasst gewesen zu sein. Ausweislich von Screenshots der auf seinem Dienst-PC befindlichen Ordner habe der Kläger für dessen Unternehmen 5.221 E-Mails empfangen und 5.835 Nachrichten versandt. Der Einsatz eines Keyloggers sei ohne Weiteres rechtmäßig gewesen, weil dem Kläger jede außerdienstliche Nutzung der IT-Systeme untersagt und damit seine Privatsphäre nicht betroffen gewesen sei. Im Übrigen habe gegen ihn der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs bestanden. Am 9. Februar 2015 habe eine Arbeitnehmerin im Vorbeigehen gesehen, dass der Kläger eine „stark bebilderte“ Webseite hastig „weggeklickt“ habe. Weitere Mitarbeiter hätten mitgeteilt, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang privaten Aktivitäten nach. Zudem habe er sich zu einem sehr unproduktiven Mitarbeiter entwickelt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die dem Senat allein zur Entscheidung anfallenden Feststellungsanträge sind begründet. Die Kündigungen der Beklagten vom 19. Mai 2015 sind unwirksam. Nach dem verfahrensrechtlich verwertbaren Sachvortrag der Beklagten fehlt es sowohl an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) als auch an einer sozialen Rechtfertigung für die unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1) erklärte ordentliche Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

12

I. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die vom Kläger zugestandenen Sachverhalte rechtfertigten die beiden Kündigungen nicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

13

1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Kläger habe in der Zeit von Januar bis April 2015 an seinem Dienst-Rechner ca. drei Stunden auf die Programmierung des Computerspiels verwendet, dies aber überwiegend während der Pausen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger habe während der Arbeitszeit täglich zehn Minuten mit Tätigkeiten für die Firma seines Vaters verbracht. Damit habe er seine vertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Allerdings rechtfertigten die Pflichtverletzungen mangels vorheriger Abmahnung keine - außerordentliche oder ordentliche - Kündigung. Zwar habe der Kläger Hard- und Software der Beklagten entgegen der von ihm zu Beginn des Arbeitsverhältnisses unterzeichneten Erklärung für außerdienstliche Zwecke eingesetzt. Die „minutenweise“ Privatnutzung über den Zeitraum eines Jahres habe sich zu einer Gesamtdauer von 36,66 Stunden summiert. Jedoch sei schon der E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 zu entnehmen, dass tatsächlich kein absolutes Verbot der privaten Nutzung betrieblicher IT-Einrichtungen gelebt worden sei. Die unzulässige Privatnutzung habe auch nur einen minimalen Bruchteil (2,08 vH) der täglichen Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Die Beklagte habe schließlich nicht substantiiert dargetan, dass seine Arbeitsleistung durch die außerdienstlichen Aktivitäten beeinträchtigt worden sei. Insgesamt liege keine derart schwere Pflichtverletzung vor, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen gewesen sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in Zukunft nach einer Abmahnung in gleicher oder ähnlicher Weise pflichtwidrig verhalten hätte.

14

2. Mit dieser Würdigung hat das Berufungsgericht, dem bei der Prüfung und Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG ein Beurteilungsspielraum zukommt, alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze berücksichtigt. Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den „auf lange Sicht“ - möglicherweise - verursachten Schaden in seine Überlegungen einbezogen, indem es die „vertane“ Arbeitszeit auf einen Zeitraum von einem Jahr hochgerechnet hat. Zu einem über die Vergütung der nicht bestimmungsgemäß verbrachten Arbeitszeit hinausgehenden Schaden hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Kläger nicht um Erlaubnis gefragt habe, obgleich er nur ausnahmsweise am Arbeitsplatz für die Firma seines Vaters habe tätig werden wollen und man insoweit eine „adäquate Lösung“ hätte finden können, bestätigt die Beklagte letztlich nur die Einschätzung des Berufungsgerichts, es sei zumindest nicht ausgeschlossen gewesen, dass sie eine geringfügige Privatnutzung ihrer Betriebsmittel während der Arbeitszeit hinnehmen würde.

15

II. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, es müsse bei seiner Entscheidung den Sachvortrag der Beklagten unberücksichtigt lassen, den sie nur aufgrund des von ihr eingesetzten Keyloggers in das Verfahren einführen konnte. Die Verwertung dieses Vorbringens bei der Urteilsfindung wäre mit dem Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG)unvereinbar.

16

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei(vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts - etwa von § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO - ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 , BVerfGE 117, 202) hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 21; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 18; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 3, BAGE 156, 370; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378; 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 37, BVerfGK 10, 330; 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 ua. - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 65, 1).

17

2. Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild ( § 1 Abs. 1 BDSG ). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 17; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 2, BAGE 156, 370). Ist allerdings die Datenverarbeitung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 22).

18

3. In Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den streitigen Sachvortrag der Beklagten über die Nutzung des Dienst-PC durch den Kläger am 21. und 23. April 2015 zugrunde zu legen. Hierdurch hätte das Landesarbeitsgericht eine durch die Beklagte begangene Grundrechtsverletzung perpetuiert und vertieft. Die Datenerhebung durch den Keylogger griff in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Der Kläger hat in die Maßnahme nicht eingewilligt. Der Eingriff war nicht aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten nach § 32 Abs. 1 oder § 28 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt. Ebenso lagen keine weiteren, über das schlichte Beweisinteresse der Beklagten hinausgehenden Aspekte vor, die gerade die in Frage stehende verdeckte Informationsbeschaffung durch einen Keylogger als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten.

19

a) Die Aufzeichnung und Speicherung der Tastatureingaben am Dienst-PC des Klägers sowie das Fertigen von Screenshots durch den Keylogger stellten Datenerhebungen iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 7 BDSG dar. Die Beklagte hat sich dadurch Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person, nämlich des Klägers als dem Nutzer des ihm zugeordneten Rechners, verschafft.

20

b) Der Kläger hat in die Datenerhebungen nicht dadurch gemäß § 4a BDSG eingewilligt, dass er der Ankündigung der Beklagten nicht widersprochen hat. Allein in der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer einer ihm mitgeteilten Maßnahme nicht entgegen tritt, liegt keine Einverständniserklärung in die Informationserhebung. Das Unterlassen eines Protests kann nicht mit einer Einwilligung gleichgesetzt werden (für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 40, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329). Das gilt insbesondere, wenn - wie vorliegend - eine vom Arbeitgeber gesetzte „Widerspruchsfrist“ noch nicht abgelaufen ist. Im Übrigen hatte die Beklagte dem Kläger nicht eröffnet, es sollten alle Tastatureingaben an seinem Dienst-PC „mitgeloggt“ und regelmäßig Screenshots gefertigt werden. Auch konnte der Kläger nicht erkennen, zu welchem Zweck er überwacht wurde. Die E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 legte den Schluss nahe, dass allein eine etwaige Internetaktivität über das neue Netzwerk und diese auch „nur“ hinsichtlich der abgerufenen Inhalte („Download von illegalen Filmen“, „Betreiber zur Verantwortung gezogen“, „rechtlicher Missbrauch“) kontrolliert werden sollte. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, in der mündlichen Unterweisung am 20. April 2015 seien anderslautende oder weiter gehende Aussagen getroffen worden. Dementsprechend ließ die Beklagte dem Kläger in ihrem Schreiben vom 5. Mai 2015 lediglich mitteilen, sie habe „im Zuge der Umstellung des Internetanschlusses zur Vermeidung eines etwaigen Missbrauchs die Onlineaktivitäten, die über diesen Anschluss laufen, kontrolliert und diese Kontrolle im Vorfeld sowohl per E-Mail als auch im Rahmen einer Ansprache an die gesamte Belegschaft angekündigt.“

21

c) Mit der ohne Einwilligung des Klägers erfolgten Datenerhebung durch den Keylogger hat die Beklagte in dessen durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.

22

aa) Für einen Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts ist es ohne Bedeutung, ob die Datenerhebung in verdeckter Form oder für den Arbeitnehmer erkennbar erfolgt.

23

(1) Bei dem verdeckten Einsatz eines Keyloggers wird der betroffene Arbeitnehmer in der Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden, beschränkt, indem er zum Ziel einer nicht erkennbaren - systematischen - Beobachtung durch den Arbeitgeber gemacht wird und dadurch auf sich beziehbare Daten über sein Verhalten preisgibt, ohne die Überwachung oder gar den mit ihr verfolgten Verwendungszweck zu kennen (für die automatisierte Erhebung öffentlich zugänglicher Informationen vgl. BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05  ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378 ; für die Observation durch einen Detektiv außerhalb des Betriebsgeländes vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

24

(2) Wird der Keylogger offen eingesetzt, liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor, weil die Aufzeichnung und Speicherung sämtlicher Tastatureingaben und bestimmter Bildschirminhalte der Vorbereitung möglicher belastender Maßnahmen (Ermahnung, Abmahnung, Kündigung) dienen und zugleich abschreckend wirken und insoweit das Verhalten des Betroffenen lenken soll (für die offene Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 38, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 24, BVerwGE 141, 329).

25

bb) Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erfasst werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung, der sich in die (Betriebs-)Öffentlichkeit begibt (für die Videoüberwachung vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 39, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329; für die Observation durch einen Detektiv vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

26

cc) Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt nicht voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer das informationstechnische System, über das Daten erhoben werden, als eigenes nutzt und deshalb den Umständen nach davon ausgehen darf, dass er allein oder zusammen mit anderen zur Nutzung berechtigten Personen über das System selbstbestimmt verfüge. Diese Einschränkung betrifft allein das ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, dem ggf. eine lückenfüllende Funktion zukommt (BVerfG 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 ua. - Rn. 201 und Rn. 206, BVerfGE 120, 274).

27

d) Der Einsatz des Keyloggers war der Beklagten nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt. Es fehlte bereits an dem insoweit erforderlichen, durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdacht einer Straftat oder einer anderen schweren Pflichtverletzung. Eine Maßnahme, die hinsichtlich der Intensität des durch sie bewirkten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit einer (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar ist, stellt sich als unverhältnismäßig dar, wenn sie aufgrund bloßer Mutmaßungen ergriffen wird.

28

aa) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt (Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 16; Grimm JM 2016, 17, 19), zur Beendigung iSd. Kündigungsvorbereitung (dazu Grimm, aaO) die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 26). Sofern nach § 32 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BDSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer solchen Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG auch verarbeitet und genutzt werden(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 40; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 37 f., BAGE 156, 370). Der Begriff der Beendigung umfasst dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; Stamer/Kuhnke in Plath BDSG § 32 Rn. 149; HWK/Lembke 7. Aufl. § 32 BDSG Rn. 15).

29

bb) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG erlaubt die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in Fällen, in denen - unabhängig von den in § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG näher bestimmten Zwecken - Anhaltspunkte für den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Maßnahmen, die vom Arbeitgeber ergriffen werden, um strafbares Verhalten eines Arbeitnehmers aufzudecken, in der Regel besonders intensiv in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Das ist insbesondere bei einer zu diesem Zweck erfolgenden (verdeckten) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gesondert kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität damit vergleichbare Maßnahmen erfassen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 27; 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 75, BAGE 151, 1). Diese sollen allenfalls dann zulässig sein, wenn der durch konkrete Tatsachen begründete „einfache“ Verdacht (Anfangsverdacht, BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 25) einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat besteht.

30

cc) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG entfaltet keine „Sperrwirkung“ dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig sein könnte(ausführlich BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 28 ff.). Allerdings muss der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem - dort gleichfalls verankerten - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 32; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 30; 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 81, 15; 22. Oktober 1986 -  5 AZR 660/85  - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 53, 226 ). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 41 , BAGE 148, 26 ; 29. Juni 2004 -  1 ABR 21/03  - zu B I 2 d der Gründe, BAGE 111, 173 ). Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (BVerfG 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - zu B I 2 b dd der Gründe, BVerfGE 115, 320 ; BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - aaO). Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach muss im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme, die auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gestützt werden soll, der auf konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer schwerwiegenden, jedoch nicht strafbaren Pflichtverletzung bestehen. Eine entsprechende verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG unzulässig(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO). Sie ist, ohne dass es noch darauf ankäme, ob mildere, gleich effektive Mittel vorhanden waren, jedenfalls unangemessen (nicht verhältnismäßig im engeren Sinne).

31

dd) Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenerhebungen nach § 32 Abs. 1 BDSG ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts - zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung - zulässig sein können. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen. Solche präventiven Maßnahmen können sich schon aufgrund des Vorliegens einer abstrakten Gefahr als verhältnismäßig erweisen, wenn sie keinen solchen psychischen Anpassungsdruck erzeugen, dass die Betroffenen bei objektiver Betrachtung in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt sind (dazu BAG 25. April 2017 - 1 ABR 46/15 - Rn. 20 und Rn. 28 ff.). Dementsprechend kann die vorübergehende Speicherung und stichprobenartige Kontrolle der Verlaufsdaten eines Internetbrowsers zulässig sein, um die Einhaltung eines vom Arbeitgeber aufgestellten kompletten Verbots oder doch einer Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen zu kontrollieren. Dabei werden lediglich die Adressen und Titel der aufgerufenen Seiten und der Zeitpunkt des Aufrufs protokolliert und damit nicht mehr Daten gespeichert, als benötigt werden, um einen möglichen inhaltlichen oder zeitlichen Missbrauch der Nutzungsrechte festzustellen (LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2016 - 5 Sa 657/15 - zu B I 4 a aa (8) (d) der Gründe). Würden die gespeicherten Verlaufsdaten nicht zumindest stichprobenartig überprüft, könnten Zuwiderhandlungen gegen das Verbot oder die Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen des Arbeitgebers nicht geahndet werden und könnte die Datenerhebung ihre verhaltenslenkende Wirkung nicht entfalten.

32

ee) Mit diesem Inhalt steht § 32 Abs. 1 BDSG im Einklang mit den Vorgaben der eine umfassende Harmonisierung(zur Begrifflichkeit EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f., Slg. 2003, I-12971) vorsehenden Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG - ABl. L 281 vom 23. November 1995 S. 31). Einerseits wird mit dem aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleiteten Erfordernis des auf konkrete Tatsachen gestützten Anfangsverdachts einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung für besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht entgegen Art. 5 der Richtlinie ein zusätzlicher, die Datenerhebung erschwerender Grundsatz eingeführt oder durch eine zusätzliche Bedingung die Tragweite eines der in Art. 7 der Richtlinie vorgesehenen Grundsätze verändert(dazu EuGH 19. Oktober 2016 - C-582/14 - [Breyer] Rn. 57 ff.; 24. November 2011 - C-468/10 und C-469/10 - [ASNEF] Rn. 33, 34 und 36). Andererseits genügt der vom Senat herangezogene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem durch die Richtlinie sowie Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(dazu EuGH 11. Dezember 2014 - C-212/13 - [Ryneš] Rn. 28) und Art. 8 EMRK(dazu EuGH 9. November 2010 - C-92/09 und C-93/09 - [Volker und Markus Schecke] Rn. 52, Slg. 2010, I-11063; BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 20 f.) garantierten Schutzniveau für die von einer Datenerhebung Betroffenen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 38; EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471).

33

ff) Bei dem (zeitlich nicht begrenzten) verdeckten Einsatz eines Keyloggers an einem Dienst-PC handelt es sich um eine Datenerhebung, die hinsichtlich der Intensität des mit ihr verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen mit einer - verdeckten - Videoüberwachung am Arbeitsplatz vergleichbar ist. Zwar berührt der Einsatz eines Keyloggers grundsätzlich nicht das Recht am eigenen Bild, insbesondere ist er regelmäßig nicht geeignet, Verhaltensweisen optisch zu erfassen, die von dem Betroffenen als peinlich empfunden werden. Jedoch wird mit der Datenerhebung durch einen Keylogger massiv in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Es werden - für den Benutzer irreversibel - alle Eingaben über die Tastatur eines Computers einschließlich des Zeitpunkts der Eingabe sowie des zeitlichen Abstands zwischen zwei Eingaben erfasst und gespeichert. Die auf diese Weise gewonnenen Daten ermöglichen es, ein nahezu umfassendes und lückenloses Profil sowohl von der privaten als auch dienstlichen Nutzung durch den Betroffenen zu erstellen. Dabei werden nicht nur gespeicherte Endfassungen und ggf. Zwischenentwürfe bestimmter Dokumente sichtbar, sondern es lässt sich jeder Schritt der Arbeitsweise des Benutzers nachvollziehen. Darüber hinaus können besondere Arten personenbezogener Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG oder - so im Streitfall - andere hochsensible Daten wie zB Benutzernamen, Passwörter für geschützte Bereiche, Kreditkartendaten, PIN-Nummern etc. protokolliert werden, ohne dass dies für die verfolgten Kontroll- und Überwachungszwecke erforderlich wäre. Ebenso hat der betroffene Arbeitnehmer weder Veranlassung noch die Möglichkeit, bestimmte Inhalte als privat oder gar höchstpersönlich zu kennzeichnen und damit ggf. dem Zugriff des Arbeitgebers zu entziehen. Dieser ohnehin schon weit überschießende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen wird noch verstärkt, wenn - wie hier - regelmäßig Screenshots gefertigt werden.

34

gg) Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keine Tatsachen dargelegt, die vor dem Einsatz des Keyloggers den Anfangsverdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung begründet hatten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

35

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe lediglich einen Vorfall konkret beschrieben. Das von einer Arbeitnehmerin mitgeteilte einmalige hastige „Wegklicken“ einer „stark bebilderten“ Webseite sei aber nicht geeignet, den konkreten Verdacht einer exzessiven Privatnutzung des Dienst-PC zu begründen. Im Weiteren sei der Vortrag der Beklagten substanzlos geblieben. Das gelte zum einen für die einer Beweisaufnahme nicht zugängliche Behauptung, auch andere Mitarbeiter hätten angegeben, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang außerdienstlichen Aktivitäten nach. Zum anderen habe die Beklagte nicht substantiiert dargetan, dass die Leistungen des Klägers erheblich nachgelassen hätten.

36

(2) Diese Ausführungen lassen keinen materiellen Rechtsfehler erkennen. Die Revision zeigt auch keinen Fehler bei der Anwendung des Prozessrechts auf.

37

(a) Das Berufungsgericht hat es - stillschweigend - zu Recht als unmaßgeblich angesehen, dass die Beklagte die tatsächlichen Anhaltspunkte, die aus ihrer Sicht den Verdacht strafbaren Verhaltens des Klägers begründeten, nicht iSv. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dokumentiert hat. Ein solches Versäumnis führt weder zu einer Präklusion mit Vortrag zu den Verdachtsmomenten im Prozess noch begründet es für sich genommen die Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Die Vorgabe, die Tatsachen zu dokumentieren, auf die sich ein Anfangsverdacht gründet, verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern. Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauert und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 33).

38

(b) Das Landesarbeitsgericht hat die Darlegungslast der Beklagten nicht überspannt. Auch bei vermeintlich kreativ tätigen Arbeitnehmern lässt sich anhand objektiver Tatsachen feststellen, inwieweit sie die ihnen übertragenen Aufgaben fristgerecht und entsprechend den inhaltlichen Vorgaben erledigt haben. Keinesfalls reicht es aus, sich im Rechtsstreit auf einen nicht näher begründeten Eindruck eines Vorgesetzten oder des Geschäftsführers zurückzuziehen.

39

(c) Die von der Beklagten erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe sie gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass ihr Vortrag zum Vorliegen eines durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdachts unzureichend sei, ist unzulässig. Die Revision legt nicht dar, warum die Vorinstanz einem gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten in der konkreten Lage des Prozesses, insbesondere nach den Einlassungen des Klägers den von ihr vermissten Hinweis hätte erteilen müssen. Überdies fehlte es nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten an der Entscheidungserheblichkeit einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht. Sie räumt selbst ein, es sei ihr nicht möglich gewesen, ihr Vorbringen zu ergänzen.

40

e) § 28 Abs. 1 BDSG schied als Erlaubnisnorm aus. Die Vorschrift findet im Beschäftigungsverhältnis nur Anwendung, wenn nicht - wie hier - die Zwecke des § 32 Abs. 1 BDSG betroffen sind(BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Demgegenüber kann eine Datenerhebung, die weder der Aufdeckung von Straftaten iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG noch sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dient, „zur Wahrung berechtigter Interessen“ iSv. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zulässig sein(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 25; Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 2, 45 f.).

41

f) Es kann dahinstehen, ob Erkenntnisse, die der Arbeitgeber im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 1 BDSG unter Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewonnen hat, ausnahmsweise im Rechtsstreit verwertet werden dürfen. Das könnte nur dann in Betracht kommen, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24, BAGE 156, 370; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 29, BAGE 145, 278). Im Streitfall fehlt es schon an erstem. Ein Arbeitgeber, der - wie hier die Beklagte - eine Überwachungsmaßnahme „ins Blaue hinein“ veranlasst, befindet sich weder in einer Notwehr- oder notwehrähnlichen Situation gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB noch in einer Notstandslage iSv. § 34 StGB(dazu BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 23 f.).

42

4. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Kündigungen seien auch als Verdachtskündigungen unwirksam. Es musste den Sachvortrag der Beklagten, mit dem sie die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse in den Rechtsstreit eingeführt hat, auch bei der Würdigung außer Acht lassen, ob gegen den Kläger der dringende Verdacht eines Verhaltens bestand, das, wäre es erwiesen, eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte (dazu, dass dies auch für eine ordentliche Verdachtskündigung erforderlich ist, BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 22).

43

III. Die Sache ist nicht deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es Sachvortrag der Beklagten übergangen hätte, der möglicherweise keinem Verwertungsverbot unterläge. Die dahingehende Rüge der Beklagten greift nicht durch.

44

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die von der Beklagten in Bezug genommenen Screenshots der E-Mail-Ordner auf dem Dienst-Rechner des Klägers seien vom Keylogger gefertigt worden. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten (§ 320 ZPO), mit dem sie geltend gemacht hatte, ihr erstinstanzlicher, auf Seite 10 des amtlichen Umdrucks des Berufungsurteils wiedergegebener Vortrag sei dahin gegangen, dass diese Bildschirmfotos bei einer vom Keylogger unabhängigen Einsichtnahme in das E-Mail-Programm auf dem Dienst-PC des Klägers gemacht worden seien, hat es als unbegründet zurückgewiesen.

45

2. Die darauf bezogene Verfahrensrüge ist unzulässig.

46

a) Es kann dahinstehen, ob dies schon deshalb der Fall ist, weil die Beklagte sich mit dieser Rüge gegen die nicht mit einem Berichtigungsantrag angegriffene tatbestandliche Feststellung wendet, ihr zweitinstanzlicher - möglicherweise „überholender“ - Vortrag sei dahin gegangen, dass die Screenshots vom Inhalt der E-Mail-Ordner auf dem Rechner des Klägers vom Keylogger „geschossen“ wurden (Seite 12 und 22 des amtlichen Umdrucks). Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte nach abgelehnter Tatbestandsberichtigung mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erfolgreich allenfalls hätte geltend machen können, das Berufungsgericht habe ihr Vorbringen bewusst missverstanden und damit übergangen, oder es habe den Vortrag zumindest als missverständlich ansehen müssen und deshalb die angegriffene tatbestandliche Feststellung nicht ohne vorherigen Hinweis gemäß § 139 ZPO treffen dürfen.

47

b) Jedenfalls legt die Beklagte die Erheblichkeit ihres „richtig“ verstandenen Vorbringens nach der maßgeblichen Begründungslinie der angefochtenen Entscheidung nicht dar. Sie zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht anhand der bloßen Anzahl der in den E-Mail-Ordnern befindlichen Nachrichten zu der Überzeugung gelangt wäre, der Kläger sei in einem exzessiven, eine vorherige Abmahnung entbehrlich machenden Umfang während seiner Arbeitszeit privaten Aktivitäten nachgegangen. Solchen Vortrags hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil unstreitig zumindest ein Teil der E-Mails betreffend die Firma seines Vaters automatisch und ohne aktives Zutun des Klägers generiert worden ist.

        

    Koch    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Niebler    

        

    Löllgen    

                 

(1) Die Pflicht zur Information der betroffenen Person gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EU)2016/679besteht ergänzend zu der in Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahme dann nicht, wenn die Erteilung der Information über die beabsichtigte Weiterverarbeitung

1.
eine Weiterverarbeitung analog gespeicherter Daten betrifft, bei der sich der Verantwortliche durch die Weiterverarbeitung unmittelbar an die betroffene Person wendet, der Zweck mit dem ursprünglichen Erhebungszweck gemäß der Verordnung (EU)2016/679vereinbar ist, die Kommunikation mit der betroffenen Person nicht in digitaler Form erfolgt und das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf den Zusammenhang, in dem die Daten erhoben wurden, als gering anzusehen ist,
2.
im Fall einer öffentlichen Stelle die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden Aufgaben im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Buchstabe a bis e der Verordnung (EU) 2016/679 gefährden würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen,
3.
die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen,
4.
die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen oder
5.
eine vertrauliche Übermittlung von Daten an öffentliche Stellen gefährden würde.

(2) Unterbleibt eine Information der betroffenen Person nach Maßgabe des Absatzes 1, ergreift der Verantwortliche geeignete Maßnahmen zum Schutz der berechtigten Interessen der betroffenen Person, einschließlich der Bereitstellung der in Artikel 13 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Informationen für die Öffentlichkeit in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache. Der Verantwortliche hält schriftlich fest, aus welchen Gründen er von einer Information abgesehen hat. Die Sätze 1 und 2 finden in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 4 und 5 keine Anwendung.

(3) Unterbleibt die Benachrichtigung in den Fällen des Absatzes 1 wegen eines vorübergehenden Hinderungsgrundes, kommt der Verantwortliche der Informationspflicht unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände der Verarbeitung innerhalb einer angemessenen Frist nach Fortfall des Hinderungsgrundes, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen, nach.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juni 2016 - 16 Sa 1711/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit Juli 2011 als Webentwickler tätig. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses verpflichtete er sich schriftlich, Hard- und Software aus Gründen der informationstechnischen Sicherheit ausschließlich zur Erfüllung der vereinbarten Aufgaben zu nutzen.

3

Im Zusammenhang mit der Anbindung eines neuen Netzwerks richtete die Beklagte am 19. April 2015 (Sonntag) eine E-Mail folgenden Inhalts an ihre Mitarbeiter:

        

„Hallo liebes (…) Team,

        

es ist soweit, die Telekom hat es endlich geschafft, uns einen schnellen Internet Anschluss bereitzustellen.

        

Dieses möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten, aus diesem Grund erhaltet Ihr freien Zugang zum WLAN.

        

Da bei Missbrauch, zum Beispiel Download von illegalen Filmen, etc. der Betreiber zur Verantwortung gezogen wird, muss der Traffic mitgelogged werden. Da ein rechtlicher Missbrauch natürlich dann auch auf denjenigen zurückfallen soll, der verantwortlich dafür war.

        

Somit:

        

Hiermit informiere ich Euch offiziell, dass sämtlicher Internet Traffic und die Benutzung der Systeme (der Beklagten) mitgelogged und dauerhaft gespeichert wird. Solltet Ihr damit nicht einverstanden sein, bitte ich Euch mir dieses innerhalb dieser Woche mitzuteilen.

        

…       

        

Bitte benutzt dieses Netzwerk für alles wie Spotify, YouTube, etc. um unser Hauptnetzwerk zu entlasten.

        

…“    

4

In einer Unterweisung am 20. April 2015 wandte sich kein Arbeitnehmer gegen die Absicht der Beklagten, den „Internettraffic“ und die Benutzung ihrer Systeme zur Verhinderung von Missbrauch des Internetzugangs „mitzuloggen“.

5

Die Beklagte installierte sodann auf dem Dienst-PC des Klägers eine Software, die ab dem 21. April 2015 alle Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Screenshots fertigte (Keylogger). Nachdem die Beklagte die vom Keylogger erstellten Dateien ausgewertet hatte, fand am 4. Mai 2015 ein Gespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser einräumte, seinen Dienst-Rechner während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Er gab an, ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für das Logistikunternehmen seines Vaters abgewickelt zu haben. Auf die Programmierung des Spiels habe er am Arbeitsplatz in der Zeit von Januar bis April 2015 ca. drei Stunden verwendet. Für die Firma seines Vaters sei er - vorwiegend in seiner Freizeit - höchstens etwa zehn Minuten täglich tätig gewesen.

6

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19. Mai 2015 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin.

7

Hiergegen hat sich der Kläger fristgerecht mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat behauptet, die privaten Verrichtungen meist in den Pausen und in Zeiten erledigt zu haben, in denen er keines der ihm zugewiesenen Projekte habe bearbeiten können. Die Beklagte habe durch den Einsatz eines Keyloggers „hinterrücks“ und ohne jeden Anlass massiv in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. In der E-Mail vom 19. April 2015 habe sie den Eindruck vermittelt, es sollten nur die Internetaktivitäten über das neue Netzwerk kontrolliert werden.

8

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Webentwickler weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus den vom Keylogger erstellten Dateien ergebe sich, dass der Kläger am 21. April 2015 weitaus länger mit der Entwicklung des Computerspiels beschäftigt gewesen sei, als er eingeräumt habe. Die Einträge in den Logdateien widerlegten zudem seine Behauptung, höchstens zehn Minuten täglich mit Aufgaben für die Firma seines Vaters befasst gewesen zu sein. Ausweislich von Screenshots der auf seinem Dienst-PC befindlichen Ordner habe der Kläger für dessen Unternehmen 5.221 E-Mails empfangen und 5.835 Nachrichten versandt. Der Einsatz eines Keyloggers sei ohne Weiteres rechtmäßig gewesen, weil dem Kläger jede außerdienstliche Nutzung der IT-Systeme untersagt und damit seine Privatsphäre nicht betroffen gewesen sei. Im Übrigen habe gegen ihn der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs bestanden. Am 9. Februar 2015 habe eine Arbeitnehmerin im Vorbeigehen gesehen, dass der Kläger eine „stark bebilderte“ Webseite hastig „weggeklickt“ habe. Weitere Mitarbeiter hätten mitgeteilt, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang privaten Aktivitäten nach. Zudem habe er sich zu einem sehr unproduktiven Mitarbeiter entwickelt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die dem Senat allein zur Entscheidung anfallenden Feststellungsanträge sind begründet. Die Kündigungen der Beklagten vom 19. Mai 2015 sind unwirksam. Nach dem verfahrensrechtlich verwertbaren Sachvortrag der Beklagten fehlt es sowohl an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) als auch an einer sozialen Rechtfertigung für die unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1) erklärte ordentliche Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

12

I. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die vom Kläger zugestandenen Sachverhalte rechtfertigten die beiden Kündigungen nicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

13

1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Kläger habe in der Zeit von Januar bis April 2015 an seinem Dienst-Rechner ca. drei Stunden auf die Programmierung des Computerspiels verwendet, dies aber überwiegend während der Pausen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger habe während der Arbeitszeit täglich zehn Minuten mit Tätigkeiten für die Firma seines Vaters verbracht. Damit habe er seine vertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Allerdings rechtfertigten die Pflichtverletzungen mangels vorheriger Abmahnung keine - außerordentliche oder ordentliche - Kündigung. Zwar habe der Kläger Hard- und Software der Beklagten entgegen der von ihm zu Beginn des Arbeitsverhältnisses unterzeichneten Erklärung für außerdienstliche Zwecke eingesetzt. Die „minutenweise“ Privatnutzung über den Zeitraum eines Jahres habe sich zu einer Gesamtdauer von 36,66 Stunden summiert. Jedoch sei schon der E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 zu entnehmen, dass tatsächlich kein absolutes Verbot der privaten Nutzung betrieblicher IT-Einrichtungen gelebt worden sei. Die unzulässige Privatnutzung habe auch nur einen minimalen Bruchteil (2,08 vH) der täglichen Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Die Beklagte habe schließlich nicht substantiiert dargetan, dass seine Arbeitsleistung durch die außerdienstlichen Aktivitäten beeinträchtigt worden sei. Insgesamt liege keine derart schwere Pflichtverletzung vor, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen gewesen sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in Zukunft nach einer Abmahnung in gleicher oder ähnlicher Weise pflichtwidrig verhalten hätte.

14

2. Mit dieser Würdigung hat das Berufungsgericht, dem bei der Prüfung und Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG ein Beurteilungsspielraum zukommt, alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze berücksichtigt. Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den „auf lange Sicht“ - möglicherweise - verursachten Schaden in seine Überlegungen einbezogen, indem es die „vertane“ Arbeitszeit auf einen Zeitraum von einem Jahr hochgerechnet hat. Zu einem über die Vergütung der nicht bestimmungsgemäß verbrachten Arbeitszeit hinausgehenden Schaden hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Kläger nicht um Erlaubnis gefragt habe, obgleich er nur ausnahmsweise am Arbeitsplatz für die Firma seines Vaters habe tätig werden wollen und man insoweit eine „adäquate Lösung“ hätte finden können, bestätigt die Beklagte letztlich nur die Einschätzung des Berufungsgerichts, es sei zumindest nicht ausgeschlossen gewesen, dass sie eine geringfügige Privatnutzung ihrer Betriebsmittel während der Arbeitszeit hinnehmen würde.

15

II. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, es müsse bei seiner Entscheidung den Sachvortrag der Beklagten unberücksichtigt lassen, den sie nur aufgrund des von ihr eingesetzten Keyloggers in das Verfahren einführen konnte. Die Verwertung dieses Vorbringens bei der Urteilsfindung wäre mit dem Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG)unvereinbar.

16

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei(vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts - etwa von § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO - ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 , BVerfGE 117, 202) hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 21; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 18; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 3, BAGE 156, 370; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378; 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 37, BVerfGK 10, 330; 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 ua. - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 65, 1).

17

2. Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild ( § 1 Abs. 1 BDSG ). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 17; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 2, BAGE 156, 370). Ist allerdings die Datenverarbeitung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 22).

18

3. In Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den streitigen Sachvortrag der Beklagten über die Nutzung des Dienst-PC durch den Kläger am 21. und 23. April 2015 zugrunde zu legen. Hierdurch hätte das Landesarbeitsgericht eine durch die Beklagte begangene Grundrechtsverletzung perpetuiert und vertieft. Die Datenerhebung durch den Keylogger griff in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Der Kläger hat in die Maßnahme nicht eingewilligt. Der Eingriff war nicht aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten nach § 32 Abs. 1 oder § 28 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt. Ebenso lagen keine weiteren, über das schlichte Beweisinteresse der Beklagten hinausgehenden Aspekte vor, die gerade die in Frage stehende verdeckte Informationsbeschaffung durch einen Keylogger als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten.

19

a) Die Aufzeichnung und Speicherung der Tastatureingaben am Dienst-PC des Klägers sowie das Fertigen von Screenshots durch den Keylogger stellten Datenerhebungen iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 7 BDSG dar. Die Beklagte hat sich dadurch Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person, nämlich des Klägers als dem Nutzer des ihm zugeordneten Rechners, verschafft.

20

b) Der Kläger hat in die Datenerhebungen nicht dadurch gemäß § 4a BDSG eingewilligt, dass er der Ankündigung der Beklagten nicht widersprochen hat. Allein in der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer einer ihm mitgeteilten Maßnahme nicht entgegen tritt, liegt keine Einverständniserklärung in die Informationserhebung. Das Unterlassen eines Protests kann nicht mit einer Einwilligung gleichgesetzt werden (für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 40, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329). Das gilt insbesondere, wenn - wie vorliegend - eine vom Arbeitgeber gesetzte „Widerspruchsfrist“ noch nicht abgelaufen ist. Im Übrigen hatte die Beklagte dem Kläger nicht eröffnet, es sollten alle Tastatureingaben an seinem Dienst-PC „mitgeloggt“ und regelmäßig Screenshots gefertigt werden. Auch konnte der Kläger nicht erkennen, zu welchem Zweck er überwacht wurde. Die E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 legte den Schluss nahe, dass allein eine etwaige Internetaktivität über das neue Netzwerk und diese auch „nur“ hinsichtlich der abgerufenen Inhalte („Download von illegalen Filmen“, „Betreiber zur Verantwortung gezogen“, „rechtlicher Missbrauch“) kontrolliert werden sollte. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, in der mündlichen Unterweisung am 20. April 2015 seien anderslautende oder weiter gehende Aussagen getroffen worden. Dementsprechend ließ die Beklagte dem Kläger in ihrem Schreiben vom 5. Mai 2015 lediglich mitteilen, sie habe „im Zuge der Umstellung des Internetanschlusses zur Vermeidung eines etwaigen Missbrauchs die Onlineaktivitäten, die über diesen Anschluss laufen, kontrolliert und diese Kontrolle im Vorfeld sowohl per E-Mail als auch im Rahmen einer Ansprache an die gesamte Belegschaft angekündigt.“

21

c) Mit der ohne Einwilligung des Klägers erfolgten Datenerhebung durch den Keylogger hat die Beklagte in dessen durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.

22

aa) Für einen Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts ist es ohne Bedeutung, ob die Datenerhebung in verdeckter Form oder für den Arbeitnehmer erkennbar erfolgt.

23

(1) Bei dem verdeckten Einsatz eines Keyloggers wird der betroffene Arbeitnehmer in der Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden, beschränkt, indem er zum Ziel einer nicht erkennbaren - systematischen - Beobachtung durch den Arbeitgeber gemacht wird und dadurch auf sich beziehbare Daten über sein Verhalten preisgibt, ohne die Überwachung oder gar den mit ihr verfolgten Verwendungszweck zu kennen (für die automatisierte Erhebung öffentlich zugänglicher Informationen vgl. BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05  ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378 ; für die Observation durch einen Detektiv außerhalb des Betriebsgeländes vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

24

(2) Wird der Keylogger offen eingesetzt, liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor, weil die Aufzeichnung und Speicherung sämtlicher Tastatureingaben und bestimmter Bildschirminhalte der Vorbereitung möglicher belastender Maßnahmen (Ermahnung, Abmahnung, Kündigung) dienen und zugleich abschreckend wirken und insoweit das Verhalten des Betroffenen lenken soll (für die offene Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 38, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 24, BVerwGE 141, 329).

25

bb) Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erfasst werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung, der sich in die (Betriebs-)Öffentlichkeit begibt (für die Videoüberwachung vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 39, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329; für die Observation durch einen Detektiv vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

26

cc) Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt nicht voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer das informationstechnische System, über das Daten erhoben werden, als eigenes nutzt und deshalb den Umständen nach davon ausgehen darf, dass er allein oder zusammen mit anderen zur Nutzung berechtigten Personen über das System selbstbestimmt verfüge. Diese Einschränkung betrifft allein das ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, dem ggf. eine lückenfüllende Funktion zukommt (BVerfG 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 ua. - Rn. 201 und Rn. 206, BVerfGE 120, 274).

27

d) Der Einsatz des Keyloggers war der Beklagten nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt. Es fehlte bereits an dem insoweit erforderlichen, durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdacht einer Straftat oder einer anderen schweren Pflichtverletzung. Eine Maßnahme, die hinsichtlich der Intensität des durch sie bewirkten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit einer (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar ist, stellt sich als unverhältnismäßig dar, wenn sie aufgrund bloßer Mutmaßungen ergriffen wird.

28

aa) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt (Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 16; Grimm JM 2016, 17, 19), zur Beendigung iSd. Kündigungsvorbereitung (dazu Grimm, aaO) die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 26). Sofern nach § 32 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BDSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer solchen Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG auch verarbeitet und genutzt werden(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 40; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 37 f., BAGE 156, 370). Der Begriff der Beendigung umfasst dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; Stamer/Kuhnke in Plath BDSG § 32 Rn. 149; HWK/Lembke 7. Aufl. § 32 BDSG Rn. 15).

29

bb) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG erlaubt die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in Fällen, in denen - unabhängig von den in § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG näher bestimmten Zwecken - Anhaltspunkte für den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Maßnahmen, die vom Arbeitgeber ergriffen werden, um strafbares Verhalten eines Arbeitnehmers aufzudecken, in der Regel besonders intensiv in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Das ist insbesondere bei einer zu diesem Zweck erfolgenden (verdeckten) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gesondert kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität damit vergleichbare Maßnahmen erfassen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 27; 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 75, BAGE 151, 1). Diese sollen allenfalls dann zulässig sein, wenn der durch konkrete Tatsachen begründete „einfache“ Verdacht (Anfangsverdacht, BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 25) einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat besteht.

30

cc) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG entfaltet keine „Sperrwirkung“ dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig sein könnte(ausführlich BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 28 ff.). Allerdings muss der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem - dort gleichfalls verankerten - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 32; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 30; 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 81, 15; 22. Oktober 1986 -  5 AZR 660/85  - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 53, 226 ). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 41 , BAGE 148, 26 ; 29. Juni 2004 -  1 ABR 21/03  - zu B I 2 d der Gründe, BAGE 111, 173 ). Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (BVerfG 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - zu B I 2 b dd der Gründe, BVerfGE 115, 320 ; BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - aaO). Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach muss im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme, die auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gestützt werden soll, der auf konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer schwerwiegenden, jedoch nicht strafbaren Pflichtverletzung bestehen. Eine entsprechende verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG unzulässig(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO). Sie ist, ohne dass es noch darauf ankäme, ob mildere, gleich effektive Mittel vorhanden waren, jedenfalls unangemessen (nicht verhältnismäßig im engeren Sinne).

31

dd) Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenerhebungen nach § 32 Abs. 1 BDSG ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts - zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung - zulässig sein können. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen. Solche präventiven Maßnahmen können sich schon aufgrund des Vorliegens einer abstrakten Gefahr als verhältnismäßig erweisen, wenn sie keinen solchen psychischen Anpassungsdruck erzeugen, dass die Betroffenen bei objektiver Betrachtung in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt sind (dazu BAG 25. April 2017 - 1 ABR 46/15 - Rn. 20 und Rn. 28 ff.). Dementsprechend kann die vorübergehende Speicherung und stichprobenartige Kontrolle der Verlaufsdaten eines Internetbrowsers zulässig sein, um die Einhaltung eines vom Arbeitgeber aufgestellten kompletten Verbots oder doch einer Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen zu kontrollieren. Dabei werden lediglich die Adressen und Titel der aufgerufenen Seiten und der Zeitpunkt des Aufrufs protokolliert und damit nicht mehr Daten gespeichert, als benötigt werden, um einen möglichen inhaltlichen oder zeitlichen Missbrauch der Nutzungsrechte festzustellen (LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2016 - 5 Sa 657/15 - zu B I 4 a aa (8) (d) der Gründe). Würden die gespeicherten Verlaufsdaten nicht zumindest stichprobenartig überprüft, könnten Zuwiderhandlungen gegen das Verbot oder die Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen des Arbeitgebers nicht geahndet werden und könnte die Datenerhebung ihre verhaltenslenkende Wirkung nicht entfalten.

32

ee) Mit diesem Inhalt steht § 32 Abs. 1 BDSG im Einklang mit den Vorgaben der eine umfassende Harmonisierung(zur Begrifflichkeit EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f., Slg. 2003, I-12971) vorsehenden Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG - ABl. L 281 vom 23. November 1995 S. 31). Einerseits wird mit dem aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleiteten Erfordernis des auf konkrete Tatsachen gestützten Anfangsverdachts einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung für besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht entgegen Art. 5 der Richtlinie ein zusätzlicher, die Datenerhebung erschwerender Grundsatz eingeführt oder durch eine zusätzliche Bedingung die Tragweite eines der in Art. 7 der Richtlinie vorgesehenen Grundsätze verändert(dazu EuGH 19. Oktober 2016 - C-582/14 - [Breyer] Rn. 57 ff.; 24. November 2011 - C-468/10 und C-469/10 - [ASNEF] Rn. 33, 34 und 36). Andererseits genügt der vom Senat herangezogene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem durch die Richtlinie sowie Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(dazu EuGH 11. Dezember 2014 - C-212/13 - [Ryneš] Rn. 28) und Art. 8 EMRK(dazu EuGH 9. November 2010 - C-92/09 und C-93/09 - [Volker und Markus Schecke] Rn. 52, Slg. 2010, I-11063; BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 20 f.) garantierten Schutzniveau für die von einer Datenerhebung Betroffenen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 38; EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471).

33

ff) Bei dem (zeitlich nicht begrenzten) verdeckten Einsatz eines Keyloggers an einem Dienst-PC handelt es sich um eine Datenerhebung, die hinsichtlich der Intensität des mit ihr verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen mit einer - verdeckten - Videoüberwachung am Arbeitsplatz vergleichbar ist. Zwar berührt der Einsatz eines Keyloggers grundsätzlich nicht das Recht am eigenen Bild, insbesondere ist er regelmäßig nicht geeignet, Verhaltensweisen optisch zu erfassen, die von dem Betroffenen als peinlich empfunden werden. Jedoch wird mit der Datenerhebung durch einen Keylogger massiv in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Es werden - für den Benutzer irreversibel - alle Eingaben über die Tastatur eines Computers einschließlich des Zeitpunkts der Eingabe sowie des zeitlichen Abstands zwischen zwei Eingaben erfasst und gespeichert. Die auf diese Weise gewonnenen Daten ermöglichen es, ein nahezu umfassendes und lückenloses Profil sowohl von der privaten als auch dienstlichen Nutzung durch den Betroffenen zu erstellen. Dabei werden nicht nur gespeicherte Endfassungen und ggf. Zwischenentwürfe bestimmter Dokumente sichtbar, sondern es lässt sich jeder Schritt der Arbeitsweise des Benutzers nachvollziehen. Darüber hinaus können besondere Arten personenbezogener Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG oder - so im Streitfall - andere hochsensible Daten wie zB Benutzernamen, Passwörter für geschützte Bereiche, Kreditkartendaten, PIN-Nummern etc. protokolliert werden, ohne dass dies für die verfolgten Kontroll- und Überwachungszwecke erforderlich wäre. Ebenso hat der betroffene Arbeitnehmer weder Veranlassung noch die Möglichkeit, bestimmte Inhalte als privat oder gar höchstpersönlich zu kennzeichnen und damit ggf. dem Zugriff des Arbeitgebers zu entziehen. Dieser ohnehin schon weit überschießende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen wird noch verstärkt, wenn - wie hier - regelmäßig Screenshots gefertigt werden.

34

gg) Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keine Tatsachen dargelegt, die vor dem Einsatz des Keyloggers den Anfangsverdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung begründet hatten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

35

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe lediglich einen Vorfall konkret beschrieben. Das von einer Arbeitnehmerin mitgeteilte einmalige hastige „Wegklicken“ einer „stark bebilderten“ Webseite sei aber nicht geeignet, den konkreten Verdacht einer exzessiven Privatnutzung des Dienst-PC zu begründen. Im Weiteren sei der Vortrag der Beklagten substanzlos geblieben. Das gelte zum einen für die einer Beweisaufnahme nicht zugängliche Behauptung, auch andere Mitarbeiter hätten angegeben, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang außerdienstlichen Aktivitäten nach. Zum anderen habe die Beklagte nicht substantiiert dargetan, dass die Leistungen des Klägers erheblich nachgelassen hätten.

36

(2) Diese Ausführungen lassen keinen materiellen Rechtsfehler erkennen. Die Revision zeigt auch keinen Fehler bei der Anwendung des Prozessrechts auf.

37

(a) Das Berufungsgericht hat es - stillschweigend - zu Recht als unmaßgeblich angesehen, dass die Beklagte die tatsächlichen Anhaltspunkte, die aus ihrer Sicht den Verdacht strafbaren Verhaltens des Klägers begründeten, nicht iSv. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dokumentiert hat. Ein solches Versäumnis führt weder zu einer Präklusion mit Vortrag zu den Verdachtsmomenten im Prozess noch begründet es für sich genommen die Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Die Vorgabe, die Tatsachen zu dokumentieren, auf die sich ein Anfangsverdacht gründet, verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern. Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauert und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 33).

38

(b) Das Landesarbeitsgericht hat die Darlegungslast der Beklagten nicht überspannt. Auch bei vermeintlich kreativ tätigen Arbeitnehmern lässt sich anhand objektiver Tatsachen feststellen, inwieweit sie die ihnen übertragenen Aufgaben fristgerecht und entsprechend den inhaltlichen Vorgaben erledigt haben. Keinesfalls reicht es aus, sich im Rechtsstreit auf einen nicht näher begründeten Eindruck eines Vorgesetzten oder des Geschäftsführers zurückzuziehen.

39

(c) Die von der Beklagten erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe sie gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass ihr Vortrag zum Vorliegen eines durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdachts unzureichend sei, ist unzulässig. Die Revision legt nicht dar, warum die Vorinstanz einem gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten in der konkreten Lage des Prozesses, insbesondere nach den Einlassungen des Klägers den von ihr vermissten Hinweis hätte erteilen müssen. Überdies fehlte es nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten an der Entscheidungserheblichkeit einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht. Sie räumt selbst ein, es sei ihr nicht möglich gewesen, ihr Vorbringen zu ergänzen.

40

e) § 28 Abs. 1 BDSG schied als Erlaubnisnorm aus. Die Vorschrift findet im Beschäftigungsverhältnis nur Anwendung, wenn nicht - wie hier - die Zwecke des § 32 Abs. 1 BDSG betroffen sind(BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Demgegenüber kann eine Datenerhebung, die weder der Aufdeckung von Straftaten iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG noch sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dient, „zur Wahrung berechtigter Interessen“ iSv. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zulässig sein(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 25; Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 2, 45 f.).

41

f) Es kann dahinstehen, ob Erkenntnisse, die der Arbeitgeber im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 1 BDSG unter Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewonnen hat, ausnahmsweise im Rechtsstreit verwertet werden dürfen. Das könnte nur dann in Betracht kommen, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24, BAGE 156, 370; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 29, BAGE 145, 278). Im Streitfall fehlt es schon an erstem. Ein Arbeitgeber, der - wie hier die Beklagte - eine Überwachungsmaßnahme „ins Blaue hinein“ veranlasst, befindet sich weder in einer Notwehr- oder notwehrähnlichen Situation gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB noch in einer Notstandslage iSv. § 34 StGB(dazu BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 23 f.).

42

4. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Kündigungen seien auch als Verdachtskündigungen unwirksam. Es musste den Sachvortrag der Beklagten, mit dem sie die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse in den Rechtsstreit eingeführt hat, auch bei der Würdigung außer Acht lassen, ob gegen den Kläger der dringende Verdacht eines Verhaltens bestand, das, wäre es erwiesen, eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte (dazu, dass dies auch für eine ordentliche Verdachtskündigung erforderlich ist, BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 22).

43

III. Die Sache ist nicht deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es Sachvortrag der Beklagten übergangen hätte, der möglicherweise keinem Verwertungsverbot unterläge. Die dahingehende Rüge der Beklagten greift nicht durch.

44

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die von der Beklagten in Bezug genommenen Screenshots der E-Mail-Ordner auf dem Dienst-Rechner des Klägers seien vom Keylogger gefertigt worden. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten (§ 320 ZPO), mit dem sie geltend gemacht hatte, ihr erstinstanzlicher, auf Seite 10 des amtlichen Umdrucks des Berufungsurteils wiedergegebener Vortrag sei dahin gegangen, dass diese Bildschirmfotos bei einer vom Keylogger unabhängigen Einsichtnahme in das E-Mail-Programm auf dem Dienst-PC des Klägers gemacht worden seien, hat es als unbegründet zurückgewiesen.

45

2. Die darauf bezogene Verfahrensrüge ist unzulässig.

46

a) Es kann dahinstehen, ob dies schon deshalb der Fall ist, weil die Beklagte sich mit dieser Rüge gegen die nicht mit einem Berichtigungsantrag angegriffene tatbestandliche Feststellung wendet, ihr zweitinstanzlicher - möglicherweise „überholender“ - Vortrag sei dahin gegangen, dass die Screenshots vom Inhalt der E-Mail-Ordner auf dem Rechner des Klägers vom Keylogger „geschossen“ wurden (Seite 12 und 22 des amtlichen Umdrucks). Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte nach abgelehnter Tatbestandsberichtigung mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erfolgreich allenfalls hätte geltend machen können, das Berufungsgericht habe ihr Vorbringen bewusst missverstanden und damit übergangen, oder es habe den Vortrag zumindest als missverständlich ansehen müssen und deshalb die angegriffene tatbestandliche Feststellung nicht ohne vorherigen Hinweis gemäß § 139 ZPO treffen dürfen.

47

b) Jedenfalls legt die Beklagte die Erheblichkeit ihres „richtig“ verstandenen Vorbringens nach der maßgeblichen Begründungslinie der angefochtenen Entscheidung nicht dar. Sie zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht anhand der bloßen Anzahl der in den E-Mail-Ordnern befindlichen Nachrichten zu der Überzeugung gelangt wäre, der Kläger sei in einem exzessiven, eine vorherige Abmahnung entbehrlich machenden Umfang während seiner Arbeitszeit privaten Aktivitäten nachgegangen. Solchen Vortrags hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil unstreitig zumindest ein Teil der E-Mails betreffend die Firma seines Vaters automatisch und ohne aktives Zutun des Klägers generiert worden ist.

        

    Koch    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Niebler    

        

    Löllgen    

                 

(1) Die Pflicht zur Information der betroffenen Person gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EU)2016/679besteht ergänzend zu der in Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahme dann nicht, wenn die Erteilung der Information über die beabsichtigte Weiterverarbeitung

1.
eine Weiterverarbeitung analog gespeicherter Daten betrifft, bei der sich der Verantwortliche durch die Weiterverarbeitung unmittelbar an die betroffene Person wendet, der Zweck mit dem ursprünglichen Erhebungszweck gemäß der Verordnung (EU)2016/679vereinbar ist, die Kommunikation mit der betroffenen Person nicht in digitaler Form erfolgt und das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf den Zusammenhang, in dem die Daten erhoben wurden, als gering anzusehen ist,
2.
im Fall einer öffentlichen Stelle die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden Aufgaben im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Buchstabe a bis e der Verordnung (EU) 2016/679 gefährden würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen,
3.
die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen,
4.
die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen oder
5.
eine vertrauliche Übermittlung von Daten an öffentliche Stellen gefährden würde.

(2) Unterbleibt eine Information der betroffenen Person nach Maßgabe des Absatzes 1, ergreift der Verantwortliche geeignete Maßnahmen zum Schutz der berechtigten Interessen der betroffenen Person, einschließlich der Bereitstellung der in Artikel 13 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Informationen für die Öffentlichkeit in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache. Der Verantwortliche hält schriftlich fest, aus welchen Gründen er von einer Information abgesehen hat. Die Sätze 1 und 2 finden in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 4 und 5 keine Anwendung.

(3) Unterbleibt die Benachrichtigung in den Fällen des Absatzes 1 wegen eines vorübergehenden Hinderungsgrundes, kommt der Verantwortliche der Informationspflicht unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände der Verarbeitung innerhalb einer angemessenen Frist nach Fortfall des Hinderungsgrundes, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen, nach.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juni 2016 - 16 Sa 1711/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit Juli 2011 als Webentwickler tätig. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses verpflichtete er sich schriftlich, Hard- und Software aus Gründen der informationstechnischen Sicherheit ausschließlich zur Erfüllung der vereinbarten Aufgaben zu nutzen.

3

Im Zusammenhang mit der Anbindung eines neuen Netzwerks richtete die Beklagte am 19. April 2015 (Sonntag) eine E-Mail folgenden Inhalts an ihre Mitarbeiter:

        

„Hallo liebes (…) Team,

        

es ist soweit, die Telekom hat es endlich geschafft, uns einen schnellen Internet Anschluss bereitzustellen.

        

Dieses möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten, aus diesem Grund erhaltet Ihr freien Zugang zum WLAN.

        

Da bei Missbrauch, zum Beispiel Download von illegalen Filmen, etc. der Betreiber zur Verantwortung gezogen wird, muss der Traffic mitgelogged werden. Da ein rechtlicher Missbrauch natürlich dann auch auf denjenigen zurückfallen soll, der verantwortlich dafür war.

        

Somit:

        

Hiermit informiere ich Euch offiziell, dass sämtlicher Internet Traffic und die Benutzung der Systeme (der Beklagten) mitgelogged und dauerhaft gespeichert wird. Solltet Ihr damit nicht einverstanden sein, bitte ich Euch mir dieses innerhalb dieser Woche mitzuteilen.

        

…       

        

Bitte benutzt dieses Netzwerk für alles wie Spotify, YouTube, etc. um unser Hauptnetzwerk zu entlasten.

        

…“    

4

In einer Unterweisung am 20. April 2015 wandte sich kein Arbeitnehmer gegen die Absicht der Beklagten, den „Internettraffic“ und die Benutzung ihrer Systeme zur Verhinderung von Missbrauch des Internetzugangs „mitzuloggen“.

5

Die Beklagte installierte sodann auf dem Dienst-PC des Klägers eine Software, die ab dem 21. April 2015 alle Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Screenshots fertigte (Keylogger). Nachdem die Beklagte die vom Keylogger erstellten Dateien ausgewertet hatte, fand am 4. Mai 2015 ein Gespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser einräumte, seinen Dienst-Rechner während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Er gab an, ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für das Logistikunternehmen seines Vaters abgewickelt zu haben. Auf die Programmierung des Spiels habe er am Arbeitsplatz in der Zeit von Januar bis April 2015 ca. drei Stunden verwendet. Für die Firma seines Vaters sei er - vorwiegend in seiner Freizeit - höchstens etwa zehn Minuten täglich tätig gewesen.

6

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19. Mai 2015 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin.

7

Hiergegen hat sich der Kläger fristgerecht mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat behauptet, die privaten Verrichtungen meist in den Pausen und in Zeiten erledigt zu haben, in denen er keines der ihm zugewiesenen Projekte habe bearbeiten können. Die Beklagte habe durch den Einsatz eines Keyloggers „hinterrücks“ und ohne jeden Anlass massiv in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. In der E-Mail vom 19. April 2015 habe sie den Eindruck vermittelt, es sollten nur die Internetaktivitäten über das neue Netzwerk kontrolliert werden.

8

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Webentwickler weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus den vom Keylogger erstellten Dateien ergebe sich, dass der Kläger am 21. April 2015 weitaus länger mit der Entwicklung des Computerspiels beschäftigt gewesen sei, als er eingeräumt habe. Die Einträge in den Logdateien widerlegten zudem seine Behauptung, höchstens zehn Minuten täglich mit Aufgaben für die Firma seines Vaters befasst gewesen zu sein. Ausweislich von Screenshots der auf seinem Dienst-PC befindlichen Ordner habe der Kläger für dessen Unternehmen 5.221 E-Mails empfangen und 5.835 Nachrichten versandt. Der Einsatz eines Keyloggers sei ohne Weiteres rechtmäßig gewesen, weil dem Kläger jede außerdienstliche Nutzung der IT-Systeme untersagt und damit seine Privatsphäre nicht betroffen gewesen sei. Im Übrigen habe gegen ihn der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs bestanden. Am 9. Februar 2015 habe eine Arbeitnehmerin im Vorbeigehen gesehen, dass der Kläger eine „stark bebilderte“ Webseite hastig „weggeklickt“ habe. Weitere Mitarbeiter hätten mitgeteilt, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang privaten Aktivitäten nach. Zudem habe er sich zu einem sehr unproduktiven Mitarbeiter entwickelt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die dem Senat allein zur Entscheidung anfallenden Feststellungsanträge sind begründet. Die Kündigungen der Beklagten vom 19. Mai 2015 sind unwirksam. Nach dem verfahrensrechtlich verwertbaren Sachvortrag der Beklagten fehlt es sowohl an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) als auch an einer sozialen Rechtfertigung für die unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1) erklärte ordentliche Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

12

I. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die vom Kläger zugestandenen Sachverhalte rechtfertigten die beiden Kündigungen nicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

13

1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Kläger habe in der Zeit von Januar bis April 2015 an seinem Dienst-Rechner ca. drei Stunden auf die Programmierung des Computerspiels verwendet, dies aber überwiegend während der Pausen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger habe während der Arbeitszeit täglich zehn Minuten mit Tätigkeiten für die Firma seines Vaters verbracht. Damit habe er seine vertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Allerdings rechtfertigten die Pflichtverletzungen mangels vorheriger Abmahnung keine - außerordentliche oder ordentliche - Kündigung. Zwar habe der Kläger Hard- und Software der Beklagten entgegen der von ihm zu Beginn des Arbeitsverhältnisses unterzeichneten Erklärung für außerdienstliche Zwecke eingesetzt. Die „minutenweise“ Privatnutzung über den Zeitraum eines Jahres habe sich zu einer Gesamtdauer von 36,66 Stunden summiert. Jedoch sei schon der E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 zu entnehmen, dass tatsächlich kein absolutes Verbot der privaten Nutzung betrieblicher IT-Einrichtungen gelebt worden sei. Die unzulässige Privatnutzung habe auch nur einen minimalen Bruchteil (2,08 vH) der täglichen Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Die Beklagte habe schließlich nicht substantiiert dargetan, dass seine Arbeitsleistung durch die außerdienstlichen Aktivitäten beeinträchtigt worden sei. Insgesamt liege keine derart schwere Pflichtverletzung vor, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen gewesen sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in Zukunft nach einer Abmahnung in gleicher oder ähnlicher Weise pflichtwidrig verhalten hätte.

14

2. Mit dieser Würdigung hat das Berufungsgericht, dem bei der Prüfung und Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG ein Beurteilungsspielraum zukommt, alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze berücksichtigt. Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den „auf lange Sicht“ - möglicherweise - verursachten Schaden in seine Überlegungen einbezogen, indem es die „vertane“ Arbeitszeit auf einen Zeitraum von einem Jahr hochgerechnet hat. Zu einem über die Vergütung der nicht bestimmungsgemäß verbrachten Arbeitszeit hinausgehenden Schaden hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Kläger nicht um Erlaubnis gefragt habe, obgleich er nur ausnahmsweise am Arbeitsplatz für die Firma seines Vaters habe tätig werden wollen und man insoweit eine „adäquate Lösung“ hätte finden können, bestätigt die Beklagte letztlich nur die Einschätzung des Berufungsgerichts, es sei zumindest nicht ausgeschlossen gewesen, dass sie eine geringfügige Privatnutzung ihrer Betriebsmittel während der Arbeitszeit hinnehmen würde.

15

II. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, es müsse bei seiner Entscheidung den Sachvortrag der Beklagten unberücksichtigt lassen, den sie nur aufgrund des von ihr eingesetzten Keyloggers in das Verfahren einführen konnte. Die Verwertung dieses Vorbringens bei der Urteilsfindung wäre mit dem Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG)unvereinbar.

16

1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei(vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts - etwa von § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO - ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 , BVerfGE 117, 202) hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 21; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 18; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 3, BAGE 156, 370; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378; 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 37, BVerfGK 10, 330; 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 ua. - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 65, 1).

17

2. Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild ( § 1 Abs. 1 BDSG ). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 17; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 2 2, BAGE 156, 370). Ist allerdings die Datenverarbeitung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 22).

18

3. In Anwendung dieser Grundsätze hat sich das Landesarbeitsgericht zu Recht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den streitigen Sachvortrag der Beklagten über die Nutzung des Dienst-PC durch den Kläger am 21. und 23. April 2015 zugrunde zu legen. Hierdurch hätte das Landesarbeitsgericht eine durch die Beklagte begangene Grundrechtsverletzung perpetuiert und vertieft. Die Datenerhebung durch den Keylogger griff in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Der Kläger hat in die Maßnahme nicht eingewilligt. Der Eingriff war nicht aufgrund überwiegender Interessen der Beklagten nach § 32 Abs. 1 oder § 28 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt. Ebenso lagen keine weiteren, über das schlichte Beweisinteresse der Beklagten hinausgehenden Aspekte vor, die gerade die in Frage stehende verdeckte Informationsbeschaffung durch einen Keylogger als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten.

19

a) Die Aufzeichnung und Speicherung der Tastatureingaben am Dienst-PC des Klägers sowie das Fertigen von Screenshots durch den Keylogger stellten Datenerhebungen iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 7 BDSG dar. Die Beklagte hat sich dadurch Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person, nämlich des Klägers als dem Nutzer des ihm zugeordneten Rechners, verschafft.

20

b) Der Kläger hat in die Datenerhebungen nicht dadurch gemäß § 4a BDSG eingewilligt, dass er der Ankündigung der Beklagten nicht widersprochen hat. Allein in der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer einer ihm mitgeteilten Maßnahme nicht entgegen tritt, liegt keine Einverständniserklärung in die Informationserhebung. Das Unterlassen eines Protests kann nicht mit einer Einwilligung gleichgesetzt werden (für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 40, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329). Das gilt insbesondere, wenn - wie vorliegend - eine vom Arbeitgeber gesetzte „Widerspruchsfrist“ noch nicht abgelaufen ist. Im Übrigen hatte die Beklagte dem Kläger nicht eröffnet, es sollten alle Tastatureingaben an seinem Dienst-PC „mitgeloggt“ und regelmäßig Screenshots gefertigt werden. Auch konnte der Kläger nicht erkennen, zu welchem Zweck er überwacht wurde. Die E-Mail der Beklagten vom 19. April 2015 legte den Schluss nahe, dass allein eine etwaige Internetaktivität über das neue Netzwerk und diese auch „nur“ hinsichtlich der abgerufenen Inhalte („Download von illegalen Filmen“, „Betreiber zur Verantwortung gezogen“, „rechtlicher Missbrauch“) kontrolliert werden sollte. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, in der mündlichen Unterweisung am 20. April 2015 seien anderslautende oder weiter gehende Aussagen getroffen worden. Dementsprechend ließ die Beklagte dem Kläger in ihrem Schreiben vom 5. Mai 2015 lediglich mitteilen, sie habe „im Zuge der Umstellung des Internetanschlusses zur Vermeidung eines etwaigen Missbrauchs die Onlineaktivitäten, die über diesen Anschluss laufen, kontrolliert und diese Kontrolle im Vorfeld sowohl per E-Mail als auch im Rahmen einer Ansprache an die gesamte Belegschaft angekündigt.“

21

c) Mit der ohne Einwilligung des Klägers erfolgten Datenerhebung durch den Keylogger hat die Beklagte in dessen durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.

22

aa) Für einen Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts ist es ohne Bedeutung, ob die Datenerhebung in verdeckter Form oder für den Arbeitnehmer erkennbar erfolgt.

23

(1) Bei dem verdeckten Einsatz eines Keyloggers wird der betroffene Arbeitnehmer in der Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden, beschränkt, indem er zum Ziel einer nicht erkennbaren - systematischen - Beobachtung durch den Arbeitgeber gemacht wird und dadurch auf sich beziehbare Daten über sein Verhalten preisgibt, ohne die Überwachung oder gar den mit ihr verfolgten Verwendungszweck zu kennen (für die automatisierte Erhebung öffentlich zugänglicher Informationen vgl. BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05  ua. - Rn. 67, BVerfGE 120, 378 ; für die Observation durch einen Detektiv außerhalb des Betriebsgeländes vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

24

(2) Wird der Keylogger offen eingesetzt, liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor, weil die Aufzeichnung und Speicherung sämtlicher Tastatureingaben und bestimmter Bildschirminhalte der Vorbereitung möglicher belastender Maßnahmen (Ermahnung, Abmahnung, Kündigung) dienen und zugleich abschreckend wirken und insoweit das Verhalten des Betroffenen lenken soll (für die offene Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 38, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 24, BVerwGE 141, 329).

25

bb) Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erfasst werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung, der sich in die (Betriebs-)Öffentlichkeit begibt (für die Videoüberwachung vgl. BVerfG 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - Rn. 39, BVerfGK 10, 330; BVerwG 25. Januar 2012 - 6 C 9/11 - Rn. 25, BVerwGE 141, 329; für die Observation durch einen Detektiv vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 24).

26

cc) Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt nicht voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer das informationstechnische System, über das Daten erhoben werden, als eigenes nutzt und deshalb den Umständen nach davon ausgehen darf, dass er allein oder zusammen mit anderen zur Nutzung berechtigten Personen über das System selbstbestimmt verfüge. Diese Einschränkung betrifft allein das ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, dem ggf. eine lückenfüllende Funktion zukommt (BVerfG 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 ua. - Rn. 201 und Rn. 206, BVerfGE 120, 274).

27

d) Der Einsatz des Keyloggers war der Beklagten nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt. Es fehlte bereits an dem insoweit erforderlichen, durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdacht einer Straftat oder einer anderen schweren Pflichtverletzung. Eine Maßnahme, die hinsichtlich der Intensität des durch sie bewirkten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit einer (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar ist, stellt sich als unverhältnismäßig dar, wenn sie aufgrund bloßer Mutmaßungen ergriffen wird.

28

aa) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt (Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 16; Grimm JM 2016, 17, 19), zur Beendigung iSd. Kündigungsvorbereitung (dazu Grimm, aaO) die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 26). Sofern nach § 32 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BDSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer solchen Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG auch verarbeitet und genutzt werden(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 40; 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 37 f., BAGE 156, 370). Der Begriff der Beendigung umfasst dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; Stamer/Kuhnke in Plath BDSG § 32 Rn. 149; HWK/Lembke 7. Aufl. § 32 BDSG Rn. 15).

29

bb) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG erlaubt die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in Fällen, in denen - unabhängig von den in § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG näher bestimmten Zwecken - Anhaltspunkte für den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Maßnahmen, die vom Arbeitgeber ergriffen werden, um strafbares Verhalten eines Arbeitnehmers aufzudecken, in der Regel besonders intensiv in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Das ist insbesondere bei einer zu diesem Zweck erfolgenden (verdeckten) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gesondert kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität damit vergleichbare Maßnahmen erfassen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 27; 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 75, BAGE 151, 1). Diese sollen allenfalls dann zulässig sein, wenn der durch konkrete Tatsachen begründete „einfache“ Verdacht (Anfangsverdacht, BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 25) einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat besteht.

30

cc) § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG entfaltet keine „Sperrwirkung“ dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig sein könnte(ausführlich BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 28 ff.). Allerdings muss der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem - dort gleichfalls verankerten - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 32; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 30; 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 81, 15; 22. Oktober 1986 -  5 AZR 660/85  - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 53, 226 ). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 41 , BAGE 148, 26 ; 29. Juni 2004 -  1 ABR 21/03  - zu B I 2 d der Gründe, BAGE 111, 173 ). Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (BVerfG 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - zu B I 2 b dd der Gründe, BVerfGE 115, 320 ; BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - aaO). Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach muss im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme, die auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gestützt werden soll, der auf konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer schwerwiegenden, jedoch nicht strafbaren Pflichtverletzung bestehen. Eine entsprechende verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG unzulässig(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - aaO). Sie ist, ohne dass es noch darauf ankäme, ob mildere, gleich effektive Mittel vorhanden waren, jedenfalls unangemessen (nicht verhältnismäßig im engeren Sinne).

31

dd) Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenerhebungen nach § 32 Abs. 1 BDSG ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts - zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung - zulässig sein können. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen. Solche präventiven Maßnahmen können sich schon aufgrund des Vorliegens einer abstrakten Gefahr als verhältnismäßig erweisen, wenn sie keinen solchen psychischen Anpassungsdruck erzeugen, dass die Betroffenen bei objektiver Betrachtung in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt sind (dazu BAG 25. April 2017 - 1 ABR 46/15 - Rn. 20 und Rn. 28 ff.). Dementsprechend kann die vorübergehende Speicherung und stichprobenartige Kontrolle der Verlaufsdaten eines Internetbrowsers zulässig sein, um die Einhaltung eines vom Arbeitgeber aufgestellten kompletten Verbots oder doch einer Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen zu kontrollieren. Dabei werden lediglich die Adressen und Titel der aufgerufenen Seiten und der Zeitpunkt des Aufrufs protokolliert und damit nicht mehr Daten gespeichert, als benötigt werden, um einen möglichen inhaltlichen oder zeitlichen Missbrauch der Nutzungsrechte festzustellen (LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2016 - 5 Sa 657/15 - zu B I 4 a aa (8) (d) der Gründe). Würden die gespeicherten Verlaufsdaten nicht zumindest stichprobenartig überprüft, könnten Zuwiderhandlungen gegen das Verbot oder die Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen des Arbeitgebers nicht geahndet werden und könnte die Datenerhebung ihre verhaltenslenkende Wirkung nicht entfalten.

32

ee) Mit diesem Inhalt steht § 32 Abs. 1 BDSG im Einklang mit den Vorgaben der eine umfassende Harmonisierung(zur Begrifflichkeit EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 96 f., Slg. 2003, I-12971) vorsehenden Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG - ABl. L 281 vom 23. November 1995 S. 31). Einerseits wird mit dem aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleiteten Erfordernis des auf konkrete Tatsachen gestützten Anfangsverdachts einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung für besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht entgegen Art. 5 der Richtlinie ein zusätzlicher, die Datenerhebung erschwerender Grundsatz eingeführt oder durch eine zusätzliche Bedingung die Tragweite eines der in Art. 7 der Richtlinie vorgesehenen Grundsätze verändert(dazu EuGH 19. Oktober 2016 - C-582/14 - [Breyer] Rn. 57 ff.; 24. November 2011 - C-468/10 und C-469/10 - [ASNEF] Rn. 33, 34 und 36). Andererseits genügt der vom Senat herangezogene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem durch die Richtlinie sowie Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(dazu EuGH 11. Dezember 2014 - C-212/13 - [Ryneš] Rn. 28) und Art. 8 EMRK(dazu EuGH 9. November 2010 - C-92/09 und C-93/09 - [Volker und Markus Schecke] Rn. 52, Slg. 2010, I-11063; BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 20 f.) garantierten Schutzniveau für die von einer Datenerhebung Betroffenen (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 38; EGMR 5. Oktober 2010 - 420/07 - EuGRZ 2011, 471).

33

ff) Bei dem (zeitlich nicht begrenzten) verdeckten Einsatz eines Keyloggers an einem Dienst-PC handelt es sich um eine Datenerhebung, die hinsichtlich der Intensität des mit ihr verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen mit einer - verdeckten - Videoüberwachung am Arbeitsplatz vergleichbar ist. Zwar berührt der Einsatz eines Keyloggers grundsätzlich nicht das Recht am eigenen Bild, insbesondere ist er regelmäßig nicht geeignet, Verhaltensweisen optisch zu erfassen, die von dem Betroffenen als peinlich empfunden werden. Jedoch wird mit der Datenerhebung durch einen Keylogger massiv in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Es werden - für den Benutzer irreversibel - alle Eingaben über die Tastatur eines Computers einschließlich des Zeitpunkts der Eingabe sowie des zeitlichen Abstands zwischen zwei Eingaben erfasst und gespeichert. Die auf diese Weise gewonnenen Daten ermöglichen es, ein nahezu umfassendes und lückenloses Profil sowohl von der privaten als auch dienstlichen Nutzung durch den Betroffenen zu erstellen. Dabei werden nicht nur gespeicherte Endfassungen und ggf. Zwischenentwürfe bestimmter Dokumente sichtbar, sondern es lässt sich jeder Schritt der Arbeitsweise des Benutzers nachvollziehen. Darüber hinaus können besondere Arten personenbezogener Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG oder - so im Streitfall - andere hochsensible Daten wie zB Benutzernamen, Passwörter für geschützte Bereiche, Kreditkartendaten, PIN-Nummern etc. protokolliert werden, ohne dass dies für die verfolgten Kontroll- und Überwachungszwecke erforderlich wäre. Ebenso hat der betroffene Arbeitnehmer weder Veranlassung noch die Möglichkeit, bestimmte Inhalte als privat oder gar höchstpersönlich zu kennzeichnen und damit ggf. dem Zugriff des Arbeitgebers zu entziehen. Dieser ohnehin schon weit überschießende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen wird noch verstärkt, wenn - wie hier - regelmäßig Screenshots gefertigt werden.

34

gg) Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keine Tatsachen dargelegt, die vor dem Einsatz des Keyloggers den Anfangsverdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung begründet hatten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

35

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe lediglich einen Vorfall konkret beschrieben. Das von einer Arbeitnehmerin mitgeteilte einmalige hastige „Wegklicken“ einer „stark bebilderten“ Webseite sei aber nicht geeignet, den konkreten Verdacht einer exzessiven Privatnutzung des Dienst-PC zu begründen. Im Weiteren sei der Vortrag der Beklagten substanzlos geblieben. Das gelte zum einen für die einer Beweisaufnahme nicht zugängliche Behauptung, auch andere Mitarbeiter hätten angegeben, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang außerdienstlichen Aktivitäten nach. Zum anderen habe die Beklagte nicht substantiiert dargetan, dass die Leistungen des Klägers erheblich nachgelassen hätten.

36

(2) Diese Ausführungen lassen keinen materiellen Rechtsfehler erkennen. Die Revision zeigt auch keinen Fehler bei der Anwendung des Prozessrechts auf.

37

(a) Das Berufungsgericht hat es - stillschweigend - zu Recht als unmaßgeblich angesehen, dass die Beklagte die tatsächlichen Anhaltspunkte, die aus ihrer Sicht den Verdacht strafbaren Verhaltens des Klägers begründeten, nicht iSv. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dokumentiert hat. Ein solches Versäumnis führt weder zu einer Präklusion mit Vortrag zu den Verdachtsmomenten im Prozess noch begründet es für sich genommen die Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Die Vorgabe, die Tatsachen zu dokumentieren, auf die sich ein Anfangsverdacht gründet, verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern. Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauert und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (BAG 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 33).

38

(b) Das Landesarbeitsgericht hat die Darlegungslast der Beklagten nicht überspannt. Auch bei vermeintlich kreativ tätigen Arbeitnehmern lässt sich anhand objektiver Tatsachen feststellen, inwieweit sie die ihnen übertragenen Aufgaben fristgerecht und entsprechend den inhaltlichen Vorgaben erledigt haben. Keinesfalls reicht es aus, sich im Rechtsstreit auf einen nicht näher begründeten Eindruck eines Vorgesetzten oder des Geschäftsführers zurückzuziehen.

39

(c) Die von der Beklagten erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe sie gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass ihr Vortrag zum Vorliegen eines durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdachts unzureichend sei, ist unzulässig. Die Revision legt nicht dar, warum die Vorinstanz einem gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten in der konkreten Lage des Prozesses, insbesondere nach den Einlassungen des Klägers den von ihr vermissten Hinweis hätte erteilen müssen. Überdies fehlte es nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten an der Entscheidungserheblichkeit einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht. Sie räumt selbst ein, es sei ihr nicht möglich gewesen, ihr Vorbringen zu ergänzen.

40

e) § 28 Abs. 1 BDSG schied als Erlaubnisnorm aus. Die Vorschrift findet im Beschäftigungsverhältnis nur Anwendung, wenn nicht - wie hier - die Zwecke des § 32 Abs. 1 BDSG betroffen sind(BT-Drs. 16/13657 S. 20 f.). Demgegenüber kann eine Datenerhebung, die weder der Aufdeckung von Straftaten iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG noch sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dient, „zur Wahrung berechtigter Interessen“ iSv. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zulässig sein(BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 25; Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 32 Rn. 2, 45 f.).

41

f) Es kann dahinstehen, ob Erkenntnisse, die der Arbeitgeber im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 1 BDSG unter Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewonnen hat, ausnahmsweise im Rechtsstreit verwertet werden dürfen. Das könnte nur dann in Betracht kommen, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 24, BAGE 156, 370; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 29, BAGE 145, 278). Im Streitfall fehlt es schon an erstem. Ein Arbeitgeber, der - wie hier die Beklagte - eine Überwachungsmaßnahme „ins Blaue hinein“ veranlasst, befindet sich weder in einer Notwehr- oder notwehrähnlichen Situation gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB noch in einer Notstandslage iSv. § 34 StGB(dazu BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 23 f.).

42

4. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Kündigungen seien auch als Verdachtskündigungen unwirksam. Es musste den Sachvortrag der Beklagten, mit dem sie die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse in den Rechtsstreit eingeführt hat, auch bei der Würdigung außer Acht lassen, ob gegen den Kläger der dringende Verdacht eines Verhaltens bestand, das, wäre es erwiesen, eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte (dazu, dass dies auch für eine ordentliche Verdachtskündigung erforderlich ist, BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 22).

43

III. Die Sache ist nicht deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es Sachvortrag der Beklagten übergangen hätte, der möglicherweise keinem Verwertungsverbot unterläge. Die dahingehende Rüge der Beklagten greift nicht durch.

44

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die von der Beklagten in Bezug genommenen Screenshots der E-Mail-Ordner auf dem Dienst-Rechner des Klägers seien vom Keylogger gefertigt worden. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten (§ 320 ZPO), mit dem sie geltend gemacht hatte, ihr erstinstanzlicher, auf Seite 10 des amtlichen Umdrucks des Berufungsurteils wiedergegebener Vortrag sei dahin gegangen, dass diese Bildschirmfotos bei einer vom Keylogger unabhängigen Einsichtnahme in das E-Mail-Programm auf dem Dienst-PC des Klägers gemacht worden seien, hat es als unbegründet zurückgewiesen.

45

2. Die darauf bezogene Verfahrensrüge ist unzulässig.

46

a) Es kann dahinstehen, ob dies schon deshalb der Fall ist, weil die Beklagte sich mit dieser Rüge gegen die nicht mit einem Berichtigungsantrag angegriffene tatbestandliche Feststellung wendet, ihr zweitinstanzlicher - möglicherweise „überholender“ - Vortrag sei dahin gegangen, dass die Screenshots vom Inhalt der E-Mail-Ordner auf dem Rechner des Klägers vom Keylogger „geschossen“ wurden (Seite 12 und 22 des amtlichen Umdrucks). Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte nach abgelehnter Tatbestandsberichtigung mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erfolgreich allenfalls hätte geltend machen können, das Berufungsgericht habe ihr Vorbringen bewusst missverstanden und damit übergangen, oder es habe den Vortrag zumindest als missverständlich ansehen müssen und deshalb die angegriffene tatbestandliche Feststellung nicht ohne vorherigen Hinweis gemäß § 139 ZPO treffen dürfen.

47

b) Jedenfalls legt die Beklagte die Erheblichkeit ihres „richtig“ verstandenen Vorbringens nach der maßgeblichen Begründungslinie der angefochtenen Entscheidung nicht dar. Sie zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht anhand der bloßen Anzahl der in den E-Mail-Ordnern befindlichen Nachrichten zu der Überzeugung gelangt wäre, der Kläger sei in einem exzessiven, eine vorherige Abmahnung entbehrlich machenden Umfang während seiner Arbeitszeit privaten Aktivitäten nachgegangen. Solchen Vortrags hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil unstreitig zumindest ein Teil der E-Mails betreffend die Firma seines Vaters automatisch und ohne aktives Zutun des Klägers generiert worden ist.

        

    Koch    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Niebler    

        

    Löllgen    

                 

(1) Die Pflicht zur Information der betroffenen Person gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EU)2016/679besteht ergänzend zu der in Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahme dann nicht, wenn die Erteilung der Information über die beabsichtigte Weiterverarbeitung

1.
eine Weiterverarbeitung analog gespeicherter Daten betrifft, bei der sich der Verantwortliche durch die Weiterverarbeitung unmittelbar an die betroffene Person wendet, der Zweck mit dem ursprünglichen Erhebungszweck gemäß der Verordnung (EU)2016/679vereinbar ist, die Kommunikation mit der betroffenen Person nicht in digitaler Form erfolgt und das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf den Zusammenhang, in dem die Daten erhoben wurden, als gering anzusehen ist,
2.
im Fall einer öffentlichen Stelle die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden Aufgaben im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Buchstabe a bis e der Verordnung (EU) 2016/679 gefährden würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen,
3.
die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen,
4.
die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen oder
5.
eine vertrauliche Übermittlung von Daten an öffentliche Stellen gefährden würde.

(2) Unterbleibt eine Information der betroffenen Person nach Maßgabe des Absatzes 1, ergreift der Verantwortliche geeignete Maßnahmen zum Schutz der berechtigten Interessen der betroffenen Person, einschließlich der Bereitstellung der in Artikel 13 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Informationen für die Öffentlichkeit in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache. Der Verantwortliche hält schriftlich fest, aus welchen Gründen er von einer Information abgesehen hat. Die Sätze 1 und 2 finden in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 4 und 5 keine Anwendung.

(3) Unterbleibt die Benachrichtigung in den Fällen des Absatzes 1 wegen eines vorübergehenden Hinderungsgrundes, kommt der Verantwortliche der Informationspflicht unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände der Verarbeitung innerhalb einer angemessenen Frist nach Fortfall des Hinderungsgrundes, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen, nach.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. April 2008 - 11 Sa 522/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Beklagte betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Die Klägerin war seit 1994 bei ihm als Verkäuferin/Kassiererin tätig. Zuletzt erzielte sie bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden einen monatlichen Bruttoverdienst von 1.323,86 Euro. Arbeitsort der Klägerin war die Verkaufsstelle (Filiale) B. Außer ihr waren dort zwei weitere Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Ein Betriebsrat war für den Bezirk, dem die Verkaufstelle zugeordnet ist, nicht gewählt worden.

3

In der Filiale hing seit Jahren ein Plakat in Größe DIN-A3 aus, das einen Hinweis darauf enthielt, die Verkaufsstellen des Beklagten würden durch Detektive, Kameraanlagen und den Einsatz von Sicherheitsdiensten überwacht. Tatsächlich kam Überwachungstechnik, außer im Rahmen von kurzfristigen Detektiveinsätzen, nicht zum Einsatz. Im Zeitraum vom 17. bis 23. März 2007 ließ der Beklagte an der Decke über dem Kassenbereich eine Videokamera anbringen, mit deren Hilfe die Kassiervorgänge aufzeichnet wurden. Hierüber wurden die Klägerin und ihre Kolleginnen nicht gesondert unterrichtet.

4

Bei der Auswertung der Videoaufzeichnungen fiel der zuständigen Verkaufsleiterin auf, dass die Klägerin am 23. März 2007 nach Dienstschluss einen sog. Personaleinkauf getätigt hatte. Eine anschließende Überprüfung des den Einkauf dokumentierenden Kassenstreifens ergab, dass die Klägerin Waren - überwiegend Süßigkeiten - im Wert von etwas über 60,00 Euro erworben hatte. In Höhe von 36,00 Euro war der Kaufpreis mit insgesamt sieben „produktbezogenen Gutscheinen“, ua. für eine elektrische Zahnbürste und ein Windelpaket, verrechnet worden, obwohl die Klägerin solche Artikel nicht eingekauft hatte. Das entsprach nicht dem Verwendungszweck der Coupons. Produktbezogene Gutscheine (Rabatt-Coupons) sind an den jeweiligen Warenregalen angebracht, werden aber auch in Form von Gutscheinheften an Kunden ausgegeben. Sie dürfen, wie der Klägerin bekannt war, nur beim Erwerb der betreffenden Waren verrechnet werden.

5

Im Personalgespräch vom 2. April 2007 wurde der Klägerin unter Vorlage des Kassenstreifens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie räumte ein, dass sie die Gutscheine nicht habe einlösen dürfen. Dem Beklagten sei hierdurch aber kein Schaden entstanden.

6

Mit Schreiben vom 2. April 2007 kündigte die Verkaufsleiterin für den Beklagten das Arbeitsverhältnis „fristlos“ zum 3. April 2007.

7

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei schon mangels Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin, zumindest aber deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine Originalvollmacht beigelegen habe. Zudem liege kein Grund zur Kündigung vor. Bei ihrem Personaleinkauf habe es sich um ein außerdienstliches Verhalten gehandelt. Dem Beklagten sei kein Schaden entstanden, da er die Wertcoupons in jedem Fall bei den ausstellenden Firmen einreiche. Überdies dürften die aus der Videoüberwachung gewonnenen Erkenntnisse wegen Verstoßes gegen § 6b BDSG nicht verwertet werden. Das gelte auch für Tatsachen, von denen der Beklagte durch die unzulässige Videoüberwachung nur mittelbar Kenntnis erlangt habe.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 2. April 2007 nicht aufgelöst worden ist.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Verkaufsleiterin sei berechtigt und bevollmächtigt gewesen, die Kündigung zu erklären. Dies sei der Klägerin aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen bekannt gewesen. Die Kündigung sei gerechtfertigt. Die Klägerin habe sich grob pflichtwidrig verhalten und dadurch auf seine Kosten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil erlangt. Der damit einhergehende Vertrauensbruch schließe eine Weiterbeschäftigung aus. Die in der Filiale durchgeführte Videoüberwachung sei zulässig gewesen. In der Verkaufsstelle seien hohe Inventurdifferenzen aufgetreten, die auf Pflichtverletzungen der Mitarbeiterinnen hingedeutet hätten. Andere Möglichkeiten zur Aufklärung des Verdachts habe er - ohne Erfolg - ausgeschöpft. So seien durch Detektiveinsätze nur wenige Kundendiebstähle aufgedeckt worden. Bei Testeinkäufen hätten sich keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Im Übrigen komme es auf die Zulässigkeit der Überwachung nicht an, weil der Sachverhalt unstreitig sei. Beweisverwertungsverbote könnten insoweit keine Rolle spielen. Jedenfalls dürfe ihm nicht verwehrt werden, seinen Vortrag auf Erkenntnisse zu stützen, die er aus anderen Informationsquellen gewonnen habe.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 2. April 2007 zu dem in ihr bestimmten Termin aufgelöst worden.

12

I. Die Kündigung ist nicht wegen fehlender Kündigungsberechtigung der Verkaufsleiterin oder deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine auf diese lautende Originalvollmacht beigefügt gewesen wäre.

13

1. Wenn es tatsächlich an einer Bevollmächtigung als solche gefehlt haben sollte, wäre die Kündigung zwar grundsätzlich gemäß § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Bei einer Kündigung als einseitigem Rechtsgeschäft ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Die Klägerin hat die unter Vorlage der Kopie einer Vollmacht erklärte Kündigung jedoch nicht „bei der Vornahme“ beanstandet, sondern erstmals mit der Klageschrift vom 19. April 2007, die dem Beklagten am 25. April 2007 zugestellt wurde. Bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung waren seit Ausspruch der Kündigung mehr als zwei Wochen verstrichen. Gründe für ihr Zuwarten hat die Klägerin nicht benannt. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe die Rüge „bei Vornahme“ der Kündigung erhoben (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, ZIP 1986, 388). Dementsprechend war die Kündigung in entsprechender Anwendung von § 180 Satz 2, § 177 Abs. 1 BGB nur schwebend unwirksam und genehmigungsfähig(vgl. Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 37, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Eine solche Genehmigung hat der Beklagte jedenfalls konkludent dadurch erteilt, dass er im vorliegenden Rechtsstreit die Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin ausdrücklich behauptet und die Rechtmäßigkeit der Kündigung verteidigt hat (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, aaO).

14

2. Hat die Verkaufsleiterin Kündigungsvollmacht besessen, ist die Kündigung nicht gem. § 174 Satz 1 BGB unwirksam. Ihre Zurückweisung durch die Klägerin erfolgte nicht „unverzüglich“ iSd. § 174 Satz 1, § 121 Abs. 1 BGB.

15

II. Die Kündigung ist nicht nach § 626 BGB unwirksam. Der Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.

16

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 17, BAGE 118, 104).

17

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ein wichtiger Grund liege vor, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

18

a) Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht (bspw. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 25 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 184). Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 27, aaO; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, aaO).

19

b) Eine solche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung der Klägerin liegt nach dem unstreitigen Sachverhalt vor. Die Klägerin hat sich vorsätzlich auf Kosten des Beklagten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil verschafft. Damit hat sie ihre gegenüber dem Beklagten bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erheblich verletzt.

20

aa) Das Verhalten der Klägerin vom 23. März 2007 ist, was die Einlösung und Verrechnung von sieben produktbezogenen Gutscheinen im Wert von insgesamt 36,00 Euro anbelangt, vom Landesarbeitsgericht als unstreitig festgestellt. Dagegen hat die Klägerin Verfahrensrügen nicht erhoben. Ebenso wenig hat sie das Fehlen ihrer Berechtigung zur Einlösung der Gutscheine in Abrede gestellt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Beklagten sei durch das Verhalten der Klägerin ein Schaden entstanden, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte durfte die Gutscheine nur bei einem tatsächlichen Verkauf entsprechender Produkte an die betreffenden Lieferanten weiterreichen. Sollte sich der Schaden im Kündigungszeitpunkt noch nicht realisiert haben, wäre jedenfalls von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auszugehen.

21

bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ihr Fehlverhalten sei der Klägerin vorwerfbar, sie habe die Vermögensschädigung des Beklagten vorsätzlich herbeigeführt, ist nicht zu beanstanden. Diese Wertung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO. Das Revisionsgericht kann bezüglich der Feststellung innerer Tatsachen nur prüfen, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und Denkgesetze, Erfahrungssätze sowie Verfahrensvorschriften nicht verletzt hat (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 27 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Solche Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass ihr die Voraussetzungen für eine berechtigte Einlösung produktbezogener Gutscheine bekannt waren. Soweit sie der Annahme des Berufungsgerichts, bei einer unberechtigten Einlösung von sieben produktbezogenen Gutscheinen sei ein Versehen auszuschließen, gleichwohl entgegentritt, wird nicht deutlich, worauf ihre Rüge zielt. Sollte sie darauf abstellen, das Landesarbeitsgericht hätte ihr Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens geben müssen, fehlt es an Darlegungen, welchen weiteren, entscheidungserheblichen Sachvortrag sie daraufhin gehalten hätte. Soweit die Klägerin vorgebracht hat, sie habe jedenfalls nicht den Beklagten selbst schädigen wollen, übersieht sie, dass ihrer Pflichtverletzung auch dann erhebliches Gewicht zukommt, wenn sie darauf vertraut haben sollte, ein Schaden würde letztlich nicht beim Beklagten, sondern nach Weiterreichung der Gutscheine bei einem Dritten - dem betreffenden Lieferanten - eintreten. Dass auch dies nicht im Interesse des Beklagten liegen konnte, war für sie ohne Weiteres erkennbar.

22

cc) Der Annahme einer schwerwiegenden Pflichtverletzung steht nicht entgegen, dass es sich um einen privaten, außerhalb der Arbeitszeit liegenden Einkauf handelte. Die Klägerin war auch insoweit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Beklagten Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Die Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme kann den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen, wenn das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Davon ist typischerweise auszugehen, wenn der Arbeitnehmer - wie hier die Klägerin - in seiner Freizeit in Bereicherungsabsicht das dem Unternehmen zuzurechnende Vermögen des Arbeitgebers unmittelbar vorsätzlich schädigt oder doch gefährdet (vgl. Senat 20. September 1984 - 2 AZR 633/82 - zu I 4 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 80 = EzA BGB § 626 nF Nr. 91).

23

c) Die außerordentliche Kündigung ist auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Streitfalls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gerechtfertigt.

24

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 32 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

25

bb) Dem wird die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts gerecht.

26

(1) Eine Abmahnung war nach den Umständen des Falls entbehrlich. Zur Klarstellung der vertraglichen Pflichten bedurfte es ihrer nicht. Die Vertragsverletzung war für die Klägerin erkennbar. Eine Abmahnung war auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlich. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Verhalten der Klägerin habe das Vertrauen des Beklagten in eine künftig ordnungsgemäße Vertragserfüllung nachhaltig beeinträchtigt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat die Gutscheine in Bereicherungsabsicht zweckwidrig verwendet. Die Vermögensschädigung des Beklagten lag auf der Hand. Das Gewicht der Pflichtverletzung wird noch dadurch verstärkt, dass die Klägerin bewusst gegen Vorgaben verstoßen hat, zu deren Beachtung sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kassiererin verpflichtet war. Dass sie den Einkauf bei einer Kollegin abgewickelt hat, spricht nicht gegen ein mangelndes Unrechtsbewusstsein. Die Klägerin konnte offensichtlich auf deren Verschwiegenheit vertrauen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die - gleichfalls entlassene - Kollegin die Einlösung der Wertcoupons nicht verweigert und das Verhalten der Klägerin zunächst keine Beanstandungen ausgelöst hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin die geringen Überwachungsmöglichkeiten des Beklagten und die enge Verbundenheit der Mitarbeiterinnen der Filiale ausgenutzt hat. Bei einem solchen, insgesamt auf Heimlichkeit angelegten Verhalten ist dem Beklagten - für die Klägerin erkennbar - die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, und sei es nach Erteilung einer Abmahnung, nicht zuzumuten.

27

(2) Die fristlose Kündigung ist auch unter Einbeziehung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt. Dem Beklagten war selbst die Einhaltung der - fünfmonatigen - Kündigungsfrist unzumutbar. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang alle weiteren Gesichtspunkte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Insbesondere hat es der Klägerin ihre langjährige Betriebszugehörigkeit zugute gehalten. Dass es gleichwohl und trotz der Erstmaligkeit des Vorfalls von einem überwiegenden Interesse des Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen ist, ist unter Beachtung des Gewichts der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Stellung der Klägerin als Verkäuferin und Kassiererin und der Tatsache, dass bei ihrer Tätigkeit häufig keine anderen Arbeitnehmer zugegen sind, nicht rechtsfehlerhaft.

28

d) Der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung steht nicht entgegen, dass der Beklagte durch Auswertung einer Videoaufnahme vom Verhalten der Klägerin Kenntnis erlangt hat. Ob § 6b BDSG durch die Beobachtung des Kassenbereichs einschließlich seiner Umgebung verletzt wurde oder die Videoaufzeichnung aus anderen Gründen rechtswidrig war, kann offen bleiben.

29

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 30 mwN, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20) führt der Umstand, dass eine Partei die Kenntnis der von ihr behaupteten Tatsachen auf rechtswidrige Weise erlangt hat, nicht notwendig zu einem Verbot von deren prozessualer Verwertung. Falls die betreffenden Tatsachen von der Gegenseite nicht bestritten werden, also unstreitig geworden sind, besteht ein solches Verbot nur, wenn der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm einer gerichtlichen Verwertung der Information zwecks Vermeidung eines Eingriffs in höherrangige Rechtspositionen dieser Partei zwingend entgegensteht.

30

(1) Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren gelten wie im Zivilprozess die Dispositionsmaxime und der Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz. Das Gericht darf nur die von den Parteien vorgebrachten Tatsachen verwerten (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20). Umgekehrt ist es zugleich an den Vortrag der Parteien und einen ihm unterbreiteten, entscheidungserheblichen Sachverhalt gebunden. Der Vortrag einer Partei kann nicht ohne gesetzliche Grundlagen (wie zB die Präklusionsvorschriften) unbeachtet und „unverwertet“ bleiben. Ordnungsgemäß in den Prozess eingeführten Sachvortrag muss das Gericht berücksichtigen. Das Zivilprozessrecht kennt grundsätzlich kein Verbot der „Verwertung” von Sachvortrag. Der beigebrachte Tatsachenstoff ist entweder unschlüssig oder unbewiesen, ist aber nicht „unverwertbar”. Dies gilt zumal dann, wenn der Sachverhalt unstreitig ist. Das Gericht ist an ein Nichtbestreiten (wie an ein Geständnis) grundsätzlich gebunden. Es darf für unbestrittene Tatsachen keinen Beweis verlangen und erheben (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Ein „Verwertungsverbot” würde den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG einschränken. Dieser verpflichtet das Gericht, erheblichen Vortrag einer Partei zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 25, aaO).

31

(2) Dennoch kann rechtswidriges Verhalten einer Prozesspartei bei der Informationsgewinnung zu einem Verwertungsverbot führen. Das ist der Fall, wenn eine solche Sanktion unter Beachtung des Schutzzwecks der verletzten Norm zwingend geboten erscheint. In einem gerichtlichen Verfahren ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Gericht den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber tritt. Es ist bei der Urteilsfindung nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt seine Pflicht zu einer fairen Handhabung des Prozess- und Beweisrechts (vgl. BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Daraus folgt für den Zivilprozess zwar nicht, dass jede unzulässig erlangte Information prozessual unverwertbar wäre (Senat 15. August 2002 - 2 AZR 214/01 - zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 102, 190; BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 22, BGHZ 166, 283). Sie ist es im Einzelfall aber dann, wenn mit ihrer gerichtlichen Verwertung ein erneuter Eingriff in rechtlich geschützte, hochrangige Positionen der anderen Prozesspartei oder die Perpetuierung eines solchen Eingriffs verbunden wäre, und dies auch durch schutzwürdige Interessen der Gegenseite - hier des Beklagten - nicht gerechtfertigt werden könnte (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

32

bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, unstreitiger Sachvortrag, selbst wenn unter Verletzung von Grundrechten gewonnen sei, sei stets und uneingeschränkt prozessual verwertbar, weil die belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens gehabt habe (in diesem Sinne auch HWK/Lembke 4. Aufl. BDSG Vorb. Rn. 112; Grimm/ Schiefer RdA 2009, 329, 342; Heinemann MDR 2001, 137, 141 f.), überzeugt nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob der Partei, die sich der Behauptung objektiv zutreffender Tatsachen durch ihren Prozessgegner ausgesetzt sieht, in Ansehung der prozessualen Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) einschränkungslos ein „Recht zur Lüge“ zusteht (dies befürwortend Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 138 Rn. 3; Heinemann MDR 2001, 137, 142). Jedenfalls kann sie nicht umgekehrt sogar verpflichtet sein, wider besseres Wissen richtigen Vortrag zu bestreiten und sich in Fällen, in denen einfaches Bestreiten nicht ausreicht, mit einem bewusst falschen Gegenvorbringen zu belasten (vgl. Lunk NZA 2009, 457, 459). Sie trüge mit Blick auf mögliche Zweifel an der Zulässigkeit ihres Bestreitens das Risiko, dem Vorwurf zumindest des Versuchs eines Prozessbetrugs ausgesetzt zu sein. Dass kann die Rechtsordnung einer Partei nicht abverlangen. Hat eine Partei den Tatsachenvortrag der Gegenseite nicht bestritten, ist ihr die Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit der ihm zugrundeliegenden Informationsbeschaffung zu berufen, nur dann genommen, wenn in ihrem Nichtbestreiten zugleich die Einwilligung in eine prozessuale Verwertung der fraglichen Tatsachen liegt. Dann wiederum stellt sich die Frage nach einem Verwertungsverbot nicht (vgl. MünchKommZPO/Prütting 3. Aufl. § 284 Rn. 75; Helle JZ 2004, 340, 345; Maties, NJW 2008, 2219; Schreiber ZZP 122, 227, 230).

33

cc) Danach besteht im Streitfall kein Verwertungsverbot.

34

(1) Allerdings hat die Klägerin in eine Verwertung der durch die Videoaufzeichnung erlangten Informationen nicht eingewilligt. Sie hat zwar das Geschehen vom 23. März 2007 teils durch bejahende Erklärung eingeräumt, teils dadurch zugestanden, dass sie den substantiierten Ausführungen des Beklagten nicht mit konkretem Tatsachenvortrag entgegen getreten ist (§ 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Sie hat aber zugleich geltend gemacht, dem Beklagten sei es verwehrt, „die verbotenen Früchte“ der Videoüberwachung „zu ernten“. Damit hat sie deren Verwertung offensichtlich widersprochen.

35

(2) Die Verwertung der unstreitigen Tatsachen erweist sich auf der Grundlage der anzustellenden Güterabwägung dennoch als zulässig. Ein möglicher, durch Berücksichtigung des Sachvortrags des Beklagten perpetuierter rechtswidriger Eingriff in rechtlich geschützte Positionen der Klägerin wiegt nicht so schwer, dass der Anspruch des Beklagten, mit seinem unstreitigen Vorbringen Gehör zu finden, zurücktreten müsste. Der Schutz des Arbeitnehmers vor einer - unterstellt - rechtswidrigen Videoüberwachung verlangt nicht, auch solche unstreitigen Tatsachen außer Acht zu lassen, die dem Arbeitgeber nicht nur durch die Videoaufzeichnung, sondern ohne Rechtsverstoß auch aus einer anderen Informationsquelle bekannt geworden sind.

36

(a) Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte, auch im Privatrechtsverkehr zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers - hier in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild - ist nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers können durch Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob es den Vorrang verdient (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 3 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20 mwN).

37

(b) Im Rahmen dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Grundgesetz einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung beimisst. Auch im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines Privatrechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte gehalten, den von den Parteien in den Prozess eingeführten Vortrag und ggf. die angebotenen Beweismittel zu berücksichtigen. Diese Belange können als Bestandteil der verfassungsgemäßen Ordnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränken (vgl. BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - BVerfGE 106, 28; BAG 23. April 2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 35, BAGE 130, 347; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

38

(c) Zwar gehen das Interesse an einer funktionsfähigen Zivilrechtspflege und materiell richtigen Entscheidungen und verbunden damit das Bestreben des Gläubigers, sich Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht etwa stets vor (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 f., BVerfGE 117, 202; 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a aa und bb der Gründe, BVerfGE 106, 28). Im Streitfall treten aber Aspekte hinzu, die die Berücksichtigung der gewonnenen Informationen zulassen.

39

(aa) Der Sachvortrag des Beklagten stützt sich vornehmlich auf die Auswertung des Kassenstreifens vom 23. März 2007 und auf Erklärungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Die Zulässigkeit der Erhebung und Verwertung der Kassendaten als solche steht dabei nicht in Frage. Zwar ist der Beklagte erst durch die Videoaufzeichnung auf diese zusätzliche Informationsquelle „gestoßen“. Dennoch bedurfte es für sein Vorbringen keines Rückgriffs auf die Videoaufzeichnung selbst.

40

(bb) Damit ist die Frage angesprochen, ob ein als solches zulässiges Erkenntnis- und Beweismittel einem prozessualen Verwertungsverbot unterliegen kann, wenn es seinerseits ohne eine weitere, zuvor rechtswidrig gewonnene Information nicht hätte erlangt werden können (vgl. BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 18 f., BGHZ 166, 283; für den Strafprozess: BGH 24. August 1983 - 3 StR 136/83 - BGHSt 32, 68; 18. April 1980 - 2 StR 731/79 - BGHSt 29, 244). Die Problematik bedarf keiner umfassenden Erörterung. Im Streitfall geht es nicht um Erkenntnisse, die der Beklagte tatsächlich nur durch die möglicherweise rechtswidrige Videoüberwachung hat gewinnen können. Sie waren ihm unabhängig davon zugänglich. Die Auswertung des Kassenstreifens und die Befragung der Klägerin und ihrer Kollegin waren auch ohne technische Überwachung möglich, zumal nach eigenem Vortrag der Klägerin Einkäufe von Mitarbeitern mit deren Einverständnis in den Tagesunterlagen besonders vermerkt werden. Damit kommt einer möglichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin kein solches Gewicht zu, dass unter Berücksichtigung des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs ein Außerachtlassen der letztlich erst aus dem Kassenstreifen gewonnenen Erkenntnisse gerechtfertigt wäre. Gleiches gilt für die Einlassungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen ohnehin auf den fraglichen Kassenauszug gestoßen wäre (zu diesem Aspekt Schreiber ZZP 122, 227, 235; Gemmeke Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren S. 214 f.). Vielmehr kann einer Prozesspartei die Möglichkeit, für sie günstige Tatsachen mit rechtlich unbedenklichen Mitteln nachzuweisen, nicht deshalb versagt werden, weil sie das Wissen von der Geeignetheit eines solchen Mittels auf rechtswidrige Weise erlangt hat (zur Begrenzung der Fernwirkung von Verwertungsverboten vgl. auch BVerfG 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1686/04 - zu 2 b der Gründe, BVerfGK 7, 61). Das gilt im Streitfall umso mehr, als es um den Nachweis eines schwerwiegenden Vertrauensbruchs geht.

41

III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

    Sieg    

        

    Baerbaum    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 12. September 2012 - 2 Sa 7/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1956 geborene Kläger trat im April 1981 in die Dienste der Bundeswehr. Von Oktober 1993 bis Juni 2005 wurde er als Nachschubhelfer und Kraftfahrer eingesetzt. Zuvor und in der Zeit ab Juli 2005 war er als Gabelstaplerfahrer und Lagerhelfer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Regelungen des TVöD Anwendung.

3

Anfang August 2005 wurde der Kläger der Heeresinstandsetzungslogistik HIL-GmbH (im Folgenden: GmbH) „beigestellt“. Bei der GmbH handelt es sich um ein von der Beklagten und Dritten gemeinsam gegründetes Wirtschaftsunternehmen, das als Kooperationsbetrieb iSv. § 1 BwKoopG aus der Bundeswehr ausgegliederte Aufgaben wahrnimmt. Die Arbeitsabläufe in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers wurden seit der „Beistellung“ durch die GmbH gesteuert, während dieser selbst Arbeitnehmer der Beklagten blieb.

4

Nach einer Tätigkeitsbeschreibung vom Oktober 2007 waren dem Kläger zuletzt die Aufgaben eines Betriebsstoffhelfers zugewiesen. Danach oblagen ihm die Entgegennahme, die Lagerung, Kontrolle und Verausgabung von Betriebsstoff, die Führung entsprechender Bücher, die tägliche Feststellung des Bedarfs an Betriebsstoffen und die Durchführung von Reinigungsarbeiten in den Lagerbereichen.

5

Aufgabe der GmbH war es ua., Dieselkraftstoff aus den Fahrzeugen der Bundeswehr abzupumpen, sofern er starke Verunreinigungen oder Ablagerungen aufwies. Das Dieselöl wurde sodann in Behältnissen gesammelt und durch eine Fremdfirma aufbereitet. Anschließend wurde der gereinigte Kraftstoff zurückgebracht und in den Fahrzeugen wieder verwendet. Auch die bei der Aufarbeitung entstandenen Rückstände wurden zum Betriebsgelände der GmbH zurückgebracht und dort als sog. Abfalldiesel in größeren Behältnissen gesammelt. In gewissen zeitlichen Abständen ließ die GmbH die Rückstände kostenpflichtig durch eine andere Firma fachgerecht und umweltschonend entsorgen.

6

Der Kläger verfiel - laut seiner eigenen Einlassung - auf den Gedanken, ein Kollege könne das Abfallprodukt womöglich mit einer häuslichen Filteranlage zu betriebsfähigem Dieselkraftstoff aufbereiten, um diesen sodann zum Heizen des Hauses oder zum Betanken eines privaten Fahrzeugs zu verwenden. In Absprache mit dem Kläger füllte der Kollege daraufhin mehrfach verunreinigtes Dieselöl in Kanister ab, die er vom Betriebsgelände der GmbH - allein oder gemeinschaftlich mit dem Kläger - abfuhr.

7

Am 7. Juni 2010 wurden das Fahrzeug des Klägers und die Wohnung des Kollegen polizeilich durchsucht. Dabei wurden 91 „Treibstoffkanister“ mit einer Gesamtmenge von 3.640 Litern Diesel beschlagnahmt. Das im Heizungstank des Hauses vorgefundene Dieselöl (ca. 3.000 Liter) wurde dort belassen. Im Fahrzeug des Klägers wurden zusätzlich sechs Plastikkanister sichergestellt, die etwa 180 Liter Dieselkraftstoff enthielten; deren Qualität ist zwischen den Parteien streitig.

8

Am 11. und am 18. Juni 2010 versuchte die Beklagte vergeblich, mit dem Kläger persönlich Kontakt aufzunehmen. In der Zwischenzeit stellte sie ihn „rückwirkend“ zum 8. des Monats von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. Juni 2010 gab sie ihm Gelegenheit, sich zu den - von ihr näher beschriebenen - Vorfällen vom 7. Juni 2010 zu äußern. Der Kläger erklärte binnen der ihm bis zum 21. Juni 2010 eingeräumten Frist, er werde einstweilen keine Angaben zur Sache machen.

9

Am 18. Juni 2010 unterrichtete die Beklagte den Personalrat von ihrer Absicht, den Kläger außerordentlich zu kündigen. Sie gab den Inhalt des Protokolls der Beschlagnahme wieder und erklärte, zu ihrer Überzeugung habe sich der Kläger des Diebstahls schuldig gemacht, indem er zusammen mit seinem Kollegen wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff weggenommen und sich rechtswidrig zugeeignet habe. Der Personalrat ließ die Frist zur Äußerung verstreichen.

10

Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

11

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er habe lediglich Abfalldieselöl an sich genommen bzw. einem Kollegen überlassen. Das Öl sei nicht mehr verwendungsfähig gewesen und habe andernfalls kostenpflichtig entsorgt werden müssen. Darin liege allenfalls eine geringfügige Pflichtverletzung. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Der Personalrat der Dienststelle sei nicht ordnungsgemäß über den wahren Kündigungssachverhalt unterrichtet worden. Aufgrund seiner „Beistellung“ habe außerdem der Betriebsrat der GmbH angehört werden müssen.

12

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 24. Juni 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Der Kläger habe sich aus ihren Beständen große Mengen Dieselkraftstoff rechtswidrig zugeeignet. Am 7. Juni 2010 seien auf dem Grundstück des Kollegen mehrere tausend Liter Dieselöl beschlagnahmt worden. Im Keller des Hauses seien mindestens 540 Liter Kraftstoff sichergestellt worden, der zweifelsfrei ihr - der Beklagten - zuzuordnen gewesen sei. Hinzu kämen je 180 Liter Dieselkraftstoff, die in den Fahrzeugen des Klägers und des Kollegen vorgefunden worden seien. Dabei habe es sich nicht um bloßes „Abfalldieselöl“ gehandelt. Im Übrigen liege selbst dann eine erhebliche Pflichtverletzung vor. Der Kläger habe nicht nur beabsichtigt, sich oder seinem Kollegen durch die Entwendung des Kraftstoffs finanzielle Vorteile zu verschaffen. Er habe außerdem die ihm eingeräumte Vertrauensstellung missbraucht. Die Kündigungserklärungsfrist sei eingehalten. Ihre kündigungsberechtigten Mitarbeiter hätten nicht vor dem 10. Juni 2010 von den maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Anhörung des Personalrats sei - ausgehend von ihrem damaligen Kenntnisstand - ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Parallel dazu hörte sie - mit Schreiben vom 6. März 2012 - den Personalrat zu ihrer Absicht an, die bereits erklärte Kündigung zusätzlich auf neue Erkenntnisse bezüglich der Menge und der Art des entwendeten Kraftstoffs sowie auf einen Verdacht als Kündigungsgrund zu stützen. Außerdem teilte sie dem Personalrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich erneut zu kündigen. Mit Schriftsatz vom 16. April 2012 hat sie den betreffenden Sachverhalt in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt. Der Kläger hat daraufhin „hilfsweise“ beantragt festzustellen, dass die weitere, „eventuell ausgesprochene Kündigung“ das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat; die Beklagte hat beantragt, den Hilfsantrag „zurückzuweisen“.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage „insgesamt abgewiesen“. Mit seiner Revision begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen und sodann nach seinem Hilfsantrag zu erkennen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision ist unbegründet.

17

A. Das prozessuale Vorgehen des Klägers in der Berufungsinstanz war zulässig. Das betrifft insbesondere den dort erstmals angebrachten Feststellungsantrag. Die darin liegende Klageerweiterung ist als - im Streitfall zulässige - Anschlussberufung zu verstehen.

18

I. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung (bspw. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 11). Als solche ist die Klageerweiterung zu behandeln. Einer Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil bedarf es für die Anschlussberufung nicht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO; 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11).

19

II. Die Anschlussberufung ist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG binnen der dem Kläger nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen(zu dieser Voraussetzung im Einzelnen BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 12). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

20

B. Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Der auf die fristlose Kündigung vom 24. Juni 2010 bezogene Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Über die weitergehenden (unechten) Hilfsanträge war nicht mehr zu entscheiden. Dies hat bei richtigem Verständnis schon das Landesarbeitsgericht nicht getan.

21

I. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist gemäß § 34 Abs. 2 TVöD iVm. § 626 BGB aus wichtigem Grund gerechtfertigt.

22

1. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD konnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre bei ihr beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Auf die tarifliche Besitzstandsregelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD kommt es im Streitfall nicht an.

23

2. Mit dem Begriff „wichtiger Grund“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, deren Verständnis deshalb auch für die Auslegung der Tarifnorm maßgebend ist(BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, BAGE 132, 299; 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 der Gründe mwN). Aufgrund der Bezugnahme gilt zugleich § 626 Abs. 2 BGB. Danach kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12 mwN, aaO).

24

3. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

25

a) Gemäß dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 303).

26

b) Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 mwN).

27

c) Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 18; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

28

d) Im Streitfall liegt eine in diesem Sinne erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor.

29

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe im Frühjahr 2010 gemeinschaftlich mit seinem Kollegen mehrere hundert Liter Abfalldieselöl ohne Erlaubnis vom Betriebsgelände der GmbH entfernt, um es zu filtern und anschließend nach Möglichkeit selbst weiterzuverwenden oder an einen interessierten Dritten abzugeben. 180 Liter des verunreinigten Kraftstoffs - sechs Kanister - seien in seinem eigenen Fahrzeug vorgefunden worden. Diese Feststellungen greift der Kläger nicht an.

30

bb) Danach hat der Kläger seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich und schuldhaft verletzt. Dafür kommt es nicht darauf an, ob das Abfalldieselöl im Eigentum der Beklagten oder der GmbH stand und ob das in Rede stehende Verhalten einen Straftatbestand erfüllt.

31

(1) Dem Kläger war - unter Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten - dauerhaft eine Tätigkeit bei der GmbH zugewiesen worden. Im Rahmen dieser Personalgestellung musste er die Vermögensinteressen der GmbH in gleicher Weise wahren wie diejenigen der Beklagten. Im Übrigen lief die unberechtigte Wegnahme des Kraftstoffs in Anbetracht ihrer Beteiligung an der GmbH unmittelbar den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider, mag diese auch - wie vom Kläger behauptet - nicht die Mehrheit der Anteile gehalten haben. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Eigentumsverhältnisse an dem in Rede stehenden Kraftstoff nicht hinreichend aufgeklärt, geht damit ins Leere.

32

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des Klägers, ihm habe das Unrechtsbewusstsein gefehlt, als Schutzbehauptung gewertet und eine vorsätzliche Verletzung seiner vertraglichen Nebenpflicht angenommen. Diese Würdigung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Er ist auch nicht offensichtlich. Der Kläger konnte angesichts der gesonderten Aufbewahrung des Abfalldieselöls auf dem Betriebsgelände der GmbH und der Beauftragung einer darauf spezialisierten Drittfirma nicht im Zweifel darüber sein, dass der Beklagten an dessen fachgerechter Entsorgung gelegen war. Er musste wissen, dass er sich Kraftstoff - welcher Qualität auch immer - nicht ohne ausdrückliche Einwilligung der hierfür zuständigen Mitarbeiter aneignen durfte. Seiner eigenen Einlassung zufolge hat er das Abfalldieselöl auch nicht für wirtschaftlich wertlos erachtet. Beides reichte aus, um für ihn auch subjektiv eine Erlaubnis zur Mitnahme auszuschließen.

33

e) Die Kündigung ist bei Beachtung der Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.

34

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17, BAGE 146, 303; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27). Auch bei der fristlosen Kündigung eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses muss die Vertrauensgrundlage so schwer gestört sein, dass jede weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht zumutbar war, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 - Rn. 37; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 44; vgl. auch BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 20).

35

bb) Danach hat das Landesarbeitsgericht den ihm im Rahmen der Interessenabwägung zukommenden Beurteilungsspielraum (dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 35 mwN) nicht verletzt. Es hat alle wesentlichen Aspekte des Falls berücksichtigt und die beiderseitigen Interessen vertretbar abgewogen.

36

(1) Der Kläger hat seine Stellung als Betriebsstoffhelfer zu einer Verletzung des Eigentums entweder der Beklagten oder des Kooperationsunternehmens missbraucht. In beiden Fällen liegt ein schwerwiegender Vertrauensbruch vor. Der Kläger war im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs dafür verantwortlich, dass Betriebsstoffe nur an Berechtigte ausgegeben würden. Er hatte dies entsprechend zu dokumentieren. Stattdessen hat er sich bewusst und ohne Rücksprache mit seinen Vorgesetzten zumindest Abfalldieselöl in erheblicher Menge in der Absicht angeeignet, sich oder seinem Kollegen auf diese Weise wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Unerheblich ist, ob er in der Annahme gehandelt hat, er bewahre die Beklagte vor eigenen Aufwendungen. Die Interessen der Beklagten und ihres Kooperationsunternehmens waren erkennbar darauf gerichtet, das verunreinigte und für die Umwelt nicht ungefährliche Abfalldieselöl auf dem Betriebsgelände zwischenzulagern, um es anschließend fachgerecht entsorgen zu lassen.

37

(2) Die Pflichtverletzung ist von solchem Gewicht, dass ihre Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war (zu diesem Maßstab vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 20; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16). Die nahezu 30-jährige, ohne Beanstandungen gebliebene Betriebszugehörigkeit des Klägers und der - zu seinen Gunsten unterstellt - allenfalls geringfügige Verkehrswert des entwendeten Kraftstoffs führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat seine Vertragspflichten wiederholt verletzt. Er hat aus purem Eigennutz in erheblichem Umfang Stoffe, von denen Gefahren für die Umwelt ausgehen können, einer durch die Verantwortlichen vorgesehenen fachgerechten Entsorgung entzogen. Dies brauchte die Beklagte - auch ohne vorherige Abmahnung - nicht hinzunehmen.

38

4. Die Beklagte hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

39

a) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54).

40

b) Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27). Dabei kommt es nicht darauf an, ob er ggf. eine Kündigung wegen erwiesener Tat oder wegen eines zumindest erdrückenden Verdachts zu erklären beabsichtigt. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf in der Regel nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie überschritten werden (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme zum Anlass nimmt, nunmehr auf die Anhörung des Arbeitnehmers zu verzichten(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO).

41

c) Danach hat die Beklagte die Kündigung iSv. § 626 Abs. 2 BGB rechtzeitig erklärt.

42

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, den kündigungsberechtigten Mitarbeitern der Beklagten seien die Vorfälle vom 7. Juni 2010 nicht vor dem 10. Juni 2010 bekannt geworden. Mit dem Zugang der fristlosen Kündigung am 24. Juni 2010 ist die Zwei-Wochen-Frist gewahrt.

43

bb) Die Kündigung wäre selbst dann fristgerecht erfolgt, wenn die Kündigungsberechtigten von dem Geschehen bereits am 7. Juni 2010 Kenntnis erlangt hätten. Die Beklagte durfte es für erforderlich halten, den Kläger zum Kündigungssachverhalt anzuhören. Es war nicht auszuschließen, dass sich aus seiner Äußerung weitere, etwa ihn entlastende Umstände ergeben würden. Eine Verzögerung bei der Anhörung ist der Beklagten nicht anzulasten. Bereits am 11. Juni 2010 hat sie versucht, den Kläger telefonisch zu kontaktieren. Nachdem dieser und ein weiterer Versuch, ihn persönlich anzusprechen, erfolglos blieben, hat sie ihm - zeitnah - Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben und seine Äußerung abgewartet. Ebenso wenig handelte die Beklagte willkürlich, als sie die Kündigung schon am 24. Juni 2010 erklärte. Der Kläger hatte nicht etwa um eine Verlängerung der Äußerungsfrist gebeten.

44

cc) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er bereits ab dem 8. Juni 2010 freigestellt worden sei, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - mangels Entscheidungserheblichkeit unbegründet. Selbst wenn die Freistellung einen Hinweis auf die Kenntnis einschlägiger Tatsachen gäbe, führte dies nicht dazu, dass die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

45

II. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist nicht deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden wäre (§ 79 Abs. 4 BPersVG). Der Kündigungssachverhalt, wie er der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegt, hatte sich gegenüber dem der Personalvertretung mitgeteilten Geschehen auch nicht in einer Weise verändert, dass er nur nach erneuter Anhörung des Personalrats prozessual verwertbar gewesen wäre.

46

1. Nach § 79 Abs. 3 BPersVG ist der Personalrat vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienstellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen, schriftlich mitzuteilen. Nach § 79 Abs. 4 BPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Diese Rechtsfolge tritt auch bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats ein (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 45; 12. März 2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 36). Zu dieser Beteiligung gehört insbesondere die hinreichende Unterrichtung des Gremiums. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet worden, wenn der Arbeitgeber die für ihn subjektiv tragenden Gründe, auf denen sein Kündigungsentschluss beruht, mitgeteilt hat (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 57; für die ordentliche Kündigung bspw. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 22). Darauf, ob diese Umstände auch objektiv geeignet und ausreichend sind, die Kündigung zu stützen, kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Unterrichtung nicht an (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46). Fehlerhaft ist die Unterrichtung, wenn der Dienstherr dem Personalrat bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet hat (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - aaO).

47

2. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Beklagte das Mitbestimmungsverfahren gegenüber dem zuständigen örtlichen Personalrat formell ordnungsgemäß eingeleitet und die zu beachtenden Fristen gewahrt hat. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht zu erkennen.

48

3. Die Beklagte hat den Personalrat nicht bewusst irreführend über das Ausmaß der Pflichtverletzung unterrichtet, soweit sie ihm mitgeteilt hat, der Kläger habe „wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff“ entwendet. Auf die genaue Menge und die Qualität des Diesels, dh. ob es sich um verunreinigte und nicht mehr gebrauchsfähige Kraftstoffreste oder um bessere Qualität handelte, kam es ihr - soweit sie hiervon im Kündigungszeitpunkt überhaupt konkrete Kenntnis hatte - ersichtlich nicht an. Es handelt sich zudem um Umstände, die für den Kern des mitgeteilten Vorwurfs, der Kläger habe vom Betriebsgelände der GmbH eine erhebliche Menge von Dieselkraftstoff widerrechtlich entwendet, nicht entscheidend sind. In einem solchen Fall ist es unschädlich, wenn sich der dem Personalrat mitgeteilte Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess nicht in seiner Gesamtheit bestätigt (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 34).

49

4. Der Kläger erhebt keine zulässige Verfahrensrüge, soweit er geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe eine gebotene Zeugenvernehmung zum „Informationsumfang und Informationsinhalt bei der Anhörung“ unterlassen. Es fehlt an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des unter Beweis gestellten Vorbringens (vgl. dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 28 mwN).

50

III. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass im Kündigungszeitpunkt im maßgebenden Betrieb der GmbH ein Betriebsrat gewählt war. Dieser war auch mit Blick auf die Gestellung des Klägers nicht zur Kündigung anzuhören. Das ergibt die Auslegung von §§ 1, 6 Abs. 1 und Abs. 3 BwKoopG.

51

1. Nach § 1 BwKoopG gilt dieses Gesetz ua. für Angestellte des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung, soweit und solange ihnen unter Beibehaltung ihres Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zum Bund eine Tätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen zugewiesen wurde, mit dem die Bundeswehr eine Kooperation eingegangen ist. Die GmbH ist ein solches Kooperationsunternehmen. Die ihr zugewiesenen oder gestellten Arbeitnehmer, zu denen der Kläger zählt, gelten daher nach § 6 Abs. 1 BwKoopG ua. für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als ihre Arbeitnehmer. Die Regelung in § 6 Abs. 3 BwKoopG sichert die Erfüllung der Verpflichtungen des Kooperationsbetriebs aus den in § 6 Abs. 1 BwKoopG genannten Gesetzen, ua. aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Grundsätzlich obliegt es dem Kooperationsbetrieb, die Verpflichtungen zu erfüllen. Scheitert dies allerdings daran, dass der Beschäftigte nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zum Kooperationsunternehmen steht, hat die betreffende Dienststelle dafür einzustehen (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 33, BAGE 138, 25).

52

2. Die Regelungen in § 6 Abs. 1, Abs. 3 BwKoopG tragen dem Umstand Rechnung, dass das Personal der Bundeswehr langfristig in dem privatrechtlich organisierten Betrieb eines Kooperationspartners eingesetzt und dort in die Arbeitsabläufe eingegliedert wird. Mit Blick auf diese faktische Eingliederung soll für den Bereich der betrieblichen Interessenvertretung eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern des Kooperationsbetriebs erreicht werden (vgl. BT-Drs. 15/2944 S. 9), die sich nicht nur darin erschöpft, dass den Betroffenen das aktive und passive Wahlrecht im Kooperationsbetrieb zugestanden wird (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 36, BAGE 138, 25). Gleichwohl bedeutet die grundsätzliche Einbeziehung zugewiesener oder gestellter Arbeitnehmer in die Betriebsverfassung nicht zwingend, dass dem Betriebsrat des Kooperationsbetriebs für diese Personengruppen uneingeschränkt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes zukommen. Bestand und Umfang der betrieblichen Mitbestimmung richten sich vielmehr nach dem Gegenstand und Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 41, aaO; 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; zum Gegenstandsbezug siehe auch BAG 19. Juni 2001 - 1 ABR 43/00 - zu B II 4 und 5 der Gründe, BAGE 98, 60).

53

3. Das Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG zielt - ebenso wie die Anhörung des Personalrats zur Kündigung nach § 79 Abs. 3 BPersVG - nicht darauf ab, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen. Es beschränkt sich vielmehr darauf, dem Betriebsrat im Vorfeld der Kündigung die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (für § 102 BetrVG vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 76, BAGE 144, 125; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Da im Fall der Kündigung von gestellten Arbeitnehmern der Kündigungsentschluss nicht durch den Inhaber des Kooperationsbetriebs gefasst und umgesetzt wird, sondern die Entscheidung typischerweise beim öffentlichen (Vertrags-)Arbeitgeber liegt, macht eine Beteiligung des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs insoweit keinen Sinn (Altvater/Altvater 8. Aufl. § 6 BwKoopG Rn. 4; Tiling öAT 2013, 139, 140; für die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG: BAG 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; ebenso: APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8a; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 5 Rn. 319, § 102 Rn. 20d; Raab in GK-BetrVG § 5 Rn. 78). Eine Verdoppelung der Beteiligungsverfahren mit womöglich gegenläufigen Voten der beiden Arbeitnehmervertretungen wäre mangels Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers des Beschäftigungsbetriebs nicht geeignet, die Lage des betroffenen Arbeitnehmers relevant zu verbessern (Tiling aaO). Soweit der Personalrat aus seiner Sicht nicht über die erforderliche Sachverhaltskenntnis verfügt, um anhand der Mitteilungen des öffentlichen Arbeitgebers ein vollständiges Bild vom behaupteten Kündigungsgrund zu gewinnen, steht es ihm frei, dazu weitere Erkundigungen einzuholen und etwa den Arbeitnehmer anzuhören.

54

4. Nach diesen Grundsätzen war eine Beteiligung des Betriebsrats der GmbH nicht geboten. Die in Rede stehende außerordentliche fristlose Kündigung betrifft das zur Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die Kündigungsbefugnis allein bei ihr lag. Daran vermag auch eine größere Sachnähe des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs nichts zu ändern. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Ausübung des Kündigungsrechts durch den öffentlichen Arbeitgeber an das Einverständnis des Inhabers des Kooperationsbetriebs geknüpft wäre (dazu Fitting BetrVG 27. Aufl. § 102 Rn. 20d; Tiling öAT 2013, 139, 140), kann dahinstehen. Für einen solchen Sachverhalt fehlt es an Anhaltspunkten. Ebenso wenig hat der Kläger behauptet, die Beklagte und ihr Kooperationsunternehmen hätten den Betrieb gemeinsam geführt.

55

IV. Die Kündigung ist nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB oder wegen eines Mangels in der Vertretungsmacht nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag zur „Frage der Kündigungsbefugnis“ übergangen, ist unzulässig. Soweit das Vorbringen auf eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB abzielt, lassen die Ausführungen in der Revisionsbegründung nicht erkennen, dass der Kläger die Kündigung unverzüglich mangels Vorlage eines Vollmachtnachweises zurückgewiesen hätte(zu den Anforderungen an die Zurückweisung vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33 mwN, BAGE 140, 64). Auf die Berechtigung einer entsprechenden Zurückweisung kommt es demzufolge nicht an. Soweit der Kläger geltend machen will, das Landesarbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass er die Kündigungsbefugnis des „die Kündigung unterschreibenden Mitarbeiters“ bestritten habe, zeigt er die Entscheidungserheblichkeit des vermeintlich übergangenen Vortrags nicht auf. Das gilt insbesondere angesichts der Möglichkeit einer konkludenten Genehmigung der Kündigung durch die Beklagte (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 13), von der das Landesarbeitsgericht stillschweigend ausgegangen sein dürfte.

56

V. Da die Kündigung somit bereits wegen erwiesener Tat wirksam ist, kann dahinstehen, ob der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu folgen wäre, die Beklagte könne sich auf den Verdacht, der Kläger habe wesentlich größere Mengen Diesel und in der Qualität höherwertigen Kraftstoff vom Betriebsgelände der GmbH rechtswidrig entwendet, deshalb nicht berufen, weil die Voraussetzungen für das Nachschieben eines solchen Kündigungsgrundes nicht vorgelegen hätten.

57

VI. Der Feststellungsantrag des Klägers betreffend die weitere Kündigung ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits durch die vorausgegangene fristlose Kündigung sein Ende gefunden hat. Gleiches gilt für den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Über beide Anträge war dementsprechend nicht zu entscheiden. Auch das Landesarbeitsgericht hat das Begehren des Klägers nicht anders verstanden. Es hat den Weiterbeschäftigungsantrag nicht auch in der Sache abschlägig beschieden, soweit es das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage „insgesamt abgewiesen“ hat. Es hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der stattgebenden Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag wegen der Erfolglosigkeit des Feststellungsantrags die Grundlage entzogen war. Die Anschlussberufung des Klägers ist damit gleichermaßen gegenstandslos.

58

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Bartz    

        

    Alex    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. März 2012 - 2 Sa 1105/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit September 1981 bei der beklagten Rundfunkanstalt beschäftigt, zuletzt als Techniker im IT-Service. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Manteltarifvertrag war das Arbeitsverhältnis - es sei denn wegen Leistungsminderung - nur noch außerordentlich kündbar.

3

Im Juli und November 2010 wurden Räume der Beklagten durchsucht. Nach dem Vorbringen der Beklagten hatte es eine anonyme Anzeige gegeben, derzufolge mehrere ihrer Mitarbeiter, ua. der Kläger, bei Ausschreibungen über Telekommunikations- und Datennetzleistungen in Absprache mit einer beauftragten Firma die Leistungsverzeichnisse manipuliert hatten. Am 7. Dezember 2010 lag der Beklagten ein Bericht ihrer Innenrevision über die Leistungsabrufe der betreffenden Firma vor. Danach hat der Kläger von dieser ua. einen Barbetrag in Höhe von 200,00 Euro erhalten. Eine Schließanlage, die er von der Firma schon zuvor erhalten und bei sich eingebaut hatte, hatte der Kläger an die Beklagte zurückgegeben.

4

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2010 lud die Beklagte den Kläger zu einer Anhörung für den 13. Dezember 2010 in ihre Geschäftsräume ein. Der Kläger war seit dem 26. Juli 2010 erkrankt. Er teilte mit E-Mail vom 12. Dezember 2010 mit, er könne den Termin wegen einer Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen. Er bat darum, ihn schriftlich anzuhören und die Fragen seinem Prozessbevollmächtigten zu schicken. Die Beklagte sandte daraufhin am 14. Dezember 2010 sowohl an den Kläger als auch an dessen Prozessbevollmächtigten einen zehn Seiten langen Fragenkatalog, der sich auf 13 einzelne Fragenbereiche bezog. Sie setzte dem Kläger eine Frist zur Beantwortung bis zum 17. Dezember 2010, 12:00 Uhr.

5

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 - welches nach Angaben der Beklagten am 20. Dezember 2010 bei ihr einging -, teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dieser befinde sich noch bis zum 11. Januar 2011 in der Rehabilitationsmaßnahme. Es sei deshalb „kaum möglich“, innerhalb der gesetzten Frist zu den Fragen Stellung zu nehmen. Es sei eine zeitaufwendige Besprechung mit dem Kläger erforderlich. Diese könne wegen der noch laufenden Rehabilitationsmaßnahme erst im Laufe des Monats Januar 2011 erfolgen. Eine Stellungnahme sei nach Ablauf der Maßnahme zu erwarten. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2010, welches bei der Beklagten tags darauf einging, nahmen die Prozessbevollmächtigten auf ihr Schreiben vom 15. Dezember 2010 Bezug und rügten, die Zusendung des Fragenkataloges habe zu einem gesundheitlichen Rückschlag des Klägers geführt. Tatsächlich litt der Kläger an einer psychischen Erkrankung. Ob dies der Beklagten bekannt war, ist nicht festgestellt.

6

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat zu einer beabsichtigten Verdachts- und Tatkündigung an. Der Personalrat widersprach mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 mit der Begründung, der Kläger sei nicht ausreichend angehört worden.

7

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristlos.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat gemeint, es fehle an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Außerdem habe die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Von dem Kündigungsschreiben habe er erst am 30. Dezember 2010 Kenntnis erlangt. Für eine auf den Verdacht einer Pflichtverletzung gestützte Kündigung fehle es an seiner ordnungsgemäßen Anhörung.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 27. Dezember 2010 nicht aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe an Straftaten zu ihren Lasten mitgewirkt. Er habe bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen für den Rahmenvertrag mit der beauftragten Firma bewusst fehlerhafte Mengenangaben zugrunde gelegt. Dies habe dazu geführt, dass diese die Ausschreibung gewonnen habe. Dadurch sei ihr - der Beklagten - ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden. Die beauftragte Firma sei in demjenigen Leistungsbereich besonders teuer gewesen, in welchem der Kläger eine zu geringe Auftragsanzahl prognostiziert habe. Zudem habe der Kläger zu Gunsten der Firma Aufmaße mit einem unzutreffend hohen Leistungsumfang bestätigt. Insgesamt sei ihr durch sein Verhalten ein Schaden von wenigstens 19.000,00 Euro entstanden. Sie habe alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um den Sachverhalt aufzuklären. Der Kläger habe den Fragenkatalog beantworten können. Er sei äußerungsfähig gewesen. Das Kündigungsschreiben sei noch am 27. Dezember 2010 um 15:15 Uhr in seinen Briefkasten eingeworfen worden.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung vom 27. Dezember 2010 nicht als unwirksam ansehen. Ob sie wirksam ist, steht noch nicht fest.

13

I. Die Kündigung wegen vom Kläger tatsächlich begangener Pflichtverletzungen ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten hätte. Die Frist hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht spätestens am Tag nach dem 7. Dezember 2010 zu laufen begonnen.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände ( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 -  2 AZR 825/09  - Rn. 15 , BAGE 137, 54). Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 171/09  - Rn. 15). Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, aaO; 2. März 2006 -  2 AZR 46/05  - Rn. 24 , BAGE 117, 168 ). Bei Vorliegen besonderer Umstände darf sie auch überschritten werden (BAG 2. März 2006 -  2 AZR 46/05  - aaO). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht ( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 171/09  - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solcher nachträglicher Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur in Frage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Davon kann die Rede nicht sein, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb einer ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat.

15

2. Danach hat die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht deshalb nicht gewahrt, weil diese spätestens mit dem auf den 7. Dezember 2010 folgenden Tag zu laufen begonnen hätte.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte sei spätestens am 7. Dezember 2010 in der Lage gewesen, sich ein Bild darüber zu machen, ob die im Revisionsbericht aufgeführten Sachverhalte Grundlage für die Überzeugung sein konnten, der Kläger habe die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen begangen. Um darauf eine Kündigung zu stützen, habe es für sie keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung, insbesondere keiner Anhörung des Klägers bedurft. Sie sei schließlich auch ohne neue Erkenntnisse zu dem Schluss gekommen, der ihr bereits am 7. Dezember 2010 möglich gewesen sei. Die Frist für den Ausspruch einer auf tatsächlich begangene Pflichtverletzungen gestützten Kündigung habe damit am 21. Dezember 2010 geendet. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Kündigung dem Kläger - unstreitig - nicht zugegangen.

17

b) Diese Würdigung hält einer Überprüfung nicht stand. Zwar lag der Beklagten am 7. Dezember 2010 der Bericht ihrer Innenrevision vor. Sie durfte es aber nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich halten, dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu den darin enthaltenen Anschuldigungen zu geben. Es war nicht ausgeschlossen, dass sie dadurch von Umständen Kenntnis erlangen könnte, die den bisher ermittelten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen ließen. Darauf, ob die Anhörung tatsächlich neue Erkenntnisse erbrachte, kommt es nicht an.

18

3. Ob die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat, steht noch nicht fest.

19

a) Allerdings hat die Beklagte, nachdem der Bericht der Innenrevision vorlag, den Kläger hinreichend zeitnah zu einer Anhörung eingeladen. Der vorgesehene Termin am 13. Dezember 2010 lag innerhalb einer Woche. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass er den Termin wegen seiner Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen könne, widersprach es auch nicht der gebotenen Eile, ihm zur Beantwortung des Fragenkatalogs eine Frist bis zum 17. Dezember 2010 zu setzen. Der Kläger selbst hatte um schriftliche Anhörung gebeten. Dies ist ein Umstand, der für die Anhörung das Überschreiten der Regelfrist von einer Woche rechtfertigt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann demnach erst mit Ablauf der dem Kläger gesetzten Frist zur Stellungnahme, dh. am 18. Dezember 2010 zu laufen. Die Beklagte hätte die Kündigungserklärungsfrist selbst dann eingehalten, wenn die Kündigung dem Kläger erst am 30. Dezember 2010 zugegangen sein sollte.

20

b) Das Landesarbeitsgericht hat bisher aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine für die Beklagte kündigungsberechtigte Person schon vor dem 17. Dezember 2010 von Umständen Kenntnis erlangt hatte, die darauf schließen ließen, der Kläger werde sich bis zum Ablauf der ihm gesetzten Frist ohnehin nicht mehr äußern. In diesem Fall käme ein entsprechend früherer Fristbeginn in Betracht. Dann wiederum könnte es für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB darauf ankommen, wann genau die Kündigung dem Kläger im Rechtssinne zugegangen ist. Ebenso wenig hat das Landesarbeitsgericht bisher aufgeklärt, ob die Beklagte bis zur Vorlage des Berichts der Innenrevision am 7. Dezember 2010 die Aufklärungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile vorgenommen hat.

21

c) Demgegenüber wurde der Fristbeginn nicht schon deshalb hinausgeschoben, weil der Kläger eine Stellungnahme erst nach dem Ende seiner Rehabilitationsmaßnahme in Aussicht gestellt hatte. Die Beklagte hatte die ihm bis zum 17. Dezember 2010 gesetzte Frist nicht verlängert. Darauf, ob andernfalls ein entsprechendes Zuwarten noch mit dem Gebot hinreichend zügiger Aufklärung vereinbar wäre, kommt es nicht an.

22

II. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, wird es zu prüfen haben, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Sofern es dies nicht wegen erwiesener Pflichtverletzung(en) des Klägers bejahen sollte, wird es prüfen müssen, ob ein solcher Grund zumindest wegen des Verdachts einer erheblichen Pflichtverletzung gegeben ist. Unter diesem Aspekt wäre die Kündigung auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil es an der erforderlichen Anhörung des Klägers fehlte.

23

1. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Bei ihr besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 31; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 32). Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit geben, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen, um dessen Einlassungen bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können (BAG 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 c der Gründe). Versäumt er dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (BAG 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 d der Gründe; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu C III 3 der Gründe, BAGE 49, 39).

24

a) Der Umfang der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 33; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06  - Rn. 15 ). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt ( BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - aaO; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06  - aaO).

25

b) Unterblieb die Anhörung, weil der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an der Aufklärung mitzuwirken, steht dies der Wirksamkeit der Verdachtskündigung nicht entgegen. Erklärt der Arbeitnehmer, er werde sich zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf nicht äußern, und nennt er für seine Weigerung keine relevanten Gründe, muss der Arbeitgeber ihn über die Verdachtsmomente nicht näher informieren ( BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 16; 28. November 2007 - 5 AZR 952/06  - Rn. 20). Eine solche Anhörung wäre überflüssig. Sie könnte zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Willensbildung des Arbeitgebers nichts beitragen ( BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO; 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 d aa der Gründe).

26

c) Ein Unterlassen der Anhörung kann auch dann unschädlich sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer - im Rahmen des Zumutbaren - Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, und dieser sich innerhalb der gesetzten - angemessenen - Frist gleichwohl nicht geäußert hat. Dies gilt einmal, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich schweigt, kann aber selbst bei unfreiwilligem Schweigen gelten. Ist etwa der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht nur an einem persönlichen Gespräch, sondern längerfristig auch an einer schriftlichen Stellungnahme auf ihm übermittelte Fragen verhindert, muss der Arbeitgeber nicht notwendig die Zeit abwarten, zu der sich der Arbeitnehmer wieder äußern kann. Zwar mag die Frist des § 626 Abs. 2 BGB noch nicht zu laufen beginnen, solange der Arbeitgeber entsprechend zuwartet(vgl. dazu LAG Köln 25. Januar 2001 - 6 Sa 1310/00 -; Hessisches LAG 8. Oktober 1979 - 11 Sa 544/79 -). Wartet der Arbeitgeber diesen Zeitpunkt aber nicht ab, führt das nicht automatisch dazu, dass ihm eine Verletzung seiner Aufklärungspflicht vorzuwerfen wäre.

27

aa) Wartet der Arbeitgeber, dem der Arbeitnehmer mitteilt, er könne sich wegen einer Erkrankung nicht, auch nicht schriftlich äußern, dessen Gesundung ab, um ihm eine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu ermöglichen, liegen in der Regel hinreichende besondere Umstände vor, aufgrund derer der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB entsprechend lange hinausgeschoben wird. Dem Arbeitgeber, der die Möglichkeit einer weiteren Aufklärung durch den Arbeitnehmer trotz der Zeitverzögerung nicht ungenutzt lassen möchte, wird regelmäßig nicht der Vorwurf gemacht werden können, er betreibe keine hinreichend eilige Aufklärung, insbesondere dann nicht, wenn der Arbeitnehmer selbst um eine Fristverlängerung gebeten hat (ebenso Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2206; Mennemeyer/Dreymüller NZA 2005, 382). Dies dient nicht zuletzt dem Interesse des Arbeitnehmers an der Vermeidung einer vorschnell, ohne Rücksicht auf mögliche Entlastungen erklärten Kündigung (vgl. dazu BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 23, 34).

28

bb) Umgekehrt verletzt der Arbeitgeber in einem solchen Fall nicht notwendig seine Aufklärungspflicht aus § 626 Abs. 1 BGB, wenn er von einem weiteren Zuwarten absieht. Ihm kann - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - eine weitere Verzögerung unzumutbar sein. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen darf, der Arbeitnehmer werde sich in absehbarer Zeit nicht äußern (können). Hat etwa der Arbeitnehmer mehrmals um eine Verlängerung der gesetzten Frist zur Stellungnahme gebeten und hat sich seine Prognose, wann er sich werde äußern können, wiederholt als unzutreffend erwiesen, wird dem Arbeitgeber ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten sein. Mehrfache ergebnislose Fristverlängerungen können überdies die Annahme rechtfertigen, der Arbeitnehmer wolle sich in Wirklichkeit ohnehin nicht äußern. Einige weitere Tage warten zu müssen, wird der Arbeitgeber dabei in der Regel eher hinzunehmen haben als eine Wartezeit von mehreren Wochen. Es kann wiederum auch das Ende eines längeren Zeitraums abzuwarten sein, wenn schon die bisherigen Aufklärungsmaßnahmen längere Zeit in Anspruch genommen haben und keine Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug drohen.

29

2. Danach ist das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, es habe an der erforderlichen Anhörung des Klägers gefehlt.

30

a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte habe nicht annehmen dürfen, der Kläger wolle sich einer Anhörung entziehen. Der Kläger habe seine Mitwirkung bei der Anhörung angekündigt, seine Prozessbevollmächtigten hätten sie für Mitte Januar 2011 in Aussicht gestellt. Der Kläger sei psychisch erkrankt gewesen und habe sich in einer Reha-Maßnahme befunden. „Hierüber“ habe er die Beklagte unverzüglich in Kenntnis gesetzt.

31

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht alle relevanten Umstände in seine Prüfung mit einbezogen. Die bislang festgestellten Tatsachen tragen seine Begründung nicht.

32

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nicht gewürdigt, dass der Kläger zunächst ohne einen Hinweis auf zeitliche Einschränkungen durch die Reha-Maßnahme um eine schriftliche Anhörung gebeten hatte. Erst anschließend stellten seine Prozessbevollmächtigten eine Äußerung für eine geraume Zeit später und zu einem recht vagen Zeitpunkt in Aussicht. Sie kündigten diese nicht für „Mitte Januar 2011“ an - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - sondern kündigten an, sie würde „im Laufe des Januar 2011“ erfolgen. Die Prozessbevollmächtigten erläuterten überdies nicht, warum nicht schon während der noch laufenden Reha-Maßnahme eine Besprechung mit dem Kläger möglich wäre. Ob sich der Kläger dazu gesundheitlich nicht in der Lage sah, ob er möglicherweise überhaupt nicht äußerungsfähig war oder ob es nur Terminprobleme bzw. sonstige organisatorische Schwierigkeiten gab, die dem entgegenstünden, wird aus ihren Schreiben nicht ersichtlich.

33

bb) Dafür, dass die Beklagte aus der Art der Erkrankung des Klägers Rückschlüsse auf das Fehlen seiner Fähigkeit hätte ziehen können, sich - und sei es schriftlich - zu äußern, gibt es nach den bisherigen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es ist unklar, ob das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Kläger habe die Beklagte nicht nur über seinen Aufenthalt in einer Reha-Klinik, sondern auch über die Art seiner Erkrankung informiert. In der E-Mail vom 12. Dezember 2010 hatte der Kläger lediglich mitgeteilt, er befinde sich bis zum 11. Januar 2011 in der Klinik, sei gesundheitlich nicht in der Lage, an der Anhörung in den Räumen der Beklagten teilzunehmen, und bitte um eine schriftliche Anhörung. In den Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten werden zur Art seiner Erkrankung keine Angaben gemacht.

34

c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei es wegen seiner Erkrankung und der Durchführung der Reha-Maßnahme nicht möglich gewesen, den Fragenkatalog innerhalb der gesetzten Frist angemessen zu beantworten, beruht ebenfalls nicht auf hinreichenden Tatsachenfeststellungen. Sie rechtfertigt deshalb nicht die Würdigung, die Beklagte habe, weil sie dem Kläger keine längere Frist zur Stellungnahme gewährt habe, ihre Aufklärungspflicht verletzt.

35

aa) Das Landesarbeitsgericht stellt darauf ab, der Kläger sei von den betrieblichen Informationsquellen abgeschnitten gewesen, die ihm möglicherweise Entlastungsmaterial hätten liefern können. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger darauf - insbesondere gegenüber der Beklagten - überhaupt berufen hätte. Abgesehen davon hätte er in seiner Antwort auf diesen Umstand hinweisen können.

36

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht annimmt, die zeitliche Beanspruchung des Klägers durch Therapieeinheiten habe die ihm zur Verfügung stehende Zeit zur Stellungnahme erheblich eingeschränkt, fehlt es an Feststellungen zum konkreten zeitlichen Umfang dieser Einheiten. Ebenso wenig ist festgestellt, dass die Beklagte von dieser Beanspruchung Kenntnis gehabt hätte und sie bei ihrer Entscheidung, dem Kläger keine Nachfrist zu gewähren, hätte in Rechnung stellen müssen.

37

d) Unerheblich ist, ob die Beklagte das Gebot der zügigen Aufklärung aus § 626 Abs. 2 BGB verletzt hätte, wenn sie dem Kläger eine Nachfrist jedenfalls bis Mitte Januar 2011 gesetzt hätte. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, folgt allein daraus - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht, dass sie ihre Aufklärungspflicht nach § 626 Abs. 1 BGB verletzt hat, weil sie dem Kläger eine solche Frist nicht gewährte.

38

3. Das Landesarbeitsgericht wird - falls es darauf ankommt - die Frage, ob der Kläger vor Ausspruch der Verdachtskündigung im Rahmen des der Beklagten Zumutbaren Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hatte, unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen und aller relevanten Umstände des Streitfalls erneut zu prüfen haben.

        

    Kreft    

        

    Berger     

        

    Rachor    

        

        

        

    Perreng     

        

    Wolf    

                 

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 21. Februar 2014 - 3 Sa 467/13 - wird zurückgewiesen.

2. Das Rubrum des Urteils des Arbeitsgerichts Zwickau vom 7. Juni 2013 - 7 Ca 118/13 - wird mit der Maßgabe berichtigt, dass 1. H, 2. B und 3. J Klägerinnen in Erbengemeinschaft nach dem am 15. Mai 2013 verstorbenen M sind.

3. Der Tenor des Urteils des Arbeitsgerichts Zwickau vom 7. Juni 2013 - 7 Ca 118/13 - wird zur Klarstellung neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen in Erbengemeinschaft nach M 2.217,71 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2011 zu zahlen.

4. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Abgeltung von 14,33 gesetzlichen Urlaubstagen des vormaligen Klägers (Erblasser).

2

Die Klägerinnen sind die Erben des am 15. Mai 2013 verstorbenen M (Erblasser). Dieser war beim Beklagten im Rahmen einer Fünftagewoche als Lehrer beschäftigt. Seit dem 9. Januar 2008 war er als schwerbehinderter Mensch anerkannt und ab diesem Zeitpunkt bis zu seinem Tod arbeitsunfähig krank. Kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme fand auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 (TV-L) in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dieser enthielt in den vom 1. März 2009 bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassungen ua. folgende Regelungen:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

…       

nach dem vollendeten
                 

40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

…       

        

(2)     

Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben:

                 

a)    

Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten.

                 

b)    

Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe eines Jahres, steht als Erholungsurlaub für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des Urlaubsanspruchs nach Absatz 1 zu; § 5 Bundesurlaubsgesetz bleibt unberührt.

                 

c)    

Ruht das Arbeitsverhältnis, so vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen tariflichen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel.

                 

…       

        
        

§ 33   

        

Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung

        

…       

        

(2)     

Das Arbeitsverhältnis endet ferner mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Die/Der Beschäftigte hat den Arbeitgeber von der Zustellung des Rentenbescheids unverzüglich zu unterrichten. Beginnt die Rente erst nach der Zustellung des Rentenbescheids, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangehenden Tages. Liegt im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine nach § 92 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes noch nicht vor, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Tages der Zustellung des Zustimmungsbescheids des Integrationsamtes. Das Arbeitsverhältnis endet nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine Rente auf Zeit gewährt wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum, für den eine Rente auf Zeit gewährt wird; beginnt die Rente rückwirkend, ruht das Arbeitsverhältnis ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Zustellung des Rentenbescheids folgt.

        

…       

        

§ 37   

        

Ausschlussfrist

        

(1)     

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.

        

…“    

3

Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte dem Erblasser ab Mai 2009 eine befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und ab März 2011 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Beklagte teilte ihm in einem Schreiben vom 1. März 2011 mit, das Arbeitsverhältnis ende gemäß § 33 Abs. 2 TV-L mit Ablauf des 17. März 2011.

4

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17. März 2011 forderte der Erblasser den Beklagten auf, insgesamt 95 Urlaubstage aus den Jahren 2008 bis 2011 abzugelten.

5

Der Beklagte galt unter Zugrundelegung eines zwischen den Parteien unstreitigen Abgeltungsbetrags iHv. 154,76 Euro brutto pro Urlaubstag zunächst 37 Urlaubstage mit 5.726,12 Euro brutto und später weitere drei Urlaubstage mit 464,28 Euro brutto ab.

6

Mit seiner dem Beklagten am 25. Juli 2011 zugestellten Klage hat der Erblasser zuletzt noch die Abgeltung von weiteren 26 Urlaubstagen verlangt.

7

Der Erblasser hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn den Betrag von 4.023,76 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2009 sei im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 17. März 2011 bereits größtenteils verfallen gewesen. Der Erblasser hätte vom 18. bis zum 31. März 2011 nur noch zehn Urlaubstage in Anspruch nehmen können. Im Übrigen sei ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch nicht vererbbar.

9

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zur Zahlung weiterer Urlaubsabgeltung iHv. 2.217,71 Euro brutto für 14,33 Urlaubstage verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts mit Recht zurückgewiesen. Der Erblasser hatte gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf die ihm von den Vorinstanzen zugesprochene weitere Urlaubsabgeltung. Dieser Anspruch ist auf die Klägerinnen in Erbengemeinschaft übergegangen. Das arbeitsgerichtliche Urteil war allerdings nach § 319 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die schon vor der Urteilsverkündung eingetretene Erbfolge zu berichtigen.

11

I. Dem Erblasser standen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 17. März 2011 aus dem Urlaubsjahr 2009 noch 25 Urlaubstage zu (§ 3 BUrlG, § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

12

1. Der gesetzliche Urlaubsanspruch im Umfang von 25 Arbeitstagen ist zu Beginn des Jahres 2009 unabhängig davon entstanden, dass der Erblasser seit dem 9. Januar 2008 krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Auch der Bezug der Erwerbsminderungsrente ab Mai 2009 war für den Fortbestand des Urlaubsanspruchs unerheblich. Der gesetzliche Erholungsurlaub (§§ 1, 3 BUrlG) und der schwerbehinderten Menschen zustehende Zusatzurlaub (§ 125 Abs. 1 SGB IX) setzen keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr voraus (BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 8, BAGE 142, 371). Gesetzliche Urlaubsansprüche entstehen auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und dies nach einer tariflichen Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses zur Folge hat. Die Vorschrift des § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-L ist jedenfalls insoweit unwirksam, als sie auch die Verminderung gesetzlicher Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern und schwerbehinderten Menschen erfasst, die aus gesundheitlichen Gründen nicht die ihnen nach dem Arbeitsvertrag obliegende Leistung erbracht haben. Eine solche Verminderung gesetzlicher Urlaubsansprüche lässt § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zu(vgl. zu der entsprechenden Regelung im TVöD BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 9, aaO).

13

2. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch des Erblassers aus dem Jahr 2009 zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 17. März 2011 noch nicht verfallen war. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 7. August 2012 (- 9 AZR 353/10 - Rn. 32, BAGE 142, 371) eingehend begründet, weshalb die gesetzlichen Urlaubsansprüche arbeitsunfähiger Arbeitnehmer aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres untergehen.

14

a) Die Auffassung des Beklagten, dem Erblasser habe ein weiterer Urlaubsabgeltungsanspruch nicht zugestanden, weil sein Urlaub aus dem Jahr 2009 bereits tageweise vor dem 31. März 2011 untergegangen sei, beruht auf der vom Bundesarbeitsgericht vormals vertretenen Surrogatstheorie. Der Senat hat die Rechtsprechung zum Charakter des Abgeltungsanspruchs als Surrogat des Urlaubsanspruchs jedoch insgesamt aufgegeben (BAG 19. Juni 2012 - 9 AZR 652/10 - Rn. 15, BAGE 142, 64). In der Folge der Schultz-Hoff-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - Slg. 2009, I-179) ist das tragende Fundament der Surrogatstheorie entfallen, krankheitsbedingt arbeitsunfähige und aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidende Arbeitnehmer nicht besserzustellen als im Arbeitsverhältnis verbleibende arbeitsunfähige Arbeitnehmer (BAG 19. Juni 2012 - 9 AZR 652/10 - Rn. 17 ff., aaO). Das Argument des Beklagten, der Urlaubsanspruch sei mit der Frist „belastet“ und diese setze sich im Abgeltungsanspruch fort, trägt deshalb nicht. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist anders als nach der aufgegebenen Surrogatstheorie ein reiner Geldanspruch. Er verdankt seine Entstehung zwar urlaubsrechtlichen Vorschriften. Ist er entstanden, ist er nicht mehr Äquivalent zum Urlaubsanspruch, sondern bildet einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber (BAG 19. Mai 2015 - 9 AZR 725/13 - Rn. 18 mwN).

15

b) Soweit in der Literatur unabhängig von der Abgeltung des Urlaubsanspruchs vereinzelt ein sukzessiver Untergang des Urlaubsanspruchs vor Ablauf des Übertragungszeitraums vertreten wird (vgl. Bachmann in GK-BUrlG 5. Aufl. § 7 Rn. 122), beruht dies auf der Prämisse, bei der Urlaubsschuld des Arbeitgebers handele es sich um eine absolute Fixschuld. Diese Annahme steht freilich im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG 28. November 1990 - 8 AZR 570/89 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 66, 288).

16

c) Würde der Urlaub gemäß der Ansicht des Beklagten sukzessive verfallen, würde im Ergebnis der Übertragungszeitraum verkürzt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union folgt aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie), dass im Falle der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers der Übertragungszeitraum die Dauer des Bezugszeitraums, für den der Urlaub gewährt wird, deutlich überschreiten muss(EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 41; 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38, Slg. 2011, I-11757). Da der Bezugszeitraum nach dem BUrlG das Kalenderjahr ist, muss der Übertragungszeitraum deutlich länger als zwölf Monate sein. Wäre der Urlaubsanspruch entsprechend der Ansicht des Beklagten mit dem Ablauf der Übertragungsfrist „belastet“, hätte dies zur Folge, dass ein Teil der Urlaubsansprüche des Erblassers aus dem Jahr 2009 bereits im Februar 2011 untergegangen wäre. Mangels eines sukzessiven Verfalls der Urlaubsansprüche des Erblassers aus dem Jahr 2009 nach dem nationalen Recht bedarf die Frage, ob im Falle der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ein Übertragungszeitraum von weniger als 14 Monaten noch als „deutlich länger“ als ein Jahr iSd. Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union angesehen werden kann (verneinend Bauer/v. Medem NZA 2012, 113, 115), keiner Antwort.

17

II. Der Erblasser erwarb mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Abgeltungsanspruch für die im Jahr 2009 entstandenen gesetzlichen Urlaubsansprüche im Umfang von 25 Arbeitstagen. Aufgrund des zwischen den Parteien unstreitigen Abgeltungsanspruchs iHv. 154,76 Euro brutto pro Tag stand dem Erblasser damit ein Anspruch iHv. 3.869,00 Euro brutto zu (vgl. zu der auf ein Kalenderjahr bezogenen Urlaubsabgeltungsforderung als einheitlicher Streitgegenstand BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 865/08 - Rn. 30; vgl. auch BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 21, BAGE 142, 371). Diesen Anspruch hat der Erblasser mit dem anwaltlichen Schreiben vom 17. März 2011 iSd. § 37 Abs. 1 TV-L rechtzeitig geltend gemacht. Der Anspruch ist bis auf 2.217,71 Euro brutto durch Zahlung des Beklagten gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Auch hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

18

III. Der verbleibende Zahlungsanspruch iHv. 2.217,71 Euro brutto nebst Zinsen ist mit dem Tod des Erblassers gemäß § 1922 BGB auf die Klägerinnen in Erbengemeinschaft übergegangen. Aus der Einordnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs als reiner Geldanspruch folgt, dass dieser Anspruch weder von der Erfüllbarkeit oder Durchsetzbarkeit des Urlaubsanspruchs abhängt noch mit dem Tod des Arbeitnehmers untergeht. Vielmehr ist er vererbbar (so auch: ErfK/Gallner 15. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 81; AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. Bd. 2 § 7 BUrlG Rn. 141; Schubert RdA 2014, 9, 14  ff.; Höpfner RdA 2013, 65, 69 f.; bisher offengelassen von BAG 20. September 2011 - 9 AZR 416/10 - Rn. 12, BAGE 139, 168). Soweit das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit nur einen Schadensersatzanspruch, nicht aber den Urlaubsabgeltungsanspruch selbst als vererblich angesehen hat (BAG 19. November 1996 - 9 AZR 376/95 - zu I 2 c der Gründe mwN, BAGE 84, 325), wird hieran nach der vollständigen Aufgabe der Surrogatstheorie nicht mehr festgehalten.

19

IV. Das Urteil des Arbeitsgerichts führt den Erblasser als Kläger auf, obwohl er im Zeitpunkt der Verkündung bereits verstorben war. Auch wenn der Tod zunächst unbekannt bleibt, treten die Rechtsnachfolger an die Stelle des Verstorbenen; das Urteil wirkt für und gegen die Erben (§ 1922 BGB; § 325 Abs. 1 ZPO; vgl. BGH 8. Februar 1993 - II ZR 62/92 - zu 2 b der Gründe, BGHZ 121, 263). Die Angabe des Namens des Verstorbenen im Rubrum des Urteils ist eine offenbare Unrichtigkeit, die von Amts wegen zu berichtigen ist (zu § 118 Abs. 1 VwGO vgl. BVerwG 27. Juni 2002 - 5 C 65.01 - zu 1 der Gründe). Das Bundesarbeitsgericht ist als das mit der Sache befasste Rechtsmittelgericht für die Berichtigung zuständig (BAG 24. März 2009 - 9 AZR 733/07 - Rn. 28 mwN, BAGE 130, 101).

20

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Klose    

        

        

        

    Spiekermann    

        

    Vogg    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.