Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Apr. 2016 - 5 Sa 243/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0421.5SA243.15.0A
bei uns veröffentlicht am21.04.2016

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15. April 2015, Az. 5 Ca 1431/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs, Urlaubsabgeltung und Weihnachtsgeld.

2

Der 1962 geborene Kläger ist seit 04.08.2010 bei der Beklagten, die ein Tief- und Straßenbauunternehmen betreibt, als Schachtmeister angestellt. Die Beklagte beschäftigt 115 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Allgemeinverbindlichkeit der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) Anwendung. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien einen Stundenlohn von € 22,50 brutto (Lohngruppe 6 BRTV-Bau plus übertarifliche Zulage) vereinbart. In Ziff. 9 des Arbeitsvertrags ist unter der Überschrift "Besondere Vereinbarungen" ua. folgendes geregelt:

3

"Weihnachtsgeld
Es wird ein Weihnachtsgeld in Höhe von 780,00 Euro (anteilig, bei Einstellung innerhalb des Jahres) brutto gezahlt."

4

Der Kläger ist im April 2011 infolge eines Krebsleidens arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte leistete ihm bis 17.05.2011 Entgeltfortzahlung, anschließend bezog der Kläger bis zum 03.10.2012 Krankengeld, danach bis zum 03.01.2014 Arbeitslosengeld. Dem Kläger wurde von der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bewilligt, die sich ab 01.01.2014 auf € 642,89, ab 01.07.2014 auf € 649,26 monatlich beläuft. Sein Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung blieb erfolglos; der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 28.04.2015 zurückgewiesen.

5

Mit Bescheid vom 03.04.2012 wurde dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 zuerkannt. Außerdem sind die Merkzeichen "G", "B", "aG", "H" und "RF" festgestellt worden. Es wurde von folgenden Beeinträchtigungen ausgegangen:

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1. Non-Hodgkin-Erkrankung (100)
2. Funktionseinschränkung der rechten Hüfte nach operativ versorgter Acetabulumfraktur und Symphysensprengung (20)

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Die Hausärzte des Klägers stellten ihm am 10.09.2013 folgende Bescheinigung aus:

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"Bei Herrn A. zeigt sich ein sehr erfreulicher klinischer Verlauf mit jetzt wieder guter körperlicher Belastbarkeit, so dass einer Erwerbstätigkeit wieder nachgegangen werden kann. Hierbei sollte aber berücksichtigt werden, dass der Pat. nicht schwer heben sollte."

9

Ebenfalls am 10.09.2013 erstellten die Hausärzte folgende Bescheinigung:

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"Herr A. ist in der Lage die Tätigkeit auszuüben, jedoch ohne schweres Heben."

11

Mit Schreiben vom 16.10.2013 teilte die BG BAU dem Kläger folgendes mit:

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"Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung am 07.10.2013 wurden bei Ihnen folgende Untersuchungen durchgeführt: Biometrie, Lungenfunktion, Hörtest, Sehtest, Labor.

13

Dabei fanden sich folgende Auffälligkeiten:

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Zustand nach Tumorresektion BWS und Chemotherapie
Zustand nach Lungenembolie
C84.4 T-Zell-Lymphom, peripher

15

Wir möchten Ihnen deshalb folgende Empfehlung aussprechen:

16

Weiterführung der Therapie und Nachsorge.

17

Arbeitsversuch möglich, Betrieb wurde darüber bereits telefonisch informiert."

18

Im Jahr 2013 wurde mit Unterstützung des Integrationsfachdienstes die Möglichkeit einer Wiedereingliederung des Klägers geprüft.

19

Mit Schreiben vom 27.03.2014 meldete sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten und bat um Mitteilung, wie eine Integration seines Mandanten in das Erwerbsleben erfolgen könne. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 22.04.2015, der Arbeitsplatz des Klägers könne nicht in der Weise umgestaltet werden, dass das Heben schwerer Lasten gänzlich ausgeschlossen sei. Darüber hinaus sei ein stundenweiser Einsatz des Klägers auf auswärtigen Baustellen nicht möglich. Daraufhin erhob der Klägervertreter am 15.05.2014 vor dem Arbeitsgericht Trier (Az. 5 Ca 565/14) eine Klage mit dem Antrag,

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die Beklagte zu verurteilen, die geeigneten Maßnahmen zur arbeitsrechtlichen Wiedereingliederung zu schaffen und den Kläger in seine Stelle einzuweisen.

21

Im Vorprozess erklärte der Klägervertreter in der Güteverhandlung am 09.07.2014 auf Nachfrage, sein Mandant sei derzeit nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt. Eine Wiedereingliederung werde gleichwohl gewünscht, um es der Beklagten zu ermöglichen, wieder nach und nach mit ihm in eine volle Arbeitszeit hineinzugleiten. Sein Mandant komme am nächsten Montag (14.07.) wieder zur Arbeit und lege eine ärztliche Bescheinigung vor, dass er voll einsatzfähig sei. Anschließend nahm der Klägervertreter die Klage zurück. Am 10.07.2014 teilte er der Beklagten schriftlich mit, dass sich sein Mandant in stationärer Krankenhausbehandlung befinde. Der Kläger habe einen Infekt erlitten, möglicherweise aufgrund eines Zeckenbisses. Am 30.07.2014 kündigte er der Beklagten an, dass sein Mandant jetzt einsatzfähig sei. Er sei "vollumfänglich gesundet" und werde am Montag, dem 04.08.2014 seine Arbeit um 7:00 Uhr anbieten.

22

Der Kläger erschien am 04.08.2014 im Betrieb. Die im Vorprozess angekündigte ärztliche Bescheinigung über seine volle Einsatzfähigkeit legte er nicht vor. Auf die Frage des kaufmännischen Leiters der Beklagten, ob er schwere Lasten heben könne, antwortete der Kläger, dies könne er nicht. Nach dem Vorbringen der Beklagten erklärte er außerdem, dass er ihr seine Arbeitsleistung nicht mehr in Vollzeit anbiete, weil er eine Erwerbsminderungsrente beziehe und sein Verdienst ansonsten auf die Rente angerechnet werde. Die Beklagte lehnte eine Beschäftigung ab.

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Mit seiner am 31.10.2014 erhobenen und in der Folge mehrfach erweiterten Klage verlangt der Kläger für die Monate von August 2014 bis März 2015 Abrechnung und Zahlung von mindestens € 30.240,00 brutto (8 x € 3.780,00) sowie Abrechnung und Zahlung des ihm noch für das Jahr 2014 zustehenden Urlaubs. Mit Klageerweiterung vom 02.03.2015 macht er die Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2014 iHv. € 780,00 geltend.

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Der Kläger arbeitete seit 01.01.2014 bei der Fa. B. Omnibus GmbH zu einem Stundenlohn von € 8,50 brutto als Busfahrer. Seine Einkünfte wurden nach Steuerklasse VI versteuert. Nach den vorgelegten Lohnabrechnungen arbeitete der Kläger in den hier streitigen Monaten folgende Stunden:

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August 2014

152,00 Std.

Dezember 2014

 97,75 Std.

September 2014

177,00 Std.

Januar 2015

106,00 Std.

Oktober 2014

243,00 Std.

Februar 2015

151,22 Std.

November 2014

 79,00 Std.

März 2015

126,94 Std.

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Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 15.04.2015 Bezug genommen.

27

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

28

die Beklagte zu verurteilen,

29

1. seinen Augustlohn 2014 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.09.2014 zu zahlen;

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2. seinen Septemberlohn 2014 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2014 zu zahlen;

31

3. seinen Oktoberlohn 2014 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2014 zu zahlen;

32

4. seinen Novemberlohn 2014 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2014 zu zahlen;

33

5. seinen Dezemberlohn 2014 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2015 zu zahlen;

34

6. sein Weihnachtsgeld 2014 abzurechnen und ihm € 780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2015 zu zahlen;

35

7. seinen Januarlohn 2015 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2015 zu zahlen;

36

8. seinen Februarlohn 2015 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2015 zu zahlen;

37

9. den ihm noch für das Jahr 2014 zustehenden Urlaub abzurechnen und diesen an ihn nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2015 zu zahlen;

38

10. seinen Märzlohn 2015 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2015 zu zahlen.

39

Die Beklagte hat beantragt,

40

die Klage abzuweisen.

41

Das Arbeitsgericht Trier hat mit Urteil vom 15.04.2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Klageantrag zu 9) auf Abrechnung und Auszahlung des dem Kläger noch für das Jahr 2014 zustehenden Urlaubs sei unbestimmt und damit unzulässig. Die Klage sei insgesamt unbegründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vergütung aus Annahmeverzug für den streitigen Zeitraum. Er sei zwar am 04.08.2014 im Betrieb erschienen, er habe der Beklagten jedoch keine Vollzeittätigkeit angeboten. Darüber hinaus habe er seine volle Arbeitsfähigkeit nicht darlegt. Der Kläger sei unstreitig nicht mehr in der Lage, schwere Lasten zu heben. Die Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen, dass das Heben, Tragen oder Fortbewegen schwerer Lasten zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers als mitarbeitendem Schachtmeister gehöre. Der Klageantrag zu 9) sei auch unbegründet. Der Kläger könne keine Urlaubsabgeltung für 2014 beanspruchen, weil das Arbeitsverhältnis nicht beendet sei. Der Klageantrag zu 6) sei unbegründet. Der Anspruch auf Weihnachtsgeld für 2014 sei aufgrund der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 14 Abs. 1 BRTV-Bau bei Geltendmachung am 02.03.2015 bereits verfallen gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 15.04.2015 Bezug genommen.

42

Gegen das am 30.04.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 01.06.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 21.07.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 21.07.2015 begründet.

43

Er macht geltend, er habe der Beklagten am 04.08.2014 seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten. Die Annahme des Arbeitsgerichts, er habe der Beklagten erklärt, nicht weiter in Vollzeit tätig werden zu wollen, entspreche nicht seinem späteren prozessualen Vortrag, der als jüngerer Vortrag Vorrang habe. Im Übrigen sei es nicht seine Aufgabe darzulegen, dass er seine volle Arbeitsfähigkeit wiedererlangt habe. Kein Arzt der Welt werde ihm ein Attest ausstellen, wie dies im Vorprozess 5 Ca 565/14 angedacht worden sei. Er habe sich am 04.08.2014 gesund gemeldet und dies durch hinreichende Belege der Bauberufsgenossenschaft nachgewiesen. Insofern sei er gesund. Er habe die Beklagte am 04.08.2014 darauf hingewiesen, dass er mit einem GdB von 100 schwerbehindert sei. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht darauf angestellt, dass er gesundheitlich nicht in der Lage sei, "schwerste" Lasten zu heben. Der Schwerpunkt der Arbeit eines mitarbeitenden Schachtmeisters bestehe nicht aus dem Heben und Tragen schwerster Lasten, sondern aus dem Anleiten und Organisieren eines Baustellenteams. Wenn er bspw. als Schachtmeister mit fünf Personen auf einer Baustelle in einem Team eingesetzt werde, lasse es sich einrichten, dass er vom Heben schwerster Lasten durch einen Kollegen befreit werde. Das Arbeitsgericht habe ihn aufgrund seiner Schwerbehinderung diskriminiert, weil es ihn auf eine reine "Lastenesel"-Tätigkeit reduziere. Er habe erstinstanzlich ein Sachverständigengutachten angeboten sowie seine Parteivernehmung beantragt, dass er arbeitsfähig sei. Weiterhin habe er vorgetragen, dass es die von der Beklagten geforderte ärztliche Bescheinigung als solche nicht gebe. Diesem Beweisantritt sei das Arbeitsgericht nicht nachgegangen.

44

Hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs sei das Arbeitsgericht zu Unrecht von einer Fristbestimmung durch den Arbeitgeber ausgegangen. Im Arbeitsvertrag sei nichts bestimmt. Das Weihnachtsgeld 2014 sei nicht bereits am 30.11.2014 fällig gewesen. Wenn man darauf abstelle, dass das Weihnachtsgeld zum Weihnachtsfest da sein soll, werde also erst im Dezember bzw. sogar möglicherweise erst im folgenden Januar eine Fälligkeit anzunehmen sein.

45

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.04.2015, Az. 5 Ca 1431/14, abzuändern und nach seinen Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

49

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht im Wesentlichen geltend, der Kläger habe seine Arbeitsleistung am 04.08.2014 nicht ordnungsgemäß angeboten. Er habe zum einen erklärt, dass er nicht weiter in Vollzeit tätig werden wolle. Zum anderen habe er den zugesagten Nachweis seiner Arbeitsfähigkeit durch Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung nicht erbracht. Der Kläger sei nach wie vor arbeitsunfähig erkrankt und damit nicht in der Lage, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Er habe als Schachtmeister in ihrem Tief- und Straßenbaubetrieb zu ca. 50 % seiner täglichen Arbeitszeit bei allen anfallenden Arbeiten auf der Baustelle (zB. Verlegen von Pflaster, Setzen von Mauern, Durchführung von Kanal- und Rohrleitungsarbeiten, Vornahme von Erdarbeiten, Herstellung von Randbefestigungen, Böschungen und Entwässerungsgräben) sowie beim Bedienen von Maschinen (Radlader, Minibagger etc.) mitzuarbeiten. Bei diesen Tätigkeiten habe er Mauer- und Pflastersteine, Randsteine und Kanalrohre per Hand, mit Schubkarren und mittels Greifzangen, die insb. an Rohren justiert werden, zu heben, umzusetzen, zu halten und zu tragen. Die Mauer- und Randsteine wögen bis zu 25 kg, Kanalrohre mehr als 25 Kg, je nach Länge könnten sie ein Gewicht von bis zu 50 kg aufweisen. Erdarbeiten würden, soweit sie nicht mit Minibagger durchgeführt werden können, mit Schaufeln vorgenommen, wobei Gewichte von 5 bis 10 kg zu bewegen und zu transportieren seien. Lasten mit einem Gewicht von über 25 kg würden in der Regel von zwei Arbeitnehmern gemeinsam bewegt, gehalten und getragen. Lasten bis zu 25 kg seien in der Regel von einem Mitarbeiter zu bewegen, zu halten und zu tragen.

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Es sei ihr nicht zuzumuten, die Arbeiten im Tief- und Straßenbau so umzuorganisieren, dass der Kläger keine schweren Lasten heben, halten, umsetzen und tragen müsse. Zu ca. 80 % sei auf kleinen Baustellen zu arbeiten; dort setze sie insgesamt zwei bis drei Mitarbeiter ein. Lediglich auf 20 % aller Baustellen setze sie fünf oder in Ausnahmefällen bis zu zehn Mitarbeiter ein. Auf den kleinen Baustellen sei unverzichtbar, dass der Schachtmeister mitarbeite und auch schwere Lasten hebe. Es sei nicht möglich, den Kläger kontinuierlich nur auf großen Baustellen einzusetzen. Zudem müsste sie die Arbeit so organisieren, dass der Kläger keine schweren Lasten heben, halten, umsetzen oder tragen müsse. Der Einsatz einer Ersatzkraft sei nicht planbar. Eine Doppelbesetzung sei ihr nicht zumutbar. Es sei auch den Kollegen des Klägers auf Dauer nicht zuzumuten, zusätzlich zu den ihnen obliegenden schweren Arbeiten auch noch die schweren Arbeiten des Klägers mit zu übernehmen und dadurch körperlich zusätzlich beansprucht zu werden.

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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akte 5 Ca 565/14 verwiesen.

Entscheidungsgründe

52

Die Berufung des Klägers ist teilweise unzulässig; soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen.

I.

53

Soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 9) beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den ihm noch für das Jahr 2014 zustehenden Urlaub abzurechnen und diesen an ihn nebst Zinsen zu zahlen, ist seine Berufung mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig.

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1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen. Bei verschiedenen Streitgegenständen gilt dies für jeden von ihnen gesondert, wenn das Arbeitsgericht die einzelnen Ansprüche aus unterschiedlichen Gründen abgewiesen hat (BAG 09.12.2014 - 1 AZR 146/13 - Rn. 19).

55

Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht. Sie bezieht sich ausschließlich auf die Streitgegenstände Annahmeverzugslohn für August 2014 bis März 2015 sowie Weihnachtsgeld 2014. Mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Abweisung des Klageantrags auf Abrechnung und Zahlung einer Urlaubsabgeltung für 2014 setzt sich die Berufungsbegründung nicht ansatzweise auseinander. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Der kryptische Satz: "Hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs geht das Arbeitsgericht Trier zu Unrecht von einer Fristbestimmung durch den Arbeitgeber aus", bezieht sich vermutlich auf die Fälligkeit des Weihnachtsgeldes. Die Berufung des Klägers war daher hinsichtlich der Urlaubsabgeltung als unzulässig zu verwerfen, ohne dass dies im Urteilstenor gesondert zum Ausdruck zu bringen war.

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2. Die Berufung wäre insoweit auch unbegründet, weil der Klageantrag mangels hinreichender Bestimmtheit iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig ist und auch unbegründet wäre. Den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts ist nichts hinzuzufügen. Dem Antrag ist nicht zu entnehmen, wie viele Urlaubstage der Kläger mit welchem Geldbetrag abgegolten haben will. In der Sache kommt eine Urlaubsabgeltung nur in Betracht, wenn der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann, § 7 Abs. 4 BUrlG. Im bestehenden Arbeitsverhältnis besteht ein Abgeltungsverbot. Hinzu kommt, dass aufgrund der Besonderheiten im Baugewerbe sich ein evtl. Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 8 Ziff. 6.2 BRTV-Bau gegen die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft richtet.

II.

57

Soweit die Berufung zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg.

58

1. Die Klageanträge zu 1) bis 5), 7) bis 8) und 10) auf Abrechnung und Zahlung von "mindestens" € 30.240,00 brutto (8 x € 3.780,00) Annahmeverzugslohn für die Zeit von August 2014 bis März 2015 sind nach den §§ 611, 615, 293 ff. BGB unbegründet. Die Beklagte befand sich von August 2014 bis März 2015 nicht im Annahmeverzug, obwohl sie die vom Kläger am 04.08.2014 im Betrieb angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen hat.

59

a) Das Arbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Kläger der Beklagten am 04.08.2014 nur eine Teilleistung angeboten hat. Damit hat er die Arbeitsleistung nicht iSd. § 294 BGB so angeboten, wie sie zu bewirken ist. Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts ist der Kläger zwar am 04.08.2014 im Betrieb erschienen, er erklärte jedoch, dass er seine Arbeitsleistung nicht mehr in Vollzeit anbiete, weil er eine Erwerbsminderungsrente beziehe und sein Verdienst ansonsten auf die Rente angerechnet werde. Die Verfahrensrüge der Berufung, die Feststellung des Arbeitsgerichts, der Kläger habe dem kaufmännischen Leiter der Beklagten mitgeteilt, nicht weiter in Vollzeit tätig werden zu wollen, entspreche nicht "dem späteren prozessualen Vortrag", der "dann als jüngerer Vortrag Vorrang" habe, ist erfolglos. Stellt eine Partei mehrere einander widersprechende Behauptungen auf, ohne den Widerspruch zu erläutern, so kann von keiner dieser Behauptungen angenommen werden, sie sei richtig (vgl. BAG 13.06.2002 - 2 AZR 589/01 - Rn. 27). Der Kläger hätte dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf des Gesprächs vom 04.08.2014 mit dem kaufmännischen Leiter substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er als insoweit darlegungsbelastete Partei seiner prozessualen Erklärungspflicht gem. § 138 Abs. 2 ZPO nicht genügt. Dass der von der Beklagten geschilderte Gesprächsverlauf frei erfunden sein könnte, vermag schon deshalb nicht einzuleuchten, weil nur der Kläger ein Interesse haben konnte, die rentenrechtliche Hinzuverdienstgrenze nicht zu überschreiten. Auf die angebotene Teilleistung brauchte sich die Beklagte gem. § 266 BGB nicht einzulassen (vgl. BAG 09.04.2014 - 10 AZR 637/13 - Rn. 24).

60

b) Das Arbeitsgericht hat mit ebenfalls zutreffender Begründung angenommen, dass der Kläger von August 2014 bis März 2015 aus krankheitsbedingten Gründen nicht in der Lage war, die geschuldete Arbeitsleistung als Schachtmeister im Tief- und Straßenbaubetrieb der Beklagten zu verrichten, so dass die Beklagte auch deswegen nicht in Annahmeverzug geraten ist.

61

Unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist - neben dem Leistungswillen - eine vom Leistungsangebot unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss (vgl. BAG 21.10.2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 22 mwN). Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert seine Arbeitsfähigkeit darlegt (vgl. BAG 24.09.2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 17, NZA 2014, 1407; BAG 15.05.2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 27, NZA 2013, 1076).

62

Im Streitfall war der Kläger seit April 2011 infolge eines Krebsleidens arbeitsunfähig erkrankt. Er hat auch am 04.08.2014 und danach seine volle Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt. Nach den vorgelegten Bescheinigungen der behandelnden Ärzte vom 10.09.2013 darf der Kläger keine schweren Lasten mehr heben. Er ist nach seinem Vorbringen dreimal an der Wirbelsäule operiert worden. Wegen einer Funktionseinschränkung der rechten Hüfte nach Acetabulumfraktur ist am 03.04.2012 ein Einzel-GbB von 20 festgestellt worden. Dem Kläger wurde ein Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen "G", "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung), "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung), "H" (Hilflosigkeit) und "RF" ausgestellt, den er der Beklagten am 04.08.2014 vorgelegt hat. Die BG Bau stellte am 16.10.2013 anlässlich einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung einen "Zustand nach Tumorresektion BWS" fest. Ein "Arbeitsversuch" sei möglich. Nach dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers hat sich "kein Arzt der Welt" bereit erklärt, ihm ein Attest auszustellen, dass er wieder voll einsatzfähig sei. Im Vorprozess (Az. 5 Ca 565/14), den er Mitte Mai 2014 einleitete, machte er seine "Wiedereingliederung" geltend. Er schilderte im Vorprozess die Bemühungen des Integrationsfachdienstes, des Rentenversicherungsträgers und der Bau-Berufsgenossenschaft, die Möglichkeit einer "Wiedereingliederung" in den Betrieb der Beklagten abzuklären. Während einer Wiedereingliederung dauert - was die Berufung übersieht - die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers an. Anders als das Arbeitsverhältnis ist ein Wiedereingliederungsverhältnis durch den Rehabilitationszweck gekennzeichnet. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet. Es besteht deshalb kein Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung (vgl. BAG 24.09.2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 32 mwN). Während der Klägervertreter im Gütetermin vom 09.07.2014 im Vorprozess die Arbeitsfähigkeit seines Mandanten zu Protokoll erklärte und seine Arbeitsaufnahme am nächsten Montag (14.07.) sowie die Vorlage einer Bescheinigung über die volle Einsatzfähigkeit ankündigte, befand sich der Kläger in stationärer Krankenhausbehandlung.

63

Bei dieser Sachlage hätte der Kläger seine Arbeitsfähigkeit ab 04.08.2014 substantiiert darlegen müssen. Das ist auch zweitinstanzlich nicht geschehen. Den Beweisangeboten des Klägers, auf Vernehmung der behandelnden Ärzte oder Einholung eines Sachverständigengutachtens, war deshalb nicht nachzugehen. Eine Beweisaufnahme wäre mangels substantiierten Sachvortrages des Klägers auf eine reine und damit unzulässige Ausforschung hinausgelaufen. Die angebotene eigene Parteivernehmung des Klägers ist mangels Zustimmung der Beklagten auf ein unzulässiges Beweismittel gestützt (vgl. § 447 ZPO).

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Wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, war der Kläger im streitigen Zeitraum krankheitsbedingt nicht in der Lage, seine volle vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Dazu gehört auch das Heben schwerer Lasten. Der Kläger ist als Schachtmeister auch zur Mitarbeit auf den Baustellen verpflichtet. Der Schachtmeister (Werkpolier) wird tariflich - wie der Kläger - nach Lohngruppe 6 des BRTV-Bau vergütet. In § 5 Ziff. 3 BRTV-Bau ist die Tätigkeit wie folgt definiert: "Führung und Anleitung einer Gruppe von Arbeitnehmern in Teilbereichen der Bauausführung auch unter eigener Mitarbeit". Zu den Aufgaben gehört nicht nur die Planung, Organisation und Überwachung der Baustelleneinrichtung und des Bauablaufs, sondern auch die Mitarbeit. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger noch in der Lage ist, schwere körperliche Arbeiten auf einer Baustelle zu verrichten.

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Zwar schließt im Schwerbehindertenrecht die Unfähigkeit zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeit einen Beschäftigungsanspruch nicht aus. Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Ist der schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit wegen Art oder Schwere seiner Behinderung zu verrichten, kann er Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben (vgl. BAG 13.06.2006 - 9 AZR 229/05 - Rn. 25 mwN). Zur behinderungsgerechten Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen ist der Arbeitgeber dann nicht verpflichtet, wenn ihm die Beschäftigung unzumutbar oder eine solche nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist, § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX. Er ist auch nicht verpflichtet, für den schwerbehinderten Menschen einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (BAG 04.10.2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23; BAG 14.03.2006 - 9 AZR 411/05 - Rn. 19).

66

Vorliegend hat die Beklagte substantiiert dargelegt, dass und weshalb sie die Arbeiten in ihrem Tief- und Straßenbaubetrieb nicht so umorganisieren kann, dass der Kläger auf den Baustellen keine schweren Lasten heben, halten, umsetzen und tragen müsste. Die Beklagte hat vorgetragen, dass in ihrem Betrieb zu ca. 80 % auf kleinen Baustellen zu arbeiten sei; dort setze sie insgesamt zwei bis drei Mitarbeiter ein. Lediglich auf 20 % aller Baustellen setze sie fünf oder in Ausnahmefällen bis zu zehn Mitarbeiter ein. Auf den kleinen Baustellen sei unverzichtbar, dass der Schachtmeister mitarbeite und auch schwere Lasten hebe. Es sei nicht möglich, den Kläger kontinuierlich nur auf großen Baustellen einzusetzen. Zudem müsste sie die Arbeit auf großen Baustellen so organisieren, dass der Kläger keine schweren Lasten heben, halten, umsetzen oder tragen müsse. Der Einsatz einer Ersatzkraft sei nicht planbar. Eine Doppelbesetzung sei ihr nicht zumutbar. Es sei auch den Kollegen des Klägers auf Dauer nicht zuzumuten, zusätzlich zu den ihnen obliegenden schweren Arbeiten auch noch die schweren Arbeiten des Klägers mit zu übernehmen und dadurch körperlich zusätzlich beansprucht zu werden. Zu diesem Vortrag hat sich der Kläger nicht erklärt. Es genügt nicht pauschal zu behaupten, eine Baustelle lasse sich so einrichten, dass er vom Heben "schwerster" Lasten durch einen Kollegen befreit werde. Es ist zudem völlig unklar geblieben, wie der außergewöhnlich gehbehinderte Kläger, der infolge der Behinderung bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen ist (Merkzeichen "B", § 146 Abs. 2 SGB IX) auf den Baustellen der Beklagten überhaupt zurechtkommen will.

67

c) Die geltend gemachte Zahlungsforderung (8 x € 3.780,00 brutto) wäre auch der Höhe nach nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum von August 2014 bis März 2015 bei der Fa. B. Omnibus GmbH gearbeitet. Das dort erzielte Arbeitsentgelt (Gesamtbrutto € 9.629,74) wäre gem. § 615 S. 2 BGB als anderweitiger Verdienst auf die Gesamtvergütung für die Dauer des Annahmeverzugs anzurechnen.

68

Entgegen der Ansicht der Berufung ist unerheblich, dass das Arbeitseinkommen als Busfahrer nach Steuerklasse VI versteuert worden ist. Auch der Einwand des Klägers, die Anrechnung beeinträchtige sein Grundrecht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 GG, hat keinen Erfolg. Ein Verdienst aus einer anderen Beschäftigung bleibt nur unberücksichtigt, soweit er auch bei Erfüllung der Vertragspflichten möglich gewesen wäre (vgl. ausführlich BAG 06.09.1990 - 2 AZR 165/90 - NZA 1991, 221). Das ist hier nicht der Fall.

69

Nach den vorgelegten Lohnabrechnungen arbeitete der Kläger bei der Fa. B. Omnibus GmbH im August 2014 152 Stunden, im September 2014 177 Stunden, im Oktober 2014 243 Stunden, im November 2014 79 Stunden, im Dezember 2014 97,75 Stunden, im Januar 2015 106 Stunden, im Februar 2015 151,22 Stunden und im März 2015 126,94 Stunden. Die Arbeitsleistung in diesem Umfang war nur durch das Freiwerden der Arbeitskraft im Baubetrieb der Beklagten möglich. Die Tätigkeit als Busfahrer in diesem Umfang wäre mit der geschuldeten Arbeitsleistung als Schachtmeister (regelmäßige Wochenarbeitszeit 40 Stunden; § 3 Ziff. 1.1 BRTV-Bau) zeitlich unvereinbar gewesen. Sie hätte auch gegen zwingende Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes und des Fahrpersonalrechts, das die Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr regelt, verstoßen. Der Verdienst unterläge daher der Anrechnung.

70

2. Das Arbeitsgericht hat den Klageantrag zu 6) auf Abrechnung und Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2014 iHv. € 780,00 brutto nebst Zinsen zu Recht abgewiesen. Der Anspruch ist verfallen, weil der Kläger die in § 14 BRTV-Bau normierte Ausschlussfrist nicht gewahrt hat.

71

Nach § 14 Ziff. 1 Halbs. 1 BRTV-Bau verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Das Weihnachtsgeld für 2014 war jedenfalls vor dem Weihnachtsfest am 24.12.2014 fällig und damit bei erstmaliger Geltendmachung am 02.03.2015 verfallen. Die Ansicht der Berufung, das Weihnachtsgeld werde "sogar möglicherweise erst im folgenden Januar" fällig, kann nur als abwegig bezeichnet werden.

72

Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht, dass das Weihnachtsgeld mit dem Lohn für den Monat November 2014 fällig war, der nach § 5 Ziff. 7.2 BRTV-Bau spätestens am 15.12.2014 zu zahlen war. Am 02.03.2015 war der Anspruch demnach verfallen. Zwar haben die Parteien im Arbeitsvertrag für das Weihnachtsgeld keine Leistungszeit festgelegt, diese ist jedoch gem. § 271 Abs. 1 BGB zwanglos aus den Umständen zu entnehmen. Es entspricht schon dem allgemeinen Sprachgebrauch und einem verbreiteten Verständnis im Arbeitsleben, dass ein "Weihnachtsgeld" zu Weihnachten gezahlt wird. Das Weihnachtsgeld soll eine Weihnachtsfreude bereiten und einen Beitrag zu den vermehrten Ausgaben im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest leisten. Es ist so rechtzeitig zu zahlen, dass der Arbeitnehmer mit dem Geldbetrag noch vor dem Fest einkaufen kann (so schon BAG 29.06.1954 - 2 AZR 13/53 - NJW 1954, 1343; vgl. auch Staudinger/Bitter (2014) BGB § 271 Rn. 23).

III.

73

Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.

74

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Apr. 2016 - 5 Sa 243/15 zitiert 20 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bundesurlaubsgesetz - BUrlG | § 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs


(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 615 Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko


Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch de

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 271 Leistungszeit


(1) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. (2) Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläu

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 81 Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten


Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Lei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 294 Tatsächliches Angebot


Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 297 Unvermögen des Schuldners


Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 447 Vernehmung der beweispflichtigen Partei auf Antrag


Das Gericht kann über eine streitige Tatsache auch die beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei es beantragt und die andere damit einverstanden ist.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 146 Periodizität und Berichtszeitraum


Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 266 Teilleistungen


Der Schuldner ist zu Teilleistungen nicht berechtigt.

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Januar 2013 - 16 Sa 1889/11 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer freiwilligen Betriebsvereinbarung.

2

Die Klägerin war vom 11. Oktober 1990 bis zum 31. Januar 2011 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin als Sachbearbeiterin zuletzt im Vertriebsinnendienst (VID) beschäftigt. Seit 1998 war sie Mitglied des Betriebsrats. Anlässlich von Rationalisierungsentscheidungen ua. zur Schließung des VID zum 31. Oktober 2010 und einem damit verbundenen Wegfall von Arbeitsplätzen schlossen die Betriebsparteien am 9. Juni 2010 einen Interessenausgleich, einen Sozialplan und eine freiwillige Betriebsvereinbarung.

3

Der Sozialplan (SP) enthält ua. folgende Regelungen:

        

㤠3 Abfindungen

        

Wenn das Arbeitsverhältnis aus den im Interessenausgleich vom 09.06.2010 beschriebenen betriebsbedingten Gründen durch Aufhebungsvertrag oder durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung nach Abschluss dieses Sozialplans beendet wird, wird eine Abfindung ohne Anwendung der Höchstgrenzen gem. KSchG gezahlt.

        

…       

        

§ 9 Anspruch bei Klageerhebung

        

Erheben Beschäftigte Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung bzw. auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses, so ruhen die Ansprüche aus diesem Sozialplan bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens. Eine eventuelle gerichtlich zugesprochene Abfindung wird auf Leistungen aus dem Sozialplan angerechnet.“

4

Die freiwillige Betriebsvereinbarung (BV) bestimmt ua.:

        

„Die Betriebsparteien haben am 09.06.2010 einen Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen.

        

…       

        

I.      

Durch diese freiwillige Betriebsvereinbarung sagt die Gesellschaft zur Erlangung alsbaldiger Planungssicherheit denjenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die von den im Interessenausgleich vom 09.06.2010 aufgeführten Maßnahmen betroffen sind und die unter den Geltungsbereich des Sozialplanes vom 09.06.2010 fallen, zusätzlich zu den Leistungen des Sozialplans vom 09.06.2010 nachfolgende weitere Leistungen zu:

        

1.    

Mitarbeiter/-innen, die von den im Interessenausgleich vom 09.06.2010 beschriebenen Maßnahmen mittelbar oder unmittelbar betroffen sind, haben nach Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung Anspruch auf eine Erhöhung der Gesamtabfindung nach dem Sozialplan vom 09.06.2010, sofern sie keine Kündigungsschutzklage erheben:

        

a)    

in Höhe einer zusätzlichen Abfindung nach der folgenden Regelung:

                 

Bruttomonatsentgelt x 10 % x Beschäftigungsjahre

                 

(…)     

        

b)    

in Höhe eines zusätzlichen tariflichen Bruttomonatsentgelts gemäß der zu diesem Zeitpunkt geltenden Entgelttabelle des Entgelttarifvertrages für die Beschäftigten in der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie NRW für den Fall, dass aufgrund des Umstandes, dass der/die Mitarbeiter/-in sich zum Stichtag 1.12.2010 nicht in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet und damit kein Anspruch auf die tarifliche Jahressonderzuwendung für die Beschäftigten in der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie NRW gegeben ist.

        

c)    

Tariflich eingruppierte Mitarbeiter/-innen erhalten darüber hinaus eine weitere, zusätzliche Abfindung in Höhe 500,-- EUR brutto für jeden angefangenen Monat ab Zugang des Kündigungsschreibens bzw. nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages bis zum Zeitpunkt der Abteilungsschließung bzw. falls eine Freistellung zu einem früheren Termin erfolgt, bis zu dem Freistellungszeitpunkt. Dies gilt auch für Zeiten, in denen bezahlter Urlaub genehmigt oder genommen wird, eine Arbeitsunfähigkeit welche durch einen Arbeitsunfall verursacht wurde, jedoch nicht im Falle von arbeitsunfähigkeitsbedingtem Arbeitsausfall von mehr als 3 Tagen, es sei denn, die Arbeitsunfähigkeit wird von einem Vertrauensarzt der Krankenkasse des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin schriftlich bestätigt.

        

d)    

AT-Mitarbeiter/-innen …

        

e)    

Mitarbeiter/-innen mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 5 Jahren erhalten eine zusätzliche Abfindung in Höhe von 1.000,-- EUR und Mitarbeiter/-innen mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 15 Jahren erhalten eine zusätzliche Abfindung von 2.000,-- EUR. …

        

2.    

Diese Ansprüche haben auch betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach Abschluss dieser Vereinbarung eine Aufhebungsvereinbarung unterzeichnen und von den im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen betroffen sind.

        

3.    

Die zusätzliche Abfindung wird aus Anlass des Verlustes des Arbeitsplatzes zusammen mit der Abfindung aus dem Sozialplan gezahlt, wobei es sich um eine Bruttoabfindung handelt.

        

…       

        
        

5.    

Im Übrigen gelten die Regelungen des Sozialplans entsprechend.

        

6.    

Die Parteien sind darüber einig, dass es sich bei vorstehenden Leistungen um freiwillige Leistungen der Gesellschaft handelt, die über die Sozialplanleistungen hinaus gewährt werden und das Volumen des Sozialplans nicht tangieren.“

5

Mit Schreiben vom 15. Juli 2010 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich zum 31. Januar 2011. Zugleich bot sie der Klägerin an, es ab dem 1. Februar 2011 unter Änderung der Arbeitsbedingungen fortzusetzen. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 26. Juli 2010 unter Vorbehalt an und wandte sich mit einer beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen erhobenen Klage gegen die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen. In dem Rechtsstreit schlossen die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten am 26. August 2010 einen Vergleich mit ua. folgenden Inhalt:

        

„1.     

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch eine ordentliche, fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 15.07.2010 mit Ablauf des 31.01.2011 wegen Schließung eines Betriebsteils, der der Klägerin kein adäquater Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden konnte, aufgelöst wird.

        

2.    

Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und des damit verbundenen sozialen Besitzstandes zahlt die Beklagte an die Klägerin eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 62.000,00 Euro. … Die Zahlung der Abfindung erfolgt unter Anrechnung auf die Sozialplanabfindung des Sozialplans vom 09.06.2010.“

6

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 29. April 2011 verlangte die Klägerin unter Fristsetzung bis zum 31. Mai 2011 ohne Erfolg eine Erhöhung der Gesamtabfindung nach der BV gem. ihrer Nr. I.1. Buchst. a, b, c und e iHv. insgesamt 12.767,00 Euro.

7

Die Klägerin hat erstinstanzlich allein die Auffassung vertreten, der Ausschluss von den Leistungen der BV nach deren Nr. I.1. benachteilige sie aufgrund ihres Betriebsratsmandats, dessentwegen sie zur Vermeidung sozialversicherungsrechtlicher Nachteile zur Erhebung einer Änderungsschutzklage gezwungen gewesen sei. Außerdem sei Nr. I.1. BV gleichheitswidrig und verstoße gegen das Maßregelungsverbot. In der Berufungsinstanz hat sie zuletzt auch gemeint, sie unterfalle - anders als vom Arbeitsgericht angenommen - entweder nach Nr. I.1. oder nach Nr. I.2. der BV unmittelbar deren Geltungsbereich.

8

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.767,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2011 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision begehrt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die streitbefangene Zahlung. Ein solcher folgt weder unmittelbar aus der freiwilligen Betriebsvereinbarung noch aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder einem Verstoß gegen das Maßregelungsverbot. Das haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.

12

I. Die beschränkt eingelegte Revision der Klägerin ist zulässig.

13

1. Die Revision erfasst nicht den Lebenssachverhalt, der einer Anspruchsprüfung wegen einer zunächst vorgebrachten Benachteiligung aufgrund des Betriebsratsmandats zugrunde liegt. Die Beschränkung ergibt sich daraus, dass die Klägerin aus dem eigenständigen Klagegrund eines Verstoßes gegen § 78 Satz 2 BetrVG in der Revisionsinstanz keinen Anspruch mehr ableitet. Das hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt.

14

2. Im Umfang ihrer Einlegung begegnen der Revision keine Zulässigkeitsbedenken. Insbesondere ist sie entgegen der Ansicht der Beklagten ordnungsgemäß begründet.

15

a) Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge sind nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Dabei muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des revisionsrechtlichen Angriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Revisionsführer muss darlegen, warum er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält (vgl. BAG 28. Mai 2014 - 7 AZR 404/12 - Rn. 13). Die bloße Wiedergabe des bisherigen Vorbringens genügt hierfür nicht (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 - Rn. 20). Betrifft die angegriffene Entscheidung mehrere Streitgegenstände iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (vgl. BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 13).

16

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Revision ausreichend begründet. Soweit von Bedeutung, hat die Klägerin ihre Forderung zuletzt darauf gestützt, sie erfülle die Anspruchsvoraussetzungen nach Nr. I.1. oder Nr. I.2. BV; jedenfalls aber könne sie die Leistungen nach der BV wegen eines Verstoßes gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Maßregelungsverbot beanspruchen. Diese zusammentreffenden Ansprüche sind nach ihrer Tatsachengrundlage - dem von der Klägerin vorzutragenden Lebenssachverhalt - unterschiedlich ausgestaltet. Entsprechend hat das Landesarbeitsgericht über mehrere selbständige Streitgegenstände entschieden. Zu diesen legt die Revision konkret dar, aus welchen Gründen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Zwar wiederholt die Klägerin dabei (auch) ihren Vortrag aus den Vorinstanzen zT wörtlich. Darüber hinaus setzt sie sich aber eigenständig mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts zur Abweisung eines unmittelbar aus der BV folgenden Anspruchs auseinander, indem sie ua. auf die Auslegung von Nr. I.2. BV eingeht, und wendet sich zudem ausdrücklich gegen die - knappe - Begründung des Landesarbeitsgerichts zur Vereinbarkeit der BV mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. In diesem Zusammenhang geht die Klägerin auch auf das Maßregelungsverbot des § 612a BGB ein. Das befasst sich mit der Abweisung der jeweils eigenständigen Klagegründe durch das Berufungsgericht in ausreichendem Maß. Von der Klägerin als Rechtsmittelführerin kann nicht mehr an Begründung verlangt werden, als vom Gericht selbst aufgewendet worden ist.

17

II. In der Sache hat die Revision keinen Erfolg.

18

1. Das folgt für den unmittelbar auf die BV gestützten Anspruch als eigenständigen Klagegrund allerdings nicht bereits daraus, dass die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts insoweit mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig war.

19

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen (vgl. BAG 18. Juli 2012 - 7 ABR 23/11 - Rn. 13). Bei verschiedenen Streitgegenständen gilt dies für jeden von ihnen gesondert (BAG 14. Dezember 2004 - 1 AZR 504/03 - zu I 1 der Gründe, BAGE 113, 121).

20

b) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung nur teilweise. Sie wendet sich zwar gegen die klageabweisende Begründung des Arbeitsgerichts, wonach der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt sei. Mit der Begründung zur Abweisung eines unmittelbar aus der freiwilligen Betriebsvereinbarung folgenden Anspruchs setzt sie sich aber nicht auseinander.

21

c) Dies führt jedoch nicht zur teilweisen Unzulässigkeit der Berufung. Indem das Arbeitsgericht mit der Abweisung eines unmittelbar aus der freiwilligen Betriebsvereinbarung folgenden Anspruchs über den von der Klägerin in das Verfahren eingeführten Streitgegenstand hinausgegangen ist, hat es gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Der Sache nach war die arbeitsgerichtliche Entscheidung über diesen Anspruch damit gegenstandslos.

22

aa) Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Gericht nicht befugt, abschlägig über einen Antrag zu entscheiden, den die Partei nicht gestellt hatte(vgl. BAG 28. Februar 2006 - 1 ABR 1/05 - Rn. 29, BAGE 117, 123). Ein in den Vorinstanzen erfolgter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten(vgl. BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 10, BAGE 117, 137).

23

bb) Das Arbeitsgericht hat mit der Abweisung eines unmittelbar aus der freiwilligen Betriebsvereinbarung folgenden Anspruchs über einen Streitgegenstand entschieden, den die Klägerin nicht zur Entscheidung gestellt hatte. Sie hatte erstinstanzlich nicht geltend gemacht, sie falle unter den Anwendungsbereich der BV. Der Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO bewirkte, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts insoweit gegenstandlos war(vgl. zu dieser Rechtsfolge BAG 28. Februar 2006 - 1 ABR 1/05 - Rn. 29, BAGE 117, 123).

24

d) Allerdings hat die Klägerin ihre Klage in der Berufungsinstanz zuletzt um einen unmittelbar auf die BV gestützten Anspruch erweitert. Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2012 hat sie vorgetragen, für den streitbefangenen Zahlungsanspruch „greife“ Nr. I.2. BV, alternativ folge der Anspruch aus Nr. I.1. BV. Das Landesarbeitsgericht hat über diesen Streitgegenstand sachlich entschieden und damit die Voraussetzungen einer Klageänderung in der Berufungsinstanz nach § 533 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG stillschweigend bejaht. Das ist in der Revisionsinstanz in entsprechender Anwendung des § 268 ZPO nicht mehr zu prüfen(vgl. BAG 19. Januar 2011 - 3 AZR 111/09 - Rn. 22).

25

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Erhöhung der Abfindung nach Nr. I.1. Buchst. a, b, c und e der BV. Ein solcher folgt weder unmittelbar aus der BV noch aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG). Eine nach § 612a BGB unzulässige Maßregelung der Klägerin liegt nicht vor.

26

a) Die Klägerin erfüllt nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Abfindungserhöhung nach der BV. Ihr Arbeitsverhältnis hat weder aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung iSv. Nr. I.1. BV noch aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung iSv. Nr. I.2. BV geendet.

27

aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 15. Oktober 2013 - 1 AZR 544/12 - Rn. 12).

28

bb) Danach genügt eine Kündigung zu Zwecken der Änderung von Arbeitsbedingungen nicht für die Entstehung eines Anspruchs auf zusätzliche Leistungen nach Nr. I.1. BV, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot annimmt.

29

(1) Bereits der Wortlaut von Nr. I.1. BV macht deutlich, unter „betriebsbedingter Kündigung“ nur eine solche einseitige Gestaltungserklärung des Arbeitgebers zu verstehen, die das Arbeitsverhältnis beendet und dessen Fortsetzung zu lediglich geänderten Arbeitsbedingungen ausschließt. Das bestätigt auch der Gesamtzusammenhang. Nach Nr. I.3. BV wird die „zusätzliche Abfindung aus Anlass des Verlustes des Arbeitsplatzes“ gezahlt. Auch verweist Nr. I.5. BV im Weiteren auf die entsprechenden Regelungen des Sozialplans, der ausweislich seines § 3 Satz 1 für die Zahlung einer Abfindung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt und damit eine Fortsetzung zu geänderten Bedingungen nicht genügen lässt.

30

(2) Sinn und Zweck der Abfindungserhöhung stützen dieses Auslegungsergebnis. Die im Interessenausgleich und im Sozialplan vorgesehenen Maßnahmen betrafen den Abbau von Arbeitsplätzen. Mit zusätzlichen Abfindungen als Anreiz für den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage sollte für die Arbeitgeberin Planungssicherheit über den Personalbestand geschaffen werden. Das bezieht sich vorliegend auf das Bestehen oder Nichtbestehen von Arbeitsverhältnissen.

31

(3) In der Änderungskündigung vom 15. Juli 2010 liegt damit kein „Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung“ iSv. Nr. I.1. BV. Die Klägerin hat das Änderungsangebot der Rechtsvorgängerin der Beklagten - unter Vorbehalt - angenommen. Die Kündigungserklärung konnte das Arbeitsverhältnis dementsprechend nicht beenden, sondern allenfalls zu einer Änderung der Arbeitsbedingungen führen. Anders als die Klägerin meint, stellt auch der gerichtliche Vergleich vom 26. August 2010 keinen „Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung“ dar. Zwar erzielten die Parteien nach Ziffer 1 des Vergleichs Einigkeit darüber, dass ihr Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche, fristgerechte Kündigung vom 15. Juli 2010 mit Ablauf des 31. Januar 2011 wegen Schließung eines Betriebsteils aufgelöst wird. Die Anspruchsvoraussetzung von Nr. I.1. BV trat aber dadurch nicht nachträglich ein. Ziffer 1 des Vergleichs enthält vielmehr eine Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Kündigung; er ist keine Kündigungserklärung.

32

cc) Auch die Voraussetzungen von Nr. I.2. BV liegen nicht vor. Es fehlt an einer Aufhebungsvereinbarung im Sinn dieser Bestimmung.

33

(1) Wie ihre Auslegung ergibt, erfasst Nr. I.2. BV nur solche Aufhebungsvereinbarungen, die nicht im Zusammenhang mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder auch nur über die Änderung seines Inhalts im Zuge der Umsetzung der Betriebsänderung geschlossen worden sind.

34

(a) Der Wortlaut von Nr. I.2. BV knüpft an Nr. I.1. BV an. Nr. I.1. BV setzt (auch) voraus, dass der Arbeitnehmer nach Erhalt der betriebsbedingten Kündigung keine Kündigungsschutzklage erhebt. Nr. I.2. BV sieht „diese Ansprüche“ für „betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach Abschluss dieser Vereinbarung eine Aufhebungsvereinbarung unterzeichnen und von den im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen betroffen sind“, vor. Das spricht dafür, in einer „Aufhebungsvereinbarung“ nach Nr. I.2. BV nur eine solche zu sehen, die ohne gerichtliche Auseinandersetzung über die Beendigung oder den Inhalt des Arbeitsverhältnisses geschlossen worden ist.

35

(b) Der Regelungszweck bestätigt dieses Normverständnis. Nach Nr. I. BV bezweckten die Betriebsparteien mit der Zusicherung zusätzlicher Leistungen die „Erlangung alsbaldiger Planungssicherheit“ im Interesse der Arbeitgeberin. Mit der Erhöhung der Gesamtabfindung nach dem Sozialplan sollte ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass die von den Rationalisierungsmaßnahmen betroffenen Arbeitnehmer keine gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Wirksamkeit von betriebsbedingten Kündigungen anstrengen (Nr. I.1. BV) oder freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden (Nr. I.2. BV). Beides verschafft Klarheit über die Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen. Wie sich in Nr. I.1. BV ausdrückt, dienten die zugesagten Leistungen vor allem der Vermeidung von Kündigungsschutzprozessen, die einerseits die Umsetzung der Betriebsänderung verzögern und ggf. insgesamt in Frage stellen können, und andererseits mit Aufwand an Zeit und Personal - etwa durch die gebotene Information des Prozessvertreters und die Sachbearbeitung in der Personalabteilung - einhergehen. Mag damit auch eine erst in einem Bestandsschutzprozess geschlossene Aufhebungsvereinbarung noch eine gewisse Planungssicherheit schaffen, so entsteht diese doch erst nach zusätzlichem Aufwand an Zeit, Personal und Kosten, der ohne Erhebung der Klage unterblieben wäre, und möglicherweise erst in einem Zeitpunkt, in dem die Klage die Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahme bereits verzögert hat. Auch dies spricht dafür, als eine „Aufhebungsvereinbarung“ iSd. Nr. I.2. BV nur eine solche anzusehen, die unter dem Vorbehalt steht, dass sie keinen Zusammenhang mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung aufweist.

36

(c) Schließlich gebietet der Gesamtzusammenhang ein Verständnis, dass eine im Zusammenhang mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung oder den Inhalt des Arbeitsverhältnisses geschlossene Aufhebungsvereinbarung die Anspruchsvoraussetzung nach Nr. I.2. BV nicht erfüllt. Die BV bezieht sich in ihrem Eingangssatz ua. auf den am selben Tag geschlossenen Sozialplan. § 3 Satz 1 SP stellt den Aufhebungsvertrag einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung gleich. § 9 SP führt hinsichtlich des Ruhens von Ansprüchen aus dem Sozialplan bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens die Erhebung einer „Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung bzw. auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses“ an. Zu letzteren Klagen gehören Streitigkeiten über die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags. Das spricht für eine Gleichstellung auch von Aufhebungsvereinbarungen iSv. Nr. I.2. BV mit betriebsbedingten Kündigungen iSv. Nr. I.1. BV. Nr. I.1. BV steht aber unter dem Vorbehalt, dass über die Rechtswirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung keine gerichtliche Auseinandersetzung geführt wird. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Nr. I.1. BV ist nur derjenige von der Betriebsänderung betroffene Mitarbeiter anspruchsberechtigt, der gegen die ihm gegenüber erklärte betriebsbedingte Kündigung keine Kündigungsschutzklage erhebt. Es wäre widersinnig, den Betriebsparteien zu unterstellen, sie hätten mit Nr. I.2. BV den Kreis der Anspruchsberechtigten der BV (wieder) auf diejenigen Mitarbeiter erstrecken wollen, die wegen der Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach Nr. I.1. BV von den Ansprüchen ausdrücklich ausgenommen sind, sofern sich diese Mitarbeiter in einem Kündigungsschutzprozess auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses verständigen.

37

(2) Hiernach hat die Klägerin keine Aufhebungsvereinbarung iSd. Nr. I.2. BV geschlossen. Eine solche liegt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht in Ziffer 1 des Vergleichs vom 26. August 2010. Die Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist im Ergebnis einer gerichtlichen Auseinandersetzung über dessen Inhalt erzielt worden.

38

b) Ein Anspruch der Klägerin auf zusätzliche Leistungen gemäß Nr. I.1. Buchst. a, b, c und e BV folgt nicht aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG). Die Regelungen in Nr. I.1. und in Nr. I.2. BV, wonach Mitarbeiter, die von den im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen mittelbar oder unmittelbar betroffen sind, nach Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung Anspruch auf eine Erhöhung der Sozialplanabfindung haben, sofern sie keine Kündigungsschutzklage erheben, oder wenn sie nach Abschluss der BV eine Aufhebungsvereinbarung unterzeichnen und von den im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen betroffen sind, verstoßen nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG).

39

aa) Leistungen in Sozialplänen iSv. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, die dem Ausgleich oder der Abmilderung der mit einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Nachteile dienen, dürfen nicht vom Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden. Das folgt jedenfalls aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Macht ein Sozialplan den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zur Voraussetzung für den Anspruch auf die Sozialplanabfindung, erfolgt eine Gruppenbildung, welche die Anwendung des Gleichheitssatzes ermöglicht und gebietet. Die Arbeitnehmer, welche nicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, werden hinsichtlich der Sozialplanabfindung schlechter behandelt als diejenigen, die von der gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung absehen. Diese Ungleichbehandlung ist nach Sinn und Zweck des Sozialplans sachlich nicht gerechtfertigt (BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - zu II 1 der Gründe, BAGE 115, 68). Allerdings ist den Betriebsparteien nicht jegliche Regelung verboten, durch die im Falle einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer ein finanzieller Anreiz geschaffen werden soll, eine Kündigung zu akzeptieren (vgl. BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - zu II 2 der Gründe, aaO) oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen (vgl. hierzu BAG 18. Mai 2010 - 1 AZR 187/09 - Rn. 14 ff.). Jedenfalls dann, wenn die Betriebsparteien ihrer Pflicht zur Aufstellung eines Sozialplans nachgekommen sind, können sie freiwillig eine kollektivrechtliche Regelung treffen, die im Interesse des Arbeitgebers an alsbaldiger Planungssicherheit finanzielle Leistungen für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage keinen Gebrauch macht oder freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis im Wege einer Aufhebungsvereinbarung ausscheidet. Das Verbot, Sozialplanabfindungen von einem Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage abhängig zu machen, darf dadurch aber nicht umgangen werden (BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - zu II 2 der Gründe, aaO).

40

bb) Nach diesen Grundsätzen ist es im Streitfall nicht zu beanstanden, dass die Betriebsparteien die mit der BV zugesagten zusätzlichen Leistungen von dem Nichterheben einer Kündigungsschutzklage (Nr. I.1. BV) oder dem Unterzeichnen einer Aufhebungsvereinbarung nach Abschluss der BV (Nr. I.2. BV) abhängig gemacht haben.

41

(1) Die BV bezweckt - so verlautbart in ihrer Nr. I. - nicht den Ausgleich oder die Milderung der durch den geplanten Personalabbau entstehenden wirtschaftlichen Nachteile, sondern die Erlangung alsbaldiger Planungssicherheit. Die durch die Betriebsänderung den betroffenen Arbeitnehmern entstandenen Nachteile sind durch den Sozialplan vom 9. Juni 2010 angemessen ausgeglichen. Gegenteiliges hat die Klägerin nicht behauptet. Das in Nr. I.1. BV festgelegte Nichterheben einer Kündigungsschutzklage als Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf die in der BV beschriebenen Zusatzleistungen dient den Interessen der Beklagten, einerseits alsbaldige Gewissheit über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen der betroffenen Mitarbeiter zu erzielen und andererseits den mit Kündigungsschutzklagen verbundenen Aufwand und das jeweilige Prozessrisiko zu vermeiden. Die in Nr. I.2. BV bestimmte Verknüpfung der zusätzlichen Leistungen mit der Unterzeichnung einer Aufhebungsvereinbarung soll die Bereitschaft von Arbeitnehmern fördern, durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen - außerhalb von gerichtlichen Auseinandersetzungen - einvernehmlich ihre Arbeitsverhältnisse zu beenden. Auch dies dient der Erlangung alsbaldiger Gewissheit darüber, wie viele und welche Arbeitnehmer ausscheiden. Erkennbar zu diesem Zweck war die Rechtsvorgängerin der Beklagten bereit, über ihre Verpflichtungen aus dem Sozialplan hinaus freiwillig weitere Leistungen zu erbringen.

42

(2) Dieser mit der BV verfolgte Zweck rechtfertigt die von den Betriebsparteien vorgenommene Gruppenbildung zwischen denjenigen Arbeitnehmern, die ihre Kündigung hinnehmen, und denjenigen, die sie zur gerichtlichen Überprüfung stellen. Zwar haben die Betriebsparteien die einzelnen Leistungen der BV - bis auf diejenige nach Nr. I.1. Buchst. a BV - an die Erfüllung weiterer Voraussetzungen geknüpft. Damit gehen aber lediglich weitere Gruppenbildungen einher, deren Wirksamkeit an den mit ihnen verfolgten Zwecken zu messen ist. Auf die Gruppenbildung bei der Festlegung des Geltungsbereichs hat das keinen Einfluss. Der hierin zum Ausdruck kommende Ausschluss von allen Leistungen der BV ist nicht am Zweck der jeweiligen Vergünstigung, sondern am Zweck des Ausschlusses zu messen.

43

c) Es kann dahinstehen, inwieweit ein von der Klägerin geltend gemachter Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB und eine damit einhergehende Unwirksamkeit der BV ihr eine eigenständige Anspruchsgrundlage für die streitgegenständlichen Forderungen verschaffen könnte. Die BV beachtet das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.

44

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebsparteien in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung den Arbeitgeber verpflichten, den Arbeitnehmern für den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine Abfindung zu zahlen. Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung die freie Wahl bleibt, ob er sich für die ausgelobte Abfindung oder die Durchführung eines Klageverfahrens entscheidet (BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 68).

45

bb) Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Die BV verlangt von den Arbeitnehmern nicht, bereits vor Ausspruch einer Kündigung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu verzichten. Vielmehr bleibt ihnen die freie Entscheidung darüber, entweder ihr Klagerecht zu verfolgen oder bei Erfüllung weiterer Anspruchsvoraussetzungen die zusätzlichen Leistungen zu erhalten.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Benrath    

        

    Sibylle Spoo    

                 

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Der Schuldner ist zu Teilleistungen nicht berechtigt.

Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Oktober 2014 - 17 Sa 285/14 - in seiner Ziff. I.3. aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. November 2013 - 31 Ca 4554/13 - auch insoweit zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Oktober 2014 - 17 Sa 285/14 - zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die in Ziff. I.2. zugesprochenen Zinsen erst ab dem jeweils 16. der genannten Monate zu zahlen sind.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 24 % und die Beklagte zu 76 %, die des Berufungsverfahrens der Kläger zu 9 % und die Beklagte zu 91 % sowie des Revisionsverfahrens der Kläger zu 2 % und die Beklagte zu 98 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Der Kläger ist seit 2005 als Fluggastkontrolleur/Sicherheitsmitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt und wird auf dem Flughafen B eingesetzt. Sein Bruttostundenlohn betrug zuletzt 11,88 Euro bzw. - ab 1. Januar 2013 - 12,25 Euro. Bei seiner Tätigkeit nimmt der Kläger zugleich als Beliehener Aufgaben nach § 5 Abs. 1 bis Abs. 4 Luftsicherheitsgesetz vom 11. Januar 2005 (LuftSiG) wahr (sog. Luftsicherheitsassistent).

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 24. Januar 2005, in dem es ua. heißt:

„§ 16 Beschäftigungsvoraussetzung

16.1 Der Mitarbeiter ist verpflichtet, Aufgaben gemäß § 29c des LuftSiG wahrzunehmen. Voraussetzung für die Erledigung dieser Tätigkeit ist eine Beleihung durch das Bundesministerium des Inneren bzw. die zuständige Fachbehörde. Der Mitarbeiter stimmt einer solchen Bestellung zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben ausdrücklich zu. Im Rahmen der Bestellung unterliegt er neben dem Weisungsrecht durch die Vorgesetzten auch der Aufsicht des Bundesministeriums des Inneren bzw. der zuständigen Fachbehörde.

16.2 Dem Mitarbeiter ist bekannt, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit besteht, so lange die Beleihung nicht zurückgenommen bzw. widerrufen ist. Die Beleihung kann durch das Bundesministerium des Inneren bzw. die zuständige Fachbehörde zurückgenommen oder widerrufen werden, wenn

- nachträglich Umstände bekannt werden, bei deren Kenntnis eine Bestellung nicht vorgenommen wäre,

- die geforderten Voraussetzungen für die Bestellung in der Person des Mitarbeiters weggefallen sind oder wegfallen,

- Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Mitarbeiter für die Aufgabenstellung ungeeignet ist.

16.3 Wird die Beleihung durch das Bundesministerium des Inneren bzw. die zuständige Fachbehörde zurückgenommen oder widerrufen, ist S berechtigt, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen.“

4

Nachdem der Kläger von einer Kollegin beschuldigt worden war, im Dienst Straftaten begangen zu haben, wandte sich die Bundespolizeidirektion Berlin mit Schreiben vom 29. Juni 2012 an die Beklagte und teilte ihr ua. mit:

„Unbeachtlich Ihrer eigenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen ist Herr W mit sofortiger Wirkung gemäß § 9 Abs. 1 des geltenden Überbrückungsvertrags vom 12. März 2012 i.V.m. der Anlage 1 zum Leistungsverzeichnis (Richtlinien über die Anforderungen an LuftAss zum Vollzug des § 5 LuftSiG auf deutschen Flughäfen) bis auf Weiteres nicht mehr als LuftAss einzusetzen.“

5

Unter Verweis auf dieses Schreiben und § 16 Arbeitsvertrag suspendierte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2012 „bis auf Weiteres“ vom Dienst. Nach Gewährung von Urlaub stellte sie ab August 2012 die Gehaltszahlung ein.

6

Die Gemeinsame Obere Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg ordnete, sofort vollziehbar, mit Bescheid vom 2. Juli 2012 eine Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7 LuftSiG an und versagte dem Kläger den Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen der Berliner Verkehrsflughäfen. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Auf seinen Antrag stellte das Verwaltungsgericht Potsdam mit Beschluss vom 6. August 2012 (- VG 10 L 377/12 -) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her. Dies teilte der Kläger noch am selben Tag der Beklagten mit und forderte sie auf, ihn wieder zu beschäftigen. Das lehnte die Beklagte ab.

7

Die gegen den Kläger geführten strafrechtlichen Ermittlungen stellte die Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Die Bundespolizeidirektion Berlin hob mit Schreiben an die Beklagte vom 26. Juli 2013 „den angeordneten Nichteinsatz als LuftAss“ mit sofortiger Wirkung auf. Seit dem 10. August 2013 wird der Kläger wieder an seinem alten Arbeitsplatz beschäftigt.

8

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 30. November 2012 hat der Kläger mit der am 27. März 2013 eingereichten Klage - soweit für die Revision von Belang - Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 7. August 2012 bis zum 31. Juli 2013 verlangt. Die Beklagte habe sich im Annahmeverzug befunden. Nach Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Gemeinsamen Oberen Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg habe er die geschuldete Tätigkeit wieder ausüben dürfen und können. Das Verlangen der Bundespolizeidirektion Berlin gegenüber der Beklagten, ihn nicht als Luftsicherheitsassistenten einzusetzen, sei kein Beschäftigungsverbot und führe nicht zu einem Unvermögen iSv. § 297 BGB. Zumindest habe die Beklagte es pflichtwidrig unterlassen, nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bei der Bundespolizeidirektion eine Aufhebung der Anordnung zu erwirken. Für den Annahmeverzugszeitraum schulde die Beklagte Vergütung entsprechend den von ihr für den Kläger geplanten Einsätzen, eine Gratifikation von monatlich 100,00 Euro brutto und Zeitgutschriften auf dem Arbeitszeitkonto, das nach dem (Haus-)Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung vom 10. Februar 2012 (im Folgenden TV BS) für ihn geführt werde.

9

Der Kläger hat zuletzt - soweit für die Revision von Belang - sinngemäß beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.620,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter Staffelung zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.300,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter Staffelung zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, seinem Arbeitszeitkonto 48 Stunden gutzuschreiben.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie habe sich nicht im Annahmeverzug befunden, weil der Kläger aufgrund der Anweisung der Bundespolizeidirektion nicht als Luftsicherheitsassistent habe eingesetzt werden dürfen. Das Risiko eines solchen Verbots müsse sie nicht tragen. Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit habe nicht bestanden.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - durch Teilurteil abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass sich die Beklagte im Streitzeitraum 7. August 2012 bis 31. Juli 2013 im Annahmeverzug befunden hat. Doch ist die Klage auf Zeitgutschrift unzulässig.

13

I. Die Klage auf Zeitgutschrift ist mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig.

14

1. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können, und das Leistungsbegehren konkretisiert, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll(BAG 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 10 mwN).

15

2. Diesen Anforderungen genügt der Klageantrag zu 3. nicht. Das Vorbringen des Klägers lässt nicht erkennen, wie das Arbeitszeitkonto gestaltet ist und an welcher Buchungsstelle die Gutschrift vorgenommen werden soll.

16

Soweit der Kläger auf den rechtlichen Hinweis des Senats mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2015 vorbringt, das von der Beklagten für den Kläger geführte Arbeitszeitkonto weise „keine Differenzierungen hinsichtlich etwaiger Buchungsspalten“ auf, handelt es sich um neuen Sachvortrag in der Revisionsinstanz, der nach § 559 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt werden kann. Zudem muss ein „Konto“ per definitionem mindestens zwei Spalten haben, in denen Soll und Haben festgehalten werden.

17

3. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob es eine in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich unzulässige Klageänderung(vgl. hierzu BAG 22. Oktober 2014 - 5 AZR 731/12 - Rn. 36 mwN, BAGE 149, 343) ist, wenn der Kläger sich nunmehr erstmals auf ein Arbeitszeitkonto nach einer Betriebsvereinbarung vom 26. Februar 2014 (BV) beruft, während er in den Vorinstanzen den Antrag auf Zeitgutschrift auf ein Arbeitszeitkonto nach dem TV BS gestützt hat. Ebenso kann offenbleiben, ob „Gutstunden“ aus dem Annahmeverzugszeitraum noch auf dem jetzigen Arbeitszeitkonto gebucht werden könnten, obwohl § 2 Nr. 5 BV eine Auszahlung des Zeitguthabens am Jahresende vorsieht.

18

II. Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Der Kläger hat nach § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611 Abs. 1 BGB Anspruch auf die Vergütung, die er erhalten hätte, wenn die Beklagte im Streitzeitraum seine Arbeitsleistung angenommen hätte. Denn die Beklagte befand sich im Annahmeverzug.

19

1. Der Arbeitgeber kommt gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis(zum rückwirkend begründeten vgl. BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 22 f.) die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB(BAG 25. Februar 2015 - 1 AZR 642/13 - Rn. 41; 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 41). Ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB) genügt, wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder er sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen (BAG 25. Februar 2015 - 1 AZR 642/13 - Rn. 41; 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 41). Streiten die Parteien über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses, genügt ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers. Dieses kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert und/oder eine Bestandsschutzklage einreicht (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgegangen, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich(BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14, BAGE 141, 34; 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28, BAGE 143, 119; 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Zudem kann ein Angebot der Arbeitsleistung ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Arbeitgeber auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 17; 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 22 mwN, BAGE 149, 144; BGH 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe), insbesondere er durch einseitige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit auf das Angebot der Arbeitsleistung verzichtet hat (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 25; 26. Juni 2013 - 5 AZR 432/12 - Rn. 18).

20

Der Kläger hat der Beklagten nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam seine Arbeitsleistung wörtlich angeboten.

21

2. Der Annahmeverzug der Beklagten ist nicht gemäß § 297 BGB ausgeschlossen.

22

a) Nach dieser Vorschrift kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außerstande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die Leistungsfähigkeit ist - neben dem Leistungswillen - eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16, BAGE 141, 34; 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 17, BAGE 149, 144). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freigestellt worden ist. Deren Aufhebung bedeutet zwar einen Verzicht des Arbeitgebers auf das Angebot der Arbeitsleistung. Jedoch muss der Arbeitnehmer zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung fähig sein, ein Absehen von den Erfordernissen des § 297 BGB bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien(BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 26 mwN).

23

Unerheblich ist die Ursache für die Leistungsunfähigkeit des Arbeitsnehmers. Das Unvermögen kann auf tatsächlichen Umständen (wie zB Arbeitsunfähigkeit) beruhen oder ihre Ursache im Rechtlichen haben, etwa wenn ein gesetzliches Beschäftigungsverbot besteht (zu den Anforderungen hierfür BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 15, BAGE 130, 29) oder eine erforderliche Erlaubnis für das Ausüben der geschuldeten Tätigkeit fehlt (BAG 6. März 1974 - 5 AZR 313/73 - zu I 1 der Gründe - Wegfall der Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs; 18. Dezember 1986 - 2 AZR 34/86 - zu B II 2 der Gründe - Entzug der Fahrerlaubnis eines als Auslieferungsfahrer beschäftigten Arbeitnehmers; 15. Juni 2004 - 9 AZR 483/03 - zu I 2 der Gründe, BAGE 111, 97 - fehlende bergrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung; 10. April 2014 - 2 AZR 812/12 - Rn. 27 ff. - Entzug der missio canonica einer Gemeindereferentin; 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - Rn. 17 - Entzug der Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen nach SÜG; 23. September 2015 - 5 AZR 146/14 - Rn. 15 ff. - Entzug der für eine Tätigkeit bei den US-Streitkräften erforderlichen Einsatzgenehmigung; siehe auch die Beispiele bei MüKoBGB/Henssler 6. Aufl. § 615 Rn. 30; HWK/Krause 6. Aufl. § 615 BGB Rn. 55).

24

b) Nach diesen Grundsätzen war dem Kläger die Erbringung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit als Fluggastkontrolleur/Sicherheitsmitarbeiter weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich.

25

aa) Im Tatsächlichen setzt die Ausübung der Tätigkeit in der Fluggastkontrolle voraus, dass der Kläger die sicherheitsrelevanten Bereiche des Flughafens B im Streitzeitraum betreten durfte, um an seinen Arbeitsplatz zu gelangen. Das war nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 6. August 2012, mit der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen den Bescheid der Gemeinsamen Oberen Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg vom 2. Juli 2012 wiederhergestellt wurde, der Fall.

26

bb) In rechtlicher Hinsicht erfordert die Ausübung der vom Kläger geschuldeten (und damit iSv. § 294 BGB zu bewirkenden) Arbeitsleistung - wie in § 16 Arbeitsvertrag festgehalten - eine Beleihung als Luftsicherheitsassistent. Auch daran fehlte es im Streitzeitraum nicht. Weder die Obere Luftfahrtbehörde noch die Bundespolizei haben von der Möglichkeit des Widerrufs der Beleihung nach § 5 Abs. 5 Satz 2 LuftSiG Gebrauch gemacht.

27

Des Weiteren darf ein als Beliehener eingesetzter Arbeitnehmer seine Tätigkeit nur mit einer abgeschlossenen Zuverlässigkeitsprüfung, bei der keine Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen verblieben sind, aufnehmen, § 7 Abs. 6 LuftSiG. Diese Voraussetzung erfüllte der Kläger. Die von der Oberen Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg im Bescheid vom 2. Juli 2012 angeordnete Einleitung einer Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Luftsicherheits-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung (LuftSiZÜV) war lediglich eine Verfahrenshandlung, die zu einer neuen Sachentscheidung hätte führen können(vgl. VG Potsdam 6. August 2012 - VG 10 L 377/12 -). Dass die Überprüfung - noch dazu im Streitzeitraum - mit der Aufhebung der Feststellung der Zuverlässigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 LuftSiZÜV) endete, hat die Beklagte nicht behauptet. Davon ist auch nicht auszugehen, nachdem die Beklagte den Kläger seit dem 10. August 2013 wieder an seinem alten Arbeitsplatz beschäftigt.

28

3. Das Schreiben der Bundespolizeidirektion Berlin vom 29. Juni 2012 war nicht geeignet, Unvermögen des Klägers iSv. § 297 BGB zu begründen.

29

a) Unbeschadet der Frage, ob die Bundespolizei nach § 4 Gesetz über die Bundespolizei (BPolG) überhaupt die Kompetenz dazu hätte, Beliehenen ohne Widerruf der Beleihung generell oder zumindest nach § 7 Abs. 2 LuftSiZÜV für die Dauer einer Zuverlässigkeitsüberprüfung den Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen eines Flughafens zu versagen, enthält das Schreiben vom 29. Juni 2012 kein derartiges Verbot und hinderte den Kläger im Streitzeitraum nicht, an seinen Arbeitsplatz zu gelangen.

30

b) Auch ein zum rechtlichen Unvermögen des Klägers führendes Beschäftigungsverbot enthält die Maßnahme der Bundespolizeidirektion Berlin nicht.

31

aa) Ebenso wie das gesetzliche Beschäftigungsverbot (hierzu BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 15, BAGE 130, 29) muss ein rechtliches Unvermögen begründendes behördliches Beschäftigungsverbot diese Rechtsfolge klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Es muss sich zudem um eine hoheitliche Maßnahme handeln, die dem betroffenen Arbeitnehmer förmlich bekannt gegeben wird (vgl. § 41 Abs. 1 VwVfG) und ihm die von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgte Möglichkeit einräumt, gegen das Beschäftigungsverbot den Rechtsweg zu beschreiten, sofern nicht Völkerrecht entgegensteht(vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 146/14 - Rn. 17).

32

bb) Dem genügt das nur an die Beklagte gerichtete „Einsatzverbot“ der Bundespolizeidirektion Berlin nicht. Es verbietet nicht dem Kläger die Ausübung der Tätigkeit eines Luftsicherheitsassistenten, sondern der Beklagten den Einsatz des Klägers als solchen. Die Behörde trifft keine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (§ 35 Satz 1 VwVfG), sondern beruft sich als Auftraggeberin auf vertragliche Grundlagen, die sie und die Beklagte verbinden. Dementsprechend richtet sich die Maßnahme nicht unmittelbar gegen den Kläger und eröffnet ihm nicht den Rechtsweg.

33

c) Ein vom Auftraggeber oder Kunden unter Berufung auf vertragliche Pflichten an den Arbeitgeber gerichtetes Verbot, einen bestimmten Arbeitnehmer einzusetzen, begründet grundsätzlich kein Unvermögen (§ 297 BGB) dieses Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Kann in einem solchen Falle der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht weiterhin mit der zugewiesenen Tätigkeit beschäftigen und hat auch keine andere Einsatzmöglichkeit für ihn, schließt dies Annahmeverzug nur unter der Voraussetzung der Unzumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung aus.

34

Der Arbeitgeber kommt trotz Nichtannahme der Arbeitsleistung nicht in Annahmeverzug, wenn ihm nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeitslebens die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar ist (st. Rspr. seit BAG GS 26. April 1956 - GS 1/56 - BAGE 3, 66; zuletzt BAG 16. April 2014 - 5 AZR 739/11 - Rn. 17 mwN).

35

Der Beklagten war im Streitzeitraum die Annahme der Arbeitsleistung nicht unzumutbar. Der Kläger war Opfer einer Denunziation. Ein ungewöhnlich schwerer Verstoß gegen allgemeine Verhaltenspflichten (zu einem solchen Fall BAG 16. April 2014 - 5 AZR 739/11 - Rn. 19) kann ihm nicht zur Last gelegt werden. Die vertraglichen Grundlagen, auf die sich das „Einsatzverbot“ stützt, hat die Beklagte nicht offengelegt, so dass nicht überprüft werden kann, ob sie überhaupt in der von ihr reklamierten Weise gebunden war. Sie hat auch nicht dargelegt, welche Folgen sie befürchten musste, hätte sie sich dem Verlangen der Bundespolizeidirektion widersetzt. Außerdem hat die Beklagte nicht einmal versucht, ihren Auftraggeber umzustimmen, was zumindest auf die Mitteilung des Klägers vom 6. August 2012 hin veranlasst gewesen wäre.

36

4. Weil die Beklagte sich im Annahmeverzug befand, bedarf es keiner erneuten Entscheidung des Senats zu § 615 Satz 3 BGB(vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 146/14 - Rn. 20 ff. mwN).

37

5. Rechtsfolge des Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB ist die Aufrechterhaltung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs(st. Rspr., zuletzt BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 22 mwN), der Arbeitnehmer hat trotz Nichtleistung der Arbeit Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Deren Höhe ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für die Monate September 2012 bis Juli 2013 zwischen den Parteien nicht streitig. Gegen die Höhe der vom Landesarbeitsgericht dem Kläger für August 2012 zugesprochenen Vergütung führt die Beklagte keine Revisionsangriffe.

38

6. Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB stehen dem Kläger ab dem Tag nach Eintritt der Fälligkeit zu(vgl. BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 27 mwN). Weil (auch) die Gratifikation nach § 10 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 5 TV BS am 15. des Folgemonats fällig wird, ist die Zinsentscheidung des Landesarbeitsgerichts in Ziff. I. 2. des Berufungsurteils entsprechend zu korrigieren.

39

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Sie umfasst die Kosten, die durch die vom Kläger zurückgenommene Berufung gegen das erstinstanzliche Schlussurteil entstanden sind.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Feldmeier    

        

    R. Rehwald    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Februar 2012 - 18 Sa 867/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Die Beklagte, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt ein Krankenhaus. Die 1978 geborene Klägerin gehört dem islamischen Glauben an. Sie wurde von der Beklagten, bei der sie zunächst seit 1996 eine Ausbildung absolviert hatte, in ein Arbeitsverhältnis übernommen.

3

Im Arbeitsvertrag vom 22. Dezember 2000 heißt es ua.:

        

㤠1

        

Frau T … wird mit Wirkung vom 01.02.2001 als Krankenschwester weiterbeschäftigt.

        

§ 2

        

Vertragsinhalt sind

        

1.    

die Bestimmungen des Bundes-Angestellten-tarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF),

        

2.    

die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen,

        

wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG) und seinen Änderungen geregelt sind.“

4

Die Präambel des Bundes-Angestelltentarifvertrags in kirchlicher Fassung (im Folgenden: BAT-KF) lautet:

        

„Präambel

        

Der kirchliche Dienst ist durch den Auftrag der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat bestimmt. Nach ihren Gaben, Aufgaben und Verantwortungsbereichen tragen die kirchlichen Mitarbeitenden, wie es in der ‚Richtlinie des Rates der EKD nach § 9 Buchstabe b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der EKD und des Diakonischen Werkes der EKD‘ in der Fassung vom 1. Juli 2005 bestimmt ist, zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Ihr gesamtes Verhalten im Dienst und außerhalb des Dienstes muss der Verantwortung entsprechen, die sie als Mitarbeitende im Dienst der Kirche übernommen haben. Es wird von ihnen erwartet, dass sie die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahen.“

5

In der „Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Art. 9 Buchst. b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des diakonischen Werkes der EKD“ (im Folgenden: RL-EKD) heißt es auszugsweise:

        

㤠2

        

Grundlagen des kirchlichen Dienstes

        

(1) Der Dienst der Kirche ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Alle Frauen und Männer, die in Anstellungsverhältnissen in Kirche und Diakonie tätig sind, tragen in unterschiedlicher Weise dazu bei, dass dieser Auftrag erfüllt werden kann. Dieser Auftrag ist Grundlage der Rechte und Pflichten von Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

        

…       

        

§ 4

        

Berufliche Anforderungen während des Arbeitsverhältnisses

        

(1) Je nach Aufgabenbereich übernehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben. Sie haben sich daher loyal gegenüber der evangelischen Kirche zu verhalten.

        

(2) Von evangelischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis anerkennen. Sofern sie in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung tätig sind, wird eine inner- und außerdienstliche Lebensführung erwartet, die der übernommenen Verantwortung entspricht.

        

(3) Von christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung eintreten.

        

(4) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.“

6

In einer zwischen der Beklagten und der Mitarbeitervertretung geschlossenen „Dienstvereinbarung zur Personalhygiene …“ vom 24. August 2009 ist ua. geregelt:

        

„Vorwort

        

Die A gGmbH stellt den Mitarbeitern unentgeltlich Berufs- und Schutzkleidung zur Verfügung, soweit dies nach den gesetzlichen oder anerkannten Regeln der Krankenhaushygiene und des Arbeitsschutzes erforderlich ist.

        

…       

        

Die Bereitstellung der Dienstkleidung durch den Arbeitgeber hat zum Ziel, ein einheitliches Erscheinungsbild nach außen zu dokumentieren und damit die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) und Hygienevorschriften zu erleichtern.

        

…       

        

Die Umsetzung dieser Dienstanweisung ist für alle Mitarbeiter verbindlich.

        

…       

        

1.    

Berufskleidung

        

…       

        
                 

●       

In den Abteilungen und Bereichen des Krankenhauses, in denen Berufs- und Schutzkleidung zu tragen ist, ist das Tragen von sonstiger Privatkleidung (z.B. Jeans, Pullover, Halstuch, Kopftuch) untersagt. Bei Dienstwegen außerhalb des Krankenhauses (Personalabteilung) kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden, ebenso bei Zeiten außerhalb der direkten Patientenbetreuung kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden.

                 

●       

Die Berufskleidung ist regelmäßig der Aufbereitung der Krankenhauswäscherei zuzuführen. Die Berufskleidung darf auf keinen Fall zu Hause gewaschen werden.

        

…       

                 
        

12.     

Allgemeine Hinweise

                 

●       

Vor Betreten der Cafeteria ist der Dienstkittel in der Garderobe abzulegen.

                 

●       

Das Tragen von Kopftüchern ist während der Arbeitszeit nicht gestattet.

                 

●       

Das Tragen von Stethoskopen in der Cafeteria ist untersagt.

        

…“    

                 
7

Die Klägerin befand sich vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Anschließend war sie arbeitsunfähig krank. Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 26. April 2010 wandte sich die Klägerin wegen einer von ihr gewünschten Wiedereingliederung an die Beklagte und teilte gleichzeitig mit, sie wolle aus religiösen Gründen während ihrer Tätigkeit ein Kopftuch tragen. In einem weiteren Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 18. Mai 2010 heißt es ua.:

        

„…    

        

Frau T teilte uns mit, dass Sie sich bei ihr noch nicht bezüglich der gewünschten Wiedereingliederung gemeldet haben.

        

Wir bitten Sie, mit Frau T Kontakt aufzunehmen und Ihr Zeit und Ort für die Wiederaufnahme der Tätigkeit bis zum 21.05.2010 mitzuteilen.

        

Mit diesem Schreiben bieten wir offiziell die Arbeitskraft unseres Mitgliedes an und werden, sollte eine Reaktion Ihrerseits nicht erfolgen, arbeitsrechtliche Schritte zur Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs einleiten.

        

…“    

8

Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 25. Mai 2010, in dem ua. ausgeführt wird:

        

„…    

        

Ihre Mandantin hatte darum gebeten, ein Wiedereingliederungsverfahren durchzuführen. Wie Ihnen bekannt ist, besteht auf die Durchführung eines solchen Verfahrens kein Rechtsanspruch. Unsere Mandantin hatte sich gleichwohl dazu bereit erklärt unter der Voraussetzung, dass die Kleiderordnung eingehalten wird. Gem. Ziffer 12 ist das Tragen von Kopftüchern während der Arbeitszeit nicht gestattet. Die Kleiderordnung ist seinerzeit gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung beschlossen worden.

        

Wie Sie in Ihrem Schreiben vom 26.4.2010 mitteilen, trägt Frau T das Kopftuch aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung. Bei unserer Mandantin handelt es sich um ein konfessionelles Krankenhaus. In konfessionellen Krankenhäusern hat der Arbeitgeber ein Direktionsrecht dahingehend, dass er das Tragen von Kopftüchern verbieten kann.

        

…       

        

Unsere Mandantin besteht nach wie vor darauf, dass das Kopftuchverbot eingehalten wird. Sobald die entsprechende Zustimmung Ihrer Mandantin vorliegt, kann ein Wiedereingliederungsverfahren durchgeführt werden.

        

…“    

9

Mit Schreiben ihrer jetzigen Bevollmächtigten vom 25. August 2010 wandte sich die Klägerin wie folgt erneut an die Beklagte:

        

„…    

        

Unsere Mandantin befindet sich seit Beginn ihrer Ausbildung im Kalenderjahr 1996 bis heute bei Ihnen in einem Arbeitsverhältnis als Krankenschwester. Aufgrund einer längeren Erkrankung nach Beendigung ihrer Elternzeit im Januar 2009 sollte sie ab dem 23.08.2010 ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. In Absprache mit Ihnen und ihrem Hausarzt wurde ein Wiedereingliederungsplan erarbeitet.

        

Als unsere Mandantin Ihnen am 23.08.2010 Ihre Arbeitsleistung anbot, erklärten Sie unserer Mandantin, dass sie ihr Kopftuch während der Arbeitszeit ablegen müsse. Mit einem Kopftuch tragend brauche sie nicht zu erscheinen. Sie drohten Ihr an, dass sofern Sie dies nicht täte, ihr gegenüber eine Kündigung ausgesprochen werden würde. Unsere Mandantin ist aus tief religiösen Gründen nicht geneigt, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen.

        

Hiermit bieten wir Ihnen namens und im Auftrage unserer Mandantin nochmals ihre

        

Arbeitsleistung

        

an.    

        

Unsere Mandantin ist bereit, unverzüglich die Arbeit in Ihrem Hause aufzunehmen.

        

Bitte teilen Sie uns mit, wann unsere Mandantin zum Dienst erscheinen soll.

        

…“    

10

Die Beklagte erklärte hierauf mit Schreiben vom 30. August 2010 ua.:

        

„…    

        

Auf das in Kopie beigefügte Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom 18.5.2010 haben wir bereits am 25.5.2010 geantwortet. Auch von diesem Schreiben fügen wir eine Kopie bei, auf das wir vollinhaltlich Bezug nehmen. Daher ist das ‚Angebot‘ Ihrer Mandantin zur Arbeitsaufnahme nicht ordnungsgemäß erfolgt.

        

…“    

11

Mit ihrer am 4. November 2010 eingereichten, mehrfach erweiterten Klage hat die Klägerin Vergütungsansprüche für den Zeitraum 23. August 2010 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei mit der Annahme ihrer Arbeitsleistung in Verzug geraten. Durch ein kleines, farblich an die Dienstkleidung angepasstes, im Nacken gebundenes Kopftuch, wie sie es schon zwischen dem 19. September und Ende Dezember 2005 getragen habe, werde sie nicht daran gehindert, ihre Arbeitsleistung als Krankenschwester zu erbringen. Der Betriebsablauf werde hierdurch nicht beeinträchtigt. Das Verbot, ein Kopftuch, das ihre weiblichen Reize verdecke, oder eine - wie von der Beklagten in Gesprächen ebenfalls untersagt - vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, schränke sie unzulässig in ihrer Glaubensfreiheit und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein. Sie werde dadurch wegen ihrer Religion benachteiligt. Im Koran fänden sich Aussagen zur Bedeckungspflicht der Frau. Ihr ganzer Körper, ausgenommen das Gesicht und die Hände, sei Aura. Diese Aussagen würden zwar von den islamischen Religionslehrern nicht einheitlich ausgelegt, es bleibe aber zumindest die Aufforderung zu anständiger Bekleidung, Bedeckung der Haare oder Verhüllung bestimmter Teile des Körpers aus Gründen der Scham. Das in der Dienstvereinbarung zur Personalhygiene geregelte Verbot sei nicht wirksam. Das Kopftuch werde als religiöses Symbol getragen und könne nicht wie ein normales Kleidungsstück behandelt werden. Die Regelungen in der Präambel des BAT-KF und der Richtlinie des Rates der EKD seien unbestimmt. Aus dem Gebot eines loyalen Verhaltens könne allenfalls eine Neutralitätspflicht abgeleitet werden, die sie durch das Tragen eines Kopftuchs nicht verletze. Das Sichtbarmachen der eigenen Religion stelle keinen Loyalitätsverstoß iSv. § 4 RL-EKD dar. Das Kopftuch werde von der Allgemeinheit nicht mehr nur als Zeichen islamischer Religionszugehörigkeit, sondern auch als modisches Accessoire verstanden. Sie genieße zudem Vertrauensschutz, weil die Beklagte sie in Kenntnis ihrer islamischen Religionszugehörigkeit eingestellt und die Pflegedienstleitung früher das Tragen eines Kopftuchs nicht beanstandet habe. Die Reaktionen von Kollegen und Patienten, von denen viele zuvor keinen Kontakt zum Islam gehabt hätten, seien damals positiv gewesen.

12

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.313,54 Euro brutto nebst Zinsen nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und geltend gemacht, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten. Die Berechtigung es der Klägerin zu untersagen, während der Arbeitszeit ein Kopftuch zu tragen, ergebe sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD. Die Klägerin sei nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD verpflichtet, sich ihr gegenüber loyal zu verhalten, den kirchlichen Auftrag, wie er sich aus § 2 RL-EKD ergebe, zu beachten und ihre Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen. Hieraus resultiere - auch ohne konkretisierende Weisung oder Dienstvereinbarung - eine Neutralitätspflicht. Die Klägerin müsse demzufolge alles unterlassen, was als gegen die Evangelische Kirche gerichtete Meinungsbekundung angesehen werden könne und die Glaubwürdigkeit der Kirche in Frage stelle. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, die Kirche lasse eine Relativierung ihrer Glaubensüberzeugungen zu und halte ihre Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Die unterschiedlichen Religionen stünden sich als „Konkurrenten“ gegenüber, auch wenn sie sich gegenseitig respektieren und anerkennen würden. Als konfessionelles Krankenhaus könne sie sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV berufen. Die Glaubensfreiheit der Klägerin, der die konfessionelle Bindung der Einrichtung bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses bekannt gewesen sei, müsse demgegenüber zurücktreten. Das Kopftuchverbot entspreche billigem Ermessen. Außerdem sei das Tragen von Privatkleidung nach der bestehenden Kleiderordnung untersagt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Klägerin ist begründet. Auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Das führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

16

A. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB bisher nicht dargelegt. Die Klage ist unschlüssig, auch wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, sie sei nicht verpflichtet gewesen, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen. Aus dem Vorbringen der Klägerin selbst ergeben sich gewichtige Indizien, die dafür sprechen, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht leistungsfähig war, § 297 BGB.

17

I. Unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f. mwN, BAGE 141, 34). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert seine Arbeitsfähigkeit darlegt (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 27).

18

II. Die von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs vorgelegten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 beziehen sich auf eine Arbeitsaufnahme im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses. Nach § 74 SGB V kommt eine stufenweise Wiedereingliederung in Betracht, wenn arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten können und sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich wieder besser in das Erwerbsleben eingegliedert werden können. Die Erstellung eines Wiedereingliederungsplans mit einem zum 23. August 2010 vorgesehenen Beginn der Wiedereingliederung ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass der behandelnde Arzt von einer über den 23. August 2010 hinaus fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausging. Die Klägerin hätte vor diesem Hintergrund erläutern müssen, aufgrund welcher Tatsachen sie dennoch für die vertraglich geschuldete Tätigkeit arbeitsfähig gewesen oder im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsfähig geworden sei und dies der Beklagten - verbunden mit einem Angebot der Arbeitsleistung - mitgeteilt hätte. Dies ist nicht geschehen.

19

B. Nachdem die Vorinstanzen die Klägerin im Hinblick auf die im Schriftwechsel der Parteien in Rede stehende Wiedereingliederung nicht auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage hingewiesen haben, ist ihr Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag zu ergänzen.

20

I. Der Klägerin obliegt es, die Indizwirkung des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans zu erschüttern und ihre Leistungsfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum darzulegen.

21

II. Sie hat darüber hinaus - unabhängig davon, ob sie verpflichtet gewesen wäre, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen - darzulegen, dass sie der Beklagten die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und nicht eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hat. Dies ist den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen.

22

1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen, § 295 BGB. Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14, BAGE 141, 34; 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28, BAGE 143, 119; 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 17; BGH 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe).

23

2. Ob die Klägerin eine Arbeitsleistung iSv. § 611 BGB angeboten hat, kann der Senat nicht entscheiden.

24

a) Ein tatsächliches Angebot iSv. § 294 BGB hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr von der Beklagten bestrittener Vortrag ist - wie bereits vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt - unsubstantiiert. Wann und wem gegenüber sie ihre Leistung tatsächlich angeboten haben will, hat die Klägerin nicht angegeben.

25

b) Ob ein tatsächliches Angebot entbehrlich war und die Klägerin die Arbeitsleistung iSv. § 295 BGB wörtlich angeboten hat, ist durch Auslegung des Schriftwechsels der Parteien zu ermitteln.

26

aa) Ein tatsächliches Angebot wäre nach § 295 BGB entbehrlich gewesen, wenn die an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 - eine Berechtigung der Klägerin unterstellt, die Arbeit kopftuchtragend zu verrichten - als Angebot der geschuldeten Arbeitsleistung und das Antwortschreiben der Beklagten vom 25. Mai 2010 oder jedenfalls das vom 30. August 2010 als ernsthafte und endgültige Weigerung, diese wie angeboten anzunehmen, zu verstehen wären.

27

bb) Die Schreiben der Parteien enthalten nichttypische Erklärungen. Die Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen ist grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehalten. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23; 15. April 2014 - 3 AZR 435/12 - Rn. 18).

28

(1) Verträge und Willenserklärungen sind nach dem Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Auslegungsziel ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern das, was der Adressat nach seinem Empfängerhorizont als Willen des Erklärenden verstehen konnte (BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 36). Zu würdigen sind neben dem Wortlaut der Erklärung auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 14, BAGE 145, 249).

29

(2) Das Landesarbeitsgericht ist von einem „Angebot“ der Klägerin und einer „Ablehnung“ durch die Beklagte ausgegangen, ohne den Bedeutungsgehalt der von den Parteien unstreitig abgegebenen Erklärungen durch Auslegung ihres Schriftwechsels zu ermitteln. Doch spricht der Wortlaut des zwischen den Parteien geführten Schriftwechsels gegen die Annahme, die Klägerin habe die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wörtlich angeboten. Ihre Schreiben beziehen sich auf eine Aufnahme der Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung, auch wenn die Klägerin darin abschließend erklärte, sie böte ihre „Arbeitskraft“ bzw. „Arbeitsleistung“ an. Dass die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 25. Mai 2010 ausdrücklich auf ein von der Klägerin gewünschtes Wiedereingliederungsverfahren abstellt, spricht für ein Verständnis in diesem Sinne. Die Klägerin hat einer derartigen Auslegung nicht widersprochen, sondern diese bestätigt, indem sie mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. August 2010 auf einen in Absprache mit ihrem Hausarzt und der Beklagten erarbeiteten Wiedereingliederungsplan Bezug nimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 30. August 2010. Darin weist die Beklagte lediglich auf die zuvor gewechselten Schreiben hin.

30

c) Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen nur dann selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24, BAGE 135, 255; 14. Mai 2013 - 9 AZR 844/11 - Rn. 11, BAGE 145, 107). Danach kann der Senat die gebotene Auslegung nicht selbst vornehmen. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zu den Begleitumständen des Schriftwechsels der Parteien und zum Inhalt des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans getroffen.

31

III. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung wegen Annahmeverzugs nach §§ 611, 615 BGB käme nicht in Betracht, wenn die Klägerin lediglich eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hätte.

32

1. Ein Wiedereingliederungsverhältnis ist nicht als Teil des Arbeitsverhältnisses zu werten, sondern stellt neben diesem ein Vertragsverhältnis eigener Art (sui generis) dar (st. Rspr. BAG 29. Januar 1992 - 5 AZR 37/91 - zu II 3 der Gründe, BAGE 69, 272; 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - BAGE 92, 140). Anders als das Arbeitsverhältnis ist das Wiedereingliederungsverhältnis nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet (BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a aa der Gründe, aaO; Schmidt NZA 2007, 893). Zur Begründung des Wiedereingliederungsverhältnisses bedarf es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es gilt für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit (BAG 13. Juni 2006 - 9 AZR 229/05 - Rn. 23, 33, BAGE 118, 252). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, weil die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauert, während des Wiedereingliederungsverhältnisses weiterhin von den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses gemäß § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB befreit(BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a bb der Gründe, aaO). Der Arbeitnehmer erbringt nicht die geschuldete Arbeitsleistung. Es besteht deshalb kein Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung, es sei denn, der Arbeitgeber hat sich bei Abschluss der Wiedereingliederungsvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend zu einer Zahlung verpflichtet. Auch ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 612 Abs. 1 BGB besteht nicht.

33

2. Ergäbe die Auslegung des Schriftwechsels der Parteien, die Klägerin habe lediglich eine Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung angeboten, würde ein Annahmeverzugsanspruch - unabhängig von der Frage, ob sie berechtigt gewesen wäre, hierbei ein Kopftuch zu tragen - ausscheiden.

34

C. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

35

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne offenbleiben, ob ein Verbot, während der Arbeit ein religiös motiviertes Kopftuch zu tragen, bereits aus der Dienstvereinbarung vom 24. August 2009 folge. Es sei jedenfalls vom Weisungsrecht der Beklagten gedeckt. Eine - unterstellte - Weisung habe billigem Ermessen nach § 106 Satz 1 GewO entsprochen. Die Beklagte habe sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen können. Das Interesse der Beklagten, ihr Selbstbestimmungsrecht zu wahren, überwiege die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubensfreiheit der Klägerin. Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht in der rechten Weise angeboten, indem sie es abgelehnt habe, ihre Arbeit ohne Kopftuch zu verrichten.

36

II. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Einrichtung der Beklagten - wie es deren Berufung auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV voraussetzte - der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin und ein Angebot der Arbeitsleistung unterstellt, hätte die Klägerin nur in diesem Fall die Leistung entgegen §§ 294, 295 BGB nicht so angeboten, wie sie zu bewirken war. Sie wäre arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, das Tragen eines islamischen Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihrem Verständnis der Glaubensgebote des Islam entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen. In Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen der Parteien und unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls müsste die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zurücktreten. Könnte sich die Beklagte nicht auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen, wäre der Glaubensfreiheit der Klägerin gegenüber den Interessen der Beklagten der Vorrang einzuräumen.

37

1. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, § 293 BGB. Die Leistung muss ihm - nach § 294 BGB tatsächlich oder unter den Voraussetzungen von § 295 BGB wörtlich - so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist, dh. am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 294 Rn. 4).

38

a) Das Tragen einer bestimmten Kleidung kann zur vertragsgemäßen Erfüllung der Arbeitsleistung geboten sein (BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9 und 11, BAGE 121, 147). Ebenso kann es hierzu geboten sein, es zu unterlassen, sich in einer bestimmten Art zu kleiden. Eine bestimmte Bekleidung kann - ohne besondere vertragliche Vereinbarung - eine arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht des Arbeitnehmers darstellen, die der Arbeitspflicht nahekommt. Bekleidungsobliegenheiten können sich auch aus der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag ergeben. In diesem Fall sind sie Teil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht (vgl. Brose/Greiner/Preis NZA 2011, 369, 371 ff.). Bei der Bestimmung sich aus dem Arbeitsvertrag ergebender Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten in Bezug auf die Kleidung während der Arbeitszeit gebietet der Schutz des Arbeitnehmers vor Überforderung eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechtspositionen und der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls.

39

b) Die Klägerin wäre - die Zuordnung der Beklagten zur Evangelischen Kirche unterstellt - gehalten gewesen, während der Arbeitszeit das Tragen eines Kopftuchs zu unterlassen. Dies ergibt sich unmittelbar, ohne dass es einer konkretisierenden Weisung oder Dienstvereinbarung bedurft hätte, aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Dabei kann offenbleiben, ob als Bestandteil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht oder als arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht.

40

aa) Die von der Klägerin zu bewirkende Leistung wird nach dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht allein durch die in § 1 Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeit einer Krankenschwester bestimmt, sondern auch durch die Eigenart des kirchlichen Dienstes. Dies resultiert aus § 2 Nr. 1 Arbeitsvertrag iVm. der Präambel des BAT-KF und den darin in Bezug genommenen Bestimmungen der RL-EKD.

41

bb) Die Klägerin hat sich im Arbeitsvertrag nicht nur verpflichtet, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten (§ 4 Abs. 1 RL-EKD), sondern darüber hinaus den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihr übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen (§ 4 Abs. 4 RL-EKD). Aus diesen Regelungen ergibt sich unmittelbar - als Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung im kirchlichen Dienst - eine Verpflichtung nichtchristlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche.

42

(1) Die den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im kirchlichen Dienst in § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD auferlegte Pflicht, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten, ist zunächst Ausdruck sich bereits aus § 241 Abs. 2 BGB ergebender allgemeiner vertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwächst einer Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Die Arbeitsvertragsparteien sind danach verpflichtet, den Vertrag so zu erfüllen, ihre Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Welche konkreten Folgen sich aus der Rücksichtnahmepflicht ergeben, hängt von der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 11, 12 mwN, BAGE 141, 1).

43

(2) § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD leitet die vertragliche Loyalitätspflicht, wie der durch das Wort „daher“ vermittelten Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zu entnehmen ist, aus der je nach Aufgabenbereich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernommenen Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben ab. Die RL-EKD beschränkt sich damit schon in § 4 Abs. 1 nicht nur auf die Wiedergabe allgemeiner Loyalitätspflichten als vertragliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis iSv. § 241 Abs. 2 BGB, sondern verknüpft die Loyalitätspflichten in besonderer Weise mit der Wahrnehmung der vertraglichen Aufgaben selbst.

44

(3) Diese Verknüpfung wird durch § 4 Abs. 4 RL-EKD verstärkt, wonach - als Bestandteil abgestufter Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer - auch die nichtchristlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen haben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD ist der Dienst der Kirche durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Dies entspricht dem Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft, die alle am kirchlichen Auftrag Teilnehmenden verbindet, unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage und in welcher Einrichtung sie tätig sind (Joussen RdA 2007, 328, 333). Nach diesem theologisch geprägten Selbstverständnis verwirklicht die Arbeitsleistung in der Kirche und den ihr zugeordneten Einrichtungen ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 98 mwN, BAGE 143, 354). Hieran wirken alle Beschäftigten durch ihre Tätigkeit und ungeachtet ihres individuellen Glaubens oder ihrer weltanschaulichen Überzeugungen mit (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 99 mwN, aaO). Die in einem Anstellungsverhältnis in Kirche und Diakonie stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 RL-EKD in unterschiedlicher Weise zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Er ist die Grundlage der Rechte und Pflichten von kirchlichen Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

45

2. Bei der Ermittlung der Reichweite der sich aus der Bezugnahme auf die RL-EKD ergebenden Pflichten bei der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben - als Voraussetzung für die Bestimmung der nach §§ 294, 295 BGB zu bewirkenden Leistung - sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls die Grundrechte der kirchlichen Arbeitgeberin und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere mit Blick auf deren Tätigkeit und Stellung in der kirchlichen Einrichtung, gegeneinander abzuwägen.

46

a) Die Gerichte für Arbeitssachen sind wegen ihrer durch Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten Grundrechtsbindung gehindert, bei der Auslegung und Anwendung zivilrechtlicher Normen das völlige Zurückweichen eines Grundrechts zugunsten eines anderen hinzunehmen. Sie sind gehalten, im Wege einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der jeweils widerstreitenden grundrechtlichen Gewährleistungen herbeizuführen (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, BVerfGE 128, 1; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, BAGE 143, 354). Diese Pflicht entfällt nicht schon deswegen, weil es sich bei Art. 4 GG um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht handelt. Das hindert ein Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung zum Schutz einer anderen - wie des hier fraglichen kirchlichen Selbstbestimmungsrechts - nicht. Auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte können zum Schutz anderer Grundrechte oder grundrechtlicher Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, aaO; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, aaO).

47

Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Annäherung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden. Eine damit einhergehende Begrenzung verfassungsrechtlich geschützter Interessen darf dabei nicht weiter gehen, als es notwendig ist, um die Konkordanz widerstreitender Rechtsgüter herzustellen. Das Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung muss zum Schutz der anderen geboten sein. Für die erforderliche Abwägung gibt die Verfassung kein bestimmtes Ergebnis vor. Die hiernach vorzunehmende Güterabwägung betrifft nicht den gesamten Bereich der jeweiligen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, sondern ist auf den Ausgleich der konkreten Kollisionslage beschränkt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 114, 115 mwN, BAGE 143, 354).

48

b) Die Interessen der Beklagten könnten danach nur dann vorrangig sein, wenn sich diese als Einrichtung der Evangelischen Kirche auf das durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht als Konkretisierung kollektiver Glaubensfreiheit(vgl. ErfK/Schmidt 14. Aufl. Art. 4 GG Rn. 28 mwN) berufen könnte. In diesem Fall wäre das Tragen eines Kopftuchs oder einer entsprechenden anderen Kopfbedeckung als nach außen hin sichtbarem Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit, angesichts der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit einer Krankenschwester, mit der Verpflichtung zu neutralem Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen. Die Klägerin hätte auch unter Berücksichtigung ihrer Glaubensfreiheit die Arbeitsleistung nicht so angeboten, wie sie zu bewirken ist (§§ 294, 295 BGB), weil sie nicht bereit war, auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren Kopfbedeckung zu verzichten.

49

aa) Die Klägerin betrachtet nach den in der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Tragen eines Kopftuchs als für sich verbindlich von den Regeln ihrer Religion vorgegeben. Das Befolgen dieser Bekleidungsregel ist für sie Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses. Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Bekenntnis zu ihrem Glauben nicht durch das Befolgen von religiös begründeten Bekleidungsregeln sichtbar werden zu lassen, greift in ihre durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verbürgte individuelle Glaubensfreiheit ein(vgl. BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 108, 282). Art. 4 GG garantiert in Abs. 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Abs. 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten. Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Eine Verpflichtung, während der Arbeitszeit auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer diesem entsprechenden Kopfbedeckung zu verzichten, führt für die Klägerin zu einem ernsthaften Glaubenskonflikt, indem sie die Klägerin vor die Wahl stellt, entweder ihre Tätigkeit bei der Beklagten auszuüben oder dem von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten.

50

bb) Eine Obliegenheit, das Tragen der von der Klägerin gewünschten Kopfbedeckung zu tolerieren, schränkte die Beklagte - vorausgesetzt, es handelte sich bei ihr um eine kirchliche Einrichtung - in ihrem durch Art. 140 GG, Art. 137 WRV garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht ein, indem aus der Eigenart des kirchlichen Dienstes resultierende, vertraglich vereinbarte Anforderungen an die Aufgabenerfüllung durch die Klägerin gegenüber deren Glaubensfreiheit zurücktreten müssten. Werden - wie hier - Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch, er macht zugleich von seinem verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).

51

(1) Der Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erfasst die individualrechtliche wie die kollektivrechtliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer. Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen Grundauftrag her bestimmten Aufgaben unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstverständnisses zu treffen sind (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354). Zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgesellschaften gehört, dass diese der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft ihrer Mitarbeiter zugrunde legen können (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt daher für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354).

52

(2) Im Streitfall haben die Gerichte für Arbeitssachen die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkennt, hierüber selbst zu befinden.

53

(a) Es kommt weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven beeinflusst sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa einzelner bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138).

54

(b) Es bleibt grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was „die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert“, was „spezifisch kirchliche Aufgaben“ sind, was „Nähe“ zu ihnen bedeutet, welches die „wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre“ sind und was als Verstoß gegen diese anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine „Abstufung“ der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die staatlichen Gerichte sind an die kirchliche Einschätzung arbeitsvertraglicher Loyalitätspflichten gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), im Begriff der „guten Sitten“ (§ 138 Abs. 1 BGB) und im ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben. Die Gerichte haben jedoch sicherzustellen, dass die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).

55

(3) Die Beklagte hat sich an den nach den Maßstäben der verfassten Kirche den nichtchristlichen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung auferlegten Neutralitäts- und Loyalitätspflichten orientiert. Sie leitet die Berechtigung, die von der Klägerin unter dem Vorbehalt des Tragens eines Kopftuchs angebotene Leistung ablehnen zu dürfen, aus dem für nichtchristliche Mitarbeiter nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD iVm. § 2 Abs. 1 RL-EKD geltenden Neutralitätsgebot ab.

56

cc) Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls wäre den Interessen der Beklagten - handelte es sich um eine kirchliche Einrichtung - gegenüber denen der Klägerin Vorrang einzuräumen. Der Senat folgt insoweit der zutreffenden Begründung des Landesarbeitsgerichts:

57

(1) Bei der Abwägung der Grundrechte der Klägerin mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beklagten - unterstellt es handelt sich bei ihr um eine der Evangelischen Kirche zugeordnete Einrichtung - ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in die Obliegenheit, die an sie gestellten Loyalitätserwartungen im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zu erfüllen, bei Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten eingewilligt hat (vgl. dazu EGMR 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 71; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 46; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Sie hat diesen Erwartungen bei Vertragsschluss zugestimmt und sich ihnen in diesem Sinne freiwillig unterworfen. Zwar liegt darin kein Verzicht auf eine zukünftig andere Ausübung ihrer Glaubensfreiheit. Religiöse Überzeugungen und Gewissenseinstellungen können sich ändern. Auch dies ist von der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit umfasst. Die arbeitsvertragliche Anerkennung der Loyalitäts- und Neutralitätserwartungen der Beklagten durch die Klägerin, führt aber dazu, dass der nunmehr anderen Ausübung ihrer Glaubensfreiheit in Gestalt des jetzt - anders als zu Beginn des Arbeitsverhältnisses - von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Gebots, ein Kopftuch zu tragen, zumindest kein höheres Gewicht als dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zukommt (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Während die Loyalitätserwartungen der Beklagten unverändert geblieben sind, hat sich die Bereitschaft der Klägerin, ihnen zu entsprechen, gewandelt. Der Konflikt zwischen den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ist deshalb in ihrer Sphäre begründet.

58

(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie durch den ihr abverlangten Verzicht auf eine ihren Glaubensregeln entsprechende Kopfbedeckung in einen ernsten Glaubenskonflikt gebracht wird. Andererseits ist zu beachten, wird der Kernbereich der Glaubensfreiheit der Klägerin hierdurch nicht betroffen: Ihre Glaubensfreiheit ist nur funktional, zeitlich und räumlich, nämlich bei der Ausübung ihrer beruflichen Aufgaben eingeschränkt. Die Klägerin wird während ihrer Arbeitszeit als eine Muslima, die kein Kopftuch trägt, nur von einem eingeschränkten Personenkreis wahrgenommen. Sie verrichtet ihre Tätigkeit als Krankenschwester nicht vor den Augen einer breiten Öffentlichkeit und muss sich ohne Kopftuch nur den Arbeitskollegen und Patienten und ggf. auch Besuchern zeigen. Sie kann außerhalb der Arbeitszeit in ihrem privaten Umfeld und auch auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeitsstelle uneingeschränkt den Bekleidungsgeboten ihres Glaubens folgen und ein Kopftuch tragen. Indem ihr dies nur während der Arbeitszeit untersagt ist, werden ihr keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt.

59

(3) Unterstellt, das von der Beklagten betriebene Krankenhaus sei der Evangelischen Kirche zugeordnet, ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie, dürfte die Klägerin bei der Arbeit eine religiös motivierte Kopfbedeckung tragen, innerhalb ihrer Einrichtung Glaubensäußerungen zugunsten einer anderer Religion hinnehmen müsste. Zugleich hätte sie eine Verletzung der Pflicht zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche, als sich aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD ergebender Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, zu akzeptieren.

60

(a) Dabei fiele besonders ins Gewicht, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Krankenschwester in direktem und ständigem Kontakt zu den in der Einrichtung der Beklagten behandelten Patienten und zu anderen Arbeitnehmern steht. Die Glaubensbekundung der Klägerin für den Islam würde von diesen unmittelbar als solche wahrgenommen.

61

(b) Die Beklagte müsste, würde sie Glaubensbekundungen der Klägerin tolerieren, zudem damit rechnen, dass andere nichtchristliche Mitarbeiter ebenso während der Arbeitszeit Glaubensbekundungen zugunsten der Religionsgemeinschaft, der sie jeweils angehören, tätigen würden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Verkündigungsauftrag der Kirche und deren Glaubwürdigkeit könnten hierdurch ernsthaft gefährdet werden. Außenstehende könnten den Eindruck gewinnen, die Kirche halte Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Zwänge man der Beklagten auf, dies innerhalb ihrer Einrichtung hinzunehmen, wäre das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Kernbereich beeinträchtigt.

62

(c) Die Beklagte muss sich nicht entgegenhalten lassen, ein kirchlicher Arbeitgeber habe sich mit der Entscheidung, auch nichtchristliche Mitarbeiter einzustellen, bereits für eine Form von religiösem Pluralismus geöffnet. Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD hat die Beklagte vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auch von nichtchristlichen Mitarbeitern erwartet werde, den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen, wie es § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD entspricht.

63

(d) Zu einer anderen Beurteilung führt nicht, dass die Klägerin an sich in der Lage wäre, die dem allgemeinen Berufsbild einer Krankenschwester entsprechenden Tätigkeiten ohne Beeinträchtigungen des Arbeitsablaufs auch kopftuchtragend zu verrichten. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kann die Eigenart der Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, nach dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zum Ausdruck kommenden theologischen Selbstverständnis, mit der Arbeitsleistung werde ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht, nicht außer Acht gelassen werden.

64

(e) Für das Ergebnis der Interessenabwägung kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin Ende 2005, während eines kurzen Zeitraums vor ihrem Erziehungsurlaub, die Arbeit kopftuchtragend verrichtet hat. Selbst wenn dies von der Pflegedienstleitung der Beklagten hingenommen worden sein sollte, könnte hieraus nicht geschlossen werden, die Beklagte bzw. insoweit vertretungsberechtigte Personen hätten dauerhaft auf die Einhaltung des Neutralitätsgebots verzichtet.

65

(4) Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihren Glaubensgeboten entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen, wäre nicht unverhältnismäßig. Die Unterlassungspflicht wäre zur Gewährleistung des aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht resultierenden Neutralitätsgebots geeignet, erforderlich und angemessen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie sie dem Neutralitätsgebot in einer anderen, sie weniger belastenden Art und Weise entsprechen könnte.

66

3. Dem Abwägungsergebnis stünden die Vorschriften des AGG (§ 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2) nicht entgegen.

67

Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß von Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG verstoßen, zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass es anderen Arbeitnehmern der Beklagten gestattet sei, Kopfbedeckungen während der Arbeitszeit zu tragen, soweit dies nicht in besonderen Bereichen aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Krankenhaushygiene geboten ist. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Klägerin durch die aus dem Arbeitsvertrag der Parteien resultierende Verpflichtung, das Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen und auch keine entsprechende andere Kopfbedeckung zu tragen, wegen ihrer Religion benachteiligt würde, denn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot schiede nach § 9 Abs. 2 AGG aus. Nach dieser Vorschrift berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion nicht das Recht der Religionsgemeinschaften, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können. Weitergehende Verpflichtungen werden der Klägerin mit dem aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD resultierenden Neutralitätsgebot nicht auferlegt.

68

4. Auch das Grundrecht der Klägerin auf Religionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 EMRK wäre nicht verletzt.

69

a) Art. 9 EMRK gewährleistet die Religionsfreiheit nicht schrankenlos, vielmehr sind ausdrücklich Einschränkungen in Abs. 2 der Vorschrift vorgesehen. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit kommt insbesondere im Hinblick auf die Rechte und Freiheiten anderer in Betracht (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 38 f.). Insoweit hat eine Abwägung zwischen den Rechten des Arbeitnehmers und denen des kirchlichen Arbeitgebers unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts stattzufinden (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 43). Nach der Rechtsprechung des EGMR, deren Beachtung verfassungsrechtlich geboten ist, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (BVerfG 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307; 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 ua. - Rn. 93 f. mwN, BVerfGE 128, 326; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 27, BAGE 145, 90), ist zu berücksichtigen, dass die Religionsgemeinschaften traditionell und weltweit in Form organisierter Strukturen existieren (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 44 und - 1620/03 - [Schüth] Rn. 58; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Vor diesem Hintergrund ist, wenn die Organisation einer solchen Gemeinschaft in Rede steht, Art. 9 EMRK im Lichte von Art. 11 EMRK auszulegen, der die Vereinigungsfreiheit vor jeglichem ungerechtfertigten staatlichen Eingriff schützt. Ihre für den Pluralismus in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbare Autonomie gehört zum Kernbestand des Schutzes, den Art. 9 EMRK vermittelt. Das Recht auf Religionsfreiheit im Sinne der Konvention ist - außer in extremen Ausnahmefällen - jeglicher Beurteilung seitens des Staates im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des religiösen Bekenntnisses oder der Art und Weise, in der es zum Ausdruck gebracht wird, entzogen (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist es nicht zu beanstanden, wenn der Kirche das Recht zuerkannt wird, ihren Beschäftigen Loyalitätspflichten aufzuerlegen, sofern diese nicht unannehmbar sind (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 49; 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 69).

70

b) Hiervon ausgehend wären - unterstellt, es handelte sich bei der Beklagten um eine kirchliche Einrichtung - das arbeitsvertragliche Neutralitätsgebot und hieraus resultierend, das Verbot während der Arbeitszeit ein islamisches Kopftuch oder eine vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, mit Art. 9 Abs. 1 EMRK vereinbar. Der Klägerin werden hierdurch keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt. Das Verbot ist nicht unverhältnismäßig. Unter Berücksichtigung der Tätigkeit der Klägerin könnte auf andere Weise das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, von dem der kirchliche Arbeitgeber mit der Festlegung von Loyalitätspflichten im Arbeitsverhältnis Gebrauch macht (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90), nicht gewahrt werden.

71

5. Etwas anderes würde gelten, gelänge es der Beklagten nicht, nachzuweisen, dass sie dem Schutzbereich von Art. 140 GG, Art. 137 WRV unterfällt. In diesem Fall würden die Interessen der Klägerin überwiegen. Die Beklagte könnte sich dann gegenüber der durch Art. 4 GG gewährleisteten Glaubensfreiheit der Klägerin, trotz der Verweisung auf die RL-EKD im Arbeitsvertrag, nur auf Art. 12 GG stützen(vgl. BAG 10. Oktober 2002 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111; 24. Februar 2011 2 AZR 636/09 - BAGE 137, 164; vgl. hierzu auch den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 30. Juli 2003 - 1 BvR 792/03 - Rn. 17, 18, 24). Das Tragen eines Kopftuchs wäre in diesem Fall von der Beklagten hinzunehmen, denn sie hat nicht dargelegt, dass ein Verzicht auf eine Kopfbedeckung, wie sie von der Klägerin gewünscht wird, aus betrieblichen - zB hygienischen - Gründen geboten wäre und andernfalls betriebliche Störungen zu befürchten seien. Die Voraussetzungen für eine wirksame Dienstvereinbarung lägen nicht vor, handelte es sich bei der Beklagten nicht um eine kirchliche Einrichtung. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob mit der Dienstvereinbarung, soweit sie das Tragen eines Kopftuchs untersagt, Arbeitsverhalten oder Ordnungsverhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter iSv. § 40k MVG.EKD geregelt wird (zur Abgrenzung im Bereich des BetrVG, vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9, 11, BAGE 121, 147; 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 22, BAGE 140, 223) und, ob die Dienstvereinbarung überhaupt gegenüber der Klägerin zwingende Wirkung entfalten kann (vgl. hierzu BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 19; Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 15. Aufl. § 185 Rn. 17).

72

6. Ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entscheiden.

73

a) Unmittelbare Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind die Religionsgemeinschaften iSd. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die diesen zugeordneten Einrichtungen leiten dieses Recht von ihnen ab, sie sind selbst Teil der Kirche (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 22 mwN, BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 57, BAGE 143, 354).

74

aa) Der Anwendungsbereich von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV erstreckt sich auf alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn die Einrichtung nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihren Aufgaben entsprechend berufen ist, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen. Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Kirche im Staat erlaubt es ihr, sich zur Erfüllung ihres Auftrags auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts zu bedienen. Die Zugehörigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage begründeten Einrichtungen zur Kirche wird hierdurch nicht aufgehoben (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 30, BAGE 125, 100).

75

(1) Für die Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung zur Kirche ist es allerdings nicht ausreichend, wenn die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet ist. Sie setzt eine institutionelle Verbindung zwischen der Kirche und der Einrichtung voraus, aufgrund derer die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können. Dabei bedarf der ordnende Einfluss der Kirche zwar keiner satzungsmäßigen Absicherung. Die Kirche muss aber in der Lage sein, einen etwaigen Dissens in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung zu unterbinden (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 31 f., BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 48, BAGE 143, 354).

76

(2) Die den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV verliehene Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie hat nicht zur Folge, dass die Zuordnung einer Einrichtung zu einer Religionsgemeinschaft einer Kontrolle durch die Gerichte für Arbeitssachen entzogen ist. Diese haben in einer zweistufigen Prüfung darüber zu befinden, ob überhaupt eine verwaltungsmäßige Verflechtung zwischen der Kirche und der Einrichtung besteht und ob die Kirche aufgrund dieser Verbindung über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit ihren Vorstellungen gewährleisten zu können. Grundlage für die Beurteilung der Zuordnung ist die in den Statuten festgeschriebene Zweckbestimmung und die Struktur der Einrichtung (vgl. BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 33 f., BAGE 125, 100).

77

b) Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen ermöglichen es nicht, anhand der genannten Kriterien zu beurteilen, ob die Beklagte eine kirchliche Einrichtung ist. Dem Tatbestand der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist lediglich zu entnehmen, bei der Beklagten handele es sich um eine Krankenanstalt unter konfessioneller Trägerschaft der Evangelischen Kirche. Nach dem Vortrag der Parteien ist „Trägerin“ der Beklagten die „Evangelische Stiftung A“. Tatsachen, die es ermöglichten zu beurteilen, ob zwischen der Kirche und der Beklagten - unmittelbar oder vermittelt durch die Stiftung - eine institutionelle Verbindung im oben genannten Sinne besteht, sind nicht festgestellt und können dem unstreitigen Parteivorbringen nicht entnommen werden. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen über den Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Beklagten, die Bestellung, Abberufung und Entlastung ihrer Geschäftsführung sowie ggf. deren Überwachung durch die Evangelische Stiftung A als (wohl) einziger Gesellschafterin getroffen und - gemessen an den oben dargelegten Kriterien - zur Zuordnung der Stiftung zur Evangelischen Kirche. Als der Partei, die sich zu ihren Gunsten auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beruft, obliegt es der Beklagten, dies darzulegen und ggf. zu beweisen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dittrich     

        

    Dombrowsky     

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 8. Juni 2011 - 4 Sa 252/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 4. März 2010 - 4 Ca 8208/09 - in den Ziffern 3. und 4. abgeändert und insoweit die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 93/100 und die Beklagte 7/100 zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Monat Oktober 2009.

2

Der 1959 geborene Kläger war seit Juni 1991 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt und bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt iHv. 2.200,00 Euro.

3

Der vormalige, zwischenzeitlich einem Krebsleiden erlegene Inhaber der Beklagten suchte den damals arbeitsunfähigen Kläger am 27. Juni 2009 zuhause auf und übergab ihm ein auf den 30. Juni 2009 vordatiertes Schreiben, das lautet:

        

„K Ü N D I G U N G

        

Sehr geehrter Herr Sch,

        

hiermit kündigen wir Ihnen fristgemäß zum 30.09.09.

        

Die Kündigung erfolgt aus betriebsbedingten Gründen.

        

Mit freundlichen Grüßen

        

D S“   

4

Vom Kläger, der eine außerordentliche Kündigung vermeiden wollte, darauf angesprochen, versicherte Herr S, er habe dies geprüft. Die ordnungsgemäße Frist zum 30. September 2009 sei wie das Wort „fristgemäß“ ausdrücklich im Kündigungsschreiben enthalten. Der Kläger zeichnete das Kündigungsschreiben gegen und wurde von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.

5

Zum 1. November 2009 ging der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis ein, in dem er 1.800,00 Euro brutto monatlich verdiente.

6

Mit einem per Telefax am 27. Oktober 2009 eingereichten und der Beklagten am 31. Oktober 2009 zugestellten Schriftsatz hat der Kläger zunächst Kündigungsschutzklage erhoben, mit der er die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung geltend gemacht hat. Außerdem hat er einen allgemeinen Feststellungsantrag anhängig gemacht und ein Zeugnis sowie - für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag - Weiterbeschäftigung begehrt. Darüber hinaus hat er „vorsorglich Wiedereinsetzung“ beantragt und dazu unter Beweisantritt vorgetragen, er sei im Anschluss an die Übergabe des Kündigungsschreibens schwer erkrankt und weder prozess- noch geschäftsfähig gewesen. Erst am 26. Oktober 2009 sei er wieder soweit hergestellt gewesen, dass er erkannte, der Beklagten müsse bei der Kündigungsfrist offenbar ein Irrtum unterlaufen sein.

7

Nach der Güteverhandlung hat der Kläger erklärt, es sei ihm - auch wenn Wiedereinsetzungsgründe vorlägen - nur noch an der Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und dem Erhalt der entsprechenden Vergütung gelegen. Er sei im Oktober 2009 arbeitslos gewesen, habe aber wegen fehlender Arbeitsbescheinigung kein Arbeitslosengeld erhalten.

8

Der Kläger hat erstinstanzlich - unter Klagerücknahme im Übrigen - zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.760,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.200,00 Euro seit dem 1. November 2009, weiteren 160,00 Euro seit dem 1. Dezember 2009 und weiteren 400,00 Euro seit dem 1. Januar 2010 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III auszustellen und zuzusenden.

9

Die Beklagte hat wegen eines Betrags von 2.200,00 Euro brutto Klageabweisung beantragt und im Übrigen die Anträge anerkannt. Sie hat zunächst geltend gemacht, im Monat Oktober 2009 nicht im Annahmeverzug gewesen zu sein. Der Kläger habe erstmals mit der Zustellung der Kündigungsschutzklage seine Arbeitsleistung angeboten und zuvor das Arbeitsverhältnis für beendet gehalten. In der Revisionsinstanz hat die Beklagte sich darauf berufen, die Kündigung sei nach § 7 KSchG zum 30. September 2009 wirksam geworden und habe das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt beendet.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Monat Oktober 2009 beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist, soweit sie in der Revisionsinstanz anhängig geworden ist, unbegründet. Der Kläger hat für den Monat Oktober 2009 keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs gemäß § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB.

12

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat durch die Kündigung der Beklagten nicht zum 30. September 2009, sondern erst zum 31. Dezember 2009 geendet. Davon geht das Landesarbeitsgericht mit der Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts im Ergebnis zutreffend aus.

13

1. Die ordentliche, auf den 30. Juni 2009 vordatierte und zum 30. September 2009 ausgesprochene Kündigung der Beklagten hat die gesetzliche - verlängerte - Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gewahrt. Ohne dass es auf den wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht mehr anwendbaren § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB(vgl. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, Slg. 2010, I-365; BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 18 mwN, BAGE 135, 255) ankäme, hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als 15 Jahre bestanden. Die Kündigungsfrist beträgt somit nach § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats. Das Arbeitsverhältnis konnte deshalb durch eine am 27. Juni 2009 übergebene ordentliche Kündigung erst zum 31. Dezember 2009 beendet werden.

14

2. Die Kündigung der Beklagten ist nicht nach § 7 KSchG zum 30. September 2009 wirksam geworden.

15

Ob bei einer ordentlichen Kündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden muss, hängt davon ab, ob die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führt. Das ist der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Bedürfte die Kündigung der Umdeutung in ein anderes Rechtsgeschäft, nämlich in eine Kündigung mit zulässiger Frist, gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen Termin“, wenn die zu kurze Kündigungsfrist nicht als anderer Rechtsunwirksamkeitsgrund binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege(§ 4 Satz 1, § 6 KSchG) geltend gemacht worden ist (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 20, BAGE 135, 255; vgl. auch APS/Linck 4. Aufl. § 622 BGB Rn. 66 ff.; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 4 KSchG Rn. 5; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 6 KSchG Rn. 18 ff.; KR/Rost 10. Aufl. § 7 KSchG Rn. 3b und KR/Friedrich 10. Aufl. § 13 KSchG Rn. 289; Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71, jeweils mwN zum Streitstand im Schrifttum). Insoweit besteht entgegen der Auffassung des Klägers keine Divergenz zwischen dem Fünften und dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 12, BAGE 135, 278).

16

3. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat allerdings in der Vergangenheit angenommen, die Auslegbarkeit einer ordentlichen Kündigung mit fehlerhafter Kündigungsfrist als solche zum richtigen Kündigungstermin sei der Regelfall. Denn der Empfänger der Kündigungserklärung dürfe sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen, sondern müsse seinerseits unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände, die dafür von Bedeutung sein können, danach trachten, das Gemeinte zu erkennen. Bei einer ordentlichen Kündigung sei für den Kündigungsadressaten erkennbar, dass der Kündigende die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren wolle, weil er aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden sei (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 25 ff., BAGE 116, 336; dem folgend: BAG 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - Rn. 32, BAGE 117, 68; ausdrücklich offengelassen: BAG 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 31; nicht entscheidungserheblich: BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 13, BAGE 135, 278). Einer solchen Auslegungsregel fehlt die hinreichende Tatsachenbasis. Ob Arbeitgeber tatsächlich stets - und für die Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger erkennbar - die objektive einzuhaltende Kündigungsfrist wahren wollen, ist bislang empirisch unerforscht geblieben. Zudem ist eine Kündigung zum 30. September ein anderes Rechtsgeschäft als eine solche zum 31. Dezember. Das Risiko, einen ausdrücklich genannten Kündigungstermin rechtlich zutreffend bestimmt zu haben, darf nicht auf den Empfänger der Kündigungserklärung abgewälzt werden (zutr. Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71; vgl. auch vHH/L/Linck 15. Aufl. § 4 KSchG Rn. 22a).

17

4. Ob eine ordentliche Kündigung mit objektiv fehlerhafter Kündigungsfrist im Regelfall als eine solche mit rechtlich zutreffender Kündigungsfrist ausgelegt werden kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Im Streitfall kann die Kündigung der Beklagten nach ihrem Inhalt und den festgestellten Begleitumständen als eine solche zum 31. Dezember 2009 ausgelegt werden.

18

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungserklärung der Beklagten nicht ausgelegt, sondern ist durch Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts ohne nähere Begründung der Auslegungsregel des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts gefolgt, obwohl es in der Berufungsverhandlung zur Erläuterung seines Vergleichsvorschlags noch auf - vermeintlich - „unterschiedliche Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts“ hingewiesen hatte. Die Auslegung der atypischen Willenserklärung kann der Senat aber selbst vornehmen, weil der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr., vgl. nur BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24 mwN, BAGE 135, 225).

19

b) Gegen eine Auslegung als Kündigung zum 31. Dezember 2009 spricht, dass die Kündigungserklärung ausdrücklich das Datum 30. September 2009 enthält. Damit hat die Beklagte den Wirkungszeitpunkt ihrer Willenserklärung bestimmt und grundsätzlich das Risiko der rechtlichen Zulässigkeit des Termins übernommen. Das Datum relativiert sich aber durch den Zusatz „fristgemäß zum“. Damit lässt die Kündigungserklärung erkennen, dass die Beklagte auch Wert darauf legte, die maßgebliche Kündigungsfrist einzuhalten (insoweit aA Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71). Ob es der Beklagten entscheidend auf das Datum oder die Einhaltung der „richtigen“ Kündigungsfrist angekommen ist, erschließt sich aus den vom Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung festgestellten, außerhalb der Kündigungserklärung liegenden Begleitumständen. Diese bieten hinreichende Anhaltspunkte dafür, die Beklagte habe die Kündigung (auch) zu einem anderen Termin gewollt als (nur) zu dem im Kündigungsschreiben festgehaltenen Datum. Denn bei der Übergabe des Kündigungsschreibens wurde dem Kläger auf sein Begehr, keine außerordentliche Kündigung zu erhalten, von dem damaligen Inhaber der Beklagten versichert, er habe dies geprüft, die ordnungsgemäße Frist sei im Kündigungsschreiben benannt. Daraus ist - für den Kläger erkennbar - deutlich geworden, dass es der Beklagten wesentlich um die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist ging und sich das in das Kündigungsschreiben aufgenommene Datum lediglich als das Ergebnis einer fehlerhaften Berechnung der zutreffenden Kündigungsfrist erweist.

20

c) Einer Auslegung der Kündigungserklärung als Kündigung zum 31. Dezember 2009 steht das Bestimmtheitsgebot nicht entgegen. Danach muss sich aus der Kündigungserklärung ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336), ohne dass der Arbeitnehmer darüber rätseln muss, zu welchem anderen als in der Kündigungserklärung genannten Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 27, BAGE 135, 225). Dem genügt die Kündigung der Beklagten. Sie enthält nicht nur ein bestimmtes Datum, sondern den Zusatz „fristgemäß zum“. Nachdem zwischen den Parteien außer Streit steht, dass für ihr Arbeitsverhältnis keine anderen als die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten, kann der Kläger anhand von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB in einem einfachen Rechenschritt die maßgebliche Kündigungsfrist selbst berechnen, ohne dass er von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB in die Irre geführt werden könnte.

21

II. Die Beklagte befand sich im Monat Oktober 2009 nicht im Annahmeverzug.

22

1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Streiten die Parteien über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Berufung auf das Ende des Arbeitsverhältnisses erklärt, er werde keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Dieses wörtliche Angebot kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert und/oder eine Bestandsschutzklage einreicht (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28 mwN). Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von der Anwendbarkeit des § 296 BGB aus(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14; 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 18, jeweils mwN). Soweit der Zweite Senat in einer älteren Entscheidung (BAG 21. März 1996 - 2 AZR 362/95 -) angenommen hat, § 296 BGB könne auch im ungekündigten Arbeitsverhältnis Anwendung finden, hält der nunmehr nach dem Geschäftsverteilungsplan für die Vergütung wegen Annahmeverzugs allein zuständige erkennende Senat daran nicht fest.

23

2. Gemessen an diesen Grundsätzen war ein Angebot der Arbeitsleistung nicht nach § 296 BGB entbehrlich. Die fehlerhafte Kündigungsfrist bedingt im Streitfall nicht die Unwirksamkeit der Kündigung, sondern lässt sich als solche zu dem „richtigen“ Termin auslegen.

24

Andererseits war der Kläger nicht gehalten, die Arbeitsleistung tatsächlich anzubieten. Auch bei einem Streit lediglich über den Zeitpunkt der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber mit der Aufnahme eines Datums in die Kündigung erklärt, er werde nach diesem Zeitpunkt keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Ein wörtliches Angebot ist aber erst mit der am 31. Oktober 2009 zugestellten Kündigungsschutzklage erfolgt. Dieses Angebot wirkt nicht zurück. Danach hat der Kläger für den gesamten Monat Oktober 2009 die Arbeitsleistung nicht wörtlich angeboten. Er hat bis dahin auch nicht gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2009 in anderer Weise protestiert.

25

3. Ein Angebot der Arbeitsleistung wäre entbehrlich gewesen, wenn der Kläger im Monat Oktober 2009 von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt gewesen wäre. Denn die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung (BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13). Ob der Kläger über den 30. September 2009 hinaus freigestellt war, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, zwischen den Parteien sei eine Freistellungsvereinbarung zustande gekommen, die sich zumindest auch auf den Monat Oktober 2009 bezogen habe, steht im Widerspruch zur - vorherigen - Feststellung des Landesarbeitsgerichts, der damalige Inhaber der Beklagten habe bei Übergabe des Kündigungsschreibens am 27. Juni 2009 den Kläger von der Erbringung der Arbeitsleistung „einseitig“ freigestellt. Mit welchem (ungefähren) Wortlaut dies erfolgte, ist ebenso wenig festgestellt wie möglicherweise für die Auslegung ergiebige Begleitumstände der Freistellungserklärung.

26

4. War der Kläger - zu seinen Gunsten unterstellt - im Oktober 2009 von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt und deshalb ein Angebot der Arbeitsleistung nicht erforderlich, ist die Klage gleichwohl unbegründet. Denn unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen des Annahmeverzugs kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet zwar einen Verzicht des Arbeitgebers auf das Angebot der Arbeitsleistung. Jedoch muss der Arbeitnehmer zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung fähig sein, ein Absehen von den Erfordernissen des § 297 BGB bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien(BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13 mwN).

27

Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f. mwN). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert darlegt, dass er gleichwohl arbeitsfähig war.

28

Im Streitfall hat der Kläger vorgetragen, nach Übergabe des Kündigungsschreibens schwer erkrankt und bis fast Ende Oktober 2009 prozess- und geschäftsunfähig gewesen zu sein. Er hat dafür sogar Beweis angeboten durch das Zeugnis des ihn behandelnden Arztes. War der Kläger aber aufgrund einer schweren Erkrankung bis zum 26. Oktober 2009 prozess- und geschäftsunfähig, musste er erläutern, aufgrund welcher Tatsachen er gleichwohl ab dem 1. Oktober 2009 für die geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer arbeitsfähig gewesen sein soll. Das ist nicht erfolgt.

29

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben gemäß § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO der Kläger 93/100 und die Beklagte 7/100 zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

       

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

       

        

        

    Ilgenfritz-Donné    

        

    A. Christen    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Februar 2012 - 18 Sa 867/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Die Beklagte, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt ein Krankenhaus. Die 1978 geborene Klägerin gehört dem islamischen Glauben an. Sie wurde von der Beklagten, bei der sie zunächst seit 1996 eine Ausbildung absolviert hatte, in ein Arbeitsverhältnis übernommen.

3

Im Arbeitsvertrag vom 22. Dezember 2000 heißt es ua.:

        

㤠1

        

Frau T … wird mit Wirkung vom 01.02.2001 als Krankenschwester weiterbeschäftigt.

        

§ 2

        

Vertragsinhalt sind

        

1.    

die Bestimmungen des Bundes-Angestellten-tarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF),

        

2.    

die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen,

        

wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG) und seinen Änderungen geregelt sind.“

4

Die Präambel des Bundes-Angestelltentarifvertrags in kirchlicher Fassung (im Folgenden: BAT-KF) lautet:

        

„Präambel

        

Der kirchliche Dienst ist durch den Auftrag der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat bestimmt. Nach ihren Gaben, Aufgaben und Verantwortungsbereichen tragen die kirchlichen Mitarbeitenden, wie es in der ‚Richtlinie des Rates der EKD nach § 9 Buchstabe b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der EKD und des Diakonischen Werkes der EKD‘ in der Fassung vom 1. Juli 2005 bestimmt ist, zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Ihr gesamtes Verhalten im Dienst und außerhalb des Dienstes muss der Verantwortung entsprechen, die sie als Mitarbeitende im Dienst der Kirche übernommen haben. Es wird von ihnen erwartet, dass sie die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahen.“

5

In der „Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Art. 9 Buchst. b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des diakonischen Werkes der EKD“ (im Folgenden: RL-EKD) heißt es auszugsweise:

        

㤠2

        

Grundlagen des kirchlichen Dienstes

        

(1) Der Dienst der Kirche ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Alle Frauen und Männer, die in Anstellungsverhältnissen in Kirche und Diakonie tätig sind, tragen in unterschiedlicher Weise dazu bei, dass dieser Auftrag erfüllt werden kann. Dieser Auftrag ist Grundlage der Rechte und Pflichten von Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

        

…       

        

§ 4

        

Berufliche Anforderungen während des Arbeitsverhältnisses

        

(1) Je nach Aufgabenbereich übernehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben. Sie haben sich daher loyal gegenüber der evangelischen Kirche zu verhalten.

        

(2) Von evangelischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis anerkennen. Sofern sie in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung tätig sind, wird eine inner- und außerdienstliche Lebensführung erwartet, die der übernommenen Verantwortung entspricht.

        

(3) Von christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung eintreten.

        

(4) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.“

6

In einer zwischen der Beklagten und der Mitarbeitervertretung geschlossenen „Dienstvereinbarung zur Personalhygiene …“ vom 24. August 2009 ist ua. geregelt:

        

„Vorwort

        

Die A gGmbH stellt den Mitarbeitern unentgeltlich Berufs- und Schutzkleidung zur Verfügung, soweit dies nach den gesetzlichen oder anerkannten Regeln der Krankenhaushygiene und des Arbeitsschutzes erforderlich ist.

        

…       

        

Die Bereitstellung der Dienstkleidung durch den Arbeitgeber hat zum Ziel, ein einheitliches Erscheinungsbild nach außen zu dokumentieren und damit die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) und Hygienevorschriften zu erleichtern.

        

…       

        

Die Umsetzung dieser Dienstanweisung ist für alle Mitarbeiter verbindlich.

        

…       

        

1.    

Berufskleidung

        

…       

        
                 

●       

In den Abteilungen und Bereichen des Krankenhauses, in denen Berufs- und Schutzkleidung zu tragen ist, ist das Tragen von sonstiger Privatkleidung (z.B. Jeans, Pullover, Halstuch, Kopftuch) untersagt. Bei Dienstwegen außerhalb des Krankenhauses (Personalabteilung) kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden, ebenso bei Zeiten außerhalb der direkten Patientenbetreuung kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden.

                 

●       

Die Berufskleidung ist regelmäßig der Aufbereitung der Krankenhauswäscherei zuzuführen. Die Berufskleidung darf auf keinen Fall zu Hause gewaschen werden.

        

…       

                 
        

12.     

Allgemeine Hinweise

                 

●       

Vor Betreten der Cafeteria ist der Dienstkittel in der Garderobe abzulegen.

                 

●       

Das Tragen von Kopftüchern ist während der Arbeitszeit nicht gestattet.

                 

●       

Das Tragen von Stethoskopen in der Cafeteria ist untersagt.

        

…“    

                 
7

Die Klägerin befand sich vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Anschließend war sie arbeitsunfähig krank. Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 26. April 2010 wandte sich die Klägerin wegen einer von ihr gewünschten Wiedereingliederung an die Beklagte und teilte gleichzeitig mit, sie wolle aus religiösen Gründen während ihrer Tätigkeit ein Kopftuch tragen. In einem weiteren Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 18. Mai 2010 heißt es ua.:

        

„…    

        

Frau T teilte uns mit, dass Sie sich bei ihr noch nicht bezüglich der gewünschten Wiedereingliederung gemeldet haben.

        

Wir bitten Sie, mit Frau T Kontakt aufzunehmen und Ihr Zeit und Ort für die Wiederaufnahme der Tätigkeit bis zum 21.05.2010 mitzuteilen.

        

Mit diesem Schreiben bieten wir offiziell die Arbeitskraft unseres Mitgliedes an und werden, sollte eine Reaktion Ihrerseits nicht erfolgen, arbeitsrechtliche Schritte zur Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs einleiten.

        

…“    

8

Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 25. Mai 2010, in dem ua. ausgeführt wird:

        

„…    

        

Ihre Mandantin hatte darum gebeten, ein Wiedereingliederungsverfahren durchzuführen. Wie Ihnen bekannt ist, besteht auf die Durchführung eines solchen Verfahrens kein Rechtsanspruch. Unsere Mandantin hatte sich gleichwohl dazu bereit erklärt unter der Voraussetzung, dass die Kleiderordnung eingehalten wird. Gem. Ziffer 12 ist das Tragen von Kopftüchern während der Arbeitszeit nicht gestattet. Die Kleiderordnung ist seinerzeit gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung beschlossen worden.

        

Wie Sie in Ihrem Schreiben vom 26.4.2010 mitteilen, trägt Frau T das Kopftuch aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung. Bei unserer Mandantin handelt es sich um ein konfessionelles Krankenhaus. In konfessionellen Krankenhäusern hat der Arbeitgeber ein Direktionsrecht dahingehend, dass er das Tragen von Kopftüchern verbieten kann.

        

…       

        

Unsere Mandantin besteht nach wie vor darauf, dass das Kopftuchverbot eingehalten wird. Sobald die entsprechende Zustimmung Ihrer Mandantin vorliegt, kann ein Wiedereingliederungsverfahren durchgeführt werden.

        

…“    

9

Mit Schreiben ihrer jetzigen Bevollmächtigten vom 25. August 2010 wandte sich die Klägerin wie folgt erneut an die Beklagte:

        

„…    

        

Unsere Mandantin befindet sich seit Beginn ihrer Ausbildung im Kalenderjahr 1996 bis heute bei Ihnen in einem Arbeitsverhältnis als Krankenschwester. Aufgrund einer längeren Erkrankung nach Beendigung ihrer Elternzeit im Januar 2009 sollte sie ab dem 23.08.2010 ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. In Absprache mit Ihnen und ihrem Hausarzt wurde ein Wiedereingliederungsplan erarbeitet.

        

Als unsere Mandantin Ihnen am 23.08.2010 Ihre Arbeitsleistung anbot, erklärten Sie unserer Mandantin, dass sie ihr Kopftuch während der Arbeitszeit ablegen müsse. Mit einem Kopftuch tragend brauche sie nicht zu erscheinen. Sie drohten Ihr an, dass sofern Sie dies nicht täte, ihr gegenüber eine Kündigung ausgesprochen werden würde. Unsere Mandantin ist aus tief religiösen Gründen nicht geneigt, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen.

        

Hiermit bieten wir Ihnen namens und im Auftrage unserer Mandantin nochmals ihre

        

Arbeitsleistung

        

an.    

        

Unsere Mandantin ist bereit, unverzüglich die Arbeit in Ihrem Hause aufzunehmen.

        

Bitte teilen Sie uns mit, wann unsere Mandantin zum Dienst erscheinen soll.

        

…“    

10

Die Beklagte erklärte hierauf mit Schreiben vom 30. August 2010 ua.:

        

„…    

        

Auf das in Kopie beigefügte Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom 18.5.2010 haben wir bereits am 25.5.2010 geantwortet. Auch von diesem Schreiben fügen wir eine Kopie bei, auf das wir vollinhaltlich Bezug nehmen. Daher ist das ‚Angebot‘ Ihrer Mandantin zur Arbeitsaufnahme nicht ordnungsgemäß erfolgt.

        

…“    

11

Mit ihrer am 4. November 2010 eingereichten, mehrfach erweiterten Klage hat die Klägerin Vergütungsansprüche für den Zeitraum 23. August 2010 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei mit der Annahme ihrer Arbeitsleistung in Verzug geraten. Durch ein kleines, farblich an die Dienstkleidung angepasstes, im Nacken gebundenes Kopftuch, wie sie es schon zwischen dem 19. September und Ende Dezember 2005 getragen habe, werde sie nicht daran gehindert, ihre Arbeitsleistung als Krankenschwester zu erbringen. Der Betriebsablauf werde hierdurch nicht beeinträchtigt. Das Verbot, ein Kopftuch, das ihre weiblichen Reize verdecke, oder eine - wie von der Beklagten in Gesprächen ebenfalls untersagt - vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, schränke sie unzulässig in ihrer Glaubensfreiheit und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein. Sie werde dadurch wegen ihrer Religion benachteiligt. Im Koran fänden sich Aussagen zur Bedeckungspflicht der Frau. Ihr ganzer Körper, ausgenommen das Gesicht und die Hände, sei Aura. Diese Aussagen würden zwar von den islamischen Religionslehrern nicht einheitlich ausgelegt, es bleibe aber zumindest die Aufforderung zu anständiger Bekleidung, Bedeckung der Haare oder Verhüllung bestimmter Teile des Körpers aus Gründen der Scham. Das in der Dienstvereinbarung zur Personalhygiene geregelte Verbot sei nicht wirksam. Das Kopftuch werde als religiöses Symbol getragen und könne nicht wie ein normales Kleidungsstück behandelt werden. Die Regelungen in der Präambel des BAT-KF und der Richtlinie des Rates der EKD seien unbestimmt. Aus dem Gebot eines loyalen Verhaltens könne allenfalls eine Neutralitätspflicht abgeleitet werden, die sie durch das Tragen eines Kopftuchs nicht verletze. Das Sichtbarmachen der eigenen Religion stelle keinen Loyalitätsverstoß iSv. § 4 RL-EKD dar. Das Kopftuch werde von der Allgemeinheit nicht mehr nur als Zeichen islamischer Religionszugehörigkeit, sondern auch als modisches Accessoire verstanden. Sie genieße zudem Vertrauensschutz, weil die Beklagte sie in Kenntnis ihrer islamischen Religionszugehörigkeit eingestellt und die Pflegedienstleitung früher das Tragen eines Kopftuchs nicht beanstandet habe. Die Reaktionen von Kollegen und Patienten, von denen viele zuvor keinen Kontakt zum Islam gehabt hätten, seien damals positiv gewesen.

12

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.313,54 Euro brutto nebst Zinsen nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und geltend gemacht, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten. Die Berechtigung es der Klägerin zu untersagen, während der Arbeitszeit ein Kopftuch zu tragen, ergebe sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD. Die Klägerin sei nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD verpflichtet, sich ihr gegenüber loyal zu verhalten, den kirchlichen Auftrag, wie er sich aus § 2 RL-EKD ergebe, zu beachten und ihre Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen. Hieraus resultiere - auch ohne konkretisierende Weisung oder Dienstvereinbarung - eine Neutralitätspflicht. Die Klägerin müsse demzufolge alles unterlassen, was als gegen die Evangelische Kirche gerichtete Meinungsbekundung angesehen werden könne und die Glaubwürdigkeit der Kirche in Frage stelle. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, die Kirche lasse eine Relativierung ihrer Glaubensüberzeugungen zu und halte ihre Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Die unterschiedlichen Religionen stünden sich als „Konkurrenten“ gegenüber, auch wenn sie sich gegenseitig respektieren und anerkennen würden. Als konfessionelles Krankenhaus könne sie sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV berufen. Die Glaubensfreiheit der Klägerin, der die konfessionelle Bindung der Einrichtung bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses bekannt gewesen sei, müsse demgegenüber zurücktreten. Das Kopftuchverbot entspreche billigem Ermessen. Außerdem sei das Tragen von Privatkleidung nach der bestehenden Kleiderordnung untersagt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Klägerin ist begründet. Auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Das führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

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A. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB bisher nicht dargelegt. Die Klage ist unschlüssig, auch wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, sie sei nicht verpflichtet gewesen, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen. Aus dem Vorbringen der Klägerin selbst ergeben sich gewichtige Indizien, die dafür sprechen, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht leistungsfähig war, § 297 BGB.

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I. Unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f. mwN, BAGE 141, 34). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert seine Arbeitsfähigkeit darlegt (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 27).

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II. Die von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs vorgelegten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 beziehen sich auf eine Arbeitsaufnahme im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses. Nach § 74 SGB V kommt eine stufenweise Wiedereingliederung in Betracht, wenn arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten können und sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich wieder besser in das Erwerbsleben eingegliedert werden können. Die Erstellung eines Wiedereingliederungsplans mit einem zum 23. August 2010 vorgesehenen Beginn der Wiedereingliederung ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass der behandelnde Arzt von einer über den 23. August 2010 hinaus fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausging. Die Klägerin hätte vor diesem Hintergrund erläutern müssen, aufgrund welcher Tatsachen sie dennoch für die vertraglich geschuldete Tätigkeit arbeitsfähig gewesen oder im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsfähig geworden sei und dies der Beklagten - verbunden mit einem Angebot der Arbeitsleistung - mitgeteilt hätte. Dies ist nicht geschehen.

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B. Nachdem die Vorinstanzen die Klägerin im Hinblick auf die im Schriftwechsel der Parteien in Rede stehende Wiedereingliederung nicht auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage hingewiesen haben, ist ihr Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag zu ergänzen.

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I. Der Klägerin obliegt es, die Indizwirkung des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans zu erschüttern und ihre Leistungsfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum darzulegen.

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II. Sie hat darüber hinaus - unabhängig davon, ob sie verpflichtet gewesen wäre, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen - darzulegen, dass sie der Beklagten die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und nicht eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hat. Dies ist den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen.

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1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen, § 295 BGB. Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14, BAGE 141, 34; 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28, BAGE 143, 119; 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 17; BGH 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe).

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2. Ob die Klägerin eine Arbeitsleistung iSv. § 611 BGB angeboten hat, kann der Senat nicht entscheiden.

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a) Ein tatsächliches Angebot iSv. § 294 BGB hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr von der Beklagten bestrittener Vortrag ist - wie bereits vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt - unsubstantiiert. Wann und wem gegenüber sie ihre Leistung tatsächlich angeboten haben will, hat die Klägerin nicht angegeben.

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b) Ob ein tatsächliches Angebot entbehrlich war und die Klägerin die Arbeitsleistung iSv. § 295 BGB wörtlich angeboten hat, ist durch Auslegung des Schriftwechsels der Parteien zu ermitteln.

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aa) Ein tatsächliches Angebot wäre nach § 295 BGB entbehrlich gewesen, wenn die an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 - eine Berechtigung der Klägerin unterstellt, die Arbeit kopftuchtragend zu verrichten - als Angebot der geschuldeten Arbeitsleistung und das Antwortschreiben der Beklagten vom 25. Mai 2010 oder jedenfalls das vom 30. August 2010 als ernsthafte und endgültige Weigerung, diese wie angeboten anzunehmen, zu verstehen wären.

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bb) Die Schreiben der Parteien enthalten nichttypische Erklärungen. Die Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen ist grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehalten. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23; 15. April 2014 - 3 AZR 435/12 - Rn. 18).

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(1) Verträge und Willenserklärungen sind nach dem Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Auslegungsziel ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern das, was der Adressat nach seinem Empfängerhorizont als Willen des Erklärenden verstehen konnte (BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 36). Zu würdigen sind neben dem Wortlaut der Erklärung auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 14, BAGE 145, 249).

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(2) Das Landesarbeitsgericht ist von einem „Angebot“ der Klägerin und einer „Ablehnung“ durch die Beklagte ausgegangen, ohne den Bedeutungsgehalt der von den Parteien unstreitig abgegebenen Erklärungen durch Auslegung ihres Schriftwechsels zu ermitteln. Doch spricht der Wortlaut des zwischen den Parteien geführten Schriftwechsels gegen die Annahme, die Klägerin habe die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wörtlich angeboten. Ihre Schreiben beziehen sich auf eine Aufnahme der Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung, auch wenn die Klägerin darin abschließend erklärte, sie böte ihre „Arbeitskraft“ bzw. „Arbeitsleistung“ an. Dass die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 25. Mai 2010 ausdrücklich auf ein von der Klägerin gewünschtes Wiedereingliederungsverfahren abstellt, spricht für ein Verständnis in diesem Sinne. Die Klägerin hat einer derartigen Auslegung nicht widersprochen, sondern diese bestätigt, indem sie mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. August 2010 auf einen in Absprache mit ihrem Hausarzt und der Beklagten erarbeiteten Wiedereingliederungsplan Bezug nimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 30. August 2010. Darin weist die Beklagte lediglich auf die zuvor gewechselten Schreiben hin.

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c) Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen nur dann selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24, BAGE 135, 255; 14. Mai 2013 - 9 AZR 844/11 - Rn. 11, BAGE 145, 107). Danach kann der Senat die gebotene Auslegung nicht selbst vornehmen. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zu den Begleitumständen des Schriftwechsels der Parteien und zum Inhalt des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans getroffen.

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III. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung wegen Annahmeverzugs nach §§ 611, 615 BGB käme nicht in Betracht, wenn die Klägerin lediglich eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hätte.

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1. Ein Wiedereingliederungsverhältnis ist nicht als Teil des Arbeitsverhältnisses zu werten, sondern stellt neben diesem ein Vertragsverhältnis eigener Art (sui generis) dar (st. Rspr. BAG 29. Januar 1992 - 5 AZR 37/91 - zu II 3 der Gründe, BAGE 69, 272; 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - BAGE 92, 140). Anders als das Arbeitsverhältnis ist das Wiedereingliederungsverhältnis nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet (BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a aa der Gründe, aaO; Schmidt NZA 2007, 893). Zur Begründung des Wiedereingliederungsverhältnisses bedarf es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es gilt für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit (BAG 13. Juni 2006 - 9 AZR 229/05 - Rn. 23, 33, BAGE 118, 252). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, weil die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauert, während des Wiedereingliederungsverhältnisses weiterhin von den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses gemäß § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB befreit(BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a bb der Gründe, aaO). Der Arbeitnehmer erbringt nicht die geschuldete Arbeitsleistung. Es besteht deshalb kein Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung, es sei denn, der Arbeitgeber hat sich bei Abschluss der Wiedereingliederungsvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend zu einer Zahlung verpflichtet. Auch ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 612 Abs. 1 BGB besteht nicht.

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2. Ergäbe die Auslegung des Schriftwechsels der Parteien, die Klägerin habe lediglich eine Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung angeboten, würde ein Annahmeverzugsanspruch - unabhängig von der Frage, ob sie berechtigt gewesen wäre, hierbei ein Kopftuch zu tragen - ausscheiden.

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C. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

35

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne offenbleiben, ob ein Verbot, während der Arbeit ein religiös motiviertes Kopftuch zu tragen, bereits aus der Dienstvereinbarung vom 24. August 2009 folge. Es sei jedenfalls vom Weisungsrecht der Beklagten gedeckt. Eine - unterstellte - Weisung habe billigem Ermessen nach § 106 Satz 1 GewO entsprochen. Die Beklagte habe sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen können. Das Interesse der Beklagten, ihr Selbstbestimmungsrecht zu wahren, überwiege die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubensfreiheit der Klägerin. Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht in der rechten Weise angeboten, indem sie es abgelehnt habe, ihre Arbeit ohne Kopftuch zu verrichten.

36

II. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Einrichtung der Beklagten - wie es deren Berufung auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV voraussetzte - der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin und ein Angebot der Arbeitsleistung unterstellt, hätte die Klägerin nur in diesem Fall die Leistung entgegen §§ 294, 295 BGB nicht so angeboten, wie sie zu bewirken war. Sie wäre arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, das Tragen eines islamischen Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihrem Verständnis der Glaubensgebote des Islam entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen. In Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen der Parteien und unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls müsste die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zurücktreten. Könnte sich die Beklagte nicht auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen, wäre der Glaubensfreiheit der Klägerin gegenüber den Interessen der Beklagten der Vorrang einzuräumen.

37

1. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, § 293 BGB. Die Leistung muss ihm - nach § 294 BGB tatsächlich oder unter den Voraussetzungen von § 295 BGB wörtlich - so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist, dh. am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 294 Rn. 4).

38

a) Das Tragen einer bestimmten Kleidung kann zur vertragsgemäßen Erfüllung der Arbeitsleistung geboten sein (BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9 und 11, BAGE 121, 147). Ebenso kann es hierzu geboten sein, es zu unterlassen, sich in einer bestimmten Art zu kleiden. Eine bestimmte Bekleidung kann - ohne besondere vertragliche Vereinbarung - eine arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht des Arbeitnehmers darstellen, die der Arbeitspflicht nahekommt. Bekleidungsobliegenheiten können sich auch aus der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag ergeben. In diesem Fall sind sie Teil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht (vgl. Brose/Greiner/Preis NZA 2011, 369, 371 ff.). Bei der Bestimmung sich aus dem Arbeitsvertrag ergebender Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten in Bezug auf die Kleidung während der Arbeitszeit gebietet der Schutz des Arbeitnehmers vor Überforderung eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechtspositionen und der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls.

39

b) Die Klägerin wäre - die Zuordnung der Beklagten zur Evangelischen Kirche unterstellt - gehalten gewesen, während der Arbeitszeit das Tragen eines Kopftuchs zu unterlassen. Dies ergibt sich unmittelbar, ohne dass es einer konkretisierenden Weisung oder Dienstvereinbarung bedurft hätte, aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Dabei kann offenbleiben, ob als Bestandteil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht oder als arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht.

40

aa) Die von der Klägerin zu bewirkende Leistung wird nach dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht allein durch die in § 1 Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeit einer Krankenschwester bestimmt, sondern auch durch die Eigenart des kirchlichen Dienstes. Dies resultiert aus § 2 Nr. 1 Arbeitsvertrag iVm. der Präambel des BAT-KF und den darin in Bezug genommenen Bestimmungen der RL-EKD.

41

bb) Die Klägerin hat sich im Arbeitsvertrag nicht nur verpflichtet, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten (§ 4 Abs. 1 RL-EKD), sondern darüber hinaus den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihr übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen (§ 4 Abs. 4 RL-EKD). Aus diesen Regelungen ergibt sich unmittelbar - als Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung im kirchlichen Dienst - eine Verpflichtung nichtchristlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche.

42

(1) Die den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im kirchlichen Dienst in § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD auferlegte Pflicht, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten, ist zunächst Ausdruck sich bereits aus § 241 Abs. 2 BGB ergebender allgemeiner vertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwächst einer Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Die Arbeitsvertragsparteien sind danach verpflichtet, den Vertrag so zu erfüllen, ihre Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Welche konkreten Folgen sich aus der Rücksichtnahmepflicht ergeben, hängt von der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 11, 12 mwN, BAGE 141, 1).

43

(2) § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD leitet die vertragliche Loyalitätspflicht, wie der durch das Wort „daher“ vermittelten Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zu entnehmen ist, aus der je nach Aufgabenbereich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernommenen Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben ab. Die RL-EKD beschränkt sich damit schon in § 4 Abs. 1 nicht nur auf die Wiedergabe allgemeiner Loyalitätspflichten als vertragliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis iSv. § 241 Abs. 2 BGB, sondern verknüpft die Loyalitätspflichten in besonderer Weise mit der Wahrnehmung der vertraglichen Aufgaben selbst.

44

(3) Diese Verknüpfung wird durch § 4 Abs. 4 RL-EKD verstärkt, wonach - als Bestandteil abgestufter Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer - auch die nichtchristlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen haben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD ist der Dienst der Kirche durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Dies entspricht dem Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft, die alle am kirchlichen Auftrag Teilnehmenden verbindet, unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage und in welcher Einrichtung sie tätig sind (Joussen RdA 2007, 328, 333). Nach diesem theologisch geprägten Selbstverständnis verwirklicht die Arbeitsleistung in der Kirche und den ihr zugeordneten Einrichtungen ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 98 mwN, BAGE 143, 354). Hieran wirken alle Beschäftigten durch ihre Tätigkeit und ungeachtet ihres individuellen Glaubens oder ihrer weltanschaulichen Überzeugungen mit (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 99 mwN, aaO). Die in einem Anstellungsverhältnis in Kirche und Diakonie stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 RL-EKD in unterschiedlicher Weise zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Er ist die Grundlage der Rechte und Pflichten von kirchlichen Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

45

2. Bei der Ermittlung der Reichweite der sich aus der Bezugnahme auf die RL-EKD ergebenden Pflichten bei der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben - als Voraussetzung für die Bestimmung der nach §§ 294, 295 BGB zu bewirkenden Leistung - sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls die Grundrechte der kirchlichen Arbeitgeberin und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere mit Blick auf deren Tätigkeit und Stellung in der kirchlichen Einrichtung, gegeneinander abzuwägen.

46

a) Die Gerichte für Arbeitssachen sind wegen ihrer durch Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten Grundrechtsbindung gehindert, bei der Auslegung und Anwendung zivilrechtlicher Normen das völlige Zurückweichen eines Grundrechts zugunsten eines anderen hinzunehmen. Sie sind gehalten, im Wege einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der jeweils widerstreitenden grundrechtlichen Gewährleistungen herbeizuführen (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, BVerfGE 128, 1; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, BAGE 143, 354). Diese Pflicht entfällt nicht schon deswegen, weil es sich bei Art. 4 GG um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht handelt. Das hindert ein Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung zum Schutz einer anderen - wie des hier fraglichen kirchlichen Selbstbestimmungsrechts - nicht. Auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte können zum Schutz anderer Grundrechte oder grundrechtlicher Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, aaO; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, aaO).

47

Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Annäherung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden. Eine damit einhergehende Begrenzung verfassungsrechtlich geschützter Interessen darf dabei nicht weiter gehen, als es notwendig ist, um die Konkordanz widerstreitender Rechtsgüter herzustellen. Das Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung muss zum Schutz der anderen geboten sein. Für die erforderliche Abwägung gibt die Verfassung kein bestimmtes Ergebnis vor. Die hiernach vorzunehmende Güterabwägung betrifft nicht den gesamten Bereich der jeweiligen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, sondern ist auf den Ausgleich der konkreten Kollisionslage beschränkt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 114, 115 mwN, BAGE 143, 354).

48

b) Die Interessen der Beklagten könnten danach nur dann vorrangig sein, wenn sich diese als Einrichtung der Evangelischen Kirche auf das durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht als Konkretisierung kollektiver Glaubensfreiheit(vgl. ErfK/Schmidt 14. Aufl. Art. 4 GG Rn. 28 mwN) berufen könnte. In diesem Fall wäre das Tragen eines Kopftuchs oder einer entsprechenden anderen Kopfbedeckung als nach außen hin sichtbarem Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit, angesichts der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit einer Krankenschwester, mit der Verpflichtung zu neutralem Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen. Die Klägerin hätte auch unter Berücksichtigung ihrer Glaubensfreiheit die Arbeitsleistung nicht so angeboten, wie sie zu bewirken ist (§§ 294, 295 BGB), weil sie nicht bereit war, auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren Kopfbedeckung zu verzichten.

49

aa) Die Klägerin betrachtet nach den in der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Tragen eines Kopftuchs als für sich verbindlich von den Regeln ihrer Religion vorgegeben. Das Befolgen dieser Bekleidungsregel ist für sie Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses. Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Bekenntnis zu ihrem Glauben nicht durch das Befolgen von religiös begründeten Bekleidungsregeln sichtbar werden zu lassen, greift in ihre durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verbürgte individuelle Glaubensfreiheit ein(vgl. BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 108, 282). Art. 4 GG garantiert in Abs. 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Abs. 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten. Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Eine Verpflichtung, während der Arbeitszeit auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer diesem entsprechenden Kopfbedeckung zu verzichten, führt für die Klägerin zu einem ernsthaften Glaubenskonflikt, indem sie die Klägerin vor die Wahl stellt, entweder ihre Tätigkeit bei der Beklagten auszuüben oder dem von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten.

50

bb) Eine Obliegenheit, das Tragen der von der Klägerin gewünschten Kopfbedeckung zu tolerieren, schränkte die Beklagte - vorausgesetzt, es handelte sich bei ihr um eine kirchliche Einrichtung - in ihrem durch Art. 140 GG, Art. 137 WRV garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht ein, indem aus der Eigenart des kirchlichen Dienstes resultierende, vertraglich vereinbarte Anforderungen an die Aufgabenerfüllung durch die Klägerin gegenüber deren Glaubensfreiheit zurücktreten müssten. Werden - wie hier - Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch, er macht zugleich von seinem verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).

51

(1) Der Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erfasst die individualrechtliche wie die kollektivrechtliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer. Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen Grundauftrag her bestimmten Aufgaben unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstverständnisses zu treffen sind (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354). Zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgesellschaften gehört, dass diese der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft ihrer Mitarbeiter zugrunde legen können (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt daher für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354).

52

(2) Im Streitfall haben die Gerichte für Arbeitssachen die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkennt, hierüber selbst zu befinden.

53

(a) Es kommt weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven beeinflusst sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa einzelner bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138).

54

(b) Es bleibt grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was „die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert“, was „spezifisch kirchliche Aufgaben“ sind, was „Nähe“ zu ihnen bedeutet, welches die „wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre“ sind und was als Verstoß gegen diese anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine „Abstufung“ der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die staatlichen Gerichte sind an die kirchliche Einschätzung arbeitsvertraglicher Loyalitätspflichten gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), im Begriff der „guten Sitten“ (§ 138 Abs. 1 BGB) und im ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben. Die Gerichte haben jedoch sicherzustellen, dass die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).

55

(3) Die Beklagte hat sich an den nach den Maßstäben der verfassten Kirche den nichtchristlichen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung auferlegten Neutralitäts- und Loyalitätspflichten orientiert. Sie leitet die Berechtigung, die von der Klägerin unter dem Vorbehalt des Tragens eines Kopftuchs angebotene Leistung ablehnen zu dürfen, aus dem für nichtchristliche Mitarbeiter nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD iVm. § 2 Abs. 1 RL-EKD geltenden Neutralitätsgebot ab.

56

cc) Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls wäre den Interessen der Beklagten - handelte es sich um eine kirchliche Einrichtung - gegenüber denen der Klägerin Vorrang einzuräumen. Der Senat folgt insoweit der zutreffenden Begründung des Landesarbeitsgerichts:

57

(1) Bei der Abwägung der Grundrechte der Klägerin mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beklagten - unterstellt es handelt sich bei ihr um eine der Evangelischen Kirche zugeordnete Einrichtung - ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in die Obliegenheit, die an sie gestellten Loyalitätserwartungen im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zu erfüllen, bei Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten eingewilligt hat (vgl. dazu EGMR 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 71; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 46; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Sie hat diesen Erwartungen bei Vertragsschluss zugestimmt und sich ihnen in diesem Sinne freiwillig unterworfen. Zwar liegt darin kein Verzicht auf eine zukünftig andere Ausübung ihrer Glaubensfreiheit. Religiöse Überzeugungen und Gewissenseinstellungen können sich ändern. Auch dies ist von der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit umfasst. Die arbeitsvertragliche Anerkennung der Loyalitäts- und Neutralitätserwartungen der Beklagten durch die Klägerin, führt aber dazu, dass der nunmehr anderen Ausübung ihrer Glaubensfreiheit in Gestalt des jetzt - anders als zu Beginn des Arbeitsverhältnisses - von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Gebots, ein Kopftuch zu tragen, zumindest kein höheres Gewicht als dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zukommt (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Während die Loyalitätserwartungen der Beklagten unverändert geblieben sind, hat sich die Bereitschaft der Klägerin, ihnen zu entsprechen, gewandelt. Der Konflikt zwischen den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ist deshalb in ihrer Sphäre begründet.

58

(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie durch den ihr abverlangten Verzicht auf eine ihren Glaubensregeln entsprechende Kopfbedeckung in einen ernsten Glaubenskonflikt gebracht wird. Andererseits ist zu beachten, wird der Kernbereich der Glaubensfreiheit der Klägerin hierdurch nicht betroffen: Ihre Glaubensfreiheit ist nur funktional, zeitlich und räumlich, nämlich bei der Ausübung ihrer beruflichen Aufgaben eingeschränkt. Die Klägerin wird während ihrer Arbeitszeit als eine Muslima, die kein Kopftuch trägt, nur von einem eingeschränkten Personenkreis wahrgenommen. Sie verrichtet ihre Tätigkeit als Krankenschwester nicht vor den Augen einer breiten Öffentlichkeit und muss sich ohne Kopftuch nur den Arbeitskollegen und Patienten und ggf. auch Besuchern zeigen. Sie kann außerhalb der Arbeitszeit in ihrem privaten Umfeld und auch auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeitsstelle uneingeschränkt den Bekleidungsgeboten ihres Glaubens folgen und ein Kopftuch tragen. Indem ihr dies nur während der Arbeitszeit untersagt ist, werden ihr keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt.

59

(3) Unterstellt, das von der Beklagten betriebene Krankenhaus sei der Evangelischen Kirche zugeordnet, ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie, dürfte die Klägerin bei der Arbeit eine religiös motivierte Kopfbedeckung tragen, innerhalb ihrer Einrichtung Glaubensäußerungen zugunsten einer anderer Religion hinnehmen müsste. Zugleich hätte sie eine Verletzung der Pflicht zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche, als sich aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD ergebender Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, zu akzeptieren.

60

(a) Dabei fiele besonders ins Gewicht, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Krankenschwester in direktem und ständigem Kontakt zu den in der Einrichtung der Beklagten behandelten Patienten und zu anderen Arbeitnehmern steht. Die Glaubensbekundung der Klägerin für den Islam würde von diesen unmittelbar als solche wahrgenommen.

61

(b) Die Beklagte müsste, würde sie Glaubensbekundungen der Klägerin tolerieren, zudem damit rechnen, dass andere nichtchristliche Mitarbeiter ebenso während der Arbeitszeit Glaubensbekundungen zugunsten der Religionsgemeinschaft, der sie jeweils angehören, tätigen würden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Verkündigungsauftrag der Kirche und deren Glaubwürdigkeit könnten hierdurch ernsthaft gefährdet werden. Außenstehende könnten den Eindruck gewinnen, die Kirche halte Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Zwänge man der Beklagten auf, dies innerhalb ihrer Einrichtung hinzunehmen, wäre das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Kernbereich beeinträchtigt.

62

(c) Die Beklagte muss sich nicht entgegenhalten lassen, ein kirchlicher Arbeitgeber habe sich mit der Entscheidung, auch nichtchristliche Mitarbeiter einzustellen, bereits für eine Form von religiösem Pluralismus geöffnet. Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD hat die Beklagte vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auch von nichtchristlichen Mitarbeitern erwartet werde, den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen, wie es § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD entspricht.

63

(d) Zu einer anderen Beurteilung führt nicht, dass die Klägerin an sich in der Lage wäre, die dem allgemeinen Berufsbild einer Krankenschwester entsprechenden Tätigkeiten ohne Beeinträchtigungen des Arbeitsablaufs auch kopftuchtragend zu verrichten. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kann die Eigenart der Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, nach dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zum Ausdruck kommenden theologischen Selbstverständnis, mit der Arbeitsleistung werde ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht, nicht außer Acht gelassen werden.

64

(e) Für das Ergebnis der Interessenabwägung kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin Ende 2005, während eines kurzen Zeitraums vor ihrem Erziehungsurlaub, die Arbeit kopftuchtragend verrichtet hat. Selbst wenn dies von der Pflegedienstleitung der Beklagten hingenommen worden sein sollte, könnte hieraus nicht geschlossen werden, die Beklagte bzw. insoweit vertretungsberechtigte Personen hätten dauerhaft auf die Einhaltung des Neutralitätsgebots verzichtet.

65

(4) Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihren Glaubensgeboten entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen, wäre nicht unverhältnismäßig. Die Unterlassungspflicht wäre zur Gewährleistung des aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht resultierenden Neutralitätsgebots geeignet, erforderlich und angemessen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie sie dem Neutralitätsgebot in einer anderen, sie weniger belastenden Art und Weise entsprechen könnte.

66

3. Dem Abwägungsergebnis stünden die Vorschriften des AGG (§ 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2) nicht entgegen.

67

Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß von Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG verstoßen, zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass es anderen Arbeitnehmern der Beklagten gestattet sei, Kopfbedeckungen während der Arbeitszeit zu tragen, soweit dies nicht in besonderen Bereichen aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Krankenhaushygiene geboten ist. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Klägerin durch die aus dem Arbeitsvertrag der Parteien resultierende Verpflichtung, das Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen und auch keine entsprechende andere Kopfbedeckung zu tragen, wegen ihrer Religion benachteiligt würde, denn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot schiede nach § 9 Abs. 2 AGG aus. Nach dieser Vorschrift berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion nicht das Recht der Religionsgemeinschaften, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können. Weitergehende Verpflichtungen werden der Klägerin mit dem aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD resultierenden Neutralitätsgebot nicht auferlegt.

68

4. Auch das Grundrecht der Klägerin auf Religionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 EMRK wäre nicht verletzt.

69

a) Art. 9 EMRK gewährleistet die Religionsfreiheit nicht schrankenlos, vielmehr sind ausdrücklich Einschränkungen in Abs. 2 der Vorschrift vorgesehen. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit kommt insbesondere im Hinblick auf die Rechte und Freiheiten anderer in Betracht (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 38 f.). Insoweit hat eine Abwägung zwischen den Rechten des Arbeitnehmers und denen des kirchlichen Arbeitgebers unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts stattzufinden (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 43). Nach der Rechtsprechung des EGMR, deren Beachtung verfassungsrechtlich geboten ist, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (BVerfG 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307; 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 ua. - Rn. 93 f. mwN, BVerfGE 128, 326; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 27, BAGE 145, 90), ist zu berücksichtigen, dass die Religionsgemeinschaften traditionell und weltweit in Form organisierter Strukturen existieren (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 44 und - 1620/03 - [Schüth] Rn. 58; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Vor diesem Hintergrund ist, wenn die Organisation einer solchen Gemeinschaft in Rede steht, Art. 9 EMRK im Lichte von Art. 11 EMRK auszulegen, der die Vereinigungsfreiheit vor jeglichem ungerechtfertigten staatlichen Eingriff schützt. Ihre für den Pluralismus in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbare Autonomie gehört zum Kernbestand des Schutzes, den Art. 9 EMRK vermittelt. Das Recht auf Religionsfreiheit im Sinne der Konvention ist - außer in extremen Ausnahmefällen - jeglicher Beurteilung seitens des Staates im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des religiösen Bekenntnisses oder der Art und Weise, in der es zum Ausdruck gebracht wird, entzogen (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist es nicht zu beanstanden, wenn der Kirche das Recht zuerkannt wird, ihren Beschäftigen Loyalitätspflichten aufzuerlegen, sofern diese nicht unannehmbar sind (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 49; 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 69).

70

b) Hiervon ausgehend wären - unterstellt, es handelte sich bei der Beklagten um eine kirchliche Einrichtung - das arbeitsvertragliche Neutralitätsgebot und hieraus resultierend, das Verbot während der Arbeitszeit ein islamisches Kopftuch oder eine vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, mit Art. 9 Abs. 1 EMRK vereinbar. Der Klägerin werden hierdurch keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt. Das Verbot ist nicht unverhältnismäßig. Unter Berücksichtigung der Tätigkeit der Klägerin könnte auf andere Weise das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, von dem der kirchliche Arbeitgeber mit der Festlegung von Loyalitätspflichten im Arbeitsverhältnis Gebrauch macht (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90), nicht gewahrt werden.

71

5. Etwas anderes würde gelten, gelänge es der Beklagten nicht, nachzuweisen, dass sie dem Schutzbereich von Art. 140 GG, Art. 137 WRV unterfällt. In diesem Fall würden die Interessen der Klägerin überwiegen. Die Beklagte könnte sich dann gegenüber der durch Art. 4 GG gewährleisteten Glaubensfreiheit der Klägerin, trotz der Verweisung auf die RL-EKD im Arbeitsvertrag, nur auf Art. 12 GG stützen(vgl. BAG 10. Oktober 2002 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111; 24. Februar 2011 2 AZR 636/09 - BAGE 137, 164; vgl. hierzu auch den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 30. Juli 2003 - 1 BvR 792/03 - Rn. 17, 18, 24). Das Tragen eines Kopftuchs wäre in diesem Fall von der Beklagten hinzunehmen, denn sie hat nicht dargelegt, dass ein Verzicht auf eine Kopfbedeckung, wie sie von der Klägerin gewünscht wird, aus betrieblichen - zB hygienischen - Gründen geboten wäre und andernfalls betriebliche Störungen zu befürchten seien. Die Voraussetzungen für eine wirksame Dienstvereinbarung lägen nicht vor, handelte es sich bei der Beklagten nicht um eine kirchliche Einrichtung. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob mit der Dienstvereinbarung, soweit sie das Tragen eines Kopftuchs untersagt, Arbeitsverhalten oder Ordnungsverhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter iSv. § 40k MVG.EKD geregelt wird (zur Abgrenzung im Bereich des BetrVG, vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9, 11, BAGE 121, 147; 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 22, BAGE 140, 223) und, ob die Dienstvereinbarung überhaupt gegenüber der Klägerin zwingende Wirkung entfalten kann (vgl. hierzu BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 19; Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 15. Aufl. § 185 Rn. 17).

72

6. Ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entscheiden.

73

a) Unmittelbare Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind die Religionsgemeinschaften iSd. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die diesen zugeordneten Einrichtungen leiten dieses Recht von ihnen ab, sie sind selbst Teil der Kirche (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 22 mwN, BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 57, BAGE 143, 354).

74

aa) Der Anwendungsbereich von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV erstreckt sich auf alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn die Einrichtung nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihren Aufgaben entsprechend berufen ist, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen. Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Kirche im Staat erlaubt es ihr, sich zur Erfüllung ihres Auftrags auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts zu bedienen. Die Zugehörigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage begründeten Einrichtungen zur Kirche wird hierdurch nicht aufgehoben (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 30, BAGE 125, 100).

75

(1) Für die Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung zur Kirche ist es allerdings nicht ausreichend, wenn die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet ist. Sie setzt eine institutionelle Verbindung zwischen der Kirche und der Einrichtung voraus, aufgrund derer die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können. Dabei bedarf der ordnende Einfluss der Kirche zwar keiner satzungsmäßigen Absicherung. Die Kirche muss aber in der Lage sein, einen etwaigen Dissens in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung zu unterbinden (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 31 f., BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 48, BAGE 143, 354).

76

(2) Die den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV verliehene Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie hat nicht zur Folge, dass die Zuordnung einer Einrichtung zu einer Religionsgemeinschaft einer Kontrolle durch die Gerichte für Arbeitssachen entzogen ist. Diese haben in einer zweistufigen Prüfung darüber zu befinden, ob überhaupt eine verwaltungsmäßige Verflechtung zwischen der Kirche und der Einrichtung besteht und ob die Kirche aufgrund dieser Verbindung über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit ihren Vorstellungen gewährleisten zu können. Grundlage für die Beurteilung der Zuordnung ist die in den Statuten festgeschriebene Zweckbestimmung und die Struktur der Einrichtung (vgl. BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 33 f., BAGE 125, 100).

77

b) Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen ermöglichen es nicht, anhand der genannten Kriterien zu beurteilen, ob die Beklagte eine kirchliche Einrichtung ist. Dem Tatbestand der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist lediglich zu entnehmen, bei der Beklagten handele es sich um eine Krankenanstalt unter konfessioneller Trägerschaft der Evangelischen Kirche. Nach dem Vortrag der Parteien ist „Trägerin“ der Beklagten die „Evangelische Stiftung A“. Tatsachen, die es ermöglichten zu beurteilen, ob zwischen der Kirche und der Beklagten - unmittelbar oder vermittelt durch die Stiftung - eine institutionelle Verbindung im oben genannten Sinne besteht, sind nicht festgestellt und können dem unstreitigen Parteivorbringen nicht entnommen werden. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen über den Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Beklagten, die Bestellung, Abberufung und Entlastung ihrer Geschäftsführung sowie ggf. deren Überwachung durch die Evangelische Stiftung A als (wohl) einziger Gesellschafterin getroffen und - gemessen an den oben dargelegten Kriterien - zur Zuordnung der Stiftung zur Evangelischen Kirche. Als der Partei, die sich zu ihren Gunsten auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beruft, obliegt es der Beklagten, dies darzulegen und ggf. zu beweisen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dittrich     

        

    Dombrowsky     

                 

Das Gericht kann über eine streitige Tatsache auch die beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei es beantragt und die andere damit einverstanden ist.

Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken.

(2) Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.