Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 01. Juni 2016 - 4 Sa 130/14

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0601.4SA130.14.0A
bei uns veröffentlicht am01.06.2016

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 04.02.2014 - 2 Ca 1455/13 - wird zurückgewiesen.

II. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird abgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Die Beklagte begehrt hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

2

Der Kläger war seit dem 01.04.1988 bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, zuletzt auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 01.07.1997, hinsichtlich dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 11 bis 18 d. A. Bezug genommen wird, als Sonderbeauftragter für das Unfallgeschäft im Außendienst beschäftigt.

3

Die Arbeitsvergütung des Klägers setzte sich zusammen aus einem monatlichen Fixum und Provisionen. Bezüglich der Provisionen enthält der Arbeitsvertrag vom 01.07.1997 in Ziffer 4.5 u.a. die Regelung, dass der Kläger für die Vermittlung von Unfallversicherungen mit Beitragsrückgewähr (für alle Laufzeiten) eine Provision in Höhe von 20 Prozent der Neu- und Mehrprämie erhält.

4

Ab dem Jahr 2004 berechnete die Beklagte dem Kläger für die Vermittlung der im selben Jahr eingeführten Senioren-Unfallversicherung dessen Provision von 20 % nicht mehr aus dem vollen Nettojahresbeitrag, sondern infolge der Anwendung von Laufzeitfaktoren aus lediglich 70 % dieses Beitrages. Im Jahr 2006 führte die Beklagte das Produkt "Unfallversicherung gegen Einmalbetrag" ein und berechnete die zwanzigprozentige Provision des Klägers lediglich aus 20 % des Netto-Einmalbeitrages. Der Kläger war mit diesen Berechnungen seiner Provision nicht einverstanden. Es kam daher in der Folgezeit zu mehreren Gesprächen zwischen den Parteien, die dazu führten, dass die Beklagte zunächst für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.12.2008 und letztlich auch für den Zeitraum bis einschließlich November 2011 Nachberechnungen der Provisionen des Klägers auf Basis einer zwanzigprozentigen Provision aus dem vollen Netto-Jahresbeitrag bzw. aus dem vollen Einmalbetrag vornahm und die sich hieraus zugunsten des Klägers ergebenden Differenzbeträge an ihn auszahlte.

5

Ab Dezember 2011 rechnete die Beklagte die Provisionen des Klägers für die Senioren-Unfallversicherung wiederum nur mit 70 % des Nettojahresbeitrages und für die Unfallversicherung gegen Einmalbetrag wiederum nur mit 20 % des Einmalbetrages ab.

6

Mit seiner am 28.06.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten und mit Schriftsatz vom 16.10.2013 erweiterten Klage hat der Kläger die Beklagte auf Nachzahlung von Provisionen für den Abschluss von Senioren-Unfallversicherungen und Unfallversicherungen gegen Einmalbeitrag für den Zeitraum Dezember 2011 bis einschließlich Februar 2013 in Höhe von insgesamt 395.212,81 EUR brutto in Anspruch genommen und dabei im Wesentlichen geltend gemacht, ihm stehe bezüglich dieser Versicherungsprodukte vertragsgemäß eine Provision von 20 % aus dem Netto-Jahresbeitrag bzw. aus dem Einmalbeitrag zu. In diesem Verfahren (Arbeitsgericht Ludwigshafen, Az: 2 Ca 1212/13; nachfolgend LAG Rheinland-Pfalz, Az: 4 Sa 109/14) reichte der Kläger zur Begründung seiner Klageforderung über seinen Prozessbevollmächtigten u. a. die ihm seitens der Beklagten übermittelten Provisionsabrechnungen für die Monate Dezember 2011 bis Februar 2013 zu den Gerichtsakten. In diesen Provisionsabrechnungen waren nicht nur diejenigen Versicherungen enthalten, hinsichtlich derer die dem Kläger zustehenden Provisionen zwischen den Parteien im Streit war (Senioren-Unfallversicherungen und Unfallversicherungen gegen Einmalbetrag), sondern auch weitere vom Kläger vermittelte Versicherungen mit Produktnamen (auch Unfall- und Lebensversicherungsverträge) und namentlicher Benennung der versicherten Personen und Versicherungsnehmer nebst der jeweiligen Versicherungsschein-Nummer. Die zu den Gerichtsakten gereichten Abrechnungen waren vollständig lesbar, es waren keine Angaben geschwärzt.

7

Die Beklagte ist der Zahlungsklage u. a. mit dem Argument entgegengetreten, der Kläger habe sich mit Unterzeichnung eines Schreibens vom 06.08.2003, dem Provisionstabellen mit verminderten Provisionssätzen beigefügt gewesen seien, mit der Verringerung der Provisionssätze für die betreffenden Versicherungen einverstanden erklärt. Das betreffende Schreiben vom 06.08.2003 hat folgenden Inhalt:

8

"Krankheit 20.-24.06.

9

Sehr geehrter Herr A.,
die Krankmeldung 20.-24.06.03 liegt im Original vor. Der Ausgleich wurde in der Abrechnung Juli gebucht, Kopie anbei. Beachten Sie bitte, dass wir die Verrechnung gemäß Schreiben vom 01.04.03 vorgenommen haben.

10

Zusätzlich erhalten Sie anliegend zu diesem Schreiben den Nachtrag "Kompositversicherungen und Unfall", den wir bereits mit letztem Schreiben angekündigt hatten. Bitte geben Sie uns eine Kopie mit Unterschrift wieder zurück.
Mit freundlichen Grüßen"

11

Das seitens der Beklagten unterzeichnete Schreiben enthält unterhalb des maschinenschriftlichen Textes den handschriftlichen, von einem Mitarbeiter der Beklagten unterzeichneten Vermerk: "Umsetzung auf die neuen Tabellen zum 01.04.2005". Darunter befindet sich über dem Vermerk "Einverstanden, am" eine Unterschrift, hinsichtlich derer zwischen den Parteien streitig ist, ob sie vom Kläger stammt. Außerdem existiert eine weitere Fassung bzw. Ausfertigung des Schreibens vom 06.08.2003, auf dem sich die seitens der Beklagten behauptete Unterschrift des Klägers innerhalb eines Stempels mit dem Titel "Einverstanden", jedoch ebenfalls unter dem handschriftlichen Umsetzungsvermerk befindet. Wegen Form und Inhalt der betreffenden Schriftstücke wird ergänzend auf Bl. 919 und Bl. 928 d. A. Bezug genommen.

12

Nachdem die Beklagte geltend gemacht hatte, die Zahlungsklage sei in Höhe eines Teilbetrages von 86.105,31 EUR bereits aus anderen Gründen, d. h. etwa wegen bereits erfolgter Nachvergütung oder Stornierung einzelner Verträge unbegründet, hat der Kläger die Klage in Höhe dieses Betrages erstinstanzlich zurückgenommen und nur noch in Höhe von 309.107,50 EUR brutto weiterverfolgt. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 04.02.2014 (Az: 2 Ca 1212/13) stattgegeben. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung (LAG Rheinland-Pfalz, 4 Sa 109/14) blieb erfolglos.

13

Mit Schreiben vom 23.07.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum 31.03.2014. Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 29.07.2013 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage.

14

Der Kläger hat beantragt:

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Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 23.07.2013 nicht aufgelöst worden ist.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

18

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, der Kläger habe durch die Weitergabe von Provisionsabrechnungen mit ungeschwärzten, nicht zur Begründung seiner streitigen Provisionsansprüche erforderlichen Angaben in schwerwiegender Weise gegen seine Verpflichtung zur Wahrung des Datengeheimnisses, auf welches er unter Ziffer 7.2 des Arbeitsvertrages und in einem Merkblatt ausdrücklich hingewiesen worden sei, sowie gegen gesetzliche Schutzvorschriften verstoßen. Da die betreffenden Angaben teilweise zur Begründung der Klage nicht erforderlich gewesen seien, sei auch deren Weitergabe in keiner Weise gerechtfertigt. Durch den nachlässigen Umgang mit höchst sensiblen Daten sei ein schwerwiegender Vertrauensverlust entstanden, der einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehe. Die fristlose Kündigung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil gegen den Kläger der Verdacht eines versuchten Prozessbetruges bestehe. Dem Kläger müsse infolge einer Mitteilung vom 10.08.2012 sowie im Hinblick auf den Inhalt des Summenblatts der Außerdienstabrechnung für August 2012 bekannt gewesen sein, dass für das Produkt "Senioren-Unfallversicherung" für den Zeitraum November 2011 bis Juni 2012 weitere 3.504,83 EUR nachgezahlt worden seien und damit ein Teil der Klageforderung von vornherein unbegründet gewesen sei. Des Weiteren habe der Kläger Provisionsansprüche in Höhe von 86.105,31 EUR geltend gemacht, die ihm bereits aus anderen Gründen, d. h. etwa wegen bereits erfolgter Nachvergütung oder Stornierung einzelner Verträge nicht mehr zugestanden hätten. Dies sei für den Kläger bereits bei Klageerhebung erkennbar gewesen.

19

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 04.02.2014 (Bl. 697 bis 700 d. A.).

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Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 04.02.2014 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 11 dieses Urteils (= Bl. 700 bis 706 d. A.) verwiesen.

21

Gegen das ihr am 05.03.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.03.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 05.05.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 05.06.2014 begründet.

22

Die Beklagte hat während des Verlaufs des erstinstanzlichen Verfahrens das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23.12.2013 erneut sowohl fristlos als auch hilfsweise ordentlich zum 30.09.2014 gekündigt. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit rechtskräftigem Teilurteil vom 16.09.2014 im Verfahren 2 Ca 397/14 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 23.12.2013 nicht aufgelöst worden ist.

23

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, soweit das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung die Auffassung vertreten habe, der Verstoß des Klägers gegen die Verpflichtung zur Wahrung des Dienstgeheimnisses stelle keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar, so habe das Arbeitsgericht sowohl die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme eines wichtigen Grundes als auch die Intensität des Pflichtenverstoßes des Klägers verkannt. Zwar sei der Kläger zur Wahrung seiner Rechte berechtigt gewesen, Provisionsabrechnungen vorzulegen. Zur Untermauerung seines Standpunktes hätte es aber völlig ausgereicht, im Parallelverfahren lediglich die Versicherungsnummer, die Versicherungssumme sowie den Beitrag zu bezeichnen. Der Kläger habe sich aber nicht auf die Vorlage dessen beschränkt, was zur Verfolgung seiner angeblichen Ansprüche erforderlich gewesen sei, sondern habe darüber hinaus weitere personenbezogene Daten mitgeteilt und damit ganz schwerwiegend gegen seine arbeitsrechtliche Verpflichtung zur Wahrung des Dienstgeheimnisses verstoßen, indem er die Namen der Versicherungsnehmer und der versicherten Personen angegeben habe. Überdies habe sich der Kläger nicht darauf beschränkt, Angaben zu machen, die diejenigen Unfallversicherungsprodukte beträfen, über deren Provisionshöhe man sich streite, sondern habe darüber hinaus Angaben zu anderen Unfallversicherungsprodukten gemacht, die im Parallelverfahren überhaupt nicht im Streit stünden. Insbesondere aus den völlig überflüssigerweise mitgeteilten Daten über Kapitallebens- und Rentenversicherungen sowie über die Hausratsversicherungen ließen sich personenbezogen deutliche Rückschlüsse auf die finanzielle Leistungskraft des betroffenen Versicherungsnehmers ziehen. Ein solches Verfahren sei für einen erfahrenen Außendienstmitarbeiter in der Versicherungsbranche absolut inakzeptabel. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch insbesondere, dass der Kläger in einem Merkblatt in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen worden sei, welche Daten unter welchen Bedingungen weitergegeben werden dürften oder nicht. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bedürfe es bei einem solch schwerwiegenden Verstoß, der vorsätzlich erfolgt sei, keiner vorherigen Abmahnung. Darüber hinaus bestehe gegen den Kläger - wie bereits erstinstanzlich vorgetragen - der Verdacht eines versuchten Prozessbetruges. So habe der Kläger auch Provisionen für das Produkt "Senioren-Unfallversicherung" für den Zeitraum von November 2011 bis Juni 2012 im Parallelverfahren eingeklagt, obwohl sie - die Beklagte - bereits 3.504,83 EUR auf die Provisionen für diesen Versicherungstyp im genannten Zeitraum nachgezahlt gehabt habe. Überdies habe der Kläger Provisionen - und dies sei der schwerwiegendere Vorwurf - geltend gemacht für Verträge, von denen er gewusst habe, dass sie storniert worden seien. Die aus diesen Verträgen resultierende Nachforderung des Klägers habe ca. 86.000,00 EUR und damit ca. ¼ der Klageforderung ausgemacht. Für den Fall, dass die streitbefangene Kündigung gleichwohl als sozialwidrig erachtet werde, begehre sie - die Beklagte - die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Neben den Gründen, die bereits für die Rechtfertigung der Kündigung vorgetragen worden seien, berufe sie sich auf einen weiteren Sachverhalt, der den Tatbestand des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG erfülle. Der Kläger trage nämlich bewusst und vorsätzlich falsch vor, indem er behaupte, das Schreiben vom 06.08.2003, welches die Vereinbarung geänderter Provisionssätze beinhalte und damit der Begründetheit seiner Zahlungsklage entgegenstehe, nicht unterzeichnet zu haben. Im letzten Quartal des Kalenderjahres 2003 habe sie - die Beklagte - bundesweit auf ein neues Bezahlsystem umgestellt. Aus diesem Grund habe in den Anstellungsverträgen der von dieser Umstellung betroffenen Außendienstmitarbeiter eine entsprechende Vertragsänderung vorgenommen werden müssen. Zu diesem Zweck sei das Schreiben vom 06.08.2003 verfasst und an den Kläger versandt worden. In der Folgezeit sei nicht überprüft worden, ob der Kläger das betreffende Schreiben in unterschriebener Form zurückgesandt habe. Erst im Januar 2005 sei der Teamleiter der Vertriebsverwaltung von zwei Mitarbeitern darauf hingewiesen worden, dass der Kläger die Umstellung auf das neue Provisionssystem noch nicht mit seiner Unterschrift bestätigt habe. Deshalb habe am 24.03.2005 ein Gespräch mit dem Kläger stattgefunden, in welchem dieser mitgeteilt habe, er habe das betreffende Scheiben nie erhalten. Der Kläger habe es an diesem Tag auch abgelehnt, das Schreiben zu unterzeichnen und sich diesbezüglich eine Bedenkzeit erbeten. Daraufhin habe einer ihrer Mitarbeiter zunächst den handschriftlichen Umsetzungsvermerk und später den Vermerk "Einverstanden, am" auf das Schreiben gesetzt. Der Kläger habe das Schreiben mit nach Hause genommen und am 29.03.2005 vom Faxgerät der zu seinem Betreuungsgebiet gehörenden Volksbank K. unterzeichnet zurückgesandt, wie sich aus der Faxkennung des betreffenden Telefaxes ergebe. Nachdem der Kläger daraufhin um Überlassung des Originalschreibens gebeten worden sei, habe er mitgeteilt, er könne dieses nicht mehr auffinden. Daraufhin seien von dem noch in der Personalakte befindlichen Schreiben vom 06.08.2003 zwei weitere Kopien mit dem Stempel "Einverstanden" versehen und an den Kläger versandt worden. Am 10.06.2005 habe sie auch dieses Schreiben, unterzeichnet vom Kläger, zurückerhalten. Sowohl das vom Kläger versandte Telefax als auch das am 10.06.2005 zurückerhaltene Schreiben seien in der archivierten Personalakte des Klägers nicht mehr vorhanden. Fest stehe jedoch, dass der Kläger die betreffende Erklärung unterzeichnet habe. Dies folge u. a. auch daraus, dass der Kläger im Parallelverfahren in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht auf Vorhalt der Vorsitzenden ausdrücklich die Echtheit seiner Unterschrift auf dem Telefax vom 29.03.2005 bestätigt habe. Es stehe somit fest, dass der Kläger wider besseres Wissen bestritten habe, sein Einverständnis zu einer Umstellung der Provisionsabrechnung ab dem 01.04.2005 erklärt zu haben. Durch dieses wahrheitswidrige Leugnen seiner Unterzeichnung habe er eine Kausalkette in Gang gesetzt, die im Ergebnis dazu geführt habe, dass ihm Provisionen gezahlt worden seien, die ihm nach der Vertragslage nicht zugestanden hätten. Dies rechtfertige eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

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Die Beklagte beantragt,

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1. das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise,
das Arbeitsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 KSchG zum 31.03.2014 aufzulösen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung unter Abweisung des Auflösungsantrages zurückzuweisen.

28

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht im Wesentlichen geltend, die Tatsache, dass er die Provisionsabrechnungen ohne Schwärzung seinem Prozessbevollmächtigten sowie dem Arbeitsgericht vorgelegt habe, vermöge den Ausspruch einer Kündigung nicht zu rechtfertigen. Das Arbeitsgericht habe diesbezüglich zutreffend festgestellt, dass es gerechtfertigt gewesen sei, dass er seinem Rechtsanwalt die Provisionsabrechnungen zur Prüfung übergeben habe. Dies habe auch gegenüber dem Gericht so erfolgen müssen. Denn nur so sei eine Prüfung möglich gewesen, ob ihm noch ein Provisionsanspruch zustehe. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang insbesondere auch, dass sowohl sein Prozessbevollmächtigter als auch das Gericht einer Schweigepflicht unterlägen und es daher ausgeschlossen sei, dass etwaige Daten an unberechtigte Personen zur Kenntnis gelangen könnten. Der Vorwurf des versuchten Prozessbetruges entbehre einer Grundlage. Er - der Kläger - habe bereits im Parallelverfahren vorgetragen, dass die Nachzahlung der Beklagten in Höhe von 3.504,83 EUR bei der Bezifferung der Klageforderung berücksichtigt worden sei. Die nunmehr seitens der Beklagten aufgestellte Behauptung, er habe Provisionen für Verträge geltend gemacht, von denen er gewusst habe, dass sie storniert worden seien, sei abwegig und falsch. Der Auflösungsantrag der Beklagten sei unbegründet und daher zurückzuweisen. Es lägen keine Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten ließen. Das von der Beklagten vorgelegte Schreiben vom 06.08.2003 habe er weder unterzeichnet, noch an die Beklagte - auch nicht von einem Faxgerät der Volksbank K. - zurückgesandt. Zu beachten sei auch, dass die streitbefangene Kündigung gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB verstoße und daher bereits aus diesem Grund unwirksam sei. Die Kündigung sei von der Absicht der Beklagten getragen gewesen, ihn für die am 28.06.2013 erhobene Provisionsklage zu sanktionieren. Nach Zustellung der Klageschrift sei bei der Beklagten der Entschluss gefasst worden, das Arbeitsverhältnis deshalb zu kündigen, weil er seine Provisionsansprüche nunmehr klageweise durchzusetzen versuche.

29

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die von ihnen in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schrift-sätze Bezug genommen.

30

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin F., durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage der Richterin am Arbeitsgericht Ludwigshafen H., sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.07.2015 (dort Seite 3 f. = Bl. 1041 f. d. A.), auf die schriftliche Zeugenaussage der Richterin am Arbeitsgericht Ludwigshafen H. (Bl. 1113 d. A.) sowie auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. H. vom 13.09.2015 verwiesen.

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Der Akteninhalt des Verfahrens 2 Ca 1212/12 (ArbG Ludwigshafen) bzw. 4 Sa 109/14 (LAG Rheinl.-Pf.) war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I.

32

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

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1. Die Kündigungsschutzklage ist insgesamt begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung aufgelöst worden.

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a) Soweit sich die Kündigungsschutzklage gegen die fristlose Kündigung vom 23.07.2013 gerichtet hat, so folgt die Begründetheit der Klage bereits aus der Rechtskraft des Teilurteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 16.09.2014 (Az: 2 Ca 397/14), mit welchem festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.12.2013 aufgelöst worden ist. Infolge dieser Feststellung ist es der Beklagten verwehrt, sich auf die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 23.07.2013 zu berufen.

35

Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb fest, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den streitenden Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dies schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus (BAG v. 22.11.2012 - 2 AZR 732/11 - AP Nr. 241 zu § 626 BGB, m.w.N.).

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Demnach steht vorliegend aufgrund des rechtskräftigen Teil-Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 16.09.2014 fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls noch am 23.12.2013 bestanden hat. Die Beklagte kann daher nicht mehr geltend machen, das Arbeitsverhältnis sei bereits durch die streitbefangene fristlose Kündigung vom 23.07.2013 aufgelöst worden.

37

b) Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.07.2013 zum 31..03.2014 aufgelöst worden.

38

Dabei kann offen bleiben, ob sich die Kündigung bereits wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot (§ 612 a BGB) als unwirksam erweist, was im Hinblick auf den nahen zeitlichen Zusammenhang zwischen der der Beklagten am 12.07.2013 zugestellten Zahlungsklage und der mit Schreiben vom 23.07.2013 ausgesprochenen Kündigung indiziert sein könnte und ob sich der Kläger infolge eines in erster Instanz unterbliebenen Hinweises nach § 6 Satz 2 KSchG erstmals in zweiter Instanz auf diesen Unwirksamkeitsgrund berufen kann. Die Kündigung erweist sich nämlich jedenfalls als sozial ungerechtfertigt und daher als rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG).

39

Verhaltensbedingte Gründe i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG, die eine ordentliche Kündigung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

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aa) Der Umstand, dass der Kläger im Zusammenhang mit der gerichtlichen Geltendmachung von Provisionsansprüchen sowohl seinem Prozessbevollmächtigten als auch dem Gericht Provisionsabrechnungen vorgelegt hat, die eine Vielzahl auch solcher personenbezogener Daten enthalten, welche für die Berechnung seiner Klageforderung ohne Belang waren, vermag den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nicht zu rechtfertigen.

41

Zwar hat der Kläger mit der Weitergabe dieser Daten gegen seine arbeitsvertragliche Pflicht zur Wahrung des Datengeheimnisses, auf die er in Ziffer 7.2 des Arbeitsvertrages hingewiesen worden war, verletzt. Sein Verhalten war insoweit auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Wahrung berechtigter Interessen gerechtfertigt, da keinerlei Notwendigkeit bestand, auch solche personenbezogenen Daten über seinen Prozessbevollmächtigten dem Gericht zuzuleiten, welche für seine Provisionsansprüche ohne jegliche Bedeutung waren, die jedoch zugleich auch Rückschlüsse auf die persönlichen Verhältnisse von Versicherungsnehmern und Versicherten zulassen.

42

Die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten, wie sie hier in Rede steht, kann grundsätzlich einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen. Für eine solche Kündigung gilt jedoch das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch für die Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Außerdem ist die Abmahnung als milderes Mittel in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einer Kündigung vorzuziehen, wenn durch ihren Ausspruch das Ziel - ordnungsgemäße Vertragserfüllung - erreicht werden kann (BAG v. 23.06.2009 - 2 AZR 283/08 - AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung, m.w.N.). Eine Abmahnung ist jedoch dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG v. 10.02.1999 - 2 ABR 31/98 - AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969, m.w.N.).

43

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass es für die Wirksamkeit der streitbefangenen ordentlichen Kündigung der vorherigen Erteilung einer einschlägigen Abmahnung bedurft hätte. Das Fehlverhalten des Klägers stellt keineswegs eine solch schwere Pflichtverletzung dar, deren Rechtswidrigkeit ohne weiteres erkennbar war und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen war. Zum einen handelte es sich um eine vertragliche Nebenpflicht. Das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis war nicht beeinträchtigt. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger durch sein Verhalten - wie von der Beklagten behauptet - eine Ordnungswidrigkeit oder sogar (was allerdings fern liegt) eine Straftat begangen hat. Die strafrechtliche bzw. ordnungswidrigkeitsrechtliche Beurteilung ist kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend (BAG v. 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 1, m.w.N.). Der Annahme einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, die ohne vorherige einschlägige Abmahnung den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung rechtfertigen könnte, steht insbesondere entgegen, dass der Kläger die betreffenden Daten nur an solche Personen bzw. Stellen weitergegeben hat, die diesbezüglich ihrerseits zur Geheimhaltung verpflichtet sind. Sowohl der Rechtsanwalt des Klägers nach § 43 a Abs. 2 BRAO als auch das Gericht nach § 37 Abs. 1 BeamtStG sind zur Verschwiegenheit hinsichtlich aller ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. Der Kläger konnte berechtigterweise davon ausgehen, dass die von ihm weitergegebenen Daten nicht Dritten in irgendeiner Weise zugänglich gemacht werden. Den Versicherungsnehmern der Beklagten ist, ebenso wie ihr selbst, durch das Verhalten des Klägers keinerlei Schaden entstanden. Die Beziehungen zwischen der Beklagten und ihren Kunden ist in keiner Weise beeinträchtigt worden.

44

bb) Die Beklagte kann zur Stützung der Kündigung auch nicht mit Erfolg geltend machen, gegen den Kläger bestehe der Verdacht eines versuchten Prozessbetruges.

45

Es ist allgemein anerkannt, dass der Verdacht, der Arbeitnehmer könne eine strafbare Handlung oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben, geeignet sein kann, den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung zu rechtfertigen. Entscheidend ist, dass es gerade der Verdacht ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Der Verdacht muss objektiv durch Tatsachen begründet sein, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss darüber hinaus dringend sein, d. h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Straftat oder die Pflichtverletzung begangen hat. Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben. Er ist insbesondere verpflichtet, den verdächtigen Arbeitnehmer anzuhören, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

46

Im Streitfall besteht gegen den Kläger nicht der dringende Verdacht, einen Prozessbetrug zum Nachteil der Beklagten versucht zu haben. Diesbezüglich fehlt es der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit.

47

Es bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen versucht hat, das Gericht zu einer das Vermögen der Beklagten schädigenden Entscheidung zu veranlassen. Alleine der Umstand, dass der Kläger zunächst eine überhöhte und zum Teil unbegründete Provisionsforderung gegen die Beklagte gerichtlich geltend gemacht hat, reicht diesbezüglich nicht aus. Was die von der Beklagten behauptete Zuvielforderung von 3.504,83 EUR betrifft, so ergibt sich diese - unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten (Schriftsatz vom 18.10.2013, dort Seite 10 = Bl. 187 d. A.) - bereits aus dem vom Kläger selbst bei Erhebung seiner Zahlungsklage als Anlage K 18 zu den Akten gereichten Summenblatt der Außendienstabrechnung für den Monat August 2012, wo dieser Betrag gesondert ausgewiesen ist. Es kann somit bereits von daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger Tatsachen, welche die Höhe des vom ihm geltend gemachten Anspruchs betrafen, unterdrücken wollte. Entsprechendes gilt im Hinblick auf den aus vielen Einzelpositionen zusammengesetzten Betrag von 86.105,31 EUR, um den der Kläger seine Zahlungsklage bereits erstinstanzlich reduziert hat, nachdem die Beklagte geltend gemacht hatte, die Klage sei insoweit auch infolge anderer Umstände (Stornierungen, Nachvergütungen etc.) unbegründet. Es bestehen nämlich auch diesbezüglich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei der Berechnung seiner Klageforderung vorsätzlich oder zumindest mit bedingtem Vorsatz falsche Tatsachen vorgetragen oder solche Tatsachen verschwiegen bzw. unterdrückt hat, die der Begründetheit einzelner Provisionsansprüche entgegenstanden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der vom Kläger geltend gemachte Nachvergütungsanspruch aus insgesamt 441 Einzelpositionen zusammensetzte, die der Kläger aus umfangreichen Provisionsabrechnungen herausfilterte, und sich Stornierungen sowie Nachvergütungen ebenfalls nur aus (weiteren) Schriftstücken, Abrechnungen u. ä. ergeben konnten. Den Kläger trifft daher lediglich der Vorwurf, bei der Berechnung seines Nachvergütungsanspruchs, der letztlich überwiegend, nämlich in Höhe von 309.107,50 EUR begründet war, nicht die notwendige Sorgfalt beachtet zu haben. Ein vorsätzlich falscher Sachvortrag oder ein vorsätzliches wahrheitswidriges Bestreiten gegnerischen Vorbringens sind nicht ersichtlich. Für die Annahme eines versuchten Prozessbetruges fehlt es somit an ausreichenden Anhaltspunkten. Demzufolge besteht gegen den Kläger auch kein diesbezüglicher dringender Verdacht.

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2. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet.

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Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG setzt die Begründetheit eines Auflösungsantrages des Arbeitgebers voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Unter Beachtung der primären Zielsetzung des Kündigungsschutzgesetzes, den Arbeitnehmer im Interesse eines wirksamen Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses vor einem Verlust des Arbeitsplatzes durch sozialwidrige Kündigungen zu bewahren, sind an den Auflösungsantrag des Arbeitgebers strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG v. 22.10.2004 - 1 BvR 1944/01 - AP Nr. 49 zu § 9 KSchG 1969). Als Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen, kommen nur Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitgeber, die Wertung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, seiner Leistungen oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben etwa als Vorgesetzter, und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen (KR/Spilger, 11. Auflage, § 9 KSchG, Rz. 66, m.N.a.d.R.).

50

Soweit sich die Beklagte zur Begründung ihres Auflösungsantrages (auch) auf die von ihr vorgebrachten Kündigungsgründe beruft, so vermögen diese die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht zu rechtfertigen. Dies gilt hinsichtlich der Weitergabe personenbezogener Daten durch den Kläger bereits deshalb, weil es - wie bereits ausgeführt - in Ermangelung einer vor Kündigungsausspruch erteilten einschlägigen Abmahnung an einer negativen Prognose fehlt, d. h. dass nicht davon auszugehen ist, der Kläger werde seine vertragliche Pflichten zukünftig in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Da dies die Beklagte derzeit somit nicht befürchten muss, steht das Fehlverhalten einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit der Parteien nicht entgegen. Auf den Verdacht eines versuchten Prozessbetruges kann die Beklagte den Auflösungsantrag deshalb nicht stützen, weil sich dieser Verdacht - wie ebenfalls bereits ausgeführt - als unbegründet erweist.

51

Die Beklagte kann ihr Auflösungsbegehren letztlich auch nicht mit Erfolg auf die Behauptung stützen, der Kläger habe im Rechtsstreit über seine Provisionsansprüche wahrheitswidrig bestritten, das Schreiben vom 06.08.2003, welches u. a. auch die ihm zustehenden Provisionssätze betreffen soll, über dem Vermerk "Einverstanden, am" unterzeichnet zu haben. Zwar können unzutreffende Tatsachenbehauptungen im Rahmen eines Rechtsstreits grundsätzlich geeignet sein, die gerichtliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Der Beklagten ist es jedoch nicht gelungen, den Beweis für den behaupteten wahrheitswidrigen Vortrag des Klägers zu führen.

52

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 13.09.2015 nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund des Umstandes, dass von den fraglichen Urkunden nur noch Faxkopien minderer Qualität zur Verfügung stehen, eine Beurteilung der Frage, ob die darauf befindlichen Unterschriften vom Kläger stammen, nicht möglich ist. Die Beklagte konnte nach Überzeugung des Berufungsgerichts auch nicht beweisen, dass der Kläger in der Güteverhandlung über seine Provisionsansprüche vom 20.08.2013 eingeräumt hat, die Unterschrift auf dem betreffenden Schreiben geleistet zu haben. Die Richterin am Arbeitsgericht H. hat in ihrer schriftlichen Zeugenaussage bekundet, sie könne sich nicht mehr daran erinnern, ob der Kläger seinerzeit eingestanden habe, dass es sich um seine Unterschrift handele. Allerdings hat die Zeugin F. bei ihrer Vernehmung erklärt, der Kläger habe in der betreffenden Güteverhandlung gesagt, es handele sich zwar um seine Unterschrift, er habe jedoch niemals einen Nachtrag unterzeichnet. Aber auch aus dieser Aussage - ihre Richtigkeit unterstellt - ergibt sich nicht, dass der Kläger eingestanden hat, das betreffende Schreiben unterschrieben zu haben. Die Erklärung "das ist meine Unterschrift" ist nämlich nicht gleichbedeutend mit einer Erklärung des Inhalts, die betreffende Unterschrift auch tatsächlich selbst geleistet zu haben. Dies gilt vorliegend insbesondere im Hinblick darauf, dass der auf dem Schreiben vom 06.08.2003 befindliche Schriftzug mit unstreitig vom Kläger stammenden Unterschriften - z. B. auf dem Arbeitsvertrag vom 01.07.1997 - zumindest auf den ersten Blick identisch zu sein scheint. Von daher kann eine Erklärung des Klägers, wonach es sich um seine Unterschrift handele, nicht zwingend dahingehend verstanden werden, er habe die betreffende Unterschrift tatsächlich selbst geleistet. Dies auch vor dem Hintergrund der zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 13.09.2015, wonach nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei dem von der Beklagten vorgelegten Nicht-Original um eine Collage handelt, d. h. dass es sich zwar um die Unterschrift des Klägers handelt, diese jedoch nicht von ihm selbst auf das Schriftstück gesetzt wurde.

53

Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe das Schreiben vom 06.08.2003 unterschrieben, ergeben sich auch daraus, dass die Beklagte unstreitig dessen Provisionsansprüche bis einschließlich 30.11.2011 auf Basis der im Arbeitsvertrag enthaltenen Provisionsvereinbarung nachberechnet und erfüllt hat. Dieses Verhalten wäre nur schwerlich nachvollziehbar, falls sich der Kläger - wie von der Beklagten behauptet - bereits mit Wirkung zum 01.04.2005 schriftlich mit einer Verringerung seiner Provisionssätze einverstanden erklärt hat. Die Beklagte konnte auch im Berufungsverfahren bezüglich dieser Widersprüchlichkeit keine nachvollziehbare Erklärung abgeben. Überdies heißt es in einer internen Mitteilung der Beklagten vom 08.05.2012 (Bl. 1024 d. A.) wörtlich: "Seit 1997 wurden keine Vertragsnachträge von Herrn A. unterzeichnet". Auch dies spricht gegen eine Unterzeichnung des Schreibens vom 06.08.2003 durch den Kläger.

54

Der Auflösungsantrag der Beklagten unterliegt daher der Abweisung, wobei offen bleiben kann, ob der Begründetheit dieses Antrages bereits eine Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB entgegensteht.

III.

55

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

56

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

57

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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bei uns veröffentlicht am 14.01.2015

Diese Entscheidung zitiert Tenor I. Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 4.2.2014 - 2 Ca 1212/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen. Ta

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Nov. 2012 - 2 AZR 732/11

bei uns veröffentlicht am 22.11.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. April 2011 - 19 Sa 1951/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

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Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 4.2.2014 - 2 Ca 1212/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Provisionsansprüche des Klägers.

2

Der Kläger ist seit dem 01.04.1988 bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, derzeit auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 01.07.1997, hinsichtlich dessen Inhalts im Einzelnen auf Blatt 27 bis 34 d.A. Bezug genommen wird, als Sonderbeauftragter für das Unfallgeschäft im Außendienst beschäftigt.

3

Die Arbeitsvergütung des Klägers setzt sich zusammen aus einem monatlichen Fixum und Provisionen. Bezüglich der Provisionen enthält der Arbeitsvertrag vom 01.07.1997 in Ziffer 4.5 u.a. die Regelung, dass der Kläger für die Vermittlung von Unfallversicherungen mit Beitragsrückgewähr (für alle Laufzeiten) eine Provision in Höhe von 20 % der Neu- und Mehrprämie erhält.

4

Ab dem Jahr 2004 berechnete die Beklagte dem Kläger für die Vermittlung der im selben Jahr eingeführten Senioren-Unfallversicherung (Senioren-UR) dessen Provision von 20 % nicht mehr aus dem vollen Netto-Jahresbeitrag, sondern infolge der Anwendung von Laufzeitfaktoren lediglich aus 70 % dieses Beitrages. Im Jahr 2006 führte die Beklagte das Produkt "Unfallversicherung gegen Einmalbetrag" (URE) ein und berechnete die zwanzigprozentige Provision des Klägers lediglich aus 20 % des Netto-Einmalbeitrages.

5

Der Kläger war mit diesen Berechnungen seiner Provision nicht einverstanden. Diesbezüglich kam es in der Folgezeit zu mehreren Gesprächen zwischen den Parteien. In einer internen Mitteilung vom 07.11.2008 (Bl. 559 d.A.) fasste Frau K. das Ergebnis eines Gespräches vom 31.10.2008 u.a. dahingehend zusammen, dass der Kläger aufgrund seiner individuellen Provisionsvereinbarung für Unfallversicherungen mit Beitragsrückgewähr eine zwanzigprozentige Provision erhalte und dass das bei Vertragsschluss noch nicht vorhandene Produkt URE in die betreffende Vereinbarung mit übernommen werde. Ob der Kläger bei dem in dieser internen Mitteilung in Bezug genommenen Gespräch anwesend war, ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte nahm für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.12.2008 eine Nachberechnung auf der Basis der vollen Einmalbeiträge vor und zahlte die sich hieraus zugunsten des Klägers ergebenden Differenzbeträge an ihn aus. Gleiches erfolgte für die Provisionen für die Vermittlung von Senioren-Unfallversicherungen unter Zugrundelegung der vollen Jahres-Nettobeiträge.

6

In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien erneut zu Differenzen bezüglich der Provisionsansprüche des Klägers.

7

Mit Schreiben vom 15.08.2011 (Bl. 41 d.A.) an den vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers bestätigte die Beklagte, dass der Kläger ausweislich seines Arbeitsvertrages und der darin enthaltenen Provisionsbestimmungen Anspruch habe auf eine zwanzigprozentige Abschlussprovision für Unfallversicherungen mit Beitragsrückgewähr - unabhängig von Laufzeit und Beitragszahldauerfaktor - und dass dies nicht bestritten werde.

8

Für den Zeitraum bis einschließlich November 2011 wurden die Ansprüche des Klägers auf Basis einer zwanzigprozentigen Provision aus dem vollen Netto-Jahresbeitrag bzw. aus dem Einmalbeitrag in vollem Umfang nachberechnet und nachvergütet.

9

Ab Dezember 2011 rechnete die Beklagte die Provisionen des Klägers für die Senioren-Unfallversicherung wiederum nur mit 70 % des Nettojahresbeitrages und für die Unfallversicherung gegen Einmalbetrag wiederum nur mit 20 % des Einmalbetrages ab.

10

Mit seiner am 28.06.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten und mit Schriftsatz vom 16.10.2013 erweiterten Klage hat der Kläger die Beklagte auf Nachzahlung von Provisionen für den Abschluss von Senioren-Unfallversicherungen und Unfallversicherungen gegen Einmalbeitrag für den Zeitraum Dezember 2011 bis einschließlich Februar 2013 in Höhe von insgesamt 395.212,81 € brutto in Anspruch genommen und dabei im Wesentlichen geltend gemacht, ihm stehe bezüglich dieser Versicherungsprodukte vertragsgemäß eine Provision von 20 % aus dem Netto-Jahresbeitrag bzw. aus dem Einmalbetrag zu.

11

Die Beklagte hat demgegenüber im Wesentlichen geltend gemacht, der Kläger habe mit Wirkung zum 01.04.2005 einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag unterzeichnet, der die Einführung von Laufzeitfaktoren zur Ermittlung der provisionsrelevanten Beiträge beinhalte und woraus sich u.a. ergebe, dass die Senioren-Unfallversicherungen mit einer Beitragszahldauer von unter 7 Jahren nicht mehr aus dem vollen Netto-Jahresbeitrag, sondern nur noch aus 70 % dieses Beitrages zu verprovisionieren seien. Bezüglich des Produktes URE müsse berücksichtigt werden, dass dieses erst nach Unterzeichnung des betreffenden Nachtrags eingeführt worden sei und der Kläger sich diesbezüglich mangels ausdrücklicher vertraglicher Vereinbarung an den bei der Produkteinführung kommunizierten Vergütungsmodellen festhalten lassen müsse, welche für die Ermittlung der zu bewertenden Beitragssummen beim Tarif URE eine Berücksichtigung von lediglich 20 % des Nettoeinmalbeitrages vorsähen.

12

Mit Grundurteil vom 19.11.2013 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass sich der Provisionsanspruch des Klägers unverändert aus dem Arbeitsvertrag vom 01.07.1997 ergibt und ihm sowohl für die Senioren-Unfallversicherungen als auch für die Unfallversicherungen gegen Einmalbeitrag ein Provisionsanspruch in Höhe von 20 % aus dem Jahres-Nettobeitrag (bei Senioren-Unfallversicherungen) bzw. aus dem Einmalbeitrag (bei Unfallversicherungen gegen Einmalbeitrag) zusteht. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5-8 dieses Urteils (=Bl. 722-725 d.A.) verwiesen.

13

Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.11.2013 geltend gemacht hatte, die Klage sei in Höhe eines Teilbetrages von 86.105,31 € bereits aus anderen Gründen, d.h. etwa wegen bereits erfolgter Nachvergütung oder Stornierung einzelner Verträge unbegründet, hat der Kläger die Klage in Höhe dieses Betrages zurückgenommen und zuletzt beantragt,

14

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 309.107,50 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

15

Die Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Von einer weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Grundurteils des Arbeitsgerichts vom 19.11.2013 (Bl. 719 - 722 d.A.) sowie auf den Tenor des diesen Tatbestand berichtigenden Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 06.02.2014 (Bl. 776 f d.A.).

18

Das Arbeitsgericht hat mit Schlussurteil vom 04.02.2014 der Klage stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 3 f. dieses Urteils (= Bl. 773 f d.A.) verwiesen.

19

Gegen das ihr am 17.02.2014 zugestellte Schlussurteil hat die Beklagte am 04.03.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 17.04.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 19.05.2014 begründet.

20

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, zu Unrecht sei das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass es nicht darauf ankomme, ob mit Wirkung zum 01.04.2005 ein den ursprünglichen Arbeitsvertrag hinsichtlich der Provisionsberechnung ergänzender bzw. abändernder Nachtrag vereinbart worden sei. Insoweit habe das Arbeitsgericht die Rechtswirkungen des Gesprächs vom 31.10.2008, an dem der Kläger gar nicht teilgenommen habe, sowie der diesbezüglichen internen Mitteilung vom 07.11.2008 verkannt. Bereits im Hinblick auf die in Ziffer 7.6 des Arbeitsvertrages vereinbarte Schriftform könne der Inhalt eines Gesprächs vom 31.10.2008 nicht als einverständliche Änderung des Arbeitsvertrages gewertet werden. Darüber hinaus ergebe sich aus der internen Mitteilung vom 07.11.2008, dass am 31.10.2008 - mit Blick in die Zukunft - eine neue Vertragsgestaltung angestrebt worden sei. Zu einem solchen neuen Vertrag sei es aber nach dem 07.11.2008 zu keinem Zeitpunkt gekommen, so dass die rechtliche Wertung des Arbeitsgerichts fehlerhaft sei, wonach schon im Gespräch vom 31.10.2008 neue Regelungen vereinbart worden seien. Das Arbeitsgericht hätte daher der Frage nicht ausweichen dürfen, ob durch eine Unterschrift des Klägers auf dem Schreiben vom 06.08.2003 neue Provisionsvereinbarungen zum Vertragsgegenstand geworden seien. Die erstinstanzliche Entscheidung sei ferner auch deshalb fehlerhaft, weil das Arbeitsgericht die Vorschrift des § 313 BGB nicht beachtet habe. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages vom 01.07.1997 sei in keiner Weise voraussehbar gewesen, dass es einmal Versicherungsverträge im Unfallversicherungsbereich geben werde, bei denen nur ein Einmalbeitrag zu zahlen sei. Hätten die Parteien dies vorausgesehen, so hätten sie die Provisionsregelung mit einem anderen Inhalt geschlossen, nämlich auf der Grundlage einer Bewertung von lediglich 20 % des Einmalbeitrages für die Berechnung der Provision. Sie - die Beklagte - sei daher berechtigt gewesen, eine diesbezügliche Anpassung des Arbeitsvertrages zu verlangen. Letztlich sei das Arbeitsgericht in seinem Schlussurteil auch fehlerhaft davon ausgegangen, der vom Kläger zuletzt geltend gemachte Betrag in Höhe von 309.107,50 € sei jedenfalls rechnerisch unstreitig. Dies treffe in Ansehung ihres Sachvortrages im Schriftsatz vom 08.11.2013 gerade nicht zu.

21

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 19.05.2014 (Bl. 818 - 825 d.A.) sowie auf den ergänzenden Schriftsatz vom 21.05.2014 (Bl. 827 f d.A.) Bezug genommen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

unter Abänderung des Grundurteils vom 19.11.2013 und des Schlussurteils vom 04.02.2014 die Klage insgesamt abzuweisen.

24

Der Kläger beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 04.07.2014 (Bl. 855 - 864 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

27

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden.

28

Die Berufung ist nicht deshalb teilweise unstatthaft, weil die Beklagte dem Wortlaut ihres Antrages nach nicht nur eine Abänderung des Schlussurteils, sondern zugleich auch eine Abänderung des Grundurteils vom 19.11.2013 begehrt, obwohl ein Grundurteil im arbeitsgerichtlichen Verfahren gemäß § 61 Abs. 3 ArbGG nicht selbständig anfechtbar ist mit der Folge, dass die Berufung formell und ausschließlich nur gegen das Endurteil eingelegt werden kann (vgl. Schwab/Weth, ArbGG, 3. Aufl., § 64 Rz. 24). Ausweislich des die Berufungsschrift vom 04.03.2014 einleitenden Satzes richtet sich die Berufung (nur) gegen das Schlussurteil vom 04.02.2014. Die insoweit missverständliche Formulierung des Berufungsantrages erweist sich von daher als unschädlich.

II.

29

Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung stattgegeben.

30

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 65, 87 Abs. 1 HGB Anspruch auf Zahlung rückständiger Provisionen aus den von ihm im Zeitraum Dezember 2011 bis Februar 2013 vermittelten Senioren-Unfallversicherungen und Unfallversicherungen gegen Einmalbeitrag in Höhe von 309.107,50 € brutto.

31

Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts im Grundurteil vom 19.11.2013 sowie im Schlussurteil vom 04.02.2014 und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten besteht lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

32

1. Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass es keiner Prüfung der Frage bedarf, ob der Kläger durch Unterzeichnung des Schreibens der Beklagten vom 06.08.2003 (Bl. 301 d.A.) einer Änderung der für die Berechnung seiner Provisionen maßgeblichen Bestimmungen zugestimmt hat, da die Parteien in der Folgezeit - zumindest konkludent - die Vereinbarung getroffen haben, dass der Kläger, wie im ursprünglichen Arbeitsvertrag generell vorgesehen, auch für die Vermittlung der Produkte Senioren-Unfallversicherung und Unfallversicherung gegen Einmalbetrag (URE) eine Provision in Höhe von 20 % des vollen Netto-Jahresbeitrages bzw. des vollen Einmalbeitrages erhalten soll. Dabei ist es auch ohne Belang, ob der Kläger bei dem in der internen Mitteilung vom 07.11.2008 (Bl. 559 d.A.) in Bezug genommenen Gespräch vom 31.10.2008 anwesend war. In der betreffenden internen Mitteilung ist ausdrücklich festgehalten, dass die im Arbeitsvertrag vom 01.07.1997 vereinbarte Provisionsregelung auch für das Produkt URE gelten soll. Die Beklagte hat dies auch gegenüber dem Kläger, der zuvor unstreitig die Verprovisionierung auf der Grundlage von lediglich 20 % des Einmalbeitrages gerügt hatte, ausdrücklich kommuniziert. Bereits mit E-Mail vom 16.10.2012 (Bl. 53 d.A.) hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass bezüglich der URE-Verträge eine Korrektur der für die Berechnung der Provisionen maßgeblichen Faktoren von 0,2 auf 1 und eine dementsprechende Nachvergütung bis einschließlich November 2011 erfolge. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Senioren-Unfallversicherungen. Hinsichtlich dieses Produktes hat die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 09.02.2009 (Bl. 43 d.A.) mitgeteilt, dass "abweichend zu ihrem Arbeitsvertrag" für das Produkt Senioren-UR ein Beitragszahldauerfaktor von 0,7 zugrunde gelegt worden sei und daher "aufgrund der mit ihnen geführten Gespräche" eine Nachvergütung in Höhe von 198.874,54 € erfolge. Mit Schreiben vom 09.01.2012 (Bl. 62 d.A.) hat die Beklagte dem Kläger erklärt, dass im Hinblick auf die Korrektur des abweichend von seinem Arbeitsvertrag bei der Provisionsberechnung für das Produkt Senioren-UR eingeführten Faktors von 0,7 eine Nachzahlung in Höhe von 15.092,24 € für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.11.2011 erfolge sowie eine Nachzahlung für alle bis zum 30.11.2011 vermittelten URE-Verträge in Höhe von 234.151,24 € wegen der auch insoweit vom Vertrag abweichenden Einführung eines Laufzeitfaktors von 0,2. Überdies hat die Beklagte mit Schreiben vom 15.08.2011 dem Kläger bestätigt, dass es zutreffe und nicht bestritten werde, dass er ausweislich seines Arbeitsvertrages und der darin enthaltenen Provisionsbestimmungen Anspruch habe auf eine zwanzigprozentige Provision für Unfallversicherungen mit Beitragsrückgewähr, unabhängig von Laufzeit und Beitragszahldauerfaktor. Letztlich hat die Beklagte auf Basis der vom Kläger für sich in Anspruch genommenen Regelungen die Provisionsansprüche des Klägers bis einschließlich 30.11.2011 nachberechnet und erfüllt.

33

Aus alldem ergibt sich zweifellos das Zustandekommen einer Vereinbarung, nach deren Inhalt sich die Provisionen des Klägers für die Vermittlung von Senioren-Unfallversicherungen und Unfallversicherungen gegen Einmalbeitrag (weiterhin) auf Basis des vollen Jahres-Nettobeitrages bzw. des vollen Einmalbetrages errechnen sollen. Ein etwaiger, vom Kläger im Jahr 2005 unterzeichneter Vertragsnachtrag, der hiervon abweichende Provisionsbestimmungen enthält, entfaltet daher keinerlei rechtliche Wirkungen mehr im Arbeitsverhältnis der Parteien. Soweit die Beklagte geltend macht, die geleisteten Nachzahlungen seien irrtümlich erfolgt, so erscheint dies - insbesondere im Hinblick auf die zwischen den Parteien vor erfolgter Nachzahlung geführten Gespräche und den Inhalt der o.g. Schriftstücke - schlichtweg nicht nachvollziehbar.

34

2. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung über die Verprovisionierung der betreffenden Versicherungsprodukte auf Basis der vollen Beiträge sei in Ermangelung der in Ziffer 7.6 des Arbeitsvertrages enthaltenen Schriftformklausel unwirksam. Eine vereinbarte Schriftform kann formlos, auch konkludent (BGH v. 22.04.1982 - III ZR 122/80 - WM 1982, 902) abbedungen werden, selbst wenn die Parteien nicht an die Formvorschrift gedacht haben (BAG v. 25.04.2007 - 5 AZR 504/06 - AP Nr. 121 zu § 615 BGB). Eine qualifizierte Schriftformklausel, d.h. eine solche, die nicht nur materielle Vertragsänderungen, sondern ausdrücklich auch Änderungen der Schriftformklausel selbst erfasst, enthält der Arbeitsvertrag der Parteien nicht.

35

3. Soweit die Beklagte geltend macht, aus der internen Mitteilung vom 07.11.2008 ergebe sich, dass die Parteien am 31.10.2008 vereinbart hätten, dass sie - mit Blick in die Zukunft - eine neue Vertragsgestaltung anstreben wollten, so steht dies in Widerspruch zu ihrer Behauptung, wonach der Kläger bei dem betreffenden Gespräch überhaupt nicht anwesend gewesen sei. Darüber hinaus wäre ein seinerzeitiger übereinstimmender Wille der Parteien, für die Zukunft neue Provisionsregelungen zu vereinbaren, ohnehin ohne Belang, da es zu einer solchen neuen Vereinbarung nicht gekommen ist.

36

4. Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht die Vorschrift des § 313 Abs.1 BGB entgegen. Danach kann eine Vertragspartei bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Anpassung des Vertrages verlangen, soweit ihr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Diesbezüglich, d.h. für das Vorliegen des Kriteriums der Unzumutbarkeit, fehlt es an jeglichem Sachvortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten.

37

5. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Anspruch des Klägers in der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Höhe unter Zugrundelegung der vom Kläger geltend gemachten und nach Maßgabe der obigen Ausführungen unter I. 1. den vertraglichen Vereinbarungen entsprechenden Berechnungsmethode (Provisionen in Höhe von 20 % aus dem vollen Jahres-Nettobeitrag bzw. aus dem vollen Einmalbeitrag) der Höhe nach unstreitig. Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 08.11.2013 (Bl. 662 ff d.A.) bezüglich einzelner Versicherungsverträge weitere Einwendungen (u.a. Erfüllung, Stornierung) erhoben und vorgetragen hat, die vom Kläger (ursprünglich auf Zahlung von 395.212,81 € gerichtete Klage sei bereits aus diesen Gründen in Höhe von 86.105,31 € unbegründet, hat der Kläger seine Klage bereits erstinstanzlich exakt um diesen Betrag reduziert.

38

6. Der ausgeurteilte Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

III.

39

Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

40

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. April 2011 - 19 Sa 1951/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Sie streiten ferner - in Abhängigkeit vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits - über Abrechnung und Zahlung von Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

2

Die Beklagte stellt Transportgeräte her. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Der 1950 geborene Kläger war seit April 1977, zuletzt als Leiter Buchhaltung/Finanzen/Personal bei ihr tätig.

3

Anfang 2003 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum hinweg unberechtigt Firmengelder iHv. rund 280.500,00 Euro vereinnahmt hatte. Der Kläger gestand dies zu. Im Rahmen eines notariellen Schuldanerkenntnisses trat er im März 2003 den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens an die Beklagte ab und gewährte ihr weitere Sicherheiten. Die Beklagte beschäftigte den Kläger weiter. Sie beließ es bei einer ihm erteilten Kontovollmacht, verschärfte allerdings ihre Kontrollen. Unter anderem verpflichtete sie den Kläger, der Geschäftsführung für Überweisungen, die von Firmenkonten getätigt wurden, Belege vorzulegen.

4

Im April 2007 ging der Beklagten ein zugunsten einer anderen Gläubigerin des Klägers ausgestellter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu, mit dem seine Gehaltsansprüche wegen einer Forderung iHv. 48.900,00 Euro gepfändet wurden. Ende April 2007 stellte sie den Kläger von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Im selben Zeitraum traten neue Unregelmäßigkeiten im Verhalten des Klägers zutage. Nachforschungen bei Kreditinstituten ergaben, dass dieser - zumindest in zwei Fällen - ohne rechtlichen Grund Firmengelder auf sein Konto überwiesen hatte. Die Vorgänge hatte er durch Erstellung fingierter Belege verschleiert.

5

Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 10. Mai 2007 außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht. Der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage wurde - rechtskräftig - stattgegeben, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei.

6

Im Rahmen von Ermittlungen stieß die Beklagte auf weitere unrechtmäßige Überweisungen. Nach neuerlicher Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15. August 2007 abermals fristlos. Das Landesarbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt, erneut wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung. Das Urteil ist rechtskräftig.

7

Am 29. Juni 2007 erstattete die Beklagte Strafanzeige. Am 21. Mai 2008 erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger Anklage. Sie legte ihm zur Last, sich in 74 Fällen der Untreue zum Nachteil der Beklagten schuldig gemacht zu haben. Mit Blick darauf hörte die Beklagte den Betriebsrat am 19. November 2008 zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses an. Mit Beschluss vom 18. November 2008 hatte das Amtsgericht die öffentliche Klage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Nachdem sie davon erfahren hatte, führte die Beklagte eine weitere Betriebsratsanhörung zu einer auch auf diesen Gesichtspunkt gestützten fristlosen Kündigung durch. Mit Zustimmung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis am 25. November 2008 außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30. Juni 2009. Sie erklärte die fristlose Kündigung sowohl als Tat- als auch als Verdachtskündigung. Das Landesarbeitsgericht gab der dagegen gerichteten Klage - rechtskräftig - statt; die fristlose Kündigung sei nicht binnen der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt worden, die ordentliche Kündigung sei aufgrund der einzelvertraglich in Bezug genommenen Bestimmung des § 20 Nr. 4 MTV Metall- und Elektroindustrie NRW ausgeschlossen.

8

Am 24. August 2009 fand vor dem Amtsgericht die Hauptverhandlung gegen den Kläger statt. Die Staatsanwaltschaft beantragte, nachdem das Verfahren in vier Punkten eingestellt worden war, wegen 67 angeklagter - die Jahre 2005 bis 2007 betreffender - Taten, den Kläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung zu verurteilen; in drei Anklagepunkten beantragte sie Freispruch. Die Verteidigung des Klägers schloss sich dem mit der Maßgabe an, den Kläger zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten zu verurteilen und die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Das Amtsgericht verurteilte den Kläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten ohne Bewährung. Es sah es aufgrund einer durchgeführten Beweisaufnahme als erwiesen an, dass der Kläger in der fraglichen Zeit in 67 Fällen Firmengelder iHv. ingesamt 44.061,54 Euro veruntreut habe. Bei der Verhandlung und Urteilsverkündigung waren ein Geschäftsführer der Beklagten und ihr Prozessbevollmächtigter anwesend.

9

Auf ihren noch am selben Tag gestellten Antrag wurden der Beklagten am 11. September 2009 Abschriften des Verhandlungsprotokolls und des Strafurteils zur Verfügung gestellt. Nach Unterrichtung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22. September 2009 erneut fristlos.

10

Dagegen hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Außerdem hat er Zahlungs- und Abrechnungsansprüche für die Monate Oktober bis Dezember 2009 geltend gemacht.

11

Noch im Verlauf des ersten Rechtszuges kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 4. Dezember 2009 ein weiteres Mal, nunmehr mit der Begründung, der Kläger habe sich herabsetzend über ihr steuerliches Verhalten geäußert. In einem hierüber getrennt geführten Kündigungsschutzprozess stellte das Arbeitsgericht mit Urteil vom 23. Juni 2010 fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Das Urteil ist - insoweit - rechtskräftig.

12

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger die Auffassung vertreten, seiner Kündigungsschutzklage sei angesichts des Urteils vom 23. Juni 2010 ohne Weiteres stattzugeben. Aufgrund dieser Entscheidung stehe zwischen den Parteien bindend fest, dass zwischen ihnen noch am 4. Dezember 2009 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Damit stehe zugleich fest, dass es nicht durch die fristlose Kündigung vom 22. September 2009 aufgelöst worden sei. Im Übrigen sei auch diese Kündigung unwirksam, weil die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt und die Betriebsratsanhörung fehlerhaft sei.

13

Der Kläger hat - zusammengefasst und unter Berücksichtigung einer in der Revisionsinstanz erfolgten Klarstellung - zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 22. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, für die Monate Oktober 2009 und Dezember 2009 jeweils einen Gehaltsbruttobetrag iHv. 5.749,75 Euro und für den Monat November 2009 einen Gehaltsbruttobetrag iHv. 8.979,98 Euro abzurechnen und die betreffenden Beträge, vermindert um auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Ansprüche iHv. 528,01 Euro und vermindert um auf die Beklagte übergegangene Ansprüche iHv. je 1.437,05 Euro für die Monate Oktober und Dezember 2009 sowie 3.078,85 Euro für den Monat November 2009, jeweils zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf das volle Bruttogehalt seit dem ersten Kalendertag eines jeden Folgemonats an ihn bzw. eine evtl. Drittgläubigerin auszuzahlen;

                 

hilfsweise

                 

festzustellen, dass er für die Monate Oktober und Dezember 2009 jeweils Inhaber einer von der Beklagten nicht abgerechneten Bruttolohnforderung iHv. 5.749,75 Euro und für den Monat November 2009 Inhaber einer von der Beklagten nicht abgerechneten Bruttolohnforderung iHv. 8.979,98 Euro ist;

                 

hilfsweise dazu

                 

festzustellen, dass er für die Monate Oktober, November und Dezember 2009 jeweils Inhaber einer nicht abgerechneten Bruttoforderung in der im vorstehenden Hilfsantrag bezeichneten Höhe ist, die - bezogen auf die Monate Oktober und Dezember 2009 - iHv. je 1.437,05 Euro netto auf die Beklagte und iHv. je 528,01 Euro netto auf die Arbeitsgemeinschaft für Arbeit im Kreis Herford übergegangen ist und die - bezogen auf den Monat November 2009 - iHv. 3.078,85 Euro netto auf die Beklagte und iHv. 528,01 Euro auf die Arbeitsgemeinschaft für Arbeit im Kreis Herford übergangen ist;

                 

hilfsweise zu allem Vorstehenden

                 

die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate Oktober, November und Dezember 2009 je 1.067,65 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Kalendertag eines jeden Folgemonats zu zahlen

                 

sowie 

                 

die Beklagte zu verurteilen, für die Monate Oktober und Dezember 2009 jeweils 1.604,08 Euro Lohnsteuer, 144,36 Euro Kirchensteuer und 88,22 Euro Solidaritätszuschlag und für den Monat November 2009 2.932,08 Euro Lohnsteuer, 263,88 Euro Kirchensteuer und 161,26 Euro Solidaritätszuschlag an das zuständige Betriebsstättenfinanzamt, namentlich das Finanzamt Bielefeld-Außenstadt, sowie für die Monate Oktober bis Dezember 2009 jeweils insgesamt 1.074,60 Euro an Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen zur Rentenversicherung an die Deutsche Rentenversicherung und jeweils insgesamt 151,20 Euro an Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen zur Arbeitslosenversicherung an die Bundesagentur für Arbeit abzuführen.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt. Der Kläger habe nach Abgabe des Schuldanerkenntnisses weitere Firmengelder veruntreut, zumindest in den im Strafverfahren nachgewiesenen 67 Fällen. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB habe sie gewahrt. Der Kläger habe im Strafverfahren die fraglichen Taten mittelbar dadurch eingeräumt, dass er in der Verhandlung vom 24. August 2009 keinen umfassenden Freispruch, sondern die Verhängung einer Bewährungsstrafe beantragt habe. Dies sei als neue Tatsache zu werten. Um dem Betriebsrat insoweit etwas „Greifbares“ bieten zu können, habe sie die Übersendung des Protokolls und der schriftlichen Urteilsgründe abwarten dürfen. Die anschließende Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Etwaige Fehler bei der Beschlussfassung des Gremiums seien ihr nicht zuzurechnen. Die auf Zahlung und Abrechnung gerichteten Anträge seien schon deshalb unbegründet, weil zwischen den Parteien seit Zugang der Kündigung vom 22. September 2009 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden habe. Unabhängig davon sei sie nicht in Annahmeverzug geraten. Eine tatsächliche Beschäftigung des Klägers sei für sie unzumutbar gewesen.

15

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag zu 1. stattgegeben, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat es das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung vom 22. September 2009 zu Recht als wirksam angesehen (I.). Die auf Abrechnung und Zahlung von Annahmeverzugslohn gerichteten Anträge einschließlich der darauf bezogenen Hilfsanträge sind dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen (II.).

17

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die fristlose Kündigung vom 22. September 2009 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

18

1. Einem klageabweisenden Urteil im vorliegenden Rechtsstreit steht nicht das rechtskräftige Urteil vom 23. Juni 2010 entgegen, soweit das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 4. Dezember 2009 nicht aufgelöst worden ist. Der Beklagten ist es trotz dieser Feststellungen nicht verwehrt, sich auf die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 22. September 2009 zu berufen.

19

a) Der Umfang der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess bestimmt sich nach dem Streitgegenstand. Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb fest, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den streitenden Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 73; 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 16, BAGE 130, 166). Auch enthält ein rechtskräftiges Urteil, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien durch eine bestimmte Kündigung zu dem vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist, grundsätzlich die konkludente Feststellung, dass dieses Arbeitsverhältnis nicht zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist (BAG 25. März 2004 - 2 AZR 399/03 - zu B II 1 der Gründe, AP BMT-G II § 54 Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 4; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111). Die Rechtskraft schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13, aaO; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - zu B I 1 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11).

20

b) Zu berücksichtigen ist aber, dass der Streitgegenstand der (späteren) Kündigungsschutzklage und damit der Umfang der Rechtskraft eines ihr stattgebenden Urteils auf die (streitige) Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die konkret angegriffene Kündigung beschränkt werden kann (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 16, BAGE 130, 166; 25. März 2004 - 2 AZR 399/03 - zu B II 2 der Gründe, AP BMT-G II § 54 Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 4; 20. Mai 1999 - 2 AZR 278/98 - zu I der Gründe, ZinsO 2000, 351; 17. Mai 1984 - 2 AZR 109/83 - zu A II der Gründe, BAGE 46, 191). Eine solche Einschränkung des Umfangs der Rechtskraft bedarf deutlicher Anhaltspunkte, die sich aus der Entscheidung selbst ergeben müssen (für die Einschränkung der Rechtskraft eines die Leistungsklage abweisenden Urteils vgl. BAG 11. Oktober 2011 - 3 AZR 795/09 - Rn. 18 mwN, EzA ZPO 2002 § 322 Nr. 2). Das schließt es nicht aus, für die Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft im Einzelfall Umstände heranzuziehen, die schon mit der Entscheidungsfindung zusammenhängen. So kann für die „Ausklammerung“ der Rechtsfolgen einer eigenständigen, zeitlich früher wirkenden Kündigung aus dem Streitgegenstand der Klage, die sich gegen eine später zugegangene Kündigung richtet, der Umstand sprechen, dass dieselbe Kammer des Arbeitsgerichts am selben Tag über beide Kündigungen entschieden hat. In einem solchen Fall ist regelmäßig sowohl für die Parteien als auch für das Gericht klar, dass die Wirkungen der früheren Kündigung nicht zugleich Gegenstand des Rechtsstreits über die später wirkende Kündigung sein sollten (vgl. BAG 20. Mai 1999 - 2 AZR 278/98 - zu I der Gründe, aaO).

21

c) Danach führt die Rechtskraft des der Klage gegen die Kündigung vom 4. Dezember 2009 stattgebenden Urteils vom 23. Juni 2010 nicht dazu, dass im vorliegenden Rechtsstreit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der fristlosen Kündigung vom 22. September 2009 nicht mehr geprüft werden könnte. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsgericht habe mit seinem Urteil vom 23. Juni 2010 nicht über die Wirksamkeit der ihm bekannten, zeitlich vorhergehenden Kündigung entscheiden wollen und entschieden, ist rechtsfehlerfrei. Die Parteien haben ihren Streit über die Wirksamkeit der betreffenden Kündigungen in getrennten Prozessen ausgetragen. Im Tatbestand des Urteils vom 23. Juni 2010 wird ausdrücklich auf die fristlose Kündigung vom 22. September 2009 hingewiesen. Es ist das erstinstanzliche Aktenzeichen des vorliegenden Rechtsstreits aufgeführt und dargestellt worden, dass das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hat. Das Urteil vom 23. Juni 2010 stammt von derselben Kammer, die am 9. April 2010 das erstinstanzliche Urteil in der vorliegenden Sache verkündet hat. Hinzu kommt, dass bei Verkündung des Urteils vom 23. Juni 2010 die Frist für die Einlegung einer Berufung gegen das am 9. April 2010 ergangene Urteil noch nicht abgelaufen war. Dafür, dass sich das Arbeitsgericht dieser Tatsache bei Verkündung des Urteils vom 23. Juni 2010 bewusst war, spricht der in den dortigen Tatbestand aufgenommene Hinweis, es handele sich bei der vorausgegangenen Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vom 22. September 2009 um ein erstinstanzliches Urteil. Schon diese Umstände zeigen, dass aus Sicht des Arbeitsgerichts die Kündigung vom 22. September 2009 nicht zugleich Gegenstand des Rechtsstreits betreffend die Kündigung vom 4. Dezember 2009 sein sollte. Überdies befassen sich die Entscheidungsgründe des Urteils vom 23. Juni 2010 an keiner Stelle mit der Frage, ob das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 4. Dezember 2009 noch bestanden hat. Dies kann in Anbetracht des bekanntermaßen noch nicht rechtskräftig beendeten Streits über die Wirksamkeit der vorangegangenen Kündigung, zu deren Rechtfertigung sich die Beklagte überdies auf völlig andere Gründe berufen hatte, nur so verstanden werden, dass das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung vom 23. Juni 2010 die rechtliche Bewertung der Kündigung vom 22. September 2009 dem Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits überlassen wollte.

22

2. Die Kündigung vom 22. September 2009 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

23

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass sich der Kläger in 67 Fällen der Untreue zum Nachteil der Beklagten schuldig gemacht hat und der Beklagten damit die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar war. Diese Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Ungeachtet der knappen Ausführungen liegt kein Verfahrensmangel iSd. § 547 Nr. 6 ZPO vor. Aus der Begründung des Gerichts wird hinreichend deutlich, dass es - auch ohne vorausgehende Abmahnung - von der Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst für die Dauer einer (fiktiven) Kündigungsfrist ausgegangen ist. Das ist angesichts der Schwere der dem Kläger anzulastenden Pflichtverletzungen nicht zu beanstanden. Dessen Lebensalter und die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit vermögen kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Das sieht die Revision ersichtlich nicht anders.

24

b) Mit dem zur Rechtfertigung der Kündigung vorgebrachten Grund ist die Beklagte nicht präkludiert. Dies gilt selbst dann, wenn die in Rede stehenden 67 Untreuehandlungen - entweder im Sinne eines Verdachts oder im Sinne eines Tatvorwurfs - bereits Gegenstand der rechtskräftig für unwirksam erklärten Kündigungen vom 10. Mai 2007, 15. August 2007 und 25. November 2008 gewesen sein sollten. Das angefochtene Urteil enthält dazu keine eindeutigen Feststellungen.

25

aa) Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in einem rechtskräftig abgeschlossenen Kündigungsschutzprozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie die Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung dieser Gründe zur Stützung einer späteren Kündigung ist der Arbeitgeber ausgeschlossen (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 13, BB 2012, 2367; 8. November 2007 - 2 AZR 528/06 - Rn. 20 ff. mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 19). Eine solche Präklusionswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber erneut kündigen (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 13, aaO; 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 19, BAGE 132, 299).

26

bb) Die außerordentliche Kündigung vom 22. September 2009 stellt sich danach nicht als bloße Wiederholung einer der früheren Kündigungen dar.

27

(1) Die Klagen gegen die Kündigungen vom 10. Mai und 15. August 2007 waren deshalb erfolgreich, weil das Landesarbeitsgericht für beide zu dem Ergebnis gelangt war, sie seien wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung und damit aus einem formellen Grund unwirksam. Eine materielle gerichtliche Überprüfung der Kündigungsgründe erfolgte nicht.

28

(2) Die fristlose - sowohl auf einen bloßen Tatverdacht als auch den Tatvorwurf - gestützte Kündigung vom 25. November 2008 hatte deshalb keinen Bestand, weil das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Das Gericht war der Auffassung, die Eröffnung des Hauptverfahrens, auf deren Grundlage die Beklagte gekündigt habe, stelle gegenüber der - bereits länger als zwei Wochen zurückliegenden - Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft und den in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen Tatsachen keinen Umstand dar, der die Ausschlussfrist erneut in Gang setze. Auch insoweit hat deshalb eine materielle Prüfung der Kündigungsgründe als solche nicht stattgefunden. Unabhängig davon stützt die Beklagte die Kündigung vom 22. September 2009 nicht auf einen vollständig identischen Sachverhalt. Sie beruft sich zusätzlich auf die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers und die in der Hauptverhandlung von seiner Seite abgegebenen Erklärungen. Ob dies ausreicht, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB erneut in Gang zu setzen, erfordert eine neue rechtliche Bewertung; die Entscheidung über die Kündigung vom 25. November 2008 erfasst diesen Aspekt nicht und vermag insoweit keine Präklusionswirkung zu entfalten (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 19, BAGE 137, 54).

29

3. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

30

a) Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

31

b) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Fort- und Ausgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und abhängig davon in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen. Für die Wahl des Zeitpunkts bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr ausreichend Erkenntnisse für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch einer neuerlichen Kündigung nehmen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 16 mwN, BAGE 137, 54; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 20 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

32

c) Der Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens - beispielsweise die Erhebung der öffentlichen Klage und die spätere Verurteilung - kann einen gegen den Arbeitnehmer bestehenden Verdacht, er habe seine Vertragspflichten verletzt, verstärken (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, 18 mwN, BAGE 137, 54). Auch wenn derartige Umstände für sich genommen - dh. ohne konkreten, den Kündigungsgrund stützenden Tatsachenvortrag - nicht ausreichen, eine Verdachts- oder Tatkündigung zu begründen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 16, DB 2013, 641; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 26, EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 11), stellen sie doch einen Einschnitt dar, der in der Lage ist, den Verdacht oder die Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken, und der für den Beginn der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB von Bedeutung sein kann(BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 16, aaO; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17 ff., aaO). Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am Anfang der Ermittlungen schon einmal gekündigt hat (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 19, aaO).

33

d) Für eine Kündigung, die wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung ausgesprochen wird, gelten mit Blick auf § 626 Abs. 2 BGB grundsätzlich dieselben Erwägungen wie für eine Kündigung wegen einer als erwiesen angesehenen Straftat(BAG 29. Juli 1993 - 2 AZR 90/93 - zu II 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 31 = EzA BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 4). Die Möglichkeit, die Kündigung an neue Erkenntnisse im Strafverfahren zu knüpfen, trägt den mit der Aufklärung strafbarer Handlungen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber verbundenen Schwierigkeiten und dessen eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten Rechnung. Hat der Arbeitgeber eine Kündigung bereits ausgesprochen, weil er der Auffassung war, die bisher angestellten Ermittlungen böten ihm eine hinreichende Grundlage für einen dringenden Tatverdacht oder den Nachweis einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, schließt dies eine neuerliche Kündigung bei Hinzutreten veränderter, die Überzeugung verstärkender Umstände nicht aus. Zwar stellen in der Regel weder der Verdacht strafbarer Handlungen noch eine begangene Straftat einen Dauertatbestand dar (BAG 29. Juli 1993 - 2 AZR 90/93 - zu II 1 c dd der Gründe, aaO). Das hindert den Arbeitgeber aber nicht daran, eine erneute Kündigung auf eine veränderte, weil erweiterte Tatsachengrundlage zu stützen. Durch eine einmal erklärte Kündigung verzichtet er auf dieses Recht nicht, mögen auch die Kündigungsart und die in Rede stehende Pflichtverletzung die nämliche sein (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 19, BAGE 137, 54; aA Walker Anm. zu AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49, unter 2).

34

e) In Anwendung dieser Grundsätze ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB habe am 11. September 2009 als dem Tag - neu - begonnen, an welchem die Beklagte eine Abschrift des Protokolls der Hauptverhandlung und des Strafurteils vom 24. August 2009 erhalten hat.

35

aa) Die strafrechtliche Verurteilung des Klägers konnte die Beklagte in der Gewissheit bestätigen, dass dieser die ihm zur Last gelegten Taten tatsächlich begangen hat (vgl. BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12). Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend angenommen, vor Erstattung der Strafanzeige seien nicht alle Vorfälle hinreichend aufgeklärt gewesen. Den Gründen des Strafurteils, auf die das Landesarbeitsgericht Bezug genommen hat, ist zu entnehmen, dass sich der Kläger weder zur Sache eingelassen, noch Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen und den Taten gemacht hatte. Zumindest in einem solchen Fall bedeutet es einen relevanten Erkenntnisfortschritt, dass das mit den Möglichkeiten der Amtsermittlung ausgestattete Strafgericht nach Beweisaufnahme den Tatnachweis als geführt ansieht und zu einer Verurteilung des Arbeitnehmers gelangt (vgl. BAG 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26 = EzA BGB § 626 nF Nr. 160). Im Streitfall kommt hinzu, dass der Verteidiger des Klägers keinen Freispruch, sondern die Verhängung einer Bewährungsstrafe beantragt und der Kläger von der ihm eingeräumten Möglichkeit, etwas zu seiner Verteidigung vorzubringen, keinen Gebrauch gemacht hat. Auch dadurch hat sich die Tatsachengrundlage erweitert, belegt das Verhalten des Klägers doch zumindest, dass er den Vorwürfen nicht mehr aktiv entgegen treten will.

36

bb) Es hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum, wenn das Landesarbeitsgericht für den Beginn der Frist nicht auf den 24. August 2009 als das Datum der Urteilsverkündung abgestellt hat, sondern auf die Zuleitung des Protokolls und der schriftlichen Urteilsgründe am 11. September 2009. Erst durch die Möglichkeit der Kenntnisnahme von den schriftlichen Gründen hat die Beklagte - angesichts der Komplexität des Verfahrens und der Vielzahl der in Rede stehenden Tathandlungen - hinreichende Gewissheit über den konkreten Gegenstand und den Umfang der Verurteilung gewonnen. Für diese Sichtweise spricht zudem das in § 406e der Strafprozessordnung verbürgte Recht des Verletzten auf Akteneinsicht durch einen Rechtsanwalt, das die Prüfung ermöglichen soll, ob und in welchem Umfang zivilrechtliche Ansprüche mit Erfolgsaussicht geltend gemacht werden können(vgl. Hanseatisches OLG Hamburg 21. März 2012 - 2 Ws 11/12 ua. - Rn. 22, wistra 2012, 397; zur Einsicht in strafrechtliche Ermittlungsakten vgl. BVerfG 5. Dezember 2006 - 2 BvR 2388/06 - NJW 2007, 1052). Die Teilnahme an der öffentlichen Verhandlung ist hierfür kein ausreichendes Äquivalent. Ob die Beklagte - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - die Übermittlung der Schriftstücke auch wegen ihrer Unterrichtungspflichten aus § 102 Abs. 1 BetrVG abwarten durfte, bedarf keiner Entscheidung.

37

f) Die Kündigungserklärung erfolgte binnen zweier Wochen nach dem 11. September 2009. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, die fristlose Kündigung vom 22. September 2009 sei dem Kläger am 24. September 2009 zugegangen.

38

4. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß zur Kündigung vom 22. September 2009 angehört worden.

39

a) Die Beklagte ist gemäß dem Grundsatz der „subjektiven Determinierung“ (vgl. dazu BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41 mwN, NZA 2013, 86; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45 mwN, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36) ihrer Mitteilungspflicht aus § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG inhaltlich ausreichend nachgekommen.

40

b) Entgegen der Auffassung des Klägers kann dahinstehen, ob die Beklagte das Anhörungsverfahren durch Übergabe des Unterrichtungsschreibens an ein anderes Mitglied des Betriebsrats als dessen Vorsitzenden am 18. September 2009 wirksam eingeleitet hatte und deshalb die Frist des § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG bei Zugang des Kündigungsschreibens am 24. September 2009 tatsächlich abgelaufen war. Auf die Empfangszuständigkeit des betreffenden Mitglieds kommt es nicht an. Das Anhörungsverfahren war aufgrund der Stellungnahme des Betriebsrats in jedem Fall am 21. September 2009 abgeschlossen (vgl. BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9).

41

aa) Der Kläger wendet sich nicht gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, der Anhörungsbogen mit der seitens des Betriebsrats abgegebenen Erklärung, gegen die fristlose Kündigung bestünden keine Bedenken, habe der Beklagten am 21. September 2009 und damit zu einem Zeitpunkt vorgelegen, zu dem das Kündigungsschreiben ihren Machtbereich noch nicht verlassen hatte. Es handelte sich dabei erkennbar um eine das Anhörungsverfahren abschließende Äußerung.

42

bb) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Stellungnahme keine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats zugrunde gelegen habe, greift nicht durch.

43

(1) Mängel bei der Beschlussfassung des Betriebsrats haben grundsätzlich selbst dann keine Auswirkungen auf die Ordnungsgemäßheit seiner Anhörung, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt weiß oder erkennen kann, dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt hat. Solche Fehler - etwa die Abgabe der Stellungnahme durch ein dafür unzuständiges Mitglied des Betriebsrats - gehen schon deshalb nicht zu Lasten des Arbeitgebers, weil dieser keine rechtliche Möglichkeit eines Einflusses auf die Beschlussfassung des Betriebsrats hat (BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 316/04 - Rn. 21 mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 150 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 16; 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b aa der Gründe mwN, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9).

44

(2) Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn erkennbar keine Stellungnahme des Gremiums „Betriebsrat”, sondern etwa nur eine persönliche Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden vorliegt oder der Arbeitgeber den Fehler des Betriebsrats durch unsachgemäßes Verhalten selbst veranlasst hat (BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 316/04 - Rn. 22, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 150 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 16; 16. Januar 2003 - 2 AZR 707/01 - zu B I 2 c der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 129 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 2).

45

(3) Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls fehlt es auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts an hinreichenden Anhaltspunkten. Einen beachtlichen Verfahrensfehler des Landesarbeitsgerichts zeigt der Kläger nicht auf. Er bezieht sich auf sein Vorbringen, entweder habe das betreffende Betriebsratsmitglied am 21. September 2009 nur eine persönliche Äußerung abgegeben oder die Beklagte habe den Betriebsrat zu einer eiligen Beschlussfassung im Umlaufverfahren gedrängt. Er verbindet damit den Einwand, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht gemeint, dies laufe auf eine unzulässige Ausforschung hinaus. Soweit er damit geltend machen will, das Landesarbeitsgericht habe eine gebotene Beweisaufnahme unterlassen, ist die Rüge unzulässig. Er legt nicht dar, welches Ergebnis die Erhebung des angebotenen Beweises voraussichtlich erbracht hätte (zu dieser Anforderung BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 d aa der Gründe, BAGE 109, 145). Unabhängig davon ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts mit den Vorgaben des Prozessrechts vereinbar. Zwar kann es einer Prozesspartei, die keinen Einblick in bestimmte Geschehensabläufe hat und der deshalb die Beweisführung erschwert ist, gestattet sein, auch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, die sie nicht sicher kennt, die sie aber aufgrund ihr bekannter Umstände vermuten kann. Zulässig ist ein solcher Beweisantritt aber nur, wenn zumindest greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen der fraglichen Tatsache aufgezeigt werden (vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33, DB 2009, 964; BGH 15. Mai 2003 - III ZR 7/02 - zu II 2 a der Gründe, BGHReport 2003, 891). Dieser Anforderung genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Allein die verhältnismäßig kurze Zeit, die zwischen Übergabe des Anhörungsbogens und der Stellungnahme vom 21. September 2009 liegt und der zusätzliche Umstand, dass zwei Tage dieser Zeitspanne arbeitsfrei gewesen sein mögen, sind keine greifbare Indizien dafür, dass das handelnde Betriebsratsmitglied der Beklagten lediglich eine persönliche Stellungnahme übermittelt hat. Zum einen ist es nicht ausgeschlossen, dass der Betriebsrat außerhalb der regulären Arbeitszeit zu Sitzungen zusammentritt. Zum anderen deutet der Inhalt der Stellungnahme („… haben wir keine Bedenken“) explizit auf eine Einbeziehung weiterer Betriebsratsmitglieder hin. Ebenso wenig bietet der zeitliche Ablauf einen Anhaltspunkt für die Annahme, der Betriebsrat habe, falls er einen Beschluss im Umlaufverfahren gefasst haben sollte, dies auf Drängen der Beklagten getan.

46

II. Die Klageanträge zu 2. fallen dem Senat nicht zur Entscheidung an. Der Kläger hat in der Revisionsbegründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass deren Erfolg vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängt. Dies kann bei sachgerechter Würdigung, insbesondere vor dem Hintergrund des angebrachten Prozesskostenhilfegesuchs, nur so verstanden werden, dass er sie insgesamt als uneigentliche Hilfsanträge zum Kündigungsschutzantrag stellen will. Selbst wenn über sie zu befinden wäre, bliebe seiner Revision im Übrigen der Erfolg versagt. Infolge der Wirksamkeit der Kündigung vom 22. September 2009 hat in den Monaten Oktober, November und Dezember 2009 zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden.

47

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Nielebock    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Jugendvertretung ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten sechs in der Einladung oder die ersten drei in der Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

(3b) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats oder einer Bordvertretung unternimmt und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat oder eine Bordvertretung zu errichten, ist unzulässig, soweit sie aus Gründen erfolgt, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Der Kündigungsschutz gilt von der Abgabe der Erklärung nach Satz 1 bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Absatz 3, § 17a Nummer 3 Satz 2, § 115 Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, längstens jedoch für drei Monate.

(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig, es sei denn, daß ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die Kündigung bei Stillegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Beamtinnen und Beamte haben über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch über den Bereich eines Dienstherrn hinaus sowie nach Beendigung des Beamtenverhältnisses.

(2) Absatz 1 gilt nicht, soweit

1.
Mitteilungen im dienstlichen Verkehr geboten sind,
2.
Tatsachen mitgeteilt werden, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen,
3.
gegenüber der zuständigen obersten Dienstbehörde, einer Strafverfolgungsbehörde oder einer durch Landesrecht bestimmten weiteren Behörde oder außerdienstlichen Stelle ein durch Tatsachen begründeter Verdacht einer Korruptionsstraftat nach den §§ 331 bis 337 des Strafgesetzbuches angezeigt wird oder
4.
Informationen unter den Voraussetzungen des Hinweisgeberschutzgesetzes an eine zuständige Meldestelle weitergegeben oder offengelegt werden.
Im Übrigen bleiben die gesetzlich begründeten Pflichten, geplante Straftaten anzuzeigen und für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten, von Absatz 1 unberührt.

(3) Beamtinnen und Beamte dürfen ohne Genehmigung über Angelegenheiten, für die Absatz 1 gilt, weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Die Genehmigung erteilt der Dienstherr oder, wenn das Beamtenverhältnis beendet ist, der letzte Dienstherr. Hat sich der Vorgang, der den Gegenstand der Äußerung bildet, bei einem früheren Dienstherrn ereignet, darf die Genehmigung nur mit dessen Zustimmung erteilt werden. Durch Landesrecht kann bestimmt werden, dass an die Stelle des in den Sätzen 2 und 3 genannten jeweiligen Dienstherrn eine andere Stelle tritt.

(4) Die Genehmigung, als Zeugin oder Zeuge auszusagen, darf nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes erhebliche Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Durch Landesrecht kann bestimmt werden, dass die Verweigerung der Genehmigung zur Aussage vor Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages oder der Volksvertretung eines Landes einer Nachprüfung unterzogen werden kann. Die Genehmigung, ein Gutachten zu erstatten, kann versagt werden, wenn die Erstattung den dienstlichen Interessen Nachteile bereiten würde.

(5) Sind Beamtinnen oder Beamte Partei oder Beschuldigte in einem gerichtlichen Verfahren oder soll ihr Vorbringen der Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen dienen, darf die Genehmigung auch dann, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 4 Satz 1 erfüllt sind, nur versagt werden, wenn die dienstlichen Rücksichten dies unabweisbar erfordern. Wird sie versagt, ist Beamtinnen oder Beamten der Schutz zu gewähren, den die dienstlichen Rücksichten zulassen.

(6) Beamtinnen und Beamte haben, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, auf Verlangen des Dienstherrn oder des letzten Dienstherrn amtliche Schriftstücke, Zeichnungen, bildliche Darstellungen sowie Aufzeichnungen jeder Art über dienstliche Vorgänge, auch soweit es sich um Wiedergaben handelt, herauszugeben. Die gleiche Verpflichtung trifft ihre Hinterbliebenen und Erben.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)