Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2017 - 2 Sa 101/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:1026.2Sa101.17.00
26.10.2017

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08.02.2017 - 12 Ca 2872/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Entschädigung für aufgewandte Fahrtzeiten sowie gefahrene Kilometer.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen im Bereich der Heizungs- und Klimatechnik, aufgrund Arbeitsvertrags vom 13. Juni 1989 (Bl. 212, 213 d. A.) seit 01. August 1989 als Kundendienstmonteur beschäftigt. Die Beklagte wendet auf alle bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer seit dem 01. April 1988 den von ihr mit der Gewerkschaft IG Metall abgeschlossenen "Werktarifvertrag" an, der zum 01. April 1988 in Kraft getreten war und zuletzt zum 01. Oktober 1997 geändert wurde. Der zuletzt zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft IG Metall abgeschlossene Werktarifvertrag vom 23. September 1997, der zum 01. Oktober 1997 in Kraft getreten ist und bislang nicht gekündigt wurde, enthält in § 20 - ebenso wie der ursprüngliche Werktarifvertrag vom 26. Januar 1988 in § 21 - folgende Ausschlussfristen:

3

"§ 20 Geltendmachung von Ansprüchen

4

1. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind spätestens innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen. Die Geltendmachung ist vom Arbeitgeber schriftlich zu bestätigen.

5

2. Lehnt der Arbeitgeber die Erfüllung schriftlich ab, so hat der Arbeitnehmer den Anspruch innerhalb von 3 Monaten nach Ablehnung durch den Arbeitgeber gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.

6

3. Diese Vorschriften gelten sinngemäß auch für Ansprüche des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer.

7

4. Erhebt ein Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung hiergegen Kündigungsschutzklage, so beginnen die Fristen der Ziffer 1 für die Geltendmachung etwaiger Verdienstansprüche für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist mit der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung zu laufen."

8

Unter dem 19. Februar 2008 schlossen die Parteien folgende "Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag" (Bl. 275, 276 d.A.):

9

"1.
Es wird vereinbart, dass sich die bisherige arbeitsvertragliche bzw. werktarifvertragliche Wochenarbeitszeit ohne Pausen auf 38,5 Stunden erhöht. Diese erhöhte Arbeitszeit ist mit der bisherigen Vergütung abgegolten. Anlässlich der Höhe der Wochenarbeitszeit erfolgt keine Erhöhung der Vergütung.

10

2.
Sie erhalten für die Verlängerung der Arbeitszeit eine pauschale Prämie, die sich bezogen auf das jeweilige Geschäftsjahr (= Kalenderjahr) wie folgt berechnet:

11

Übersteigt die EBIT Rendite nach IFRS bezogen auf den Nettoumsatz nach IFRS 4 %, erhalten die gesamten prämienberechtigten Mitarbeiter vom übersteigenden Betrag 10 %. Die Summe wird nach Köpfen verteilt. Die Auszahlung erfolgt mit der Entgeltabrechnung für den Monat März des Folgejahres.

12

3.
Sie erhalten ab 01.01.2008 eine Tarifentgelterhöhung von 3 %. Grundlage für diese Erhöhung sind die derzeit gültigen Tarifentgelttabellen. Die sich daraus ergebende Summe ist auch für die Leistungsbeurteilung maßgeblich. Die weiteren Tarifentgelterhöhungen für die Jahre 2009 und 2010 orientieren sich an den Abschlüssen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Sollten diese über 2,5 % liegen, so wird die bei der Firma C. zu zahlende Tarifentgelterhöhung besprochen und ausgehandelt. Für den Fall, dass eine Tariferhöhung zwischen IG Metall und Unternehmen abgeschlossen wird, kann diese Tarifentgelterhöhung angerechnet werden.

13

4.
Während der Laufzeit werden betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Für den Fall, dass die erreichten Umsätze eines Geschäftsjahres um mindestens 10 % unter den Umsätzen des Vorjahres liegen und andere zumutbare Schritte, u.a. Abbau von Zeitkonten, Abbau von Leiharbeitern und Kurzarbeit bereits ausgeschöpft sind oder nicht zum erforderlichen Erfolg führen, sind betriebsbedingte Kündigungen wieder möglich. In diesem Fall werden die Vertragsänderungen einen Monat nach Mitteilung an die Arbeitnehmer aufgelöst, es gelten dann die bisherigen Arbeitsbedingungen.

14

5.
Die Änderung zum Arbeitsvertrag ist bis zum 31.12.2010 befristet, nach Fristablauf gelten die werktariflich festgelegten Arbeitsbedingungen, insbesondere §4 des Haustarifvertrages bezüglich der wöchentlichen Arbeitszeit, außer es wird eine andere Regelung gefunden.

15

6.
Soweit in dieser Vereinbarung nichts Abweichendes geregelt ist, bleiben die bisherigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages unverändert bestehen.

16

7.
c) Jede Änderung, Ergänzung oder Aufhebung dieser Vereinbarung bedarf der Schriftform. Die Schriftform selbst kann nur schriftlich geändert oder ergänzt werden. Mündliche Nebenabreden bestehen nicht und haben im Übrigen keine Rechtswirkung.

17

d) Sollten einzelne Bestimmungen dieser Änderungsvereinbarung unwirksam sein oder werden, so wird die ganze Vereinbarung unwirksam."

18

Mit Schreiben vom 13. Januar 2014 wies die Beklagte den Kläger an, seine Tätigkeit nicht mehr wie zuvor in seinem Haus in A-Stadt, sondern nunmehr an jedem Arbeitstag in ihrer Niederlassung in M-Stadt zu beginnen und zu beenden. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. Januar 2014 (Bl. 20 - 22 d. A.) wies der Kläger auf die fehlende Zustimmung des Betriebsrates zu dieser Versetzung hin und erklärte hinsichtlich der Aufnahme seiner Arbeit in der angeordneten Form einen ausdrücklichen Vorbehalt der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung durch das Arbeitsgericht. In dem daraufhin zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Bonn mit Urteil vom 30. April 2015 - 7 Ca 636/14 - dem Feststellungsantrag zu 1. des Klägers stattgegeben und festgestellt, dass es sich bei der Anweisung der Beklagten vom 13. Januar 2014 um eine Versetzung handelt, die mangels Zustimmung des Betriebsrates unwirksam ist. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten ist vom Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 15. Oktober 2015 - 7 Sa 536/15 - (Bl. 23 - 29 d. A.) zurückgewiesen worden. Die vom Kläger seinerseits eingelegte Berufung mit dem Antrag, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 30. April 2015 - 7 Ca 636/14 - zu verurteilen, ihn seine Tätigkeit an dem bisherigen Stützpunkt, seinem Wohnsitz in A-Stadt, beginnen und beenden zu lassen, hat das Landesarbeitsgericht mit dem vorgenannten Urteil ebenfalls zurückgewiesen. In dem parallel geführten Zustimmungsersetzungsverfahren ist die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung des Klägers zu dem in M-Stadt angesiedelten Verkaufsbüro K-Stadt der Beklagten mit Beschluss des Arbeitsgerichts Regensburg vom 26. November 2015 - 8 BV 55/15 - (Bl. 131 - 144 d. A.) ersetzt worden, der im Februar 2016 rechtskräftig geworden ist.

19

Mit anwaltlichem Schreiben vom 09. Juni 2016 (Bl. 30 - 38 d. A.) machte der Kläger gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wie folgt geltend:

20

"Nachdem die bisherigen Verfahren rechtskräftig erledigt sind, bin ich nunmehr beauftragt, Schadensersatzansprüche zugunsten meines Mandanten gelten zu machen, die daraus resultieren, dass mein Mandant aufgrund der Weisung vom 13. Januar 2014 seit dem 21. Januar 2014 seine Tätigkeit in dem Verkaufsbüro in Koblenz beginnen und dort beenden musste.

21

Für den Zeitraum 21. Januar 2014 bis 18. Februar 2016 war diese Weisung rechtswidrig, da es sich um eine Versetzung handelte und die erforderliche Zustimmung des Betriebsrates bis zum 18. Februar 2016 nicht vorlag.

22

Mein Mandant hätte für diesen Zeitraum sogar seine Leistung verweigern dürfen, ohne seinen Entgeltanspruch zu verlieren. Lediglich im Hinblick auf das lange andauernde Arbeitsverhältnis hatte mein Mandant hiervon Abstand genommen.

23

Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, das zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht Köln geführt wurde, hatten Sie sich auf den Standpunkt gestellt, die Anweisung an meinen Mandanten sei durch Ihr Direktionsrecht gedeckt. Allerdings steht durch das Urteil des Landesarbeitsgerichtes Köln vom 15. Oktober 2015, das mit Ablauf des 09. Mai 2016 in Rechtskraft erwachsen ist, fest, dass Ihre Anordnung eine Versetzung im Sinne von § 99 BetrVG darstellte, für die erst ab dem 20. Februar 2016 die erforderliche Zustimmung des Betriebsrates vorlag.

24

Demzufolge kann mein Mandant für den Zeitraum 21. Januar 2014 bis 18. Februar 2016 eine Entschädigung verlangen, und zwar zum einen eine zeitliche Entschädigung für die aufgewandten Fahrzeiten in Höhe seines Vergütungsanspruches sowie pro gefahrenem Kilometer einen pauschalen Kostenersatz in Höhe von 0,30 €.

25

Zur Konkretisierung verweise ich auf die beigefügte Tabelle, die den Zeitraum 21. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015 umfasst.

26

Für den Zeitraum 01. Januar 2016 bis 18. Februar 2016 mache ich die entsprechenden Ansprüche meines Mandanten zunächst dem Grunde nach geltend und berechne sie pauschal pro Arbeitstag mit 1,5 Stunden Fahrtzeit und 130 Kilometern pro Arbeitstag, wobei eine nähere Konkretisierung ausdrücklich noch vorbehalten bleibt.

27

Hieraus ergibt sich, dass mein Mandant im Zeitraum 21. Januar 2014 bis 18. Februar 2016 insgesamt 676,25 Stunden Fahrtzeit aufwenden musste, die ihm zu vergüten sind.

28

676,25 Stunden x 21,52 € ergeben
14.552.90 € brutto.

29

An Kilometern hat mein Mandant insgesamt 45.602 km zurücklegen müssen. Multipliziert mit 0,30 € ergibt dies einen Entschädigungsbetrag in Höhe von
13.680.60 €.

30

Namens und im Auftrage meines Mandanten habe ich Sie aufzufordern, die Vergütung für den Zeitaufwand zusammen mit den Vergütungsansprüchen meines Mandanten für den Monat Juni 2016 abzurechnen und den sich hieraus ergebenden Nettobetrag an meinen Mandanten auszuzahlen.

31

Ebenfalls mit der Vergütung für Juni 2016 werden Sie aufgefordert, die Entschädigung für die gefahrenen Kilometer an meinen Mandanten auszuzahlen."

32

Mit der am 09. September 2016 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage verfolgt der Kläger diese vorgerichtlich mit Schreiben vom 09. Juni 2016 geltend gemachten Ansprüche weiter.

33

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08. Februar 2017 - 12 Ca 2872/16 - Bezug genommen.

34

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

35

die Beklagte zu verurteilen, an ihn
1. 14.552,90 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juli 2016,
2. Nutzungsentschädigung in Höhe von 13.680,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juli 2016
zu zahlen.

36

Die Beklagte hat beantragt,

37

die Klage abzuweisen.

38

Mit Urteil vom 08. Februar 2017 - 12 Ca 2872/16 - hat das Arbeitsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klageansprüche jedenfalls nach § 20 des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Haustarifvertrags der Beklagten verfallen seien. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

39

Gegen das ihm am 16. Februar 2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10. März 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Mai 2017 mit Schriftsatz vom 18. Mai 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

40

Er trägt vor, seine Ansprüche seien entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts nicht verfallen. Das Arbeitsgericht sei bereits zu Unrecht davon ausgegangen, dass der im Betrieb der Beklagten geltende Werktarifvertrag in dem Zeitraum, in dem seine Ansprüche entstanden seien, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung gefunden habe. Mangels Mitgliedschaft in der Gewerkschaft IG Metall könne der Werktarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine unmittelbare Anwendung finden. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 13. Juni 1989 enthalte keine Inbezugnahmeklausel. Selbst wenn ihm bei Arbeitsbeginn mitgeteilt worden wäre, dass der Haustarifvertrag auch auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung finde, was er bestreite, ergebe sich aus § 7 des Arbeitsvertrages, dass eine solche Vereinbarung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedurft hätte. Die unter dem 19. Februar 2018 getroffene Änderungsvereinbarung verhalte sich ersichtlich über die Arbeitszeit sowie die Höhe der Vergütung, während die Parteien sonstige konkrete Regelungen gerade nicht hätten treffen wollen, was sich auch aus Ziff. 6 der Änderungsvereinbarung ergebe. Zu dieser Regelung sei die Regelung unter Ziff. 5 der Änderungsvereinbarung zumindest missverständlich, denn hierdurch hätten die "werktarifvertraglichen" Regelungen die Regelung aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag vollständig ersetzt, was die Parteien ersichtlich nicht gewollt hätten. Zwar habe er sich in dem Verfahren, in denen er Zahlungsansprüche gegenüber der Beklagten gerichtlich habe geltend machen müssen, auf den Tarifvertrag bezogen. Dies sei jedoch im Hinblick auf die Regelung unter § 3 des Arbeitsvertrages vom 13. Juni 1989 sowie unter Ziff. 3 der Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 19. Februar 2018 nicht zu beanstanden. Auch wenn er in der Vergangenheit stets Vergütungen in Höhe der werktarifvertraglichen Regelungen erhalten habe, könne hieraus nicht der Schluss gezogen werden, er sei davon ausgegangen, dass der Werktarifvertrag insgesamt Anwendung finde. Insoweit sei sein Verhalten auch nicht treuwidrig Die Argumentation der Beklagten, sie wende den Haustarifvertrag kraft einer Gesamtzusage an, sei wenig nachvollziehbar. Eine Gesamtzusage liege vor, wenn ein Arbeitgeber einseitig bekannt gebe, dass er jedem Arbeitnehmer, der die von ihm abstrakt festgelegten Voraussetzungen erfülle, eine bestimmte Leistung gewähre. Es gehe also um singuläre Ansprüche, zu deren Erfüllung sich der Arbeitgeber verpflichte. Ein Tarifvertrag, auch ein "Werktarifvertrag", in dem auch Pflichten der Arbeitnehmer geregelt seien, könne demzufolge nicht Gegenstand einer Gesamtzusage sein. Selbst wenn man davon ausgehe, dass § 20 des Werktarifvertrages Anwendung finde, so überzeuge die Argumentation des Arbeitsgerichts im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 01. Dezember 2010 nicht. Tragender Grundsatz dieser Entscheidung sei die Gewährleistung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz für Arbeitnehmer, insbesondere auch aus Kostengesichtspunkten. Bereits aus der Höhe der Klageforderung ergebe sich, dass er für den Fall, dass er in dem hinsichtlich der Versetzung geführten Verfahren seine Schadensersatzansprüche zusätzlich hätte geltend machen müssen, mit einem erheblichen Kostenrisiko belastet gewesen wäre. Ferner sei zu berücksichtigen, dass in § 20 Ziff. 4 des Werktarifvertrages geregelt sei, dass die Verfallfristen ausgesetzt seien, bis eine rechtskräftige Entscheidung vorliege. Dies bedeute übertragen auf den vorliegenden Fall, dass eine etwaige Verfallfrist bis zur rechtskräftigen Entscheidung gehemmt gewesen sei und erst ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung zu laufen begonnen habe. Soweit das Arbeitsgericht ausgeführt habe, dass eine rechtswidrige Versetzung nicht stets mit Schadensersatzansprüchen behaftet sei, möge dies zutreffen. Allerdings sei für die Beklagte unzweifelhaft erkennbar gewesen, dass er einen erheblichen Zeitaufwand und materiellen Aufwand habe leisten müssen, um von seinem bisherigen Stützpunkt in die Niederlassung Koblenz und zurück zu fahren, um dort seine Arbeit aufzunehmen und zu beenden. Der Beklagten habe daher auch klar sein müssen, dass ihm aufgrund ihres rechtswidrigen Verhaltens erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstünden, die sie zu ersetzen verpflichtet sei. Diese Situation sei ohne weiteres vergleichbar mit dem Entstehen von Annahmeverzugsansprüchen im Falle einer Kündigungsschutzklage, so dass seine Forderungen für die Beklagte auch vor dem Hintergrund des außergerichtlichen Schreibens vom 24. Januar 2014 keineswegs überraschend gewesen sein könnten.

41

Der Kläger beantragt,

42

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08. Februar 2017 - 12 Ca 2872/16 - zu verurteilen,
an ihn
1. 14.552,90 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juli 2016,
2. Nutzungsentschädigung in Höhe von 13.680,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juli 2016
zu zahlen.

43

Die Beklagte beantragt,

44

die Berufung zurückzuweisen.

45

Sie erwidert, das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass die streitigen Ansprüche des Klägers verfallen seien. Dem Kläger sei bei Arbeitsbeginn mitgeteilt worden, dass der Haustarifvertrag vom 01. April 1988 auch auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung finde. Wie sich aus Ziff. 5 der Änderungsvereinbarung vom 19. Februar 2008 ergebe, sei mit dem Kläger die Anwendung des streitigen Haustarifvertrages auch explizit vereinbart worden. Dementsprechend habe der Kläger in der ersten Instanz auch nicht gerügt, dass der Haustarifvertrag vom 23. September 1997 auf das Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden sei. Aufgrund der Anwendung des Haustarifvertrages auf alle Arbeitnehmer bei ihr und der mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung sei dieser selbstverständlich auch davon ausgegangen, dass der Haustarifvertrag für ihn gelte. Die Tatsache, dass der Haustarifvertrag auf das vorliegende Arbeitsverhältnis anzuwenden sei, ergebe sich auch daraus, dass in sämtlichen vorangegangenen Verfahren entweder dies von den Parteien unstreitig gestellt worden sei oder sogar der Kläger explizit behauptet habe, dass der Haustarifvertrag anzuwenden sei. Es sei treuwidrig, dass der Kläger in sämtlichen anderen Verfahren behaupte, der streitige Haustarifvertrag sei anzuwenden, und nunmehr erstmals in der zweiten Instanz sich darauf berufe, dass dies nicht der Fall sei. Eine Hemmung der streitigen Ausschlussfristen sei auch unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht erfolgt. Der Kläger verkenne den Sinn und Zweck der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 01. Dezember 2010. Das Arbeitsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass die Feststellungsklage des Klägers gegen ihre Weisung vom 13. Januar 2014 nicht mit einer Kündigungsschutzklage vergleichbar sei. Die Parteien des Tarifvertrages hätten in § 20 Ziff. 4 nur eine einzige Ausnahme bezüglich der Ausschlussfristen statuiert, nämlich im Hinblick auf einen Kündigungsrechtsstreit. Auf andere Sachverhalte sei diese Ausnahmeregelung nicht übertragbar. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung dieser Ausnahmenorm oder gar eine Übertragung des Rechtsgedankens dieser Norm auf den vorliegenden Sachverhalt sei nicht möglich. Irgendwelche Schadensersatzansprüche habe der Kläger auch in seinem Schreiben vom 24. Januar 2014 nicht angedroht.

46

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

47

Die gem. § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

48

Die Berufung des Klägers hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klageansprüche sind nach § 20 des zwischen der Beklagten und der IG Metall abgeschlossenen Werktarifvertrags vom 23. September 1997 ausgeschlossen.

I.

49

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Werktarifvertrag, der in seiner Ursprungsfassung vom 26. Januar 1988 ab 01. April 1988 und in seiner zuletzt geänderten Fassung vom 23. September 1997 ab 01. Oktober 1997 in Kraft getreten ist, zumindest aufgrund betrieblicher Übung Anwendung.

50

Die vertragliche Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen ist nicht an eine Form gebunden. Sie kann sich auch aus einer betrieblichen Übung oder konkludentem Verhalten der Arbeitsvertragsparteien ergeben (BAG 19. Januar 1999 - 1 AZR 606/98 - Rn. 50, NZA 1999, 879; BAG 17. April 2002 - 5 AZR 89/01 - Rn. 15, NZA 2002, 1096).

51

Die Beklagte wendet unstreitig den von ihr selbst als Haustarifvertrag mit der Gewerkschaft IG Metall jeweils abgeschlossenen "Werktarifvertrag" vom 26. Januar 1988 bzw. 23. September 1997 seit seinem jeweiligen Inkrafttreten auf alle bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer an. Danach ist von einer Bezugnahme auf den bei der Beklagten geltenden Werktarifvertrag, an den sie als Tarifvertragspartei gebunden ist, kraft betrieblicher Übung auszugehen (vgl. BAG 17. April 2002 - 5 AZR 89/01 - Rn. 16, NZA 2002, 1096). Der Kläger ist dementsprechend in den vorangegangenen Verfahren der Parteien ohne weiteres davon ausgegangen, dass der Werktarifvertrag auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung findet, und hat in dem vor dem Landesarbeitsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 3 Sa 182/14 geführten Berufungsverfahren unter Verweis auf den von ihm selbst in Kopie vorgelegten Werktarifvertrag der Beklagten seine Zahlungsansprüche (u.a. Zuschläge, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld) geltend gemacht (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 26. März 2014 - 3 Sa 182/14 - Bl. 277 - 284 d. A.). Aus der Gewährung der werktarifvertraglichen Leistungen durch die tarifgebundenen Beklagte, die selbst Tarifvertragspartei ist, kann der Schluss gezogen werden, dass das Arbeitsverhältnis insgesamt dem einschlägigen Haustarifvertrag unterliegen soll (vgl. BAG 19. Januar 1999 - 1 AZR 606/98 - Rn. 53, NZA 1999, 879). Soweit die Parteien mit der Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 19. Februar 2008 eine befristete Erhöhung der arbeitsvertraglichen bzw. werktarifvertraglichen Wochenarbeitszeit vereinbart haben, ist in Ziff. 5 dieser Vereinbarung ausdrücklich festgelegt, dass nach Fristablauf "die werktariflich festgelegten Arbeitsbedingungen" gelten. Vor dem Hintergrund des kraft betrieblicher Übung angewandten Werktarifvertrags liegt in dieser Regelung nicht etwa eine vollständige Ersetzung aller vertraglichen Regelungen, sondern die Vereinbarung, dass nach Fristablauf die bisherigen werktariflichen und arbeitsvertraglichen Regelungen weiterhin gelten.

52

Die in § 7 des Arbeitsvertrags vom 13. Juni 1989 enthaltene einfache Schriftformklausel, nach der Vertragsänderungen schriftlich niedergelegt werden müssen, steht einer vertraglichen Bezugnahme auf den Werktarifvertrag kraft betrieblicher Übung nicht entgegen. Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen, verhindert nicht, dass eine betriebliche Übung entsteht. Nach allgemeinen Grundsätzen kann eine so vereinbarte Schriftform auch ohne Einhaltung der Schriftform abbedungen werden. Das gilt sogar dann, wenn die Parteien bei Abschluss der an sich formbedürftigen Vereinbarung nicht an die Schriftform gedacht haben (BAG 24. Juni 2003 - 9 AZR 302/02 - Rn. 36, NZA 2003, 1145). Unabhängig davon ist die in Ziff. 5 der Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 19. Februar 2008 getroffene Regelung, nach der nach Fristablauf die werktariflich festgelegten Arbeitsbedingungen gelten, vor dem Hintergrund des kraft betrieblicher Übung angewandten Werktarifvertrags dahingehend auszulegen, dass die Parteien damit die Geltung des einschlägigen Werktarifvertrags nochmals auch schriftlich festgehalten haben.

53

Von der Bezugnahme durch betriebliche Übung sind nicht nur Tarifregelungen erfasst, die den Arbeitnehmer begünstigen, sondern auch die den Arbeitnehmer belastenden Tarifbestimmungen, wie z. B. Ausschlussfristen (BAG 17. April 2002 - 5 AZR 89/01 - Rn. 18, NZA 2002, 1096).

II.

54

Die Geltendmachung der Klageansprüche ist nach § 20 des Werktarifvertrages vom 23. September 1997 ausgeschlossen.

55

1. Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 09. Juni 2016, mit dem er erstmals die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche geltend gemacht hat, die erste Stufe der tarifvertraglichen Ausschlussfrist nicht gewahrt. Danach sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis spätestens innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen (§ 20 Ziff. 1 des Werktarifvertrags). Die Klageansprüche aus der Zeit vom 21. Januar 2014 bis einschließlich Februar 2016, die ebenso wie die Vergütung jeweils mit Ablauf des betreffenden Kalendermonats fällig geworden sind, sind spätestens mit Ablauf des Monats Mai 2016 verfallen.

56

2. Auf die in § 20 Ziff. 4 des Werktarifvertrags getroffene Sonderregelung für den Fall einer Kündigungsschutzklage kann sich der Kläger nicht berufen.

57

Erhebt ein Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung hiergegen Kündigungsschutzklage, so beginnen nach § 20 Ziff. 4 des Werktarifvertrages die Fristen der Ziff. 1 für die Geltendmachung etwaiger Verdienstansprüche für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist erst mit der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung zu laufen. Diese Sonderregelung für den Fall einer Kündigungsschutzklage ist nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf den Streit um die Wirksamkeit einer Versetzung nicht anwendbar.

58

Bedienen sich die Tarifvertragsparteien eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, ist der Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt (BAG 19. November 2014 - 5 AZR 121/13 - Rn. 18, NZA-RR 2015, 255). Gegenstand einer Kündigungsschutzklage ist die Wirksamkeit einer Kündigung. Im Vorprozess der Parteien (ArbG Bonn - 7 Ca 636/14 - LAG Köln - 7 Sa 536/15 -) hat sich der Kläger mit seinem Feststellungsantrag nicht gegen eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses, sondern gegen seine Versetzung gewandt und deren Unwirksamkeit geltend gemacht, woraus er die vorliegend geltend gemachten Klageansprüche herleitet.

59

3. Eine Auslegung, die streitgegenständlichen Ansprüche seien bereits mit der gegen die Versetzung gerichteten Feststellungsklage im Sinne von § 20 Ziff. 1 des Werktarifvertrages geltend gemacht, ist weder möglich noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

60

a) Einer Auslegung in diesem Sinne steht die Systematik des Tarifvertrages entgegen. Indem der Tarifvertrag in § 20 Ziff. 4 nur für den besonderen Fall einer Kündigungsschutzklage regelt, dass die Fristen der Ziff. 1 für die Geltendmachung etwaiger Verdienstansprüche für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist erst mit der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit zu laufen beginnen, ergibt sich im Umkehrschluss, dass es im Übrigen einer Geltendmachung des Anspruchs selbst nach Maßgabe der Ziff. 1 und 2 bedarf. Mit Ausnahme der in § 20 Ziff. 4 des Werktarifvertrags getroffenen Sonderregelung sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Ziff. 1 spätestens innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen und nach schriftlicher Ablehnung der Erfüllung innerhalb von drei Monaten gemäß Ziff. 2 gerichtlich geltend zu machen. Ausschlussfristen bezwecken, dem Schuldner zeitnah Gewissheit darüber zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er noch zu rechnen hat. Anders als bei einer Bestandsstreitigkeit, mit der typischerweise Annahmeverzugsansprüche einhergehen, ist das bei einem Streit um eine Versetzung hinsichtlich einer Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht der Fall.

61

b) Aus der Rechtsprechung zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist durch eine Kündigungsschutzklage hinsichtlich der darauf aufbauenden Vergütungsansprüche ergibt sich nichts anderes.

62

Danach wahrt der Arbeitnehmer mit einer Bestandsschutzklage, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, die erste Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Mit einer solchen Klage erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezweckt darüber hinaus, sich die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die Ansprüche müssen weder ausdrücklich bezeichnet noch beziffert werden (st. Rspr., vgl. BAG 24. September 2014 - 5 AZR 593/12 - Rn. 27, NZA 2015, 35). Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass im Kündigungsschutzrechtsstreit über den prozessualen Inhalt des Kündigungsschutzbegehrens hinaus das Gesamtziel der Klage zu beachten ist. Dieses beschränkt sich in der Regel nicht auf die bloße Erhaltung des Arbeitsplatzes, sondern ist zugleich auch auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet, die von der Weiterführung des Arbeitsverhältnisses abhängen und nicht mehr gegeben sind, wenn das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung aufgelöst worden ist. Dieses weitergehende Ziel ist in der Regel auch dem Arbeitgeber erkennbar, so dass er schon durch die bloße Kündigungsschutzklage hinreichend über den Willen des Arbeitnehmers unterrichtet wird, sich seine künftigen Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu erhalten. Von einer solchen Situation unterscheidet sich der hier vorliegende Fall erheblich. Im Kündigungsschutzprozess streiten die Parteien ausdrücklich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Ausgang dieses Rechtsstreits ist entscheidend dafür, ob dem Arbeitnehmer künftig überhaupt noch Lohnansprüche gegen den Arbeitgeber zustehen oder nicht. An einem solchen, das gesamte Arbeitsverhältnis umfassenden Streit, fehlt es, wenn - wie hier - lediglich um die Wirksamkeit einer Versetzung gestritten wird (vgl. hierzu auch BAG 05. April 1995 - 5 AZR 961/93 - Rn. 32 u. 33, NZA 1995, 1068).

63

c) Aus dem vom Kläger herangezogenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 01. Dezember 2010 (- 1 BVR 1682/07 - NZA 2011, 354) lässt sich ebenfalls nichts anderes herleiten.

64

Wie bereits oben ausgeführt, wahrt der Arbeitnehmer mit einer Bestandsschutzklage, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, die erste Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Hingegen war nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Wahrung der zweiten Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist regelmäßig die Erhebung einer bezifferten Klage erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt werde, wenn das tarifliche Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Ausgang einer Bestandsstreitigkeit abhängen, nach den bisherigen Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ausgelegt und angewandt werde. Dem Arbeitnehmer werde insoweit eine übersteigerte Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche wegen Annahmeverzugs auferlegt. Der Gesetzgeber erkenne durch § 4 S. 1 KSchG und § 42 Abs. 2 S. 1 GKG an, dass dem Bürger der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht durch Kostenbarrieren abgeschnitten werden dürfe, indem sie den Streitwert bei Bestandsschutzstreitigkeiten auf drei Bruttomonatsgehälter begrenzen und den Arbeitnehmer lediglich dazu zwingen würden, die Bestandsschutzstreitigkeit binnen drei Wochen rechtshängig zu machen, nicht aber die mit ihr im Zusammenhang stehenden Entgeltansprüche. Dies sei Teil einer vom Gesetzgeber seit jeher verfolgten Gesamtkonzeption, dem Arbeitnehmer insbesondere beim Streit über den (Fort-)Bestand seines Arbeitsverhältnisses den Weg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu ebnen und nicht durch Kostenbarrieren zu versperren. Die Vorschriften seien damit als Ausprägungen des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG bei der Auslegung und Anwendung einer materiell-rechtlich wirkenden Ausschlussfrist zu berücksichtigen (BVerfG 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 - NZA 2011, 354). Aufgrund dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung dahingehend geändert, dass tarifvertragliche Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung vorsehen, verfassungskonform dahingehend auszulegen sind, dass die vom Erfolg einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche bereits mit der Klage in der Bestandsstreitigkeit gerichtlich geltend gemacht sind (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 18, NZA 2013, 101).

65

Der Streit um die Wirksamkeit einer Versetzung im bestehenden Arbeitsverhältnis und etwaiger daraus resultierender Schadensersatzansprüche ist damit nicht vergleichbar. Während es im Falle einer Bestandsschutzstreitigkeit typischerweise um die laufende Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges geht, ist eine Versetzung im Falle ihrer Unwirksamkeit nicht regelmäßig mit Schadensersatzansprüchen verbunden. Sowohl die im Falle einer Kündigung des Arbeitgebers bestehende Klageobliegenheit (§ 4 S. 1 KSchG) als auch die für Bestandsschutzstreitigkeiten gesetzlich geregelte Begrenzung des Streitwertes (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG) betreffen nicht den Fall einer Versetzung im bestehenden Arbeitsverhältnis. Vielmehr ist es dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar, etwaige Schadensersatzansprüche für den Fall einer Unwirksamkeit der Versetzung im bestehenden Arbeitsverhältnis innerhalb der zweistufigen Ausschlussfrist geltend zu machen. Ein Feststellungsantrag, mit dem vom Arbeitnehmer die Unwirksamkeit einer Versetzung geltend gemacht wird, ist zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen weder erforderlich noch ausreichend. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist für den betroffenen Arbeitgeber allein aufgrund eines gegen die Versetzung gerichteten Feststellungsantrags nicht erkennbar, dass damit zugleich Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, weil dies vom Gesamtziel einer solchen Klage nicht mehr erfasst ist.

66

4. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt aus den vorgenannten Gründen auch eine entsprechende Anwendung der in § 20 Ziff. 4 des Werktarifvertrags für den Fall einer Kündigungsschutzklage getroffenen Ausnahmeregelung auf einen Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Versetzung für eine Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche nicht in Betracht. Für eine Analogie fehlt es sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer vergleichbaren Interessenlage.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

68

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2017 - 2 Sa 101/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2017 - 2 Sa 101/17

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2017 - 2 Sa 101/17 zitiert 11 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 99 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen


(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen v

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 4 Anrufung des Arbeitsgerichts


Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung er

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 42 Wiederkehrende Leistungen


(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitneh

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2017 - 2 Sa 101/17 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2017 - 2 Sa 101/17 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 15. Okt. 2015 - 7 Sa 536/15

bei uns veröffentlicht am 15.10.2015

Tenor Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 30.04.2015 in Sachen 7 Ca 636/14 werden einschließlich des Hilfsantrags des Klägers vom 06.08.2015 zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen d

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Nov. 2014 - 5 AZR 121/13

bei uns veröffentlicht am 19.11.2014

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 30. November 2012 - 6 Sa 513/12 - aufgehoben, soweit es die Beklagte zur Zahlung

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Sept. 2014 - 5 AZR 593/12

bei uns veröffentlicht am 24.09.2014

Tenor 1. Auf die Revisionen der Beklagten und des Klägers wird das Schlussurteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. März 2012 - 9 Sa 1910/10 - aufgehoben, soweit es über d

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Sept. 2012 - 5 AZR 627/11

bei uns veröffentlicht am 19.09.2012

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. März 2011 - 18 Sa 1170/10 - aufgehoben.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 21. Dez. 2010 - 1 BvR 2760/08

bei uns veröffentlicht am 21.12.2010

Tenor 1. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. August 2008 - I ZR 17/07 - verletzt die von der Beschwerdeführerin vertretenen Urheber in ihrem Grundrecht aus Artikel 14 Absatz 1 des Gr

Referenzen

Tenor

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 30.04.2015 in Sachen 7 Ca 636/14 werden einschließlich des Hilfsantrags des Klägers vom 06.08.2015 zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56

(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn

1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.

(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 30. November 2012 - 6 Sa 513/12 - aufgehoben, soweit es die Beklagte zur Zahlung verurteilt hat.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 29. Februar 2012 - 6 Ca 303/11 - wird insgesamt zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Der 1964 geborene Kläger ist bei der Beklagten, einem Bauunternehmen, seit Februar 2001 als Bauwerker angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Allgemeinverbindlichkeit der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Anwendung (im Folgenden: BRTV-Bau). Dieser regelt in der Fassung vom 20. August 2007 ua.:

        

㤠5

        

Lohn   

        

…       

        
        

7.    

Lohnabrechnung

        

7.1     

Die Lohnabrechnung erfolgt monatlich. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer nach Ablauf des Lohnabrechnungszeitraumes eine schriftliche Abrechnung über Lohn, vermögenswirksame Leistungen, Altersvorsorgeleistungen, Zulagen, Abzüge und Abschlagszahlungen zu erteilen. Die Abrechnung hat spätestens bis zum 15. des nächsten Monats zu erfolgen.

                 

…       

        

7.2     

Der Anspruch auf den Lohn wird spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. …

        

…       

        
        

§ 15

        

Ausschlussfristen

        

1.    

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden; besteht bei Ausscheiden des Arbeitnehmers ein Arbeitszeitguthaben, beträgt die Frist für dieses Arbeitszeitguthaben jedoch sechs Monate.

        

2.    

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von zwei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.“

3

Der Kläger war seit Januar 2008 durchgehend arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 9. Juli 2008 fragte die AOK bei der Beklagten nach, ob der Arbeitsplatz des Klägers seiner krankheitsbedingt eingeschränkten Belastbarkeit entspreche. Am 28. April 2009 teilte der Kläger der Beklagten mit, seine Arbeitsunfähigkeit ende zum 3. Mai 2009. Er bot schriftlich an, die Arbeitsleistung ab 4. Mai 2009 zu erbringen. Die Beklagte lehnte ab, solange der Kläger nicht durch Bestätigung des arbeitsmedizinischen Dienstes oder amtsärztliches Gutachten nachweise, alle im Straßenbau anfallenden Arbeiten ausführen zu können. Sie nahm die Arbeitsleistung des Klägers auch nicht entgegen, als er am 4. Mai 2009 persönlich im Betrieb erschien.

4

Mit einer am 15. Juni 2009 beim Arbeitsgericht Osnabrück eingereichten Klage (Az. - 6 Ca 264/09 -) beantragte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, an ihn wegen Annahmeverzugs Vergütung für den Monat Mai 2009 zu zahlen und ihn zu unveränderten vertraglichen Bedingungen als Bauwerker zu beschäftigen. Das Arbeitsgericht Osnabrück wies die Klage ab. Im Berufungsverfahren schlossen die Parteien am 21. November 2011 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, den Kläger als Bauwerker im Straßenbau zu beschäftigen und an ihn als Vergütung für Mai 2009 1.500,00 Euro brutto zu zahlen.

5

Mit der am 27. Juli 2011 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrt der Kläger Vergütung für die Monate Juni 2009 bis Mai 2011 und mit am 28. November 2011 eingereichtem Schriftsatz klageerweiternd für den Zeitraum 1. Juni bis 21. November 2011. Er hat geltend gemacht, die Beklagte sei wegen Annahmeverzugs zur Zahlung verpflichtet. Die tarifliche Ausschlussfrist habe er mit Erhebung der Beschäftigungs- und Zahlungsklage gewahrt. Es widerspreche dem Gebot effektiven Rechtsschutzes sowie Sinn und Zweck der Ausschlussfrist, fortlaufende Klageerweiterungen zu fordern, die monatlich gleich hohe Vergütungsansprüche und stets die Frage einer Beschäftigungspflicht zum Gegenstand hätten. Zudem sei die Berufung auf die Ausschlussfrist treuwidrig. Diese habe im Übrigen nicht zu laufen begonnen, weil er keine Lohnabrechnungen erhalten habe.

6

Der Kläger hat - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.837,10 Euro brutto sowie 4.370,21 Euro netto abzüglich erhaltener Sozialleistungen in Höhe von 7.071,85 Euro nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, etwaige Ansprüche des Klägers seien nach § 15 BRTV-Bau verfallen.

8

Vor dem Arbeitsgericht hat die Beklagte erklärt, sie gestehe zu, dass der Kläger seit 4. Mai 2009 arbeitsfähig sei. Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte (rechtskräftig) zur Zahlung für Mai und September bis November 2011 verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zu weiteren Zahlungen für die Monate Juni 2009 bis April 2011 und Juni bis August 2011 verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Sie hat die Leistungsfähigkeit des Klägers im Streitzeitraum erneut in Abrede gestellt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klage ist - soweit im Revisionsverfahren zu entscheiden - unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten für den noch streitbefangenen Zeitraum keine Vergütung wegen Annahmeverzugs verlangen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers teilweise stattgegeben und die Beklagte zu weiteren Zahlungen nebst Zinsen verurteilt hat. Insoweit verbleibt es bei der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts.

10

I. Die vom Kläger erhobenen Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs sind gemäß § 611 iVm. § 615 Satz 1 BGB entstanden.

11

Die Beklagte ist, indem sie die vom Kläger angebotene Arbeitsleistung ablehnte, in Annahmeverzug geraten, §§ 293, 294 BGB. Die Ansprüche sind nicht wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Klägers nach § 297 BGB ausgeschlossen. Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Streitzeitraum leistungsfähig. Soweit die Beklagte die Leistungsfähigkeit des Klägers in der Revision - erneut - in Frage stellt, ist dies unbeachtlich.

12

1. Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die in den Entscheidungsgründen wiedergegebenen tatsächlichen Feststellungen werden dem Tatbestand zugerechnet. Eine Unrichtigkeit dieser Feststellungen kann grundsätzlich nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO geltend gemacht und behoben werden(BGH 16. Dezember 2010 - I ZR 161/08 - Rn. 12).

13

2. Die Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht erklärt, sie gestehe zu, dass der Kläger seit 4. Mai 2009 arbeitsfähig sei. Das Arbeitsgericht hat dem entsprechend in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils, auf die das Berufungsurteil Bezug nimmt, ausgeführt, es sei unstreitig, dass der Kläger seit 4. Mai 2009 objektiv als Bauwerker im Straßenbau arbeitsfähig sei. Diese Feststellung hat die Beklagte weder mit einem gegen das Urteil des Arbeitsgerichts noch mit einem gegen das Berufungsurteil gerichteten Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen. Im Übrigen brauchte das Berufungsgericht die pauschale Bezugnahme der Beklagten in der Berufungserwiderung auf ihre erstinstanzlichen Schriftsätze nicht als Bestreiten der von ihr zugestandenen Leistungsfähigkeit des Klägers zu werten.

14

II. Die noch anhängigen Forderungen für die Monate Juni 2009 bis April 2011 und Juni 2011 bis August 2011 sind gemäß § 15 BRTV-Bau verfallen.

15

1. Die streitgegenständlichen Forderungen werden als Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis von der tariflichen Ausschlussfristenregelung erfasst. Zur Vermeidung ihres Erlöschens musste der Kläger diese nach § 15 Ziff. 1 BRTV-Bau innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit zunächst schriftlich und sodann nach Maßgabe von § 15 Ziff. 2 Satz 1 BRTV-Bau innerhalb einer Frist von weiteren zwei Monaten gerichtlich geltend machen.

16

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die erste Stufe der von ihm nach § 5 Abs. 4 TVG zu beachtenden tariflichen Ausschlussfrist eingehalten hat. Auch wenn man dies zu seinen Gunsten unterstellt, hat er jedenfalls die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nach § 15 Ziff. 2 Satz 1 BRTV-Bau nicht gewahrt.

17

a) Der Kläger kann sich nicht auf den in § 15 Ziff. 2 Satz 2 BRTV-Bau geregelten Ausnahmetatbestand berufen. Danach gilt § 15 Ziff. 2 Satz 1 BRTV-Bau nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen.

18

aa) Bedienen sich die Tarifvertragsparteien eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, ist der Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 13, BAGE 133, 337; 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - Rn. 20, BAGE 135, 179; 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 24).

19

bb) Einen Kündigungsschutzprozess haben die Parteien nicht geführt. Gegenstand eines Kündigungsschutzprozesses ist die Wirksamkeit einer Kündigung (BAG 26. April 2006 - 5 AZR 403/05 - Rn. 16, BAGE 118, 60; vgl. einschränkend - zur wortgleichen Fassung von § 16 BRTV-Bau vom 24. April 1996 - hierunter nur eine nach § 4 KSchG anzugreifende arbeitgeberseitige Kündigung verstehend BAG 8. August 2000 - 9 AZR 418/99 - zu I 2 b aa der Gründe). Die Wirksamkeit einer Kündigung war nicht Gegenstand des beim Arbeitsgericht Osnabrück unter dem Az. - 6 Ca 264/09 - geführten Verfahrens.

20

b) Eine Auslegung, die streitgegenständlichen Ansprüche seien bereits mit der Beschäftigungs- und Zahlungsklage nach § 15 Ziff. 2 Satz 1 BRTV-Bau gerichtlich geltend gemacht, ist weder möglich noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

21

aa) Einer Auslegung in diesem Sinne steht die Systematik des Tarifvertrags entgegen.

22

(1) Ob die Obliegenheit der gerichtlichen Geltendmachung in einer tariflichen Ausschlussfrist eine Klage verlangt, die den Anspruch selbst zum Streitgegenstand hat, ist durch Auslegung des Tarifvertrags zu ermitteln. Die Tarifvertragsparteien haben in § 15 Ziff. 2 Satz 1 BRTV-Bau den Begriff „gerichtlich geltend machen“ nicht näher bestimmt. Nach dem Wortlaut ist darunter eine vor einem Gericht erhobene Klage zu verstehen. Wie der Zusammenhang der Tarifklausel deutlich macht, betrifft diese Klage den Anspruch, den der Anspruchsteller nach Maßgabe von § 15 Ziff. 1 BRTV-Bau zuvor schriftlich erhoben haben muss (vgl. zur wortgleichen Regelung in § 16 BRTV-Bau in der Fassung vom 24. April 1996 BAG 8. August 2000 - 9 AZR 418/99 - zu I 2 a der Gründe).

23

(2) Dass § 15 Ziff. 2 Satz 1 BRTV-Bau zur Wahrung von Annahmeverzugsansprüchen die Erhebung einer Klage fordert, deren Streitgegenstand das Bestehen des Zahlungsanspruchs ist, ergibt sich im Umkehrschluss aus der - ausdrücklich auf einen Kündigungsschutzprozess beschränkten - Ausnahmeregelung in § 15 Ziff. 2 Satz 2 BRTV-Bau. Indem der Tarifvertrag nur für den besonderen Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses eine Ausnahme zulässt, wird deutlich, dass im Übrigen an der Obliegenheit einer gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs selbst nach Maßgabe von § 15 Ziff. 2 Satz 1 BRTV-Bau festgehalten wird (vgl. BAG 14. April 2011 - 6 AZR 726/09 - Rn. 15).

24

bb) Dem Arbeitnehmer wird mit dieser Auslegung des § 15 Ziff. 2 Satz 1 BRTV-Bau keine im Widerspruch zu Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 GG stehende übersteigerte Obliegenheit auferlegt.

25

(1) Bei der Auslegung und Anwendung tariflicher Ausschlussfristen ist das in zivilrechtlichen Streitigkeiten durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz zu beachten. Danach darf den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Dem Arbeitnehmer dürfen keine übersteigerten Obliegenheiten zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche auferlegt werden. Die Beschreitung des Rechtswegs und die Ausschöpfung prozessualer Möglichkeiten kann vereitelt werden, wenn das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht (BVerfG 1. Dezember 2010 - 1 BvR 1682/07 - Rn. 21 f.).

26

(2) Für den Kläger werden, indem von ihm nach § 15 BRTV-Bau verlangt wird, Ansprüche wegen Annahmeverzugs in der zweiten Stufe nach Maßgabe von § 15 Ziff. 2 BRTV-Bau gerichtlich geltend zu machen, keine zusätzlichen, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen erschwerenden Kostenbarrieren aufgestellt. Vielmehr war die vom Kläger gewählte Verfahrensweise nicht geeignet, seine Kostenrisiken zu begrenzen. Die Beschäftigungsklage dient ausschließlich der Verfolgung des Anspruchs auf tatsächliche Beschäftigung. Zur Durchsetzung von Vergütungsansprüchen wegen Annahmeverzugs im bestehenden Arbeitsverhältnis ist sie weder geeignet noch erforderlich. Sie wahrt keine gesetzliche Frist wie die in §§ 4, 7 KSchG oder § 17 TzBfG geregelten. Es war seine freie Entscheidung, anstelle - bzw. hinsichtlich des Monats Mai 2009 neben - der sachlich angezeigten Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs eine Klage auf tatsächliche Beschäftigung zu erheben. Insbesondere war der Erfolg einer späteren Zahlungsklage nicht vom Ausgang des Rechtsstreits - 6 Ca 264/09 - abhängig. Der Beschäftigungsantrag war auf die tatsächliche Beschäftigung des Klägers in der Zukunft gerichtet. Damit bot der Rechtsstreit keine Grundlage für eine fortlaufende Klärung der Leistungsfähigkeit des Klägers. Diese für § 297 BGB wesentliche Frage konnte und kann ausschließlich in dem auf Leistung von Vergütung wegen Annahmeverzugs geführten Rechtsstreit entschieden werden.

27

Selbst wenn im Vorprozess über den Streitgegenstand hinaus Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des Klägers in anderen als den dort entscheidungserheblichen Zeiträumen getroffen worden wären, hätte dies keine Bindungswirkung für den nachfolgenden Zahlungsprozess gehabt. Präjudizielle Rechtsverhältnisse und Vorfragen werden nur dann iSv. § 322 ZPO rechtskräftig festgestellt, wenn sie selbst Streitgegenstand waren. Es genügt nicht, dass über sie als bloße Vorfragen zu entscheiden war (vgl. BGH 21. April 2010 - VIII ZR 6/09 - Rn. 9; 7. Juli 1993 - VIII ZR 103/92 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 123, 137; Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. vor § 322 Rn. 34; Musielak/Musielak ZPO 11. Aufl. § 322 Rn. 17). Einzelne Begründungselemente nehmen grundsätzlich nicht an der materiellen Rechtskraft teil (vgl. BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 16, BAGE 135, 239; 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 23; BGH 26. Juni 2003 - I ZR 269/00 - zu II 1 a der Gründe). Dies gilt auch für den Zahlungsanspruch betreffend Mai 2009. Der Erfolg des Antrags war - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen des Annahmeverzugs - von der Leistungsfähigkeit des Klägers allein in diesem Zeitraum abhängig. Diese war für die vorliegend streitgegenständlichen Zahlungsansprüche ohne Bedeutung.

28

c) Der Kläger hat die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist nicht durch die vorliegende Klage gewahrt.

29

aa) Wird zugunsten des Klägers unterstellt, er habe mit der Beschäftigungs- und Zahlungsklage weitere Zahlungsansprüche im Sinne der ersten Stufe der tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht, bedeutete der mit Schriftsatz vom 25. Juni 2009 ankündigte Klageabweisungsantrag die Ablehnung der Erfüllung der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche (vgl. BAG 26. April 2006 - 5 AZR 403/05 - Rn. 18, BAGE 118, 60). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, wann dem Prozessbevollmächtigten des Klägers der vom Arbeitsgericht formlos übermittelte Schriftsatz zugegangen ist. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, denn die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung hätte nach § 15 Ziff. 2 Satz 1 Alt. 2 BRTV-Bau ohne Ablehnungserklärung der Beklagten spätestens zwei Wochen nach Zustellung der Klage am 18. Juni 2009 für zu diesem Zeitpunkt bereits fällige Ansprüche zu laufen begonnen, für die übrigen Ansprüche mit deren Fälligkeit (vgl. BAG 16. April 2013 - 9 AZR 731/11 - Rn. 27, BAGE 145, 8).

30

bb) Diese Fristen hat der Kläger nicht eingehalten. Die erhobenen Ansprüche wegen Annahmeverzugs sind deshalb verfallen (§ 15 Ziff. 2 Satz 1 BRTV-Bau).

31

(1) Der Kläger hat mit der am 27. Juli 2011 bei Gericht eingereichten Klage erstmals Ansprüche für die Monate Juni 2009 bis April 2011 gerichtlich geltend gemacht.

32

(a) Nach § 5 Ziff. 7.2 BRTV-Bau wird der Anspruch auf den Lohn spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. Fällt der in § 5 Ziff. 7.2 BRTV-Bau geregelte Fälligkeitstag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten Werktag(vgl. BAG 15. Mai 2001 - 1 AZR 672/00 - Rn. 37, 38, BAGE 98, 1).

33

(b) Die jüngsten mit Klageeinreichung am 27. Juli 2011 gerichtlich geltend gemachten - in der Revision noch anhängigen - Ansprüche für den Monat April 2011 sind danach nicht am Sonntag, dem 15. Mai 2011, sondern am Montag, dem 16. Mai 2011, fällig geworden. Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nach § 15 Ziff. 2 BRTV-Bau lief am Montag, dem 18. Juli 2011, (der 16. Juli 2011 war ein Samstag) ab (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 193 BGB). Die Ansprüche für April 2011 und für die davor liegenden Zeiträume waren somit bei Einreichung der Klage bereits verfallen.

34

(2) Die (soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung) jüngsten mit am 28. November 2011 eingereichter Klageerweiterung gerichtlich geltend gemachten Ansprüche für den Monat August 2011 wurden nach § 5 Ziff. 7.2 BRTV-Bau am Donnerstag, dem 15. September 2011, fällig. Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nach § 15 Ziff. 2 BRTV-Bau lief am Dienstag, dem 15. November 2011, ab. Die Ansprüche für den Monat August 2011 und die davorliegenden Monate Juni und Juli 2011 waren somit bei Einreichung der Klageerweiterung am 28. November 2011 bereits verfallen.

35

cc) Der Beginn der Ausschlussfrist wurde nicht verschoben, weil die Beklagte dem Kläger für die streitgegenständlichen Monate keine Abrechnungen erteilte. Die Erteilung einer Lohnabrechnung hat nur dann Einfluss auf den Beginn einer Ausschlussfrist, wenn der Anspruchsberechtigte die Höhe seiner Ansprüche nicht ohne die Abrechnung der Gegenseite erkennen kann (vgl. BAG 14. Dezember 2005 - 10 AZR 70/05 - Rn. 34, BAGE 116, 307). Dies kann vorliegend auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Berechnung der Vergütungsansprüche bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall nicht angenommen werden.

36

3. Die Berufung der Beklagten auf den Verfall der Ansprüche ist nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Ein missbilligtes Verhalten, das mit der Rechtsposition in sachlichem Zusammenhang steht, kann nach § 242 BGB zum Verlust eines Rechts führen(BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - Rn. 19, BAGE 136, 54).Eine unzulässige Rechtsausübung liegt etwa vor, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein Verhalten der Gegenpartei veranlasst worden ist (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 222/07 - Rn. 32 mwN, BAGE 125, 216) oder wenn der Schuldner es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Gläubiger die Umstände mitzuteilen, die diesen zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - aaO). Die Beklagte hat den Kläger weder von der Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten noch objektiv den Eindruck erweckt, der Kläger könne angesichts der erhobenen Beschäftigungs- und Zahlungsklage darauf vertrauen, die Ansprüche würden auch ohne Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist erfüllt werden.

37

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    R. Rehwald    

        

    Dirk Pollert    

                 

Tenor

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 30.04.2015 in Sachen 7 Ca 636/14 werden einschließlich des Hilfsantrags des Klägers vom 06.08.2015 zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56

Tenor

1. Auf die Revisionen der Beklagten und des Klägers wird das Schlussurteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. März 2012 - 9 Sa 1910/10 - aufgehoben, soweit es über den Zahlungsantrag entschieden hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Der 1960 geborene, mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilindustrie, 1984 eingetreten. Er wurde nach einer studienbedingten Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses mit einer anerkannten Betriebszugehörigkeit seit 25. Dezember 1988 als Maschinenbediener beschäftigt.

3

Mit Schreiben vom 30. April 2004 kündigte die Beklagte nach vorangegangener Zustimmung des Landeswohlfahrtsverbands Hessen - Integrationsamt - das Arbeitsverhältnis wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten des Klägers personenbedingt ordentlich zum 31. August 2004. Mit der dagegen gerichteten, am 19. Mai 2004 beim Arbeitsgericht Kassel eingereichten Kündigungsschutzklage machte der Kläger zugleich Entgeltansprüche für den Fall des Annahmeverzugs geltend. Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 1. April 2005 (- 6 Ca 233/04 -) ab. Die Berufung des Klägers wurde vom Hessischen Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 16. Februar 2006 (- 9 Sa 896/05 -) zurückgewiesen.

4

Mit Urteil vom 5. Dezember 2007 hob das Verwaltungsgericht Kassel (- 5 E 1382/06 -) den Zustimmungsbescheid und den Widerspruchsbescheid des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen auf. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom 23. Oktober 2008 (- 10 A 120/08.Z -) ab.

5

Auf die vom Kläger erhobene Restitutionsklage hob das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 30. April 2009 (- 9 Sa 1949/08 -) das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. Februar 2006 (- 9 Sa 896/05 -) auf und änderte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Kassel vom 1. April 2005 (- 6 Ca 233/04 -) auf die Berufung des Klägers ab. Es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. April 2004 nicht aufgelöst wurde.

6

Die Beklagte leistete Vergütung bis einschließlich 10. April 2004. Bis 31. August 2004 bezog der Kläger Krankengeld, anschließend Arbeitslosengeld und in der Folgezeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Kläger nahm seine Arbeit bei der Beklagten ab 18. Mai 2009 wieder auf. Am 3. Juni 2009 verlangte er mit einer in der Personalabteilung der Beklagten zu Protokoll genommenen Erklärung „rückwirkend Lohnzahlungen incl. Bonuszahlungen ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2004“. Die Beklagte sagte dem Kläger Entgeltnachzahlungen für den Zeitraum von März bis Mai 2009 zu. Weitere Zahlungen lehnte sie unter Hinweis auf die im kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit anwendbaren Manteltarifvertrag geregelte Ausschlussfrist ab.

7

Über weitere Zahlungsansprüche, die der Kläger in Höhe des Differenzbetrags zwischen Entgeltgruppe 9 und Entgeltgruppe 11 für die Zeit vom 1. März bis 30. November 2009 unter Berufung auf die ihm 1996/1997 erteilte Wiedereinstellungszusage erhob, entschied das Arbeitsgericht Kassel durch klageabweisendes Urteil vom 22. Juni 2010 (- 6 Ca 119/10 -). Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers wurde vom Hessischen Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 13. Januar 2011 (- 9 Sa 1238/10 -) zurückgewiesen.

8

Mit der vorliegenden am 2. September 2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrte der Kläger zunächst Lohnabrechnungen für den Zeitraum April 2004 bis Februar 2009 entsprechend Entgeltgruppe 11 und Zahlung des sich daraus ergebenden Bruttolohns abzüglich auf Dritte übergegangener Ansprüche, mindestens jedoch 155.876,00 Euro brutto (150.112,00 Euro brutto - aufgeschlüsselt nach Monatsbeträgen - als Grundlohn und 5.764,00 Euro brutto - aufgeschlüsselt nach Jahresbeträgen - als mindestens zu leistende Boni für die Jahre 2005 bis 2008). Im Gütetermin hat das Arbeitsgericht den Kläger auf erhebliche Bedenken an der Zulässigkeit des Zahlungsantrags hingewiesen.

9

Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2009 hat die Beklagte „fiktive Verdienstabrechnungen“ für den Zeitraum April 2004 bis Februar 2009 vorgelegt, in denen auf Basis der Entgeltgruppen 9 und 11 jahresbezogen - für das Jahr 2009 mit dem Zusatz „Dauerfrühschicht“ - das „mögl. Arbeitsentgelt“ in „brutto“ und „ca. netto“, „Einmalzahlungen“, „Zeitwerte“ und „Rentenbaustein lt. Tarifvertrag“ ausgewiesen sind.

10

Mit einem am 6. Januar 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger sich die Berechnung der Beklagten zu Eigen gemacht und - unter Zugrundelegung der Entgeltgruppe 11 - Zahlung von 206.528,00 Euro brutto nebst Zinsen abzüglich auf Dritte übergegangener Ansprüche begehrt. Im Kammertermin vom 22. Juli 2010 hat der Kläger die in Abzug zu bringenden Sozialleistungen benannt und beziffert. Eine weitere Aufschlüsselung der Zahlungsforderungen hat der Kläger, obwohl ihn das Arbeitsgericht hierzu mit Beschluss vom 22. Juli 2010 aufforderte, auch später nicht vorgenommen. Die Beklagte hat dies mit Schriftsatz vom 25. August 2010 beanstandet.

11

Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach vorheriger Zustimmung des Integrationsamts zum 30. November 2012 gekündigt. Das Arbeitsgericht Kassel hat die Kündigungsschutzklage des Klägers mit Urteil vom 31. Januar 2013 (- 3 Ca 281/12 -) abgewiesen. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 12. November 2013 (- 8 Sa 312/13 -) zurückgewiesen. Gegen den Bescheid, mit dem sein Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamts zurückgewiesen wurde, hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Kassel Klage erhoben.

12

Der Kläger hat geltend gemacht, ihm stehe für den Zeitraum September 2004 bis Februar 2009 wegen Annahmeverzugs der Beklagten Vergütung nach Entgeltgruppe 11, mindestens nach Entgeltgruppe 9 in Höhe der sich aus der fiktiven Verdienstabrechnung der Beklagten ergebenden Beträge zu. Aufgrund der ihm erteilten Wiedereinstellungszusage könne er Vergütung nach Entgeltgruppe 11 beanspruchen. Der Kläger hat behauptet, er sei am 31. August 2004 aus dem Krankengeldbezug ausgesteuert worden. Für den allgemeinen Arbeitsmarkt sei er seit 1. September 2004 arbeitsfähig gewesen, bei der Beklagten nur unter der Voraussetzung der Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes. Hinsichtlich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit sei er lediglich für drei Stunden pro Tag arbeitsfähig gewesen. Mit Erhebung der Kündigungsschutzklage habe er die erste und zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist gewahrt. Auf diese müssten die Verjährungsvorschriften, insbesondere § 206 BGB entsprechende Anwendung finden. Die zu Unrecht erteilte Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung vom 30. April 2004 sowie die hierauf basierenden Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts seien als höhere Gewalt zu werten. Er sei hierdurch an der Rechtsverfolgung gehindert gewesen.

13

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 206.528,00 Euro brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener 12.016,55 Euro sowie abzüglich weiterer gemäß SGB II übergegangener 30.894,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 28.725,12 Euro brutto abzüglich 6.995,80 Euro ALG I seit dem 1. Januar 2005, aus 40.229,56 Euro brutto abzüglich 5.020,75 Euro ALG I und 7.104,45 Euro ALG II seit dem 1. Januar 2006, aus 46.253,80 Euro brutto abzüglich 7.973,68 Euro ALG II seit dem 1. Januar 2007, aus 43.818,52 Euro brutto abzüglich 7.366,42 Euro ALG II seit dem 1. Januar 2008 und aus 6.278,32 Euro brutto abzüglich 1.578,00 Euro ALG II ab dem 1. Juni 2009 zu zahlen.

14

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, Vergütungsansprüche des Klägers bestünden nicht, weil der Kläger im Streitzeitraum durchgehend arbeitsunfähig und nicht in der Lage gewesen sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Etwaige Ansprüche seien insgesamt nach den tarifvertraglichen Ausschlussfristen verfallen. Ansprüche aus den Jahren 2004 und 2005 seien verjährt.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zunächst durch - inzwischen rechtskräftiges - Teilurteil vom 15. Dezember 2011 (- 9 Sa 1910/10 -) verurteilt, an den Kläger als Grundlohn für die Monate Oktober 2008 bis Februar 2009 je 2.888,50 Euro brutto entsprechend Entgeltgruppe 9 und 1.240,00 Euro als Bonus für 2009, insgesamt 15.682,50 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes (ALG II) in Höhe von 2.630,00 Euro netto zu zahlen. Mit Schlussurteil vom 15. März 2012 hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zu weiteren Zahlungen für den Zeitraum Juli 2006 bis September 2008 verurteilt und die Berufung im Übrigen wegen Unbegründetheit der Klage zurückgewiesen. Mit den vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien im Schlussurteil zugelassenen Revisionen begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während der Kläger nach teilweiser Rücknahme der Revision seinen ursprünglichen Zahlungsantrag weiterverfolgt, soweit nicht über diesen durch Teilurteil vom 15. Dezember 2011 entschieden ist.

Entscheidungsgründe

16

Die Revisionen des Klägers und der Beklagten sind begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht für zulässig erachtet. Die vom Kläger erhobene Zahlungsklage ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, so dass die eigentliche Streitfrage zwischen den Parteien nicht mit Rechtskraftwirkung entschieden werden kann. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, seinen Vortrag zu ergänzen und sein Zahlungsbegehren den Anforderungen von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügend zu präzisieren, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO.

17

I. Die Klage ist unzulässig. Sie ist streitgegenständlich nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

18

1. Nach dieser Bestimmung muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO in einer Klage verbundenen Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt. Werden im Wege einer „Teil-Gesamt-Klage“ mehrere Ansprüche nicht in voller Höhe, sondern teilweise verfolgt, muss die Klagepartei genau angeben, in welcher Höhe sie aus den einzelnen Ansprüchen Teilbeträge einklagt. Dies bedeutet, dass sie vortragen muss, wie sie die geltend gemachte Gesamtsumme ziffernmäßig auf die verschiedenen Ansprüche verteilt wissen will. Unzulässig ist eine Klage, die verschiedene Streitgegenstände nicht iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO individualisiert(vgl. BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11; 24. März 2011 - 6 AZR 691/09 - Rn. 21 ff.; Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. Vor § 253 Rn. 24; zu den Voraussetzungen einer ausnahmsweise zulässigen abschließenden Gesamtklage, vgl. BAG 19. März 2014 - 7 AZR 480/12 - Rn. 11, 12).

19

2. Diesen Anforderungen wird die Klage nicht gerecht.

20

a) Der Kläger macht im Wege einer objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) mehrere in einer Gesamtklage verbundene Ansprüche geltend, indem er in Jahresbeträgen zusammengefasst neben der monatlich zu leistenden Vergütung jährlich von der Beklagten zu zahlende Boni begehrt. Welche Teilbeträge dabei auf die einzelnen Monate und Vergütungsbestandteile entfallen, kann seinem Vortrag nicht entnommen werden. Die Klageforderungen sind nicht hinreichend individualisiert.

21

aa) Der Kläger hat nicht etwa - was zulässig wäre - feststehende, von der Beklagten im Monatsturnus zu leistende Vergütungszahlungen hochgerechnet und in Jahresbeträgen zusammengefasst. Vielmehr hat er die auf die einzelnen Kalendermonate entfallenden Beträge nicht genannt. Die ursprünglich vom Kläger in der Klageschrift für einzelne Monate angegebenen Forderungen stimmen - rechnete man sie auf die Kalenderjahre des Streitzeitraums hoch - mit den von ihm zuletzt begehrten Jahresbeträgen nicht überein. Auch ist nicht ersichtlich, in welcher Höhe Bonusforderungen in den geltend gemachten Gesamtbetrag eingeflossen sind. Dies lässt sich auch nicht im Wege der Auslegung des Klagebegehrens durch einen Rückgriff auf die ursprünglich in der Klageschrift angegebenen Beträge ermitteln. Der Kläger hat dort als Teilklage lediglich nach seinem Behaupten von der Beklagten zu leistende „Mindestbeträge“ angegeben. Für die Monate Oktober 2008 bis Februar 2009, auf die sich das Teilurteil vom 15. Dezember 2011 (- 9 Sa 1910/10 -) bezieht, hat der Kläger - obwohl er am bisherigen, auf Entgeltgruppe 11 basierenden Klageantrag festhält und diesen noch im Revisionsverfahren unter Berücksichtigung der bereits zugesprochenen Beträge stellte - nicht angegeben, welche Einzelforderungen sich in welcher Höhe über die durch Teilurteil zugesprochenen Beträge hinaus ergeben sollen. Wie und auf welche Einzelforderungen die zugesprochenen Beträge angerechnet werden sollen, ist seinem Vortrag nicht zu entnehmen (vgl. zur Anrechnung von Teilzahlungen: BAG 24. März 2011 - 6 AZR 691/09 - Rn. 21).

22

bb) Die jeweilige Höhe der streitgegenständlichen Einzelpositionen kann nicht anhand der in den „fiktiven Verdienstabrechnungen“ angegebenen Beträge ermittelt werden. Es ist nicht ersichtlich welche Einzelpositionen in die angegebenen Jahresbeträge eingeflossen sind, insbesondere, in welcher Höhe Boni für die einzelnen Jahre in Ansatz gebracht und ob und ggf. in welcher Weise wegen Schichtarbeit zu leistende Zahlungen berücksichtigt werden. Eine Umrechnung in Monatsbeträge scheidet zudem deshalb aus, weil die Beklagte darin lediglich ein „mögliches“ Arbeitsentgelt angegeben hat.

23

b) Eine Aufschlüsselung in Einzelpositionen war auch nicht im Hinblick auf die bei der Anrechnung anderweitigen Verdienstes gemäß § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 1 KSchG vorzunehmende Gesamtberechnung(st. Rspr., vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 33, BAGE 120, 308; 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 29, BAGE 141, 340) entbehrlich. § 615 Satz 1 BGB gewährt keinen eigenständigen Anspruch, sondern hält den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht. Streitgegenstand der Annahmeverzugsforderung ist weiterhin der jeweils vereinbarte Vergütungsbestandteil (BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - Rn. 37). Macht der Arbeitnehmer mehrere Vergütungsansprüche mit einer Gesamtforderung geltend, sind diese, um den Anforderungen von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, individualisiert nach Einzelpositionen aufgeschlüsselt in bezifferter Höhe zu benennen.

24

II. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Revision des Klägers zurückweisen sowie der Revision der Beklagten stattgeben, mit der Maßgabe, dass die Klage insgesamt als unzulässig abgewiesen wird. Eine solche Entscheidung hätte der Senat nur treffen können, wenn der Kläger nach dem Verfahrensverlauf ausreichend Gelegenheit und Veranlassung gehabt hätte, seine Klagebegründung den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzupassen. Die Vorinstanzen haben jedoch, trotz der vom Arbeitsgericht zunächst mit Beschluss vom 22. Juli 2010 erteilten sachdienlichen Hinweise, die Klage nicht als unzulässig abgewiesen, sondern Sachentscheidungen getroffen.

25

III. Sollte der Kläger das Klagebegehren entsprechend § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO präzisieren, wäre im weiteren Verfahren Folgendes zu beachten:

26

1. Mögliche, vom Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens abhängige Annahmeverzugsansprüche des Klägers sind nicht verfallen. Die - für den Streitzeitraum Anwendung findenden - tariflichen Ausschlussfristen, die in ihrer zweiten Stufe eine gerichtliche Geltendmachung verlangen, sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die erste und die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist gewahrt werden.

27

a) Der Arbeitnehmer wahrt mit einer Bestandsschutzklage, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, die erste Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Mit einer solchen Klage erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezweckt darüber hinaus, sich die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die Ansprüche müssen weder ausdrücklich bezeichnet noch beziffert werden (st. Rspr., vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 14 mwN, BAGE 143, 119).

28

Zugleich macht der Arbeitnehmer mit einer Bestandsschutzklage die vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche im Sinne der zweiten Stufe einer tarifvertraglich geregelten Ausschlussfrist „gerichtlich geltend“. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet den Parteien im Zivilprozess effektiven Rechtsschutz. Danach darf den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfG 1. Dezember 2010 - 1 BvR 1682/07 - Rn. 21 ff.). Tarifvertragliche Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung vorsehen, sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die vom Erfolg einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche bereits mit der Klage in der Bestandsstreitigkeit gerichtlich geltend gemacht sind. Dass die Ansprüche nicht in einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechenden Bestimmtheit geltend gemacht werden, ist - wie bei der Wahrung der ersten Stufe der Ausschlussfrist für Ansprüche, die vom Ausgang der Bestandsschutzstreitigkeit abhängen - aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen(vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 15, 18 ff., BAGE 143 ,119).

29

b) Die fristwahrende Wirkung der Bestandsschutzklage ist nicht mit der formellen Rechtskraft des Urteils des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. Februar 2006 (- 9 Sa 896/05 -) entfallen.

30

aa) Die Rechtshängigkeit endet mit der in § 705 ZPO geregelten formellen Rechtskraft der Entscheidung(Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 261 Rn. 7). Mit der Wiederaufnahme des Verfahrens hat der Gesetzgeber ein Mittel geschaffen, um die Durchbrechung der Rechtskraft zu ermöglichen (Musielak/Musielak ZPO 11. Aufl. § 578 Rn. 1). Ziel der Wiederaufnahmeklagen nach § 578 ZPO ist die rückwirkende Beseitigung des früheren Urteils(Musielak/Musielak ZPO 11. Aufl. § 578 Rn. 4). Wird das alte Urteil aufgrund einer zulässigen und begründeten Wiederaufnahmeklage aufgehoben, muss der Rechtsstreit wieder aufgenommen und fortgesetzt werden, um ihn durch eine Entscheidung abzuschließen. Durch die Aufhebung des Urteils tritt eine Rechtslage ein, wie sie auch bestünde, wenn das angefochtene Urteil nie erlassen worden wäre (Musielak/Musielak ZPO 11. Aufl. § 590 Rn. 4, 9). Das frühere Verfahren wird in die Lage vor Schluss der mündlichen Verhandlung zurückversetzt. Die Rechtslage des früheren Prozesses bleibt unverändert bestehen, sofern sie nicht von dem Anfechtungsgrund betroffen ist. Aufgrund dieser rückwirkenden Aufhebung des (alten) Urteils bleibt der (alte) Rechtsstreit unerledigt, so dass er erneut verhandelt und durch Urteil abgeschlossen werden muss. Der Streitgegenstand des (alten) Prozesses wird rückwirkend wieder rechtshängig (Musielak/Musielak ZPO 11. Aufl. § 578 Rn. 1, 4 bis 6).

31

bb) Danach ist die die Ausschlussfristen wahrende Wirkung der Klageerhebung nicht durch das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. Februar 2006 (- 9 Sa 896/05 -), mit dem die Berufung des Klägers gegen die die Kündigungsschutzklage abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts Kassel vom 1. April 2005 (- 6 Ca 233/04 -) zurückgewiesen wurde, entfallen. Die Entscheidung hat das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 30. April 2009 (- 9 Sa 1949/08 -) auf die vom Kläger erhobene Restitutionsklage aufgehoben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. April 2004 nicht aufgelöst worden ist. Dies hat zur Folge, dass die Rechtshängigkeit der Kündigungsschutzklage erst mit Rechtskraft der letztgenannten Entscheidung endete.

32

2. Etwaige in den Jahren 2004 und 2005 fällig gewordene Ansprüche des Klägers auf Vergütung wegen Annahmeverzugs sind verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB.

33

a) Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzug entsteht während des Annahmeverzugs sukzessive entsprechend den dem Vergütungsanspruch zugrundeliegenden Regelungen. Die Fälligkeit der Annahmeverzugsvergütung bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung bei tatsächlicher Beschäftigung in den einzelnen Abrechnungsperioden fällig geworden wäre (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 33, BAGE 120, 308; 7. November 2007 - 5 AZR 910/06 -; 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 31, BAGE 141, 340).

34

b) Für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist kommt es - neben dem Entstehen des Anspruchs - nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf an, dass der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

35

aa) Die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Billigkeit genügt Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BGH 26. September 2012 - VIII ZR 240/11 - zu B II 3 b bb (2) (b) der Gründe; BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 24 mwN, BAGE 144, 322).

36

bb) Der Arbeitnehmer hat vom Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs ausreichende Kenntnis iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wenn er Kenntnis von den Tatsachen hat, die den Anspruch begründen. Dagegen kommt es nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Etwas anderes gilt nur dann, wenn und solange dem Arbeitnehmer die Erhebung einer die Verjährung hemmenden Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB)unzumutbar ist (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 25 mwN, BAGE 144, 322).

37

Dem Kläger waren die anspruchsbegründenden Tatsachen bekannt. Eine Klageerhebung war auch nicht unzumutbar. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage besteht, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag; denn in diesem Fall fehlt es an der Zumutbarkeit einer Klageerhebung (BGH 26. September 2012 - VIII ZR 240/11 - Rn. 45). Der Ausnahmefall einer unzumutbaren Klageerhebung ist vorliegend nicht gegeben. Der Kläger selbst ging von der Unwirksamkeit der Zustimmung des Integrationsamts und der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung aus. Der ungewisse Ausgang des die Zustimmung des Integrationsamts betreffenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und hiervon abhängig, die Ungewissheit des Entstehens eines Restitutionsgrundes führt nicht zur Unzumutbarkeit der Klageerhebung.

38

c) Die Verjährung wurde nicht nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch Erhebung der Kündigungsschutzklage gehemmt.

39

aa) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung eines Anspruchs zwar auch durch die Erhebung einer Klage auf Feststellung des Anspruchs gehemmt. Erforderlich hierfür ist eine positive Feststellungsklage, deren Gegenstand das Bestehen des Anspruchs ist. Die Feststellung eines diesem zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses reicht nicht aus (BGH 26. September 2012 - VIII ZR 240/11 - Rn. 54). Die Kündigungsschutzklage umfasst nach ihrem Streitgegenstand nicht die Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers. Damit wurde nicht - wie in § 204 Abs. 1 BGB vorausgesetzt - über den „Anspruch“ im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB, sondern nur über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als eine für das Bestehen von Annahmeverzugsansprüchen bedeutsame Vorfrage gestritten. Für die analoge Anwendung der §§ 203 ff. BGB ist mangels einer Regelungslücke kein Raum (vgl. BAG 7. November 2007 - 5 AZR 910/06 - Rn. 14; 7. November 1991 - 2 AZR 159/91 - zu B der Gründe).

40

bb) Die Verjährung wurde auch nicht durch die vom Kläger erhobene Restitutionsklage gehemmt. Diese ist - wie bereits ausgeführt - darauf gerichtet, das frühere Verfahren in die Lage vor Schluss der mündlichen Verhandlung zurückzuversetzen. Durch die Aufhebung des Urteils tritt die Rechtslage ein, wie sie auch bestünde, wenn das angefochtene Urteil nie erlassen worden wäre (Musielak/Musielak ZPO 11. Aufl. § 590 Rn. 4, 9). Die Wirkungen der Restitutionsklage gehen damit im Hinblick auf eine Hemmung der Verjährung nicht über die des Ausgangsverfahrens hinaus.

41

d) Die Voraussetzungen einer Hemmung nach § 206 BGB liegen ebenfalls nicht vor. Der Kläger war nicht durch höhere Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung gehindert (§ 206 BGB).

42

Fehler amtlicher Stellen können sich als höhere Gewalt gegenüber einer rechtzeitigen Rechtsverfolgung darstellen (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 4 b dd der Gründe, BAGE 103, 290). Voraussetzung ist jedoch, dass der Berechtigte ohne jedes Eigenverschulden an der Klage gehindert war, etwa weil er auf die Richtigkeit der gerichtlichen Sachbehandlung vertraute (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 4 b ee der Gründe, aaO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger hat die Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Arbeitsgericht und die Zurückweisung der Berufung nicht als unabwendbares Ereignis hingenommen und auf dessen Richtigkeit vertraut, sondern das verwaltungsgerichtliche Verfahren fortgeführt. Ihm war damit auch die Erhebung einer Zahlungsklage möglich. Der Kläger hat auch ansonsten keine Umstände dargelegt, aus denen sich eine unverschuldete Versäumung der Verjährungsfrist ergäbe. Er hat keine Anstrengungen zur Wahrung der Verjährungsfrist unternommen (vgl. hierzu BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 4 b gg der Gründe, aaO), obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre.

43

e) Die Verjährungsfrist für Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs begann, soweit diese im Jahr 2004 fällig wurden, am 31. Dezember 2004 und soweit sie im Jahr 2005 fällig wurden, am 31. Dezember 2005 zu laufen, § 199 Abs. 1 BGB. Bei Erhebung der Klage im Jahr 2009 war die Verjährungsfrist abgelaufen. Mit den Hauptansprüchen sind gemäß § 217 BGB auch die Ansprüche auf die von ihnen abhängenden Nebenforderungen verjährt.

44

3. Ob die Voraussetzungen des Annahmeverzugs iSd. §§ 615, 293 ff. BGB vorlagen und in welchem Umfang dem Kläger ggf. - soweit nicht verjährt - Ansprüche aufgrund Annahmeverzugs der Beklagten zustehen, ist von der Leistungsfähigkeit des Klägers im Streitzeitraum abhängig, § 297 BGB. Aus den Erklärungen des Klägers vor dem Arbeitsgericht ergibt sich, dass dieser hinsichtlich der vor Ausspruch der Kündigung zuletzt ausgeübten Tätigkeit nicht arbeitsfähig war. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts kann aus der Bescheinigung der Barmer GEK vom 9. März 2011, für den Streitzeitraum lägen keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, nicht auf eine im Hinblick auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit bestehende Arbeitsfähigkeit des Klägers geschlossen werden. Nach Ablauf der Kündigungsfrist war der Kläger nicht mehr verpflichtet, der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen. Ein Rückschluss aus den gegenüber der Bundesagentur bestehenden Nachweispflichten auf eine Arbeitsfähigkeit des Klägers ist nicht möglich. Eine Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, schlösse eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht aus.

45

Das Landesarbeitsgericht hat zur vom Kläger zuletzt ausgeübten Tätigkeit und zu der Frage, ob der Kläger - wie die Beklagte behauptet - trotz leidensgerechter Beschäftigung und unabhängig von der Art seiner Beschäftigung arbeitsunfähig war, bisher keine Feststellungen getroffen. Ob die Beklagte den Inhalt der vom Kläger zu erbringenden Arbeitsleistung gemäß § 106 Satz 1 GewO durch Zuweisung einer Tätigkeit an bestimmten Maschinen näher bestimmt hat, lässt sich anhand der bisher vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht beurteilen(zu den Rechtsfolgen einer unterlassenen leidensgerechten Beschäftigung, vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 16 ff., BAGE 134, 296; zur Frage einer Arbeitsunfähigkeit bei Leistungseinschränkungen des Arbeitnehmers, vgl. BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - Rn. 22 ff.). Diese Feststellungen wären, eine streitgegenständliche Bestimmtheit der Klageforderungen vorausgesetzt, im neuen Berufungsverfahren nachzuholen.

46

4. Soweit der Kläger unter Berufung auf eine ihm erteilte Wiedereinstellungszusage Vergütung nach Entgeltgruppe 11 begehrt, hat das rechtskräftige Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Januar 2011 (- 9 Sa 1238/10 -) präjudizielle Wirkung. Der Anspruch war bereits Streitgegenstand des genannten Verfahrens und nicht bloße Vorfrage (vgl. BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 23). Er wurde vom Landesarbeitsgericht verneint, so dass die Rechtskraft dieses Urteils einem auf der Wiedereinstellungszusage beruhenden Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 11 entgegensteht.

47

5. Von den monatlichen dem Kläger im Fall eines Annahmeverzugs der Beklagten zustehenden Bruttovergütungen wären die vom Kläger zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II bezogenen Leistungen abzuziehen, weil insoweit die Ansprüche des Klägers gemäß § 115 Abs. 1 SGB X auf den Leistungsträger übergegangen sind. Die Vergütungen sind gemäß § 288 Abs. 1, § 286 BGB zu verzinsen. Der Kläger hat Anspruch auf Verzinsung der gesamten Bruttovergütung nur bis zum Zeitpunkt des Eingangs der Leistungen bei ihm, danach kann er Zinsen lediglich auf den um die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verminderten Betrag verlangen (BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 15, 16). Den Zeitpunkt des Zuflusses der Leistungen beim Kläger als Voraussetzung für die Bestimmung des Zinsanspruchs hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Dies wäre bei Zulässigkeit der Klage nachzuholen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dittrich     

        

    Dombrowsky     

                 

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.

(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. August 2008 - I ZR 17/07 - verletzt die von der Beschwerdeführerin vertretenen Urheber in ihrem Grundrecht aus Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 890.000 € (in Worten: achthundertneunzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft im Wesentlichen die Frage, ob die angegriffenen Entscheidungen mit der Ablehnung einer Vergütungspflicht ("Geräteabgabe") für Drucker und Plotter auf der Grundlage von § 54a Urheberrechtsgesetz in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Patentgebührengesetzes und anderer Gesetze vom 25. Juli 1994, BGBl I S. 1739 (im Folgenden: UrhG a.F.) verfassungsmäßige Rechte von Urhebern oder der Beschwerdeführerin als Verwertungsgesellschaft verletzen.

2

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. August 2010 im Verfahren 1 BvR 1631/08 (GRUR 2010, S. 999) entschieden, dass das ebenfalls die Vergütungspflicht bei Druckern und Plottern betreffende Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Dezember 2007 - I ZR 94/05 - (BGHZ 174, 359) die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Die Kammer hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Im Hinblick auf die Darstellung der urheberrechtlichen Rechtslage wird auf den Beschluss vom 30. August 2010 verwiesen.

I.

3

1. Die Beschwerdeführerin nimmt die Urheberrechte der ihr angeschlossenen Wortautoren wahr; sie ist zudem gemeinsame Empfangsstelle gemäß § 54h Abs. 3 UrhG. Sie wurde im Ausgangsverfahren zugleich im Auftrag der Verwertungsgesellschaft B-K... (VG B-K...) als Prozessstandschafterin tätig. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens stellen unter anderem Drucker und Plotter her und verkaufen sie.

4

Die Beschwerdeführerin nahm die Beklagten auf Auskunft über die Art und Anzahl der durch sie seit dem 1. April 2001 im Inland veräußerten oder sonst in Verkehr gebrachten Drucker und Plotter, über die Leistung dieser Geräte sowie über ihre inländischen Bezugsquellen in Anspruch. Sie begehrte zudem die Feststellung, dass die Beklagten ihr für jedes Gerät einen Betrag gemäß dem von ihr zusammen mit der VG B-K... aufgestellten und im Bundesanzeiger (Nr. 63 vom 30. März 2001, S. 5667) veröffentlichten Tarif zu zahlen habe.

5

Das Oberlandesgericht hat die Klage der Beschwerdeführerin abgewiesen (K&R 2007, S. 216) mit der Begründung, zwar ändere die Möglichkeit des "Digital Rights Managements" (DRM) an der grundsätzlichen Geräteabgabepflicht nichts, da sich DRM aus verschiedenen Gründen noch nicht durchgesetzt habe. Jedoch seien Drucker keine Geräte, die Werkstücke "durch Ablichtung ... oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung vervielfältig[en]". Der urheberrechtlich relevante Vorgang finde beim Scanner beziehungsweise beim PC statt; bereits in diesen Geräten erfolge - bei "technikoffener" Betrachtung - eine Vervielfältigung im Sinne des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. Allein die Tatsache, dass statt einer analogen eine digitale Umsetzung gewählt werde, führe noch nicht aus dem Geltungsbereich des § 54a UrhG a.F. heraus. Gerade deshalb sei die Verkörperung des Werks, die allein ein Drucker noch leisten könne, nur eine von mehreren Verwendungsformen einer bereits vorhandenen Vervielfältigung. Weil die Vervielfältigung schon vorher erfolgt sei, fehle es bei einem Drucker an einer "Ablichtung" oder einem "Verfahren mit vergleichbarer Wirkung". Bei Geräten in Funktionseinheiten sei aus praktischen Gesichtspunkten die Gerätevergütungspflicht auf die Eingangsgeräte beschränkt, da diese dem "Leitbild" eines Fotokopiergeräts am ehesten entsprächen. Je mehr Geräte zu einer Funktionseinheit gehörten und je mehr Variationsmöglichkeiten es gebe, desto komplexer werde die Bemessung einer angemessenen Vergütung für jedes Einzelgerät. Je mehr sich die technische Entwicklung von dem Stand weiterentwickele, der dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Norm vor Augen stand, desto eher sei es Sache des Gesetzgebers, die maßgeblichen Fragen selbst zu regeln. Bei der vorliegenden komplexen, durch eine technische Fortentwicklung aufgekommenen Frage, die zudem in hohem Maße widerstreitende Interessen berühre, sollten die Gerichte Zurückhaltung üben. Dies sei auch deswegen angezeigt, weil ein Ausdruck urheberrechtsfähiger Werke auf der Grundlage der Lizenz des § 53 UrhG bei Druckern allenfalls im Randbereich eine Rolle spiele. Damit schieden Kopien aus, die der Nutzer bereits aus anderen Gründen herstellen dürfe, etwa weil der Nutzungsrechtsinhaber mit dem Ausdrucken einverstanden sei.

6

Der Bundesgerichtshof hat die Revision im Beschlusswege unter Bezugnahme auf sein inzwischen von der Kammer aufgehobenes Urteil vom 6. Dezember 2007 zurückgewiesen.

7

2. Die Beschwerdeführerin beschränkt ihre Verfassungsbeschwerde unter Verweis auf das Verfahren 1 BvR 1631/08 "auf eine Zusammenfassung ihrer Rügen aus Art. 3 und Art. 14 GG". Auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts gehen die Verfassungsbeschwerde und die nachfolgenden Schriftsätze der Beschwerdeführerin nicht gesondert ein.

8

Im Übrigen wird auf die Darstellung der Angriffe der Beschwerdeführerin im Beschluss der Kammer vom 30. August 2010 verwiesen. Weiter wird Bezug genommen auf die dortige Wiedergabe der Stellungnahmen der Beklagten des Ausgangsverfahrens, des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) und der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. sowie der Replik der Beschwerdeführerin.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, soweit sie sich gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs richtet. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

10

Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig (1.). Soweit sie zulässig ist, ist ihre Annahme nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung des von der Beschwerdeführerin für die von ihr vertretenen Urheber wahrgenommenen Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt; insoweit ist die Verfassungsbeschwerde auch offensichtlich begründet (2.). Auf die übrigen Rügen kommt es daneben nicht an (3.).

11

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nur zum Teil zulässig.

12

a) Die Beschwerdeführerin ist befugt, die Eigentumsrechte der von ihr vertretenen Wort-Urheber in Prozessstandschaft auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 77, 263 <269 f.>). Allerdings kann die Beschwerdeführerin nach § 90 Abs. 1 BVerfGG nicht prozessstandschaftlich für die VG B-K... auftreten (vgl. BVerfGE 2, 292 <294>; 10, 134 <136>; stRspr). Dies bleibt im Streitfall ohne Auswirkung auf die Entscheidung, weil im Ausgangsverfahren zwischen den Ansprüchen der Bild- und Kunsturheber und der Wortautoren im Hinblick auf die Zuständigkeit der Beschwerdeführerin nach § 54h Abs. 3 UrhG nicht differenziert wurde, sondern ein einheitlicher Streitgegenstand vorlag.

13

b) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts richtet, ist sie unzulässig. Denn das Vorbringen der Beschwerdeführerin genügt insoweit mangels hinreichend differenzierter und verfassungsrechtlich erheblicher Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und der darin enthaltenen detaillierten rechtlichen Würdigung nicht dem gesetzlichen Begründungserfordernis gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz, § 92 BVerfGG (vgl. BVerfGE 81, 208 <214 f.>; 85, 36 <52 f.>; 88, 40 <45>; 89, 1 <4 f.>; 101, 331 <345 f.>; 105, 252 <264>). Von einer weiteren Begründung wird insoweit gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

14

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor, insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Der angegriffene Beschluss verletzt die von der Beschwerdeführerin vertretenen Urheber in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.

15

a) Zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung gehören die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung sowie seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können. Im Einzelnen ist es Sache des Gesetzgebers, im Rahmen der inhaltlichen Ausprägung des Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und der sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen (vgl. BVerfGE 31, 229 <240 f.>; 79, 1 <25>). Dabei hat der Gesetzgeber einen verhältnismäßig weiten Entscheidungsraum (vgl. BVerfGE 21, 73 <83>; 79, 29 <40>). Eingriffe in das Verwertungsrecht des Urhebers können freilich nur durch ein gesteigertes öffentliches Interesse gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 31, 229 <243>; 49, 382 <400>; 79, 29 <41>).

16

Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht (vgl. BVerfGE 8, 210 <220 f.>; 88, 145 <166>) und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) fordert dabei eine verfassungskonforme Auslegung, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (vgl. BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfGE 8, 28 <34>; 54, 277 <299 f.>).

17

Die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des Urheberrechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Eigentumsschutz der Urheber ebenso wie etwaige damit konkurrierende Grundrechtspositionen beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>). Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist allerdings erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind, insbesondere weil darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>; 95, 28 <37>; 97, 391 <401>; 112, 332 <358 f.>).

18

b) Danach ist im Streitfall ein Abwägungsdefizit festzustellen, das sich in einer Auslegung der streitentscheidenden Norm des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. niederschlägt, die die als geistiges Eigentum von der Verfassung gewährleisteten Urheberrechte nicht ausreichend beachtet.

19

aa) Art. 14 Abs. 1 GG determiniert allerdings nicht das Ergebnis einer die beteiligten (Grund-)Rechtspositionen umfassend würdigenden Auslegung des Urheberrechts. Die sich im Privatrechtsstreit gegenüberstehenden Parteien können regelmäßig jeweils für sich Grundrechte in Anspruch nehmen, die aber nur im Wege der Ausstrahlungswirkung auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen Einfluss nehmen (vgl. BVerfGE 112, 332 <358> m.w.N.; stRspr). Wie etwa im Mietrecht (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>) und im Arbeitsrecht (vgl. BVerfGK 1, 308 <311, 313>) ist es auch in urheberrechtlichen Streitigkeiten nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. auch BVerfGE 94, 1 <9 f.>; 112, 332 <358>). Dies gilt umso mehr, wenn die fachrechtliche Auslegung und Anwendung des Rechts möglicherweise tatsächliche Annahmen und Feststellungen einbeziehen muss, über deren Berechtigung das Bundesverfassungsgericht nicht befindet.

20

bb) Aus der Bezugnahme des angegriffenen Beschlusses auf das Urteil vom 6. Dezember 2007 und aus der Formulierung, das Berufungsgericht habe die Klage "im Ergebnis" zu Recht abgewiesen, geht hervor, dass sich der Bundesgerichtshof auf die Erwägungen stützt, die im Verfahren 1 BvR 1631/08 vor dem Hintergrund des Eigentumsschutzes als bedenklich angesehen wurden. In diesem Verfahren kam es allerdings auf die Rüge einer Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG nicht tragend an, weil der Verfassungsbeschwerde bereits wegen einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG stattzugeben war.

21

Im Einzelnen ist gegen die schon zivilrechtlich nicht zwingende Auslegung von § 54a Abs. 1 UrhG a.F. durch den Bundesgerichtshof zu erinnern, dass sie bei Urhebern digitaler Vorlagen jegliche Vergütung entfallen lässt und mildere - zugleich mit dem Urheberrechtsgesetz zu vereinbarende (vgl. BGHZ 140, 326 <333 f.>) - Mittel, das heißt hier eine Begrenzung der Höhe der Vergütung, nicht in Erwägung zieht. Dass die Abgabe auf Scanner (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - I ZR 335/98 -, GRUR 2002, S. 246) dem Umfang nach hinreicht, um eine angemessene Vergütung der digitalen Urheber zu gewährleisten, ergibt sich aus den fachgerichtlichen Feststellungen nicht.

22

Die fachrechtliche Auslegung und Anwendung des Urheberrechts muss insbesondere angesichts der auf diesem Gebiet zahlreichen technischen Neuerungen die Eigentumsrechte der Urheber aus Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisten. Eine tatsächliche oder rechtliche Entwicklung kann eine bis dahin eindeutige und vollständige Regelung lückenhaft, ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig werden lassen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Lückensuche und -schließung findet ihre Rechtfertigung unter anderem darin, dass Gesetze einem Alterungsprozess unterworfen sind. Die Gerichte sind daher befugt und verpflichtet zu prüfen, wie das Gesetzesrecht auf neue Zeitumstände anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 82, 6 <12>; 96, 375 <394>). Dies schließt hier die Prüfung ein, inwieweit eine restriktive Auslegung von § 54a UrhG a.F. angesichts der rasanten Verbreitung digitaler Datenspeicherung und -vervielfältigung dazu führt, dass zu Lasten gewisser Urheber eine absolute Schutzlücke entsteht.

23

Eine Auslegung im Lichte von Art. 14 Abs. 1 GG hat, wie im Beschluss der Kammer vom 30. August 2010 näher ausgeführt, davon auszugehen, der Gesetzgeber habe dem Urheber durch § 54a UrhG a.F. den ihm von der Verfassung garantierten Verwertungsanspruch für solche Fälle sichern wollen, in denen der Werknutzer nicht belangt werden kann und daher auf den Gerätehersteller ausgewichen werden muss.

24

Schließlich nimmt die Kammer Bezug auf ihre im Beschluss vom 30. August 2010 erläuterten Bedenken gegen die Argumentation des Bundesgerichtshofs, anders als bei Druckwerken liege bei digitalen Vorlagen häufig eine Einwilligung des Berechtigten in die Vervielfältigung vor. Auch dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (kurz: Gerichtshof) vom 21. Oktober 2010 (C-467/08 "Padawan", Rn. 40 ff.; http://curia.europa.eu) lässt sich nicht entnehmen, dass ein Einverständnis des Urhebers mit der Vervielfältigung - ohne gleichzeitige Vergütungsabrede - eine Ausgleichspflicht nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl EG Nr. L 167 S. 10) ausschlösse.

25

Ungeachtet dessen ist der Bundesgerichtshof von Verfassungs wegen nicht gehindert, zwischen der hauptsächlichen Verwendung der Geräte im betrieblichen oder privaten Kontext zu differenzieren oder, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. Oktober 2010, darauf abzustellen, ob die fraglichen Geräte mutmaßlich für private Vervielfältigungen gebraucht werden (EuGH, a.a.O., Rn. 59), was auch bei einem Verkauf an Gewerbetreibende oder Freiberufler nicht ausgeschlossen erscheint.

26

3. Daneben bedürfen die weiteren Grundrechtsrügen keiner Entscheidung. Somit kommt es auch nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin neben den Rügen einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG auch Rügen hinsichtlich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG durch Bezugnahme wirksam erhoben hat.

III.

27

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs ist hiernach gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bundesgerichtshof zurückzuverweisen. Diesem obliegt es zu prüfen, ob er als Revisionsgericht in der Sache entscheiden kann oder an das Oberlandesgericht zurückverweisen muss.

28

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, diejenige über die Festsetzung des Gegenstandwerts auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. März 2011 - 18 Sa 1170/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Der 1960 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit Januar 2006 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags vom 15. Dezember 2006 gelten für das Arbeitsverhältnis die tariflichen Bestimmungen der Industrie der Steine und Erden im Lande Hessen. § 8 des Rahmentarifvertrags für die Arbeitnehmer der Industrie der Steine und Erden im Lande Hessen vom 27. April 2005 (im Folgenden: RTV) lautet:

        

„1.     

Ansprüche aus Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf Zahlung von Zuschlägen jeder Art verfallen, wenn sie nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit bei dem Arbeitgeber geltend gemacht werden.

        

2.    

Alle sonstigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich erhoben werden.

        

3.    

Werden die Ansprüche abgelehnt, so verfallen sie, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden.“

3

Das Arbeitsverhältnis der Parteien war bis zum 31. Januar 2008 befristet.

4

Am 27. Februar 2008 unterzeichnete der Kläger ein mit „Empfangsbestätigung - Ausgleichsquittung“ überschriebenes Dokument, welches auszugsweise folgenden Inhalt hat:

        

„Anläßlich Ihres Austrittes zum 31.01.2008 übersenden wir Ihnen die nachfolgend aufgeführten Arbeitspapiere:

        

1.    

Lohnsteuerbescheinigung 2007 und 2008 und Lohnsteuerkarte 2008

        

2.    

Meldebescheinigung zur Sozialversicherung - Abmeldung

        

3.    

Lohnabrechnung Januar/Februar 2008

        

Bitte bestätigen Sie durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit der letzten Gehaltsabrechnung, den Empfang der o.g. Arbeitspapiere und, dass aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung keinerlei weitere Ansprüche gegen das Unternehmen bestehen.“

5

Im Zeitraum 6. Februar bis 12. April 2008 bezog der Kläger Arbeitslosengeld iHv. 2.660,46 Euro.

6

Der Kläger erhob Befristungskontrollklage. Mit Schreiben vom 11. März 2008 bot die Beklagte den Prozessbevollmächtigen des Klägers dessen Prozessbeschäftigung an. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 17. März 2008 nahm der Kläger dieses Angebot an. In der Zeit vom 25. März bis zum 11. April 2008 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Am 13. April 2008 nahm der Kläger die Arbeit wieder auf. Die Beklagte vergütete im Rahmen der Prozessbeschäftigung nur die vom Kläger geleisteten Arbeitsstunden mit einem Stundenlohn von 10,78 Euro brutto ohne Zuschläge und Sonderzahlungen. Entgeltfortzahlung an Feiertagen und Urlaubsentgelt erhielt der Kläger nicht. Insgesamt zahlte die Beklagte für die Zeit bis zum 30. September 2008 10.780,00 Euro brutto.

7

Das Arbeitsgericht Hagen stellte mit Urteil vom 12. August 2008 fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung beendet wurde. Das den Parteien am 29. August 2008 zugestellte Urteil wurde rechtskräftig. Ab 1. Oktober 2008 wickelten die Parteien das Arbeitsverhältnis wieder vertragsgemäß ab.

8

Mit der am 9. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. September 2008 geltend gemacht. Für die Monate Februar bis April 2008 hat er den sich aus der Abrechnung für Januar 2008 ergebenden Gesamtbruttobetrag von 2.086,68 Euro zugrunde gelegt, wobei in diesem Betrag auch ein „Ausgleich Urlaub“ enthalten war. Für die Zeit vom 13. April bis zum 30. September 2008 hat er Vergütung für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sowie Zuschläge für Sonntags-Nachtarbeit iHv. 75 % und für Schicht-Nachtarbeit iHv. 15 % beansprucht. Auf die Gesamtsumme hat der Kläger die bezogene Bruttovergütung und das Netto-Arbeitslosengeld angerechnet.

9

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.231,89 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 28. Juli 2009 abzüglich 2.660,46 Euro netto zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Alle Ansprüche seien verfallen. Den Ansprüchen des Klägers stehe zudem die unterzeichnete Ausgleichsquittung entgegen. Die verspätete Arbeitsaufnahme im Rahmen des Prozessbeschäftigungsverhältnisses gehe zulasten des Klägers. Das Gehalt für April mache der Kläger doppelt geltend. Auch lege der Kläger einen unzutreffenden Monatslohn zugrunde und berechne die Zuschläge falsch.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist begründet. Die Vergütungsansprüche des Klägers sind nicht verfallen. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. In welcher Höhe dem Kläger noch Ansprüche zustehen, kann der Senat nicht entscheiden. Es bedarf hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung (§ 563 Abs. 1 ZPO).

13

I. Die Vergütungsansprüche des Klägers sind nicht gemäß § 8 Ziff. 3 RTV verfallen. Vielmehr ist § 8 Ziff. 3 RTV verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die davon abhängigen Ansprüche wegen Annahmeverzugs im Sinne der tariflichen Ausschlussfrist gerichtlich geltend gemacht sind.

14

1. Mit einer Bestandsschutzklage wahrt der Arbeitnehmer, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, die erste Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Mit einer solchen Klage erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezweckt darüber hinaus, sich die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die Ansprüche müssen weder ausdrücklich bezeichnet noch beziffert werden(für die Kündigungsschutzklage ständige Rechtsprechung seit BAG 10. April 1963 - 4 AZR 95/62 - BAGE 14, 156).

15

2. Zugleich macht der Arbeitnehmer mit einer Bestandsschutzklage die vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche im Sinne der zweiten Stufe einer tarifvertraglich geregelten Ausschlussfrist „gerichtlich geltend“.

16

a) Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war für die Wahrung der zweiten Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist regelmäßig die Erhebung einer bezifferten Klage erforderlich (BAG 3. November 1961 - 1 AZR 302/60 - SAE 1962, 155; 26. April 2006 - 5 AZR 403/05 - Rn. 20, BAGE 118, 60; 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 -). Die Frist für diese Klage wurde mit Zugang des Klageabweisungsantrags beim Arbeitnehmer in Gang gesetzt, ohne dass es einer ausdrücklichen Ablehnungserklärung bedurfte (BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 36; 26. April 2006 - 5 AZR 403/05 - Rn. 18, aaO).

17

b) An dieser Rechtsprechung kann nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2010 (- 1 BvR 1682/07 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 197)nicht festgehalten werden. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt werde, wenn das tarifliche Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Ausgang einer Bestandsstreitigkeit abhängen, nach den bisherigen Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ausgelegt und angewandt werde. Dem Arbeitnehmer werde insoweit eine übersteigerte Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche wegen Annahmeverzugs auferlegt. Die Art der Geltendmachung der Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs müsse dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar sein. Das sei nicht der Fall, wenn er gezwungen werde, Ansprüche wegen Annahmeverzugs einzuklagen, bevor die Bestandsstreitigkeit rechtskräftig abgeschlossen sei. Damit erhöhe sich sein Kostenrisiko im Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

18

c) Tarifvertragliche Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung vorsehen, sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die vom Erfolg einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche bereits mit der Klage in der Bestandsstreitigkeit gerichtlich geltend gemacht sind.

19

aa) Die verfassungskonforme Auslegung von Rechtsnormen gebietet, die Wertentscheidungen der Verfassung zu beachten und die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung zu bringen (BVerfG 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 - Rn. 16, GRUR 2011, 223; 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 - BVerfGE 95, 64; 30. März 1993 - 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90 - BVerfGE 88, 145; BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 27 f., AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77; Voßkuhle AöR 125, 177). Ist eine Norm verfassungskonform auslegbar, ist für die Annahme ihrer Unwirksamkeit mit ggf. nachfolgender ergänzender Tarifauslegung kein Raum mehr.

20

bb) Die durch eine undifferenzierte tarifliche Regelung veranlasste verfassungswidrige Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche wegen Annahmeverzugs wird vermieden, wenn in der Erhebung der Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage die gerichtliche Geltendmachung der vom Ausgang dieser Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche liegt.

21

cc) Der Wortlaut des Tarifvertrags steht dieser verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen. Bereits zur Auslegung der zweiten Stufe einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelten Ausschlussfrist (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 31, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 22, BAGE 126, 198) hat der Senat entschieden, dass der Wortsinn eines „Einklagens“ bzw. einer „gerichtlichen Geltendmachung“ der vom Ausgang der Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche nicht zwingend verlange, dass gerade der Streitgegenstand „Vergütung“ zum Inhalt des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gemacht werden müsse (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 31, aaO; 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 22, aaO). Eine an einen engen prozessualen Begriff des Streitgegenstands anknüpfende weitere Klage verlange eine solche Klausel nicht. Hinzu kommt, dass bei der verfassungskonformen Auslegung dem Wortsinn nur eine eingrenzende Funktion zukommt. Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien die Formulierung in Kenntnis der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwandt haben, steht der nunmehr verfassungsrechtlich gebotenen Neuinterpretation nicht entgegen.

22

dd) Die verfassungskonforme Auslegung des Merkmals „gerichtliche Geltendmachung“ berücksichtigt in angemessener Weise den Zweck einer zweistufigen Ausschlussfrist. Ausschlussfristen bezwecken, dem Schuldner zeitnah Gewissheit darüber zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er noch zu rechnen hat. Zulasten des Arbeitnehmers wirkende Ausschlussfristen sollen den Arbeitgeber vor der Verfolgung unzumutbarer Ansprüche bewahren, das sind regelmäßig solche, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht zu rechnen braucht (so schon RG 27. Februar 1940 - RAG 162/39 - ARS Bd. 38 S. 355). Erhebt der Arbeitnehmer Bestandsschutzklage, kann der Arbeitgeber an der Ernstlichkeit der Geltendmachung der hiervon abhängigen Vergütungsansprüche nicht wirklich zweifeln. Schon mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage kann sich der Arbeitgeber auf die vom Ausgang dieser Streitigkeit abhängigen Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden. Ihm muss bewusst sein, dass ggf. auch über die Höhe der zu zahlenden Vergütung noch Streit entstehen kann und nicht selten auch entsteht. Dass die Ansprüche nicht in einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechenden Bestimmtheit geltend gemacht werden, ist - wie bei der Wahrung der ersten Stufe der Ausschlussfrist für Ansprüche, die vom Ausgang der Bestandsschutzstreitigkeit abhängen - aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen. Überdies ist zu berücksichtigen, dass durch den Zwang zur vorzeitigen Erhebung der Klage auch der Arbeitgeber unnötigen Kostenrisiken ausgesetzt würde.

23

ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen, nicht auf eine Kostenbelastung des Arbeitnehmers im Einzelfall abzustellen. Maßgeblich ist nicht der Umfang der wirtschaftlichen Belastung, die den Arbeitnehmer durch den Rechtsstreit trifft, sondern der Gesichtspunkt der Risikoerweiterung. Kann der Arbeitnehmer nicht das Obsiegen in der Bestandsschutzstreitigkeit abwarten, wird ihm ein prozessuales Risiko aufgebürdet, das die Durchsetzung des gesetzlichen Bestandschutzes beeinträchtigen kann. Die Frage der Wirksamkeit und der Einhaltung der tariflichen Ausschlussfrist von einer einzelfallbezogenen Prüfung der Kostenbelastung abhängig zu machen, führte zudem zu größter Rechtsunsicherheit. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer rechtsschutzversichert ist, Prozesskostenhilfe beanspruchen kann, ob er die - im Misserfolgsfall - unnötigen Kosten der Zahlungsklage aus eigenen Mitteln unproblematisch aufbringen oder sie durch eine strategisch günstige Antragstellung vermeiden könnte. Das Kostenrecht gilt für alle Parteien gleichermaßen, seine gesetzlichen Wertungen sind zwingend. Das erfordert zugunsten des durchschnittlich kundigen Arbeitnehmers als Tarifnormunterworfenen, der mit den Möglichkeiten einer kostengünstigen Prozessführung nicht vertraut ist, eine einheitliche Auslegung des Tarifvertrags.

24

ff) Durch die verfassungskonforme Auslegung bleibt das tarifliche Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die nicht vom Ausgang einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängig sind, erhalten. Im Übrigen wird die Entstehung einer Regelungslücke vermieden, die erst zu einer ergänzenden Auslegung berechtigen würde. Denn Voraussetzung einer ergänzenden Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder nachträglich eine Regelung lückenhaft geworden ist. Hieran fehlt es bei verfassungskonformer Auslegung des Tarifvertrags.

25

II. Einer Anrufung des Großen Senats gemäß § 45 ArbGG bedarf es nicht, denn alle Senate des Bundesarbeitsgerichts sind gehindert, die frühere Auslegung zweistufiger tariflicher Ausschlussfristen aufrechtzuerhalten. Die Rechtsfrage, welche Anforderungen an die Wahrung der zweiten Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für Ansprüche, die vom Ausgang einer Bestandschutzstreitigkeit abhängen, zu stellen sind, ist wegen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2010 (- 1 BvR 1682/07 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 197) neu zu beantworten. Schon im Hinblick auf § 31 BVerfGG entfällt die Vorlagepflicht, wenn das Bundesverfassungsgericht die entscheidungserhebliche Rechtsfrage abweichend von der bisherigen Rechtsprechung selbst entschieden hat(vgl. BGH 21. März 2000 - 4 StR 287/99 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHSt 46, 17; 26. Januar 1977 - 3 StR 527/76 - NJW 1977, 686; 17. März 2011 - IX ZR 63/10 - Rn. 30, BGHZ 189, 1). Nichts anderes gilt, wenn es den Fachgerichten aufgegeben hat, einen bestimmten rechtlichen Komplex insgesamt anhand der von ihm entwickelten Maßstäbe neu zu gestalten (BGH 21. März 2000 - 4 StR 287/99 - zu II 2 b aa der Gründe, aaO; 5. August 1998 - 5 AR (VS) 1/97 - BGHSt 44, 171). Die rechtliche Grundlage der früheren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ist durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2010 (- 1 BvR 1682/07 - aaO) entfallen. Deshalb fehlt es an der für eine Anrufung des Großen Senats erforderlichen Identität der Rechtslage (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 81, NZA 2012, 1029).

26

III. Das Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

27

1. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs iSd. §§ 615, 293 ff. BGB lagen spätestens seit Erhebung der Befristungskontrollklage vor.

28

a) Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Streiten die Parteien über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Berufung auf das Ende des Arbeitsverhältnisses erklärt, er werde keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Dieses wörtliche Angebot kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert und/oder eine Bestandsschutzklage einreicht (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 13, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10 ; BGH 28. Oktober 1996 - II ZR 14/96 - zu II der Gründe, NJW-RR 1997, 537; 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 88 = EzA BGB § 615 Nr. 100). Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von der Anwendbarkeit des § 296 BGB aus(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 36).

29

Wann im Streitfall ein wörtliches Angebot in diesem weit verstandenen Sinn vorlag, muss das Landesarbeitsgericht noch feststellen. Dabei wird es zu beachten haben, dass der Protest bereits vor Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses bekundet worden sein könnte. Spätestens mit Zustellung der Befristungskontrollklage war das wörtliche Angebot jedenfalls gegeben.

30

b) Das Angebot der Prozessbeschäftigung beendete den Annahmeverzug nicht. Zur Beendigung des Annahmeverzugs muss der Arbeitgeber die Arbeitsleistung als Erfüllung des mit dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrags annehmen. Nicht ausreichend ist hingegen, dass er dem Arbeitnehmer vorsorglich einen für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits befristeten neuen Arbeitsvertrag zu den bisherigen Bedingungen oder eine durch die rechtskräftige Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auflösend bedingte Fortsetzung des Vertrags anbietet. Der Arbeitgeber muss vielmehr bei der Annahme unmissverständlich klarstellen, dass er zu Unrecht gekündigt bzw. zu Unrecht auf der Wirksamkeit der Befristung beharrt habe (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27; 14. November 1985 - 2 AZR 98/84 - BAGE 50, 164). Die Beklagte beschäftigte den Kläger erst wieder ab dem 1. Oktober 2008 zu den vertragsgemäßen Bedingungen.

31

c) Zweifel an der Leistungsfähigkeit und -willigkeit (§ 297 BGB) des Klägers bestehen nicht. Zwar war der Kläger vom 25. März bis zum 11. April 2008 arbeitsunfähig krank und somit nicht leistungsfähig. Dies führt indes nur dazu, dass dem Kläger für diesen Zeitraum die Ansprüche nicht als Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB, sondern gemäß § 3 Abs. 1 EFZG als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zustehen.

32

d) Der Kläger muss sich für die Zeit vom 11. bis zum 25. März 2008 nicht gemäß § 615 Satz 2 BGB den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er in dieser Zeit bereits im Rahmen einer Prozessbeschäftigung bei der Beklagten hätte verdienen können. Geht es um eine Arbeitsmöglichkeit beim bisherigen Arbeitgeber, darf der Arbeitnehmer regelmäßig abwarten, ob ihm eine zumutbare Arbeit angeboten wird. Einer eigenen Initiative bedarf es nicht (BAG 11. Januar 2006 - 5 AZR 98/05 - Rn. 20, BAGE 116, 359; 22. Februar 2000 - 9 AZR 194/99 - zu II 2 bis 4 der Gründe, AP KSchG 1969 § 11 Nr. 2 = EzA BGB § 615 Nr. 97). Fordert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf, eine konkrete Tätigkeit zu verrichten, begründen kurzfristige Verzögerungen, die auf der Einschaltung eines Prozessbevollmächtigten und der Überprüfung der Zumutbarkeit der angebotenen Prozessbeschäftigung in angemessener Zeit beruhen, noch kein Indiz für eine Böswilligkeit hinsichtlich des unterlassenen Zwischenerwerbs.

33

2. Die „Empfangsbestätigung - Ausgleichsquittung“ vom 27. Februar 2008 steht den Ansprüchen des Klägers nicht entgegen. Die im Präsens abgefasste Erklärung bezieht sich nur auf etwaige Ansprüche aus der Zeit bis zum Ablauf der Befristung am 31. Januar 2008 und nicht auf die streitgegenständlichen Ansprüche, die nach dem 31. Januar 2008 entstanden sind.

34

IV. Die Höhe der Ansprüche kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht selbst berechnen. Das Landesarbeitsgericht wird insoweit Folgendes zu beachten haben:

35

1. Für die Zeit vom 1. Februar bis zum 12. April 2008 steht dem Kläger zunächst die vertragliche bzw. tarifliche Vergütung zu. Wie hoch diese ist und für welche Arbeitsleistung die monatliche Vergütung geschuldet wird, bedarf der Aufklärung. Jedenfalls sind die für Januar 2008 abgerechneten Urlaubsabgeltungsansprüche insoweit nicht zu berücksichtigen. Soweit der Kläger für die Zeit bis zum 12. April 2008 Überstundenvergütung begehrt, ist § 4 Abs. 1a EFZG zu beachten.

36

2. Nicht zu beanstanden ist, dass der Kläger seine Ansprüche für die Zeit ab dem 13. April 2008 auf der Grundlage der im Rahmen des Prozessbeschäftigungsverhältnisses tatsächlich geleisteten Stunden berechnet.

37

3. Hinsichtlich der Zuschläge für Schicht-, Sonntags- und Nachtarbeit wird der Kläger die einzelnen Zeiträume, für die er Zuschläge verlangt, zu konkretisieren haben. Der Darlegungslast genügen weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber durch die bloße Bezugnahme auf die den Schriftsätzen als Anlagen beigefügten Stundenaufstellungen oder sonstigen Aufzeichnungen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - NZA 2012, 939; BGH 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - Rn. 25 mwN, NJW 2008, 69; vgl. auch BVerfG 30. Juni 1994 - 1 BvR 2112/93 - zu III 2 a der Gründe, NJW 1994, 2683). Die Darlegung der einzelnen Zeiträume, für die Zuschläge verlangt werden, hat vielmehr entsprechend § 130 Nr. 3 und Nr. 4 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen. Dies gilt im Streitfall gerade auch deshalb, weil die Schlüssigkeit der geltend gemachten Ansprüche davon abhängt, an welchen Wochentagen und zu welchen konkreten Uhrzeiten die Arbeit geleistet wurde. Die Höhe der Zuschläge richtet sich sodann nach § 3 Ziff. IV RTV. Hiernach ist für Arbeiten an Sonntagen in der Nacht ein Zuschlag von 75 % zu zahlen. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten gilt dies auch, wenn die Nachtarbeit am Sonntag zugleich Schichtarbeit ist. Während § 3 Ziff. IV Buchst. c und Buchst. d RTV für Werktage ausdrücklich zwischen Nachtschichtarbeit und Nachtarbeit unterscheiden, findet sich eine solche Unterscheidung in § 3 Ziff. IV Buchst. e RTV für Sonntags-Nachtarbeit gerade nicht.

38

4. Das Landesarbeitsgericht wird ferner aufzuklären haben, auf welcher Grundlage dem Kläger eine Jahressondervergütung für 2008 zustehen könnte.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Mandrossa    

        

    Dirk Pollert    

                 

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.

(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.