Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 23. Jan. 2014 - 15 Sa 1447/13
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 06.09.2013 – 3 Ca 740/13 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Entgeltansprüche des Klägers aus beendetem Arbeitsverhältnis nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens.
3Der Kläger war ab 1994 bis zum 31.07.2008 bei dem Beklagten als Tankwart beschäftigt. Die von dem Beklagten in I betriebene Tankstelle wurde am 01.08.2008 geschlossen. Mit Schreiben vom 31.07.2008 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich zum 31.07.2008.
4Mit am 07.01.2009 eingegangener Zahlungsklage hat der Kläger von dem Beklagten Entgelt aus den Jahren 2006, 2007 und 2008/09 in Höhe von insgesamt 29.127,03 Euro brutto beansprucht.
5Durch Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 18.03.2009 wurde über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet, das streitige Verfahren daraufhin mit Beschluss vom 30.03.2009 unterbrochen (vgl. Bl. 80 d. A.).
6Unter dem 05.05.2009 nahm der Kläger eine Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle vor, dort aufgenommen unter der laufenden Nummer 26 in Höhe von 31.728,13 Euro. Die Forderung wurde durch den Insolvenzverwalter H endgültig bestritten. Ein Feststellungsverfahren gegen den Insolvenzverwalter führte der Kläger nicht durch.
7Mit Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 13.05.2011 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Dem Beklagten wurde auf seinen Antrag hin bereits mit Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 10.01.2011 die Restschuldbefreiung angekündigt (vgl. Bl. 99 d. A.).
8Mit Schriftsatz vom 15.05.2013 nahm der Kläger den Rechtsstreit wieder auf. Er hat die Auffassung vertreten, dass er den von ihm verfolgten Zahlungsanspruch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nunmehr direkt gegen den Beklagten geltend machen könne. Hinsichtlich der beanspruchten Entgeltzahlungen hat er bestritten, dass der Beklagte auf diese Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer abgeführt habe. Ihm stünden neben den noch offenen Zahlungsansprüchen bis zum 31.07.2008 zudem Entgeltansprüche bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.01.2009 gegen den Beklagten zu. Für die konkreten Forderungen des Klägers wird verwiesen auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 21.01.2009 (vgl. Bl. 42 d. A.).
9Der Kläger hat beantragt,
10den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 29.129,03 Euro brutto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
11Der Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er hat die Auffassung vertreten, dass die aus dem Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens resultierenden Forderungen des Klägers ausschließlich im Insolvenzverfahren zu verfolgen gewesen wären. Das nunmehrige Leistungsbegehren des Klägers entbehre eines Rechtsschutzbedürfnisses. Im Übrigen sei die Klageforderung unschlüssig. Der Kläger verrechne die gezahlten Nettoentgeltleistungen mit den von ihm geltend gemachten Bruttobeträgen. Unabhängig davon habe er – der Beklagte – auch Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer bedient. Zudem habe der Kläger Insolvenzgeld erhalten, welches er sich anrechnen lassen müsse. Ansprüche für den Zeitraum ab dem 01.08.2008 stünden dem Kläger nicht zu, da er die ausgesprochene Kündigung zum 31.07.2008 nicht innerhalb der gesetzlichen Klagefrist angegriffen habe.
14Das Arbeitsgericht Paderborn hat durch Urteil vom 06.09.2013 die Klage abgewiesen. Es hat die Zahlungsklage für unzulässig gehalten. Während der Wohlverhaltensperiode infolge persönlicher Insolvenz bestehe Vollstreckungsschutz, so dass die Zahlungsklage unzulässig sei. Unabhängig davon sei die Klage aber auch unbegründet. Sie sei unschlüssig, denn der Kläger habe nicht konkret und in Einzelheiten seinen Zahlungsanspruch geltend gemacht. Eine Verrechnung von Bruttozahlungen mit Nettozahlungen, welche dann einen weiteren Bruttoentgeltanspruch ergeben solle, sei unzulässig. Hinzu komme, dass der Kläger komplett Bruttozahlungen geltend mache, obwohl der Beklagte durch Mitteilung der AOK Westfalen-Lippe habe nachweisen können, dass zumindest bis zum 30.06.2008 die Sozialversicherungsbeiträge gezahlt worden seien. Schließlich lasse der Kläger sich zumindest Insolvenzgeld nicht anrechnen.
15Gegen das ihm am 19.09.2013 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat der Kläger mit am 21.10.2013, einem Montag, eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz begründet.
16Der Kläger hält unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22.01.2008 – 6 ZR 126/07) die Klage für zulässig. Darüber hinaus sei die Zahlungsklage auch schlüssig. Aus dem Schreiben der AOK Westfalen-Lippe ergebe sich in keiner Weise, auf welcher Grundlage die Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich gezahlt worden seien. Im Übrigen verkenne das Gericht, dass unstreitig für den Monat Juli 2008 keine Beträge gezahlt worden seien, so dass der Beklagte tatsächlich 2.394,23 Euro brutto schulde. Was die Anrechnung des Insolvenzgeldes betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass das Insolvenzverfahren am 18.03.2009 eröffnet worden sei. Die Höhe des für die vorausgegangenen drei Monate vor dem Insolvenzereignis gezahlten Insolvenzgeldes entspreche dem Nettoarbeitsentgelt. Für die Berechnung des dem Kläger seiner Ansicht nach zustehenden Bruttoarbeitsentgelts wird verwiesen auf den entsprechenden Vortrag im Berufungsbegründungsschriftsatz, s. Bl. 183, 184 d. A.
17Mit weiterem Schriftsatz vom 19.11.2013 beziffert der Kläger das für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.2008 bezogene Insolvenzgeld mit 3.684,55 Euro. Darüber hinaus trägt er erstmals vor, die Parteien hätten zugunsten des Klägers einen Vertrag über eine betriebliche Altersversorgung abgeschlossen, aufgrund dessen sich das monatliche Nettoeinkommen des Klägers um 200,00 Euro verringert hätte. Gemäß Schreiben der Versicherung AMB Generali vom 02.07.2007 habe er – der Kläger – allerdings die Beitragszahlungen zu der betrieblichen Altersversorgung per Juni 2007 eingestellt. Dennoch habe der Beklagte bei der Abrechnung der Brutto-/Netto-Bezüge weiterhin einen Betrag von 200,00 Euro in Abzug gebracht. Diese Beträge summierten sich auf eine Summe von 14 x 200,00 Euro = 2.800,00 Euro netto. Zusammen mit diesem Betrag erhöhe sein Nettoanspruch auf 5.535,72 Euro.
18Der Kläger beantragt,
19das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 06.09.2013, Az. 3 Ca 740/13, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.535,72 Euro netto sowie 11.485,11 Euro brutto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage abzüglich gezahlter 3.684,55 Euro netto zu zahlen.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil insoweit, als das Erstgericht die Klage als unzulässig abgewiesen habe. Darüber hinaus weist der Beklagte darauf hin, dass der Kläger sich erstmals im Berufungsverfahren eines Anspruchs aus einem Vertrag über betriebliche Altersversorgung berühme. Eine solche Auswechselung des Klagegegenstandes in der Berufungsinstanz sei unzulässig. Im Übrigen werde ausdrücklich die Einrede der Verjährung erhoben.
23Das Arbeitsgericht habe die Klage auch zutreffend mangels Schlüssigkeit abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche Kündigung zum 31.07.2008 beendet; diese Kündigung sei nicht angegriffen worden. Auf die letzten drei Monate des Bestehens des Arbeitsverhältnisses müsse sich der Kläger Leistungen der Insolvenzgeldstelle anrechnen lassen. Aus der Bestätigung der AOK vom 18.03.2009 ergebe sich, dass Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum des Bestehens des Arbeitsverhältnisses des Klägers entrichtet worden sein. Wären diese nicht vollständig entrichtet worden, wäre die Bestätigung der Einzugsstelle entsprechend aufgeschlüsselt worden, was jedoch vorliegend nicht der Fall sei. Die Abrechnung des Klägers sei auch insgesamt nicht nachvollziehbar.
24Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird verwiesen auf deren wechselseitige Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen, die insgesamt Gegenstand der letzten mündlichen Verhandlung waren.
25Entscheidungsgründe
26A. Die Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 Buchst. b) ArbGG an sich statthaft und gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; damit ist sie zulässig.
27B. In der Sache konnte das Rechtsmittel nicht erfolgreich sein. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
28I. Die Zahlungsklage ist entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts zulässig.
291. Für die Klage besteht, obgleich sich der Beklagte in der sog. Wohlverhaltensphase befindet, ein Rechtsschutzbedürfnis. Zwar gilt für den Kläger das gesetzliche Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO. Mit dieser Begründung ist dem Kläger indes die Geltendmachung seiner Forderungen nicht zu untersagen. Denn die Parteien befinden sich nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch im Erkenntnis- und nicht im Vollstreckungsverfahren. Auch ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob dem Beklagten die begehrte Restschuldbefreiung erteilt werden wird. Dies lässt sich derzeit nicht abschließend beurteilen (vgl. §§ 295 ff. InsO). Würde jedoch die Restschuldbefreiung versagt, könnten die Insolvenzgläubiger - anders als der Kläger - sofort gegen den Beklagten aus der Eintragung in die Tabelle vollstrecken (§ 201 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 InsO), ohne dass dem das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO entgegenstände (vgl. § 299 InsO). Es bedeutete aber eine nicht dem Sinn und Zweck der Regelungen in §§ 294 Abs. 1, 301 Abs. 1 InsO entsprechende Benachteiligung des Klägers gegenüber den anderen Gläubigern, die sofort vollstrecken dürften, würde dieser darauf verwiesen, erst die Versagung bzw. den Widerruf einer bereits erteilten Restschuldbefreiung abzuwarten (BGH, 22.01.2008 – VI ZR 126/07, NJW 2008, 1440; vgl. auch BGH, 28.06.2007 – IX ZR 73/06, WM 2007, 1844; Uhlenbrock, InsO, 13. Aufl., § 87 Rn. 4).
302. Der Kläger kann nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens seine nicht titulierten Insolvenzforderungen, die am Verfahren nicht teilgenommen haben, gemäß § 201 Abs. 1 InsO gegen den Beklagten unbeschränkt geltend machen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Präsenzkomm. zur InsO, Stand: 01.10.2010, § 201 Rn. 8). Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zwar seine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hat, der auf die Anmeldung erfolgte Widerspruch des Insolvenzverwalters während des Insolvenzverfahrens jedoch nicht beseitigt wurde. Es kann auch in solchem Falle die ursprüngliche Forderung in vollem Umfang gegen den Schuldner weiter durchgesetzt werden (Hintzen in: MünchKomm InsO, 2. Aufl., § 201 Rn. 17 f.).
31II. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend die Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt aus den Jahren 2006 bis 2009, die der Kläger mit seiner Berufung allerdings nur noch teilweise weiterverfolgt, nicht anerkannt.
321. Soweit der Kläger sich mit der Berufung gegen die vom Arbeitsgericht angenommene Unschlüssigkeit der Zahlungsklage wendet, ist sein Vortrag von dem gestellten Antrag nicht gedeckt. Denn der Berufungsantrag des Klägers geht auf (teilweise) Abänderung und Verurteilung des Beklagten auf einen Differenz-Nettobetrag sowie des weiteren einen Bruttobetrag bezüglich des Monats Juli 2008 und weitere sieben Monate darüber hinaus.
33Im Übrigen ist die Rechtsansicht des Arbeitsgerichts zutreffend. Eine Verrechnung von Bruttoentgelt mit geleisteten Nettobeträgen, die im Ergebnis einen Bruttobetrag ergeben soll, ist unzulässig. Bruttobeträge und Nettobeträge sind jeweils für sich einer Subtraktion zugänglich, nicht jedoch Brutto- und Nettobeträge wechselseitig. Die von dem Kläger angestellten Brutto-netto-Berechnungen entsprechen nicht den gesetzlichen Anforderungen.
342. Die Klage ist unbegründet bezogen auf den mit der Berufung geltend gemachten Entgeltbetrag von 2.735,72 Euro netto.
35Zum einen ist auch bei unterstellter Richtigkeit eines noch offenen Nettoentgeltbetrags von 2.735,72 Euro das an den Kläger zur Auszahlung gelangte Insolvenzgeld von insgesamt 3.684,55 Euro (Bl. 228 d. A.), für die Monate Mai und Juni 2008 mit insgesamt 2.087,04 Euro, in Abzug zu bringen mit der Folge, dass sich rein rechnerisch lediglich ein Betrag von 648,68 Euro ergibt.
36Auch dieser steht dem Kläger indes nicht zu. Denn die Berechnung des klägerischen Anspruchs ist zum anderen schon nicht nachvollziehbar. Es war insbesondere nicht Aufgabe des Gerichts, hierfür Einzelheiten der tabellarischen Darstellung des Klägers in dessen Schriftsatz vom 21.01.2009 (Bl. 42 d. A.) sowie des Anlagekonvoluts des Berufungsbegründungsschriftsatzes (Bl. 195 ff. d. A.) nachzuvollziehen. Das Vorbringen der Berufungsbegründung betreffend die Nettobeträge der Jahre 2006 bis 2008 bleibt insgesamt unvollständig und damit unsubstantiiert.
373. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Entgelt für den Monat Juli 2008 in Höhe von 2.394,23 Euro brutto.
38Der Kläger hat für den Monat Juli 2008 an Insolvenzgeld gemäß §§ 183 ff. SGB III 1.597,51 Euro netto – den Auszahlungsbetrag seines für diesen Monat geschuldeten Arbeitsentgelts – bezogen. Ein weitergehender Anspruch ist nicht ersichtlich. Insbesondere scheitert ein solcher daran, dass der Kläger nicht substantiiert darzutun vermochte, in welcher Höhe ihm über den Betrag von 1.597,51 Euro weitergehende Zahlung zusteht. Eine Differenzierung zwischen möglicherweise nicht von dem Beklagten in Anzug gebrachter Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer hat der Kläger nicht vorgenommen. Auch an dieser Stelle war es nicht Aufgabe des Gerichts, entsprechendes Zahlenmaterial aus Anlagen zu Schriftsätzen heranzuziehen. Es hätte hierfür vielmehr eines ordnungsgemäßen Vorbringens in der Berufungsbegründung bedurft.
394. Keinen Anspruch hat der Kläger auf Entgelt für den Zeitraum 01.08.2008 bis 31.08.2009 (gemeint dürfte sein: 31.01.2009, s. Klageschrift vom 05.01.2009, S. 2, bzw. 28.02.2009) in Höhe von 7 x 1.294,94 Euro brutto = 9.064,58 Euro brutto.
40Denn der Kläger hat die schriftlich erklärte außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 31.07.2008 zum 31.07.2008 nicht und insbesondere nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG, die gemäß der Verweisnorm des § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch für die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung einschränkungslos Anwendung findet (st. Rspr., s. nur BAG, 28.06.2007 – 6 AZR 773/06, NZA 2007, 972), angegriffen. Die Kündigung vom 31.07.2008 gilt deshalb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG, § 7 KSchG als wirksam. Entgelt- bzw. Annahmeverzugsansprüche bestehen wegen der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht.
41III. Soweit der Kläger mit seiner Klageerweiterung vom 19.11.2013 die Zahlung weiterer 2.800,00 Euro begehrt, konnten diese im Berufungsrechtzug nicht berücksichtigt werden. Insoweit handelt es sich um eine Klageänderung, für die die qualifizierten Voraussetzungen des § 533 ZPO nicht gegeben sind.
42Eine Klageänderung liegt unter anderem vor bei einer Änderung des Streitgegenstandes, wie er aus Antrag und Lebenssachverhalt gebildet wird (MünchKomm ZPO/ Becker-Eberhard, § 263, Rn. 7). Eine Klageänderung ist somit anzunehmen bei einer Änderung des Lebenssachverhaltes, aus dem der Anspruch hergeleitet oder der Klageantrag geändert wird (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. § 263, Rn. 7; MünchKomm ZPO/Becker-Eberhard, a.a.O., Rn. 7). In der Einführung eines neuen Streitgegenstandes liegt dabei eine nachträgliche objektive Klagehäufung, die sich als Klageänderung darstellt bzw. als solche zu behandeln ist (BAG, 06.12.2001, EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 65; BAG, 12.09.2006, EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 4).
431. Es ist kein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO anzunehmen. Danach liegt keine Klageänderung vor, wenn ohne Änderung des Klagegrunds der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. Die gesetzliche Bestimmung erfasst somit lediglich Erweiterungen und Beschränkungen des Klageantrags, die nicht mit der Einführung eines anderen Streitgegenstandes einhergehen.
44Vorliegend geht es jedoch weder um eine quantitative noch um eine qualitative Änderung des Klageantrags ohne Änderung des Klagegrundes. Der Kläger hat sich nicht auf die Erhöhung des klageweise geltend gemachten Betrags beschränkt, sondern stützt seinen erweiterten Zahlungsantrag nunmehr auf einen anderen Klagegrund. Er ändert insoweit den Sachverhalt, indem er den Beklagten in Anspruch nimmt für Zahlungen im Rahmen einer angeblich vereinbarten betrieblichen Altersversorgung. Hierzu legt er erstmals mit seiner Berufungsbegründung ein Schreiben der Versicherungsgesellschaft AMB Generali vom 02.07.2007 vor.
452. Eine solche Klägeränderung ist nach § 533 ZPO nur dann zulässig, wenn einerseits der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und zweitens diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.
46a) Eine Einwilligung des Beklagten liegt nicht vor.
47b) Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO). Zwar ist für die Frage der Sachdienlichkeit der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit von besonderer Bedeutung. Die Zulassung der Klageänderung muss dabei geeignet sein, den Streitstoff auszuräumen und weiteren rechtlichen Streitigkeiten der Parteien vorzubeugen. Die Beurteilung der Sachdienlichkeit gelangt jedoch an ihre Grenze, wenn ihre Bejahung die Beurteilung eines völlig neuen Streitstoffes erforderlich machen würde (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 533 Rn. 6). Eine Sachdienlichkeit ist dabei im Allgemeinen zu verneinen, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BGH 10.01.1985 – III ZR 93/83, NJW 1985, 1841; Zöller/Greger, aaO., § 263, Rn. 13). Auch wenn maßgebend auf den Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit abzustellen ist, kann eine solche jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn die bisherigen Verfahrensergebnisse nicht wenigstens teilweise verwertet werden können.
48Da die Parteien im erstinstanzlichen Verfahren lediglich über die Frage gestritten haben, ob der Kläger von dem Beklagten für verschiedene Monate noch Entgelt beanspruchen kann, stellt die die nunmehr aufgeworfene Problematik, inwieweit der Beklagte berechtigt war, vom monatlichen Arbeitsentgelt des Klägers Versicherungsbeiträge im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung abzuziehen zu dürfen, die Einführung eines völlig neuen Streitstoffes dar. Dieser hat seine Grundlage in dem erstmals nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegten Schreiben der Versicherung vom 02.07.2007. Entgegen dem Vorbringen des Klägers haben die Parteien diese Streitfrage in erster Instanz nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits werden lassen. Demzufolge konnten die bisherigen (Berufungs-)Verfahrensergebnisse auch nicht wenigstens teilweise verwertet werden.
493. Mangels Sachdienlichkeit der Klageänderung erübrigt sich die Prüfung nach § 533 Nr. 2 ZPO.
50IV. Die Kosten der Berufung hat der unterlegene Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
51Veranlassung für die Zulassung der Revision besteht nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.
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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.
(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.
(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.
(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.
(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.
(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.
(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.
(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.
(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.
(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.
(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.
(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin verlangt von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz für die Folgen eines durch Eisglätte verursachten Sturzes.
- 2
- Am 5. Februar 2001 gegen 9.30 Uhr stürzte die Klägerin beim Verlassen des von ihr bewohnten Hauses in Berlin, weil trotz Schnee- und Eisglätte der Eingangsbereich nicht hinreichend bestreut war. Sie zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Die Stadt Berlin hat die ihr obliegende Räum- und Streupflicht auf die Hauseigentümer übertragen. Der Eigentümer des betreffenden Grundstücks hat seinerseits seit über 10 Jahren die Beklagte mit der Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten betraut. Die nach § 6 Abs. 1 Straßenreinigungsgesetz Berlin vorgeschriebene Übertragungsanzeige an die Stadt Berlin fehlte für den Winter 2000/2001. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte aufgrund der Übernahme der Räum- und Streupflicht für die Folgen des Sturzes hafte.
- 3
- Mit Beschluss vom 25. April 2003 wurde gegen die Beklagte das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 7. April 2005 wurde vom Amtsgericht die Restschuldbefreiung angekündigt und am 18. Mai 2005 nach Abhaltung des Schlusstermins das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten aufgehoben. Das Landgericht hat die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hält die Klage zwar für zulässig, aber nicht für begründet. Die Insolvenzordnung sehe eine Präklusion von Ansprüchen, die nicht zur Insolvenztabelle angemeldet worden sind, nicht vor. Sie ergebe sich auch nicht aus § 87 InsO. Der Klageerhebung stehe auch nicht § 294 InsO entgegen (vgl. LG Arnsberg NZI 2004, 515, 516). Ein Titel könne während der Wohlverhaltensphase nicht vollstreckt werden und im Fall einer Restschuldbefreiung stünde § 301 InsO einer Vollstreckung entgegen.
- 5
- Im Übrigen verneint das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten, weil eine Anspruchsgrundlage nicht gegeben sei. Es ist der Auffassung, dass der Vertrag, mit dem die Räum- und Streupflicht für die Wintersaison 2000/2001 vom Hauseigentümer auf die Beklagte übertragen worden sei, keine Schutzwirkung zugunsten der Klägerin entfalte. Der Mietvertrag mit dem Eigentümer umfasse nicht die öffentliche Straße, so dass die Klägerin den übrigen Straßenbenutzern gleichgestellt sei. Die deliktische Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht scheitere daran, dass die Beklagte am 5. Februar 2001 für den Unfallort nicht verkehrssicherungspflichtig gewesen sei. Zwar könne nach § 6 Abs. 1 des Straßenreinigungsgesetzes Berlin ein Dritter in die Verpflichtung des Eigentümers des Anliegergrundstücks zur Durchführung des Winterdienstes eintreten. Hierfür sei aber die Anzeige der Übertragung an die Behörde und deren Zustimmung Voraussetzung. Beides fehle für die Wintersaison 2000/2001.
II.
- 6
- Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 7
- 1. Zwar hat das Berufungsgericht mit Recht die Klage für zulässig erachtet. Hierfür besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, auch wenn sich die Beklagte in der Wohlverhaltensphase befindet und für die Klägerin das Vollstreckungsverbot nach § 294 Abs. 1 InsO gilt, obwohl die streitgegenständliche Forderung nicht zur Tabelle angemeldet wurde und nicht bei der Verteilung der eingegangenen Beträge durch den Treuhänder berücksichtigt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 - IX ZB 288/03 - WM 2006, 1780 m.w.N.). Mangels Vollstreckungswirkung der Klage kann der Klägerin die Geltendmachung der Forderung aber nicht aufgrund des Vollstreckungsverbots nach § 294 Abs. 1 InsO untersagt werden. Die Parteien befinden sich noch im Erkenntnisverfahren und nicht im Vollstreckungsverfahren. Ein Rechtsschutzinteresse kann der Klägerin auch nicht mit Blick auf die Regelung in § 301 Abs. 1 InsO abgesprochen werden.
- 8
- 2. Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen jedoch gegen die rechtlichen Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht jegliche Anspruchsmöglichkeit für die Klägerin gegen die Beklagte verneint. Die Beklagte könnte aufgrund der Übernahme der Streu- und Räumpflicht deliktisch zum Schadensersatz und damit auch zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet sein.
- 9
- a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats können Verkehrssicherungspflichten mit der Folge eigener Entlastung delegiert werden. Die Verkehrssicherungspflichten des ursprünglich Verantwortlichen verkürzen sich dann auf Kontroll- und Überwachungspflichten. Wer sie übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich. Voraussetzung hierfür ist, dass die Übertragung klar und eindeutig vereinbart wird (vgl. Senatsurteile vom 4. Juni 1996 - VI ZR 75/95 - VersR 1996, 1151, 1152; vom 17. Januar 1989 - VI ZR 186/88 - VersR 1989, 526 f. und vom 8. Dezember 1987 - VI ZR 79/87 - VersR 1988, 516, 517; OLG Hamm VersR 2000, 862; OLG Nürnberg VersR 1996, 900; OLG Düsseldorf NJW 1992, 2972; VersR 1995, 535; OLG Celle RuS 1997, 501; Geigel /Wellner, Der Haftpflichtprozess 25. Aufl. Kap. 14 Rn. 204). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist hingegen nicht erforderlich, dass die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderliche Anzeige der Übertragung gegenüber der zuständigen Behörde erfolgt ist. Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen nicht rechtswirksam zustande gekommen ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 1989 - VI ZR 186/88 - aaO; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl., § 823 Rn. 129; MünchKomm -BGB/Wagner, 4. Aufl., § 823 Rn. 288 f.; Soergel/Krause, BGB, 13. Aufl., § 823 Anh. II Rn. 53 f.; Staudinger/J. Hager (1999) § 823 BGB E 64; von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 121). Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den primär Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt. Dieser ist aufgrund der von ihm mitveranlassten neuen Zuständigkeitsverteilung für den übernommenen Gefahrenbereich nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen verantwortlich. Insofern ist seine Verkehrssicherungspflicht nicht abgeleiteter Natur. Vielmehr erfährt sie mit der Übernahme durch den Beauftragten in seine Zuständigkeit eine rechtliche Verselbständigung. Er ist es fortan, dem unmittelbar die Gefahrenabwehr obliegt und der dafür zu sorgen hat, dass niemand zu Schaden kommt. Inhalt und Schutzbereich dieser verselbständigten Verkehrssicherungspflicht bestimmen sich allein danach , was objektiv erforderlich ist, um mit der Gefahrenstelle in Berührung kommende Personen vor Schaden zu bewahren.
- 10
- b) Hat die Beklagte die von ihr übernommene Verpflichtung zur Streuung des Fußweges schuldhaft verletzt, ist die Klägerin infolgedessen gestürzt und sind die geltend gemachten Verletzungen darauf zurückzuführen, ist der Anspruch dem Grunde nach zu bejahen. Ob dies der Fall ist, kann der erkennende Senat aufgrund der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht entscheiden.
- 11
- 3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommen - da es sich um einen Altfall handelt nur hinsichtlich des materiellen Schadens (Art. 229 §§ 5, 8 Abs. 1 EGBGB) - auch vertragliche Schadensersatzansprüche aufgrund der Schutzwirkung des Vertrages zwischen dem Eigentümer und der Beklagten zu Gunsten der Klägerin in Betracht. In den Schutzbereich eines Vertrages sind Dritte einbezogen, auf die sich Schutz- und Fürsorgepflichten aus vertraglichen Vereinbarungen nach dem Vertragszweck zwangsläufig erstrecken. Um die Schutzpflichten zugunsten Dritter nicht zu weit auszudehnen, ist allerdings erforderlich , dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt und der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hat (vgl. BGHZ 133, 168, 171 ff.). Mit Recht weist die Revision darauf hin, dass im Streitfall diese Voraussetzungen zu bejahen sind. Die Sicherung des unmittelbaren Zugangs zum Haus bei Schnee- und Eisglätte ist Aufgabe des Vermieters. Sie dient vor allem dem Schutz der Mieter (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 1968 - VI ZR 134/67 - VersR 1968, 1161; Palandt/Weidenkaff BGB 67. Aufl. § 535 Rn. 60). Dass die Übertragung der Streupflicht den sicheren Zugang der Mieter zum Haus und damit u.a. für die Klägerin gewährleisten sollte, liegt auf der Hand. Dies war auch für die Beklagte ohne weiteres erkennbar.
- 12
- 4. Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
LG Berlin, Entscheidung vom 26.07.2006 - 18 O 104/06 -
KG Berlin, Entscheidung vom 15.03.2007 - 10 U 165/06 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Übrigen wird das vorbezeichnete Urteil auf die Revision der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 3.187,05 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 23. Juni 2005 abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.187,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Dezember 2004 zu zahlen. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin vermietete der Beklagten einen Frisörsalon in Hamburg. Die monatliche Miete betrug 637,57 €. Seit April 2002 blieb die Beklagte den Mietzins schuldig. Auf ihren Antrag wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte das Mietverhältnis zum 30. September 2002. Die Klägerin meldete ihre Mietzinsforderung für den Zeitraum von April bis September 2002 zur Tabelle an. Im Schlusstermin wurde ein Betrag von 642,07 € - die Aprilmiete sowie eine Rücklastgebühr - als Insolvenzforderung festgestellt. Im Übrigen bestritt der Verwalter die Forderung mit der Begründung , dass es sich um eine Masseforderung handele. Diese wurde jedoch aus der Masse nicht beglichen.
- 2
- Insolvenzgericht Das hob das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung mit Beschluss vom 28. Juni 2005 auf; die Beklagte befindet sich nunmehr in der sogenannten "Wohlverhaltensphase".
- 3
- Zusammenhang Im mit dem Insolvenzverfahren nahm die Klägerin zweimal ihre Rechtschutzversicherung in Anspruch; infolge der Selbstbeteiligung entstanden ihr Kosten in Höhe von insgesamt 306 €.
- 4
- Das Amtsgericht hat der Klage auf Zahlung der Mietzinsen für die Monate Mai bis September 2002 sowie auf Ersatz der Selbstbeteiligungskosten im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin, das amtsgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat im Wesentlichen Erfolg.
I.
- 6
- Das Rechtsmittel ist unzulässig, soweit die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils auch insoweit begehrt, als die Beklagte in erster Instanz zur Zahlung von 153 € verurteilt worden ist. Insoweit hat sie die Revision nicht begründet (§ 551 ZPO).
II.
- 7
- Soweit das Rechtsmittel zulässig ist, ist es auch begründet.
- 8
- 1. Das Landgericht hat zur Begründung der Klageabweisung Folgendes ausgeführt: Die Berufung der Beklagten sei zulässig, weil sie nicht unter einer Bedingung eingelegt worden sei. Das Rechtsmittel führe zur Abweisung der Klage, weil die Klägerin an der Durchsetzung der Mietforderungen durch §§ 286, 301 InsO gehindert sei.
- 9
- 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 10
- a) Allerdings ist das Landgericht mit Recht von einer form- und fristgerecht eingelegten Berufung ausgegangen. Das Berufungsgericht hat den am 26. Juli 2005 eingegangenen Schriftsatz als unbedingt eingelegte Berufung ausgelegt. Diese Auslegung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Insoweit kann der Senat als Revisionsgericht die Würdigung der in der Berufungseinlegung liegenden prozessualen Willenserklärung uneingeschränkt nachprüfen und die erforderliche Auslegung der Erklärung selbst vornehmen (z.B. BGH, Beschl. v. 11. November 1993 - VII ZB 24/93, NJW-RR 1994, 568; Urt. v. 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94, NJW 1995, 2563, 2564).
- 11
- Der mit "Berufung" überschriebene Schriftsatz ist innerhalb der Berufungsfrist eingegangen und wahrt die erforderlichen Förmlichkeiten. In ihm wird erklärt, dass gegen das näher bezeichnete Urteil des Amtsgerichts namens und in Vollmacht der "Beklagten/Berufungsklägerin" Berufung eingelegt werde. Die Einlegung des Rechtsmittels ist zulässigerweise mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbunden worden. In einem solchen Fall muss der Rechtsmittelführer zwar alles vermeiden, was den Eindruck erweckt, er wolle eine (künftige) Prozesshandlung nur ankündigen und sie von der Gewährung der Prozesskostenhilfe abhängig machen (vgl. BGHZ 165, 318, 320 m.w.N.). Wenn aber - wie hier - die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift erfüllt sind, kommt die Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufung bestimmt war, nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. BGHZ 165, 318, 320 f m.w.N.; ferner BGH, Beschl. v. 16. Dezember 1987 - IVb ZB 161/87, NJW 1988, 2046, 2047). Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und damit unzulässigen Berufungseinlegung ist für die Annahme einer derartigen Bedingung eine ausdrückliche zweifelsfreie Erklärung erforderlich , die beispielsweise darin gesehen werden kann, dass der Schriftsatz als "Entwurf einer Berufungsschrift" bezeichnet wird oder von einer "beabsichtigten Berufung" die Rede ist oder angekündigt wird, dass "nach Gewährung der Prozesskostenhilfe" Berufung eingelegt werde (vgl. BGHZ 165, 318, 321 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 31. Januar 2007 - XII ZB 207/06, FamRZ 2007, 801, 802).
- 12
- Demgegenüber ist der hier zu beurteilenden Berufungsschrift eine solche eindeutige, jeden vernünftigen Zweifel ausschließende Bedingung nicht zu entnehmen. Sie ist mit "Berufung" überschrieben und enthält zunächst die ausdrückliche und einschränkungslose Erklärung, es werde Berufung eingelegt. Wenn sodann in der Berufungsschrift nach dieser Erklärung der Satz folgt "Die Berufung erfolgt unter dem Vorbehalt, daß der Beklagten /Berufungsklägerin Prozeßkostenhilfe gewährt wird“, so ist dies nicht eindeutig. Diese Erklärung kann auch dahin verstanden werden , dass nur die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang die (weitere ) Durchführung des Rechtsmittelverfahrens - die die Einlegung des Rechtsmittels voraussetzt - von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig gemacht wird, nicht aber die Einlegung selbst, und dass die Beklagte sich für den Fall vollständiger Versagung der Prozesskostenhilfe die Zurücknahme der Berufung vorbehält (vgl. BGHZ 165, 318, 323; BGH, Urt. v. 31. Mai 1995 aaO; Beschl. v. 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04, FamRZ 2004, 1553, 1554). Daran ändert der Umstand, dass der bereits angekündigte Sachantrag mit der Wendung "Im Wege der Prozesskostenhilfe" eingeleitet wird, nichts. Denn § 519 ZPO verlangt noch überhaupt keine Antragstellung.
- 14
- Die Klägerin kann die Beklagte persönlich auf Zahlung der Mieten in Anspruch nehmen. Ob ein Massegläubiger im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO seine Forderung schon während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner persönlich verfolgen kann, ist zwar umstritten (befürwortend LAG München ZIP 1990, 1217, 1218; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 53 Rn. 28; a.A. - Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters erforderlich - MünchKomm-InsO/ Hefermehl, § 53 Rn. 46, 53). Jedenfalls dann, wenn sich nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 201 Abs. 3, §§ 286 ff InsO die so genannte Wohlverhaltenssphase anschließt, kann - und muss - der Massegläubiger jedoch den Schuldner persönlich verklagen (vgl. Braun/Kießner, InsO 2. Aufl. § 201 Rn. 5). Die Haftung des Schuldners beschränkt sich gegenständlich nicht auf die ihm überlassene restliche, das heißt nicht verwertete Masse. Denn bei der der Klage zugrunde liegenden Mietforderung handelt es sich um eine sogenannte oktroyierte Masseverbindlichkeit im Sinne des § 90 InsO, die bereits von der Beklagten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden war (vgl. FK/InsO-Ahrens, 4. Aufl. § 294 Rn. 14; HK-InsO/Eickmann, 4. Aufl. § 53 Rn. 11).
- 15
- aa) Das Rechtsschutzinteresse kann der Klägerin nicht abgesprochen werden. Über den Antrag der Beklagten auf Erteilung der Restschuldbefreiung ist bisher nicht entschieden worden. Ob der Beklagten die begehrte Restschuldbefreiung erteilt werden wird, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden (vgl. §§ 295 ff InsO). Wird die Restschuldbefreiung versagt, können die Insolvenzgläubiger sofort gegen die Beklagte aus der Eintragung in die Tabelle vollstrecken (§ 201 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO). Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO steht dem nicht mehr entgegen (vgl. § 299 InsO). Die Beklagte als Massegläubigerin hat während des Insolvenzverfahrens keinen Vollstreckungstitel für ihre Forderung erlangt; der Weg, ihre Forderung zur Ta- belle feststellen zu lassen, stand ihr nicht offen (§§ 87, 174 Abs. 1 InsO). Folglich muss sie einen Titel nunmehr erstreiten können; ein Grund, ihrer Masseforderung (zum Fortbestehen dieser rechtlichen Einordnung vgl. BGH, Beschl. v. 17. März 2005 - IX ZB 214/04, WM 2005, 1129, 1131) eine (mindestens) vergleichbare Vollstreckungsaussicht zu verwehren, besteht nicht.
- 16
- bb) Auf die in den Vorinstanzen erörterte Frage, ob die Klageforderung durch die von der Beklagten beantragte Restschuldbefreiung erfasst wird (§ 301 InsO), kommt es nicht an. Denn der Beklagten ist eine Restschuldbefreiung bisher nicht erteilt worden. Selbst wenn die hier geltend gemachte Masseverbindlichkeit entgegen dem Wortlaut des § 301 Abs. 1 InsO der Restschuldbefreiung unterfiele, vermöchte dieser Umstand ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage zu stellen. Während der Wohlverhaltensphase ist die Klägerin berechtigt, in das Vermögen der Beklagten zu vollstrecken. Das Vollstreckungsverbot des § 90 Abs. 1 InsO ist spätestens mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 289 Abs. 2 Satz 2 InsO) entfallen, und dasjenige des § 294 Abs. 1 InsO gilt für Massegläubiger nicht (vgl. FK/InsO-Ahrens, aaO; MünchKomm-InsO/Ehricke, § 294 Rn. 24). Es entzieht, soweit nicht § 287 Abs. 2, § 295 InsO eingreifen, den Neuerwerb der Beklagten dem Zugriff der Insolvenzgläubiger (BGHZ 163, 391, 396 f).
- 17
- cc) Hinzu kommt, dass die Klägerin auch während der Wohlverhaltensperiode bisher nicht an der Verteilung etwaiger Einnahmen des Treuhänders beteiligt worden ist. Gemäß § 292 Abs. 1 InsO ist sie vor den Insolvenzgläubigern zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 17. März 2005, aaO); die Klägerin wird ihren Anspruch auf anteilige Ausschüttung gegenüber dem Treuhänder mit größerer Aussicht auf Erfolg durchsetzen können, wenn sie über einen ihre Masseforderung ausweisenden Titel verfügt.
- 18
- c) Da die Mietforderung der Klägerin nach Grund und Höhe unstreitig ist, war das der Klage stattgebende amtsgerichtliche Urteil wiederherzustellen, soweit die Klägerin das Berufungsurteil zulässig mit der Revision angegriffen hat.
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Altona, Entscheidung vom 23.06.2005 - 318c C 49/05 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 24.03.2006 - 311 S 95/05 -
(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.
(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.
(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.
(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.
(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.
Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.
(2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht
- 1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist; - 2.
die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit, soweit sie durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit oder zur Geschäftsführung berufen sind, in deren Betrieben; - 3.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist; - 4.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden; - 5.
der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.
(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb
- 1.
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder - 2.
Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder - 3.
regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
(4) Leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3 ist im Zweifel, wer
- 1.
aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder - 2.
einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder - 3.
ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist, oder, - 4.
falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.