Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 13. Juli 2015 - 12 SaGa 21/15
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 03.07.2015 – 3 Ga 5/15 – teilweise abgeändert:
Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung längstens bis zum 19.07.2015 für den aktuellen Arbeitskampf folgenden Notdienst einzurichten:
- Pflegedienst:
Während einer Arbeitsniederlegung beträgt die Notbesetzung – Werte in Vollzeitkräften – in der Klinik C im Pflegedienst an den ersten drei fortlaufenden Kalendertagen in der
Frühschicht: 3
Spätschicht: 3
Nachtschicht: 3 Mitarbeiter/innen.
An den darauf folgenden drei Kalendertagen beträgt die Notbesetzung in der
Frühschicht: 6
Spätschicht: 3
Nachtschicht: 3 Mitarbeiter/innen
Ab dem siebten Kalendertag beginnt der vorgenannte Rhythmus von vorn.
In den übrigen Kliniken lautet die Notbesetzung im Pflegebereich wie folgt:
G |
X |
Q |
|||
Frühschicht |
8 |
11 |
2 |
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Spätschicht |
6 |
9 |
2 |
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Nachtschicht |
3 |
3 |
1 |
Während einer Arbeitsniederlegung sind in den Tagschichten (Früh- und Spätschicht) in den Abteilungen 1, 6 und 7 der X und in den Abteilungen 1 und 10 der Klinik G je Schicht eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen. In den übrigen Kliniken ist pro Tagschicht eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen. In den Nachtschichten ist je Klinik eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen.
- Therapie
Während einer Arbeitsniederlegung beträgt die Notbesetzung – Werte in Vollzeitkräften – im Bereich der Therapie
C |
G |
X |
Q |
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Physiotherapeuten |
3 |
1 |
1 |
1 |
- Psychotherapie:
Im Bereich der Psychotherapeuten ist eine klinikbezogene Rufbereitschaft herzustellen.
- Wirtschaftsdienst:
Die Speisenversorgung für alle Kliniken übernimmt die Küche der Klinik C mit folgender Notbesetzung – Werte in Vollzeitkräften –:
C |
||
Köche |
3 |
|
Küchenhilfen |
Früh |
6 |
Spät |
3 |
- Technik:
Für die technische Betreuung der Kliniken C und G ist eine Rufbereitschaft herzustellen.
Bei der Frage der Erfüllung der Notbesetzung sind etwaig von der Verfügungsklägerin beschäftigte bzw. zu beschäftigende externe Arbeitnehmer (insb. Leiharbeitnehmer) zu berücksichtigen.
Im Übrigen werden Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen und deren Beschränkung.
3Die Verfügungsklägerin betreibt in Nordrhein-Westfalen vier Rehabilitationskliniken. Zwei der Kliniken befinden sich in T (Klinik C und Klinik G) und die anderen beiden Kliniken in P (X und Klinik Q). Mit der Verfügungsbeklagten, der zuständigen Gewerkschaft, schloss sie mit Wirkung zum 01.07.2007 einen Entgelttarifvertrag, der in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 07.08.2013 aktuell ist. Dieser Tarifvertrag wurde nach insgesamt 13 Streiktagen abgeschlossen und wurde begleitet von einer am 25.06.2013 abgeschlossenen Notdienstvereinbarung, die allein den Pflegedienst betraf und mit Ausnahme des Bereichs der psychosomatischen Patienten (so die Behauptung der Verfügungsklägerin) zu keinen Problemen führte.
4Nach der Kündigung fanden Verhandlungen über den Abschluss eines Folgetarifvertrages in der Zeit vom 23.04. bis zum 16.06.2015 statt und führten zu keiner Einigung. Daraufhin kam es am 19.05.2015, 02.06.2015, 05.06.2015 und 10.06.2015 zu jeweils mehrstündigen Warnstreiks, an denen sich bis zu 200 Mitarbeiter beteiligten. Am 25.06.2015 führte die Verfügungsbeklagte eine mit der notwendigen Mehrheit versehene Urabstimmung zur Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen durch. Mit E-Mail vom 17.06.2015 wies die Verfügungsklägerin auf das Erfordernis einer Notdienstvereinbarung hin und übermittelte die Fassung eines Vorschlages. Über den in der damaligen Notdienstvereinbarung hinaus geregelten Pflegedienst verlangte die Verfügungsklägerin nunmehr auch eine Mindestbesetzung in den Bereichen Therapie, Psychotherapie, Diagnostik, Service, Technik, ärztlicher Schreibdienst und den Rezeptionen.
5Am 19.06.2015 übermittelte die Verfügungsbeklagte ihren Vorschlag zu einer möglichen Notdienstvereinbarung, der allerdings Einzelheiten zur Besetzung noch nicht enthielt. Obwohl eine Einigung über die Notdienstvereinbarung nicht zustande kam, wurde seit dem 03.07.2015 in den Kliniken der Verfügungsklägerin durch die Verfügungsbeklagte zum Streik aufgerufen.
6Mit beim Arbeitsgericht Detmold am 01.07.2015 eingegangenen Antrag hat die Verfügungsklägerin zunächst die Untersagung des Streiks bis zum 19.07.2015, hilfsweise die Untersagung der Arbeitsniederlegung unter Außerachtlassung der vorgeschlagenen Notdienstvereinbarung und weiter hilfsweise die Mitwirkung der Verfügungsbeklagten an einer Notdienstvereinbarung begehrt.
7Die Verfügungsklägerin hat vorgetragen, nur mit der von ihr vorgesehenen Mindestbesetzung könne eine Gefährdung von Leib und Leben der behandelten Patienten vermieden werden. Eine Beschränkung des Notdienstes auf die Pflege sei nicht möglich. Die Behandlung von Schlaganfallpatienten fordere drei Therapieeinheiten pro Tag (zwei Einheiten Physiotherapie, eine Einheit Ergotherapie). Grund hierfür seien Fehlfunktionen wie Schluckstörungen, die eine ständige Übung unter professioneller Anleitung sowie eine Überwachung notwendig machten, um etwaigen Komplikationen (z. B. der Gefahr des Erstickens) vorzubeugen. Im Falle von Sprachstörungen sei eine frühzeitige und kontinuierliche Behandlung notwendig, um eine bestmögliche Wiederherstellung zu erreichen. Im Falle einer Lähmung seien frühzeitiges und kontinuierliches Training der Motorik erforderlich, um bleibende Schäden wie Versteifung zu vermeiden. Die Genesungschancen hängten davon ab, wie schnell die Behandlung durchgeführt werde. Aus diesem Grund sei die tägliche Menge der Behandlungseinheiten erforderlich. Die gleiche Begründung gelte für Patienten mit Schädelhirntrauma. Bei Patienten mit multipler Sklerose und solchen mit hirnorganischen Veränderungen könne nur mit einer schnellen Durchführung der Therapie eine etwaige Spastik verringert werden. Für Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten haben oder sich einer Bauchoperation haben unterziehen müssen, bestehe die Notwendigkeit des frühestmöglichen Therapiebeginns zur Vermeidung eines drohenden Arbeitsplatzverlustes. Bei Patienten mit schweren Lungenerkrankungen sei die Rate von Lungenentzündungen und eine Sturzgefahr umso niedriger, je früher eine muskuläre Stabilität herbeigeführt werde. Durch Atemtherapie werde die Wahrscheinlichkeit erneuter Atemwegserkrankungen herabgesetzt. Schließlich sei bei Patienten, die sich einer unfallchirurgischen Behandlung unterziehen mussten, eine Therapie durchzuführen, um der Gefahr der Versteifung operierter Gelenke entgegenzuwirken. Gegenüber der Berufsgenossenschaft bestehe eine Verpflichtung zur Übernahme der Patienten.
8In den Bereichen Psychosomatik und Psychotherapie bestehe eine akute Suizid-Gefahr bei Patienten mit Anpassungsstörungen, bei Patienten mit depressiven Erkrankungen, bei Patienten mit einer Borderlineerkrankung sowie bei Patienten mit Schmerzstörungen. Die Patienten reagierten äußerst empfindlich auf Störungen und Änderungen der alltäglichen Routine. Die Bezugspersonen seien nicht austauschbar. Auch im Falle krankheitsbedingter Ausfälle sei ein gleichmäßiges Bezugspersonenteam zu gewährleisten. Bei den neurologischen Patientengruppen, vor allem bei Patienten der Phasen C+ und SSH, bestünde bei einer längeren Unterbrechung der Therapie die unmittelbare Gefahr, dass Druckgeschwüre oder Kontrakturen durch mangelnde Mobilisation auftreten könnten. Die Verweildauer von Therapiepatienten in der Klinik belaufe sich teilweise auf drei bis vier Wochen und unterliege einem festen Behandlungsplan. Ein mehrtägiger Streik könne zu erheblichen gesundheitlichen Komplikationen bei den betroffenen Patienten führen. Eine Übertragung von Mobilisationstätigkeiten auf die Pflegemitarbeiter scheide aus, weil die Anzahl der Mitarbeiter arbeitskampfbedingt bereits reduziert werde. Die Tätigkeit des Durchgangsarztes erfordere die Aufrechterhaltung der Diagnostik. Diese müsste 24 Stunden am Tag ebenso gewährleistet sein wie zumindest tagsüber die Möglichkeit des Röntgens. Nur mit der Sicherstellung der diagnostischen Tätigkeiten könne bei Patienten mit sich akut verschlechterndem Gesundheitszustand geklärt werden, ob eine Verlegung notwendig ist. Im ärztlichen Bereich seien keine ausreichenden Kapazitäten für die Diagnostik vorhanden. Der Notdienst im technischen Bereich sei erforderlich, um bei Zwischenfällen wie Stromausfällen eingreifen zu können. In jedem Klinikgebäude müssten Mitarbeiter an der Rezeption anwesend sein, um auf etwaige Notrufe reagieren zu können. Im Bereich der Pflege seien hierzu wegen der bereits vorgenommenen Reduzierung keine Kapazitäten mehr vorhanden. Ihr Vorschlag für eine Notdienstvereinbarung entspreche weitgehend der Besetzung an Wochenenden. Therapiemaßnahmen, welche zeitlich verschoben werden können, seien aus der Planung herausgenommen worden. Im Falle einer noch niedrigeren Besetzung der Notdienste sei eine adäquate Versorgung der kritischen Patientengruppe nicht mehr gewährleistet, was zu einer unmittelbaren Gefährdung der Gesundheit dieser Patienten führe. Erforderlich sei ebenfalls, dass vor Beginn einer Arbeitsniederlegung eine Ankündigungsfrist von 24 Stunden gewahrt werde.
9Die Verfügungsklägerin hat beantragt,
101. Den Antragsgegnern wird untersagt, bis zum 19. Juli 2015 Streiks in einer Klinik oder in mehreren Kliniken der Antragstellerin in Nordrhein-Westphalen durchzuführen.
112. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Antrag 1: Den Antragsgegnern wird untersagt, bis zum Abschluss der als Anlage beigefügten Notdienstvereinbarung Streiks in einer Klinik oder in mehreren Kliniken der Antragstellerin in Nordrhein-Westphalen durchzuführen.
123. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Antrag 2: Die Antragsgegner werden verpflichtet, mit der Antragstellerin die als Anlage beigefügte Notdienstvereinbarung abzuschließen.
134. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Antrag 3: Die Antragsgegner werden verpflichtet, bezüglich der Kliniken der Antragstellerin in Nordrhein-Westphalen an der Einrichtung eines Notdienstes mitzuwirken, der die in der Anlage aufgeführten Notdienstarbeiten ausführt.
145. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit (Hilfs-)Anträgen 3 und 4: Die Antragsgegner werden verpflichtet, es zu unterlassen, im Falle einer Nichteinigung über die Einrichtung des Notdienstes gemäß Antrag 3 oder Antrag 4 die einseitige Durchführung der in Anlage aufgeführten Notdienstarbeiten durch die Antragstellerin zu behindern, insbesondere durch Aufrufe und Appelle an die zum Notdienst eingeteilten Mitarbeiter, die Arbeiten nicht auszuführen.
156. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit (Hilfs-)Anträgen 3 bis 5: Die Antragsgegner werden verpflichtet, mit der Antragstellerin eine Notdienstvereinbarung abzuschließen, die eine Gefährdung von Leib und Leben der Patientinnen und Patienten der Antragstellerin in deren Kliniken in Nordrhein-Westphalen aufgrund der beabsichtigten Streiks der Antragsgegner ausschließt.
167. Den Antragsgegnern wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von Euro 250.000,00 angedroht, ersatzweise Ordnungshaft.
17Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
18die Anträge abzuweisen.
19Sie hat die Auffassung vertreten, die von der Verfügungsbeklagten vorgeschlagene Notdienstregelung entspreche einer Besetzung, die dazu führe, dass der im Arbeitskampf erstrebte Druck nicht erzeugt werden könne. Die von der Verfügungsklägerin erwähnte erforderliche Mobilisation könne von den im Pflegebereich eingesetzten Mitarbeitern durchgeführt werden. Schlaganfallpatienten durchliefen bei der Verfügungsbeklagten lediglich täglich 1,5 Therapiemaßnahmen. Gefährdungen wie völlig hypothetische Erstickungsgefahren würden durch den Pflegebereich mittels einer einfachen „Sichtkontrolle“ abgedeckt. Gleiches gelte für Patienten mit einem erlittenen Schädel-Hirn-Trauma. Bei Patienten mit Multipler Sklerose sei eine Spastik nur in den wenigsten Fällen vorhanden. Entsprechende Behandlungen würden durch Pflegemitarbeiter durchgeführt. Herzinfarktpatienten seien nur im geringen Maße Pflegefälle. Von den derzeit in der Klinik C behandelten 350 Patienten gebe es allenfalls fünf, die einer Hilfe bei der körperlichen Pflege bedürften. Im Bereich der Patienten, die zuvor unfallchirurgisch behandelt worden sind, gäbe es keine Pflegefälle. Diese Patienten erhielten allenfalls eine Physiotherapie in einem Umfang von 20 Minuten pro Woche. Die von der Verfügungsklägerin erwähnte Wundbehandlung könne durch die im Rahmen der Notbesetzung vorhandenen Mitarbeiter der Pflege durchgeführt werden. Eine Suizidgefahr der im psychosomatischen Bereich behandelten Patienten bestehe nicht. Eine ausreichende Überwachung erfolge durch Ärzte und das Pflegepersonal. Eine 24-Stundendiagnostik werde in den Kliniken nicht durchgeführt. Nach 16:00 Uhr bzw. 17:00 Uhr gehe eine Meldung an die Mitarbeiter der Pflege, welche weitere Maßnahmen wie das Heranziehen einer Fremdfirma durchführen könnten. Der Besetzung der Rezeption bedürfe es nicht, weil eine Umleitung von Notrufen auf Techniker erfolgen könne.
20Insgesamt sei die derzeitige Situation wegen geringerer Belegungszahlen für die Verfügungsklägerin deutlich komfortabler als im Jahr 2013. Die nunmehr vorgeschlagene Notdienstregelung gehe jedoch über die zu diesem Zeitpunkt geltende bereits als sehr komfortabel anzusehende Notdienstvereinbarung hinaus.
21Mit Urteil vom 03.07.2015 hat das Arbeitsgericht dem Antrag in weiten Teilen stattgegeben und der Verfügungsbeklagten untersagt, bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung längstens bis zum 19.07.2015 Streiks in einer Klinik der Verfügungsklägerin unter Außerachtlassung bestimmter Beschränkungen durchzuführen. Es hat die Auffassung vertreten, der erforderliche Verfügungsanspruch liege vor. Die Verfügungsklägerin nehme in ihren Kliniken ihr übertragene Aufgaben des Gemeinwohles dar, die als Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb die Grundrechte der Verfügungsbeklagten nach Art. 9 Abs. 3 GG einschränken könnten. In einem solchen Fall unterlägen Arbeitskampfmaßnahmen spezifischen Einschränkungen, um unverhältnismäßige Eingriffe in das Gemeinwohl in der Gestalt des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der in den Kliniken der Verfügungsklägerin behandelten Patienten zu verhindern. Zwischen den Parteien stehe auch nicht im Streit, dass eine Mindestbesetzung zu gewährleisten sei, um Gefährdungen für die Patienten abzuwenden, jedoch bestehe Streit über das Ausmaß notwendiger Erhaltungsmaßnahmen. Da dem Arbeitgeber kein Beurteilungsspielraum im Falle drohender Arbeitsniederlegungen zustehe, sei das richtige Maß der Notbesetzung im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes gerichtlich zu bestimmen. Dabei sei nicht alleine darauf abzustellen, ob aus einer Behandlungsunterbrechung bzw. einem Ausfall des Pflegepersonals unmittelbar eine Gefährdung für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Patienten entsteht. Vielmehr komme es darauf an, ob eine Behandlungsunterbrechung lediglich zu einem Hinauszögern des durch die Behandlung erstrebten Gesundheitszustandes führe oder ob das Behandlungsergebnis auch in qualitativer Hinsicht bis hin zu einem völligen Ausbleiben des Behandlungserfolges von einer solchen Unterbrechung abhänge. Die Notbesetzung müsse geeignet sein, die zu befürchtenden Beeinträchtigungen sicher abzuwenden. Ungenügend sei eine Besetzung, mit welcher eine Gefahrabwendung mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolge. Der Gewerkschaft obliege im Falle einer beabsichtigten Arbeitsniederlegung in medizinischen Einrichtungen jedenfalls dann eine gesteigerte Darlegungslast im Hinblick auf die ihrer Ansicht nach richtige Notfallbesetzung, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Bemessung des Arbeitgebers nur unwesentlich von einer Regelbesetzung abweiche. Nach diesen Maßstäben hat das Arbeitsgericht eine Notbesetzung bestimmt, die hinsichtlich der Pflege und des Wirtschaftsdienstes der übereinstimmenden Auffassung der Parteien entspricht. Im Bereich der Therapeuten ist das Arbeitsgericht von dem von der Verfügungsklägerin dargestellten Bedarf ausgegangen. Ob das Maß der von der Verfügungsklägerin für notwendig erachteten Therapeuten und physischer Therapeuten unterschritten werden könne, ohne das Behandlungsergebnis zu beeinträchtigen, könne vorliegend nicht abschließend beurteilt werden. Allein der Umstand, dass eine Arbeitsniederlegung im Jahre 2013 auch im therapeutischen Bereich keine feststellbaren Schädigungen zur Folge hatte, führe nicht zu einer anderen Bewertung. Dabei sei das Recht zur Auswahl der eingesetzten Psychotherapeuten der Verfügungsklägerin einzuräumen, weil hinter diesem Bedürfnis verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen stehen, die die eigentlich bestehen Auswahlkompetenz der Gewerkschaft im Ausnahmefall zurücktreten lassen. Der Ausnahmefall läge darin, dass die Psychotherapeuten für die Patienten Bezugspersonen seien. Im Übrigen habe die Verfügungsbeklagte die höhere fachliche Kompetenz, die es ihr ermöglicht, darüber zu entscheiden, welcher Psychotherapeut den Ausfall der Bezugsperson kompensieren könne. Im Bereich der Diagnostik und der Technik hat das Arbeitsgericht ebenfalls die von der Verfügungsklägerin vorgeschlagene Mindestbesetzung übernommen. Es sei nicht auszuschließen, dass ein geringerer Einsatz von Personen in diesem Bereich eine unmittelbare Gefährdungslage zur Folge haben könnte. Aufgrund der Auswahl durch die Verfügungsklägerin sei eine Ankündigungsfrist von 24 Stunden zu berücksichtigen. In Übereinstimmung mit der Verfügungsklägerin hat das Gericht auch im Bereich der Rezeption eine Besetzung von mindestens einer Person am Tag für notwendig gehalten. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen. Eine gänzliche Unterlassung der Arbeitsmaßnahmen könne die Verfügungsbeklagte nicht verlangen. Auch im Hinblick auf die Notbesetzung sei der Verfügungsklägerin in Bezug auf die Qualifikation der Pflegekräfte im Nachtdienst und die gewünschte Notdienstregelung für die Servicekräfte in Wirtschaftsdienst nicht zu folgen.
22Gegen das ihr am 07.07.2015 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat die Verfügungsbeklagte unter gleichzeitiger Begründung am 09.07.2015 Berufung eingelegt. Sie hält dem Urteil entgegen, es habe auf einer fehlerhaften Tatsachenbasis entschieden. Das Maß des notwendigen für eine Notbesetzung könne nur bestimmt werden, wenn das Gericht sich ein Bild darüber verschaffe, welche Art von Patienten in den vier streitgegenständlichen Kliniken untergebracht ist. Diese Information könne lediglich die Verfügungsklägerin einbringen, da diese der Gewerkschaft als externer Beteiligten nicht zur Verfügung stünden. Der erstinstanzliche Vortrag beschränke sich jedoch darauf, mehr als global und lediglich schlagwortartig mitzuteilen, dass bei Nichtdurchführung der Notdienstvereinbarung in der von ihr vorgeschlagenen Form eine Patientengefährdung bestehen soll. Es werde aber nicht mitgeteilt, welche Patienten konkret welcher Behandlung bedürfen, um eben keinen Schaden an Leben oder Gesundheit zu nehmen. Es sei auch nicht erkennbar, warum im Bereich der Therapie sechs Physiotherapeuten im Rahmen des Notdienstes gebraucht würden. Es sei weder vorgetragen, wie viele Patienten zwingend mit wie vielen Therapieeinheiten behandelt werden müssten und werde auch nicht dargestellt, welche Tätigkeiten die sechs Physiotherapeuten im Rahmen ihrer Arbeitszeit zu erbringen hätten. Das Vorbringen der Verfügungsbeklagten in diesem Zusammenhang sei auch falsch. Die von der Verfügungsbeklagten behaupteten Behandlungen erhalte kein Patient, weil dafür auch im Normalbetrieb das Personal fehle. In der Klinik C lägen überhaupt keine bettlägerigen Patienten, da es sich um eine reine Rehaklinik handele, die ausschließlich von Patienten mit eher leichten Einschränkungen besucht werde. Daher spiele in dieser Klinik die Individualpflege nur eine untergeordnete Rolle. Gleiches gelte für den Bereich der Psychotherapie. Die Beklagte trage nicht vor, für welche Patienten eine akute Suizidgefahr besteht und wie viele dieser Patienten in welcher Klinik überhaupt vorhanden seien. Daher sei auch nicht erkennbar, warum fünf Psychotherapeuten während des Streikbetriebs benötigt würden. Auch an Wochenenden und an Feiertagen fänden keine Psychotherapien statt, so dass nicht erkennbar sei, warum eine Notbesetzung dies dennoch erfordere. Auch in der Diagnostik bedürfe es keiner Notbesetzung, da diese spätestens ab 17:00 Uhr bis zum nächsten Morgen und am Wochenende nicht besetzt sei. Eine Erforderlichkeit des Notdienstes im Bereich der Technik sei ebenso wenig erforderlich wie bei den Rezeptionen.
23Die Verfügungsbeklagte beantragt,
24das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 03.07.2015 - 3 Ga 5/15 - abzuändern und die dort gestellten Anträge vollständig zurückzuweisen,
25hilfsweise
26eine Notdienstvereinbarung nur für die Bereiche der Pflege und des Wirtschaftsdienstes
27anzuordnen.
28Die Verfügungsklägerin beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen und
30im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 03.07.2014 - 3 Ga 5/15 - teilweise abzuändern und auch im Service einen Notdienst festzulegen der im Frühdienst eine Besetzung im C von 3, in der G von 2, in der X von 3 und in der Qklinik von 2 Vollzeitkräften und im Spätdienst im C von 3, in der G von 1,5, in der X von 1 und in der Qklink von 1 Vollzeitkraft vorsieht.
31Die Verfügungsbeklagte beantragt,
32die Anschlussberufung zurückzuweisen.
33Sie verteidigt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das erstinstanzliche Urteil. Sie behauptet, nach den aktuell konkreten Belegungen in den einzelnen Kliniken, die sie mit Zahlenmaterial hinterlegt, sei die von ihr vorgeschlagene Notdienstregelung eine absolute Notbesetzung. Diese sei auch nicht, wie die Verfügungsbeklagte annehme, ein „Rundumsorglos-Paket“. Von den normalerweise eingesetzten Mitarbeitern könnte sich eine große Zahl am Streik beteiligen. Deswegen reiche die übliche Wochenendbesetzung (Samstagsdienst vier Stunden) nicht aus. Die vorgeschlagene Notbesetzung im Bereich der Psychosomatik sei das absolute Untermaß. Die psychosomatischen Patienten der Klinik G würden in fünf überschaubaren Behandlungsteams in einem multiprofessionellen Setting behandelt. Das Team bestehe aus einem Oberarzt, Stationsärzten, approbierten psychologischen Psychotherapeuten und psychologischen Psychotherapeuten in Ausbildung, Mitarbeitern des Pflegedienstes sowie Therapeuten aus dem komplementären Bereich (Gestaltungstherapie, Körpertherapie). Diese Therapie finde montags bis freitags statt. Nach Dienstschluss bis zum frühen Morgen und an den Wochenenden samstags und sonntags finde die Versorgung der Patienten durch den Pflegedienst auf den Stationsebenen der Klinik und durch einen diensthabenden Arzt und durch einen Oberarzt in Rufbereitschaft statt. An Feiertagen wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten finde freitags und montags ein zusätzliches therapeutisches Angebot durch Bezugstherapeuten und Mitarbeiter der komplementären Therapie statt. Zentraler Baustein dieses Therapiekonzeptes sei das multiprofessionelle Behandlungsteam und die therapeutische Arbeit des Bezugstherapeuten mit dem Ziel einer hohen Bindungskonstanz. Gleiches gelte für die Kliniken C und Q. An Feiertagen wie Weihnachten und Ostern und auch an Wochenenden würden Patienten behandelt, um im Rahmen des Therapiekonzeptes Belastungserprobung zu erfahren. Dadurch verringere sich die Anzahl der zu versorgenden Patienten. Deswegen könne die geregelte Wochenend- und Feiertagssituation nicht mit Therapieausfällen, die unvermittelt während einer Streikmaßnahme auftreten, verglichen werden. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes sei auch im Service ein Notdienst einzusetzen. Hintergrund hierfür sei, dass in jeder Klinik Patienten mit Nahrung versorgt werden müssten, die individuell nicht ausreichend mobil seien, so dass hierfür zur Sicherstellung der Nahrungsversorgung Mitarbeiter im Service benötigt würden.
34Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle Bezug genommen.
35Die Verfügungsklägerin hat eidesstattliche Versicherungen der Dr. L, des Dr. I, des Dr. S, des Dr. X1, zur Glaubhaftmachung vorgelegt.
36E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
37Die Berufung ist zulässig und zum Teil begründet, die Anschlussberufung ist zulässig aber unbegründet.
38- 39
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
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II. Die Berufung hat nur zum Teil Erfolg. Die Verfügungsklägerin kann keine Untersagung des Streiks verlangen, wenn die Verfügungsbeklagte keinen bestimmten Notdienst einrichtet. Sie hat aber einen Anspruch darauf, dass die Verfügungsklägerin einen Notdienst einrichtet, der die Patienten vor Gefahren für Leib und Leben schützt.
1. Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch aus §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 2 S.1. Art., 14 GG auf Einrichtung eines Notdienstes. Dieses gibt eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Abwägung der betroffenen Rechtsgüter.
43a) § 1004 BGB, der in diesem Zusammenhang analog zur Anwendung kommt, gewährt nicht nur Unterlassungsansprüche (Abs. 1 S. 2), sondern auch Beseitigungsansprüche (Abs. 1. S.1), die hier zum Tragen kommen. § 823 BGB schützt nicht nur das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, sondern auch am Gemeinwohl orientierte Betätigungen in seinem Schutzbereich (vgl. LAG Hamm, 16.01.2007, 8 Sa 74/07, NZA-RR 2007, 250, 251; Erf.Komm.-Linsenmaier, 15. Aufl. 2015, Art. 9 GG Rn. 126 ff und 187). Auch wenn die Verfügungsklägerin kein Akutkrankenhaus betreibt sondern Rehakliniken, ist sie im Bereich der Daseinsvorsorge tätig und hat die Verantwortung für die Gesundheit, der bei ihr aufgenommenen Patienten übernommen (vgl. Rudkowski, Der Streik in der Daseinsvorsorge, 2010, S. 184ff).
44b) Der Erlass einer einstweiligen Verfügung, der auch bei Arbeitskämpfen nach einhelliger Meinung zulässig ist (vgl. LAG Hamm, 16.01.2007, 8 Sa 74/07, NZA-RR 2007, 250 ff; LAG Hessen, 07.11.2014, 9 SaGa 1496/14, BeckRS 2015, 68424; Düwell/Lipke-Dreher, ArbGG 3. Aufl. 2012, § 62 Rn 47; Kissel, Arbeitskampfrecht, 2002, § 65 Rn 4), setzt einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus. Dabei ist nicht nur, wenn es um die Untersagung eines Streiks geht, sondern bei allen Eingriffen durch das Arbeitsgericht in den Arbeitskampf ein strenger Maßstab anzulegen. Denn jegliche gerichtliche Maßnahme verschiebt die Kampfparität zwischen den streikenden Gewerkschaften und den bestreikten Arbeitgebern zugunsten der einen und zuungunsten der anderen Partei. Übereinstimmend wird angenommen, dass ein Eingriff in den Arbeitskampf jedenfalls veranlasst sein kann, wenn der Streik offensichtlich rechtswidrig (vgl. zum Meinungstand LAG Hessen, 07.11.2014 - 9 SaGa 1496/14, BeckRS 2015, 68424 Rn 209). Ob allerdings eine solche Evidenz erforderlich ist, wird teilweise bezweifelt (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, 8. Aufl. 2013, § 62 ArbGG Rn 113). Neben der Rechtswidrigkeit fordern die Vorschriften der §§ 935 ff. ZPO für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG auch im Arbeitsverhältnis Anwendung finden, eine besondere Dringlichkeit. Eine Sicherungsverfügung gemäß § 935 ZPO erfordert die objektive Gefahr, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Die Regelungsverfügung gemäß § 940 ZPO setzt voraus, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. In beiden Fällen sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn einstweilige Verfügungen nicht nur Ansprüche sichern, sondern auch zur Befriedigung führen (LAG Hessen, 07.11.2014 – 9 SaGa 1496/14, BeckRS 2015, 68424; Germelmann/Matthes/Prütting, 8. Aufl. 2013, § 62 ArbGG Rn 97; LAG Hamm, 13.02.2015 – 18 SaGa 1/15, BeckRS 215, 68707). Da Streiks üblicherweise nur eine temporäre Erscheinung sind und daher nicht nachgeholt werden können, ist die Gefahr besonders groß, dass Eingriffe in den Streik eine endgültige Regelung herbeiführen. Es bedarf daher einer Abwägung der grundrechtlichen Positionen beider Seite. Das Streikrecht der Gewerkschaften wird durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt und hat daher Verfassungsrang. Auch wenn die in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit ohne Gesetzesvorhalt gewährleistet ist, unterliegt sie zum Schutz von Rechtsgütern und Gemeinwohnbelangen Schranken, wenn diesen ein gleichermaßen verfassungsrechtlicher Rang zukommt (vgl. BVerfG 06.02.2007 – 1 BVR 978/05, NZA 2007, S. 394 ff; 14.11.1995 – 1 BVR 601/92, AP GG Art. 9 Nr. 80).
45c) Die Verfügungsklägerin hat zunächst in erster Linie die vollständige Untersagung des Streiks der Verfügungsbeklagten bis zum 19.07.2015 begehrt. Dem hat das Arbeitsgericht nur insoweit entsprochen, als es den Arbeitskampf einschränkend bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung und unter Außerachtlassung bestimmter Beschränkungen untersagt hat. Da die Verfügungsklägerin das Urteil des Arbeitsgerichts insoweit nicht angegriffen hat, geht es im Berufungsverfahren nicht mehr um die voraussetzungslose Untersagung des Streiks, sondern nur unter den Bedingungen, die das Arbeitsgericht gesetzt und im Wesentlichen der von der Verfügungsklägerin vorgeschlagenen Notdienstvereinbarung entnommen hat. Erkennbar wird daraus, dass es der Verfügungsklägerin nicht darum geht, den Arbeitskampf gänzlich zu verhindern, sondern darum, ihre Patienten vor Gefahren für Leib und Leben zu bewahren.
46d) Ein Streik, der unter Außerachtlassung eines jeglichen Notdienstes durchgeführt würde, wäre rechtswidrig (vgl. BAG, 30.03.1982 – 1 AZR 265/80, AP Nr. 74 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; 31.01.1995 – 1AZR 142/94, AP Nr. 135 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; LAG Hamm 16.01.2007 – 8 Sa 74/07, NZA-RR 2007, 250; Däubler-Reinfelder, Arbeitskampf, 3. Aufl. 2011, § 15 Rn 36 m. w. N.). Üblicherweise schließen die Tarifpartner vor einer Arbeitskampfauseinandersetzung Notdienstvereinbarungen, die sicherstellen sollen, dass der Streik die Betriebsmittel nicht zerstört (Erhaltungsarbeiten) oder die Gefahr für Dritte und die Allgemeinheit abwenden soll (Notstandsarbeiten). Würde man sich vorstellen, die Kliniken der Verfügungsklägerin würden ohne jeglichen Notdienst bestreikt, wären Gesundheitsschäden für die Patienten zu befürchten. Deswegen ist auch die Verfügungsbeklagte der Auffassung, dass eine Mindestanzahl von Arbeitnehmern den Klinikbetrieb aufrechterhalten muss. Streit besteht zwischen den Parteien nur über den Umfang der Notdienstmaßnahmen. Obwohl die Parteien hier keine Notdienstvereinbarung getroffen haben, macht dies den Arbeitskampf nicht von vornherein rechtswidrig, weil nicht eine Vereinbarung erforderlich ist, sondern die Einrichtung eines Notdienstes (vgl. BAG, 14.12.1993 – 1 AZR 550/93, AP Nr. 129 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Däubler-Reinfelder, § 15 Rn 46). Daher kann die Gewerkschaft einen rechtmäßigen Streik durchführen, wenn sie dafür sorgt, dass der erforderliche Notdienst eingehalten ist. Deswegen hat die Verfügungsklägerin auch keinen Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte auf Abschluss einer Notdienstvereinbarung.
47d) Da die Parteien wegen des Streits über deren Inhalt keine Notdienstvereinbarung geschlossen haben, hat die Verfügungsklägerin einen Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte auf Einrichtung eines Notdienstes, dessen inhaltliche Ausgestaltung gerichtlich durchgesetzt werden kann. Umstritten ist allerdings die Frage, wer den Notdienst zu organisieren hat, der Arbeitgeber oder die Gewerkschaft oder beide gemeinsam (vgl. zum Meinungsstand Däubler-Reinfelder, § 15 Rn. 45 ff). Dies mag hier aber im Ergebnis dahinstehen. Richtet die Gewerkschaft einen Notdienst ein, der nach Auffassung des Arbeitgebers die o. g. näher dargestellten Gemeinwohlbelange verletzt, so muss es ihm möglich sein, einen Notdienst i. S. d. Beschränkung des Streikumfangs im einstweiligen Verfügungsverfahrens zu erreichen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber einen Notdienst anordnet, der das erforderliche Maß überschreitet (vgl. BAG, 14.12.1993 – 1 AZR 550/03, AP Nr. 129 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; LAG Hamm, 16.01.2007 – 8 Sa 74/07, NZA-RR 2007, 250; Däubler-Reinfelder, § 15 Rn 47). Besteht daher mangels Vereinbarung Streit über den Umfang des Notdienstes und wendet sich einer der Tarifpartner an das Arbeitsgericht, so kann das Gericht eine Notdienstregelung treffen. Dabei ist allerdings im vorliegenden Fall, anders als das Arbeitsgericht gemeint hat und auch anders als in der Entscheidung vom LAG Hamm (16.01.2007 – 8 Sa 74/97, NZA-RR 2007, 250) angenommen wurde, nicht der Weg einer Unterlassungsverfügung, die an Bedingungen geknüpft wird, zu wählen, sondern der Weg, die Verfügungsbeklagte zu einem Tun aufzufordern. Dies gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der die in Konkurrenz stehenden Grundrechtsgüter zum Ausgleich bringt und zu geringstmöglichen Eingriffen zwingt. Denn die Unterlassungsverfügung führt wegen ihrer Vollstreckbarkeit nach § 890 ZPO bereits bei geringen Abweichungen von dem ausgeurteilten Notdienst zu Ordnungsgeldanträgen, die wiederum zur vollständigen Untersagung des Streiks führen können. Dies zeigt der vorliegende Fall, in dem bereits kurz nach der Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils ein Unterlassungsantrag gestellt wurde, weil bestimmte Schichten nicht besetzt gewesen sein sollen. Demgegenüber bietet die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO die gleiche Möglichkeit, die Gewerkschaft zu veranlassen, den vom Gericht geregelten Notdienst einzuhalten. Die Abweichung vom Antrag der Verfügungsklägerin ist nach § 938 Abs. 1 ZPO ohne weiteres zulässig, da das Gericht nach freiem Ermessen bestimmt, welche Anordnung zu Erreichung des Zweckes erforderlich sind.
482. Die Frage, welcher Notdienst einzurichten ist, muss sich einerseits an dessen Zweck orientieren, ist aber andererseits auf das unerlässliche Maß zu reduzieren um die durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Arbeitskampffreiheit zur Geltung zu bringen (vgl. Däubler-Reinfelder, § 15 Rn. 39).
49a) Anders als in Krankenhäusern, die für die Notfallversorgung der Bevölkerung zuständig sind, sind Aufgaben der Rehakliniken die medizinische Rehabilitation und die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. Rudkowski, Seite 184 f.). Die Patienten haben in der Regel eine drei- bis vierwöchige Verweildauer in der Rehaklinik und werden nicht nur pflegerisch betreut, sondern erhalten je nach Krankheitsbild u.a. Physiotherapien, Ergotherapien und Psychotherapien, die patientenbezogen in einer bestimmten Frequenz und Zeitdauer erbracht werden. Geht man davon aus, dass die Rehaträger nur notwendige Maßnahmen finanzieren, so wird deutlich, dass der Rehaerfolg bei Unterbrechungen durch Streik gefährdet werden kann. Andererseits wird auch bei Krankheit und Urlaub des Therapiepersonals und an Wochenenden und Feiertagen eine Therapieunterbrechung in Kauf genommen. Deswegen liegt es nahe, sich bei der Frage des erforderlichen Notdienstes an der Wochenend- und Feiertagsregelung für den Notdienst zu orientieren. Soweit die Verfügungsklägerin hier die Auffassung vertritt, dass dieser Notdienst nicht ausreiche, so kann sich das Gericht, anders als das Arbeitsgericht angenommen hat, nicht an dem orientieren, was die Arbeitgeberin für notwendig hält. Im einstweiligen Verfügungsverfahren gelten die zivilprozessualen Kategorien der Parteimaxime. Die Verfügungsklägerin hat substantiiert vorzutragen, welcher Notdienst unabdingbar ist. Berücksichtigung finden muss dabei allerdings auch, dass die Rehakliniken bereits im Jahre 2013 bestreikt worden sind und es damals eine Notdienstvereinbarung gab, die nach der Behauptung der Verfügungsklägerin lediglich im Bereich der Psychotherapie zu Problemen geführt hat.
50b) Das Gericht hat im Rahmen des § 938 Abs. 1 ZPO einen Notdienst für erforderlich gehalten, der die Patientenrechte nach § 2 Abs. 2 GG und die Rechte der Verfügungsbeklagten nach Art. 9 Abs. 3 GG zum Ausgleich bringen. Unproblematisch ist dies im Pflegebereich und im Bereich des Wirtschaftsdienstes (mit Ausnahme des Services) weil bei den Parteien Einigkeit über den einzurichtenden Notdienst besteht.
51aa) Im Bereich der Therapie ist zwischen den einzelnen Kliniken wie folgt zu differenzieren:
52C |
G |
X |
Q |
|||
Therapeuten |
3 |
1 |
1 |
1 |
||
Mit Stand 1. Juli war die Klinik C mit insgesamt 346 Patienten belegt. Die meisten sind Patienten der Orthopädie, der Unfallchirurgie und der Innere/Pulmologie. Welche Patienten welche genaue Behandlung benötigen, hat die Verfügungsklägerin nicht darzulegen vermocht. Vorgetragen hat sie lediglich Durchschnittswerte, aus denen sie eine Minimalversorgung errechnet, „um keine Komplikationen im Heilungsverlauf zu riskieren“. Daraus lässt sich allerdings nicht entnehmen, welcher Heilungsverlauf bei welchen Patienten im Einzelfall gefährdet ist. Aus dem Vortrag ergibt sich jedenfalls und davon geht die Kammer auch aus, dass es auch im Bereich der unfallchirurgischen, orthopädischen und Inneren sowie Pulmologie Patienten gibt, die schwerwiegende Nachteile erleiden, wenn die Therapiebehandlung nicht kontinuierlich fortgesetzt wird. Deswegen ist es notwendig, dass drei Therapeuten zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für die Kliniken G, X und Q. Auch in diesem Bereich hat die Verfügungsklägerin keine genauen Einzelheiten zu den Patienten vorgetragen, sondern lediglich Durchschnittspauschalwerte. Auch hier hält die Kammer pro Klinik pro Tag einen Therapeuten für notwendig.
54bb) Bei den psychosomatischen Patienten die hauptsächlich in der Klinik G betreut werden, wird in Behandlungsteams gearbeitet, die aus einem Oberarzt, Stationsärzten, approbierten Psychotherapeuten und psychologischen Psychotherapeuten in Ausbildung, Mitarbeitern des Pflegedienstes sowie Therapeuten aus dem komplementären Bereich (Gestaltungstherapie, Körpertherapie) bestehen. Nach Dienstschluss bis zum frühen Morgen und an den Wochenenden samstags und sonntags findet die Versorgung der Patienten durch den Pflegedienst auf den Stationen der Klinik G statt und durch einen diensthabenden Arzt, welcher sich im Haus befindet, sowie einem Oberarzt in Rufbereitschaft. An längeren Feiertagen existiert ein zusätzliches therapeutisches Angebot durch Bezugstherapeuten und Mitarbeiter der komplementären Therapie. Gerade die Organisation des Wochenendes und der Feiertagszeiten zeigen, dass das multiprofessionelle Team während der Streikzeiten nicht vollends aufgelöst wird. Es ist daher nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen, warum fünf Psychotherapeuten in der Klinik G auch während der Streikzeiten benötigt werden. Gleiches gilt für die Klinik C und die Klinik Q. Da nicht auszuschließen ist, dass in diesen Kliniken über das bestehende nicht streikende Team hinaus psychotherapeutischer Sachverstand erforderlich ist, ist es notwendig, dass die Kliniken auch auf einem Psychotherapeuten zurückgreifen können. Dies ist im Wege der Rufbereitschaft zu gewährleisten. Die Einrichtung eines quantitativ stärkeren Notdienstes ist dem Vorbringen der Verfügungsklägerin nicht zu entnehmen, zumal sie die im Jahre 2013 nach ihrer Behauptung aufgetretenen Probleme nicht konkret und nachvollziehbar dargelegt hat.
55cc) In den übrigen Bereichen bedarf es entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin keines Notdienstes. Das gilt zunächst für den Bereich der Diagnostik. Dieser Bereich ist ab dem Nachmittag und an Wochenenden nicht besetzt. Soweit der Bereich zur Aufnahme von Patienten erforderlich ist, so mag die Verfügungsklägerin während des Streiks auf eine Aufnahme verzichten. Patienten, deren Gesundheitszustand sich verschlechtert, was mittels Diagnostik festgestellt und entschieden werden kann, können ohne weiteres auch nach ärztlicher Feststellung in ein Akutkrankenhaus verlegt werden. Warum Labor, Notfall-EKG, Röntgen und Lungenfunktion aufrechterhalten bleiben müssen, obwohl nach Dienstschluss und an Wochenenden keine Notwendigkeit besteht, erschließt sich nicht.
56dd) Auch im Bereich der Technik bedarf es keiner ständigen Notbesetzung. Die Technik ist in den beiden Kliniken, in denen der Aufgabenbereich nicht fremdvergeben ist, nach Dienstschluss durch telefonische Weiterleitung an den Pflegedienst organisiert, der den sich in Rufbereitschaft befindenden Techniker informiert. Sollte die Verfügungsklägerin die Gefahr sehen, dass bei einem Chlorgasalarm im Schwimmbad kein Techniker schnell zur Verfügung steht, so mag in Streikzeiten das Schwimmbad geschlossen werden. Sonstige Probleme, die im Bereich der Technik während des Streiks auftreten, können wie am Wochenende und in der Nacht durch eine Rufbereitschaft geregelt werden. Für Routineaufgaben ist ein Notdienst nicht einzurichten.
57ee) Gleiches gilt für den Bereich der Rezeptionen. Hier ist keine Besetzung erforderlich. Auch nach Dienstschluss und an Wochenenden ist die Rezeption teilweise oder gar nicht besetzt. Sollte ein Notruf eingehen, so werden auch dann die Mitarbeiter der Pflege informiert. Es ist nicht ersichtlich, warum davon im Streikfalle abgewichen werden soll.
58III. Die Anschlussberufung ist zulässig aber unbegründet. Sie richtet sich nur darauf, dass im Bereich des Wirtschaftsdienstens der Service eingeschränkt besetzt ist. Die Servicemitarbeiter sind dafür verantwortlich, in den Restaurantbereichen der Kliniken Essen anzureichen und Patienten zu helfen, die aufgrund ihrer körperlichen Einschränkung nicht in der Lage sind, sich etwa am Buffet selbst mit Essen zu versorgen. In diesem Zusammenhang hat schon das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Verfügungsklägerin in erheblichen Umfang Mitarbeiter einer anderen Gesellschaft einsetzt und Ausfälle im Bereich der eigenen Servicekräfte durch diese ebenfalls kompensiert werden. Dies kann auch im Streikfall geschehen.
59ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 13. Juli 2015 - 12 SaGa 21/15
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Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Hamm Urteil, 13. Juli 2015 - 12 SaGa 21/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
Tenor
1. Der Verfügungsbeklagten zu 1) wird untersagt, bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung längstens bis zum 19.07.2015 Streiks in einer Klinik der Antragstellerin in Nordrhein-Westphalen unter Außerachtlassung der folgenden Beschränkungen durchzuführen:
a) Es ist eine Notbesetzung wie folgt sicherzustellen (Werte in Vollzeitkräften):
- Pflegedienst:
Während einer Arbeitsniederlegung beträgt die Notbesetzung in der Klinik C im Pflegedienst an den ersten drei fortlaufenden Kalendertagen in der
Frühschicht: 3
Spätschicht: 3
Nachtschicht: 3 Mitarbeiter/innen.
An den darauf folgenden drei Kalendertagen beträgt die Notbesetzung in der
Frühschicht: 6
Spätschicht: 3
Nachtschicht: 3 Mitarbeiter/innen
Ab dem siebten Kalendertag beginnt der vorgenannte Rhythmus von vorn.
In den übrigen Kliniken lautet die Notbesetzung im Pflegebereich wie folgt:
G |
X |
Q |
||
Frühschicht |
8 |
11 |
2 |
|
Spätschicht |
6 |
9 |
2 |
|
Nachtschicht |
3 |
3 |
1 |
Während einer Arbeitsniederlegung sind in den Tagschichten (Früh- und Spätschicht) in den Abteilungen 1, 6 und 7 der X und in den Abteilungen 1 und 10 der Klinik G je Schicht eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen. In den übrigen Kliniken ist pro Tagschicht eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen. In den Nachtschichten ist je Klinik eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen.
- Therapie:
C |
G |
X |
Q |
|||
Physiotherapeuten |
6 |
2 |
2 |
1,5 |
||
... |
||||||
Ergotherapeuten |
0 |
1 |
1 |
0 |
||
Therapieplaner |
1 |
1 |
1 |
1 |
- Psychotherapie:
Im Bereich der Psychotherapeuten ist an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen eine Rufbereitschaft herzustellen.
Im Übrigen lautet die Notbesetzung an den Tagen von Montag bis Freitag wie folgt:
C |
G |
Q |
||
Psychotherapeuten |
1 |
5 |
5 |
|
... |
- Diagnostik:
Im Bereich der Diagnostik ist von Montag bis Freitag eine Notbesetzung wie folg zu gewährleisten.
C |
G |
X |
Q |
|||||||||||||||
Labor/Blutwerte/Notfall-EKG |
1 |
1 |
1 |
1 |
||||||||||||||
Röntgen |
1 |
0 |
0 |
0 |
||||||||||||||
Lungenfunktion |
0,5 |
0 |
01 |
0 |
- Wirtschaftsdienst:
Die Speisenversorgung für alle Kliniken übernimmt die Küche der Klinik am C mit folgender Notbesetzung:
C |
||
Köche |
3 |
|
Küchenhilfen |
Früh |
6 |
Spät |
3 |
- Technik:
Die technische Betreuung der Kliniken am C und G erfolgt an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen durch Rufbereitschaft und von montags bis freitags mit folgender Notbesetzung:
C |
G |
||||||
Techniker |
1,5 |
0,5 |
- Rezeptionen:
C |
G |
X |
Q |
||||||||||
Rezeption |
2 |
1 |
1 |
1 |
Bei der Frage der Erfüllung der Notbesetzung sind etwaig von der Verfügungsklägerin beschäftigte bzw. zu beschäftigende externe Arbeitnehmer (insb. Leiharbeitnehmer) zu berücksichtigen.
b) Betrifft die beabsichtigte Arbeitsniederlegung den Bereich die Tätigkeit von Psychotherapeuten, so sind die Mitarbeiter, denen Notdiensttätigkeiten übertragen werden, seitens der Verfügungsklägerin auszuwählen. Im Übrigen verbleibt es dabei, dass zur Verrichtung des Notdienstes vorrangig arbeitswillige Arbeitnehmer heranzuziehen sind; soweit dies zur Aufrechterhaltung des Notdienstes nicht genügt, obliegt die Auswahl unter den Streikwilligen der Verfügungsbeklagten.
c) Soweit von der beabsichtigten Arbeitsniederlegung der Bereich der Psychotherapeuten betroffen ist, ist vor der Arbeitsniederlegung eine Ankündigungsfrist von 24 Stunden einzuhalten.
Der Verfügungsbeklagten zu 1) wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro angedroht.
Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben zehn Prozent die Verfügungsbeklagte zu 1 und im Übrigen die Verfügungsklägerin zu tragen. Die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten zu 2 bis 5 hat die Verfügungsklägerin zu tragen. Im Übrigen haben die Parteien ihre erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen
3. Der Streitwert wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand:
7Die Parteien streiten über die Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen beziehungsweise über die Beschränkung dieser.
8Die Verfügungsklägerin betreibt in Nordrhein-Westphalen vier Rehabilitationskliniken. Zwei der Kliniken befinden sich in T (Klinik C und Klinik G) und die anderen beiden Kliniken in P (X und Klinik Q). Die Verfügungsbeklagte zu 1) ist die für das Tätigkeitsfeld der Verfügungsklägerin zuständige Gewerkschaft. Die Verfügungsbeklagten zu 2 bis 5 sind hauptamtliche Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten zu 1).
9Bei der Verfügungsklägerin galt zuletzt ein Entgelttarifvertrag vom 01.07.2007 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 07.08.2013. Die Verfügungsbeklagte zu 1) kündigte den Entgelttarifvertrag mit Wirkung zum 28.02.2015 (Bl. 29 d. A.). Die Verhandlungen über den Abschluss eines Folgetarifwerks vom 23.04. bis zum 16.06.2015 führten nicht zu einer Einigung. Am 19. Mai, 2. Juni, 5. Juni und 10. Juni kam es jeweils zu mehrstündige Warnstreiks, an denen sich bis zu 200 Mitarbeiter beteiligen. Hierzu gehörten vordringlich die von der Verfügungsklägerin beschäftigten Therapeuten. Am 25.06.2015 führte die Verfügungsbeklagte zu 1 eine Urabstimmung zugunsten der Ergreifung von Arbeitskampfmaßnahmen (Die Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses Bl. 31 d. A. wird in Bezug genommen).
10Mit Email vom 17.06.2015 hatte die Verfügungsklägerin auf das Erfordernis einer Notdienstvereinbarung hingewiesen und die Fassung ihres Vorschlags übermittelt (Bl. 32 ff. d. A.). Am 19.06.2015 übermittelte die Verfügungsbeklagte ihren Vorschlag zu einer möglichen Notdienstvereinbarung (Bl. 76 ff. d. A.). Eine Einigung konnte bislang nicht erzielt werden. Seit dem 03.07.2015 findet in den Kliniken der Verfügungsklägerin eine Arbeitsniederlegung statt.
11Im Rahmen einer bereits zurückliegenden Tarifauseinandersetzung im Jahr 2013 war eine Notbesetzung ausschließlich im Bereich der Pflegemitarbeiter bestimmt worden. Nachweisliche Schäden bei Patienten waren nicht zu verzeichnen.
12Mit ihrer beim Arbeitsgericht Detmold am 01.07.2015 eingegangenen Antragsschrift begehrt die Verfügungsklägerin die zeitweilige Untersagung des Streiks, hilfsweise die Untersagung der Arbeitsniederlegung unter Außerachtlassung der eigens bemessenen Notfallbesetzung.
13Im Rahmen der mündlichen Verhandlung über eine einvernehmliche Regelunge über die Gewährleistung einer Notbesetzung erzielten die Parteien eine partielle Einigung in den Bereichen wie folgt:
14Pflegedienst:
15Während einer Arbeitsniederlegung beträgt die Notbesetzung in der Klinik C im Pflegedienst an den ersten drei fortlaufenden Kalendertagen in der
16Frühschicht: 3
17Spätschicht: 3
18Nachtschicht: 3 Mitarbeiter/innen.
19An den darauf folgenden drei Kalendertagen beträgt die Notbesetzung in der
20Frühschicht: 6
21Spätschicht: 3
22Nachtschicht: 3 Mitarbeiter/innen
23Ab dem siebten Kalendertag beginnt der vorgenannte Rhythmus von vorn.
24In den übrigen Kliniken lautet die Notbesetzung im Pflegebereich wie folgt:
25G |
X |
Q |
||
Frühschicht |
8 |
11 |
2 |
|
Spätschicht |
6 |
9 |
2 |
|
Nachtschicht |
3 |
3 |
1 |
Während einer Arbeitsniederlegung sind in den Tagschichten (Früh- und Spätschicht) in den Abteilungen 1, 6 und 7 der X und in den Abteilungen 1 und 10 der Klinik G je Schicht eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen. In den übrigen Kliniken ist pro Tagschicht eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen. Eine Einigung über die Anzahl der anwesenden dreijährig examinierten Pflegekräfte in den Nachtschichten erfolgte nicht, wobei zu berücksichtigen ist, dass es keine normierten Vorgaben hierüber gibt.
27Wirtschaftsdienst:
28Die Speisenversorgung für alle Kliniken übernimmt die Küche der Klinik C mit folgender Notbesetzung:
29C |
||
Köche |
3 |
|
Küchenhilfen |
Früh |
6 |
Spät |
3 |
Über die Besetzung mit Servicekräften konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Im Bereich der Servicekräfte werden zu großen Teilen Mitarbeiter einer Drittfirma eingesetzt. Personelle Ausfälle bei den eigenen Servicemitarbeitern werden ebenfalls durch diese Drittfirma kompensiert.
31Technik:
32Die technische Betreuung der X und der Klinik Q erfolgte durch die Beauftragung einer Drittfirma.
33Eine weitergehende Einigung über eine Mindestbesetzung konnte nicht herbeigeführt werden.
34Die Verfügungsklägerin trägt vor, nur mit der von ihr vorgesehenen Mindestbesetzung könne eine Gefährdung von Leib und Leben der behandelten Patienten vermieden werden. Sie trägt zu dem ihrer Ansicht nach erforderlichen Maß einer Notbesetzung Folgendes vor:
35Die Behandlung von Schlaganfallpatienten erfordere drei Therapieeinheiten pro Tag (zwei Einheiten Physiotherapie; eine Einheit Ergotherapie). Grund hierfür seien Fehlfunktionen wie Schluckstörungen, die eine ständige Übung unter professioneller Anleitung sowie eine Überwachung notwendig machten, um etwaigen Komplikationen (z.B. Gefahr des Erstickens) vorzubeugen. Im Falle von Sprachstörungen sei eine frühzeitige und kontinuierliche Behandlung notwendig, um eine bestmögliche Wiederherstellung zu erreichen. Im Falle einer Lähmung sei ein frühzeitiges und kontinuierliches Training der Motorik erforderlich, um bleibende Schäden wie Versteifungen zu vermeiden. Die Genesungschancen hingen davon ab, wie schnell die Behandlung durchgeführt wird. Aus diesem Grund sei die tägliche Menge der Behandlungseinheiten erforderlich. Die gleiche Begründung gelte für Patienten mit einem Schädel-Hirntrauma. Bei Patienten mit Multipler Sklerose könne nur mit einer schnellen Durchführung der Therapie eine etwaige Spastik verringert werden. Gleiches gelte für hirnorganische Veränderungen. Für Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten haben oder sich einer Bauchoperation haben unterziehen müssen, bestehe die Notwendigkeit eines frühestmöglichen Therapiebeginns zur Vermeidung eines drohenden Arbeitsplatzverlustes. Bei Patienten mit schweren Lungenerkrankungen sei die Rate von Lungenentzündungen und eine Sturzgefahr umso niedriger, je früher eine muskuläre Stabilität herbeigeführt ist. Durch Atemtherapie werde die Wahrscheinlichkeit erneuter Atemwegserkrankungen herabgesetzt. Schließlich sei bei Patienten, die sich einer unfallchirurgischen Behandlung unterziehen mussten, eine Therapie durchzuführen, um der Gefahr der Versteifung operierter Gelenke entgegenzuwirken. Gegenüber der Berufsgenossenschaft bestehe eine Verpflichtung zur Übernahme der Patienten.
36Es sei eine tägliche Behandlung von Narben erforderlich.
37In den Bereichen Psychosomatik und Psychotherapie bestehe eine akute Suizid-Gefahr bei Patienten mit Anpassungsstörungen, bei Patienten mit depressiven Erkrankungen, bei Patienten mit einer Borderlineerkrankung sowie bei Patienten mit Schmerzstörungen. Die Patienten reagierten äußerst empfindlich auf Störungen und Änderungen der alltäglichen Routine. Die Bezugspersonen seien nicht austauschbar. Auch im Falle krankheitsbedingter Ausfälle sei ein gleichmäßiges Bezugspersonenteam gewährleistet.
38Bei den neurologischen Patientengruppen, vor allem bei Patienten der Phasen C+ und SSH, bestehe einer längeren Unterbrechung der Therapie die unmittelbare Gefahr, dass Druckgeschwüre oder Kontrakturen durch mangelnde Mobilisation auftreten. Die Verweildauer von Therapiepatienten in der Klinik beläufe sich teilweise auf drei bis vier Wochen und unterliege einem festen Behandlungsplan. Ein mehrtägiger Streik könne zu erheblichen gesundheitlichen Komplikationen bei den betroffenen Patienten führen. Eine Übertragung von Mobilisationstätigkeiten auf die Pflegemitarbeiter scheide aus, weil die Anzahl der Mitarbeiter arbeitskampfbedingt bereits reduziert worden ist.
39Die Tätigkeit des Durchgangsarztes erfordere die Aufrechterhaltung der Diagnostik. Es müssten 24 Stunden pro Tag Untersuchungen wie z.B. Troponin-Tests, Sonographien oder Blutgasanalyse (BGA) gewährleistet sein. Die Möglichkeit des Röntgens müsse zumindest tagsüber gewährleistet sein. Nur mit der Sicherstellung der diagnostischen Tätigkeiten könne bei Patienten mit sich akut verschlechterndem Gesundheitszustand geklärt werden, ob eine Verlegung notwendig ist. Im ärztlichen Bereich seien keine ausreichenden Kapazitäten für die Diagnostik vorhanden.
40Der Notdienst im technischen Bereich sei erforderlich, um bei Zwischenfällen wie Stromausfällen eingreifen zu können.
41In jedem Klinikgebäude müsse in Mitarbeiter an der Rezeption anwesend sein, um auf etwaige Notrufe reagieren zu können. Im Bereich der Pflege seinen hierzu wegen der bereits vorgenommenen Reduzierung keine Kapazitäten mehr vorhanden.
42Soweit im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine Verständigung auf konkrete Besetzungszahlen nicht erfolgen konnte, seien diese Bereiche wie folgte zu besetzen:
43Im Pflegebereich sollten in der Nachtschicht zwei der drei anwesenden Mitarbeiter über eine dreijährige Examinierung verfügen. Im Übrigen müsse die folgende Mindestbesetzung gelten:
44Therapie:
45Physiotherapeuten |
6 |
2 |
2 |
1,5 |
Ergotherapeuten |
0 |
1 |
2 |
0 |
Therapieplaner |
1 |
1 |
1 |
1 |
Psychotherapie:
47Im Bereich der Psychotherapeuten müsse an den Wochenenden Rufbereitschaft hergestellt werden und in dem Zeitraum von Montag bis Freitag sei die Anwesenheit der Psychotherapeuten wie folgt sicherzustellen:
48C |
G |
Q |
|
Psychotherapeuten |
1 |
5 |
5 |
Diagnostik:
50C |
G |
X |
Q |
|
Labor/Blutwerte/Notfall-EKG |
1 |
1 |
1 |
1 |
Röntgen |
1 |
0 |
0 |
0 |
Lungenfunktion |
0,5 |
0 |
0 |
0 |
Wirtschaftsdienst:
52Service |
Früh |
3 |
2 |
3 |
2 |
Spät |
3 |
1,5 |
1 |
1 |
Technik:
54C |
G |
|
Techniker |
1,5 |
0,5 |
Rezeptionen:
56C |
G |
X |
Q |
|
Rezeption |
2 |
1 |
1 |
1 |
Die angegebenen Zahlen entsprächen weitgehend der Besetzung an Wochenenden. Therapiemaßnahmen, welche zeitlich verschoben werden können, seien aus der Planung herausgenommen worden. Im Falle einer noch niedrigeren Besetzung der Notdienste sei eine adäquate Versorgung der kritischen Patientengruppe nicht mehr gewährleistet, was zu einer unmittelbaren Gefährdung der Gesundheit dieser Patienten führte.
58Die Verfügungsklägerin trägt vor, es sei erforderlich, dass vor Beginn einer Arbeitsniederlegung eine Ankündigungsfrist von 24 Stunden gewahrt werde.
59Ursprünglich hat die Verfügungsklägerin für den Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung auch den Erlass einer Zwischenverfügung beantragt, welchem das Gericht nicht entsprochen hat. Die Verfügungsklägerin hat eidesstattliche Versicherungen zur Akte gereicht, wegen deren Inhalts auf die Blätter 26, 30,37 ff. der Akte verwiesen wird.
60Die Verfügungsklägerin stellt folgende Anträge, wobei sie während der mündlichen Verhandlung die Hilfsanträge dahingehend reduzierte, dass jeweils nur eine Anordnung für den Zeitraum bis zum 19.07.2015 begehrt wird:
611. Den Antragsgegnern wird untersagt, bis zum 19. Juli 2015 Streiks in einer Klinik oder in mehreren Kliniken der Antragstellerin in Nordrhein-Westphalen durchzuführen.
622. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Antrag 1: Den Antragsgegnern wird untersagt, bis zum Abschluss der als Anlage AS 6 beigefügten Notdienstvereinbarung Streiks in einer Klinik oder in mehreren Kliniken der Antragstellerin in Nordrhein-Westphalen durchzuführen.
633. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Antrag 2: Die Antragsgegner werden verpflichtet, mit der Antragstellerin die als Anlage AS 6 beigefügte Notdienstvereinbarung abzuschließen.
644. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Antrag 3: Die Antragsgegner werden verpflichtet, bezüglich der Kliniken der Antragstellerin in Nordrhein-Westphalen an der Einrichtung eines Notdienstes mitzuwirken, der die in der Anlage AS 6 aufgeführten Notdienstarbeiten ausführt.
655. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit (Hilfs-)Anträgen 3 und 4: Die Antragsgegner werden verpflichtet, es zu unterlassen, im Falle einer Nichteinigung über die Einrichtung des Notdienstes gemäß Antrag 3 oder Antrag 4 die einseitige Durchführung der in Anlage AS 6 aufgeführten Notdienstarbeiten durch die Antragstellerin zu behindern, insbesondere durch Aufrufe und Appelle an die zum Notdienst eingeteilten Mitarbeiter, die Arbeiten nicht auszuführen.
666. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit (Hilfs-)Anträgen 3 bis 5: Die Antragsgegner werden verpflichtet, mit der Antragstellerin eine Notdienstvereinbarung abzuschließen, die eine Gefährdung von Leib und Leben der Patientinnen und Patienten der Antragstellerin in deren Kliniken in Nordrhein-Westphalen aufgrund der beabsichtigten Streiks der Antragsgegner ausschließt.
677. Den Antragsgegnern wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von Euro 250.000,00 angedroht, ersatzweise Ordnungshaft.
68Die Verfügungsbeklagte beantragen,
69die Anträge abzuweisen.
70Die Verfügungsbeklagten trägt vor, die von der Verfügungsbeklagten vorgeschlagene Notdienstregelung entspreche einer Besetzung, die dazu führe, dass der im Arbeitskampf erstrebte Druck nicht erzeugt werden könne.
71Die von der Verfügungsklägerin erwähnte erforderliche Mobilisation könne von den im Pflegebereich eingesetzten Mitarbeitern durchgeführt werden. Schlaganfallpatienten durchliefen bei der Verfügungsklägerin täglich im Durchschnitt lediglich 1,5 Therapiemaßnahmen. Gefährdungen wie völlig hypothetische Erstickungsgefahren würden durch den Pflegebereich mittels einer einfachen „Sichtkontrolle“ abgedeckt. Gleiches gelte für Patienten mit einem erlittenen Schädel-Hirn-Trauma. Bei Patienten mit Multipler Sklerose sei eine Spastik nur in den wenigsten Fällen vorhanden. Entsprechende Behandlungen würden durch Pflegemitarbeiter durchgeführt. Im Hinblick auf Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten haben oder sich einer Bauchoperation unterziehen mussten, tragen die Verfügungsbeklagten vor, dass die wenigsten in den Kliniken der Verfügungsklägerin untergebrachten Patienten Pflegefälle seien. Von den derzeit in der Klinik C behandelten 350 Patienten gebe es allenfalls fünf, die einer Hilfe bei der körperlichen Pflege bedürften. Im Bereich der Patienten, die zuvor unfallchirurgisch behandelt worden sind, gäbe es keine Pflegefälle. Diese Patienten erhielten allenfalls eine Physiotherapie in einem Umfang von 20 Minuten pro Woche. Die von der Verfügungsklägerin erwähnte Wundbehandlung könne durch die im Rahmen der Notbesetzung vorhandenen Mitarbeiter der Pflege durchgeführt werden. Eine Suizidgefahr der im psychosomatischen Bereich behandelten Patienten bestehe nicht. Eine ausreichende Überwachung erfolge durch Ärzte und das Pflegepersonal. Eine 24-Stundendiagnostik werde in den Klinik nicht durchgeführt. Nach 16.00 bzw. 17.00 Uhr gäbe es auch im Regelbetrieb keine diagnostischen Maßnahmen mehr. Bei technischen Problemen ginge eine Meldung an die Mitarbeiter der Pflege, welche weitere Maßnahmen wie das Heranziehen einer Fremdfirma durchführen könnten. Der Besetzung der Rezeption bedürfe es nicht, weil eine Umleitung von Notrufen auf Techniker erfolgen könne.
72Insgesamt sei die derzeitige Situation wegen geringerer Belegungszahlen für die Verfügungsklägerin deutlich komfortabler als im Jahr 2013, die nunmehr vorgeschlagene Notdienstregelung gehe jedoch über die zu diesem Zeitpunkt geltende bereits als sehr komfortabel anzusehende Notdienstvereinbarung hinaus.
73Wegen des weiteren Sach-und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
74Entscheidungsgründe:
75A.
76Der Antrag zu Ziffer 2 hat teilweise Erfolg.
77I. Er ist zulässig.
781. Der Antrag gerichtet auf Untersagung des Streiks unter Außerachtlassung der von der Verfügungsklägerin vorgeschlagenen Notdienstvereinbarung wird zutreffend im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren verfolgt (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG).
792. Das Arbeitsgericht Detmold ist örtlich zuständig, obgleich von den beabsichtigten Arbeitsniederlegungen auch zwei Kliniken betroffen sind, die sich nicht im Bezirk des Gerichts befinden. Die Zuständigkeit ergibt sich aus den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 32 ZPO. Die Arbeitsniederlegungen basieren auf einem einheitlichen Streikaufruf und entfalten ihre Wirkungen unter anderem im Bezirk des Arbeitsgerichts Detmold. Hierdurch wurde der Verfügungsklägerin eine Wahlmöglichkeit eröffnet.
80II. Der erste Hilfsantrag Antrag gerichtet gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) ist teilweise begründet.
81Der für den Erlass der vorliegenden Regelungsverfügung notwendige Verfügungsanspruch i.S.d. §§ 916, 936, 940 ZPO ist gegeben.
82a) Um das der Verfügungsbeklagten durch Art. 9 Abs. 3 GG vermittelte Recht zur Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen einzuschränken, kommt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb als „absolutes Recht" im Sinne der §§ 823, 1004 BGB in Betracht, welches nicht allein eine gewerbliche und auf Gewinnerzielung gerichtete Betätigung schützt, sondern auch am Gemeinwohl orientierte Betätigungen in seinen Schutzbereich einbezieht (LAG Hamm, Urteil vom 16.01.2007 – 8 Sa 74/07). Die Verfügungsklägerin unterhält in T und P vier Rehabilitationskliniken und befasst sich dementsprechend mit der Wiederherstellung des bzw. mit der größtmöglichen Annäherung an einen ursprünglichen gesundheitlichen Normalzustand von Patienten. Sie nimmt damit eine ihr übertragene Aufgabe des Gemeinwohls dar.
83Arbeitskampfmaßnahmen unterliegen in einem solchen Fall spezifischen Einschränkungen, um unverhältnismäßige Eingriffe in das Gemeinwohl - vorliegend in Gestalt des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der in den Kliniken der Verfügungsklägerin behandelten Patienten (Art. 2 Abs. 2 GG) – zu verhindern. Werden die sich hieraus ergebenden Grenzen durch Maßnahmen des Arbeitskampfes überschritten, stellt dies im Verhältnis zum Träger der Gemeinwohlaufgabe einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, gegen welchen Abwehrrechte aus §§ 1004, 823 BGB geltend gemacht werden können (LAG Hamm, Urteil vom 16.01.2007 – 8 Sa 74/07). Dies wird von den Verfügungsbeklagten auch zugestanden, wenn ihrerseits Bemühungen unternommen werden, um eine Notbesetzung der Kliniken der Verfügungsklägerin sicherzustellen. Es besteht insoweit Einigkeit zwischen den Parteien dass eine Mindestbesetzung gewährleistet sein muss, um Gefährdungen für die in den Kliniken behandelten Patienten abzuwenden. Der Streit unter den Parteien rankt vielmehr um das Ausmaß notwendiger Erhaltungsmaßnahmen.
84b) Nach Ansicht des Gerichts sind die aus den Tenor ersichtlichen Notbesetzungen unter Berücksichtigung der nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als notwendig anzusehen, um konkrete Gefährdungen der behandelten Patienten abzuwenden.
85Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber im Falle drohender Arbeitsniederlegungen kein Beurteilungsspielraum zuzugestehen ist, der einer gerichtlichen Überprüfung entzogen wäre. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der streikenden Gewerkschaft Vorgaben im Hinblick auf eine Notbesetzung gemacht werden, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen. Der durch eine Arbeitskampfmaßnahme bezweckte Druck wäre in diesem Fall in nicht gerechtfertigter Weise geschmälert. Sich auf die Erhaltung einer Notbesetzung zu berufen, kann also nicht dazu dienen, die Wirkungen einer Arbeitsniederlegung auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, sondern allein dazu, das Maß des Notwendigen zu bestimmen, um Beeinträchtigungen entgegenstehender und mindestens gleichwertiger Rechtsgüter der behandelten Patienten (Leben und körperliche Unversehrtheit) zu vermeiden. Bei der Frage, welche Beeinträchtigungen dieser Rechtsgüter der Patienten drohen, ist nach Ansicht des Gerichts nicht allein darauf abzustellen, ob aus einer Behandlungsunterbrechung bzw. einem Ausfall des Pflegepersonals unmittelbar eine Gefährdung für das Leben und die körperliche Unversehrtheit (bzw. eine rapide Verschlechterung des Gesundheitszustandes) der Patienten entsteht. Vielmehr kommt es nach hier vertretener Ansicht auch darauf an, ob eine Behandlungsunterbrechung lediglich zu einem Hinauszögern des durch die Behandlung erstrebten Gesundheitszustandes führt oder ob das Behandlungsergebnis auch in qualitativer Hinsicht bis hin zu einem völligen Ausbleiben des Behandlungserfolges von einer solchen Unterbrechung abhängt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass eine Notbesetzung geeignet sein muss, die zu befürchtenden Beeinträchtigungen sicher abzuwenden. Ungenügend ist eine Besetzung, mit welcher eine Gefahrenabwendung mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgt.
86Bei der gerichtlichen Bestimmung des richtigen Maßes einer Notbesetzung im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ist zu berücksichtigen, dass dem Gericht regelmäßig die notwendige Sachkunde fehlt. Grundsätzlich sind die Arbeitskampfparteien ihrerseits gehalten, vor dem Beginn von Arbeitskämpfen einvernehmliche Regelungen über eine Notbesetzung herbeizuführen. Hierzu verfügen sie über die entsprechende Sachnähe. Andererseits kann das Nichtzustandekommen einer solchen einvernehmlichen Regelung nicht dazu führen, dass der Gewerkschaft jegliche Möglichkeit des Arbeitskampfes genommen ist, wenn sich ihr Gegenüber einer vertretbaren Regelung verschließt. In diesem Fall muss eine gerichtliche Bestimmung einer Notbesetzung erfolgen (vgl. zur gerichtlichen Bestimmung: LAG Hamm, Urteil vom 16.01.2007 – 8 Sa 74/07). Dabei unterbleibt vorliegend eine abschließende Entscheidung über die Beweislast bezüglich des zutreffenden Maßes einer Notbesetzung. Nach hier vertretener Ansicht obliegt der Gewerkschaft im Falle einer beabsichtigten Arbeitsniederlegung in medizinischen Einrichtungen jedenfalls dann eine gesteigerte Darlegungslast im Hinblick auf die ihrer Ansicht nach richtige Notfallbesetzung, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Bemessung des Arbeitgebers nur unwesentlich von einer Regelbesetzung abweicht.
87Gemessen hieran geht das Gericht von der aus dem Tenor ersichtlichen Mindestbesetzung aus.
88a) Im Hinblick auf die Besetzung des Pflegedienstes entspricht die gerichtlich bestimmte Notbesetzung dem, was die Parteien zum Gegenstand einer einvernehmlichen Regelung gemacht hätten, wäre es im Zuge der gerichtlichen Verhandlung zu einer einvernehmlichen Notstandsregelung gekommen. Dies gilt mit Ausnahme der Nachtschichten auch für das Erfordernis einer Anwesenheit von dreijährig examinierten Pflegekräften.
89b) Im Bereich der Therapeuten (einschließlich der Planer) und Psychotherapeuten entspricht die gerichtliche Anordnung dem von der Verfügungsklägerin dargestellten und glaubhaft gemachten Bedarf. Bei der konkreten Bemessung der Notbesetzung ist den Verfügungsbeklagten zuzugestehen, dass die Verfügungsklägerin keine Akutkliniken sondern Rehabilitationskliniken betreibt, der Behandlung also allenfalls eine Akutbehandlung in einer anderen Einrichtung vorausgegangen ist. Insoweit geht auch das Gericht – jedoch auf Basis seiner kaum vorhandenen Sachkunde – davon aus, dass ein großer Teil der Behandlungen zeitlich verschoben werden kann. Ob jedoch das Maß der von der Verfügungsklägerin für notwendig erachteten Therapeuten und Psychotherapeuten unterschritten werden kann, ohne das Behandlungsergebnis zu beeinträchtigen, kann vorliegend nicht abschließend beurteilt werden. Dass bestimmte Behandlungsformen zur Sicherung des Behandlungserfolgs kontinuierlich durchgeführt werden, gesteht auch die Verfügungsklägerin zu (z.B. Schlaganfallpatienten). Soweit die Verfügungsbeklagten darauf hinweisen, dass die erforderliche Mobilisation durch die Pflege durchgeführt werden könne, ist zu berücksichtigen, dass auch dieser Bereich durch die Reduzierung auf eine Notbesetzung erheblich dezimiert ist. Allein der Umstand, dass eine Arbeitsniederlegung im Jahr 2013 auch im therapeutischen Bereich keine feststellbaren Schädigungen zur Folge hatte, führt nach Auffassung des Gerichts nicht zu einer anderen Bewertung.
90c) Das Recht zur Auswahl der eingesetzten Psychotherapeuten ist nach Auffassung des Gerichts der Verfügungsklägerin einzuräumen. Dabei geht das Gericht im Ausgangspunkt während des Arbeitskampfes von einer Auswahlkompetenz der Gewerkschaft aus. Anderenfalls bliebe die ebenfalls von Art. 9 GG geschützte Entscheidung des einzelnen Arbeitnehmers darüber, ob er an der Arbeitsniederlegung teilnehmen möchte, unberücksichtigt. Dem Arbeitgeber steht die Auswahlkompetenz bezüglich des mit Notdienstarbeiten betrauten Personals nur dann zu, wenn hinter dem Bedürfnis hiernach wiederum verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen stehen, welche die Auswahlkompetenz der Gewerkschaft im Ausnahmefall zurücktreten lassen. Bei der Auswahl der Psychotherapeuten ist dies der Fall. Nachvollziehbar stellt die Verfügungsklägerin dar, dass Psychotherapeuten für die Patienten Bezugspersonen darstellen. Dabei ist den Verfügungsbeklagten einzuräumen, dass die Verfügungsklägerin auch im Falle des kurzfristigen Ausfalls von entsprechenden Therapeuten Mittel und Wege kennt, etwaige Gefährdungslagen zu vermeiden. Insoweit gesteht das Gericht jedoch auch für diesen Fall der Verfügungsbeklagten die höhere fachliche Kompetenz zu, die es ihr ermöglicht, darüber zu entscheiden, welcher Psychotherapeut den Ausfall der Bezugsperson kompensieren kann.
91d) Auch im Bereich der Diagnostik entspricht die angeordnete Regelung der von der Verfügungsklägerin dargestellten und glaubhaft gemachten Mindestbesetzung. Dabei ist den Verfügungsbeklagten zuzugestehen, dass eine Besetzung lediglich von Montag bis Freitag dagegen spricht, dass die Abwesenheit der entsprechend qualifizierten Mitarbeiter eine unmittelbare Gefährdungslage zur Folge haben kann. Mangels weiterer Erkenntnismöglichkeiten kann das Gericht jedoch nicht ausschließen, dass zumindest diese Besetzung erforderlich ist, um den ebenfalls für erforderlich erachteten Therapiebetrieb aufrecht zu erhalten.
92e) Im Bereich des Wirtschaftsdienstes entspricht die Regelung dem Vorschlag der Verfügungsklägerin bei den Köchen und Küchenhilfen, welcher von den Verfügungsbeklagten unbeanstandet geblieben ist.
93f) Im Bereich Technik entspricht die Mindestbesetzung in der Klinik C sowie der Klinik G ebenfalls der Darstellung der Verfügungsklägerin, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Tätigkeit entsprechend den Behauptungen der Verfügungsklägerin Kenntnis der Gegebenheiten des Gebäudes voraussetzt, wie sie bei den verbleibenden beiden Kliniken bei den dort stetig eingesetzten Fremdfirmen vorhanden ist. Ebenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass an den Tagen von Montag bis Freitag entsprechend dem Vortrag der Verfügungsklägerin eine Präsenz der Technikmitarbeiter erforderlich ist, um routinemäßige Überprüfungen der Geräte und technischen Einrichtungen zu gewährleisten.
94g) Soweit von der beabsichtigten Arbeitsniederlegung der Bereich der Psychotherapie betroffen ist, ist eine Ankündigungsfrist von 24 Stunden zu berücksichtigen, weil der Verfügungsklägerin die Auswahl der einzusetzenden Psychotherapeuten ermöglicht werden muss. Dabei gehört es grundsätzlich auch zur Auswahl durch die Arbeitskampfparteien, ob sie dem ergriffenen Arbeitskampfmittel besondere Wirkung beimessen wollen, indem sie es kurzfristig ohne jegliche Ankündigung ergreifen. Das der Verfügungsklägerin zugestandene Bedürfnis, Psychotherapeuten selbst auswählen zu können, gebietet zumindest in diesem Bereich eine andere Beurteilung. Hierdurch wird der Verfügungsbeklagten zu 1) auch nicht jegliche Möglichkeit von Spontanstreiks abgeschnitten. Zwar könnte die Verfügungsklägerin aus einer auf die Psychotherapeuten bezogenen Ankündigung schließen, dass eine Arbeitsniederlegung auch in den übrigen Arbeitsbereichen bevorsteht. Dem wiederum könnte die Verfügungsbeklagte zu 1) dadurch begegnen, dass sie spontan mit einer Arbeitsniederlegung beginnt und die Psychotherapeuten erst 24 Stunden später zum Streik hinzutreten lässt.
95g) Schließlich folgt das Gericht auch der Behauptung der Verfügungsklägerin, dass an der Rezeption in jeder Klinik jeweils ein Mitarbeiter anwesend sein muss (die Klinik C besteht aus zwei Klinikgebäuden), weil mit dem Vortrag der Verfügungsklägerin nicht ausgeschlossen werden kann, dass die koordinativen Tätigkeiten sowie die Annahme von Notrufen zumindest in den Tagesschichten durch diese Mitarbeiter wahrgenommen werden müssen, weil dies den Mitarbeitern des Pflegedienstes, dessen Besetzung während der Streiks ebenfalls dezimiert ist, nicht mehr aufgebürdet werden kann.
962. Auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Die Arbeitsniederlegung hatte zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bereits begonnen.
97III. Die zeitliche Geltung der Regelungsanordnung entspricht dem zuletzt reduzierten zeitlichen Maß des Antrags.
98IV. Die Androhung eines Ordnungsgeldes basiert auf § 890 Abs. 1 ZPO.
99B.
100Im Übrigen sind die Anträge abzuweisen.
101I. Die Unterlassungsanträge erweisen sich als unbegründet, soweit sie sich gegen die Verfügungsbeklagten zu 2 bis 5 als natürliche Personen richten. Ein Unterlassungsanspruch i.S.d. §§ 823, 1004 BGB setzt eine drohende Beeinträchtigung voraus. Erforderlich ist eine Erstbegehungs- bzw. eine Wiederholungsgefahr bezüglich einer zu erwartenden Rechtsbeeinträchtigung begründet durch die gerichtlich in Anspruch genommenen Personen. Mit Ausnahme der Unterzeichnung des Streikaufrufs durch die Verfügungsbeklagten zu 4 und 5 unterlässt die Verfügungsklägerin bezüglich der übrigen Verfügungsbeklagten jeglichen Vortrag, weshalb von diesen eine Beeinträchtigung der eigenen Rechtsgüter zu erwarten ist. Auch im Übrigen ist eine Wiederholungsgefahr seitens der Verfügungsbeklagten zu 4 und 5 nicht anzunehmen. Die Unterzeichnung des Streitaufrufs genügt hierfür nicht. Beide Verfügungsbeklagte sind hauptamtlich für die Verfügungsbeklagte zu 1) tätige Mitarbeiter. Sie handeln im Rahmen der vorliegenden Tarifauseinandersetzung stets mit Wirkung für die Verfügungsbeklagte zu 1). Es ist nicht zu erwarten, dass sie Handlungen vollzögen, die der der Verfügungsbeklagten zu 1) gerichtlich auferlegten Unterlassungsverpflichtung zuwiderliefen.
102II. Die Anträge sind abzuweisen, als dass die Verfügungsklägerin zeitweilig jegliche Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen begehrt. Soweit die Verfügungsklägerin durch Arbeitsniederlegungen in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigt, eine Notversorgung jedoch gesichert ist, hat sie die zu erwartenden Beeinträchtigungen wegen des auch für das Recht zum Arbeitskampf geltenden Verfassungsrangs (Art. 9 GG) hinzunehmen (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 16.01.2007 – 8 Sa 74/07). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Beschränkungsregelung für den Zeitraum bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung weitestgehend den von der Verfügungsklägerin getätigten Vorgaben entsprochen hat.
103III. Im Hinblick auf die konkreten Einzelheiten der gerichtlich angeordneten Notdienstregelung war nicht in allen Punkten den Vorgaben der Verfügungsklägerin zu entsprechen. Dies war dann der Fall, wenn das Gericht insbesondere auf Grund der Erörterungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits davon überzeugt war, dass die von Verfügungsklägerin gewünschten Vorgaben über das Maß des Notwendigen hinausgehen.
1041. So musste der Pflegedirektor der Verfügungsklägerin einräumen, dass keinesfalls stets 60 Prozent der anwesenden Pflegekräfte über eine dreijährige Examinierung verfügen. Der seitens des Pflegedirektors geäußerte Wunsch nach einem solchen Durchschnitt der Besetzung über sämtliche Kliniken hinweg, zeigt, dass die Vorstellungen der Verfügungsbeklagten zumindest in diesem Bereich über das Maß des Notwendigen hinausgehen. Er räumte selbst ein, dass es keine einzuhaltenden Mindestvorgaben gibt und dass die eigens gewünschte Quote auch im Regelbetrieb häufig nicht erreicht ist. Dementsprechend war, soweit sich die Parteien nicht auf eine Mindestbesetzung dreijährig examinierter Pflegekräfte verständigen konnten (für die Tagschichten ist eine Einigung erzielt), die Anwesenheit einer derart qualifizierten Pflegekraft im Nachtdienst als ausreichend anzusehen. Eine andere Betrachtung liefe wiederum auf eine unzulässige Beschränkung des Streikrechts der streikwilligen Pflegekräfte hinaus.
1052. Soweit keine Gründe dafür vorlagen, der Verfügungsklägerin die Kompetenz zur Auswahl derjenigen Arbeitnehmer zu übertragen, welche zum Notdienst herangezogen werden, verblieb es bei einer entsprechenden Kompetenz der Verfügungsbeklagten zu 1. Da davon auszugehen ist, dass Mitarbeiter mit gleicher Qualifikation auch über die gleichen Fähigkeiten verfügen, sind keine Gründe ersichtlich, welche eine andere Beurteilung rechtfertigten. Dies wurde seitens der Verfügungsklägerin zuletzt auch nicht mehr in Frage gestellt.
1063. Im Rahmen der angeordneten Notdienstregelung waren Servicekräfte im Bereich des Wirtschaftsdienstes nicht vorzusehen. Die Verfügungsklägerin beschäftigt in diesem Bereich in erheblichem Umfang Mitarbeiter einer anderen Gesellschaft und Ausfälle im Bereich der eigenen Servicekräfte werden ebenfalls durch diese kompensiert.
1074. Zuletzt war der Verfügungsbeklagten zu 1) neben der auferlegten Ankündigungsfrist über den Beginn einer Arbeitsniederlegung (im Bereich der Psychotherapeuten) hinaus keine weitere Ankündigungsfrist auch in anderen Bereichen abzuverlangen. In den übrigen Bereichen hat die Verfügungsbeklagte die Mindestvorgaben bei Beginn der Arbeitskampfmaßnahme zu berücksichtigen und die Auswahlkompetenz steht ihr zu, so dass es mit dem Beginn der Arbeitsniederlegung auch ohne Ankündigung nicht zu Beeinträchtigungen der Rechtsgüter der Verfügungsklägerin kommt, welche von ihr nicht hinzunehmen wären.
108IV. Die Hilfsanträge, die ebenfalls zur Entscheidung stehen, weil dem Antrag zu Ziffer 2 nicht vollständig entsprochen ist, haben keinen Erfolg.
1091. Der Hilfsantrag zu Ziffer 3 ist unbegründet, weil die von der Verfügungsklägerin vorgelegte Notdienstvereinbarung über das Maß des Notwendigen hinausgeht.
1102. Der Hilfsantrag zu Ziffer 4 ist unzulässig, denn er genügt nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der prozessuale Antrag muss dem Prozessgegner aufzeigen, welche konkrete Handlung ihm abverlangt wird, wodurch er im Falle der Zwangsvollstreckung ein drohendes Zwangsmittel abwenden kann. Der im Antrag verwendete Begriff des „Mitwirkens“ genügt dem nicht.
1113. Der Hilfsantrag zu Ziffer 5 ist unbegründet aus dem in Ziffer 1 genannten Grund.
1124. Der Hilfsantrag zu Ziffer 6 ist unzulässig, weil er ebenfalls nicht hinreichend bestimmt ist. Wann eine Notdienstregelung dazu geeignet ist, Gefährdungen für die Rechtsgüter der Patienten auszuschließen, ist gerade Gegenstand des vorliegend geführten Streits. Die Frage kann deshalb nicht ein anschließendes Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden.
113C.
114Die Kostenentscheidung basiert auf den §§ 46 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO in Verbindung mit der Baumbach’schen Kostenformel. Die Kosten waren gemessen am Grad des Obsiegens und Unterliegens verhältnismäßig zu teilen. Die Verfügungsbeklagten zu 2 bis 5 obsiegen vollständig. Im Prozessrechtsverhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten war jeweils von einem hälftigen Unterliegen auszugehen.
115Gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit den §§ 3 ff. ZPO war der Streit im Urteil festzusetzen.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Tenor
1. Der Verfügungsbeklagten zu 1) wird untersagt, bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung längstens bis zum 19.07.2015 Streiks in einer Klinik der Antragstellerin in Nordrhein-Westphalen unter Außerachtlassung der folgenden Beschränkungen durchzuführen:
a) Es ist eine Notbesetzung wie folgt sicherzustellen (Werte in Vollzeitkräften):
- Pflegedienst:
Während einer Arbeitsniederlegung beträgt die Notbesetzung in der Klinik C im Pflegedienst an den ersten drei fortlaufenden Kalendertagen in der
Frühschicht: 3
Spätschicht: 3
Nachtschicht: 3 Mitarbeiter/innen.
An den darauf folgenden drei Kalendertagen beträgt die Notbesetzung in der
Frühschicht: 6
Spätschicht: 3
Nachtschicht: 3 Mitarbeiter/innen
Ab dem siebten Kalendertag beginnt der vorgenannte Rhythmus von vorn.
In den übrigen Kliniken lautet die Notbesetzung im Pflegebereich wie folgt:
G |
X |
Q |
||
Frühschicht |
8 |
11 |
2 |
|
Spätschicht |
6 |
9 |
2 |
|
Nachtschicht |
3 |
3 |
1 |
Während einer Arbeitsniederlegung sind in den Tagschichten (Früh- und Spätschicht) in den Abteilungen 1, 6 und 7 der X und in den Abteilungen 1 und 10 der Klinik G je Schicht eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen. In den übrigen Kliniken ist pro Tagschicht eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen. In den Nachtschichten ist je Klinik eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen.
- Therapie:
C |
G |
X |
Q |
|||
Physiotherapeuten |
6 |
2 |
2 |
1,5 |
||
... |
||||||
Ergotherapeuten |
0 |
1 |
1 |
0 |
||
Therapieplaner |
1 |
1 |
1 |
1 |
- Psychotherapie:
Im Bereich der Psychotherapeuten ist an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen eine Rufbereitschaft herzustellen.
Im Übrigen lautet die Notbesetzung an den Tagen von Montag bis Freitag wie folgt:
C |
G |
Q |
||
Psychotherapeuten |
1 |
5 |
5 |
|
... |
- Diagnostik:
Im Bereich der Diagnostik ist von Montag bis Freitag eine Notbesetzung wie folg zu gewährleisten.
C |
G |
X |
Q |
|||||||||||||||
Labor/Blutwerte/Notfall-EKG |
1 |
1 |
1 |
1 |
||||||||||||||
Röntgen |
1 |
0 |
0 |
0 |
||||||||||||||
Lungenfunktion |
0,5 |
0 |
01 |
0 |
- Wirtschaftsdienst:
Die Speisenversorgung für alle Kliniken übernimmt die Küche der Klinik am C mit folgender Notbesetzung:
C |
||
Köche |
3 |
|
Küchenhilfen |
Früh |
6 |
Spät |
3 |
- Technik:
Die technische Betreuung der Kliniken am C und G erfolgt an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen durch Rufbereitschaft und von montags bis freitags mit folgender Notbesetzung:
C |
G |
||||||
Techniker |
1,5 |
0,5 |
- Rezeptionen:
C |
G |
X |
Q |
||||||||||
Rezeption |
2 |
1 |
1 |
1 |
Bei der Frage der Erfüllung der Notbesetzung sind etwaig von der Verfügungsklägerin beschäftigte bzw. zu beschäftigende externe Arbeitnehmer (insb. Leiharbeitnehmer) zu berücksichtigen.
b) Betrifft die beabsichtigte Arbeitsniederlegung den Bereich die Tätigkeit von Psychotherapeuten, so sind die Mitarbeiter, denen Notdiensttätigkeiten übertragen werden, seitens der Verfügungsklägerin auszuwählen. Im Übrigen verbleibt es dabei, dass zur Verrichtung des Notdienstes vorrangig arbeitswillige Arbeitnehmer heranzuziehen sind; soweit dies zur Aufrechterhaltung des Notdienstes nicht genügt, obliegt die Auswahl unter den Streikwilligen der Verfügungsbeklagten.
c) Soweit von der beabsichtigten Arbeitsniederlegung der Bereich der Psychotherapeuten betroffen ist, ist vor der Arbeitsniederlegung eine Ankündigungsfrist von 24 Stunden einzuhalten.
Der Verfügungsbeklagten zu 1) wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro angedroht.
Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben zehn Prozent die Verfügungsbeklagte zu 1 und im Übrigen die Verfügungsklägerin zu tragen. Die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten zu 2 bis 5 hat die Verfügungsklägerin zu tragen. Im Übrigen haben die Parteien ihre erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen
3. Der Streitwert wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand:
7Die Parteien streiten über die Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen beziehungsweise über die Beschränkung dieser.
8Die Verfügungsklägerin betreibt in Nordrhein-Westphalen vier Rehabilitationskliniken. Zwei der Kliniken befinden sich in T (Klinik C und Klinik G) und die anderen beiden Kliniken in P (X und Klinik Q). Die Verfügungsbeklagte zu 1) ist die für das Tätigkeitsfeld der Verfügungsklägerin zuständige Gewerkschaft. Die Verfügungsbeklagten zu 2 bis 5 sind hauptamtliche Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten zu 1).
9Bei der Verfügungsklägerin galt zuletzt ein Entgelttarifvertrag vom 01.07.2007 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 07.08.2013. Die Verfügungsbeklagte zu 1) kündigte den Entgelttarifvertrag mit Wirkung zum 28.02.2015 (Bl. 29 d. A.). Die Verhandlungen über den Abschluss eines Folgetarifwerks vom 23.04. bis zum 16.06.2015 führten nicht zu einer Einigung. Am 19. Mai, 2. Juni, 5. Juni und 10. Juni kam es jeweils zu mehrstündige Warnstreiks, an denen sich bis zu 200 Mitarbeiter beteiligen. Hierzu gehörten vordringlich die von der Verfügungsklägerin beschäftigten Therapeuten. Am 25.06.2015 führte die Verfügungsbeklagte zu 1 eine Urabstimmung zugunsten der Ergreifung von Arbeitskampfmaßnahmen (Die Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses Bl. 31 d. A. wird in Bezug genommen).
10Mit Email vom 17.06.2015 hatte die Verfügungsklägerin auf das Erfordernis einer Notdienstvereinbarung hingewiesen und die Fassung ihres Vorschlags übermittelt (Bl. 32 ff. d. A.). Am 19.06.2015 übermittelte die Verfügungsbeklagte ihren Vorschlag zu einer möglichen Notdienstvereinbarung (Bl. 76 ff. d. A.). Eine Einigung konnte bislang nicht erzielt werden. Seit dem 03.07.2015 findet in den Kliniken der Verfügungsklägerin eine Arbeitsniederlegung statt.
11Im Rahmen einer bereits zurückliegenden Tarifauseinandersetzung im Jahr 2013 war eine Notbesetzung ausschließlich im Bereich der Pflegemitarbeiter bestimmt worden. Nachweisliche Schäden bei Patienten waren nicht zu verzeichnen.
12Mit ihrer beim Arbeitsgericht Detmold am 01.07.2015 eingegangenen Antragsschrift begehrt die Verfügungsklägerin die zeitweilige Untersagung des Streiks, hilfsweise die Untersagung der Arbeitsniederlegung unter Außerachtlassung der eigens bemessenen Notfallbesetzung.
13Im Rahmen der mündlichen Verhandlung über eine einvernehmliche Regelunge über die Gewährleistung einer Notbesetzung erzielten die Parteien eine partielle Einigung in den Bereichen wie folgt:
14Pflegedienst:
15Während einer Arbeitsniederlegung beträgt die Notbesetzung in der Klinik C im Pflegedienst an den ersten drei fortlaufenden Kalendertagen in der
16Frühschicht: 3
17Spätschicht: 3
18Nachtschicht: 3 Mitarbeiter/innen.
19An den darauf folgenden drei Kalendertagen beträgt die Notbesetzung in der
20Frühschicht: 6
21Spätschicht: 3
22Nachtschicht: 3 Mitarbeiter/innen
23Ab dem siebten Kalendertag beginnt der vorgenannte Rhythmus von vorn.
24In den übrigen Kliniken lautet die Notbesetzung im Pflegebereich wie folgt:
25G |
X |
Q |
||
Frühschicht |
8 |
11 |
2 |
|
Spätschicht |
6 |
9 |
2 |
|
Nachtschicht |
3 |
3 |
1 |
Während einer Arbeitsniederlegung sind in den Tagschichten (Früh- und Spätschicht) in den Abteilungen 1, 6 und 7 der X und in den Abteilungen 1 und 10 der Klinik G je Schicht eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen. In den übrigen Kliniken ist pro Tagschicht eine dreijährig examinierte Pflegekraft einzusetzen. Eine Einigung über die Anzahl der anwesenden dreijährig examinierten Pflegekräfte in den Nachtschichten erfolgte nicht, wobei zu berücksichtigen ist, dass es keine normierten Vorgaben hierüber gibt.
27Wirtschaftsdienst:
28Die Speisenversorgung für alle Kliniken übernimmt die Küche der Klinik C mit folgender Notbesetzung:
29C |
||
Köche |
3 |
|
Küchenhilfen |
Früh |
6 |
Spät |
3 |
Über die Besetzung mit Servicekräften konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Im Bereich der Servicekräfte werden zu großen Teilen Mitarbeiter einer Drittfirma eingesetzt. Personelle Ausfälle bei den eigenen Servicemitarbeitern werden ebenfalls durch diese Drittfirma kompensiert.
31Technik:
32Die technische Betreuung der X und der Klinik Q erfolgte durch die Beauftragung einer Drittfirma.
33Eine weitergehende Einigung über eine Mindestbesetzung konnte nicht herbeigeführt werden.
34Die Verfügungsklägerin trägt vor, nur mit der von ihr vorgesehenen Mindestbesetzung könne eine Gefährdung von Leib und Leben der behandelten Patienten vermieden werden. Sie trägt zu dem ihrer Ansicht nach erforderlichen Maß einer Notbesetzung Folgendes vor:
35Die Behandlung von Schlaganfallpatienten erfordere drei Therapieeinheiten pro Tag (zwei Einheiten Physiotherapie; eine Einheit Ergotherapie). Grund hierfür seien Fehlfunktionen wie Schluckstörungen, die eine ständige Übung unter professioneller Anleitung sowie eine Überwachung notwendig machten, um etwaigen Komplikationen (z.B. Gefahr des Erstickens) vorzubeugen. Im Falle von Sprachstörungen sei eine frühzeitige und kontinuierliche Behandlung notwendig, um eine bestmögliche Wiederherstellung zu erreichen. Im Falle einer Lähmung sei ein frühzeitiges und kontinuierliches Training der Motorik erforderlich, um bleibende Schäden wie Versteifungen zu vermeiden. Die Genesungschancen hingen davon ab, wie schnell die Behandlung durchgeführt wird. Aus diesem Grund sei die tägliche Menge der Behandlungseinheiten erforderlich. Die gleiche Begründung gelte für Patienten mit einem Schädel-Hirntrauma. Bei Patienten mit Multipler Sklerose könne nur mit einer schnellen Durchführung der Therapie eine etwaige Spastik verringert werden. Gleiches gelte für hirnorganische Veränderungen. Für Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten haben oder sich einer Bauchoperation haben unterziehen müssen, bestehe die Notwendigkeit eines frühestmöglichen Therapiebeginns zur Vermeidung eines drohenden Arbeitsplatzverlustes. Bei Patienten mit schweren Lungenerkrankungen sei die Rate von Lungenentzündungen und eine Sturzgefahr umso niedriger, je früher eine muskuläre Stabilität herbeigeführt ist. Durch Atemtherapie werde die Wahrscheinlichkeit erneuter Atemwegserkrankungen herabgesetzt. Schließlich sei bei Patienten, die sich einer unfallchirurgischen Behandlung unterziehen mussten, eine Therapie durchzuführen, um der Gefahr der Versteifung operierter Gelenke entgegenzuwirken. Gegenüber der Berufsgenossenschaft bestehe eine Verpflichtung zur Übernahme der Patienten.
36Es sei eine tägliche Behandlung von Narben erforderlich.
37In den Bereichen Psychosomatik und Psychotherapie bestehe eine akute Suizid-Gefahr bei Patienten mit Anpassungsstörungen, bei Patienten mit depressiven Erkrankungen, bei Patienten mit einer Borderlineerkrankung sowie bei Patienten mit Schmerzstörungen. Die Patienten reagierten äußerst empfindlich auf Störungen und Änderungen der alltäglichen Routine. Die Bezugspersonen seien nicht austauschbar. Auch im Falle krankheitsbedingter Ausfälle sei ein gleichmäßiges Bezugspersonenteam gewährleistet.
38Bei den neurologischen Patientengruppen, vor allem bei Patienten der Phasen C+ und SSH, bestehe einer längeren Unterbrechung der Therapie die unmittelbare Gefahr, dass Druckgeschwüre oder Kontrakturen durch mangelnde Mobilisation auftreten. Die Verweildauer von Therapiepatienten in der Klinik beläufe sich teilweise auf drei bis vier Wochen und unterliege einem festen Behandlungsplan. Ein mehrtägiger Streik könne zu erheblichen gesundheitlichen Komplikationen bei den betroffenen Patienten führen. Eine Übertragung von Mobilisationstätigkeiten auf die Pflegemitarbeiter scheide aus, weil die Anzahl der Mitarbeiter arbeitskampfbedingt bereits reduziert worden ist.
39Die Tätigkeit des Durchgangsarztes erfordere die Aufrechterhaltung der Diagnostik. Es müssten 24 Stunden pro Tag Untersuchungen wie z.B. Troponin-Tests, Sonographien oder Blutgasanalyse (BGA) gewährleistet sein. Die Möglichkeit des Röntgens müsse zumindest tagsüber gewährleistet sein. Nur mit der Sicherstellung der diagnostischen Tätigkeiten könne bei Patienten mit sich akut verschlechterndem Gesundheitszustand geklärt werden, ob eine Verlegung notwendig ist. Im ärztlichen Bereich seien keine ausreichenden Kapazitäten für die Diagnostik vorhanden.
40Der Notdienst im technischen Bereich sei erforderlich, um bei Zwischenfällen wie Stromausfällen eingreifen zu können.
41In jedem Klinikgebäude müsse in Mitarbeiter an der Rezeption anwesend sein, um auf etwaige Notrufe reagieren zu können. Im Bereich der Pflege seinen hierzu wegen der bereits vorgenommenen Reduzierung keine Kapazitäten mehr vorhanden.
42Soweit im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine Verständigung auf konkrete Besetzungszahlen nicht erfolgen konnte, seien diese Bereiche wie folgte zu besetzen:
43Im Pflegebereich sollten in der Nachtschicht zwei der drei anwesenden Mitarbeiter über eine dreijährige Examinierung verfügen. Im Übrigen müsse die folgende Mindestbesetzung gelten:
44Therapie:
45Physiotherapeuten |
6 |
2 |
2 |
1,5 |
Ergotherapeuten |
0 |
1 |
2 |
0 |
Therapieplaner |
1 |
1 |
1 |
1 |
Psychotherapie:
47Im Bereich der Psychotherapeuten müsse an den Wochenenden Rufbereitschaft hergestellt werden und in dem Zeitraum von Montag bis Freitag sei die Anwesenheit der Psychotherapeuten wie folgt sicherzustellen:
48C |
G |
Q |
|
Psychotherapeuten |
1 |
5 |
5 |
Diagnostik:
50C |
G |
X |
Q |
|
Labor/Blutwerte/Notfall-EKG |
1 |
1 |
1 |
1 |
Röntgen |
1 |
0 |
0 |
0 |
Lungenfunktion |
0,5 |
0 |
0 |
0 |
Wirtschaftsdienst:
52Service |
Früh |
3 |
2 |
3 |
2 |
Spät |
3 |
1,5 |
1 |
1 |
Technik:
54C |
G |
|
Techniker |
1,5 |
0,5 |
Rezeptionen:
56C |
G |
X |
Q |
|
Rezeption |
2 |
1 |
1 |
1 |
Die angegebenen Zahlen entsprächen weitgehend der Besetzung an Wochenenden. Therapiemaßnahmen, welche zeitlich verschoben werden können, seien aus der Planung herausgenommen worden. Im Falle einer noch niedrigeren Besetzung der Notdienste sei eine adäquate Versorgung der kritischen Patientengruppe nicht mehr gewährleistet, was zu einer unmittelbaren Gefährdung der Gesundheit dieser Patienten führte.
58Die Verfügungsklägerin trägt vor, es sei erforderlich, dass vor Beginn einer Arbeitsniederlegung eine Ankündigungsfrist von 24 Stunden gewahrt werde.
59Ursprünglich hat die Verfügungsklägerin für den Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung auch den Erlass einer Zwischenverfügung beantragt, welchem das Gericht nicht entsprochen hat. Die Verfügungsklägerin hat eidesstattliche Versicherungen zur Akte gereicht, wegen deren Inhalts auf die Blätter 26, 30,37 ff. der Akte verwiesen wird.
60Die Verfügungsklägerin stellt folgende Anträge, wobei sie während der mündlichen Verhandlung die Hilfsanträge dahingehend reduzierte, dass jeweils nur eine Anordnung für den Zeitraum bis zum 19.07.2015 begehrt wird:
611. Den Antragsgegnern wird untersagt, bis zum 19. Juli 2015 Streiks in einer Klinik oder in mehreren Kliniken der Antragstellerin in Nordrhein-Westphalen durchzuführen.
622. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Antrag 1: Den Antragsgegnern wird untersagt, bis zum Abschluss der als Anlage AS 6 beigefügten Notdienstvereinbarung Streiks in einer Klinik oder in mehreren Kliniken der Antragstellerin in Nordrhein-Westphalen durchzuführen.
633. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Antrag 2: Die Antragsgegner werden verpflichtet, mit der Antragstellerin die als Anlage AS 6 beigefügte Notdienstvereinbarung abzuschließen.
644. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Antrag 3: Die Antragsgegner werden verpflichtet, bezüglich der Kliniken der Antragstellerin in Nordrhein-Westphalen an der Einrichtung eines Notdienstes mitzuwirken, der die in der Anlage AS 6 aufgeführten Notdienstarbeiten ausführt.
655. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit (Hilfs-)Anträgen 3 und 4: Die Antragsgegner werden verpflichtet, es zu unterlassen, im Falle einer Nichteinigung über die Einrichtung des Notdienstes gemäß Antrag 3 oder Antrag 4 die einseitige Durchführung der in Anlage AS 6 aufgeführten Notdienstarbeiten durch die Antragstellerin zu behindern, insbesondere durch Aufrufe und Appelle an die zum Notdienst eingeteilten Mitarbeiter, die Arbeiten nicht auszuführen.
666. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit (Hilfs-)Anträgen 3 bis 5: Die Antragsgegner werden verpflichtet, mit der Antragstellerin eine Notdienstvereinbarung abzuschließen, die eine Gefährdung von Leib und Leben der Patientinnen und Patienten der Antragstellerin in deren Kliniken in Nordrhein-Westphalen aufgrund der beabsichtigten Streiks der Antragsgegner ausschließt.
677. Den Antragsgegnern wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von Euro 250.000,00 angedroht, ersatzweise Ordnungshaft.
68Die Verfügungsbeklagte beantragen,
69die Anträge abzuweisen.
70Die Verfügungsbeklagten trägt vor, die von der Verfügungsbeklagten vorgeschlagene Notdienstregelung entspreche einer Besetzung, die dazu führe, dass der im Arbeitskampf erstrebte Druck nicht erzeugt werden könne.
71Die von der Verfügungsklägerin erwähnte erforderliche Mobilisation könne von den im Pflegebereich eingesetzten Mitarbeitern durchgeführt werden. Schlaganfallpatienten durchliefen bei der Verfügungsklägerin täglich im Durchschnitt lediglich 1,5 Therapiemaßnahmen. Gefährdungen wie völlig hypothetische Erstickungsgefahren würden durch den Pflegebereich mittels einer einfachen „Sichtkontrolle“ abgedeckt. Gleiches gelte für Patienten mit einem erlittenen Schädel-Hirn-Trauma. Bei Patienten mit Multipler Sklerose sei eine Spastik nur in den wenigsten Fällen vorhanden. Entsprechende Behandlungen würden durch Pflegemitarbeiter durchgeführt. Im Hinblick auf Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten haben oder sich einer Bauchoperation unterziehen mussten, tragen die Verfügungsbeklagten vor, dass die wenigsten in den Kliniken der Verfügungsklägerin untergebrachten Patienten Pflegefälle seien. Von den derzeit in der Klinik C behandelten 350 Patienten gebe es allenfalls fünf, die einer Hilfe bei der körperlichen Pflege bedürften. Im Bereich der Patienten, die zuvor unfallchirurgisch behandelt worden sind, gäbe es keine Pflegefälle. Diese Patienten erhielten allenfalls eine Physiotherapie in einem Umfang von 20 Minuten pro Woche. Die von der Verfügungsklägerin erwähnte Wundbehandlung könne durch die im Rahmen der Notbesetzung vorhandenen Mitarbeiter der Pflege durchgeführt werden. Eine Suizidgefahr der im psychosomatischen Bereich behandelten Patienten bestehe nicht. Eine ausreichende Überwachung erfolge durch Ärzte und das Pflegepersonal. Eine 24-Stundendiagnostik werde in den Klinik nicht durchgeführt. Nach 16.00 bzw. 17.00 Uhr gäbe es auch im Regelbetrieb keine diagnostischen Maßnahmen mehr. Bei technischen Problemen ginge eine Meldung an die Mitarbeiter der Pflege, welche weitere Maßnahmen wie das Heranziehen einer Fremdfirma durchführen könnten. Der Besetzung der Rezeption bedürfe es nicht, weil eine Umleitung von Notrufen auf Techniker erfolgen könne.
72Insgesamt sei die derzeitige Situation wegen geringerer Belegungszahlen für die Verfügungsklägerin deutlich komfortabler als im Jahr 2013, die nunmehr vorgeschlagene Notdienstregelung gehe jedoch über die zu diesem Zeitpunkt geltende bereits als sehr komfortabel anzusehende Notdienstvereinbarung hinaus.
73Wegen des weiteren Sach-und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
74Entscheidungsgründe:
75A.
76Der Antrag zu Ziffer 2 hat teilweise Erfolg.
77I. Er ist zulässig.
781. Der Antrag gerichtet auf Untersagung des Streiks unter Außerachtlassung der von der Verfügungsklägerin vorgeschlagenen Notdienstvereinbarung wird zutreffend im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren verfolgt (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG).
792. Das Arbeitsgericht Detmold ist örtlich zuständig, obgleich von den beabsichtigten Arbeitsniederlegungen auch zwei Kliniken betroffen sind, die sich nicht im Bezirk des Gerichts befinden. Die Zuständigkeit ergibt sich aus den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 32 ZPO. Die Arbeitsniederlegungen basieren auf einem einheitlichen Streikaufruf und entfalten ihre Wirkungen unter anderem im Bezirk des Arbeitsgerichts Detmold. Hierdurch wurde der Verfügungsklägerin eine Wahlmöglichkeit eröffnet.
80II. Der erste Hilfsantrag Antrag gerichtet gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) ist teilweise begründet.
81Der für den Erlass der vorliegenden Regelungsverfügung notwendige Verfügungsanspruch i.S.d. §§ 916, 936, 940 ZPO ist gegeben.
82a) Um das der Verfügungsbeklagten durch Art. 9 Abs. 3 GG vermittelte Recht zur Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen einzuschränken, kommt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb als „absolutes Recht" im Sinne der §§ 823, 1004 BGB in Betracht, welches nicht allein eine gewerbliche und auf Gewinnerzielung gerichtete Betätigung schützt, sondern auch am Gemeinwohl orientierte Betätigungen in seinen Schutzbereich einbezieht (LAG Hamm, Urteil vom 16.01.2007 – 8 Sa 74/07). Die Verfügungsklägerin unterhält in T und P vier Rehabilitationskliniken und befasst sich dementsprechend mit der Wiederherstellung des bzw. mit der größtmöglichen Annäherung an einen ursprünglichen gesundheitlichen Normalzustand von Patienten. Sie nimmt damit eine ihr übertragene Aufgabe des Gemeinwohls dar.
83Arbeitskampfmaßnahmen unterliegen in einem solchen Fall spezifischen Einschränkungen, um unverhältnismäßige Eingriffe in das Gemeinwohl - vorliegend in Gestalt des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der in den Kliniken der Verfügungsklägerin behandelten Patienten (Art. 2 Abs. 2 GG) – zu verhindern. Werden die sich hieraus ergebenden Grenzen durch Maßnahmen des Arbeitskampfes überschritten, stellt dies im Verhältnis zum Träger der Gemeinwohlaufgabe einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, gegen welchen Abwehrrechte aus §§ 1004, 823 BGB geltend gemacht werden können (LAG Hamm, Urteil vom 16.01.2007 – 8 Sa 74/07). Dies wird von den Verfügungsbeklagten auch zugestanden, wenn ihrerseits Bemühungen unternommen werden, um eine Notbesetzung der Kliniken der Verfügungsklägerin sicherzustellen. Es besteht insoweit Einigkeit zwischen den Parteien dass eine Mindestbesetzung gewährleistet sein muss, um Gefährdungen für die in den Kliniken behandelten Patienten abzuwenden. Der Streit unter den Parteien rankt vielmehr um das Ausmaß notwendiger Erhaltungsmaßnahmen.
84b) Nach Ansicht des Gerichts sind die aus den Tenor ersichtlichen Notbesetzungen unter Berücksichtigung der nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als notwendig anzusehen, um konkrete Gefährdungen der behandelten Patienten abzuwenden.
85Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber im Falle drohender Arbeitsniederlegungen kein Beurteilungsspielraum zuzugestehen ist, der einer gerichtlichen Überprüfung entzogen wäre. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der streikenden Gewerkschaft Vorgaben im Hinblick auf eine Notbesetzung gemacht werden, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen. Der durch eine Arbeitskampfmaßnahme bezweckte Druck wäre in diesem Fall in nicht gerechtfertigter Weise geschmälert. Sich auf die Erhaltung einer Notbesetzung zu berufen, kann also nicht dazu dienen, die Wirkungen einer Arbeitsniederlegung auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, sondern allein dazu, das Maß des Notwendigen zu bestimmen, um Beeinträchtigungen entgegenstehender und mindestens gleichwertiger Rechtsgüter der behandelten Patienten (Leben und körperliche Unversehrtheit) zu vermeiden. Bei der Frage, welche Beeinträchtigungen dieser Rechtsgüter der Patienten drohen, ist nach Ansicht des Gerichts nicht allein darauf abzustellen, ob aus einer Behandlungsunterbrechung bzw. einem Ausfall des Pflegepersonals unmittelbar eine Gefährdung für das Leben und die körperliche Unversehrtheit (bzw. eine rapide Verschlechterung des Gesundheitszustandes) der Patienten entsteht. Vielmehr kommt es nach hier vertretener Ansicht auch darauf an, ob eine Behandlungsunterbrechung lediglich zu einem Hinauszögern des durch die Behandlung erstrebten Gesundheitszustandes führt oder ob das Behandlungsergebnis auch in qualitativer Hinsicht bis hin zu einem völligen Ausbleiben des Behandlungserfolges von einer solchen Unterbrechung abhängt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass eine Notbesetzung geeignet sein muss, die zu befürchtenden Beeinträchtigungen sicher abzuwenden. Ungenügend ist eine Besetzung, mit welcher eine Gefahrenabwendung mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgt.
86Bei der gerichtlichen Bestimmung des richtigen Maßes einer Notbesetzung im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ist zu berücksichtigen, dass dem Gericht regelmäßig die notwendige Sachkunde fehlt. Grundsätzlich sind die Arbeitskampfparteien ihrerseits gehalten, vor dem Beginn von Arbeitskämpfen einvernehmliche Regelungen über eine Notbesetzung herbeizuführen. Hierzu verfügen sie über die entsprechende Sachnähe. Andererseits kann das Nichtzustandekommen einer solchen einvernehmlichen Regelung nicht dazu führen, dass der Gewerkschaft jegliche Möglichkeit des Arbeitskampfes genommen ist, wenn sich ihr Gegenüber einer vertretbaren Regelung verschließt. In diesem Fall muss eine gerichtliche Bestimmung einer Notbesetzung erfolgen (vgl. zur gerichtlichen Bestimmung: LAG Hamm, Urteil vom 16.01.2007 – 8 Sa 74/07). Dabei unterbleibt vorliegend eine abschließende Entscheidung über die Beweislast bezüglich des zutreffenden Maßes einer Notbesetzung. Nach hier vertretener Ansicht obliegt der Gewerkschaft im Falle einer beabsichtigten Arbeitsniederlegung in medizinischen Einrichtungen jedenfalls dann eine gesteigerte Darlegungslast im Hinblick auf die ihrer Ansicht nach richtige Notfallbesetzung, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Bemessung des Arbeitgebers nur unwesentlich von einer Regelbesetzung abweicht.
87Gemessen hieran geht das Gericht von der aus dem Tenor ersichtlichen Mindestbesetzung aus.
88a) Im Hinblick auf die Besetzung des Pflegedienstes entspricht die gerichtlich bestimmte Notbesetzung dem, was die Parteien zum Gegenstand einer einvernehmlichen Regelung gemacht hätten, wäre es im Zuge der gerichtlichen Verhandlung zu einer einvernehmlichen Notstandsregelung gekommen. Dies gilt mit Ausnahme der Nachtschichten auch für das Erfordernis einer Anwesenheit von dreijährig examinierten Pflegekräften.
89b) Im Bereich der Therapeuten (einschließlich der Planer) und Psychotherapeuten entspricht die gerichtliche Anordnung dem von der Verfügungsklägerin dargestellten und glaubhaft gemachten Bedarf. Bei der konkreten Bemessung der Notbesetzung ist den Verfügungsbeklagten zuzugestehen, dass die Verfügungsklägerin keine Akutkliniken sondern Rehabilitationskliniken betreibt, der Behandlung also allenfalls eine Akutbehandlung in einer anderen Einrichtung vorausgegangen ist. Insoweit geht auch das Gericht – jedoch auf Basis seiner kaum vorhandenen Sachkunde – davon aus, dass ein großer Teil der Behandlungen zeitlich verschoben werden kann. Ob jedoch das Maß der von der Verfügungsklägerin für notwendig erachteten Therapeuten und Psychotherapeuten unterschritten werden kann, ohne das Behandlungsergebnis zu beeinträchtigen, kann vorliegend nicht abschließend beurteilt werden. Dass bestimmte Behandlungsformen zur Sicherung des Behandlungserfolgs kontinuierlich durchgeführt werden, gesteht auch die Verfügungsklägerin zu (z.B. Schlaganfallpatienten). Soweit die Verfügungsbeklagten darauf hinweisen, dass die erforderliche Mobilisation durch die Pflege durchgeführt werden könne, ist zu berücksichtigen, dass auch dieser Bereich durch die Reduzierung auf eine Notbesetzung erheblich dezimiert ist. Allein der Umstand, dass eine Arbeitsniederlegung im Jahr 2013 auch im therapeutischen Bereich keine feststellbaren Schädigungen zur Folge hatte, führt nach Auffassung des Gerichts nicht zu einer anderen Bewertung.
90c) Das Recht zur Auswahl der eingesetzten Psychotherapeuten ist nach Auffassung des Gerichts der Verfügungsklägerin einzuräumen. Dabei geht das Gericht im Ausgangspunkt während des Arbeitskampfes von einer Auswahlkompetenz der Gewerkschaft aus. Anderenfalls bliebe die ebenfalls von Art. 9 GG geschützte Entscheidung des einzelnen Arbeitnehmers darüber, ob er an der Arbeitsniederlegung teilnehmen möchte, unberücksichtigt. Dem Arbeitgeber steht die Auswahlkompetenz bezüglich des mit Notdienstarbeiten betrauten Personals nur dann zu, wenn hinter dem Bedürfnis hiernach wiederum verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen stehen, welche die Auswahlkompetenz der Gewerkschaft im Ausnahmefall zurücktreten lassen. Bei der Auswahl der Psychotherapeuten ist dies der Fall. Nachvollziehbar stellt die Verfügungsklägerin dar, dass Psychotherapeuten für die Patienten Bezugspersonen darstellen. Dabei ist den Verfügungsbeklagten einzuräumen, dass die Verfügungsklägerin auch im Falle des kurzfristigen Ausfalls von entsprechenden Therapeuten Mittel und Wege kennt, etwaige Gefährdungslagen zu vermeiden. Insoweit gesteht das Gericht jedoch auch für diesen Fall der Verfügungsbeklagten die höhere fachliche Kompetenz zu, die es ihr ermöglicht, darüber zu entscheiden, welcher Psychotherapeut den Ausfall der Bezugsperson kompensieren kann.
91d) Auch im Bereich der Diagnostik entspricht die angeordnete Regelung der von der Verfügungsklägerin dargestellten und glaubhaft gemachten Mindestbesetzung. Dabei ist den Verfügungsbeklagten zuzugestehen, dass eine Besetzung lediglich von Montag bis Freitag dagegen spricht, dass die Abwesenheit der entsprechend qualifizierten Mitarbeiter eine unmittelbare Gefährdungslage zur Folge haben kann. Mangels weiterer Erkenntnismöglichkeiten kann das Gericht jedoch nicht ausschließen, dass zumindest diese Besetzung erforderlich ist, um den ebenfalls für erforderlich erachteten Therapiebetrieb aufrecht zu erhalten.
92e) Im Bereich des Wirtschaftsdienstes entspricht die Regelung dem Vorschlag der Verfügungsklägerin bei den Köchen und Küchenhilfen, welcher von den Verfügungsbeklagten unbeanstandet geblieben ist.
93f) Im Bereich Technik entspricht die Mindestbesetzung in der Klinik C sowie der Klinik G ebenfalls der Darstellung der Verfügungsklägerin, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Tätigkeit entsprechend den Behauptungen der Verfügungsklägerin Kenntnis der Gegebenheiten des Gebäudes voraussetzt, wie sie bei den verbleibenden beiden Kliniken bei den dort stetig eingesetzten Fremdfirmen vorhanden ist. Ebenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass an den Tagen von Montag bis Freitag entsprechend dem Vortrag der Verfügungsklägerin eine Präsenz der Technikmitarbeiter erforderlich ist, um routinemäßige Überprüfungen der Geräte und technischen Einrichtungen zu gewährleisten.
94g) Soweit von der beabsichtigten Arbeitsniederlegung der Bereich der Psychotherapie betroffen ist, ist eine Ankündigungsfrist von 24 Stunden zu berücksichtigen, weil der Verfügungsklägerin die Auswahl der einzusetzenden Psychotherapeuten ermöglicht werden muss. Dabei gehört es grundsätzlich auch zur Auswahl durch die Arbeitskampfparteien, ob sie dem ergriffenen Arbeitskampfmittel besondere Wirkung beimessen wollen, indem sie es kurzfristig ohne jegliche Ankündigung ergreifen. Das der Verfügungsklägerin zugestandene Bedürfnis, Psychotherapeuten selbst auswählen zu können, gebietet zumindest in diesem Bereich eine andere Beurteilung. Hierdurch wird der Verfügungsbeklagten zu 1) auch nicht jegliche Möglichkeit von Spontanstreiks abgeschnitten. Zwar könnte die Verfügungsklägerin aus einer auf die Psychotherapeuten bezogenen Ankündigung schließen, dass eine Arbeitsniederlegung auch in den übrigen Arbeitsbereichen bevorsteht. Dem wiederum könnte die Verfügungsbeklagte zu 1) dadurch begegnen, dass sie spontan mit einer Arbeitsniederlegung beginnt und die Psychotherapeuten erst 24 Stunden später zum Streik hinzutreten lässt.
95g) Schließlich folgt das Gericht auch der Behauptung der Verfügungsklägerin, dass an der Rezeption in jeder Klinik jeweils ein Mitarbeiter anwesend sein muss (die Klinik C besteht aus zwei Klinikgebäuden), weil mit dem Vortrag der Verfügungsklägerin nicht ausgeschlossen werden kann, dass die koordinativen Tätigkeiten sowie die Annahme von Notrufen zumindest in den Tagesschichten durch diese Mitarbeiter wahrgenommen werden müssen, weil dies den Mitarbeitern des Pflegedienstes, dessen Besetzung während der Streiks ebenfalls dezimiert ist, nicht mehr aufgebürdet werden kann.
962. Auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Die Arbeitsniederlegung hatte zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bereits begonnen.
97III. Die zeitliche Geltung der Regelungsanordnung entspricht dem zuletzt reduzierten zeitlichen Maß des Antrags.
98IV. Die Androhung eines Ordnungsgeldes basiert auf § 890 Abs. 1 ZPO.
99B.
100Im Übrigen sind die Anträge abzuweisen.
101I. Die Unterlassungsanträge erweisen sich als unbegründet, soweit sie sich gegen die Verfügungsbeklagten zu 2 bis 5 als natürliche Personen richten. Ein Unterlassungsanspruch i.S.d. §§ 823, 1004 BGB setzt eine drohende Beeinträchtigung voraus. Erforderlich ist eine Erstbegehungs- bzw. eine Wiederholungsgefahr bezüglich einer zu erwartenden Rechtsbeeinträchtigung begründet durch die gerichtlich in Anspruch genommenen Personen. Mit Ausnahme der Unterzeichnung des Streikaufrufs durch die Verfügungsbeklagten zu 4 und 5 unterlässt die Verfügungsklägerin bezüglich der übrigen Verfügungsbeklagten jeglichen Vortrag, weshalb von diesen eine Beeinträchtigung der eigenen Rechtsgüter zu erwarten ist. Auch im Übrigen ist eine Wiederholungsgefahr seitens der Verfügungsbeklagten zu 4 und 5 nicht anzunehmen. Die Unterzeichnung des Streitaufrufs genügt hierfür nicht. Beide Verfügungsbeklagte sind hauptamtlich für die Verfügungsbeklagte zu 1) tätige Mitarbeiter. Sie handeln im Rahmen der vorliegenden Tarifauseinandersetzung stets mit Wirkung für die Verfügungsbeklagte zu 1). Es ist nicht zu erwarten, dass sie Handlungen vollzögen, die der der Verfügungsbeklagten zu 1) gerichtlich auferlegten Unterlassungsverpflichtung zuwiderliefen.
102II. Die Anträge sind abzuweisen, als dass die Verfügungsklägerin zeitweilig jegliche Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen begehrt. Soweit die Verfügungsklägerin durch Arbeitsniederlegungen in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigt, eine Notversorgung jedoch gesichert ist, hat sie die zu erwartenden Beeinträchtigungen wegen des auch für das Recht zum Arbeitskampf geltenden Verfassungsrangs (Art. 9 GG) hinzunehmen (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 16.01.2007 – 8 Sa 74/07). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Beschränkungsregelung für den Zeitraum bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung weitestgehend den von der Verfügungsklägerin getätigten Vorgaben entsprochen hat.
103III. Im Hinblick auf die konkreten Einzelheiten der gerichtlich angeordneten Notdienstregelung war nicht in allen Punkten den Vorgaben der Verfügungsklägerin zu entsprechen. Dies war dann der Fall, wenn das Gericht insbesondere auf Grund der Erörterungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits davon überzeugt war, dass die von Verfügungsklägerin gewünschten Vorgaben über das Maß des Notwendigen hinausgehen.
1041. So musste der Pflegedirektor der Verfügungsklägerin einräumen, dass keinesfalls stets 60 Prozent der anwesenden Pflegekräfte über eine dreijährige Examinierung verfügen. Der seitens des Pflegedirektors geäußerte Wunsch nach einem solchen Durchschnitt der Besetzung über sämtliche Kliniken hinweg, zeigt, dass die Vorstellungen der Verfügungsbeklagten zumindest in diesem Bereich über das Maß des Notwendigen hinausgehen. Er räumte selbst ein, dass es keine einzuhaltenden Mindestvorgaben gibt und dass die eigens gewünschte Quote auch im Regelbetrieb häufig nicht erreicht ist. Dementsprechend war, soweit sich die Parteien nicht auf eine Mindestbesetzung dreijährig examinierter Pflegekräfte verständigen konnten (für die Tagschichten ist eine Einigung erzielt), die Anwesenheit einer derart qualifizierten Pflegekraft im Nachtdienst als ausreichend anzusehen. Eine andere Betrachtung liefe wiederum auf eine unzulässige Beschränkung des Streikrechts der streikwilligen Pflegekräfte hinaus.
1052. Soweit keine Gründe dafür vorlagen, der Verfügungsklägerin die Kompetenz zur Auswahl derjenigen Arbeitnehmer zu übertragen, welche zum Notdienst herangezogen werden, verblieb es bei einer entsprechenden Kompetenz der Verfügungsbeklagten zu 1. Da davon auszugehen ist, dass Mitarbeiter mit gleicher Qualifikation auch über die gleichen Fähigkeiten verfügen, sind keine Gründe ersichtlich, welche eine andere Beurteilung rechtfertigten. Dies wurde seitens der Verfügungsklägerin zuletzt auch nicht mehr in Frage gestellt.
1063. Im Rahmen der angeordneten Notdienstregelung waren Servicekräfte im Bereich des Wirtschaftsdienstes nicht vorzusehen. Die Verfügungsklägerin beschäftigt in diesem Bereich in erheblichem Umfang Mitarbeiter einer anderen Gesellschaft und Ausfälle im Bereich der eigenen Servicekräfte werden ebenfalls durch diese kompensiert.
1074. Zuletzt war der Verfügungsbeklagten zu 1) neben der auferlegten Ankündigungsfrist über den Beginn einer Arbeitsniederlegung (im Bereich der Psychotherapeuten) hinaus keine weitere Ankündigungsfrist auch in anderen Bereichen abzuverlangen. In den übrigen Bereichen hat die Verfügungsbeklagte die Mindestvorgaben bei Beginn der Arbeitskampfmaßnahme zu berücksichtigen und die Auswahlkompetenz steht ihr zu, so dass es mit dem Beginn der Arbeitsniederlegung auch ohne Ankündigung nicht zu Beeinträchtigungen der Rechtsgüter der Verfügungsklägerin kommt, welche von ihr nicht hinzunehmen wären.
108IV. Die Hilfsanträge, die ebenfalls zur Entscheidung stehen, weil dem Antrag zu Ziffer 2 nicht vollständig entsprochen ist, haben keinen Erfolg.
1091. Der Hilfsantrag zu Ziffer 3 ist unbegründet, weil die von der Verfügungsklägerin vorgelegte Notdienstvereinbarung über das Maß des Notwendigen hinausgeht.
1102. Der Hilfsantrag zu Ziffer 4 ist unzulässig, denn er genügt nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der prozessuale Antrag muss dem Prozessgegner aufzeigen, welche konkrete Handlung ihm abverlangt wird, wodurch er im Falle der Zwangsvollstreckung ein drohendes Zwangsmittel abwenden kann. Der im Antrag verwendete Begriff des „Mitwirkens“ genügt dem nicht.
1113. Der Hilfsantrag zu Ziffer 5 ist unbegründet aus dem in Ziffer 1 genannten Grund.
1124. Der Hilfsantrag zu Ziffer 6 ist unzulässig, weil er ebenfalls nicht hinreichend bestimmt ist. Wann eine Notdienstregelung dazu geeignet ist, Gefährdungen für die Rechtsgüter der Patienten auszuschließen, ist gerade Gegenstand des vorliegend geführten Streits. Die Frage kann deshalb nicht ein anschließendes Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden.
113C.
114Die Kostenentscheidung basiert auf den §§ 46 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO in Verbindung mit der Baumbach’schen Kostenformel. Die Kosten waren gemessen am Grad des Obsiegens und Unterliegens verhältnismäßig zu teilen. Die Verfügungsbeklagten zu 2 bis 5 obsiegen vollständig. Im Prozessrechtsverhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten war jeweils von einem hälftigen Unterliegen auszugehen.
115Gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit den §§ 3 ff. ZPO war der Streit im Urteil festzusetzen.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die Einspruch oder Berufung zulässig ist, sind vorläufig vollstreckbar. Macht der Beklagte glaubhaft, daß die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, so hat das Arbeitsgericht auf seinen Antrag die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil auszuschließen. In den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung kann die Zwangsvollstreckung nur unter derselben Voraussetzung eingestellt werden. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Satz 3 erfolgt ohne Sicherheitsleistung. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss.
(2) Im übrigen finden auf die Zwangsvollstreckung einschließlich des Arrests und der einstweiligen Verfügung die Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozeßordnung Anwendung. Die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung kann in dringenden Fällen, auch dann, wenn der Antrag zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen. Eine in das Schutzschriftenregister nach § 945a Absatz 1 der Zivilprozessordnung eingestellte Schutzschrift gilt auch als bei allen Arbeitsgerichten der Länder eingereicht.
Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 07.01.2015 - 3 Ga 55/14 - abgeändert.
Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über einen Anspruch der Verfügungsklägerin auf tatsächliche Weiterbeschäftigung in einem bestehenden, aber gekündigten Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.
3Die Verfügungsbeklagte betreibt ein Krankenhaus in C. Bei der Verfügungsbeklagten besteht eine Mitarbeitervertretung nach dem MVG EKD. Die 1956 geborene Verfügungsklägerin ist auf der Grundlage des Dienstvertrages vom 10.03.2008 ab dem 01.01.2009 als Chefärztin der Klinik für Neurochirurgie tätig. Der Dienstvertrag enthält u. a. folgende Regelung:
4„§ 21
5Vertragsdauer
6[…]
7(5) Für den Fall der Kündigung dieses Dienstvertrages ist der Dienstgeber berechtigt, den Arzt unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung etwaiger restlicher Urlaubsansprüche von der Arbeit freizustellen. Entsprechendes gilt bei einer einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses.
8[…]“
9Dem Dienstvertrag liegt ein Entwurf der Verfügungsbeklagten zu Grunde. Vor dem Abschluss des Vertrages fanden zwei Verhandlungsgespräche statt. Die Parteien trafen unter dem 10.03.2008 auch eine Vereinbarung über eine ambulante ärztliche Nebentätigkeit der Verfügungsklägerin; zudem wurde ein weiterer Vertrag zwischen der Verfügungsklägerin und der N GmbH abgeschlossen. Im Jahr 2013 erzielte die Verfügungsklägerin eine Jahresvergütung in Höhe von insgesamt ca. 465.000,00 €.
10Die Verfügungsbeklagte stellte zum 01.01.2014 einen neuen Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie ein. Seitdem gab es Unstimmigkeiten zwischen der Verfügungsklägerin und diesem Chefarzt bzw. zwischen den Ärzten dieser beiden Kliniken, insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit für Patienten, bei denen Wirbelsäulenoperationen durchzuführen waren.
11In diesem Zusammenhang wandten sich sowohl die Assistenzärzte als auch die Oberärzte der neurochirurgischen Klinik an die Geschäftsleitung und brachten ihre Besorgnis über eine Kompetenzbeschneidung ihrer Klinik zum Ausdruck. Die Geschäftsleitung forderte die Verfügungsklägerin dazu auf, zu den Schreiben der Assistenz- und Oberärzte Stellung zu nehmen, was diese zunächst verweigerte. Hierfür erhielt sie von der Verfügungsbeklagten eine Abmahnung. Danach richtete die Verfügungsklägerin unter dem 23.05.2013 ein 21seitiges Schreiben an die Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten.
12Im Sommer 2014 bemühte sich die Verfügungsbeklagte, eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Verfügungsklägerin zu erzielen. Diese Gespräche blieben ergebnislos.
13Am 10.11.2014 hörte die Verfügungsbeklagte sowohl die Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten Kündigung der Verfügungsklägerin an und führte auch ein Anhörungsgespräch mit dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten. Die Mitarbeitervertretung erklärte unter dem 18.11.2014, dass sie sich für die Verfügungsklägerin als leitende Angestellte nicht zuständig halte. Mit Schreiben vom 27.11.2014 sprach die Verfügungsbeklagte gegenüber der Verfügungsklägerin die ordentliche Kündigung zum 30.06.2015 aus. Unter Bezugnahme auf § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages stellte sie die Verfügungsklägerin von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Die Verfügungsklägerin erhob binnen drei Wochen beim Arbeitsgericht Bielefeld Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 27.11.2014. Im Kündigungsschutzrechtsstreit ist Kammertermin auf den 24.06.2015 bestimmt worden.
14Mit einem am 03.12.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Verfügungsklägerin das vorliegende Verfahren anhängig gemacht. Sie begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Freistellung.
15Die Verfügungsklägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Freistellung seitens der Verfügungsbeklagten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist rechtswidrig sei und sie einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung habe. Bei der Regelung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages handele es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Diese Regelung sei schon gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Bestandteil des Vertrages geworden, da ein solches Suspendierungsrecht unter der Überschrift Vertragsdauer überraschend sei. Durch die formularmäßige Einräumung eines einseitigen Suspendierungsrechts werde sie jedenfalls gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass die ausgesprochene Kündigung offensichtlich unwirksam sei. Das Mitbestimmungsverfahren sei nicht ordnungsgemäß abgeschlossen worden. Für die ordentliche Kündigung sei nach § 38 MVG EKD die Zustimmung der Mitarbeitervertretung notwendig. Die Zustimmungsfiktion des § 38 Abs. 1 S. 1 MVG EKD trete allein dann ein, wenn die Mitarbeitervertretung gänzlich untätig bleibe und keine Erörterung beantrage. Äußere sich jedoch die Mitarbeitervertretung wie im vorliegenden Fall, so sei die Verfügungsbeklagte verpflichtet, kirchenrechtlich die Zustimmung durch das Kirchengericht ersetzen zu lassen. Darüber hinaus sei nicht ansatzweise ein Kündigungsgrund erkennbar. – Es bestehe auch ein Verfügungsgrund. Die Verfügungsklägerin sei auf eine tatsächliche Tätigkeit in ihrem Fachgebiet angewiesen, da sie durch den Ausschluss von den Operationstätigkeiten über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten bei der Durchführung der äußerst sensiblen und komplizierten Eingriffe verliere. Ihr sei auch die Möglichkeit genommen, an der fachlichen Entwicklung in ihrem Fachgebiet teilzuhaben. Sie verliere den Kontakt zu den einweisenden Ärzten und Behörden. Weiterhin drohe ihr der Verlust des in den Jahren der Beschäftigung aufgebauten Patientenstammes. Ihre Reputation innerhalb des Krankenhauses und in der externen Fachwelt leide durch die langfristige Freistellung. Auch ihrer Verpflichtung, Doktoranden bei ihrer Dissertation zu betreuen, könne sie nicht weiter nachkommen. Schließlich gereiche ihre Freistellung auch der Verfügungsbeklagten zum Nachteil, da Oberärzte wegen ihrer Freistellung bereits das Anstellungsverhältnis gekündigt hätten bzw. beabsichtigten zu kündigen.
16Die Verfügungsklägerin hat beantragt,
17die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, sie als Chefarzt in der Klinik für Neurochirurgie des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld zu unveränderten Bedingungen gemäß ihres Dienstvertrages vom 10.03.2008 bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.2015 weiter zu beschäftigen.
18Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
19den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
20Die Verfügungsbeklagte hat die Auffassung vertreten, der Verfügungsklägerin stehe kein Verfügungsanspruch zu. Der Dienstvertrag enthalte keine allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern sei ein individuell ausgehandelter Vertrag. Dies ergebe sich aus den umfangreichen Vertragsgesprächen, in denen auf der Grundlage einer gutachterlichen Stellungnahme, die die Verfügungsklägerin habe anfertigen lassen, der Vertrag eingehend verhandelt worden sei. Selbst unter Zugrundelegung einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB sei die Vereinbarung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages wirksam und benachteilige die Verfügungsklägerin nicht unangemessen. Die Verfügungsbeklagte hat hierzu vorgetragen, sich nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Freistellung der Verfügungsklägerin in der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung entschlossen zu haben. Die Kooperationsbereitschaft der Verfügungsklägerin mit der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie sei ungenügend gewesen. Eine Kooperation zwischen dieser Klinik und der Klinik für Neurochirurgie sei aber wegen des im Hause etablierten überregionalen Traumazentrums zur optimalen Versorgung Schwerstverletzter unerlässlich. Die Verfügungsklägerin habe die Qualifikation des Chefarztes der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie infrage gestellt und sich dem Auftrag der Geschäftsführung verweigert, eine gemeinsame Verfahrensanweisung für beide Kliniken zu erstellen. Sie habe gegenüber dem kaufmännischen Direktor der Verfügungsbeklagten behauptet, eine externe Überprüfung der Arbeitszeitregelungen in der Klinik für Neurochirurgie habe von der Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten vorsätzlich angestoßen sein können, um ihr zu schaden. Zudem habe die Verfügungsklägerin geäußert, bei der Klärung der Zusammenarbeit zwischen beiden Kliniken habe die Geschäftsführung nicht mehr das Wohl der Patienten im Sinn. Einem ärztlichen Direktor der Klinik habe die Verfügungsklägerin vorgeworfen, wegen ökonomischer Gründe Patienten unnötig lange zu beatmen. Die ausgesprochene Kündigung sei auch nicht offensichtlich unwirksam. Sie beruhe darauf, dass die Verfügungsklägerin durch ihr Verhalten die Vertrauensgrundlage für die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses endgültig zerstört habe. Sie habe auf Chefarztebene eine „Brunnenvergiftung“ begangen. Seit dem Amtsantritt des neuen Chefarztes der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie habe sich die Klägerin einer kooperativen interdisziplinären Zusammenarbeit verweigert. Die Geschäftsleitung sei daher genötigt gewesen, eine Verhaltensanweisung im Umgang mit Wirbelsäulenoperationen für die Kliniken der Orthopädie und Unfallchirurgie und der Neurochirurgie zu erteilen. Die Verfügungsklägerin habe überdies in der Vorplanung der Operationszahlen für das Jahr 2015 zu niedrige Zahlen angegeben, um ihre Meinung zu untermauern, dass durch die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie die Kompetenzen der neurochirurgischen Klinik beschnitten würden. Die kirchengerichtliche Zustimmungsersetzung der Mitarbeitervertretung sei nicht erforderlich gewesen. Durch den Ablauf der Zweiwochenfrist ohne Antrag auf Erörterung oder ausreichende Zustimmungsverweigerung nach § 41 Abs. 2 MVG EKD sei die Zustimmungsfiktion des § 38 Abs. 3 S. 1 MVG EKD eingetreten. – Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass der Verfügungsklägerin kein Verfügungsgrund zur Seite steht. Die Verfügungsklägerin trage nur formelhaft vor, dass sie aufgrund der sechsmonatigen Freistellung wichtige Fähigkeiten und Fertigkeiten verliere.
21Das Arbeitsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprochen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Verfügungsklägerin habe einen Verfügungsanspruch auf tatsächliche Beschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, da die Vereinbarung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam sei. Jedenfalls diese Klausel des Vertragswerks sei zwischen den Parteien nicht individuell ausgehandelt worden. Die Freistellungsklausel benachteilige die Verfügungsklägerin in unangemessener Weise, da die Klausel allein an den Ausspruch einer Kündigung anknüpfe und keinerlei weitere inhaltliche Einschränkungen aufweise. Ein Verfügungsgrund ergebe sich für die Verfügungsklägerin daraus, dass sie bei einer Nichtbeschäftigung über einen Zeitraum von insgesamt ca. sieben Monaten die alltägliche Routine bei der Vornahme der Operationen verliere. Darüber hinaus drohe der Verfügungsklägerin durch die Nichtbeschäftigung, die in ihrer Außenwirkung einer fristlosen Kündigung nahekomme, ein nicht unerheblicher Verlust an Reputation. Außerdem komme auch die private Behandlung von Patienten, die der Verfügungsklägerin aufgrund einer Nebentätigkeitsgenehmigung erlaubt sei, sinnvollerweise nur in den Räumlichkeiten der Verfügungsbeklagten in Betracht; das Beschäftigungsverbot führe auch zu der Gefahr, dass der insoweit von der Verfügungsklägerin aufgebaute Patientenstamm beeinträchtigt werde.
22Gegen das erstinstanzliche Urteil, das am 07.01.2015 verkündet und der Verfügungsbeklagten am 12.01.2015 zugestellt worden ist, hat die Verfügungsbeklagte mit einem Schriftsatz, der am 07.01.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung mit einem am 19.01.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
23Nach Auffassung der Verfügungsbeklagten ist die Vereinbarung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages nicht unwirksam. Eine solche Freistellungsregelung sei bei 21 von 26 Chefarztverträgen Gegenstand des Vertragswerkes. Es handele sich nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Zwar sei diese konkrete Klausel nicht ausdrücklich Gegenstand der Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien gewesen. Konkrete Gespräche über eine Vertragsklausel seien jedoch nicht erforderlich, um sie als Individualvereinbarung zu qualifizieren. Denn es gebe in Vertragsentwürfen immer Regelungen, die für beide Parteien gar nicht verhandlungswert seien. Jedenfalls benachteilige die Freistellungsklausel die Verfügungsklägerin nicht unangemessen. Die Verfügungsklägerin gehöre einer Gruppe von Arbeitnehmern an, bei denen aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung davon ausgegangen werden dürfe, dass das Interesse des Arbeitgebers an einer Suspendierung nach dem Ausspruch einer Kündigung überwiege. Überdies stehe das Freistellungsrecht unter dem Vorbehalt der Ausübung nach billigem Ermessen. – Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass ein Verfügungsgrund für die Verfügungsklägerin bestehe. Hierzu trägt die Verfügungsbeklagte vor, die Freistellung der Klägerin sei in der Fachwelt allenfalls durch Äußerungen der Verfügungsklägerin oder durch die Veröffentlichung des Sitzungsergebnisses im erstinstanzlichen Verfahren bekannt geworden. Das Arbeitsgericht irre, wenn es davon ausgehe, der Klägerin drohe ein nicht unerheblicher Verlust an Reputation. Bei einer Operateurin wie der Verfügungsklägerin mit einer mehr als 25-jährigen Berufserfahrung sei es nicht vorstellbar, dass sie in sieben Monaten der Nichtbeschäftigung die alltägliche Routine verliere. Im Hinblick auf Forschungsvorhaben, Erkrankungen oder Schwangerschaften komme es in der Praxis auch bei neurochirurgisch tätigen Medizinern häufig vor, dass eine längere Pause in der beruflichen Tätigkeit eintritt, ohne dass dies zu einem Verlust an beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten führe. Die ihr genehmigte Nebentätigkeit könne die Verfügungsklägerin jetzt noch ausüben, auch in den Räumen des Krankenhauses. Sie gehe allerdings aufgrund ihrer eigenen Entscheidung ihren Nebentätigkeiten seit der Freistellung nicht mehr nach. Während der Freistellungszeit versäume die Verfügungsklägerin auch nicht technische Neuerungen, von denen es in den letzten sechs Jahren zwei in dem medizinisch-technischen Bereich gegeben habe, den die Verfügungsklägerin leitete. Die Verfügungsklägerin könne sich auch nicht darauf berufen, Kontakt zu den Krankenhausärzten und Behörden aufgrund der Freistellung zu verlieren. Die Verfügungsklägerin verfüge über einen so genannten KV-Sitz nicht. Ein Kontakt zu den Behörden sei für die Verfügungsklägerin nicht erforderlich. Im Übrigen könne sich die Verfügungsklägerin auch während ihrer Freistellung um solche Kontakte bemühen. Die Freistellung der Verfügungsklägerin sei auch ohne Einfluss auf etwaige Dissertationsvorhaben nachgeordneter Ärzte.
24Die Verfügungsbeklagte beantragt,
25das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 07.01.2015 (Aktenzeichen: 3 Ga 55/14) abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
26Die Verfügungsklägerin beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Die Verfügungsklägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Freistellungsklausel in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages sei keine individuell ausgehandelte Klausel. Die Verfügungsbeklagte habe nicht angeboten, den Inhalt des § 21 Abs. 5 nach den Vorstellungen der Klägerin zu gestalten und auch keine hinreichende Bereitschaft zur Verhandlung der übrigen vorformulierten Klauseln gezeigt. Trotz der von der Verfügungsklägerin unterbreiteten 46 Änderungsvorschläge habe die Verfügungsbeklagte lediglich 4 Änderungen vorgenommen, die ausschließlich redaktioneller und nicht inhaltlicher Natur gewesen seien. Eine unangemessene Benachteiligung zu Lasten der Verfügungsklägerin ergebe sich aus der Freistellungsklausel, weil die Klausel auch im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung einen Freistellungsvorbehalt für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist vorsehe, der an keine weiteren inhaltlichen Voraussetzungen geknüpft sei. Durch die vorbehaltene und im Streitfall erklärte Freistellung der Verfügungsklägerin könne sie keine Liquidationseinnahmen aus wahlärztlichen Leistungen mehr erzielen; insofern reduzierten sich ihre Bezüge faktisch auf die Festvergütung. Die Freistellungsklausel sei unter der Überschrift „Vertragsdauer“ überraschend und deshalb nicht Vertragsbestandteil geworden. - Es bestehe auch ein Verfügungsgrund, da der Verfügungsklägerin wichtige Fähigkeiten und Fertigkeiten nahezu unwiederbringlich verloren gingen. Die Anforderungen an einen Neurochirurgen bestünden in besonderem Maße auch in der Präzision, der Fingerfertigkeit und manuellen Geschicklichkeit sowie in der durch jeden operativen Eingriff wachsenden Erfahrung. Die Verfügungsklägerin befinde sich, anders als junge Ärzte, die aufgrund der Elternzeit pausierten, auf dem Zenit ihrer Fertigkeiten und Erfahrungen; daher sei ihr Verlust an Fertigkeiten höher und weniger schnell wiedergewinnbar. Der Ruf der Verfügungsklägerin leide unter der Freistellung. Ihrem Ehemann, der als Orthopäde niedergelassen sei, habe eine Patientin das Gerücht zugetragen, die Verfügungsklägerin sei aus der Klinik von Polizeibeamten „abgeführt“ worden. Die isolierte Fortführung der Privatambulanz sei für die Verfügungsklägerin nicht möglich und besitze keinerlei Wert für sie; die Verfügungsbeklagte habe ihr jeglichen Kontakt zu den Mitarbeitern untersagt, falls sie ihre Nebentätigkeiten wieder aufnehme. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an den Verfügungsgrund in einem proportionalen Verhältnis zur Offenkundigkeit der Verletzung des vertraglichen Beschäftigungsanspruchs stünden. Wenn, wie im Streitfall, die Maßnahme des Arbeitgebers offensichtlich rechtswidrig sei, könne dies bereits den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen. Der Anspruch auf Beschäftigung gehe durch Zeitablauf unwiederbringlich verloren, und zwar für einen erheblichen Zeitraum von sieben Monaten, der die Dauer des Jahresurlaubs deutlich überschreite.
29Entscheidungsgründe
30I.
31Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig.
32Die Verfügungsbeklagte hat die Berufung insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG eingelegt und begründet.
33II.
34Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
35Der Erlass einer einstweiligen Verfügung kommt nicht in Betracht. Dabei lässt das Berufungsgericht offen, ob ein Verfügungsanspruch, also ein vertraglicher Anspruch der Verfügungsklägerin auf tatsächliche Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, besteht oder ob diesem Anspruch die auf § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages gestützte Freistellungserklärung der Verfügungsbeklagten entgegensteht. Es fehlt jedenfalls am erforderlichen Verfügungsgrund.
361. Eine einstweilige Verfügung kann nur ergehen, wenn ein so genannter Verfügungsgrund besteht.
37a) Nach den Bestimmungen der §§ 935 ff. ZPO kommt der Erlass einer einstweiligen Verfügung nur in Betracht, wenn es sich um eine dringliche Angelegenheit handelt und die Entscheidung im Eilverfahren erforderlich ist. Bei einer Sicherungsverfügung gemäß § 935 ZPO muss die objektive Gefahr bestehen, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Eine Regelungsverfügung gemäß § 940 ZPO setzt voraus, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. In beiden Fällen sind an den Verfügungsgrund dann besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn die begehrte Eilentscheidung Ansprüche nicht nur sichern, sondern (teilweise) befriedigen soll, wenn also durch die einstweilige Verfügung die Hauptsache ganz oder zumindest teilweise vorweg genommen wird und insoweit endgültige Verhältnisse geschaffen werden (LAG Hamm, Urteil v. 29.10.2009 - 11 SaGa 28/09; LAG Nürnberg, Urteil v. 12.09.2007 - 4 Sa 586/07, ZTR 2008, 109; Vossen, in: GK-ArbGG, Stand: April 2012, § 62 Rdnr. 64; Germelmann, in: Germelmann/Matthes/Prütting, 8. Aufl. 2013, § 62 ArbGG Rdnr. 97, jew. m. w. N.). Eine solche Leistungs- oder Befriedigungsverfügung erstrebt die Verfügungsklägerin, da die begehrte tatsächliche Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht wieder rückabgewickelt werden kann.
38b) Zwar ist anerkannt, dass der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung auch im Wege einer Leistungsverfügung nach § 940 ZPO durchgesetzt werden kann (vgl. nur Vossen, in: GK-ArbGG, § 62 Rdnr. 69a). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ein besonderes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers besteht, das den Erlass einer Leistungsverfügung rechtfertigt (LAG Hamburg, Urteil v. 24.07.2013 - 5 SaGa 1/13; LAG Hessen, Urteil v. 20.03.2013 - 18 SaGa 75/13; Baur, in: Dunkl/Möller/Baur/Feldmeier, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Auflage 1998, S. 275 f).
39Ein Verfügungsgrund folgt nicht bereits daraus, dass der Beschäftigungsanspruch der Verfügungsklägerin durch Zeitablauf unmöglich wird. Allein die nicht rechtzeitige Durchführbarkeit des Hauptsacheverfahrens und der daraus folgende Untergang des Beschäftigungsanspruchs für die jeweiligen Arbeitstage kann nicht den Verfügungsgrund ersetzen (LAG Hamburg, Urteil v. 24.07.2013 - 5 SaGa 1/13; LAG Köln, Urteil v. 13.05.2005 - 4 Sa 400/05; Schrader, BB 2012, 445, 446 f.; Vossen, in: GK-ArbGG, § 62 Rdnr. 69a, jeweils m. w. N.). Dem stehen die besonderen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 940 ZPO entgegen. Zwar trifft es zu, dass die nicht termingerechte Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs für die Verfügungsklägerin einen endgültigen Rechtsverlust bedeutet. Jedoch ist andererseits zu berücksichtigen, dass die Verfügungsbeklagte bei Erlass der begehrten Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung wegen des späteren Zeitablaufs nicht die Möglichkeit hat, im Hauptsacheverfahren die vollzogene einstweilige Verfügung rückgängig zu machen.
402. An einem solchen besonderen Beschäftigungsinteresse der Verfügungsklägerin fehlt es.
41a) Das Erfordernis eines besonderen Beschäftigungsinteresses entfällt nicht aufgrund der Überlegung, dass die Rechtslage eindeutig ist und der Beschäftigungsanspruch der Verfügungsklägerin unzweifelhaft besteht.
42Wenn der Verfügungsanspruch keinen rechtlichen Bedenken begegnet, sind keine besonderen Anforderungen an den Verfügungsgrund zugunsten des die Weiterbeschäftigung begehrenden Arbeitnehmers zu stellen, denn ein berechtigtes Interesse des Arbeitsgebers an der Aufrechterhaltung eines offenkundig rechtswidrigen Zustandes ist nicht anzuerkennen (LAG Hessen, Urteil v. 28.06.2010 - 16 SaGa 811/10; LAG Hamm, Urteil v. 08.11.2004 - 8 Sa 1798/04; LAG Köln, Urteil v. 14.06.1997 - 4 Sa 177/96; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 2. Auflage 2007, Rdnr. 94 m. w. N.). Es ist aber nicht offensichtlich, dass ein Beschäftigungsanspruch der Verfügungsklägerin besteht. Zwar trifft den Arbeitgeber im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht nur die Pflicht, den Arbeitnehmer zu vergüten, sondern auch die Pflicht zur tatsächlichen Beschäftigung (vgl. nur Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, § 611 BGB, Rdnr. 563 ff. m. w. N.). Im Streitfall gibt es indes eine vertragliche Regelung zur Suspendierung der Beschäftigungspflicht. Die Verfügungsbeklagte stellte die Verfügungsklägerin unter Berufung auf die Regelung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages frei. Dass diese Regelung der Verfügungsbeklagten keine Freistellungsbefugnis gewährt, ist jedenfalls nicht offenkundig. Dies gilt für die Wirksamkeit der Klausel an sich (dazu nachfolgend unter aa) und auch für die Ausübung des Freistellungsrechts (dazu nachfolgend unter bb).
43aa) Die Freistellungsklausel in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages ist nicht aufgrund der §§ 305 ff. BGB evident unwirksam.
44(1) Es spricht bereits einiges dafür, dass die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB über die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen auf den Dienstvertrag, der zwischen den Parteien abgeschlossen wurde, nicht anwendbar sind.
45Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB findet eine AGB-Kontrolle jedenfalls dann nicht statt, wenn der Vertragsgegner auf den Inhalt vorformulierter Vertragsbedingungen Einfluss nehmen konnte. Als individuelle Vertragsabrede wäre die Bestimmung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages keinen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Individualvereinbarungen über Freistellungsbefugnisse des Arbeitgebers nach dem Ausspruch einer Kündigung sind zulässig (vgl. nur Mues, ArbRB 2009, 214).
46Die Möglichkeit der Einflussnahme setzt voraus, dass der Verwender den gesetzesfremden Kerngehalt seiner AGB bzw. vorformulierten Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt; das Merkmal des Einflussnehmens in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB entspricht dem „Aushandeln“ in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB (dazu und zum Folgenden: BAG, Urteil v. 12.12.2013 - 8 AZR 829/12, Urteil v. 19.05.2010 - 5 AZR 253/09). Die Möglichkeit der Einflussnahme ist nicht bereits dann auszuschließen, wenn der vorformulierte Text bestehen bleibt. In aller Regel schlägt sich eine Bereitschaft zum Aushandeln zwar in Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Bleibt es nach Erörterung bei dem vorformulierten Text, weil der Betroffene nunmehr mit diesem einverstanden ist, so kann der Vertrag gleichfalls als das Ergebnis eines Aushandelns betrachtet werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu eventuell gewünschten Abänderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt und dass dies dem anderen Teil bei Abschluss des Vertrags bewusst war. Die Möglichkeit der Einflussnahme muss sich dabei auf die konkrete Klausel beziehen, deren Anwendbarkeit oder Auslegung im Streit steht. Vorformulierte Bedingungen in einem Vertragswerk, die nicht ausgehandelt wurden, sind weiterhin am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu messen. Dies folgt aus der Verwendung des Wortes „soweit“ in § 305 Abs. 1 Satz 3 und § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Ist die Möglichkeit der Einflussnahme streitig, muss der Verwender - nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast - den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlegt, wie er Klauseln zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe die Klauseln freiwillig akzeptiert.
47In der Praxis kommt es vor dem Abschluss von Chefarztverträgen regelmäßig zu Vertragsverhandlungen (dazu Münzel, NZA 2011, 886, 887 ff.). Auch im vorliegenden Fall fanden - unstreitig - Vertragsverhandlungen vor Abschluss des Dienstvertrages vom 10.03.2008 statt. Die Verfügungsklägerin hatte Gelegenheit, das Vertragswerk durch einen Rechtsberater überprüfen zu lassen; sie hatte auch zahlreiche Änderungsvorschläge in die Vertragsverhandlungen eingebracht. Dass diese Änderungsvorschläge nur zu einem geringen Teil durchsetzbar waren, ändert an der Möglichkeit der Einflussnahme nichts. Auch der Umstand, dass die Parteien keine Verhandlungen über den Inhalt der Regelung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages führten, steht einer Einflussnahmemöglichkeit der Verfügungsklägerin nicht entgegen.
48Ob die Verfügungsbeklagte nähere Umstände der Vertragsverhandlungen, zur Möglichkeit eines Aushandelns und zur Bereitschaft, bestimmte im Vertragsentwurf vorgesehene Klauseln zur Disposition zu stellen, hätte vortragen müssen, mag offen bleiben. Es wäre jedenfalls eine bloße Förmelei, die Verfügungsbeklagte als Verwenderin eines Vertragsmusters zu verpflichten, die Verfügungsklägerin im Hinblick auf jedwede Vertragsbestimmung zu befragen, ob eine Änderung gewünscht sei. Weil die Verfügungsklägerin sich auf die Vertragsverhandlungen durch eine rechtsgutachterliche Stellungnahme vorbereitet hatte, die den Vertragsverhandlungen zugrunde lag, neigt das Berufungsgericht der Auffassung zu, dass die Verfügungsbeklagte sich darauf verlassen durfte, die Verfügungsklägerin werde die Punkte ansprechen, die sie für verhandelnswert erachtet.
49(2) Aber auch dann, wenn man zugunsten der Verfügungsklägerin davon ausgeht, dass die Bestimmung in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages als Allgemeine Geschäftsbedingung einer besonderen Rechtskontrolle unterliegt, ist es nicht offenkundig, dass diese Klausel der Verfügungsbeklagten kein Freistellungsrecht verleiht und ein Beschäftigungsanspruch besteht.
50(a) Die Verfügungsklägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Klausel als überraschende Bestimmung im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil wurde.
51Eine überraschende Klausel (dazu Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, §§ 305 - 310 BGB Rdnr. 29 m. w. N.) liegt vor, wenn die vertragliche Bestimmung objektiv ungewöhnlich ist und der andere Teil mit der Klausel nicht zu rechnen braucht. Die Regelung muss von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweichen, ihr muss ein „Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt“ innewohnen.
52Diese Voraussetzungen liegen im Hinblick auf die im Streitfall vertraglich vereinbarte Freistellungsklausel nicht vor. Freistellungsklauseln im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung entsprechen einer weit verbreiteten Übung in der arbeitsvertraglichen Praxis. Die Bestimmung ist im Dienstvertrag auch nicht an einer Stelle „versteckt“, an der sie ein vernünftiger Vertragspartner nicht erwarten würde. Es besteht ein systematischer Regelungszusammenhang zwischen der Vertragsdauer (Überschrift des § 21), der Kündigungsmöglichkeit (§ 21 Abs. 2 und 3) und der Vereinbarung des Freistellungsrechts nach Ausspruch einer Kündigung (§ 21 Abs. 5). Außerhalb der Regelung des § 21 enthält der Dienstvertrag keine Bestimmungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
53(b) Die Freistellungsklausel in § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages ist nicht gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
54Es handelt sich nicht um eine Vereinbarung, durch die der Arbeitgeber als Klauselverwender das Recht erhält, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen. Die Freistellung ist nicht als Modifikation der arbeitgeberseitigen Leistungspflicht anzusehen, sondern als ein Verzicht des Arbeitgebers auf die Annahme der Gegenleistung (Mengel, in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 2. Auflage 2011, § 1 Rdnr. 1732).
55(c) Die Freistellungsklausel ist nach § 307 Abs. 1 BGB jedenfalls nicht offenkundig unwirksam.
56(aa) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet an, dass Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Ob Freistellungsklauseln eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen, ist umstritten.
57Nur vereinzelt begegnet man der Ansicht, Freistellungsklauseln seien generell unzulässig (Fischer, NZA 2004, 233). Häufiger wird die Auffassung vertreten, die vertraglich vereinbarte Freistellungsmöglichkeit nach dem Ausspruch einer Kündigung sei grundsätzlich rechtswirksam (LAG Hamburg, Urteil v. 22.10.2008 – 5 SaGa 5/08; LAG Köln, Urteil v. 20.02.2006 - 14 (10) Sa 1394/05; LAG Hamm, Urteil v. 03.02.2004 – 19 Sa 120/04; LAG München, Urteil v. 14.03.2003 – 6 Sa 184/03, Urteil v. 07.05.2003 - 5 Sa 297/03 [für Freistellung außertariflicher Mitarbeiter]; Bauer, NZA 2007, 409, 412 [er ist der Ansicht, die Kündigung bilde einen sachlichen Grund für die Freistellung]; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Kreitner, in: Personalhandbuch 2012, Stichwort „Freistellung von der Arbeit“ Rn. 16; Mengel, in: Hümmerich/Reufels, 2. A. 2011, § 1 Rn. 1751, 1757, 1732). Andere meinen, vorformulierte Freistellungsklauseln seien nur wirksam, falls – über den Ausspruch der Kündigung hinausgehend – ein besonderes Freistellungsinteresse des Arbeitgebers vorliege und in der Klauselformulierung wiedergegeben sei (LAG Hamburg, Urteil v. 24.07.2013 - 5 SaGa 1/13; LAG Hessen, Urteil v. 14.03.2011 - 16 Sa 1677/10, Urteil v. 20.03.2013 - 18 SaGa 75/13; Krause, NZA Beil. 1/2005, 62 f. [der aber für einen großzügigen Maßstab bei leitenden Angestellten eintritt]; Ohlendorf/Salomon, NZA 2008, 851, 859 f.; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 611 BGB Rn. 570 m. w. N.)
58Das Berufungsgericht lässt es offen, welcher Ansicht zu folgen ist. Es spricht freilich einiges dafür, dass ein Freistellungsrecht des Arbeitgebers nach dem Ausspruch einer Kündigung jedenfalls dann auch formularmäßig vereinbart werden kann, wenn es sich beim Arbeitnehmer um einen Mitarbeiter in leitender herausgehobener Stellung handelt (so auch LAG München, Urteil v. 07.05.2003 - 5 Sa 297/03; LAG Köln, Urteil v. 13.05.2005 - 4 Sa 400/05; ähnlich LAG Hamburg, Urteil v. 24.07.2013 - 5 SaGa 1/13). Zwar wird das Recht des Arbeitnehmers, seinen Beschäftigungsanspruch geltend zu machen, durch einen formularmäßigen Vorausverzicht eingeschränkt. Für ein Freistellungsrecht des Arbeitgebers nach dem Ausspruch einer Kündigung gegenüber einem Mitarbeiter, der – wie die Verfügungsklägerin als Chefärztin – in leitender und herausgehobener Stellung tätig ist, spricht jedoch, dass durch die Freistellung mögliche Loyalitätsprobleme und Interessenkollisionen verhindert werden (LAG Hamm, Urteil v. 03.02.2004 - 19 Sa 120/04). Die praktische Erfahrung zeigt, dass ein Arbeitsverhältnis nach dem Ausspruch einer Kündigung häufig belastet ist (vgl. Schrader, BB 2012, 445: „Motivation niedrig, Fehlzeitenquote hoch“). Die Tatsache des Kündigungsausspruchs an sich führt beiderseitig in der Regel zu einer Vertrauenseinbuße und zu Spannungen (LAG Hessen, Urteil v. 27.07.2013 - 18 SaGa 75/13). Dieser Umstand vermag jedenfalls das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters in herausgehobener und leitender Position, das in besonderem Maße auf eine belastbare Vertrauensgrundlage angewiesen ist, nachhaltig zu stören, und zwar unabhängig davon, ob die Kündigung aus verhaltens-, betriebs- oder personenbedingten Gründen erklärt wurde.
59Ist die Freistellung – wie im Streitfall – ausdrücklich unter Vergütungsfortzahlung vorgesehen, tritt eine Gefährdung des Vertragszwecks gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht ein (Mengel, in: Hümmerich/Reufels, § 1 Rdnr. 1732). Denn der Hauptvertragszweck, die Sicherung der Existenzgrundlage durch die Vergütungszahlung, wird durch die Freistellung nicht tangiert.
60Angesichts des uneinheitlichen Meinungsbildes in Rechtsprechung und Literatur kann die Rechtslage keinesfalls so bewertet werden, dass die vereinbarte Freistellungsklausel offenkundig unwirksam ist; vielmehr muss die Rechtslage als zweifelhaft gelten. Bei einer schwierigen und ungeklärten Rechtslage sind die Anforderungen an den Verfügungsgrund jedoch nicht abzuschwächen (LAG Köln, Urteil v. 13.05.2005 - 4 Sa 400/05, Urteil v. 14.06.1996 - 4 Sa 177/96; Dunkl in Dunkl/Möller/Baur/Feldmeier, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 129 f.). Eine Entscheidung im Eilverfahren der einstweiligen Verfügung ist nicht geeignet, schwierige und grundsätzliche Rechtsfragen zu klären. Die Entscheidung im Eilverfahren dient nur der vorläufigen Sicherung von Rechten, ist auf eine summarische Prüfung beschränkt und unterliegt nicht der Revision (§ 72 Abs. 4 ArbGG).
61(bb) Durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit der Freistellungsklausel ergeben sich nicht aus dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
62Die vertragliche Regelung ist in sich klar und verständlich. Das Freistellungsrecht gemäß § 21 des Dienstvertrages besteht nur, falls zuvor eine Kündigung ausgesprochen wird. Andere Freistellungsgründe kommen nicht in Betracht. Ob es zulässig ist, die Freistellung allein vom Ausspruch einer Kündigung abhängig zu machen, ist kein Problem der Transparenz, sondern hängt von der (umstrittenen) Frage einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ab.
63bb) Gegen die wirksame Ausübung des Freistellungsrechts durch die Verfügungsbeklagte bestehen bei summarischer Prüfung keine Bedenken.
64(1) Die Verfügungsbeklagte hat die für eine Freistellung der Verfügungsklägerin erforderliche Kündigung mit dem Schreiben vom 27.11.2014 erklärt. Diese Kündigung ist nicht offensichtlich rechtsunwirksam.
65Nach § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages besteht das Freistellungsrecht für (jeden) Fall der Kündigung. Der Ausspruch einer offensichtlich unwirksamen Kündigung vermag jedoch ein Freistellungsrecht nicht zu begründen (so auch LAG München, Urteil v. 07.05.2003 - 5 Sa 297/13; LAG Hamm, Urteil v. 03.02.2004 - 19 Sa 120/04). Das ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 BGB.
66Offensichtlich unwirksam ist eine Kündigung nur dann, wenn sich aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der sich aus dem Parteivortrag ergibt, die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss (BAG GS, Beschluss vom 27.02.1985 – GS 1/84), wenn etwa der Kündigende sie auf Umstände stützen will, die schon auf den ersten Blick nicht geeignet sind, einen Kündigungsgrund darzustellen. So verhält es sich im Streitfall nicht. Die Verfügungsbeklagte stützt die Kündigung auf Gründe im Verhalten der Verfügungsklägerin. Sie hat im Schreiben vom 10.11.2014, das nebst Anlagen dem Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 05.01.2015 beigefügt war, die Mitarbeitervertretung über verschiedene Verhaltensweisen der Verfügungsklägerin informiert, die nach Auffassung der Verfügungsbeklagten Vertragspflichtverletzungen darstellen und das Vertrauensverhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und der Geschäftsführung nachhaltig zerstörten. Ob diese rechtliche Wertung zutreffend ist und ob die Kündigung den Anforderungen nach § 21 Abs. 3 des Dienstvertrages genügt, muss im vorliegenden Eilverfahren nicht geklärt werden. Die Wertung der Verfügungsbeklagten ist jedenfalls nicht evident unzutreffend, zumal die Verfügungsklägerin mit dem Schreiben vom 19.05.2014 abgemahnt wurde und die Kündigung auch auf zeitlich später liegende Vorkommnisse gestützt werden soll.
67Die Kündigung ist auch nicht wegen offensichtlich fehlerhafter Beteiligung der Mitarbeitervertretung unwirksam. Das Berufungsgericht schließt sich insoweit der rechtlichen Bewertung durch das Arbeitsgericht an. Der Mitarbeitervertretung steht zwar im Hinblick auf die Kündigung ein (eingeschränktes) Mitbestimmungsrecht gemäß §§ 42 Buchst. b, 41 Abs. 3 MVG zu. Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung gilt im Streitfall jedoch nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG als erteilt. Die Verfügungsbeklagte hatte die Mitarbeitervertretung mit dem Schreiben vom 10.11.2014 über die Kündigungsgründe informiert und um Zustimmung zur Kündigung gebeten. Die Mitarbeitervertretung widersprach der Kündigung nicht und verlangte auch keine weitere Erörterung, sondern teilte unter dem 18.11.2014 mit, sie halte sich nicht für zuständig. Die Kündigung vom 27.11.2014 wurde erst nach Ablauf der Zweiwochenfrist des § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG erklärt.
68(2) Die Freistellung der Verfügungsklägerin verletzt nicht die Grenzen des billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB).
69Der Arbeitgeber darf von einem vertraglich vereinbarten Freistellungsrecht nur nach billigem Ermessen Gebrauch machen (LAG Köln, Urteil v. 13.05.2005 - 4 Sa 400/05; LAG Hamm, Urteil v. 03.02.2004 - 19 Sa 120/04; LAG München, Urteil v. 07.05.2003 - 5 Sa 297/03; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Thüsing, in: Henssler/Willemsen/Kalb, 5. Auflage 2012, § 611 BGB Rdnr. 176). Die Ausübung billigen Ermessens setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden (vgl. Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 106 GewO Rn. 6 m. w. N.). Im Streitfall ergibt sich aus der erforderlichen Abwägung, dass die Interessen der Verfügungsbeklagten an der Freistellung der Verfügungsklägerin überwiegen.
70(a) Die Verfügungsbeklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, die Verfügungsklägerin während der Kündigungsfrist nicht zu beschäftigen.
71Die Verfügungsbeklagte nahm zu Recht an, dass während der Kündigungsfrist die Kooperation zwischen der Verfügungsklägerin und der Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten sowie anderen in leitender Funktion tätigen Ärzten nicht in der Art und Weise möglich sein würde, wie es für einen ordnungsgemäßen Ablauf des Krankenhausbetriebes erforderlich ist. Es bestanden bei Ausspruch der Kündigung erhebliche Spannungen, die jedenfalls auch auf das Verhalten der Verfügungsklägerin zurückzuführen waren.
72Diese Spannungen ergeben sich recht deutlich aus der E-Mail-Korrespondenz, die zwischen der Verfügungsklägerin und dem Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie im Juni 2014 hinsichtlich der Zusammenarbeit der Kliniken bei der Neuaufnahme von „Wirbelsäulen-Patienten“ geführt wurde (Anlagen 14 ff. zum Anhörungsschreiben an die Mitarbeitervertretung vom 10.11.2014). Die Verfügungsklägerin sah offenbar den Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie als Konkurrenten an, zu dem ein kollegiales Verhältnis aufzubauen ihr schwer fiel. So heißt es in dem Schreiben vom 23.05.2013, das die Verfügungsklägerin an die Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten richtete (Anlage 13 zum Anhörungsschreiben an die Mitarbeitervertretung vom 10.11.2013), dass die Mitteilung der Geschäftsführung, für die gesamte Wirbelsäulenchirurgie sei die unfallchirurgische Klinik federführend, „wie eine Bombe“ eingeschlagen habe (Seite 3 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013). Vorab hatte sich die Verfügungsklägerin darüber beschwert, sie werde seit „ca. 1 Jahr systematisch nicht mehr ausreichend einbezogen in die Gespräche und strategischen Planungen der Zukunft der neurochirurgischen Klinik“, sie sei auch im Hinblick auf die Besetzung der Chefarztstelle für die unfallchirurgische Klinik „in die Abfassung des Ausschreibungstextes […] nicht einbezogen und über den Inhalt dessen nicht informiert“ worden (Seite 1 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013). Ihr sei „klar geworden, dass hier bewusst […] eine Verschiebung der Erlöse der Wirbelsäulenchirurgie von der Neurochirurgie in die Unfallchirurgie […] vorlag“. Dazu passt es, dass eine gemeinsame Verfahrensanweisung zur Zusammenarbeit beider Kliniken nicht einvernehmlich zustande kam, sondern durch die Geschäftsführung der Beklagten erstellt werden musste. Aus Sicht der Verfügungsklägerin handelte es sich bei den Gesprächen, die zuvor zwischen Mitarbeitern beider Kliniken stattfanden, um ein „formelles Pseudo-Mitrederecht“ (Seite 4 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Verfügungsklägerin mit der E-Mail vom 05.09.2014 einen Leistungszahlenplan für das Jahr 2015 übermittelte, aus dem sich eine drastische Leistungsverminderung ergibt. Zur Begründung führte die Verfügungsklägerin aus, die Minderung ergebe sich „aus den zunehmenden Verschiebungen der Wirbelsäulenoperation in die Unfallchirurgie“ (Anlage 17 zum Anhörungsschreiben an die MAV vom 10.11.2013). Nachdem die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin mit dem Schreiben vom 20.10.2014 eine andere Einschätzung im Hinblick auf die Fallzahlen nahelegte und darauf hinwies, es bestünde keine Veranlassung, von einer Leistungsminderung auszugehen, nahm die Verfügungsklägerin mit dem Schreiben vom 28.10.2014 ihre vorherige Einschätzung zurück. Aus Sicht des Berufungsgerichts ist es naheliegend, die E-Mail der Verfügungsklägerin vom 05.09.2014, die sich über eine Leistungsminderung verhält, als Trotzreaktion auf eine so empfundene Degradierung und Bevorzugung der unfallchirurgischen Klinik anzusehen. Wie die Verfügungsklägerin zu der sich aus der E-Mail vom 05.09.2014 ergebenden Einschätzung hinsichtlich der Fallzahlen kam, ist anderweitig nicht erläutert worden.
73Erhebliche Spannungen bestanden offenbar auch zwischen der Verfügungsklägerin und Herrn Prof. Dr. N1, dem ärztlichen Direktor und medizinischen Berater der Geschäftsführung. Im Schreiben vom 23.05.2013 wirft die Verfügungsklägerin ihm vor, und „üble Dinge“ über ihre Person und die neurochirurgische Abteilung zu verbreiten; es sei bekannt, dass von Prof. Dr. N1 an ihrem „Stuhl gesägt werde“ (Seite 9 des Schreibens). Auf Seite 10 des Schreibens vom 23.05.2013 führt die Verfügungsklägerin aus, die postoperative Betreuung der neurochirurgischen Patienten müsse heutzutage dank verbesserter mikrochirurgischer Operationstechniken und anästhesiologischer Fortschritte nicht mehr intensivmedizinisch mit Beatmungsmöglichkeit erfolgen; sie vermutet, diese Entwicklung sei Herrn Prof. Dr. N1 ein großer Dorn im Auge und „auch […] aus ökonomischer Sicht nicht in seinem Sinne“ gewesen. Selbst die Mitarbeiter der anästhesiologischen Abteilung hätten immer wieder mitgeteilt, dass sie unter der Voreingenommenheit von Herrn Prof. Dr. N1 gegenüber der Person der Verfügungsklägerin und insgesamt dieser negativen Einstellung gegenüber der neurochirurgischen Klinik litten und sein Verhalten nicht verstünden (Seite 11 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013). Die Verfügungsklägerin sieht „die Entwicklung der die neurochirurgische Klinik tangierenden Ereignisse im Jahr 2013 im Zusammenhang des offensichtliche, gewollten oder nicht gewollten Benachteiligung wegen der Herkunft und/oder des Geschlechts und der Rufschädigung […] als Chefärztin der neurochirurgischen Klinik von Herrn Prof. Dr. N1 in seiner Funktion als medizinischer Berater der Geschäftsführung und ärztlicher Direktor“ (Seite 13 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013). In einem an die Geschäftsführung gerichteten Scheiben derartige Vorwürfe gegenüber einem Kollegen zu erheben, ist geeignet, die Basis für eine kollegiale Zusammenarbeit nachhaltig zu stören, zumal, wenn Diskriminierungsvorwürfe ohne Tatsachensubstanz in den Raum gestellt werden. Auch aus der Sichtweise der Verfügungsklägerin scheint die Zusammenarbeit gestört zu sein: Sie spricht am Ende ihres Schreibens vom 23.05.2013 davon, „wieder“ eine Atmosphäre in der Klinik zu schaffen, in der „wir in Ruhe unseren Pflichten dem EvKC und damit unseren Patienten gegenüber im diakonischen Sinne nachkommen können“ (Seite 21 des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 23.05.2013).
74Das Verhältnis zur Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten war ebenfalls belastet, wie die anwaltliche Korrespondenz im Vorfeld und im Zusammenhang mit der Abmahnung der Verfügungsklägerin belegt. Die Verfügungsklägerin brachte sogar in einem Telefonat vom 06.08.2014 zum Ausdruck, die anstehende Überprüfung der Arbeitszeiten des ärztlichen Dienstes der Klinik für Neurochirurgie und der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes könne eventuell auch von der Geschäftsführung angestoßen sein.
75Angesichts all dieser Umstände durfte die Verfügungsbeklagte berechtigterweise davon ausgehen, nach dem Ausspruch der Kündigung und der (weiteren) Belastung des Vertragsverhältnisses durch den Kündigungsschutzprozess sei eine konstruktive Zusammenarbeit kaum noch möglich. Jedenfalls dann, wenn es sich um einen Arbeitnehmer handelt, der - wie die Verfügungsklägerin - in einer herausgehobenen leitenden Position als Chefarzt beschäftigt wird, ergibt sich daraus ein anerkennenswertes Freistellungsinteresse des Arbeitgebers.
76(b) Demgegenüber fehlt es an Umständen, die das Beschäftigungsinteresse der Verfügungsklägerin in besonderer Weise stützen könnten.
77Anhaltspunkte dafür, dass die Verfügungsklägerin infolge der Freistellung berufliche Fähigkeiten und Fertigkeiten als Neurochirurgin verliert, liegen nicht vor. Die Verfügungsbeklagte hat insoweit überzeugend auf andere Ereignisse verwiesen, die - wie die Freistellung - ebenfalls dazu führen können, dass ein Arzt seiner chirurgischen Tätigkeit über eine längere Zeit hinweg nicht nachgehen kann (Erziehungsurlaub, Krankheit, Forschungsprojekte), ohne dass es insoweit zu einem Verlust von beruflichen Kompetenzen kommt. Im Hinblick auf die besonderen Anforderungen der neurochirurgischen Tätigkeit ist nicht ersichtlich, dass es dort zu einem eher und nachhaltiger stattfindenden Verlust von Kenntnissen und Fähigkeiten kommt. Die Verfügungsbeklagte hat zu dieser Frage durch Vorlage einer Stellungnahme von Prof. Dr. T Stellung genommen (Anlage 6 zum Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 05.02.2015). Die Verfügungsklägerin ist dem nicht hinreichend konkret entgegengetreten. Gerade dann, wenn sich die Verfügungsklägerin, wie sie es für sich in Anspruch nimmt, auf dem „Zenit ihrer Fertigkeiten“ befindet, wird eine Unterbrechung der Tätigkeit für den Zeitraum von einem halben Jahr keine erheblichen Auswirkungen haben. Die Verfügungsbeklagte hat insoweit auch unwidersprochen vorgetragen, der Vorgänger der Verfügungsklägerin habe als Neurochirurg im Alter von 55 Jahren fast ein halbes Jahr pausieren müssen, habe jedoch im Anschluss daran problemlos wieder seine Tätigkeit als Operateur aufnehmen können. Das gleiche ergibt sich aus der Stellungnahme des Prof. Dr. M, die die Verfügungsbeklagte als Anlage 5 zur Berufungsbegründung zu den Akten gereicht hat. Dort ist von einer Neurochirurgin die Rede, die sich zwei Jahre zur Weiterbildung in Kanada aufhielt und im Anschluss daran zügig wieder als Oberärztin integriert worden ist. Auch hierzu hat die Verfügungsklägerin sich nicht konkret erklärt und Gegenteiliges nicht glaubhaft gemacht.
78Die Verfügungsklägerin kann auch nicht geltend machen, sie werde durch die Freistellung von Änderungen im Hinblick auf den Stand der Wissenschaft und die Medizintechnik ausgeschlossen. Nachdem die Verfügungsbeklagte vorgebracht hat, in den letzten sechs Jahren seien allenfalls zwei solche Neuerungen zu verzeichnen gewesen, hat die Verfügungsklägerin keinen näheren Vortrag hierzu mehr gehalten. Aus der Stellungnahme von Prof. Dr. T ergibt sich insoweit, dass Neuerungen auf Kongressen und in Fachzeitschriften vorgestellt werden und neue Operationstechniken keineswegs sofort in den Routine-Klinikbetrieb übernommen werden. Diesen nachvollziehbaren Ausführungen ist die Verfügungsklägerin nicht konkret entgegengetreten.
79Wenn die Verfügungsklägerin vorbringt, durch die Freistellung verliere sie den Kontakt zu Krankenhausärzten und Behörden, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass notwendige Kontakte zu anderen Ärzten auch gepflegt werden können, wenn sie nicht als Chefärztin tätig ist. Inwieweit Kontakte zu Behörden für die Verfügungsklägerin notwendig sind, hat sie von vornherein nicht dargelegt.
80Für das Berufungsgericht ist nicht ersichtlich, dass die Freistellung der Verfügungsklägerin zu einer Schädigung ihres beruflichen Ansehens geführt hat oder führen wird. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Verfügungsbeklagte über die Freistellung hinaus Äußerungen oder andere Handlungen unternahm, die geeignet gewesen wären, die berufliche Reputation der Verfügungsklägerin zu beeinträchtigen. Weil die Freistellung von Arbeitnehmern nach dem Ausspruch der Kündigung in der Arbeitswelt häufig zu beobachten ist, bedarf es besonderer Umstände, die die Feststellung begründen könnten, dass nicht durch den Ausspruch der Kündigung, sondern die sich anschließende Freistellung eine Schädigung des beruflichen Ansehens eintritt. Solche Umstände liegen im Streitfall nicht vor. Soweit die Verfügungsklägerin vorbringt, ihr Ehemann sei mit Mutmaßungen über die Umstände des Ausscheidens der Verfügungsklägerin konfrontiert worden, ist dem zu entgegnen, dass die Verfügungsbeklagte auf Entstehung und Verbreitung derartiger (hanebüchener) Gerüchte keinen Einfluss hat.
81Es kann offen bleiben, ob der Gesichtspunkt der Betreuung von Dissertationen überhaupt im Zusammenhang mit der Frage der Verpflichtung zur vertragsgemäßen Beschäftigung der Verfügungsklägerin zu berücksichtigen ist. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, inwieweit die Verfügungsklägerin darauf angewiesen ist, als Chefärztin tätig zu sein, um die Dissertationen betreuen zu können. Die Verfügungsklägerin hat hierzu keinen näheren Vortrag gehalten.
82Die Verfügungsklägerin hat vorgebracht, es sei zu befürchten, dass sie aufgrund der Freistellung ihren Patientenstamm verlieren und einen neuen Patientenstamm aufbauen müsse. Damit lässt sich ein besonderes Beschäftigungsinteresse für die Verfügungsklägerin allerdings nicht begründen. Sie hat schon nicht näher dargelegt, welche konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich bestimmte Patienten von ihr aufgrund der Freistellung abwenden. Zudem steht zwischen den Parteien außer Streit, dass es der Verfügungsklägerin nicht untersagt ist, ihre Nebentätigkeiten im medizinischen Versorgungszentrum und hinsichtlich der Behandlung ambulanter Wahlleistungspatienten weiter auszuüben. Die Verfügungsbeklagte machte für die Verfügungsklägerin die Ausübung der Nebentätigkeit nicht dadurch unmöglich, dass sie die Kontaktaufnahme zu den Mitarbeitern verbot. Mit der E-Mail des Personaldirektors vom 22.01.2015 wurde die Verfügungsklägerin lediglich aufgefordert, den geordneten Dienstbetrieb in der Klinik nicht zu gefährden (auch nicht durch die Kontaktaufnahme zu den Mitarbeitenden). Eine generelle „Kontaktsperre“ sprach die Verfügungsbeklagte nicht aus. Die Verfügungsklägerin hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt, sie gehe zwischenzeitlich ihrer Nebentätigkeit wieder nach und halte ihre Sprechstunde in den Räumen der Verfügungsbeklagten ab.
83Soweit die Verfügungsklägerin schließlich vorträgt, ihre Freistellung gereiche auch der Verfügungsbeklagten zum Nachteil, da Oberärzte wegen ihrer Freistellung bereits das Anstellungsverhältnis gekündigt hätten bzw. beabsichtigten zu kündigen, ist dem entgegenzuhalten, dass es Sache der Verfügungsbeklagten ist, darüber zu entscheiden, ob sie derartige (zwischen den Parteien streitige) Nachteile in Kauf zu nehmen bereit ist.
84(c) Wägt man die Interessen beider Parteien gegeneinander ab, so erweist sich das Freistellungsinteresse der Verfügungsbeklagten als vorrangig.
85Zwar wird die Verfügungsklägerin für einen nicht unerheblichen Zeitraum von mehr als sechs Monaten von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung freigestellt. Der Freistellungszeitraum entspricht jedoch der vertraglich vereinbarten (zugunsten der Verfügungsklägerin verlängerten) Kündigungsfrist nach § 21 Abs. 3 des Dienstvertrages. Es kommt hinzu, dass die Verfügungsklägerin unter Anrechnung von Resturlaubsansprüchen aus dem Jahr 2014 und ihrer Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2015 freigestellt wurde. Dadurch verringert sich der Zeitraum, in dem die Nichtbeschäftigung der Klägerin auf einer Freistellung nach § 21 Abs. 5 des Dienstvertrages beruht. Die Verfügungsbeklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, dass der Urlaub während des Laufs der Kündigungsfrist genommen wird. Entgegenstehende persönliche Gründe der Verfügungsklägerin sind nicht vorgebracht worden. Die Verfügungsklägerin ist auch nicht aus finanziellen Erwägungen darauf angewiesen, ihren Beschäftigungsanspruch durchzusetzen. Die Freistellung erfolgte nämlich ausweislich der Kündigungserklärung vom 27.11.2014 ausdrücklich unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung (Monatsdurchschnitt der Jahre 2013 und 2014).
86b) Umstände, die ein den Verfügungsgrund tragendes besonderes Beschäftigungsinteresse begründen könnten, liegen im Streitfall nicht vor. Insoweit kann auf die Ausführungen unter II 2 a bb (2) (b) verwiesen werden.
87III.
88Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Verfahrenskosten fallen der Verfügungsklägerin als unterlegener Partei zur Last.
89Die Revision ist nicht zulässig (§ 72 Abs. 4 ArbGG).
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.
(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.
(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.
(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.
(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.
(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.
(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.
(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.
(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)