Finanzgericht München Urteil, 11. Mai 2016 - 3 K 3267/13

bei uns veröffentlicht am11.05.2016

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Streitig ist die Zurechnung von Prostitutionsumsätzen.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Fa. GmbH (nachfolgend: GmbH).

Satzungsgemäßer Gegenstand der mit Gesellschaftsvertrag vom als gegründeten und mit Gesellschafterbeschluss vom in ihre jetzige Firmenbezeichnung umbenannten GmbH sind . Mit Gesellschafterbeschluss vom wurde Frau zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt.

Die GmbH betrieb in den Streitjahren in der Straße in unter dem Namen einen FKK-Club. In diesen Räumen hatten die Gäste die Möglichkeit einer Kontaktanbahnung zu den dort in einer Anzahl von 14 bis 38 anwesenden Prostituierten, die abgesehen von dem jeweils am stattfindenden -Tag unbekleidet waren. Die GmbH stellte ihren Gästen ein Schwimmbad, eine Sauna, Handtücher, Badeschuhe, frisches Obst sowie nichtalkoholische Getränke zur Verfügung. Im Obergeschoss des FKK-Clubs konnten die Gäste mit den Prostituierten eines von insgesamt 15 Zimmern nutzen, die mit Betten und frischer Bettwäsche ausgestattet waren; eine feste Zimmerzuteilung gab es nicht, sondern es konnten die jeweils gerade verfügbaren Zimmer genutzt werden. Für diese Leistungen erhob die GmbH sowohl von den Gästen als auch den Prostituierten ein einheitliches Eintrittsgeld in Höhe von €. Auf ihrer Internetseite führte die GmbH den Vornamen, das Alter, die Körpergröße und die Konfektionsgröße der jeweils anwesenden Prostituierten auf. Die Prostituierten rechneten ihre Leistungen unmittelbar gegenüber dem jeweiligen Gast in bar ab; die Möglichkeit einer Kartenzahlung bestand nicht.

In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre errechnete die GmbH ihre Umsatzsteuer mit den Beträgen von € (2004), € (2005), € (2006), € (2007) sowie € (2008).

Am durchsuchten Beamte des Hauptzollamts die Räume der GmbH im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Geschäftsführerin der GmbH, Frau wegen Verdachts auf Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt im besonders schweren Fall u.a. (Bericht vom 17. September 2008, Bl. 20 ErmA Bd. I der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH).

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung (Bericht vom 29. Oktober 2009, Bl. 2 BP-Akte) setzte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die Umsatzsteuer für die Streitjahre mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom 28. Dezember 2009 auf die Beträge von € (2004), € (2005), € (2006), € (2007) sowie € (2008) fest und setzte zugleich Zinsen zur Umsatzsteuer in Höhe von € (2004), € (2005), € (2006) sowie € (2007) fest. Hierbei erhöhte das FA die Umsätze zum Regelsteuersatz der GmbH um die Beträge von € (2004), € (2005), € (2006), € (2007) sowie € (2008). Zur Begründung führte das FA im Steuerfahndungsbericht an, dass die Umsätze der in den Clubräumen der GmbH tätigen Prostituierten umsatzsteuerlich der GmbH zuzurechnen seien, da sie gegenüber den Freiern auch hinsichtlich der Dienstleistungen der Prostituierten als Leistende aufgetreten sei. Es sei ein einheitlicher Mindestfreierlohn in Höhe von € für die einfachste erbrachte Dienstleistung für die Dauer einer halben Stunde festgelegt worden. Da die Klägerin keine Aufzeichnungen über die Höhe der Prostitutionsumsätze geführt habe, seien diese zu schätzen. Aus den von der GmbH geführten Kassenbüchern ergebe sich die Anzahl der täglich anwesenden Prostituierten. Nach den Ermittlungen des Hauptzollamts, die auf Vernehmungen der Prostituierten beruhten, beliefen sich deren durchschnittliche tägliche Einnahmen auf €.

Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 16. März 2011 als unbegründet zurück.

Dagegen erhob die GmbH am 19. April 2011 die vorliegende Klage.

Mit Beschluss vom (Az.) eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH.

Am 23. März 2012 meldete das FA die streitgegenständlichen Steuerforderungen nebst Zinsen hierzu in Höhe von insgesamt € zur Insolvenztabelle an. Im Prüfungstermin bestritt der Kläger diese Forderungen in vollem Umfang.

Mit Schreiben vom 6. März 2013 beantragte der Kläger die Aufnahme des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Klageverfahrens.

Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die GmbH auf die Preisgestaltung der Prostituierten keinen Einfluss gehabt habe; sowohl der Leistungsumfang als auch die Höhe des Freierlohns seien von der jeweiligen Prostituierten und dem Freier frei ausgehandelt worden. Die Prostituierten hätten weder den von ihnen vereinnahmten Freierlohn ganz oder teilweise an die GmbH abgeführt noch die GmbH über ihre Umsätze informiert. Er habe erst aus den Akten erfahren, dass es zwischen den Prostituierten eine Absprache gegeben habe, wonach der Mindestfreierlohn in Höhe von € für die einfachste erbrachte Dienstleistung für die Dauer einer halben Stunde betragen sollte. Es sei den Prostituierten selbst überlassen gewesen, an welchen Tagen und wie oft sie im Club anwesend gewesen seien. Die Prostituierten seien als selbständige Unternehmerinnen tätig gewesen, da sie im alleine relevanten Innenverhältnis keine vertragliche Vereinbarung mit der GmbH über die Erbringung von sexuellen Dienstleistungen abgeschlossen hätten und sowohl Unternehmerrisiko als auch -initiative getragen hätten. Der GmbH seien die Umsätze der Prostituierten aufgrund der zugrundeliegenden zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen nicht zuzurechnen, da die Prostituierten lediglich mit den jeweiligen Freiern zivilrechtliche Verträge abgeschlossen hätten und die GmbH nicht an deren Zustandekommen beteiligt gewesen sei. Der GmbH seien die Umsätze der Prostituierten auch nicht aufgrund ihres Auftretens nach außen zuzurechnen, da sie weder in den Bezahlvorgang der Freier eingebunden gewesen sei noch finanziell an den Einnahmen der Prostituierten partizipiert habe. Auch die Ausgestaltung der Werbung der GmbH könne nicht als Indiz für ein Auftreten nach außen als Leistende herangezogen werden, da sie auf ihrer Internetseite mit dem Namen einzelner Prostituierter geworben und diese somit individualisiert habe.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 19. April 2011, 9. Juni 2011, 6. November 2013, 19. November 2013, 4. Februar 2015, 10. August 2015, 11. März 2016, 14. April 2016 sowie 20. April 2016 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

die Widersprüche gegen die vom Beklagten unter den lfd. Nrn. 12 - 19 als Insolvenzforderungen angemeldeten Umsatzsteuerforderungen in Höhe von € (2004), € (2005), € (2006), € (2007) sowie € (2008) sowie die Widersprüche gegen die vom Beklagten unter den lfd. Nrn. 21 - 24 als Insolvenzforderungen angemeldeten Umsatzsteuerzinsforderungen in Höhe von € (2004), € (2005), € (2006) sowie € (2007) für begründet zu erklären.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA bezieht sich im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des FA vom 13. Juli 2011, 2. August 2011, 6. März 2012, 26. November 2013 sowie 8. März 2016 verwiesen.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

II.

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners ist die Feststellung der vor Insolvenzeröffnung mit Einspruch und Klage angefochtenen und im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter bestrittenen Steuerforderung durch das FA nicht mit Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO, sondern nur durch Aufnahme des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Klageverfahrens zu betreiben. Das ursprüngliche Anfechtungsverfahren wandelt sich dabei in ein Insolvenzfeststellungsverfahren um; Streitgegenstand ist nunmehr die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung zur Tabelle (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. August 2015 V R 39/14, BFH/NV 2016, 268). Nimmt hingegen nicht das FA, sondern der Insolvenzverwalter das Verfahren auf, so kommt es zu keinem Beteiligtenwechsel, sondern er bleibt in der Rolle des Klägers mit dem Antrag festzustellen, dass sein Widerspruch berechtigt und die angemeldete Forderung nicht berechtigt ist (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Rn. 53a).

b) Das durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH zunächst gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 240 Zivilprozessordnung unterbrochene Klageverfahren wurde durch die Erklärung des Klägers als Insolvenzverwalter aufgenommen. Deshalb ist Streitgegenstand nunmehr der Widerspruch gegen die im Prüfungstermin vom FA geltend gemachten Umsatzsteuerforderungen der GmbH zur Tabelle, ohne dass es zu einem Beteiligtenwechsel kommt.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das FA hat zu Recht die sich aus den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheiden ergebenden Steuerforderungen zur Insolvenztabelle angemeldet, da diese Umsatzsteuerbescheide zu Recht ergangen sind.

a) Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Diese Vorschrift beruht auf Art. 2 Nr. 1 der in den Streitjahren 2004, 2005 und 2006 anwendbaren Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) bzw. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der in den Streitjahren 2007 und 2008 anwendbaren Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach Umsätze aus Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegen.

Wer bei einem Umsatz als Leistender bzw. als Leistungsempfänger anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen (BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BStBl II 2013, 648, m.w.N.). Dementsprechend sind die (gesamten) Umsätze in einem Saunaclub demjenigen zuzurechnen, der nach außen als Erbringer sämtlicher in einem derartigen Club erwarteten Dienstleistungen auftritt. Hieran hat sich durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz - ProstG -) nichts geändert, weil dieses Gesetz zur Frage der umsatzsteuerrechtlichen Zurechnung sexueller Dienstleistungen keine Regelung trifft (vgl. Urteil des Finanzgerichts München vom 25. Oktober 2011 2 K 1939/08, juris Rn. 20).

b) Im Streitfall sind die von den Prostituierten erbrachten Leistungen der GmbH zuzurechnen, da sie sich aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden (nachfolgend: Freier) nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als Teil der Gesamtleistungen der GmbH darstellten, auch wenn es sich hierbei um höchstpersönliche Dienstleistungen der Prostituierten handelte.

aa) So erweckte die GmbH mit ihrem Internetauftritt (Bl. 33 ErmA Bd. II der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH) den Eindruck, selbst Anbieterin der sexuellen Dienstleistungen zu sein. Sie warb nach dem unbestrittenen Vortrag des FA damit, dass ein „Minimum“ von 40 Mädchen täglich anwesend sei, was nahelegt, dass die Prostituierten aus Sicht der Freier austauschbar erschienen. Hierbei warb die GmbH unter ihrer Telefonnummer und unter ihrem Namen in Printmedien und im Internet, nicht jedoch die einzelne Prostituierte unter deren Telefonnummer. Maßgeblich ist hierbei, dass die Vorstellung der Prostituierten auf der Homepage der GmbH und damit im Rahmen deren einheitlichen Internetauftritts erfolgte. Zudem wurde eine Kontaktmöglichkeit zu den einzelnen Prostituierten (etwa mit deren eigenen Telefonnummern) nicht beworben (vgl. Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 14. Februar 2013 5 K 318/10, juris Rn. 33).

bb) Weiterhin hat die GmbH den zur Kontaktanbahnung mit den Prostituierten erforderlichen Raum (Kontaktraum) samt Ausstattung sowie das für die Aufrechterhaltung der Reinlichkeit und Sicherheit erforderliche Personal zur Verfügung gestellt. Hierbei stellte die GmbH nicht nur die Arbeitsräume der Prostituierten (15 Räume im Obergeschoss, die nicht für einzelne Prostituierte reserviert waren), sondern auch deren zur Ausübung der Prostitution wesentliche Ausstattung - insbesondere Betten und Bettwäsche - zur Verfügung.

Auch aus der Gestaltung der Räumlichkeiten war für die Freier nicht erkennbar, dass sich das Angebot der GmbH lediglich auf die Bereitstellung des zur Kontaktanbahnung erforderlichen Bereiches beschränkt hätte, während die Prostituierten die Nutzung der Zimmer im Rahmen ihrer eigenständigen Leistung angeboten hätten. Denn die Freier, die den Kontaktraum verließen und sich mit einer Prostituierten zu den Einzelzimmern begaben, mussten davon ausgehen, dass beide räumlichen Bereiche von der GmbH zur Verfügung gestellt wurden. Angesichts der festgestellten Anzahl von bis zu 38 gleichzeitig anwesenden Prostituierten (Bl. 58 ErmA Bd. I der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH) bei lediglich 15 vorhandenen Arbeitsräumen konnten diese schon rein rechnerisch keine eigenen Arbeitsräume innehaben.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Freier eines derart geführten FKK-Clubs auch die Erbringung der sexuellen Dienstleistungen dem Inhaber der Organisationsgewalt und damit dem Clubbetreiber zurechnen, der für einen störungsfreien Betriebsablauf innerhalb der vorgegebenen Öffnungszeiten sorgt. Daran ändert nichts, dass die Ausführung der eigentlichen sexuellen Handlungen keinen näheren organisatorischen Eingriffen, Kontrollen und Vorgaben durch die GmbH unterlag (vgl. Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 12. Februar 2009 16 K 1/08, juris Rn. 11-13).

cc) Weiterhin spricht für die GmbH als Leistungserbringerin, dass die Freier die Preise für sexuelle Dienstleistungen als von der GmbH vorgegebene Preise verstehen mussten. Dies ergibt sich daraus, dass in den Räumen der GmbH ein Grundpreis für „einfache Leistungen“ von € pro halber Stunde galt, auch wenn dieser Preis - wie der Kläger vorträgt - von den Prostituierten untereinander abgesprochen gewesen sein mag.

dd) Die Freier konnten auch davon ausgehen, dass die GmbH durch organisatorische Maßnahmen (geregelte Schichtzeiten, Anwesenheit einer bestimmten Mindestzahl von Prostituierten) dafür sorgte, dass der Nachfrage der Freier nach sexuellen Kontakten jederzeit entsprochen werden konnte, da der an die GmbH zu zahlende Eintrittspreis von € lediglich für die bloße Nutzungsmöglichkeit von Sauna und Schwimmbad (bzw. Massage) sowie die Bereitstellung von nichtalkoholischen Getränken und Obst nicht gerechtfertigt erscheinen würde. Für die Vornahme derartiger, für die Freier erkennbarer organisatorischer Maßnahmen spricht auch, dass die Prostituierten bei Anwesenheit im Kontaktraum grundsätzlich unbekleidet bzw. am als sog. -Tag (vgl. Aussage der als Reinigungskraft für die GmbH tätigen Frauen und sowie der als Thekenfrau für die GmbH tätigen Frau bei ihrer Vernehmung als Zeuginnen durch Beamte des Hauptzollamts am 2008, Bl. 1, 11 sowie 23 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH) lediglich mit Dessous bekleidet waren und die Freier nicht ansprachen, damit sich diese hinsichtlich der Wahl einer Prostituierten nicht bedrängt fühlten.

Dieser Eindruck wird bestätigt durch das Vorhandensein von anlässlich der Durchsuchung bei der GmbH aufgefundenen Listen mit An- und Abreisetagen sowie freien Tagen der Prostituierten für einen Zeitraum von einem Monat im Voraus (Bl. 3 ff. ErmA Bd. II der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH).

ee) Hierfür spricht zudem, dass die Freier regelmäßig bei Verlassen des Gebäudes an der Rezeption und damit durch Angestellte der GmbH nach ihrer Zufriedenheit mit ihrem Aufenthalt gefragt wurden und hierdurch nach ihrem Eindruck die Möglichkeit hatten, Reklamationen auch über die Leistungen der Prostituierten vorzubringen.

Dies ergibt sich zum einen aus den Aussagen der nachfolgend bezeichneten Angestellten der GmbH bei ihrer Vernehmung als Zeugen durch Beamte des Hauptzollamts am bzw. :Frau (Reinigungskraft; Bl. 11 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Frau (Thekenfrau; Bl. 23 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Frau (Empfangsdame; Bl. 29 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Frau (Reinigungskraft; Bl. 17 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH) sowie Frau (Empfangsdame und Thekenfrau, Bl. 38 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH).

Zum anderen ergibt sich dies aus den Aussagen der nachfolgend bezeichneten, in den Räumen der GmbH angetroffenen Freier bei ihrer Vernehmung als Zeugen durch Beamte des Hauptzollamts am bzw. : Herr (Bl. 81 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 87 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 110 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 135 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 138 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 142 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 145 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 150 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 154 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 162 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH).

ff) Dem steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass das Entgelt für die von den Prostituierten erbrachten Dienstleistungen direkt an diese entrichtet wurde.

aaa) Die Freier konnten hieraus in Anbetracht der oben geschilderten Gesamtumstände nicht den Schluss ziehen, dass eine Leistungsbeziehung zu den einzelnen Prostituierten und nicht zur GmbH bestand (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Januar 2008, V B 201/06, BFH/NV 2008, 827; Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 12. Februar 2009 16 K 1/08, juris, Rn. 11).

bbb) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegt nicht die Vereinnahmung von Entgelten der Umsatzsteuer, sondern die zugrundeliegende Leistung selbst. Entscheidend ist deshalb, ob die Steuerschulden aus einer Tätigkeit des Unternehmers herrühren und nicht, wer die Entgelte vereinnahmt hat (vgl. BFH-Urteil vom 7. April 2005 V R 5/04, BStBl II 2005, 848, juris, Rn. 20).

ccc) Hierfür spricht zudem auch der der Vorschrift des § 56 Handelsgesetzbuch zugrunde liegende Rechtsgedanke, wonach zu „Empfangnahmen“, die in einem Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen, als ermächtigt gilt, wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist.

ddd) Dem steht auch der Einwand des Klägers, dass die Einzelheiten der sexuellen Leistungen zwischen den Prostituierten und ihren Freiern ohne Beteiligung der GmbH abgestimmt worden seien, nicht entgegen, da dies im Prostitutionsgewerbe üblich ist. Es reicht für die Zurechnung der sexuellen Dienstleistungen zur GmbH aus, dass in der Wahrnehmung der Freier ein für den gesamten Gebäudebereich der GmbH einheitliches Preisniveau besteht, bei dem die zeitabhängige Komponente feststeht ( €/halbe Stunde).

gg) Der Zurechnung der sexuellen Dienstleistungen zur GmbH steht auch nicht entgegen, dass die Prostituierten selbst ebenfalls Clubeintritt zahlen mussten, denn für die Zurechnung kommt es lediglich auf das Außenverhältnis an (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Januar 2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827).

hh) Das vom Kläger vorgetragene und als wahr unterstellte Handeln der Prostituierten mit Unternehmerrisiko und -initiative sowie die ebenfalls unterstellte Selbständigkeit der Prostituierten schließt die umsatzsteuerrechtliche Zurechnung der sexuellen Dienstleistungen zur GmbH nicht aus, weil es für die Zurechnung keine Rolle spielt, ob die Prostituierten als -selbständige - Subunternehmerinnen oder als - unselbständige - Arbeitnehmerinnen für die GmbH tätig waren (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Januar 2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827, m.w.N., ständige Rechtsprechung).

3. Auch die vom FA vorgenommene Schätzung der Höhe der auf die sexuellen Dienstleistungen entfallenden Umsätze ist nicht zu beanstanden.

a) Das FA war zur Vornahme einer Schätzung befugt.

aa) Das FA ist gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 AO u.a. dann zur Vornahme einer Schätzung befugt, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen, die der Steuerpflichtige nach den Steuergesetzen zu führen hat, der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen gem. § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG die vereinbarten Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein.

bb) Die GmbH hat nach dem eigenen Vorbringen des Klägers über die von den Prostituierten vereinnahmten Entgelte - aus ihrer Sicht konsequenterweise - keine Aufzeichnungen geführt, so dass ihre Buchführung der Besteuerung nicht zugrunde gelegte werden kann.

cc) Dem steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass die GmbH gar keine Möglichkeit gehabt habe, die von den Prostituierten erzielten Umsätze in Erfahrung zu bringen, ohne hierfür eine Organisation des Geschäftsablaufs zum Zwecke der Kontrolle der von den Prostituierten erzielten Umsätzen zu schaffen, die ihrerseits als dirigistische Zuhälterei gem. § 181 a Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch strafbar wäre. Denn das Umsatzsteuerrecht orientiert sich an tatsächlich erfolgten Geschehensabläufen unabhängig davon, ob diese Geschehensabläufe strafrechtliche Folgen auslösen können. Davon abgesehen stand es der GmbH frei, sich von den Prostituierten zumindest vertraglich eine Informationspflicht über deren Umsätze einräumen zu lassen und im Übrigen selbst eine Schätzung vorzunehmen.

b) Die vom FA vorgenommene Schätzung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

aa) Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für die von der GmbH erzielten Umsätze ist gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG das Entgelt, das die Freier für die von der GmbH erbrachten Leistungen aufgewendet haben. Dazu zählen auch die von den Prostituierten erbrachten Leistungen, da sie - wie oben ausgeführt - im Namen der GmbH an die Freier erbracht worden sind, unabhängig davon, ob das Entgelt hierfür unmittelbar von den Prostituierten oder der GmbH vereinnahmt wurde (s.o.).

bb) Die täglich vereinnahmten Entgelte der Prostituierten beliefen sich nach den Ermittlungen des Hauptzollamts (Bericht vom 17. September 2008; Bl. 20 ErmA Bd. I der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), die auf Vernehmungen von insgesamt zwanzig Prostituierten beruhen, auf durchschnittlich € (vgl. Bl. 51 ErmA Bd. II der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH). Die Anzahl der täglich anwesenden Prostituierten hat das FA ausgehend von den von der GmbH mittels EDV geführten und bei ihr aufgefundenen Kassenbüchern wie folgt ermittelt (Bl. 58 ErmA Bd. I der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH):

Besteuerungszeitraum

2004

2005

2006

2007

Januar

Februar

März

April

Mai

Juni

Juli

August

September

Oktober

November

Dezember

Durchschnitt

Hieraus ergeben sich die nachfolgend errechneten, von den Prostituierten vereinnahmten und nach den obigen Rechtsgrundsätzen der GmbH zuzurechnenden Entgelte:

durchschnittl. Anzahl der Prostituierten

Anzahl Tage

durchschnittl. Entgelte je Prostituierte

Summe der Entgelte

2004

2005

2006

2007

2008

cc) Hieraus ergeben sich unter Abzug der von den Prostituierten gezahlten Eintrittsgelder nachfolgende zusätzliche Umsätze der GmbH zum Regelsteuersatz:

Summe der Entgelte

abzgl. Eintrittsgelder der Prostituierten

bereinigte Entgelte

Umsätze

2004

2005

2006

2007

2008

dd) Unter Zugrundelegung dieser Umsätze zum Regelsteuersatz ergeben sich die vom FA in den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheiden festgesetzten Steuerbeträge.

4. Die Festsetzung der Zinsen zur Umsatzsteuer für die Streitjahr 2004 bis 2007 mit Bescheiden jeweils vom 28. Dezember 2009 erfolgte ebenfalls zu Recht. Die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide sind Grundlagenbescheide für die streitgegenständlichen Zinsfestsetzungsbescheide (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Dezember 2002 IV B 13/02, BFH/NV 2003, 737). Weder hat der Kläger eine fehlerhafte Zinsberechnung vorgetragen, noch ist eine solche aus den Akten erkennbar.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht München Urteil, 11. Mai 2016 - 3 K 3267/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht München Urteil, 11. Mai 2016 - 3 K 3267/13

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht München Urteil, 11. Mai 2016 - 3 K 3267/13 zitiert 17 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Abgabenordnung - AO 1977 | § 164 Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung


(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 1 Steuerbare Umsätze


(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze: 1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund geset

Zivilprozessordnung - ZPO | § 240 Unterbrechung durch Insolvenzverfahren


Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfa

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 10 Bemessungsgrundlage für Lieferungen, sonstige Leistungen und innergemeinschaftliche Erwerbe


(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistend

Abgabenordnung - AO 1977 | § 251 Vollstreckbare Verwaltungsakte


(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 22 Aufzeichnungspflichten


(1) Der Unternehmer ist verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Diese Verpflichtung gilt in den Fällen des § 13a Absatz 1 Nummer 2 und 5, des § 13b Absatz 5 und des § 14c Absatz 2 auch f

Abgabenordnung - AO 1977 | § 158 Beweiskraft der Buchführung


(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen. (2) Absatz 1 gilt nicht,1.soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die

Handelsgesetzbuch - HGB | § 56


Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht München Urteil, 11. Mai 2016 - 3 K 3267/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Finanzgericht München Urteil, 11. Mai 2016 - 3 K 3267/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 18. Aug. 2015 - V R 39/14

bei uns veröffentlicht am 18.08.2015

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 29. Oktober 2013  8 K 3605/06 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 24. Apr. 2013 - XI R 7/11

bei uns veröffentlicht am 24.04.2013

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts A eingetragene inländische Zweigniederlassung der X Versicheru
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Finanzgericht München Urteil, 11. Mai 2016 - 3 K 3267/13.

Bundesfinanzhof Urteil, 27. Sept. 2018 - V R 9/17

bei uns veröffentlicht am 27.09.2018

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 11. Mai 2016  3 K 3267/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 29. Oktober 2013  8 K 3605/06 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

Tatbestand

1

I. Steuerberater B, der spätere Insolvenzschuldner, gab für die Streitjahre 2000 und 2001 zunächst keine Umsatzsteuererklärungen ab. Der Kläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte nach einer Umsatzsteuersonderprüfung die Umsatzsteuer 2000 und 2001 auf der Grundlage von Kontrollmitteilungen und Hinzuschätzungen mit Bescheiden vom 6. September 2002 fest. Im Einspruchsverfahren reichte B Steuererklärungen ein. Das FA änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen 2000 und 2001 mit Bescheiden vom 22. Mai 2003. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klagen 8 K 5787/03 und 8 K 227/04 nahm B zurück.

2

Unter dem 12. Mai 2004 erließ das FA den Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 2002. B legte hiergegen Einspruch ein und das FA führte im Jahr 2006 eine Betriebsprüfung für 2000 bis 2002 durch, in deren Folge es am 6. April 2006 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2000 bis 2002 erließ. Den hiergegen eingelegten Einspruch beschied das FA mit Einspruchsentscheidung vom 18. August 2006.

3

Am 6. September 2006 erhob B Klage gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide vom 6. April 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2006. Während des Klageverfahrens wurde eine Steuerfahndungsprüfung bei B durchgeführt. Durch Beschluss des Amtsgerichts ... (AG) vom 23. Juni 2008 wurde der spätere Beklagte und Revisionskläger (Beklagte) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 20. Oktober 2008 erließ das FA auf der Grundlage der Ergebnisse der Fahndungsprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2000 bis 2002. Durch Beschluss des AG vom 6. November 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des B eröffnet und der spätere Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser erhob Widerspruch gegen die vom FA zur Tabelle angemeldeten Umsatzsteuerforderungen.

4

Das FA erließ am 7. Juni 2010 einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO). Die Klage des Insolvenzschuldners B wies das Finanzgericht (FG) durch Urteil vom 29. Juli 2014 ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision wies der VII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) durch Beschluss vom 23. Juli 2015 VII B 132/14 zurück.

5

Am 4. Oktober 2012 nahm das FA das Verfahren 8 K 3605/06 wegen Umsatzsteuer 2000 bis 2002 auf. Das bisherige Anfechtungsverfahren wandelte sich dadurch in ein Insolvenzfeststellungsverfahren mit dem FA als Kläger und dem Insolvenzverwalter als Beklagten um.

6

Das FG gab der Klage des FA statt und stellte fest, dass die Anmeldung der Umsatzsteuer 2000 bis 2002 zur Insolvenztabelle in der angemeldeten Höhe zu Recht erfolgt sei, weil die Umsatzsteuerbescheide rechtmäßig gewesen seien. Die ursprünglichen Bescheide hätten auf dem nachvollziehbaren Prüfungsbericht vom 3. März 2006 beruht. Soweit die Umsatzsteuerbescheide im Klageverfahren --noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens-- erneut geändert worden seien, beruhe dies auf dem Teilbericht der Steuerfahndung vom 25. September 2008, der vollumfänglich zutreffend sei.

7

Hiergegen richtet sich der Beklagte mit der Revision, mit der er Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensfehler geltend macht. Werde nach Rechtshängigkeit eines gegen einen Steuerbescheid gerichteten Anfechtungsprozesses das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet und erlasse das FA noch bevor es sich dem Gericht gegenüber zu der Frage geäußert habe, ob es den anhängigen Prozess als Insolvenzfeststellungsverfahren fortführen wolle, einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO, so trete dieser an die Stelle des angefochtenen Steuerbescheides und ersetze diesen. Der vorliegenden Klage des FA fehle seit Bekanntgabe des Feststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO das Feststellungsinteresse. Im Übrigen bestünden die vom FA geltend gemachten Umsatzsteuerforderungen nicht.

8

Die geltend gemachten Verfahrensmängel werden in der Revisionsbegründung nicht erläutert.

9

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage des FA abzuweisen.

10

Das FA beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise die Revision als unbegründet zurückzuweisen,
äußerst hilfsweise, das Verfahren bis zur Entscheidung des BFH in dem Verfahren VII B 132/14 gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.

11

Die Revision sei unzulässig, weil die Prozessbevollmächtigten tatsächlich nicht im Namen und im Auftrag des Beklagten, sondern des Insolvenzschuldners tätig würden. Die vom Beklagten erteilte Vollmacht zur Einlegung der Revision sei rechtsmissbräuchlich, weil damit die sich aus § 80 der Insolvenzordnung (InsO) ergebenden Kompetenzverteilungen umgangen würden.

12

Jedenfalls aber sei die Revision unbegründet. Denn liege --wie hier-- im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein vom Schuldner mit der Klage angefochtener Steuerbescheid über die im Prüfungstermin vom FA angemeldeten und vom Insolvenzverwalter bestrittenen Steuerforderungen vor, so sei nach der Rechtsprechung des BFH gemäß § 180 Abs. 2 i.V.m. § 185 InsO die Feststellung durch Aufnahme des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Klageverfahrens zu betreiben.

13

Dass das FA vor Aufnahme des Verfahrens einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO erlassen habe, führe zu keinem anderen Ergebnis.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision ist zulässig und begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat zwar zutreffend erkannt, dass sich das ursprüngliche Anfechtungsverfahren durch die Aufnahme des FA in eine Insolvenzfeststellungsklage des FA gewandelt hat. Diese Feststellungsklage ist aber unzulässig, weil es spätestens seit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheides vom 7. Juni 2010 mit Bekanntgabe des BFH-Beschlusses vom 23. Juli 2015 VII B 132/14 an dem Feststellungsinteresse des FA fehlt. Fällt das Feststellungsinteresse während des Revisionsverfahrens weg, entfällt diese Sachentscheidungsvoraussetzung auch für die Klage.

15

1. Die Revision ist zulässig. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Prozessbevollmächtigten nicht im Auftrag und Namen des Beklagten tätig werden. Die Spekulationen des FA über die Interessenlage der Beteiligten sind nicht geeignet, eine wirksame Bevollmächtigung in Frage zu stellen. Der Beklagte macht auch geltend, durch das Urteil der Vorinstanz in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 121 i.V.m. § 40 Abs. 2 FGO), weil durch die Feststellung des FG, dass die Umsatzsteuerforderungen des FA zu Recht zur Tabelle angemeldet worden seien, sein Widerspruch gegen eben diese Anmeldung beseitigt worden ist. Da es zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters gehört, unberechtigte Steuerforderungen von der Masse abzuhalten, genügt das für die erforderliche Beschwer. Der Beklagte macht auch geltend, dass die Beschwer auf der Verletzung von Bundesrecht, nämlich § 251 Abs. 3 AO, durch das FG-Urteil beruht (§§ 118, 121 FGO). Ob der Insolvenzschuldner denen des Insolvenzverwalters gleichgerichtete Interessen hat oder verfolgt, ist für die Zulässigkeit der Revision unerheblich.

16

2. Die Revision ist auch begründet. Die Feststellungsklage ist unzulässig, weil es im Zeitpunkt der Entscheidung an dem erforderlichen Feststellungsinteresse des FA fehlt.

17

a) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners ist die Feststellung der vor Insolvenzeröffnung mit einem Einspruch angefochtenen und im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter bestrittenen Steuerforderung nur durch Aufnahme des unterbrochenen Klageverfahrens zu betreiben (BFH-Urteile vom 23. Februar 2005 VII R 63/03, BFHE 209, 23, BStBl II 2005, 591; vom 23. Februar 2010 VII R 48/07, BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562, Rz 15, mit Nachweisen aus dem Schrifttum). Das ursprüngliche Anfechtungsverfahren hat sich durch die Aufnahme des Verfahrens durch das FA in ein Insolvenzfeststellungsverfahren gewandelt, wodurch sich die Parteirollen der Beteiligten geändert haben. Das FA tritt nunmehr als Klagepartei hinsichtlich des von ihm erhobenen Feststellungsantrags auf. Streitgegenstand ist dabei die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung zur Tabelle (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 2007 VII R 61/06, BFHE 220, 289, BStBl II 2008, 790).

18

b) Diese Feststellungsklage ist unzulässig, weil das gemäß § 41 Abs. 1 FGO erforderliche Feststellungsinteresse des FA spätestens mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des am 7. Juni 2010 erlassenen Feststellungsbescheides durch den BFH-Beschluss vom 23. Juli 2015 VII B 132/14 entfallen ist; die Vorentscheidung ist dadurch unrichtig geworden.

19

aa) Die Feststellungsklage ist gemäß § 41 Abs. 1 FGO nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an baldiger Feststellung gegenüber dem Beklagten hat (vgl. BFH-Urteile vom 30. März 2011 XI R 5/09, BFH/NV 2011, 1724, Rz 16; vom 23. November 1993 VII R 56/93, BFHE 173, 201, BStBl II 1994, 356, unter II.1.c). Dieses Feststellungsinteresse ist eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739, Rz 18).

20

Ein gemäß § 251 Abs. 3 AO wirksam erlassener Bescheid enthält die Feststellung, dass der bestrittene Anspruch in der geltend gemachten Höhe besteht und i.S. von § 38 InsO begründet ist (BFH-Urteil vom 24. August 2004 VIII R 14/02, BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rz 68). Festgestellte Steueransprüche werden von der rechtskraftähnlichen Wirkung des Tabelleneintrages i.S. von § 178 Abs. 3 InsO erfasst, so dass sie ohne Steuerbescheid durchgesetzt werden können. Wird der Feststellungsbescheid --wie hier-- unanfechtbar, wirkt er in entsprechender Anwendung der Regelung in § 183 Abs. 1 InsO wie eine rechtskräftige Entscheidung gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 22/11, BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332, Rz 25). Ein weitergehendes Feststellungsinteresse des FA besteht im vorliegenden Verfahren jedenfalls seit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheides vom 7. Juni 2010 mit Bekanntgabe des BFH-Beschlusses vom 23. Juli 2015 VII B 132/14 nicht.

21

bb) Das Feststellungsinteresse muss auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung durch den BFH über die Revision vorliegen. Ob die Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, muss der BFH von Amts wegen prüfen. Insoweit muss er auch neue Tatsachen, die sich auf Sachurteilsvoraussetzungen beziehen und damit für den Rechtsstreit in seiner Gesamtheit erheblich sind, feststellen und berücksichtigen (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 260, 265; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 118 FGO Rz 92). Eine Unrichtigkeit des FG-Urteils kann deshalb auch nachträglich noch während des Revisionsverfahrens durch Tatsachen eintreten, die den Fortgang des Verfahrens betreffen (BFH-Urteil vom 8. März 1996 VIII R 92/89, BFH/NV 1996, 776, unter II.4.; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 3/78, BFHE 127, 155, BStBl II 1979, 378, unter II.5.a, Rz 33). Eine solche Tatsache stellt die vom Revisionsgericht in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses dar. Fällt das Rechtsschutzinteresse während des Revisionsverfahrens weg, entfällt diese Sachentscheidungsvoraussetzung auch für die Klage (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 776, unter II.4.). Da das Feststellungsinteresse nur eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 739, Rz 18), gilt für den Fortfall des Feststellungsinteresses dasselbe.

22

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts A eingetragene inländische Zweigniederlassung der X Versicherungs-Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Z. Sie ist Organträgerin einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, zu der im Streitjahr 1994 mehrere Versicherungsgesellschaften gehörten.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stimmte der für den Organkreis eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung für 1994 zunächst zu. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erging am 8. Mai 2003 ein Änderungsbescheid, mit dem --neben der Änderung weiterer, im Revisionsverfahren nicht streitiger Besteuerungsgrundlagen-- die Bemessungsgrundlage für die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin um die von ihr erlösten sog. Führungsprovisionen aus Mitversicherungsgeschäften in Höhe von ... DM erhöht und bei diesen Geschäften angefallene Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM berücksichtigt wurden.

3

Bei der "offenen Mitversicherung", derer sich die Klägerin u.a. bedient, wird das Versicherungsrisiko aus einzelnen Verträgen mit einem oder mehreren Versicherungsunternehmen geteilt. Soll ein Risiko im Wege der offenen Mitversicherung versichert werden, bietet ein Versicherungsunternehmen einem Mitbewerber eine Beteiligung an. Ist der andere Versicherer bereit, das Risiko mitzutragen, entsteht die offene Mitversicherung technisch durch Aufnahme einer Beteiligungsklausel in den Versicherungsvertrag, wonach eine Mehrzahl von Versicherungsunternehmen anteilig nach einer bestimmten Quote Versicherungsschutz bietet. Die Versicherungsgesellschaft, die den Kundenkontakt hergestellt hat, übernimmt regelmäßig die Führung innerhalb des Mitversicherungsgeschäftes. Dieses sog. Führungsgeschäft beinhaltet die Durchführung der bei Begründung und Abwicklung der Verträge anfallenden Verwaltungsaufgaben wie Besichtigungen, Berechnungen, Ausstellung des Versicherungsscheins, Einziehung der Prämien, Regulierung der Schäden und Ähnliches. Die Prämie wird von dem Versicherungsnehmer entweder anteilig an die einzelnen Versicherer gezahlt oder aber --regelmäßig im Interesse der Einfachheit-- als Ganzes an die führende Gesellschaft. Von der Gesamtprämie erhält die führende Gesellschaft für den Abschluss und die Bearbeitung des Geschäftes einen bevorzugten Anteil in Höhe von 1 bis 3 % der Gesamtprämie. Der Mehranteil an Prämie, den das führende Versicherungsunternehmen erhält, wird allgemein als Führungsprovision bezeichnet. Sie wird in Form eines Anteils an der Gesamtprovision berechnet. Eine gesonderte Vergütung anteiliger Verwaltungskosten findet nicht statt.

4

Die Klägerin behandelte die von ihr vereinnahmten Führungsprovisionen als Entgelt für nach § 4 Nr. 10 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerfreie Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetzes (VersStG). Das FA hingegen sieht die Führungsprovision als eine Tätigkeitsvergütung für die mit der "Führung" zusammenhängende Mehrarbeit der Klägerin, d.h. eine gegenüber den Mitversicherern erbrachte selbständige sonstige Leistung an, für die eine Steuerbefreiung nicht greife. Wie der Einspruch der Klägerin in der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2004 blieb auch die Klage ohne Erfolg.

5

Das Finanzgericht (FG) entschied, das FA habe die der Klägerin mit den sog. Führungsprovisionen vergüteten sonstigen Leistungen zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen. Die im Rahmen der offenen Mitversicherung von der Klägerin infolge der Führungsklausel erbrachten sonstigen Leistungen seien nicht i.S. des § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG aufgrund eines Versicherungsverhältnisses, sondern aufgrund eines Vertrags über eine gesondert zu beurteilende Geschäftsbesorgung i.S. des § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit den an dem Versicherungsverhältnis beteiligten Mitversicherern erbracht worden. Während noch der Reichsfinanzhof (RFH) in seinem Urteil vom 21. Dezember 1931 V A 389/30 (RFHE 30, 62, RStBl 1932, 380) die offene Mitversicherung als ein einheitliches Versicherungsverhältnis angesehen habe, das den Rechtsgrund für die Leistungen der Mitversicherer untereinander bilde und für eine selbständige Vereinbarung über die Art der Beteiligung und die Abgabe einer Sondervergütung an die führende Gesellschaft keinen Raum lasse, habe sich die zivilrechtliche Beurteilung der im Rahmen einer offenen Mitversicherung zwischen den Beteiligten entstehenden rechtlichen Beziehungen mittlerweile gewandelt. Die Existenz separater Führungsverträge sei inzwischen anerkannt; sofern eine "Führungsprovision" vereinbart sei, werde dies als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter gemäß § 675 Abs. 1 i.V.m. § 611 BGB qualifiziert. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe sich, wenn auch nicht in eindeutiger Abkehr von der RFH-Rechtsprechung, mit Urteil vom 12. November 1964 V 173/62 U (BFHE 81, 361, BStBl III 1965, 129) dieser Betrachtungsweise angeschlossen.

6

Die aufgrund der Führungsklausel erbrachten Leistungen der Klägerin an die Mitversicherer könnten auch nicht als unselbständige Nebenleistungen zu den steuerbefreiten Versicherungsleistungen der Mitversicherer an den Versicherungsnehmer angesehen werden. In diese Leistungsbeziehung sei die Klägerin nicht eingebunden; Nebenleistungen Dritter gebe es nicht.

7

Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG komme nicht in Betracht, da die Klägerin anderen Personen nur insoweit Versicherungsschutz verschafft habe, als sie selbst (Teil-)Versicherungsschutz schulde. Die nach der Führungsvereinbarung geschuldeten Leistungen beträfen dieses Versicherungsverhältnis aber nicht, sondern vielmehr die Abwicklung des Versicherungsschutzes, den die Mitversicherer ihrerseits aufgrund selbständiger Verträge den Versicherungsnehmern verschafft hätten.

8

Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf Art. 13 Teil B Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) --nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL)-- berufen. Die in § 4 Nr. 11 UStG umgesetzte Richtlinienbestimmung sei für die Leistungen der Klägerin nicht einschlägig, da sie nicht zum Kreis der Versicherungsmakler und –vertreter gehöre.

9

Schließlich sei auch die gerügte Doppelbesteuerung mit Umsatz- und Versicherungsteuer nicht gegeben, da in der Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und den Mitversicherern Versicherungsteuer nicht anfalle.

10

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1101 veröffentlicht.

11

Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, das FG leite aus der "versicherungsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung" abstrakt-generell ihre Verpflichtung gegenüber den Mitversicherern ab, ohne allerdings entsprechende Feststellungen getroffen zu haben. Neben der von einem jeden Mitversicherer geschuldeten anteiligen Risikotragung werde eine Verwaltungsdienstleistungsverpflichtung eines jeden Mitversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer unterstellt, deren Erfüllung sie als führender Versicherer vermeintlich übernommen habe. Tatsächlich werde die Führungsabrede jedoch im Verhältnis des "Führenden" zum Versicherungsnehmer getroffen. Insoweit hätte es einer Auseinandersetzung mit dem Handelsbrauch bedurft, das FG sei jedoch seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht nachgekommen, weshalb das Verfahren zur konkreten Sachverhaltsaufklärung an die Vorinstanz zurückzuverweisen sei.

12

Zwar würden im Falle einer offenen Mitversicherung aus neuerer deutscher zivilrechtlicher Sicht mehrere unmittelbare Vertragsverhältnisse der Mitversicherer mit dem einen Versicherungsnehmer begründet. Jedoch sei es produkttypisch allein der führende Versicherer, der im Verhältnis zum Versicherungsnehmer sämtliche Verwaltungs- und Abwicklungsaufgaben schulde und erledige, die von den übrigen Mitversicherern gerade nicht geschuldet würden.

13

Allerdings sei auch auf der Basis des von dem FG unterstellten Sachverhalts die Klage begründet. Danach habe sie als "Führende" aufgrund der konkludent getroffenen Absprachen im eigenen Namen für Rechnung der Mitversicherer gehandelt. Damit seien die Voraussetzungen der Leistungskommission erfüllt. Dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Januar 2013 C-224/11 --BGZ Leasing-- (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 262, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2013, 270) sei zu entnehmen, dass es nicht auf das zivilrechtliche Konzept der Vertragsbeziehungen ankomme, sondern darauf, ob ein Versicherungsumsatz im Sinne des Umsatzsteuerrechts vorliege.

14

Zumindest habe eine Vorlage an den EuGH unter dem Aspekt der Leistungskommission und dem Stichwort der Mitversicherung zu erfolgen, um Divergenzen mit anderen nationalen Gerichtsentscheidungen zu vermeiden und um das weltweit für die Versicherungswirtschaft wichtige Vertragskonzept der offenen Mitversicherung in der umsatzsteuerrechtlichen Dimension auf eine in der Europäischen Union einheitliche tragfähige Basis zu stellen.

15

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH seien die Steuerbefreiungen des Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen und bei denen der Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu beachten ist (z.B. EuGH-Urteile vom 8. März 2001 C-240/99 --Skandia--, Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 23; vom 3. März 2005 C-472/03 --Arthur Andersen--, Slg. 2005, I-1719, UR 2005, 201, Rz 25). Zwar erfasse die Befreiung gemäß Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG zunächst nur die Versicherungsumsätze im eigentlichen Sinne; das Wesen eines Versicherungsumsatzes sei, dass der Versicherer sich verpflichte, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen (EuGH-Urteil --Arthur Andersen-- in Slg. 2005, I-1719, UR 2005, 201, Rz 34). Neben der das Wesen eines Versicherungsverhältnisses kennzeichnenden wechselseitigen Pflicht zur Zahlung der Prämie einerseits und zur Übernahme des Risikos samt Leistungspflicht bei Eintritt des Versicherungsfalls andererseits bildeten jedoch die Dokumentation, die Verwaltung, das Beitragsinkasso und die Abwicklung des Versicherungsverhältnisses einen integralen Bestandteil der vom Versicherer dem Versicherungsnehmer insgesamt geschuldeten Gesamtleistung von "Versicherungsschutz", für die der Versicherungsnehmer als Gegenleistung das Versicherungsentgelt erbringe. Dieser Prämienumsatz unterliege --wie im Streitfall die an die Klägerin gezahlten Versicherungsentgelte ("Gesamtprämien")-- der Versicherungsteuer und sei deswegen, um dessen Doppelbelastung mit Umsatzsteuer zu vermeiden, ausdrücklich von der Umsatzsteuer befreit; eine gesonderte Vergütung anteiliger Verwaltungskosten finde nach den Feststellungen des FG nicht statt.

16

Jedenfalls sei die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage zu korrigieren. Hierbei sei zum Ersten der Anteil der dem Führenden wegen der Vertragsvermittlung zustehenden Prämie zu bewerten, zum Zweiten die Mehrarbeit und das dafür aufgewandte Entgelt zu ermitteln, zum Dritten in jedem Fall der Teil der angeblich umsatzsteuerrelevanten Vorabprämie ("Führungsprovision") im Verhältnis Mitversicherer zu Führendem um den eigenen (quotalen) Verwaltungsanteil des Führenden gegenüber dem Versicherungsnehmer zu reduzieren.

17

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Bescheids vom 8. Mai 2003 sowie der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2004 die Umsatzsteuer für 1994 auf ... DM (./. ... €) festzusetzen,
hilfsweise die Sache dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vorzulegen,
äußerst hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

18

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin in Erledigung der sog. Führungsaufgaben ausgeführten Umsätze steuerbar und steuerpflichtig sind.

20

1. Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. November 2008 V R 8/07, BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397, unter II.1.; vom 30. Juni 2010 XI R 22/08, BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084, Rz 11 f.; vom 14. März 2012 XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667, Rz 52).

21

a) Eine Leistung gegen Entgelt liegt regelmäßig auch dann vor, wenn der Leistende im Auftrag des Leistungsempfängers für diesen eine Aufgabe übernimmt und insoweit gegen Aufwendungsersatz tätig wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. April 2002 V R 65/00, BFHE 198, 233, BStBl II 2002, 782, unter II.1.; vom 18. März 2004 V R 101/01, BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798; in BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397). Dasselbe gilt auch dann, wenn ein Unternehmer für einen anderen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig wird und von ihm nach § 683 BGB den Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann (BFH-Urteil vom 16. Januar 2003 V R 92/01, BFHE 201, 339, BStBl II 2003, 732).

22

b) Wer bei einem Umsatz als Leistender bzw. als Leistungsempfänger anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, und vom 10. November 2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867, jeweils m.w.N.). Dasselbe gilt auch bei der Bestimmung des Leistungsempfängers (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876; vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09, BFH/NV 2012, 1004).

23

2. Im Streitfall geht es um die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung sog. Führungsleistungen bei einer "offenen Mitversicherung".

24

a) Unter "Mitversicherung" wird die Versicherung ein und desselben Interesses gegen dieselbe Gefahr durch mehrere Versicherer verstanden (Schnepp in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz --VVG--, 9. Aufl., § 77 Rz 18 ff.; Halbach in Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 1. Aufl., § 77 Rz 7; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Vorbemerkung zu § 77 Rz 1; Langheid in Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl., § 77 Rz 2).

25

aa) Bei der sog. verdeckten (internen, stillen) Mitversicherung schließt der Versicherungsnehmer --anders als im Streitfall-- nur mit einem Versicherer einen Versicherungsvertrag. Der Versicherer wiederum schließt weitere Verträge mit anderen Versicherern, wobei Prämien und Risiko aufgeteilt werden. Rechtlich liegt eine Rückversicherung vor, wobei im Gegensatz zur einfachen Rückversicherung bei der verdeckten Mitversicherung eine mehrfache Rückversicherung besteht (Hofmann, Privatversicherungsrecht, 3. Aufl., § 5 Rz 24 f.; Halbach in Langheid/Wandt, a.a.O., § 77 Rz 7; Armbrüster in Prölss/ Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 1; Langheid in Römer/ Langheid, a.a.O., § 77 Rz 6).

26

bb) Bei der sog. offenen Mitversicherung tritt gegenüber dem Versicherungsnehmer eine Mehrzahl von Versicherern auf, um sich an der Deckung desselben Risikos zu beteiligen. Nach ganz herrschender Meinung handelt es sich hierbei nicht um einen einheitlichen Versicherungsvertrag, sondern um eine Mehrzahl rechtlich selbständiger Verträge zwischen dem Versicherungsnehmer und dem jeweiligen Mitversicherer (vgl. z.B. Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts --OLG-- Hamburg vom 19. Februar 2008  6 U 119/07, Versicherungsrecht 2008, 1249, Rz 24; Urteil des OLG Celle vom 19. November 2009  8 U 238/08, Recht und Schaden 2010, 424, Rz 621; Franz, Betriebs-Berater 2011, 2141; Hofmann, a.a.O., § 5 Rz 21; Halbach in Langheid/ Wandt, a.a.O., § 77 Rz 7; Armbrüster in Prölss/Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 4; Langheid in Römer/Langheid, a.a.O., § 77 Rz 7; Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, Diss., Berlin 2006, S. 69; nunmehr auch entgegen der Vorauflage Schnepp in Bruck/Möller, a.a.O., § 77 Rz 22). Danach ist jeder Mitversicherer Träger einer eigenen Versicherung mit eigener Einzelversicherungssumme, eigener Leistungsverpflichtung, eigenem Prämienanspruch und eigenen Versicherungsbedingungen (Schaloske, a.a.O., S. 83).

27

b) Zur Vereinfachung der Vertragsdurchführung bestimmen die an der Mitversicherung beteiligten Versicherer meist einen führenden Versicherer (vgl. z.B. Halbach in Langheid/Wandt, a.a.O., § 77 Rz 12). Führungsverträge werden jedoch in aller Regel nicht ausdrücklich geschlossen. In Betracht kommen daher stillschweigende Vereinbarungen und die Geltung von Handelsbräuchen (Schaloske, a.a.O., S. 233).

28

Während der Zusammenschluss der Mitversicherer zu einer offenen Mitversicherung nach überwiegender Ansicht als Innengesellschaft bürgerlichen Rechts qualifiziert wird (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 7; Schaloske, a.a.O., S. 230), ist die Führungsvereinbarung als ein von dem gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluss zu trennendes Rechtsverhältnis zwischen dem Führenden und den beteiligten Mitversicherern anzusehen. Denn der Führende vertritt im Außenverhältnis zum Versicherungsnehmer, da --wie oben dargelegt-- Vertragspartner des Versicherungsnehmers jeweils der einzelne Mitversicherer ist, nicht die (Innen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern vielmehr den einzelnen Mitversicherer hinsichtlich des von diesem übernommenen Anteils am Gesamtrisiko; die Führungsvereinbarung bildet das Grundverhältnis der dem Führenden von den Mitversicherern insoweit erteilten Vollmachten (Schaloske, a.a.O., S. 231).

29

c) Wird für die Wahrnehmung der Interessen der Mitversicherer eine Führungsprovision vereinbart, liegt ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), sonst ein Auftrag (§ 662 BGB) vor (vgl. Hofmann, a.a.O., § 5 Rz 22; Halbach in Langheid/Wandt, a.a.O., § 77 Rz 12 f.; Armbrüster in Prölss/ Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 9, 16; Schaloske, a.a.O., S. 233 ff.).

30

3. Nach den Feststellungen des FG gewährte eine Mehrzahl von Versicherern --darunter die Klägerin-- dem jeweiligen Versicherungsnehmer durch Aufnahme einer entsprechenden Beteiligungsklausel in den Versicherungsvertrag anteilig nach einer bestimmten Quote Versicherungsschutz. Die Klägerin übernahm die streitbefangenen sog. Führungsgeschäfte und erledigte hierbei die bei Begründung und Abwicklung der Mitversicherungsverträge anfallenden Verwaltungsaufgaben wie Besichtigungen, Berechnungen, Ausstellung des Versicherungsscheins, Einziehung der Prämien, Regulierung der Schäden und Ähnliches, wofür sie die sog. Führungsprovision bzw. laut Klägerin eine "Vorabprämie", d.h. einen bevorzugten Anteil von 1 bis 3 % aus dem Versicherungsentgelt erhielt.

31

Das FG hat ferner festgestellt, dass die Klägerin die Führungsgeschäfte "in Folge der Führungsklausel erbracht" hat. Dabei handelt es sich dem Inhalt nach um eine Tatsachenfeststellung, auch wenn diese Passage sich in den Entscheidungsgründen findet (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 2001 X R 48/96, BFH/NV 2002, 153; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 37, 39; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 64, 81; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 118 FGO Rz 135, 140, 215).

32

Danach war die Übernahme der Führungsgeschäfte durch die Klägerin es den Mitversicherern wert, sich mit einer um die Führungsprovision geminderten Prämie zu begnügen und nicht einen Anteil an der Gesamtprämie zu beanspruchen, der dem übernommenen Anteil am Gesamtrisiko entsprochen hätte.

33

4. Auf der Grundlage dieser Feststellungen --bei denen es sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht um "Unterstellungen" handelt-- und vor dem unter II.2. dargelegten Hintergrund ist die Entscheidung des FG, dass die Klägerin in Erledigung des sog. Führungsgeschäfts gegenüber den Mitversicherern im Rahmen ihres Unternehmens jeweils eine steuerpflichtige sonstige Leistung gegen Entgelt ausgeführt hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG), revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß des FG gegen die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht vor.

34

a) Die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen, d.h. die Ermittlung dessen, was die Vertragsparteien erklärt und was sie gewollt haben, gehört grundsätzlich zu den "tatsächlichen Feststellungen" i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, deren Vornahme dem FG obliegt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Februar 1997 IV R 15/96, BFHE 183, 39, BStBl II 1997, 535; vom 14. Januar 2004 X R 37/02, BFHE 205, 96, BStBl II 2004, 493; Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 195 f.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 24). Verstößt die Sachverhaltswürdigung des FG nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, ist sie für den BFH selbst dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902; vom 20. November 2012 VIII R 57/10, BFHE 239, 422).

35

Dagegen ist die rechtliche Einordnung des (nach Maßgabe des FG) von den Vertragspartnern Gewollten am Maßstab der jeweils einschlägigen Normen für das Revisionsgericht nicht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, sondern in vollem Umfang nachprüfbare Rechtsanwendung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. April 1998 III R 67/97, BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613; vom 19. Februar 2004 V R 10/03, BFHE 205, 495, BStBl II 2004, 675; Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 197; Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 24).

36

b) Nach diesen Maßstäben ist die Würdigung des FG, dass die Klägerin mit der Erledigung der sog. Führungsaufgaben für die Mitversicherer eine Geschäftsbesorgung übernommen und hierfür als Entgelt eine Führungsprovision erhalten hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

37

Wenn die Klägerin hingegen meint, sie schulde die Erledigung von Verwaltungsaufgaben nicht aufgrund einer entsprechenden Führungsklausel den Mitversicherern, sondern aufgrund des Mitversicherungsvertrags originär dem Versicherungsnehmer, setzt sie lediglich ihre Würdigung an die Stelle der vertretbaren Würdigung des FG.

38

aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin beruht die Würdigung des FG auf einer tragfähigen Grundlage. Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) liegt nicht vor; das Verfahren ist nicht "zur konkreten Sachverhaltsaufklärung" an das FG zurückzuverweisen.

39

Nach dem Vorbringen der Klägerin ist im Streitfall weder im Verhältnis des Führenden zum Versicherungsnehmer noch im Verhältnis zu Mitversicherern ein schriftlicher Vertrag mit einer ausdrücklichen "Führungsklausel" geschlossen worden. Davon ist auch das FG ausgegangen. Eine Zurückverweisung mit dem Ziel der Feststellung des Inhalts vertraglich vereinbarter Führungsklauseln scheidet danach aus.

40

Auch soweit die Klägerin geltend macht, wegen des Fehlens schriftlicher vertraglicher Vereinbarungen obliege es dem FG, sich mit dem Handelsbrauch, also dem üblichen Inhalt von Führungsklauseln, auseinanderzusetzen --was bisher unterblieben sei--, rechtfertigt dies keine Zurückverweisung der Sache. Denn die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, im Streitjahr 1994 habe es einen (eindeutigen) Handelsbrauch gegeben, der den Feststellungen und der tatsächlichen Würdigung des FG widerspreche.

41

bb) Die rechtliche Würdigung des FG, die Klägerin sei gegenüber den Mitversicherern im Rahmen einer Geschäftsbesorgung mit Dienstleistungscharakter (§ 675 Abs. 1 i.V.m. § 611 BGB) tätig geworden und habe hierbei sonstige Leistungen gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG) erbracht, ist frei von Rechtsfehlern. Sie entspricht der unter II.2. dargelegten zivilrechtlichen Rechtslage.

42

cc) Aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-77/01 --EDM-- (Slg. 2004, I-4295, UR 2004, 292, HFR 2004, 812, Rz 91) ergibt sich nichts anderes. Denn die Klägerin ist über die Verwaltung des bloß von ihr übernommenen Risikos hinaus tätig geworden. Gerade hierfür erhielt die Klägerin die streitbefangene Führungsprovision oder Vorabprämie.

43

dd) Soweit dem RFH-Urteil in RFHE 30, 62, RStBl 1932, 380 auch nach Ergehen des BFH-Urteils in BFHE 81, 361, BStBl III 1965, 129 überhaupt noch Bedeutung zukommen sollte, steht die Sichtweise des RFH, die Führungsprovision stelle "nur einen Ausgleich für die Mehrbelastung, die der führenden Gesellschaft bei dem Versicherungsgeschäft zufällt," dar, nicht der Annahme entgegen, dass die Klägerin in Erledigung der Führungsgeschäfte gegenüber den Mitversicherern jeweils eine sonstige Leistung erbracht hat.

44

ee) Diese rechtliche Einordnung der Führungsleistungen bzw. der Führungsklausel kann bereits deshalb nicht gegen einen --so die Klägerin-- "gemeinschaftsrechtlich einheitlich verstandenen Begriff der Mitversicherung in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 78/473/EWG" verstoßen, da diese Richtlinie in Art. 2 Abs. 2 gerade vorsieht, dass (andere) "Mitversicherungsgeschäfte, welche die Voraussetzungen von Absatz 1 nicht erfüllen..., weiterhin dem bei Inkrafttreten der Richtlinie geltenden einzelstaatlichen Recht" unterliegen. Des von der Klägerin insoweit beantragten Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH bedarf es danach nicht (vgl. zu den Voraussetzungen einer Vorlage: EuGH-Urteile vom 6. Oktober 1982  283/81 --C.I.L.F.I.T. u.a.--, Slg. 1982, 3415, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 1257, Rz 21; vom 6. Dezember 2005 C-461/03 --Gaston Schul--, Slg. 2005, I-10513, HFR 2006, 416, Rz 16; vom 15. September 2005 C-495/03 --Intermodal Transports--, Slg. 2005, I-8151, HFR 2005, 1236, Rz 33).

45

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie auf der Basis des vom FG festgestellten Sachverhalts nicht aufgrund einer konkludent getroffenen Absprache im eigenen Namen und für Rechnung der Mitversicherer gehandelt. Auf den Streitfall finden die Rechtsgrundsätze der Leistungskommission (vgl. § 3 Abs. 11 UStG n.F., Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) keine Anwendung.

46

Die Leistungskommission setzt voraus, dass der Unternehmer im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung handelt. Vorliegend jedoch ist die Klägerin hinsichtlich der Verwaltung des mitversicherten Risikos nach außen hin stets im Namen Dritter, d.h. im Namen des jeweiligen Mitversicherers, aufgetreten. Selbst wenn aber die Annahme der Klägerin zuträfe, sie habe als "Führende" die Verwaltung der Mitversicherungen dem Versicherungsnehmer originär geschuldet, so hätte sie diesbezüglich gegenüber dem Versicherungsnehmer auf eigene Rechnung gehandelt.

47

Auch insoweit kommt die von der Klägerin angeregte EuGH-Vorlage nicht in Betracht.

48

5. Die streitbefangene Führungsleistung unterfällt keiner Steuerbefreiung.

49

a) Nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG sind die Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des VersStG steuerfrei; das gilt auch, wenn die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht der Versicherungsteuer unterliegt. Steuerfrei sind ferner nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG die Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird, sowie nach § 4 Nr. 11 UStG die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Diese Befreiungsvorschriften dienen der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG --nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL-- (z.B. Vorlagebeschluss des BFH vom 16. April 2008 XI R 54/06, BFHE 221, 464, BStBl II 2008, 772, unter C.; Handzik in Offerhaus/Söhn/Lange, § 4 Nr. 10 UStG Rz 8, anders § 4 Nr. 11 UStG Rz 3). Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer "die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden".

50

b) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG umschrieben sind, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. z.B. EuGH-Urteile --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 32; vom 20. November 2003 C-8/01 --Taksatorringen--, Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 36).

51

c) Diese Steuerbefreiungen sind autonome unionsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen und bei denen der Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu beachten ist (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 25. Februar 1999 C-349/96 --CPP--, Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 15; --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 23).

52

d) Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG definiert den Begriff "Versicherungsumsätze" nicht. Gleichwohl bedarf es keiner --von der Klägerin insoweit hilfsweise beantragten-- Vorlage an den EuGH. Denn daran, dass die streitigen Leistungen keine "Versicherungsumsätze" i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG sind, hat der Senat keinen ein Vorabentscheidungsersuchen rechtfertigenden "vernünftigen Zweifel".

53

aa) Zum Begriff "Versicherungsumsätze" hat der EuGH bereits ausgeführt, dass es nach allgemeinem Verständnis das Wesen eines Versicherungsumsatzes ist, dass der Versicherer sich verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen (EuGH-Urteile --CPP-- in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 17; --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 38 ff.).

54

Zwar hat der EuGH dargelegt, dass der Ausdruck "Versicherungsumsätze" nicht nur die von den Versicherern selbst getätigten Umsätze erfasst, sondern grundsätzlich weit genug ist, um die Gewährung von Versicherungsschutz durch einen Steuerpflichtigen zu umfassen, der nicht selbst der Versicherer ist, der aber im Rahmen einer Gruppenversicherung seinen Kunden einen solchen Schutz durch Inanspruchnahme der Leistungen eines Versicherers verschafft, der das versicherte Risiko zu decken übernimmt (EuGH-Urteile --CPP-- in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 22; --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 38). Entsprechend der in der Rechtssache --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 39 angeführten Definition des Versicherungsumsatzes hat der EuGH indessen in der Rechtssache --Skandia-- festgestellt, dass die Identität des Dienstleistungsempfängers für die Bestimmung der von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG erfassten Art von Dienstleistungen von Bedeutung ist und dass ein Versicherungsumsatz seinem Wesen nach eine Vertragsbeziehung zwischen dem Erbringer der Versicherungsdienstleistung und der Person, deren Risiken von der Versicherung gedeckt werden, d.h. dem Versicherten, voraussetzt (EuGH-Urteile --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 41; vom 22. Oktober 2009 C-242/08 --Swiss Re Germany Holding--, Slg. 2009, I-10099, BFH/NV 2009, 2108, UR 2009, 891, Rz 36).

55

bb) Danach handelt es sich bei den hier streitigen Leistungen der Klägerin gegenüber den Mitversicherern als Leistungsempfängern weder um Versicherungsumsätze i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG noch gemäß § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG um Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des VersStG.

56

Die --so die Klägerin-- Gefahr eines Wertungswiderspruches in der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von offener Mitversicherung zu verdeckter Mitversicherung und Rückversicherung --sollten sie trotz der dargestellten Unterschiede (s.o. unter II.2.a) bestehen-- könnte eine andere Beurteilung im Streitfall nicht rechtfertigen.

57

cc) Auch hierzu besteht angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung des EuGH kein Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen. Die Klägerin hat insoweit auch nicht belegt, dass in den übrigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft die "Führungsprovision" in der Mitversicherung regelmäßig als Teil des gemeinschaftsweit von der Umsatzsteuer befreiten "Versicherungsumsatzes" angesehen wird.

58

Soweit die Klägerin diesbezüglich auf die Entscheidungen des Conseil d'État vom 18. Juni 1997 N° 133230 und des Finanzgerichts der Provinz Mailand vom 19. Oktober 2009 N° 3628/09 verweist, ist weder ersichtlich, dass diese Entscheidungen auf einer abweichenden Auslegung hier einschlägiger Vorschriften der Richtlinie 77/388/EWG beruhen, noch angesichts der in den Entscheidungen enthaltenen Tatbestände überhaupt gesichert, ob den angeblichen Divergenzentscheidungen im Wesentlichen entsprechende Sachverhalte zugrunde liegen.

59

Insoweit ebenso wenig aussagekräftig ist der Hinweis der Klägerin auf eine Kommentierung zum österreichischen UStG, wonach die Führungsprovision lediglich einen Vorzugsprämienanteil an der Gesamtprämie darstelle, "der u.E. nach § 6 Z. 9 lit. c UStG 1972 umsatzsteuerfrei behandelt werden kann". Dasselbe gilt für die von der Klägerin vorgelegten Papiere des Comité Européen des Assurances aus den Jahren 2006 und 2008.

60

dd) Die Führungsleistung ist ferner entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als Nebenleistung zu der nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreien Hauptleistung der Klägerin, die darin besteht, dem Versicherungsnehmer im Wege der Mitversicherung anteilig selbst Versicherungsschutz zu gewähren, zu behandeln.

61

Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile aber als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 10. März 2011 C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09 --Bog u.a.--, Slg. 2011, I-1457, UR 2011, 272, Rz 54; --CPP-- in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 30; BFH-Urteile vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712, unter II.2.b; vom 19. Oktober 2011 XI R 20/09, BFHE 235, 538, BStBl II 2012, 374, Rz 27, jeweils m.w.N.).

62

Die streitige Führungsleistung bezieht sich aber gerade nicht auf die von der Klägerin gegenüber dem Versicherungsnehmer erbrachte Hauptleistung, dem Gewähren von (anteiligem) Versicherungsschutz durch sie selbst, sondern ausschließlich auf das von den Mitversicherern übernommene Risiko, indem die Klägerin die Mitversicherer von entsprechenden Verwaltungsaufgaben entbindet. Vor diesem Hintergrund stehen die Gewährung von Versicherungsschutz durch die Klägerin einerseits sowie deren Wahrnehmen von Verwaltungsaufgaben bezüglich der Gewährung von Versicherungsschutz durch Dritte andererseits nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung in Bezug auf denselben Leistungsempfänger. Mehrere Leistungen können aber unter dem Gesichtspunkt von Haupt- und Nebenleistung nach der dargelegten Rechtsprechung nur dann zu einer einheitlichen Leistung "verschmolzen" werden, wenn die Leistungen gegenüber ein und demselben Leistungsempfänger erbracht werden; Nebenleistungen Dritter oder an Dritte gibt es nicht (vgl. z.B. Lange, UR 2009, 289 ff.; Klenk in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 10 Rz 66). Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage der Sache an den EuGH.

63

ee) Die streitbefangenen Führungsleistungen der Klägerin sind auch dann nicht steuerfrei, wenn sie in nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG steuerbefreite Umsätze der Leistungsempfänger, hier der Mitversicherer, eingeflossen sind. Denn maßgeblich ist, ob die streitigen Führungsleistungen selbst als Versicherungsumsätze betrachtet werden können (zu § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG vgl. Senatsurteil in BFHE 235, 538, BStBl II 2012, 374, unter II.3., m.w.N.); dies ist nach vorstehenden Ausführungen zu verneinen.

64

e) Die Klägerin ist in Erledigung der streitbefangenen Führungsaufgaben auch nicht als Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter i.S. des § 4 Nr. 11 UStG und des Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG tätig geworden. Insbesondere handelt es sich dabei nicht um "dazugehörige Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden" i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG.

65

aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH erfasst dieser Begriff allein die "Dienstleistungen der Berufsausübenden ..., die zugleich mit dem Versicherer und dem Versicherten in Verbindung stehen, wobei klargestellt wird, dass der Makler lediglich ein Vermittler ist" (EuGH-Urteil --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 44). Der Beruf des Maklers wird dadurch charakterisiert, dass dieser eine Verbindung zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer herstellt (EuGH-Urteil --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 45).

66

bb) Die streitigen Führungsleistungen sind nicht in diesem Sinne "Dienstleistungen der Berufsausübenden ..., die zugleich mit dem Versicherer und dem Versicherten in Verbindung stehen". Die Klägerin ist in Erledigung der Führungsaufgaben als Versicherer und nicht als Versicherungsmakler oder -vertreter tätig geworden. Es ist undenkbar, dass Führungsaufgaben der streitigen Art von Versicherungsmaklern oder -vertretern wahrgenommen werden.

67

Deshalb ist auch unerheblich, dass --wie die Klägerin vorträgt-- Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie des Rates vom 13. Dezember 1976 über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die Tätigkeiten des Versicherungsagenten und des Versicherungsmaklers (Richtlinie 77/92/EWG) für den Versicherungsvertreter ausdrücklich keine Mitarbeit bei dem Zustandekommen des Versicherungsvertrags voraussetze, es für den EuGH für dessen Entscheidung --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122 ausschlaggebend gewesen sei, dass der Taksatorring keine Befugnis hatte, den Versicherer rechtlich zu binden, und dies sich im Streitfall gerade anders verhalte.

68

Ebenso folgt der Senat deshalb nicht der Auffassung der Klägerin, die zentrale Tätigkeit des Führenden sei "diejenige, andere, zur Risikoübernahme quotal bereitstehende Versicherer als Mitversicherer zu gewinnen", so dass es zwingend sei, sämtliche Tätigkeiten, die damit in Verbindung stünden --wie hier die zum typischen Tätigkeitsbereich von Versicherungsmaklern oder -vertretern gehörenden Vertragsabwicklungen-- als Nebenleistungen respektive "dazugehörige Dienstleistungen" anzusehen.

69

Soweit die Klägerin auf die Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlungen (Richtlinie 2002/92/EG; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2003, L 9/3) Bezug nimmt, die die Richtlinie 77/92/EWG ersetzt hat, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Nr. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2002/92/EG der Ausdruck "Versicherungsvermittlung" zwar "das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall" bezeichnet, jedoch nach Art. 2 Nr. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2002/92/EG "diese Tätigkeiten... nicht als Versicherungsvermittlung [gelten], wenn sie von einem Versicherungsunternehmen oder einem Angestellten eines Versicherungsunternehmens, der unter der Verantwortung des Versicherungsunternehmens tätig wird, ausgeübt werden."

70

cc) Daran, dass mithin die streitigen Leistungen nicht unter den Begriff der "dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden" i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG fallen, hat der Senat keine "vernünftigen Zweifel", so dass auch insoweit die von der Klägerin beantragte Vorlage der Sache an den EuGH ausscheidet.

71

Das gilt auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten --aber einen völlig anderen Sachverhalt betreffenden-- Entscheidung des französischen Conseil d'État vom 7. Januar 2000 N° 201021.

72

f) Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG sind --wovon im Übrigen auch die Klägerin ausgeht-- ebenfalls nicht erfüllt. Die Klägerin hat nicht anderen Personen Versicherungsschutz verschafft, da sie keinen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abgeschlossen hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 67/01, BFHE 200, 126, BStBl II 2003, 378).

73

g) Die von der Klägerin gerügte Doppelbelastung mit Versicherungsteuer und Umsatzsteuer liegt nicht vor. Das Gewähren von Versicherungsschutz durch die Mitversicherer einerseits und die Durchführung der bei Begründung und Abwicklung dieser Verträge anfallenden Verwaltungsaufgaben durch die Klägerin andererseits sind keine deckungsgleichen Rechtsvorgänge, die sowohl der Versicherungsteuer als auch der Umsatzsteuer unterliegen.

74

6. Schließlich ist entgegen der Ansicht der Klägerin die im Streitfall angesetzte Bemessungsgrundlage nicht zu beanstanden.

75

a) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG) und nicht, wie die Klägerin offensichtlich meint, nach ihrer "Mehrarbeit"; Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).

76

b) Die Gegenleistung besteht im Streitfall darin, dass sich der jeweilige Mitversicherer zugunsten der Klägerin mit einer um die Führungsprovision geminderten Prämie begnügte. Denn das FG hat festgestellt, dass die Klägerin als führende Gesellschaft "von der Gesamtprämie ... für den Abschluss und die Bearbeitung des Geschäftes einen bevorzugten Anteil in Höhe von ein bis drei Prozent der Gesamtprämie" erhalten hat. Dass in der streitbefangenen Führungsprovision --wie die Klägerin offenkundig meint-- Entgeltanteile für die Vermittlung des Abschlusses von Mitversicherungen sowie für die Verwaltung des von der Klägerin selbst übernommenen Risikos enthalten seien, widerspricht den --nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen-- Feststellungen des FG.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.

(2) Absatz 1 gilt nicht,

1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder
2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.

(1) Der Unternehmer ist verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Diese Verpflichtung gilt in den Fällen des § 13a Absatz 1 Nummer 2 und 5, des § 13b Absatz 5 und des § 14c Absatz 2 auch für Personen, die nicht Unternehmer sind, in den Fällen des § 18k auch für den im Auftrag handelnden Vertreter und in den Fällen des § 21a für die gestellende Person. Ist ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb nach § 24 Absatz 3 als gesondert geführter Betrieb zu behandeln, hat der Unternehmer Aufzeichnungspflichten für diesen Betrieb gesondert zu erfüllen. In den Fällen des § 18 Absatz 4c und 4d sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage des Bundeszentralamtes für Steuern auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen des § 18 Absatz 4e sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der für das Besteuerungsverfahren zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen der §§ 18i, 18j, 18k und 21a sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz oder Geschäftsvorgang bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet für das besondere Besteuerungsverfahren oder für die Sonderregelung zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen.

(2) Aus den Aufzeichnungen müssen zu ersehen sein:

1.
die vereinbarten Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen. Dies gilt entsprechend für die Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4, wenn Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b, sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a sowie des § 10 Abs. 5 ausgeführt werden. Aus den Aufzeichnungen muss außerdem hervorgehen, welche Umsätze der Unternehmer nach § 9 als steuerpflichtig behandelt. Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) treten an die Stelle der vereinbarten Entgelte die vereinnahmten Entgelte. Im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 6 hat der Unternehmer, der die auf die Minderung des Entgelts entfallende Steuer an das Finanzamt entrichtet, den Betrag der Entgeltsminderung gesondert aufzuzeichnen;
2.
die vereinnahmten Entgelte und Teilentgelte für noch nicht ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte und Teilentgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen.Nummer 1 Satz 4 gilt entsprechend;
3.
die Bemessungsgrundlage für Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und für sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1. Nummer 1 Satz 2 gilt entsprechend;
4.
die wegen unrichtigen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 und wegen unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 geschuldeten Steuerbeträge;
5.
die Entgelte für steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen, die an den Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, und die vor Ausführung dieser Umsätze gezahlten Entgelte und Teilentgelte, soweit für diese Umsätze nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 die Steuer entsteht, sowie die auf die Entgelte und Teilentgelte entfallenden Steuerbeträge;
6.
die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die für das Unternehmen des Unternehmers eingeführt worden sind, sowie die dafür entstandene Einfuhrumsatzsteuer;
7.
die Bemessungsgrundlagen für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
8.
in den Fällen des § 13b Absatz 1 bis 5 beim Leistungsempfänger die Angaben entsprechend den Nummern 1 und 2. Der Leistende hat die Angaben nach den Nummern 1 und 2 gesondert aufzuzeichnen;
9.
die Bemessungsgrundlage für Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
10.
in den Fällen des § 21a Namen und Anschriften der Versender und der Sendungsempfänger, die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die hierzu von den Versendern, Sendungsempfängern und Dritten erhaltenen Informationen, sowie die Sendungen, die im abgelaufenen Kalendermonat an die jeweiligen Sendungsempfänger ausgeliefert wurden, die je Sendung vereinnahmten Beträge an Einfuhrumsatzsteuer, die Sendungen, die noch nicht ausgeliefert werden konnten und sich noch in der Verfügungsgewalt der gestellenden Person befinden, sowie die Sendungen, die wiederausgeführt oder unter zollamtlicher Überwachung zerstört oder anderweitig verwertet wurden.

(3) Die Aufzeichnungspflichten nach Absatz 2 Nr. 5 und 6 entfallen, wenn der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 2 und 3). Ist der Unternehmer nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt, so müssen aus den Aufzeichnungen die Vorsteuerbeträge eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein, die den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen ganz oder teilweise zuzurechnen sind. Außerdem hat der Unternehmer in diesen Fällen die Bemessungsgrundlagen für die Umsätze, die nach § 15 Abs. 2 und 3 den Vorsteuerabzug ausschließen, getrennt von den Bemessungsgrundlagen der übrigen Umsätze, ausgenommen die Einfuhren und die innergemeinschaftlichen Erwerbe, aufzuzeichnen. Die Verpflichtung zur Trennung der Bemessungsgrundlagen nach Absatz 2 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 und Nr. 3 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) In den Fällen des § 15a hat der Unternehmer die Berechnungsgrundlagen für den Ausgleich aufzuzeichnen, der von ihm in den in Betracht kommenden Kalenderjahren vorzunehmen ist.

(4a) Gegenstände, die der Unternehmer zu seiner Verfügung vom Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbringt, müssen aufgezeichnet werden, wenn

1.
an den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet Arbeiten ausgeführt werden,
2.
es sich um eine vorübergehende Verwendung handelt, mit den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet sonstige Leistungen ausgeführt werden und der Unternehmer in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Zweigniederlassung hat oder
3.
es sich um eine vorübergehende Verwendung im übrigen Gemeinschaftsgebiet handelt und in entsprechenden Fällen die Einfuhr der Gegenstände aus dem Drittlandsgebiet vollständig steuerfrei wäre.

(4b) Gegenstände, die der Unternehmer von einem im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zur Ausführung einer sonstigen Leistung im Sinne des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c erhält, müssen aufgezeichnet werden.

(4c) Der Lagerhalter, der ein Umsatzsteuerlager im Sinne des § 4 Nr. 4a betreibt, hat Bestandsaufzeichnungen über die eingelagerten Gegenstände und Aufzeichnungen über Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b Satz 1 zu führen. Bei der Auslagerung eines Gegenstands aus dem Umsatzsteuerlager muss der Lagerhalter Name, Anschrift und die inländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Auslagerers oder dessen Fiskalvertreters aufzeichnen.

(4d) Im Fall der Abtretung eines Anspruchs auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz an einen anderen Unternehmer (§ 13c) hat

1.
der leistende Unternehmer den Namen und die Anschrift des Abtretungsempfängers sowie die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung aufzuzeichnen;
2.
der Abtretungsempfänger den Namen und die Anschrift des leistenden Unternehmers, die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung sowie die Höhe der auf den abgetretenen Anspruch vereinnahmten Beträge aufzuzeichnen. Sofern der Abtretungsempfänger die Forderung oder einen Teil der Forderung an einen Dritten abtritt, hat er zusätzlich den Namen und die Anschrift des Dritten aufzuzeichnen.
Satz 1 gilt entsprechend bei der Verpfändung oder der Pfändung von Forderungen. An die Stelle des Abtretungsempfängers tritt im Fall der Verpfändung der Pfandgläubiger und im Fall der Pfändung der Vollstreckungsgläubiger.

(4e) Wer in den Fällen des § 13c Zahlungen nach § 48 der Abgabenordnung leistet, hat Aufzeichnungen über die entrichteten Beträge zu führen. Dabei sind auch Name, Anschrift und die Steuernummer des Schuldners der Umsatzsteuer aufzuzeichnen.

(4f) Der Unternehmer, der nach Maßgabe des § 6b einen Gegenstand aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet, hat über diese Beförderung oder Versendung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Erwerbers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5;
2.
den Abgangsmitgliedstaat;
3.
den Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
den Tag des Beginns der Beförderung oder Versendung im Abgangsmitgliedstaat;
5.
die von dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
6.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Lagers, in das der Gegenstand im Rahmen der Beförderung oder Versendung in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt;
7.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung im Bestimmungsmitgliedstaat;
8.
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Dritten als Lagerhalter;
9.
die Bemessungsgrundlage nach § 10 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, die handelsübliche Bezeichnung und Menge der im Rahmen der Beförderung oder Versendung in das Lager gelangten Gegenstände;
10.
den Tag der Lieferung im Sinne des § 6b Absatz 2;
11.
das Entgelt für die Lieferung nach Nummer 10 sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
12.
die von dem Erwerber für die Lieferung nach Nummer 10 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
13.
das Entgelt sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der Gegenstände im Fall des einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellten Verbringens im Sinne des § 6b Absatz 3;
14.
die Bemessungsgrundlage der nach § 6b Absatz 4 Nummer 1 in den Abgangsmitgliedstaat zurückgelangten Gegenstände und den Tag des Beginns dieser Beförderung oder Versendung.

(4g) Der Unternehmer, an den der Gegenstand nach Maßgabe des § 6b geliefert werden soll, hat über diese Lieferung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
die von dem Unternehmer im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
2.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände;
3.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
das Entgelt für die Lieferung an den Unternehmer sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
5.
den Tag des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Sinne des § 6b Absatz 2 Nummer 2;
6.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der auf Veranlassung des Unternehmers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 aus dem Lager entnommenen Gegenstände;
7.
die handelsübliche Bezeichnung der im Sinne des § 6b Absatz 6 Satz 4 zerstörten oder fehlenden Gegenstände und den Tag der Zerstörung, des Verlusts oder des Diebstahls der zuvor in das Lager gelangten Gegenstände oder den Tag, an dem die Zerstörung oder das Fehlen der Gegenstände festgestellt wurde.
Wenn der Inhaber des Lagers, in das der Gegenstand im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 befördert oder versendet wird, nicht mit dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5 identisch ist, ist der Unternehmer von den Aufzeichnungen nach Satz 1 Nummer 3, 6 und 7 entbunden.

(5) Ein Unternehmer, der ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung oder außerhalb einer solchen von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Straßen oder an anderen öffentlichen Orten Umsätze ausführt oder Gegenstände erwirbt, hat ein Steuerheft nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu führen.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung

1.
nähere Bestimmungen darüber treffen, wie die Aufzeichnungspflichten zu erfüllen sind und in welchen Fällen Erleichterungen bei der Erfüllung dieser Pflichten gewährt werden können, sowie
2.
Unternehmer im Sinne des Absatzes 5 von der Führung des Steuerhefts befreien, sofern sich die Grundlagen der Besteuerung aus anderen Unterlagen ergeben, und diese Befreiung an Auflagen knüpfen.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.